Soll man zurzeit in Griechenland Ferien machen? Ja

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Soll man zurzeit in Griechenland Ferien machen? Ja
Natur / Reise
Jetzt erst recht!
Soll man zurzeit in Griechenland Ferien machen?
Ja, auch aus Solidarität mit dem krisengebeutelten Land.
Auf den Kykladen beispielsweise.
Text und Fotos: Miriam Zollinger
W
ir wollen nicht profi­
tieren, weil es anderen
schlecht geht», sagt ein
Hotelier auf Antiparos und meint
damit die eingebrochenen Zahlen
im Nachbarland Türkei, in Ägypten
und Tunesien. Und den Umstand,
dass der letzte griechische Sommer
mit 26 Millionen Touristen einen
neuen Besucherrekord erlebte.
Doch halt! Die Flüchtlingsbilder
sind nicht vergessen. Da baden, wo
andere stranden – darf man das, will
man das? Nun, Insel ist eben nicht
gleich Insel: Die heimatlos gewor­
denen Menschen laufen Lesbos,
Kos, Leros, Samos und Chios in der
östlichen Ägäis an. Da sind die Bu­
chungen im Vergleich zu 2015 denn
auch stark zurückgegangen.
Davon sind die Kykladen in der
südlichen Ägäis, auf die unsere Rei­
se führt, weit entfernt. Wirtschafts­
faktor Nr. 1 ist hier nach wie vor der
Tourismus. Und man will mehr: Der
neue, internationale Flughafen auf
Paros soll Ende Juli fertiggestellt
sein. Schluss also mit Landungen
auf dem Regionalflughafen, der so
manchen Gast wegen seines Hand­
taschenformats schmunzeln liess.
Der Ansturm aus dem Ausland
ist verständlich: Paros, Antiparos,
und Naxos sind betörend schön:
Schäfchenwolken am Himmel,
Kirchlein, die auf Hügeln hocken,
Dörfer die aussehen, als hätten die
Götter selbst vergnügungshalber
Würfelzucker verstreut. In foto­
genem Kontrast zu all den weissen
Häusern die himmelblau gestriche­
ne Türen, Balken und Läden. Über­
haupt: diese Farben, überall!
Dazu gesellen sich Strände und
ein Meer, so klar wie der Schnaps,
der hier überall grosszügig ausge­
schenkt wird, Sehenswürdiges aus
der reichen Geschichte des Landes
und Orte, einer hübscher als der
andere. Naoussa auf Paros etwa ist
ein sonnengeküsstes Käffchen:
tagsüber so verschlafen wie die Kat­
zen, die im Schatten dösen, abends
betriebsam und voller Leben.
Die Postkartenidylle kann aber
nicht drüber hinwegtäuschen, dass
die Wirtschaftskrise die Leute beu­
telt, die Tourismusbranche unter
hohen Abgaben leidet und stets
die Steuern erhöht werden. «Man
Naoussa auf Paros ist
längst kein Geheimtipp
mehr mit seinem
pittoresken Hafen.
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Natur / Reise
Gemeindepräsident
Mpakalos Georgos :
«Wir helfen uns selbst.»
2.
1.
3.
1. Bucht Piso Livadi auf Paros
2. Agia Triada in Levkes: Der
einstige Hauptort von Paros gilt
als schönstes Dorf der Insel
3. Demeter-Tempel (Sagri, Naxos).
weiss nie, was morgen kommt»,
sagt eine Tavernenbesitzerin. Um­
gekehrt fliesst vonseiten des Staa­
tes fast kein Geld mehr. So ist das
Archäologische Museum im Kastell
von Naxos-Stadt zurzeit nur zwei
Tage pro Woche geöffnet, da hier
keine Freiwilligen arbeiten dürfen,
sondern einzig qualifiziertes, teures
Personal – ein Grund, warum der
Vize-Bürgermeister fluchend über
die Regierung herzieht. Aber das
hilft genauso wenig wie Beten in
einer der 1000 Inselkirchen.
Also macht man sich halt an der
Basis stark. Wie in Apiranthos auf
Naxos, einem Bijou in den Bergen
mit marmorgepflasterten Gassen
und venezianischen Häusern.
Am Ortseingang wartet bereits
Gemeindepräsident Mpakalos Ge­
orgos und deutet eine Verneigung
an. Beim Lunch erzählt er, dass man
bis 2009 von der Regierung 350 000
Euro im Jahr erhielt, «nun sind’s
null». Auch er werde nicht entlöhnt
für seine Tätigkeit. Warum übt er
sie dann trotzdem aus? Er wolle
das Dorf trotz der Krise von seiner
schönsten Seite präsentieren: «Wer
Apiranthos nicht gesehen hat, hat
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Naxos nicht gesehen. Das ist wie ein
Athenbesuch ohne Akropolis.»
Derzeit werde hier eine byzan­
tinische Kapelle renoviert. «Aber
nicht mit staatlichen Mitteln, son­
dern dank Schweizer Hilfe», erzählt
Georgos gerührt, drum habe er sich
vor uns verneigt. Ein Mitbürger hat
in der Freizeit einen Schuppen re­
noviert, um die Arbeiter unterzu­
bringen, ein anderer verköstigt sie.
Er, der studierte Ökonom, legt
Hand an bei der Sanierung der
Stras­se. Sämtliche fünf Museen des
Ortes entstanden in Eigeninitiative
– was für ein Engagement!
Ohne diesen Einsatz, den die
Leute aus Liebe zu ihrer Heimat
leisten, würde hier vieles nicht
funktionieren, wäre Griechenland
nicht mehr das Griechenland, das
Gäste von überall anzieht. «Diese
Liebe ist ohne Berechnung, sie
kommt von innen», sagt Georgos.
Kaum auszudenken, wenn die
Touristen ausblieben!
T
Griechenland Doku (1)
Die Kykladen
Montag, 4. Juli, 18.25, Arte
Tipps
Wie? Mit Aegean Airlines von Zürich
zuerst nach Athen und von dort
z. B. nach Naxos und retour ab Fr.
285.–; oder von Zürich über Athen
nach Paros und retour ab Fr. 275.–.
Wann? In der Vor- oder Nachsaison,
also März bis Ende Mai. Oder dann
wieder ab September bis November:
dann ist’s warm, aber nicht zu heiss.
Wo? Auf Naxos z. B. im Nissaki
Beach Hotel in Naxos-Stadt, einem
Viersternhaus mit ausgezeichnetem
Restaurant am Strand. Doppel­
zimmer ab Fr. 197.–/Nacht, inkl.
Frühstück (nissaki-beach.com).
Auf Paros im bildhübschen Fa­
milienhotel Kalypso in Naoussa,
direkt am kleinen Strand. Doppelzimmer mit Meerblick ab Fr. 71.–/
Nacht, inkl. Frühstück (kalypso.gr).
Info Das griechische Fremdenverkehrsamt liefert auf visitgreece.gr
viele Informationen, zudem
Fährenpläne für Inselhüpflustige
(sehr empfehlenswert!).