Michael Moore Kathleen Glynn Hurra Amerika
Transcription
Michael Moore Kathleen Glynn Hurra Amerika
Michael Moore Kathleen Glynn Hurra Amerika scanned by unknown corrected by himself Michael Moore auf der Suche nach der amerikanischen Seele. Man kann die amerikanische Gesellschaft natürlich auch ganz ernst nehmen, kritisch hinterfragen und knochentrockene Analysen schreiben. Oder man kann, wie Michael Moore, völlig verrückte Aktionen starten, ordentlich Krach schlagen und dabei eine Menge Spaß haben. Gemeinsam mit seiner Frau und Producerin Kathleen Glynn heuert er den KGB an und läßt ihn herausfinden, ob Richard Nixon wirklich tot ist, bringt den Vorstandsvorsitzenden von Ford dazu, vor laufender Kamera zu beweisen, daß er einen Ölwechsel machen kann, und verhandelt mit der russischen Regierung, um ihr die Atomrakete abzukaufen, die auf seine Heimatstadt Flint, Michigan, gerichtet ist. ISBN: 3-492-04627-4 Original: Adventures In A TV Nation Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Norbert Juraschitz Verlag: Piper Erscheinungsjahr: 2004 Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!! Autor Michael Moore, geboren 1954, lebt mit seiner Frau, der Produzentin Kathleen Glynn, in New York. Berühmt wurde er durch seinen Dokumentarfilm »Roger & Me«. Für »Bowling for Columbine« erhielt er 2003 den Oscar. Seine Bücher »Stupid White Men«, »Querschüsse« und »Volle Deckung, Mr. Bush!« schufen einen völlig neuen Typ des politischen Megasellers. Inhalt Einleitung ....................................................................6 1 Wer hat diese Serie ins Programm genommen?.......9 2 Liebesnacht.............................................................25 3 Invasion auf dem Strand bei Greenwich in Connecticut................................................................36 4 Zahltag....................................................................45 5 Das Corp-Aid Concert............................................58 6 Crackers, das Wirtschaftskriminalitätsbekämpfungshuhn...............68 7 Eine Herausforderung für Konzernchefs................87 8 Nicht gesucht: Brian Anthony Harris.....................98 9 Taxi.......................................................................104 10 Sklaven ...............................................................113 11 Ein Tag mit Dr. Tod ...........................................119 12 Seid ihr auf einen Gefängnisaufenthalt vorbereitet? .................................................................................125 13 Ich will ein Argentinier sein...............................130 14 Werbemüll ..........................................................137 15 Sabotage .............................................................150 16 Yuri, der Spion für TV Nation ...........................157 17 Mikes Rakete......................................................168 18 Den Kommunismus abschleppen .......................179 19 Die Klos der Gerechtigkeit.................................190 20 Mit solchen Nachbarn ........................................199 21 Die Krankenversorgungsolympiade ...................205 22 Cobb County ......................................................216 23 Frieden durch Pizza ............................................229 24 Wir engagieren unseren eigenen Lobbyisten .....236 25 Wehleidige weiße Männer..................................246 26 Die zensierte TV Nation.....................................251 27 Wenn alles gesagt und getan ist .......................262 Anhang A Die Umfragen von TV Nation ...............267 Anhang B Die Sendungen .......................................274 Anhang C Was gibt’s von uns? ...............................294 Anhang D Material für TV Nation ..........................296 Danksagung .............................................................323 Die deutsche Ausgabe folgt der amerikanischen Originalausgabe ohne aktualisierende Zusätze oder redaktionelle Eingriffe durch den deutschen Verlag. Einleitung Dieses Buch handelt davon, daß kriminelle Konzernbosse von einem zwei Meter großen Verbrechensbekämpfungshuhn verfolgt wurden, daß ein früherer KGB-Agent engagiert wurde, um endgültig zu klären, ob Nixon wirklich tot ist, und wie die Kriegsparteien in Bosnien dazu gebracht wurden, die Waffen niederzulegen, eine Pizza miteinander zu teilen und einander das Familienlied des roten Dinosauriers Barney vorzusingen. Und das alles landete schließlich zur besten Sendezeit im Fernsehen, ausgestrahlt von Gesellschaften, die General Electric (NBC) und Rupert Murdoch (Fox) gehören. Die Sendung hieß TV Nation. Sie wurde von den Kritikern als »brillant«, als »subversiv« und als »die beste Fernsehsendung in den letzten 30 Jahren« gelobt. Sie hatte 6 jede Woche zehn Millionen Zuschauer und, solange sie ausgestrahlt wurde, stets mehr 25- bis 54jährige Zuschauer als die konkurrierenden Sendungen in den drei anderen Fernsehgesellschaften. TV Nation wurde zweimal für den Emmy Award fur die beste Sendung zur Hauptsendezeit nominiert und erhielt für die Folgen von 1994 den Emmy Award fur hervorragende Informationsserien. Trotzdem war sie nach 17 Folgen weg. Als TV Nation abgesetzt wurde, erhielt die Fernsehgesellschaft Fox 55000 Briefe von Zuschauern, die eine Fortsetzung der Serie verlangten. Keine Sendung von Fox hatte je eine solche Flut von spontanen Zuschauerbriefen ausgelöst. Freunde der Sendung demonstrierten in über 30 Städten vor Sendern von Fox. 40000 Menschen schlossen sich im Internet dem Fanclub von TV Nation an. Dieses Buch soll den Verbrauchern zeigen, wie sie einen höllischen Krach schlagen und dabei Spaß haben können. Wer sagt denn, daß Bürgerbeteiligung und politisches Handeln auf Politiker beschränkt bleiben sollen und auf die Industriebosse, die diese Politiker finanzieren? Brennt ihr nicht schon lange darauf, gegen ein System zu kämpfen, das euch das Leben verleidet oder zumindest dafür sorgt, daß ihr immer später zum Abendessen nach Hause kommt? Würde es euch nicht freuen, wenn der Boß eurer Firma, der Bürgermeister eurer Stadt oder diese nichtsnutzige Health Maintenance Organisation mit ihrer zweifelhaften medizinischen Versorgung endlich ihre wohlverdiente Strafe bekämen? Wenn ja, dann ist dies genau das richtige Buch für euch. Auch wenn ihr TV Nation nie gesehen habt, wird euch bestimmt gefallen, was ihr hier lesen werdet. Zum Teufel, wir haben die Hälfte der Sendungen selbst nicht gesehen, 7 weil die Fernsehgesellschaften dauernd die Sendetermine verlegten oder sie im Sommer wegen irgendeinem vorsaisonalen Football-Match ausfallen ließen. Im ganzen Buch kommt ständig das Wort »wir« vor. Dieses »wir« sind die Mitarbeiter von TV Nation, eine engagierte, energiegeladene, intelligente, mit einem boshaften Humor ausgestattete Gruppe, deren Arbeit immer einsame Spitze gewesen ist. Ihre Namen sind auf S. 315 abgedruckt. Die Autoren dieses Berichts, Kathleen Glynn und Michael Moore, haben TV Nation konzipiert und produziert. Mike ist der, der zuviel fernsieht, und Kathleen ist die, die eigentlich lieber lesen würde. Wir hielten das für eine perfekte Kombination für ein Buch über eine Fernsehsendung, die vom wirklichen Leben handelte. Also viel Spaß beim Lesen, und wenn ihr eine Inspiration habt, legt das Buch aus der Hand, geht aus dem Haus und mischt euch ein. Dann könnt ihr in eurer eigenen Stadt euer eigenes TV-Nation-Abenteuer erleben. 8 1 Wer hat diese Serie ins Programm genommen? Es stimmt, daß einem die besten Dinge dann widerfahren, wenn man sie am wenigsten erwartet. Oder, wie in unserem Fall, wenn man aktiv verhindern will, daß sie einem widerfahren. Im Jahr 1989 machten wir einen Low-Budget-Film mit dem Titel Roger & Me, einen Dokumentarfilm darüber, was General Motors mit unserer Heimatstadt Flint in Michigan gemacht hatte. Der Film wurde ein Riesenerfolg, und wir waren davon völlig überrascht. Wir hatten ihn im Lauf von drei Jahren gedreht und unsere ganze Freizeit und unser bißchen Geld in das Projekt gesteckt. Mit dem fertigen Film wollten wir in einem Kleinbus auf Tournee gehen und ihn im ganzen Land in Gewerkschaftslokalen, Gemeindezentren und kirchlichen Gemeindehäusern vorführen. Als wir den Film zum ersten Mal auf einem Filmfestival zeigten, hatten wir ein paar TShirts dabei. Wir hatten sie selbst im Siebdruckverfahren bedruckt und wollten sie verkaufen, um unsere Rückfahrt zu finanzieren. Statt dessen wurde der Film von Warner Bros. gekauft und schließlich in fast 2000 Kinos gezeigt. Nach dem Erfolg von Roger & Me fragte uns der Leiter des Geschäftsbereichs Fernsehen bei dem Medienkonzern, ob wir womöglich auch Ideen für eine Fernsehserie hätten, und lud uns zu einem Gespräch ein. Wir dachten: »Fernsehen? Was sollen wir beim Fernsehen?« Wir wollten Filme drehen! Das Gespräch fand nie statt. Unser nächster abendfüllender Film Canadian Bacon 9 war eine schwere Geburt. Michael hatte das Drehbuch im Sommer 1991 geschrieben, aber Warner Bros. wollte den Film nicht produzieren. Auch alle anderen Studios lehnten ab. Canadian Bacon war eine Farce über den Golfkrieg. Die meisten Manager in der Filmindustrie hielten das Drehbuch für »zu politisch«. Michael fuhr zu zahlreichen Besprechungen nach Los Angeles, wo er versuchte, einen Produzenten für den Film zu gewinnen. Leider stets ohne Erfolg. Im November 1992 hockte Michael bei einem dieser Besuche in Hollywood morgens in seinem Hotelzimmer, plünderte die Minibar und sah sich im Fernsehen die Game-Show The Price is Right an. Da klingelte das Telefon, und ein leitender Angestellter der Fernsehgesellschaft NBC war am Apparat. »Wir wollten Ihnen nur sagen, daß uns Roger & Me wirklich gefallen hat, und wir möchten Sie gern fragen, ob Sie nicht Ideen für eine Fernseh-Show hätten?« »Äh, na klar!« antwortete Michael, obwohl er keine Spur von einer Idee für eine Fernseh-Show im Kopf hatte. »Wunderbar! Wir würden gerne einen Gesprächstermin mit dem Präsidenten unserer Unterhaltungsabteilung Warren Littlefield für Sie arrangieren. Wie sieht es heute nachmittag aus?« »Äh, Moment, lassen Sie mich nachsehen.« Mike suchte fieberhaft nach der Fernbedienung, um den Fernseher leiser zu stellen. »Ja, sieht so aus, als hätte ich heute nachmittag Zeit.« »Gut! Wir sehen uns dann um vier.« Wir kriegten eine Riesenpanik. Wir hatten keine Ideen für eine Fernsehsendung, und selbst wenn wir welche gehabt hätten, wollten wir keine machen. Wir wollten Canadian Bacon drehen. 10 Auf der halbstündigen Fahrt nach Burbank an diesem Nachmittag drehte Michael zur Inspiration den HeavyMetal-Rock im Autoradio auf, und wir telephonierten wie verrückt, um Ideen für das Gespräch mit dem Fernsehmann zu entwickeln. Damals, während Metallica aus dem Lautsprecher dröhnte, wurde die Idee für TV Nation geboren. Wir wollten ein witziges Fernsehmagazin machen, aber mit einem ganz besonderen Merkmal, das die Sendung von allen anderen unterscheiden sollte: Das Magazin sollte eine Meinung vertreten. Es sollte für etwas stehen, anstatt immer mit dem Mainstream zu schwimmen, wie es die meisten anderen Nachrichtenmagazine tun. Unser Magazin sollte für die Arbeiter und gegen die Konzerne Partei ergreifen. Eric Tannenbaum, Präsident Columbia TriStar Television Wer aber würde in einer solchen Sendung Werbung machen? Niemand, dachten wir. Wir vermuteten, das Gespräch würde nach wenigen Minuten beendet werden. Mike wirkte erleichtert bei dem Gedanken, daß keine Fernsehgesellschaft, und schon gar nicht NBC, TV Nation je senden würde. 11 Als Mike bei NBC ankam, wurde ihm mitgeteilt, das Gespräch werde in der Kantine stattfinden. Ein gutes Zeichen, dachte er. Kein großes Gedöhns. Er wurde von seinem Agenten und von Eric Tannenbaum, einem Manager von TriStar Television, begrüßt. Tannenbaum erbot sich, ihm später das Studio von TriStar im Obergeschoß zu zeigen, wo die Sendung produziert werden sollte. Als alle Formalitäten besprochen waren, sagte er: »Ach übrigens, wie sieht Ihre Idee für eine Fernsehsendung nun eigentlich aus?« Da stellte ihm Mike die Idee für TV Nation vor. »Ich dachte, Sie hätten eine Art Ausgerechnet Alaska für Arbeiter im Sinn«, maulte Mikes Agent (Northern Exposure, US-Fernsehserie; A.d.Ü.). »Diese Idee wird denen gar nicht gefallen.« »Mir gefällt sie«, widersprach Tannenbaum. »Sie ist witzig, und sie ist mal was anderes.« Warren Littlefield, Präsident NBC Entertainment Mike bekam Schiß, als Tannenbaum dem Konzept zustimmte. Aber er sprach sich selbst Mut zu: »Was weiß 12 der schon? Er führt keine Fernsehgesellschaft! Er ist nur ein netter Kerl von einem Studio mit Sinn für Humor. Also bleib cool.« Dann gingen die drei nach oben zu Warren Littlefield, dem Präsidenten von NBC Entertainment. In seinem Büro waren verschiedene Vizepräsidenten für Programmentwicklung und -gestaltung versammelt. Nach einer höflichen Vorstellungsrunde setzten sich alle, und Mike begann, die geplante Sendung zu schildern. »Wir denken an eine Kreuzung zwischen 60 Minutes und Fidel Castro auf Lachgas.« Die Anzugträger richteten sich in ihren Stühlen auf und lauschten gebannt. »Die Sendung wäre liberaler als alles, was je im Fernsehen gekommen ist, tatsächlich wäre sie weit mehr als ›liberal‹. Die Liberalen sind nämlich ein Haufen Waschlappen; sie haben uns überhaupt nichts gebracht. Unsere Sendung würde wagen, was noch niemand gewagt hat.« Alle im Raum lächelten. »Weiter!« sagten sie. »Die Reporter sollen beschissen aussehen. Ich meine, sie sollen aussehen, als ob sie auf dem Weg zu einer Entziehungskur im Betty Ford Center wären oder als ob sie ein Jahr bei Taco Bell gearbeitet hätten – oder beides.« »Mit anderen Worten«, warf einer der jungen Bereichsleiter ein, »es ist eine wirkliche Show, von wirklichen Menschen für wirkliche Menschen.« Die Manager in der Runde lächelten allesamt freundlich. Was ging hier vor? Kapierten sie denn nicht, daß wir gar nicht ins Fernsehen wollten und daß unsere Ideen für ihre Fernsehgesellschaft glatter Selbstmord waren? Offensichtlich nicht. 13 Mike hatte keine andere Wahl, als dem Projekt den Todesstoß zu versetzen. »Wir suchen uns jede Woche einen von unseren Werbekunden heraus und gehen auf ihn los wie ein Barrakuda. Er wird nicht wissen, wie ihm geschieht. Und dann nehmen wir uns die etablierten Kirchen vor, angefangen bei unseren katholischen Glaubensbrüdern. Eine Idee wäre, daß ich in 20 verschiedenen Kirchen genau dieselbe Sünde beichte, um herauszufinden, wer die härteste Buße verhängt. Wir würden über das Ergebnis berichten und das Ganze ›Verbraucherberatung für Beichtwillige‹ nennen.« Einen Augenblick war es still, dann brachen alle in Gelächter aus. »Das ist die witzigste Idee, die ich je gehört habe«, schrie Littlefield und hielt sich den Bauch vor Lachen. »Genial!« »Aber denken Sie doch mal an die ganzen wütenden Briefe, die wir von unseren katholischen Zuschauern kriegen würden«, wandte Mike ein. »Ich würde auch schreiben! Als früherer Ministrant und Seminarschüler würde ich Sie hassen, wenn Sie so eine ekelhafte Sendung bringen!« »Mike«, sagte Littlefield, »Katholiken haben Sinn für Humor. Das wissen Sie doch. Sie werden begeistert sein!« Alle im Raum nickten zustimmend. Dankesworte wurden ausgetauscht. Tannenbaum klopfte Mike anerkennend auf die Schulter und beglückwünschte ihn zu seinem »Home Run« (Superschlag im Baseball; A. d. Ü.). Dann fuhr Mike zurück in sein Hotel in West Hollywood und überlegte, was schiefgelaufen war. Als er das Hotel erreichte, hatten die NBC-Leute bereits angerufen und eine Botschaft hinterlassen. »Grünes Licht für Pilotfilm«, 14 lautete sie. »Budget etwa eine Million Dollar. Rufen Sie Ihren Agenten an.« Wir waren wie betäubt. Zwei Jahre lang hatten wir erfolglos versucht, einen Produzenten für einen Film zu finden, und jetzt kriegten wir in Burbank binnen fünfzehn Minuten eine Million Dollar, um eine Fernseh-Show für die Hauptsendezeit zu produzieren. Wir waren wirklich in einem ganz absonderlichen Geschäft! Im Januar 1993 begannen wir mit der Arbeit an dem Pilotfilm für TV Nation. Wir hatten keinerlei Erfahrung und wußten eigentlich nicht so recht, was wir taten. Wir riefen ein paar Freunde an: Joanne Doroshow (Koproduzentin eines Dokumentarfilms über die amerikanische Invasion in Panama, die dafür einen Oscar bekommen hatte), Pam Yates (die ebenfalls einen Oscar bekommen hatte), Paco de Onís, Jim Czarnecki (dieser lustige Kerl hatte bei Pee-wee’s Playhouse mitgearbeitet, einer Fernsehsendung, die am Sonntagmorgen ausgestrahlt wurde; damit war er der Qualifizierteste in unserem 15 Haufen) und David Royle, einen Produzenten von Dokumentarfilmen, der gerade eine Serie über die Mafia beendet hatte. Sie sollten die einzelnen Teile der jeweiligen Folgen produzieren. Als Supervising Producer engagierten wir Jerry Kupfer. Er hatte schon bei Showtime at the Apollo Erfahrungen gesammelt und mehrere öffentliche Radiosender in Indianerreservaten eingerichtet. Um die Berichterstatter für TV Nation zu finden, machten wir Castings wie bei jeder normalen Fernsehsendung. Nur, daß unsere Sendung nicht »normal« war. Etwas wie TV Nation war noch nie über den Äther gegangen. War es ein Nachrichtenmagazin? War es eine Unterhaltungssendung? Nicht einmal bei NBC wußten sie, in welche Schublade sie uns stecken sollten, und schließlich ordneten sie TV Nation dem Bereich »Drama« zu. TV Nation sollte eine Kombination aus Dokumentarfilm und Comedy werden, doch die Journalisten, die sich bewarben, waren nicht sonderlich witzig, und die Komiker, die zu den Castings kamen, wußten meistens nicht, was in der Welt vorging. Deshalb war dieser Teil der Vorbereitungen besonders schwierig. Am Ende konnten wir Merrill Markoe, einen der wichtigsten Macher der David Letterman Show, den Filmemacher Rusty Cundieff, der gerade die abgefahrene Filmsatire Fear of a Black Hat gedreht hatte, und die Schauspielerin und Komikerin Janeane Garofalo als »Live-Berichterstatter« gewinnen. Wir beschlossen, daß jede einstündige Sendung (45 Minuten plus Werbung) aus fünf Acht-Minuten-Storys und einer Einführung von Mike bestehen sollte. Unsere Kriterien für die einzelnen Teile lauteten, daß sie dem Zuschauer immer etwas zeigen mußten, das er noch nie zuvor im Fernsehen gesehen hatte; daß sie aggressiv die 16 Mächtigen angreifen mußten, wer immer sie auch waren; und daß es immer eine befreiende Komik geben mußte, auch wenn oder gerade weil das Gezeigte in Wirklichkeit schrecklich war. Die Crew trifft die Vorbereitungen, um die Beichtszene zu drehen. Es dauerte nicht lange, bis wir sechs Teile hatten, die wir drehen wollten (wobei wir hofften, daß fünf davon gut 17 genug für die Sendung werden würden). Sie sollten folgende Themen behandeln: 1. Wer hat es leichter, in New York ein Taxi zu bekommen, ein rechtskräftig verurteilter weißer Mörder oder ein preisgekrönter schwarzer Schauspieler? 2. Wir feuern alle Mitarbeiter der Sendung und drehen in Mexiko, um das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) zu nutzen. 3. Wir kaufen ein Haus in der wiedereröffheten, einst auf chemisch verseuchtem Gebiet erbauten Siedlung Love Canal. 4. Die Stadt Appleton in Minnesota hat ein Gefängnis gebaut, um ihre Wirtschaft anzukurbeln, aber sie bekommt nicht genug Häftlinge zusammen. 5. Mike reist in die ehemalige UdSSR und versucht, die Rakete zu finden, die im Kalten Krieg auf seine Heimatstadt gerichtet wurde. 6. Mikes Idee mit der Beichte. Wir beschlossen, die ersten fünf Teile zuerst zu drehen. Mike hatte Bedenken, was die Verletzung des Beichtgeheimnisses betraf, deshalb bat er Janeane, diesen Teil zu drehen. Sie verarbeitete gerade ihre Vergangenheit als Katholikin und war sehr gerne bereit, den Job zu machen. Als der Teil jedoch fertig war, bekam Mike Angst, daß er ewig in der Hölle schmoren könnte, wenn er jemals gezeigt würde, und so strich er ihn. Zwei kurze Zwischenteile wurden von der Fernsehgesellschaft abgeschossen: Der eine sollte »Die Konzernminute« heißen. Wir hatten geplant, jede Woche eine einminütige Werbeparodie über ein bestimmtes 18 Unternehmen zu bringen. Für den ersten Spot hatten wir Dow Chemical ausgewählt. In dem Spot lobten wir zu patriotischer Hintergrundmusik den Konzern, der wegen Umweltverschmutzung verklagt worden war und außerdem deshalb, weil er die Gesundheit von Frauen gefährdet und Tod und Verderben über Vietnam gebracht hatte. NBC und TriStar fürchteten, daß einige Zuschauer vielleicht dächten, es könnte sich um einen echten, von Dow Chemical finanzierten Werbespot handeln. Der andere Zwischenteil, der abgeschossen wurde, hieß »Lüge der Woche«. Wir wollten einen Lügendetektor an einen Fernseher anschließen, der auf die Stimme des Sprechers reagierte, und mit ihm eine Nachrichtensendung überprüfen. Aber entweder funktionierte der Detektor nicht besonders oder die Nachrichtenabteilung des Fernsehsenders war uns einige Erklärungen schuldig, weil unser Detektor in fast jedem Bericht eine Lüge entdeckte. Klar wie Kloßbrühe, daß wir das nicht senden durften! Zwischen die längeren Teile wollten wir jeweils eine echte Meinungsumfrage bei amerikanischen Staatsbürgern schalten (siehe Anhang A), aber nicht mit den dummen und nichtssagenden Fragen, die in einer typischen GallupUmfrage gestellt werden. Wir engagierten Robin Widgery aus Flint, der ebenfalls ein Meinungsforschungsinstitut betreibt, und ließen ihn jeweils 204 Leute im ganzen Land anrufen. Er stellte ihnen Fragen, die Ergebnisse wie die folgenden brachten: »67 Prozent der Perot-Wähler glauben, daß Forrest Gump ein Dokumentarfilm war.« Oder: »51 Prozent aller Republikaner glauben, daß Delphine auch aus diesen Fischernetzen wieder rauskommen würden, wenn sie wirklich schlau wären.« Wir beschlossen außerdem, auf ein Studiopublikum oder ein künstliches Set zu verzichten und statt dessen die Anund Abmoderation jeder Folge und die Einführungen für 19 die einzelnen Teile mit Mike auf dem Times Square zu drehen. Schließlich brauchten wir noch eine coole Titelsequenz, mit der wir die Sendung eröffnen konnten. Wir engagierten den Grafikdesigner Chris Harvey für die Bilder und die Musikgruppe Tomandandy, um das Thema 20 von TV Nation zu schreiben. Wir sagten ihnen, daß wir eine Kreuzung zwischen Metallica und dem Titelsong der TV-Serie Leave It to Beaver haben wollten. Den Pilotfilm hatten wir nach drei Monaten im Kasten, und wir brachten ihn zu NBC nach Los Angeles. Bei der Vorführung waren alle Topmanager der Fernsehgesellschaft anwesend, und sie lachten bei allen fünf Teilen pausenlos. Doch als das Licht anging, sagte ein Anzugträger zum anderen: »Können wir mit diesem Ding überhaupt Werbung verkaufen?« Sie beschlossen, den Film einer Fokusgruppe vorzuführen. Die Gruppe gab TV Nation die besten Noten. Dann testete NBC die Sendung in der gesamten Stadt Scranton in Pennsylvania. Sie schnitt von allen Pilotsendungen der Saison am besten ab. Trotzdem war im Herbstprogramm leider kein Platz mehr für unsere Show. Die Chancen, daß TV Nation je einem Fernsehpublikum gezeigt werden könnte, standen schlecht. Michael Jackson, der Mann, der es schließlich möglich machte. Also versuchte Mike wieder Canadian Bacon zu realisieren, doch er hatte nun ein neues Instrument, um Hollywood zu überzeugen: den Pilotfilm von TV Nation. 21 Wir liehen den Pilotfilm John Candy und Alan Alda aus, und er gefiel ihnen sehr. Dann zeigten wir ihnen das Drehbuch zu Canadian Bacon, und sie erklärten sich bereit, die Hauptrollen zu spielen. Mit ihren Namen auf der Besetzungsliste waren wir auf einen Schlag in der Lage, das Geld für den Film aufzutreiben und ihn im Herbst und Winter 1993 zu drehen. Und dann passierte so etwas wie ein Wunder. Kaum zu glauben, daß ein Topmanager von BBC in Großbritannien ein eifriger Leser der Zeitschrift TV Guide war. Doch Michael Jackson, der damalige Chef von BBC (weder verwandt noch verschwägert mit dem gleichnamigen Sänger), las eines Tages TV Guide und entdeckte in einer Klatschkolumne eine Nachricht, die nur aus einem Satz bestand. Michael Moore, hieß es da, habe einen Pilotfilm für NBC gedreht. Jackson hatte Roger & Me gesehen und war sofort interessiert. Er fragte sich, wovon der Pilotfilm wohl handelte, rief bei NBC an und bat die Gesellschaft, ihm eine Kopie zu schicken. Als er die Kopie gesehen hatte, telefonierte er mit TriStar und NBC und bot ihnen an, die Sendung für die BBC zu kaufen. Man kann es förmlich sehen, wenn den Fernsehgewaltigen von L. A. ein Kronleuchter aufgeht. »Wenn die Briten das Ding mögen, muß es gut sein!« Am Abend des ersten Weihnachtsfeiertags 1993 rief Eric Tannenbaum von TriStar Television bei uns an. »Was halten Sie davon, für das Sommerprogramm von NBC TV Nation zu produzieren?« fragte er. »NBC will die Serie produzieren und die BBC auch. Sie teilen sich die Kosten.« Wir waren völlig von den Socken. Wir hatten gedacht, die Serie würde nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Aber wir nahmen das Angebot sofort an. 22 Mike arbeitet mit Kameramann Jean de Segonzac an der Beichtszene. Einen Monat später bezogen wir unser Produktionsbüro in New York. Fast alle, die beim Pilotfilm mitgemacht hatten, waren auch jetzt wieder mit von der Partie. An unserem ersten Arbeitstag versammelten wir alle Mitarbeiter und hielten zur Aufmunterung im wesentlichen folgende Rede: »Wir müssen alle so handeln, als ob wir nie wieder beim Fernsehen arbeiten würden. Wenn wir nämlich diese Sendung richtig machen, wird uns bestimmt niemand mehr haben wollen. Es wird zu gefährlich sein, uns zu engagieren. ›Ah, du hast bei der Sendung mitgemacht, die alle Sponsoren verschreckt hat!‹ werden sie sagen. Wenn ihr also bei 20/20 oder Live with Regis and Kathie Lee mitarbeiten wollt, wenn diese Serie vorbei ist, dann solltet ihr euch besser gleich dort bewerben. Die werden euch nämlich nicht mehr wollen, nachdem unsere Show gesendet worden ist. Dies ist nicht das Projekt, um sich gute Referenzen zu verschaffen. Wir sind hier, um eine 23 Show zu produzieren, die brutal ehrlich und wahnsinnig lustig sein wird. Damit werden wir uns im Kongreß oder bei den Konzernen keine Freunde machen. Wir werden die Zuschauer nicht belügen. Wir alle haben normalerweise keine Stimme in den Medien, und hier haben wir die seltene Chance, uns Gehör zu verschaffen. Eine Stunde pro Woche geben wir normalen Leuten wie uns selbst die Gelegenheit, eine Sendung zu sehen, in der eindeutig für SIE Partei ergriffen wird. Sie werden es merken und uns dafür lieben, aber danach werden wir nie mehr beim Fernsehen arbeiten.« Nur ein paar Hinweise, damit die Sache vom ersten Tag an in die richtige Richtung lief) Die Ergebnisse unseres Tuns werden in diesem Buch geschildert. Dank der harten Arbeit und kompromißlosen Haltung unseres Teams gelang es uns, ein bißchen Fernsehgeschichte zu schreiben. Und all das, weil wir eigentlich nie eine Fernsehsendung machen wollten. Stellt euch das vor! 24 2 Liebesnacht Amerika ist ein Land voll haßerfüllter Gruppen. Es wimmelt von Organisationen, die darauf aus sind, Leuten, die keine weiße Haut haben oder nicht protestantisch sind, zu schaden, sie zu vertreiben, sie zu verletzen oder zu töten. Laut einer Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League gibt es diese Verrückten in fast allen Bundesstaaten der USA. Zum Glück gibt es auch viele Gegner dieser »Haßgruppen«. Sie leisten gute Arbeit. Sie geben sich alle Mühe, die Aktivitäten dieser intoleranten Organisationen durch Protest, Überwachung und Gesetze im Zaum zu halten. Aber trotz ihrer Anstrengungen ist die Zahl der Haßgruppen in letzter Zeit sprunghaft angestiegen. So gibt es inzwischen allein in unserem Heimatstaat Michigan 50 verschiedene Bürgerwehren. Ihr Erfolgsrezept beruht darauf, daß sie Menschen als Anhänger rekrutieren, die am schlimmsten unter der Wirtschaftslage leiden. Diese Menschen suchen Sündenböcke, denen sie die Schuld für ihr Elend zuschreiben können. Anstatt die Konzernbosse in Amerika und unser ungerechtes Wirtschaftssystem verantwortlich zu machen, fallen viele dieser Leute leider auf die Propaganda der Rechten herein. Ein Spektrum, das von Newt Gingrich, dem republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, bis zu den Gruppen von völlig übergeschnappten weißen Separatisten reicht, liefert einfache Antworten für Leute, deren »Amerikanischer Traum« sich in Rauch aufgelöst hat. »Die Sozialhilfemamas sind schuld!« schreien sie. »Die 25 illegalen Einwanderer! Haß! Furcht! Gerechtigkeit für alle WAHREN Amerikaner!!« Wir von TV Nation beschlossen, diesen Schwachsinn zu bekämpfen, indem wir die Haßgruppen lächerlich machten. Wir hofften, daß unsere Zuschauer die Rechtsextremen nach unserer Sendung für komplett verrückt halten und nie wieder in Versuchung kommen würden, sich ihnen anzuschließen. Was diese Gruppen brauchten, war nicht noch mehr Haß, sondern Liebe. Ja, Liebe. Love is all they need! Wir wählten vier verschiedene Haßgruppen aus und schickten ihnen, auf eine ganze Folge verteilt, als Besucher unsere Sendboten der Liebe. Unsere Ziele waren eine Veranstaltung des Ku Klux Klan in Georgia, eine Versammlung der rechtsradikalen Organisation Aryan Nations in Idaho, das Büro der Anti-Abtreibungsgruppe Operation Rescue und Senator Jesse Helms (Helms ist keine Gruppe, aber er ist so erfüllt von Haß, daß es für eine ganze Bewegung reicht). Und während im Hintergrund Minnie Rippertons »Lovin’ You« spielte, entwickelte sich das Ganze folgendermaßen. Liebesnacht für den Ku Klux Klan An einem heißen Julitag hielten die Großen Ritter des Ku Klux Klan von Georgia auf den Stufen des Gerichts der Stadt Cumming in Georgia eine Versammlung ab. Eltern vermummten ihre Kinder mit weißen Leintüchern und Kapuzen, Großeltern in Klan-Verkleidung hielten Säuglinge auf dem Arm, während die Redner Gott lobten, »weil er Aids geschickt hat, das alle Schwulen ausrottet«. Sie beschimpften die Asiaten als »Gooks«, die 26 Afroamerikaner als »Nigger« und die Juden als »Kikes«, während die Menge jubelte und die amerikanische Flagge im Wind flatterte. Plötzlich wurde die Veranstaltung von der »Love Night Mariachi Band« von TV Nation unterbrochen. Eine Gruppe mexikanisch-amerikanischer Männer mit Gitarren und Blasinstrumenten näherte sich der Bühne und spielte 27 und sang »Amor«. Die Musiker wurden mit Pfiffen, Buhrufen und rassistischen Pöbeleien begrüßt. Ein Teilnehmer der Veranstaltung stellte sich ihnen in den Weg und verlangte, sie sollten ihre »amerikanische Staatsbürgerschaft« beweisen. Dann traten die »Love Night Cheerleaders« von TV Nation auf, eine Gruppe afroamerikanischer Studentinnen vom Spelman College, und riefen dem Klan ihre Liebesparolen zu: Zwei, vier, sechs, acht, haßt nicht, liebt mit aller Macht! Ha! Ha! Ha! K! K! K! Das Leben ist zum Lieben da! Schaut euch um, baut keinen Scheiß, Liebt alle Menschen, schwarz wie weiß! Seid wirklich cool, seid wirklich fein, Und laßt das blöde Leintuch sein! Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, Laßt das Hassen, lernt das Lieben, Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, acht, Vergeßt den Haß, die Liebe lacht. Um ihnen gänzlich den Rest zu geben, stellten wir noch eine Kußzelle auf, in der wir den kapuzentragenden 28 Kerlen einen kostenfreien Schmatz anboten. Wir hofften, daß ein Küßchen sie vielleicht von ihrem Wahn erlösen würde. Natürlich reagierten die weißen Rassisten nicht gerade positiv auf so viel Liebe. Ja, sie schürte sogar noch ihren Haß. Sie beschimpften unsere Cheerleader schreiend als »Nigger«, begannen die Mariachi Band herumzustoßen und wurden furchtbar wütend. Die Zuschauer aus der Stadt, die sich versammelt hatten, um der Veranstaltung zuzusehen, lachten über das ganze Spektakel – auch nicht gerade die Reaktion, die sich der Klan gewünscht hatte. Schließlich gaben die Klanmitglieder frustriert auf, packten zusammen und machten sich auf den Heimweg. Unsere Liebensnachthelfer begleiteten sie zu ihren Autos und schenkten ihnen rote Rosen und herzförmige Ballons zum Abschied. Es ist erstaunlich, daß niemand verletzt wurde. Die Cheerleader hatten Angst, aber die Ortspolizei versprach, sie zu schützen (und das tat sie dann auch). Einige sagten, in Georgia habe es nicht mehr so viel Liebe gegeben, seit Newt seine Frau wegen einer Jüngeren verlassen hatte. Liebesnacht für die Aryan Nations Jeden Sommer begraben Nazis, Neonazis, Aryans, Klanmitglieder und Skinheads ihre kleinen Meinungsverschiedenheiten und treffen sich in den herrlichen Bergen von Idaho auf ihrer Jahresversammlung – einem echten Potpourri des Hasses. Sie tauschen sich über Ideen und Strategien aus und experimentieren mit den neuesten Techniken zur Verbrennung von Kreuzen. 29 Die Aryans kehren der Liebe den Rücken. Wir diskutierten eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie wir den Rechtsextremen eine große Dosis Liebe von TV Nation verabreichen konnten. Zuerst wollten wir über ihrem Lager eine Menge Liebesbotschaften abwerfen. Aber 19 Piloten aus der Gegend weigerten sich, für uns zu fliegen. Einer wollte es tun – bis er den Turm mit dem Scharfschützen erspähte. Schließlich entschieden wir uns für eine Idee, von der wir wußten, daß sie die Nazis entzücken würde: eine multirassische Tanzgruppe, die zu dem großartigen Motown-Hit »Stop! In the Name of Love« tanzen würde. Wir gingen auf dem Feldweg vor dem Lager in Stellung, drehten die Musik voll auf, und die jungen Frauen einer lokalen Tanzgruppe brachten eine inspirierte 30 Tanznummer. Es dauerte nicht lange, bis die Arier die Musik hörten und den Zufahrtsweg hinunter auf die Tänzerinnen zukamen. Die Frauen tanzten weiter, die Nazis kamen immer näher. Polizisten waren nirgends zu sehen, und wir entdeckten, daß die von uns engagierten Sicherheitsleute gegen unseren Willen Schußwaffen mitgebracht hatten. Die Lage war sehr gespannt. Die uniformierten Nazis auf der anderen Seite des Feldwegs grüßten die Tänzerinnen mit ausgestreckter Hand und riefen: »Sieg heil!« Doch die Skins aus dem Lager waren weniger förmlich, sie überquerten den Weg und traktierten die Kamera mit Kopfstößen. Die Frauen tanzten weiter. Die Skinheads wurden immer wütender. In diesem Augenblick traf die Polizei ein, und das Gewaltpotential kam nicht zum Ausbruch. Liebesnacht für Operation Rescue Jede Woche tauchen überall in den USA Mitglieder von Operation Rescue vor den Abtreibungskliniken auf und bedrängen die Frauen, die in den Kliniken Hilfe suchen. Sie beschimpfen sie als »Kindstöterinnen« und »Mörderinnen«. Sie fotografieren sie. Sie halten ihnen groteske Fotos von abgetriebenen Föten unter die Nase. In letzter Zeit tauchen diese Botschafter des Hasses auch vor den Häusern von Ärzten und anderen Mitarbeitern der Kliniken auf. Sie belästigen deren Frauen und Kinder. Mitglieder des extremen Flügels der AntiAbtreibungsbewegung haben sogar Ärzte umgebracht, die Abtreibungskliniken führten. 1997 kam es in den USA im Zusammenhang mit Abtreibungskliniken zu 166 »Fällen von Gewaltanwendung«, darunter 7 Fälle von 31 Brandstiftung, 11 Todesdrohungen, 6 tätliche Angriffe, 62 Fälle von Belästigung, 65 Fälle von Vandalismus und l Mordversuch. Die Liebesschwadron von TV Nation besucht die Lebensschützer. Die Abtreibungsgegner sind vermutlich die erfolgreichste Haßbewegung im ganzen Land. Obwohl die Abtreibung seit über 25 Jahren legal ist, haben diese Leute den Betreibern von Abtreibungskliniken solche Angst eingejagt, daß es heute in 84 Prozent aller Landkreise keine Arztpraxis und keine Klinik mehr gibt, die eine Abtreibung vornimmt. In der Liebesnacht drehten wir den Spieß um und besuchten den Chef der Anti-Abtreibungsorganisation Operation Rescue West in seinem Haus in den Bergen vor Los Angeles. Als die freiwilligen Helfer von TV Nation eintrafen, schrien sie den Mann nicht etwa an, sondern erboten sich, Blumen und Sträucher in seinem Garten zu pflanzen. Er kam aus dem Haus, aber er war gar nicht 32 erfreut. Und er verhielt sich gar nicht wie ein Lebensschützer, denn er stampfte wütend auf ein paar Blumen herum, bis er sie ganz zermalmt und in die Erde getreten hatte. Er versuchte noch, unser Team mit diversen abfälligen Bemerkungen über »Feministinnen« zu beleidigen, dann gab er auf und ging wieder ins Haus. Wir dagegen legten das zertretene Blumenbeet neu an und zogen fröhlich von dannen. Liebesnacht für Jesse Helms Der Schwule Männerchor von TV Nation bringt Jesse Helms ein Ständchen. Jesse Helms, der für North Carolina im amerikanischen Senat sitzt, führt seit Jahrzehnten einen erbitterten Kampf gegen die Gleichberechtigung der Homosexuellen. Selbst Gesetze, die AIDS-Kranken helfen sollen, werden von diesem Mann abgelehnt, der im Senat gerne und in allen Einzelheiten zu beschreiben pflegt, was homosexuellen 33 Männern Spaß macht. Er beschreibt es vielleicht sogar ein bißchen zu gern. Weil wir meinten, daß Jesse ein bißchen Liebe von seinen Geschlechtsgenossen brauchen könnte, gründeten wir den Schwulen Männerchor von TV Nation. Wir mieteten einen Bus und fuhren damit nach Washington D. C. An der Ecke First Street und Constitution Avenue (am Dirksen Building) brachte unser Chor dem Senator vor seinem Bürofenster ein Ständchen mit dem Lied »What the World Needs Now Is Love«. Kurz darauf erschien die Polizei des Capitols und machte der Gesangsdarbietung ein Ende. »Es ist gesetzlich verboten, auf dem Capitol Hill zu singen«, informierten uns die Beamten. »Sie brauchen eine Genehmigung.« Danach fuhren wir nach Arlington in Virginia, wo Helms wohnt. Der Schwule Männerchor von TV Nation marschierte den Gehweg vor dem Haus des Senators entlang und sang »On the Street Where You Live«. Die Tür von Helms’ Haus öffnete sich und heraus kam seine Frau. Sie wirkte ganz überrascht und erfreut. Sie dankte den Sängern und sagte, es tue ihr leid, daß der Senator nicht zu Hause sei. Uns tat es auch leid. Die Ausstrahlung von Liebesnacht war nur sehr schwer durchzusetzen. Führungskräfte von Fox Network befürchteten, daß die rechtsradikalen Gruppen schon durch ihre bloße Erwähnung mehr Publizität erhalten würden, als sie verdienten. Eine andere Befürchtung war, daß unser provokativer Stoff und Stil zu Angriffen führen würde, die niemand wollte. 34 Am schlimmsten jedoch war etwas anderes: Die Führungskräfte hatten das Gefühl, daß im Umfeld von Liebesnacht keine Werbespots plaziert werden könnten. Wir fochten einen zähen Kampf mit dem Standards and Practices Department der Fernsehgesellschaft aus, um die Ausstrahlung von Liebesnacht durchzusetzen, denn sie war für die meisten Mitglieder unseres Teams inzwischen das persönliche Lieblingsprojekt geworden. Am Ende erlaubte die Fernsehgesellschaft die Ausstrahlung aller Teile außer dem mit den Abtreibungsgegnern (sowohl NBC als auch Fox hatten uns verboten, etwas über die Abtreibungsfrage zu drehen). Außerdem wurden wir aufgefordert, »zwei der fünf Hakenkreuze in der Szene mit den Nazis herauszuschneiden«, und »eine von drei Stellen, an denen das Schimpfwort ›Gook‹ vorkommt«, akustisch zu maskieren. An dieser Stelle hört man jetzt einen Hund bellen. Einen Tag, bevor die Folge mit Liebesnacht ausgestrahlt werden sollte, stellte sich heraus, daß die Episode nun zwei Minuten zu kurz war. Wir sagten, die einzige Lösung für das Problem sei die Ausstrahlung des zweiminütigen Teils über die Abtreibungsgegner. Die Fernsehgesellschaft gab nach, aber erst nachdem wir die Szene beträchtlich entschärft und mit dem Kommentar »Von diesen extremistischen Taten hat sich der Mainstream der Lebensschützerbewegung distanziert« versehen hatten. 35 3 Invasion auf dem Strand bei Greenwich in Connecticut Stellt euch vor, die Bürger von Arizona würden eines Tages verkünden, daß nur noch Personen, die in Arizona gemeldet sind, den Grand Canyon besuchen dürfen. Oder die Brooklyner würden beschließen, daß nur noch Brooklyner nach Coney Island dürften. Oder wie wäre es, wenn der Staat Mississippi beschließen würde, daß nur noch Boote, die den Bürgern dieses Staates gehören, auf dem Mississippi fahren dürften? Die Menschen im Rest des Landes würden sich das bestimmt nicht gefallen lassen. Als Amerikaner sind wir der Ansicht, daß riesige Gebiete in Nationalparks, in Waldgebieten und an der Küste der ganzen Bevölkerung gehören und keine Privatperson sie »besitzen« darf. Wie es den Anschein hat, würden einige Gemeinden jedoch diese Naturwunder gerne ganz für sich allein beanspruchen. Eine ganze Reihe wohlhabender, von Weißen bewohnter Städte in verschiedenen Regionen der USA hat Maßnahmen ergriffen, um »Fremde« von ihrem Gebiet fernzuhalten. So auch Greenwich in Connecticut, eine der reichsten Gemeinden in den Vereinigten Staaten (laut New York Times beträgt der durchschnittliche Kaufpreis eines Hauses dort über 1,1 Millionen Dollar). Greenwich ist die feudalste von allen New Yorker Vorstädten. Der Ort, in dem der frühere Präsident George H. W. Bush seine Kindheit verbrachte, ist fast nur von Weißen bewohnt, und einige der reichsten Familien und Konzernbosse der USA 36 leben dort. Wer es so gut hat, will seinen Wohlstand verteidigen. Zu dumm, daß die USA auf dem Grundsatz »Freiheit und Gerechtigkeit für alle« aufgebaut sind. Das stört wirklich, wenn man sich richtig gut amüsieren will! Eines Tages im Jahr 1994 lief Brendan Leydon, ein junger Mann aus dem benachbarten Stamford, an den Stranden des Long Island Sound entlang und überschritt dabei die Stadtgrenze von Greenwich. Er joggte gerade über den Strand von Greenwich Point, als er von einem Wachmann angehalten und nach seiner »Einwohnerstrandkarte« gefragt wurde. »Was ist das?« fragte Leydon, und der Wachmann erklärte ihm, daß nur gemeldete Einwohner von Greenwich den Strand benützen dürften und sie dafür eine Einwohnerstrandkarte haben müßten. Leydon wollte wissen, ob der Strand privat sei. Nein, erhielt er zur Antwort, der Strand sei öffentlich – aber nur für die Öffentlichkeit von Greenwich. Ja, der Strand werde mit Steuergeldern gepflegt, aber nur mit Steuergeldern aus Greenwich. Deshalb dürften ihn auch nur die gutbetuchten Bürger von Greenwich nutzen. Sehr zum Pech der Bewohner von Greenwich war Leydon Jurastudent im sechsten Semester an der Rutgers University. Er klagte gegen die Gemeinde und erhielt einen befristeten Strandausweis, mit dem er den Strand benutzen durfte, bis ein Gericht entschieden hatte, ob die Strande des nur von Weißen bewohnten, steinreichen Greenwich nicht für alle Amerikaner zugänglich sein müßten. Uns fehlte noch eine Story für die nächste Folge von TV Nation, und als wir in der Morgenzeitung von Leydons Klage lasen, wußten wir sofort, daß wir Greenwich, Connecticut, einen Besuch abstatten würden. Das Problem war lediglich, daß wir nur noch vier Tage 37 Zeit hatten, um den Beitrag vorzubereiten, zu produzieren und zu drehen, und ihn dann in fünf weiteren Tagen schneiden mußten. Dieser ganze Prozeß dauert bei einer normalen Story von TV Nation etwa drei bis fünf Wochen. Doch die Gelegenheit, den guten Menschen von Greenwich eine Dosis Realität zu verpassen, war so toll, daß wir sie auf keinen Fall ungenutzt verstreichen lassen wollten. Wir beschlossen, die Strande von Connecticut zu befreien. Wir wollten einen Bus mieten, in den Straßen von New York ein paar Leute aufsammeln und uns einen schönen sonnigen Tag am Strand machen. Außerdem meinten wir, daß das Projekt ein hervorragender Job für unsere freie Gastberichterstatterin Janeane Garofalo sein würde, und sie stimmte begeistert zu. Janeane Garofalo vor der Invasion Für den Hintergrundbericht schickten wir einen Tag vor der Strandaktion ein Team nach Greenwich, das die Einwohner des Städtchens über das Strandverbot interviewte. Alle, mit denen wir sprachen, waren für die Strandsperre. Sie 38 sprachen von »ganzen Horden«, die von »überall her« kämen, wenn ihre Strande offen seien. (»Wo sollen die denn alle hin?«) Ein Mann versicherte uns, daß die Reichen sehr nett zu den Angehörigen von Minderheiten seien: »Sehen Sie sich bloß mal an, wie viele wir als Reinigungspersonal für unsere Häuser beschäftigen!« Binnen 72 Stunden hatten unsere Produzenten die größte Landungsoperation an einem Strand seit der Invasion in der Normandie vorbereitet. Mit Hubschraubern, Flugzeugen, Booten, Bussen und allem Drum und Dran. Polizeitaucher aus New York opferten ihren freien Tag und arbeiteten als Aufsicht für uns, damit niemand ertrank. All unsere Mitarbeiter hörten auf, an den Beiträgen zu arbeiten, für die sie eigentlich zuständig waren, und halfen bei der Strandaktion. Doch dann kam ein herber Rückschlag: Unser Studio Columbia TriStar teilte uns mit, daß wir die Geschichte nicht bringen könnten, weil dabei das Recht gebrochen würde. »Doch nicht ›das Recht‹«, erklärten wir dem Anwalt des Studios. »Nur das Recht von Greenwich in Connecticut!« Wir dachten gründlich über das Problem nach und fanden einen Weg, um TriStar zufriedenzustellen. Nach der herrschenden Rechtsauffassung gehörte zumindest das Wasser, wenn auch nicht der Sand, an der Küste der USA der Bundesregierung. Wenn wir also unterhalb des Hochwasserpegels auf dem Strand blieben, befanden wir uns juristisch nicht auf dem Grund und Boden von Greenwich. Das Studio war mit dieser großzügigen Auslegung des Rechts zufrieden. Es genehmigte die Aktion, und wir legten los. An einem sonnigen Sonntagmorgen sammelten wir unsere Regenbogenkoalition für den Strand zusammen und 39 verließen in unserem gemieteten Bus die Stadt. Da bei TV Nation Gewerkschaftspflicht herrscht, mußten alle Statisten in der Gewerkschaft sein. Als wir die Instruktionen für den Tag austeilten, bekamen viele von ihnen Angst und fuhren doch nicht mit. In den Instruktionen stand unter anderem: Wenn die Polizei Ihnen einen Strafzettel geben sollte, bringen Sie ihn bitte sofort dem Produzenten. Es ist zwar extrem unwahrscheinlich, daß die Polizei aus irgendeinem Grund mit Festnahmen droht, aber bitte befolgen Sie die Anweisungen der Polizeibeamten unbedingt, falls diese Situation doch eintreten sollte. Es ist verständlich, daß einige Leute bei den Dreharbeiten nicht mehr mitmachen wollten, insbesondere, wenn sie eine bestimmte Hautfarbe hatten. Eine Nacht im Gefängnis von Greenwich war kein sonderlich toller Bonus für einen Auftritt im Fernsehen. Trotzdem nahm ein gutes Dutzend unserer Statisten das Risiko auf sich, und wir machten uns auf den Weg zu dem Strand. Der Bus verließ die Hauptstraße und bog auf die Straße ein, die zum Wasser führt. An einem Wachhäuschen wurden wir angehalten und nach unserer Einwohnerstrandkarte gefragt. Natürlich hatten wir alle nur unsere amerikanische Staatsbürgerschaft, und so befahl uns der Wachmann zu wenden und wieder wegzufahren. Alle stöhnten vor Enttäuschung, aber Janeane hielt unsere Leute mit Beach-Party-Slogans bei Laune und verkündete laut, daß es nicht nur einen Weg gebe, um an diesen verbotenen Strand zu kommen. Der Bus fuhr zu einem nahegelegenen Jachthafen. Dort 40 stiegen alle in ein großes Boot, das ein halbes Dutzend kleinerer Boote im Schlepptau hatte, und die Armada von TV Nation verließ, ausgestattet mit Strandbällen, Liegestühlen und Sonnencreme und in der Luft von Hubschraubern begleitet, den Jachthafen und raste Richtung Greenwich. Dort genossen die glücklichen Bürger von Greenwich gerade einen herrlichen Tag an ihrem Strand, als sie plötzlich durch eine Szene aus dem Mittagsschläfchen geweckt wurden, die aus dem Film Apocalypse Now hätte sein können: Sie sahen das Volk mit einer Geschwindigkeit von 75 Knoten auf sich zurasen. Es war ein herrlicher Anblick. Janeane stand am Ruder des Bootes und ließ stolz die Flagge von TV Notion im Wind flattern. Sie sah aus wie George Washington bei der Überquerung des Delaware. Wir dachten schon, wir würden es ohne Unterbrechung bis zum Strand schaffen, doch da … Bürger der TV Nation führen die Armada zu dem verbotenen Strand von Greenwich in Connecticut. … kam aus dem Süden mit Höchstgeschwindigkeit ein Polizeiboot auf uns zugerast. Wir versuchten, es abzuhängen, doch wir hatten keine Chance. Die Polizisten stoppten uns 41 und fragten, was wir vorhätten. Wir sagten ihnen die Wahrheit, und sie drohten, uns zu verhaften. Zu diesem Zeitpunkt erschien ein Boot der Küstenwache auf dem Schauplatz, und wir wußten, daß es jetzt ernst wurde. (Wir waren schon daran gewöhnt, daß die Ortspolizei unseren Aktionen ein Ende setzte, aber dies war die erste Aktion von TV Nation, bei der Angehörige der Streitkräfte eingriffen.) Janeane und ihre Kollegen von TV Nation steigen am Strand von Greenwich aus dem Meer. Die Offizierin von der Küstenwache drohte sehr aggressiv, Maßnahmen gegen uns zu ergreifen, und verlangte, an Bord unseres Bootes zu kommen. Doch als sie auf unser Boot hinüberspringen wollte, rutschte sie aus und fiel ins Wasser. Das war ihr sehr peinlich, und wir rechneten fest damit, daß sie ihren Zorn an uns auslassen würde. Sie war jedoch so dankbar, als wir sie aus dem Wasser fischten, daß sie ihre Drohungen beträchtlich mäßigte. Sie inspizierte unser Boot und stellte fest, daß es in perfektem Zustand war und ordentliche Papiere hatte. Die Polizei sagte, wir dürften auf keinen Fall näher an 42 die Küste heranfahren, auch nicht mit unseren kleineren Booten. Nach einer kurzen taktischen Diskussion fragten wir die Polizisten, ob es in Ordnung wäre, »ans Ufer zu schwimmen«. Die Polizisten sagten, wir dürften nach Herzenslust im Meer schwimmen, aber wir dürften den Strand von Greenwich nicht betreten. Janeane und die anderen waren fest entschlossen, ihre Aufgabe zu erfüllen, also nutzten sie die Gunst des Augenblicks, sprangen über Bord und schwammen die 800 Meter ans Ufer. Als sie ankamen, tobten die Einwohner von Greenwich vor Zorn. Sie pfiffen und buhten, als Janeane aus dem Wasser stieg, und schrien: »Geh zurück, wo du hergekommen bist!« Ein Mann brüllte: »Kauf dir doch ein Haus und ein Grundstück, wenn es dir hier so gefällt. Dann darfst du auch den Strand benützen.« »Ich kann es gar nicht erwarten, hierherzuziehen, nachdem ich so freundlich empfangen wurde«, antwortete Janeane. Die Strandbesucher flehten die Polizei an, uns festzunehmen. Doch die Produzentin Joanne Doroshow hatte sich im Vorfeld mit der Rechtslage vertraut gemacht. Sie und die Kamera-Crew hatten Presseausweise und durften sich deshalb an dem Strand aufhalten, und nun führte sie Janeane Garofalo und die anderen Schwimmer unterhalb der Hochwasserpegels zum Ende des Strandes und dann zu dem Parkplatz, wo der Bus wartete. So kommst du an den Strand von Greenwich in Connecticut Du fährst ab New York auf der Interstate-95 Richtung Norden und verläßt sie an Ausfahrt 5 in Connecticut. Am Ende des Zubringers biegst du nach rechts auf die Route l ein (es geht jetzt nach Osten). 43 Nach etwa 100 Metern kommst du zu einer Verkehrsampel. Hier biegst du nach rechts in die Sound Beach Avenue ein. Dann fährst du durch Old Greenwich, bis du an die Küste kommst. Dort biegst du nach rechts auf die Shore Road ein. Sie führt direkt zu dem Parkplatz des Strandes. Die Stadt Greenwich drohte uns mit allen möglichen juristischen Konsequenzen (einschließlich einer Beschwerde bei der amerikanischen Flugsicherungsbehörde Federal Aviation Administration, weil wir einen Hubschrauber eingesetzt hatten), doch es wurde nichts daraus, weil wir uns an das »Gesetz« gehalten hatten. Die Schlußplädoyers in Leydons Verfahren gegen Greenwich wurden Ende März 1998 gehalten. Mr. Leydon ließ den Teil »Strände« aus TV Nation im Gericht vorführen, um zu beweisen, daß Menschen, die den Strand zur freien Meinungsäußerung nutzen wollten, daran gehindert wurden. Das Video wurde vorgeführt, aber nicht als Beweis anerkannt. Der Richter entschied, die Vorschriften der Gemeinde schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht ein, da Fremde den Strand in Begleitung eines Einwohners von Greenwich betreten dürften. Die Einwohner von Greenwich argumentierten, daß sie durch ihre Strandsperre den Verkehr beschränken und Umweltschäden am Strand verhindern würden. Mr. Leydon hat vor, in Berufung zu gehen. 44 4 Zahltag Wir sind, wie wir alle wissen, machtlos. Wir haben keinen oder fast keinen Einfluß auf die Ereignisse, die unser Leben bestimmen. Wir sind auf Gedeih und Verderb unserem Arbeitgeber und den Launen der Wirtschaft ausgeliefert. Jeder Tag ist ein Kampf gegen die Nackenschläge, die wir Leben nennen. Nichts funktioniert – die Straßen, die Telefone, die Post, AOL, die Health Maintenance Organisation, die Selbstbedienung an der Tankstelle –, und wir finden uns ebenso resigniert damit ab, wie wenn wir jeden Monat eine neue Postleitzahl auswendig lernen müßten. Der Computer, den du gerade erst gekauft hast, ist schon wieder so veraltet, daß dein Neunjähriger angesichts der Kapazität seines Arbeitsspeichers in hysterisches Gelächter ausbricht. Du sollst schon vor Sonnenaufgang an deinem Arbeitsplatz sein und solltest besser nicht gehen, bevor die Sonne wieder untergeht, weil du sonst vielleicht morgen nicht mehr in deinem miesen kleinen Kabuff am Schreibtisch sitzen darfst, wenn sie wieder aufgeht. Du kriegst kein menschliches Wesen mehr an die Strippe, wenn du bei einem Unternehmen anrufst. (»Drücken Sie auf l, wenn Sie hören wollen, was Sie alles drücken können, und auf 2, wenn es Ihnen nichts ausmacht, eine Stunde in der Leitung zu bleiben …«) Du hast noch eine vage Erinnerung, was ein Sparkonto war, und hast gerade einen Weg gefunden, durch den Monat zu kommen, nämlich indem du dir nur noch eine 45 weitere Kreditkarte zulegst: Sie ist heute mit der Post gekommen, der Überziehungskredit kostet nur 17 Prozent Zinsen. Leute zwischen vierzig und fünfzig aus deinem Bekanntenkreis haben plötzlich ein Gewächs im Gehirn, obwohl sie seit zehn Jahren kein Fleisch und keine Milchprodukte mehr gegessen haben! Die Medien überfluten dich mit Informationen, die du nicht brauchst, aber sie sagen dir nicht, was du wissen willst. Du sollst nur das Maul halten und den neuen Jeep Cherokee kaufen, den sie dir in einer Auszeit der Bulls aufschwätzen wollen, in einer Auszeit, die die Fernsehgesellschaft genommen hat, weil du in den letzten sechs Minuten nichts gekauft hast! RUF JETZT SOFORT AN; VISA UND MASTERCARD SIND GÜLTIGE ZAHLUNGSMITTEL. Würde es dir Spaß machen, wenn du denen, die dich quälen, eine ordentliche Portion von ihrer eigenen Medizin verabreichen könntest? Würdest du es ihnen gerne persönlich heimzahlen, mal ehrlich und ohne Umschweife? Du hast doch garantiert eine tierische Wut im Bauch? Bei TV Nation beschlossen wir, uns das alles nicht mehr gefallen zu lassen. Ja, wir würden es ihnen heimzahlen, und zwar richtig. Wir fragten mitten auf dem Times Square normale Bürger, ob sie es den Leuten, die sie täglich in den Wahnsinn trieben, nicht gerne mit gleicher Münze heimzahlen würden. Und wir versprachen, daß wir ihnen dabei auf jeden Fall helfen würden – ohne Einschränkung. Wir nannten das Projekt »Zahltag«. 46 Autoalarmanlagen Wem ist es nicht schon passiert, daß er mitten in der Nacht von ohrenbetäubendem Lärm geweckt wurde, weil aus unerfindlichen Gründen die Alarmanlage eines Autos losschrillte? Was für einen Zweck haben diese Dinger? Hast DU schon einmal die Polizei gerufen, wenn eines loskreischte? Natürlich nicht! Kein Mensch tut das! Ehrlich, kein Mensch! Wir fragten bei der Polizei an, wie oft sie von besorgten Bürgern angerufen wird, weil die Alarmanlage in einem Auto Krach macht. »Nie«, lautete die Antwort. Die Beamten sagten, sie bekämen lediglich Anrufe von Nachbarn, »die uns anflehen zu kommen und das verdammte Ding zu erschießen«. Ein vertrauter Anblick – durch die Linse einer der Kameras von TV Nation. Wir fuhren zum Haus des Chefs von Audiovox, dem größten Hersteller von Autoalarmanlagen in den USA. Dort, in einem vornehmen Viertel am Stadtrand von 47 New York, parkten wir ein Dutzend Autos an der langen, etwas abgelegenen Einfahrt zu seinem Haus, und um sechs Uhr morgens ließen wir die Babys losheulen: Wäh! Wäh! Wah! Wah! WUUUU! WUUUU! Piep! Piep! Sie spielten ihre Melodien wie schlechte Jazzmusiker in einem großen Stadion. Doch es war herrliche Musik in unseren Ohren, als der Konzernchef im Schlafanzug aus dem Haus trat. Er war so wütend, daß er die Polizei rief. Die Polizisten wollten uns wegen Ruhestörung festnehmen. »Und was ist mit der Ruhe der Millionen Amerikaner, die von diesem Kerl gestört werden?« fragten wir. Die Polizisten versuchten mühsam, ihre Schadenfreude zu verbergen, als es dem Industriekapitän mit gleicher Münze heimgezahlt wurde. Sie befahlen uns, die Alarmanlagen abzustellen. »Das ist das Beste an den Dingern, Sir«, sagte unser Produzent. »Sie machen immer weiter, mindestens fünf Minuten lang. Man kann sie nicht einfach abstellen.« Schließlich verstummten die Alarmanlagen, und wir fuhren davon. Später rief der Konzernchef bei der Fernsehgesellschaft an und drohte mit einer Klage. Nach langwierigen Verhandlungen und nachdem wir uns geweigert hatten, die Szene zu schneiden, wurde sie unzensiert ausgestrahlt. Wir hatten nur eine Konzession gemacht: Wir gaben seine Privatadresse nicht bekannt. 48 Telemarketing Gideon Evans bringt den Chef einer Telemarketingfirma zur Weißglut. Gibt es etwas Lästigeres, als wenn du abends um acht einen Anruf von einem wildfremden Menschen bekommst und die Telefongesellschaft wechseln oder eine neue Versicherung abschließen sollst? Okay, ein Abend mit dem rechten Radiomoderator Rush Limbaugh in deinem Wohnzimmer wäre wahrscheinlich noch ätzender. Aber was geht dir eigentlich noch mehr auf den Wecker als Telemarketing? Wir recherchierten die Telefonnummer des Chefs von einer der größten Telemarketingfirmen der USA und beschlossen auszuprobieren, wie ihm selbst solche Anrufe gefallen. Immer wieder rief ihn unser Mitarbeiter Gideon Evans an und fragte ihn: »Haben Sie schon von dieser brandneuen, aufregenden Fernsehshow gehört, die – kaum zu fassen – GANZ UMSONST ist. Sie heißt TV Nation!« Beim ersten Mal hängte der Telemarketing-Guru einfach auf. Aber als Gideon immer wieder anrief, regte er sich mehr und mehr auf. Er zitierte diverse Gesetze über 49 Telemarketing, die es den Firmen in seiner Branche verbieten, Leute zu belästigen. Wir hatten alle denselben Gedanken: »Ist nicht JEDER Telemarketing-Anruf eine Belästigung?« Der Firmenchef drohte, die Polizei anzurufen. Wir fanden das eine großartige Idee und raten seither jedem, dem Anrufer einer Telemarketingfirma folgendes zu sagen: »Sehen Sie, ich weiß, daß Sie nur Ihren Job machen, aber ich lasse diesen Anruf zurückverfolgen, und ich rufe gerade die Polizei an, um Ihren Boß festnehmen zu lassen.« Dumpster Trucks Nach den Autoalarmanlagen sind Dumpster Trucks das zweitschlimmste unter den Übeln, die uns die Nachtruhe kosten. Wir haben nichts gegen Müllmänner. Sie haben ganz gewiß einen der lausigsten Jobs auf Erden. Aber die Erfindung des Dumpster Trucks hat das Faß zum Überlaufen gebracht. Die Art, wie dieser Müllwagen funktioniert – die Geräusche, wenn der Behälter eingehängt und angehoben wird und dann wieder auf den Boden knallt, und das Piepsen, wenn der Müllwagen zurückstößt –, all das ist entsetzlicher Lärm, wenn man um zwei Uhr nachts davon aufwacht. Obendrein muß der Dumpster genannte Behälter, wenn er nicht genau an der richtigen Stelle landet, ein zweites Mal hochgehievt werden und kracht dann noch einmal auf den Boden. Es muß eine bessere Methode geben. Warum können die Intellektuellen, die in Denkfabriken wie Stanford sitzen und sich neue Methoden der Kriegsführung ausdenken, nicht statt dessen eine ästhetisch angenehmere und umweltfreundlichere Art entwickeln, wie man große Mengen Müll einsammelt? 50 51 Mit gleicher Münze Habt ihr vielleicht noch Ideen, wie man es den Leuten, die es verdienen, mit gleicher Münze heimzahlen könnte? Hier sind noch ein paar, die wir nicht umgesetzt haben: • Wir stellen Radarfallen für Polizisten auf und lassen sie rechts ranfahren. • Wir errichten in der Einfahrt eines ranghohen Verantwortlichen für Baustellen auf der Autobahn eine Baustelle, damit er sein Auto nicht mehr bewegen kann. • Wir laden die Türsteher einer Disko in einen neuen Club ein, wo sie nicht reingelassen werden. • Wir klingeln an der Tür des Chefs der Fernsehanstalt Public Broadcasting System (PBS), die sich durch ihre aufdringlichen Spendenkampagnen auszeichnet, und bitten ihn penetrant um eine Spende. •Wir benutzen einen Preßlufthammer vor dem Haus des Mannes, der den Preßlufthammer erfunden hat. • Wir garnieren ein Video über die Lebensgeschichte des Mannes, der das Gelächter vom Band erfunden hat, mit Gelächter vom Band. • Wir ziehen die Kreditwürdigkeit des Chefs eines Plattenclubs in Zweifel. Wir wollten nicht darauf warten, bis sie selbst auf diese Idee kamen, also nahmen wir die Sache selbst in die Hand. Wir mieteten einen Dumpster Truck und fuhren mit ihm um zwei Uhr morgens zu den Häusern, in denen die Besitzer der Müllfirmen wohnten (nicht alle Städte lassen ihren Müll vom öffentlichen Dienst einsammeln). 52 Das einzige Problem bei der Sache war, daß einige Müllfirmen in der New Yorker Gegend, wo wir filmten, angeblich Beziehungen zur Mafia hatten. Das machte uns große Sorgen. Aus dem ersten Haus, wo wir mit dem Hochhieven und Herunterkrachen begannen, kam eine Frau heraus und sagte, ihr Mann habe sie gerade wegen einer jüngeren Frau verlassen, und sie sei bereit, uns über jedes krumme Geschäft zu informieren, das er je getätigt habe. Wir sagten: »Hey, wir sind doch nicht von 60 Minutes«, und fuhren weiter. Als nächstes hielten wir vor dem Haus des Müllkönigs von New Jersey. Als wir unseren Dumpster vor seinem Fenster herunterkrachen ließen, kam er aus dem Haus geschossen und wollte auf unseren Kameramann losgehen. Unser Produzent kam zu der richtigen Einschätzung, daß die Lage bedrohlich wurde, und wir packten zusammen und suchten das Weite. Etwa eineinhalb Kilometer weiter hielt unser kleiner Konvoi auf einem Parkplatz und formierte sich neu. Plötzlich fuhr ein Kleinbus vor, dem eine Horde großer kräftiger Kerle in Boxershorts und Pantoffeln entstieg (darunter auch der Müllkönig, den wir gerade gefilmt hatten). Sie bildeten einen Kreis um die Crew – ein auf der ganzen Welt bekanntes Signal, daß man gleich die Fresse poliert bekommt. Unser Produzent erklärte den Männern, daß wir nur eine unschuldige, kleine komische Szene hätten drehen wollen und nicht für einen Zwanzigteiler bei Fox Blut spenden wollten. Wie sich herausstellte, war der Vater des Mannes im Jahr zuvor von der Mafia umgebracht worden, und die Typen dachten, wir wollten für die Mafia eine weitere Untat vollbringen. Seit wann filmt denn die Mafia ihre Morde? Unsere Leute stiegen mit zitternden Knien wieder in ihre Autos. Sie waren körperlich völlig unversehrt, aber es 53 dauerte ein paar Stunden, bis sich ihre Nerven wieder beruhigt hatten. Zeugen Jehovas Nachdem wir bei der Konfrontation mit den Müllmännern nur knapp dem Tod entronnen waren, beschlossen wir, nur noch pazifistische Gruppen aufs Korn zu nehmen, die trotz ihrer Friedlichkeit unglaublich lästig sind. Natürlich kamen wir sofort auf die Zeugen Jehovas. Die Mitglieder dieser Sekte klingeln an deiner Haustür und wollen dich bekehren. Sie möchten, daß du sie hereinbittest, damit sie dir die Gute Nachricht bringen können. Sie sind so sauber und nett und höflich, daß du praktisch keinen Grund findest, sie wieder hinauszuschmeißen. Wir stellten ein paar Nachforschungen an, wo Mitglieder der Sekte wohnten, und Mike ging los und klopfte an ihre Türen. »Guten Morgen!« sagte er. »Ich habe eine Gute Nachricht für Sie! Darf ich hereinkommen und Ihnen von einer Fernsehshow erzählen, die mein Leben verändert hat und die auch Ihr Leben verändern kann?« Zugunsten der Zeugen Jehovas muß gesagt werden, daß sie sofort begriffen, worum es ging und was der Witz an der Sache war. Aber sie ließen es sich nicht ausreden, diese komischen weißen Hemden und Krawatten zu tragen und zu den unmöglichsten Zeiten bei anderen Leuten auf der Türschwelle aufzukreuzen. 54 Das Hotel, das dich um 11.00 Uhr morgens vor die Tür setzt Wenn du je in einem Hotel gewohnt hast, weißt du, daß du normalerweise um 12.00 Uhr und manchmal sogar noch früher auschecken sollst. Sie wollen dich so schnell wie möglich loswerden, damit dein Zimmer für den nächsten Kunden frei wird. Eine Art, wie sie dich rausekeln, bevor du eigentlich gehen willst, besteht darin, daß ein Zimmermädchen deine Zimmertür aufschließt und hereinplatzt, um zu putzen. Du bist in der Regel noch nackt, und mitunter machst du gerade das, was nackte Menschen tun, wenn sie zu zweit sind. Das Zimmermädchen sagt: »Oh, Entschuldigung!«, schließt die Tür und schreibt irgendwo auf, was sie gerade gesehen hat, um es an den Sonderermittler weiterzugeben. 55 Wir fragten uns, ob es den Chefs der Hilton Hotels oder denen des Hyatt oder Marriott je passiert ist, daß eine ihrer Angestellten am frühen Morgen einfach in ihr Schlafzimmer platzte. Also engagierten wir ein Zimmermädchen (mit Putzwagen und allem Drum und Dran), und machten das Herrenhaus von Mr. Barron W. Hilton bei Bel Air in Kalifornien ausfindig … Wir wollten ihm lange vor der »Auscheckzeit« einen Besuch abstatten. An einem schönen kalifornischen Morgen schob das Zimmermädchen von TV Nation fröhlich seinen Putzwagen Mr. Hiltons Einfahrt hinauf und verkündete am Tor, sie sei gekommen, »um sein Bett zu machen, das Ende der Klopapierrolle zu einem Dreieck zu falten und ihm frische Handtücher zu bringen«. Zu unserem Erstaunen ging das Tor auf, und sie wurde hineingelassen. Bis sie jedoch vor der Haustür stand, hatte jemand begriffen, was da ablief, und unser Zimmermädchen mit seiner kleinen TV-Notion-Shampoo-Flasche und all den anderen Utensilien wurde doch noch weggeschickt. Muzak-Musik Man hört sie überall, die von 101 Streichern gespielten Versionen von »Stairway to Heaven«, »The Bitch Is Back« oder »Revolution«. Vielen Menschen gehen sie mindestens ebenso auf den Geist, wie wenn jemand mit einer Kreide auf einer Tafel herumkratzt. Trotzdem kann man dieser Geräuschkulisse nicht entrinnen. Wir fragten uns, ob der Chef von Muzak Inc. seine eigenen Sachen anhören muß. Wahrscheinlich nicht. Aber wir fanden, daß er mit seiner Musik konfrontiert werden sollte. Also mieteten wir einen Pritschenanhänger, beluden ihn mit einer konzerttauglichen Lautsprecheranlage, 56 suchten den Weg zum Heim des Firmenchefs auf dem Stadtplan, parkten die Riesenlautsprecher vor seinem Haus und stellten die Muzak auf Stufe »11«. Leider war der Konzernchef nicht zu Hause, aber seine Nachbarn schon. Sie riefen die Polizei. Und, wie so oft bei den Dreharbeiten für TV Nation, kam sie, um uns zum Schweigen zu bringen, oder … Wir versuchten dieses »Oder« stets zu vermeiden, deshalb luden wir unseren Krempel wieder auf den Lastwagen, spulten das Band mit Black Sabbath, gespielt von den Londoner Symphonikern, zurück und fuhren davon. Die Aktion Zahltag war beendet. 57 5 Das Corp-Aid Concert Nach acht Folgen TV Nation auf NBC war es den meisten unserer Zuschauer klar, daß wir ein Problem darin sahen, wie die Konzerne unser Land regierten. Suchten wir doch Woche für Woche Industriegiganten heim und versuchten, ein bißchen Chaos bei ihnen zu stiften – wenn nicht in ihren Vorstandsräumen, dann wenigstens in ihren Eingangshallen. Als wir 1994 ein Special für die Weihnachtswoche drehen durften, rangen wir uns zu der Einsicht durch, daß wir im Geist der Weihnachtszeit handeln und den Unternehmen, denen wir so übel mitgespielt hatten, zur Abwechslung auch einmal etwas Gutes tun sollten. Wir hatten einen Brief von einem Fan bekommen, der eine Idee für TV Nation hatte. »Ist euch klar«, schrieb er, »daß Unternehmen keinen Modus haben, wie sie Geschenke stilvoll entgegennehmen? Es gibt kein System, um die Gabe eines wohlwollenden Spenders anzunehmen. Unternehmen werden gegründet, um Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen und damit Geld zu verdienen. Wenn es sich um staatliche Unternehmen handelt, verkaufen sie Anteile, um ihr Kapital zu erhöhen. Sie können auch nach Investoren suchen, und denen wird, falls das Unternehmen Erfolg hat, für jeden investierten Dollar ein Gewinnanteil versprochen. Aber«, hieß es in dem Brief weiter, »wenn ein ganz normaler Menschen eines Morgens einen Scheck für AT&T ausschreiben und zur Post bringen würde, versehen mit der kleinen Notiz: ›Hier, das ist für euch, nur weil ihr IHR seid!‹, dann käme der Scheck vermutlich zurück, da 58 es in der Buchhaltung kein routinemäßiges Verfahren gibt, um solche Geldspenden anzunehmen.« Wir beschlossen, diese Theorie auszuprobieren und einigen der meistgeschmähten Konzerne dieses Landes große Freude zu verkündigen. Wir überredeten NBC, uns einen Aktenkoffer voller Zehn- und Zwanzig-Dollarscheine im Wert von insgesamt 10000 Dollar zu geben. Dann machten wir (genau wie der Weihnachtsmann) eine Liste der Unternehmen, die unartig gewesen waren und sich hatten erwischen lassen. Aus dieser Liste wählten wir die fünf Firmen aus, die (wegen Umweltverschmutzung, Preisabsprachen, gefährlichen Arbeitsbedingungen usw.) die höchsten Bußgelder hatten zahlen müssen oder verklagt worden waren und vor Gericht die schwersten Niederlagen erlitten hatten. Mit dieser Liste in der einen und dem Geldkoffer in der anderen Hand zog Michael los. Er wollte die zehn Riesen im ersten der auserkorenen Konzerne loswerden, wo sie jemand annehmen würde. 59 Der erste Versuch fand in der Zentrale der Pfizer Corporation in New York statt. Pfizer hatte gerade einen Vergleich über 215 Millionen Dollar geschlossen, weil es fehlerhafte künstliche Herzklappen für BypassOperationen geliefert hatte. Außerdem hatte das Unternehmen ein Bußgeld über 10,75 Millionen Dollar bezahlen müssen, weil es bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA irreführende Angaben gemacht hatte, damit die Klappen zugelassen wurden. Die fehlerhaften Herzklappen hatten Hunderte von Patienten das Leben gekostet, und Pfizer wurde vom Staat und den Verwandten der Opfer dafür verantwortlich gemacht. Außer dem Geldkoffer hatte Mike in der Pfizer-Zentrale noch ein Sängerquartett mit dabei, das für die leitenden Angestellten Weihnachtslieder sang, und einen Steptänzer, der einen großen Scheck über 10000 Dollar schwenkte (wir hatten das Geld nicht nur in bar, sondern auch als Scheck dabei). Ein Vizepräsident für Öffentlichkeitsarbeit kam herunter in die Lobby, um uns zu begrüßen und das Geld abzulehnen. Genau wie der Fan von TV Nation uns vorausgesagt hatte, teilte uns der Topmanager mit, daß Pfizer »nicht die Möglichkeit hat, eine wohltätige Spende anzunehmen«. Er erklärte uns, daß der Konzern Geld macht, nicht »nimmt«. Dann wies er uns die Tür. Der nächste potentielle Empfänger unseres Geschenks war der Versicherungskonzern Prudential Securities. Er wurde 1994 mit dem stattlichen Bußgeld von 330 Millionen Dollar belegt, weil er Investoren betrogen hatte. Mit dieser Tat hatte er sich unser Geschenk vollauf verdient, denn er hatte alle bisherigen Rekorde im Bereich der Wirtschaftskriminalität gebrochen. Der Wachmann an der Rezeption erlaubte uns nicht, dem Chef des Unternehmens unser Geschenk zu überreichen. 60 Er sagte, wie seien »verrückt«. Und wieder wies man uns die Tür. Das Team von TV Nation zog weiter zum United Parcel Service (UPS). Der Paketdienst hatte 1994 das größte Bußgeld kassiert, das die Arbeitsschutzbehörde Occupational Safety and Health Administration (OSHA) in jenem Jahr verhängte. UPS hatte es versäumt, seine Angestellten beim Umgang mit Paketen angemessen zu schützen, die gefährliche Chemikalien enthielten. Wir dachten, daß die Unternehmen vielleicht ungern einen Koffer voll Geld oder einen Scheck annahmen, und hatten diesmal Gold im Wert von 10000 Dollar mitgenommen. Der PR-Mann von UPS fand das mit dem Gold ziemlich witzig und spielte vergnügt mit, bis wir auf das Bußgeld der OSHA zu sprechen kamen. Das verhagelte ihm radikal die Stimmung: Er ließ uns stehen, zog sich in sein Büro zurück und schloß die Tür hinter sich ab. Vielleicht glaubte er wirklich, geben sei seliger denn nehmen. Als nächstes führte uns unsere Weihnachtstour zu Kodak. Der Konzern hatte gewaltige Bußgelder bezahlen müssen, weil sein in Rochester, New York, gelegenes Werk zur Herstellung von Fotofilmen das Grundwasser von Gemeinden in der Umgebung mit gefährlichen Chemikalien verschmutzt hatte. Dieses Mal wollten wir vermeiden, daß wir wieder vom Wachmann in der Eingangshalle abgewiesen wurden und abermals nichts erreichten, also verfuhren wir nach dem Motto: »Der Weg zur Wahrheit führt durch den Lieferanteneingang.« Wenn man so aussieht, als ob man etwas zu liefern hätte, kommt man rein, ohne daß Fragen gestellt werden. Wir betraten also das Kodak-Gebäude durch den 61 Hintereingang und hatten das Stockwerk mit den Büros der Topmanager schnell gefunden. Niemand greift in den Geldkoffer. »Wie sind Sie hier hereingekommen?« schrie man uns an. Ein paar der Männer – offensichtlich Sicherheitskräfte – gingen mit physischer Gewalt gegen uns vor. Sie schubsten uns durch eine Tür, einen Gang hinunter und in den Aufzug (in dem sie mit uns nach unten fuhren). Danach brachten sie uns aus dem Gebäude und sagten, sie hätten die Polizei gerufen. 62 63 Steven Wright und Karen Duffy führen durch das Programm von »Corp-Aid«. Deprimiert, weil niemand sein Geschenk annehmen wollte, ging Michael mit weit offenem Geldkoffer auf der Wall Street auf und ab und bat jeden, der ein Jahreseinkommen von über 200000 Dollar hatte, in den Koffer zu greifen und sich etwas von dem großzügig gebotenen Bargeld zu nehmen. Niemand tat es. Wir hatten noch eine andere Idee. Wie wäre es, wenn wir ein Benefizkonzert für bedürftige Konzerne veranstalten würden? Nach dem Vorbild von Live-Aid mit 64 dem Song »We are the World« – das hatte doch wirklich viel Geld für wohltätige Zwecke eingesammelt. Oder nach dem Vorbild von Farm-Aid, das den schwer von der Krise getroffenen Farmern ordentlich Geld gebracht hatte. Warum also nicht »Corp-Aid« (Konzern-Hilfe)? Die Meat Puppets singen unsere Hymne. Wir mieteten einen riesigen Tieflader und stellten ihn nur einen Block von der Börse entfernt auf. Wir engagierten die Meat Puppets als Band, und Jay Martin, ein Autor von TV Nation, schrieb einen Song für das Ereignis. Steven Wright und Karen Duffy waren die Conferenciers. Die Führungskräfte und Broker der Wall Street kamen aus ihren Gebäuden und drängten sich um die Bühne, um an dem geschichtsträchtigen Ereignis teilzunehmen. Viele Zuschauer trugen Ansteckbuttons mit dem Motto »Corp65 Aid« und wiegten sich im Takt der Musik. Es waren viele Polizisten da. Mitarbeiter von TV Nation ließen Eimer im Publikum herumgehen. Wir gaben bekannt, daß alles gesammelte Geld für Exxon bestimmt sei, damit der Ölmulti die riesige Strafe wegen der Tankerkatastrophe mit der Exxon Valdez bezahlen konnte, bei der die Küste Alaskas durch Millionen Liter Öl verschmutzt worden war. Mike sammelt bei einem wohltätig gesinnten Broker in der Wall Street eine Spende für Exxon. Die Meat Puppets ließen die »Corp-Aid«-Hymne erklingen und die Zuschauer griffen tief in ihre Taschen. Sagt ja nicht, daß die Reichen nicht spendierfreudig wären. Als wir das Geld nach dem Konzert zählten, hatten wir sagenhafte 275 Dollar und 64 Cent für Exxon gesammelt. In der folgenden Woche flog Michael nach Dallas hinunter, um den Eimer voll Bargeld, wie wir ihn nannten, 66 dem Vorstandsvorsitzenden von Exxon zu übergeben. Leider ließen die PR-Leute und der Wachmann Michael nicht einmal in die Nähe der Chefetage, obwohl er eigens die weite Reise nach Texas gemacht hatte. Und sie nahmen auch das Geldgeschenk nicht an. Nur das Buch Wenn guten Menschen Böses widerfährt durfte Michael ihnen schenken. Immerhin ein Anfang! Mike ließ den Eimer auf dem Rasen vor dem Gebäude stehen, als er ging; er hoffte, daß jemand herauskommen und das Weihnachtsgeschenk doch noch annehmen würde. Und tatsächlich, beim Wegfahren sah die Crew, wie sich jemand das Geschenk holte: der Hausmeister. »Feliz Navidad«, schrie unsere Crew aus dem Fenster und winkte zum Abschied. 67 6 Crackers, das Wirtschaftskriminalitätsbekämpfung shuhn »Warum ging das Huhn über die Straße? Um einem KONZERNHERRN in den ARSCH zu treten. Darum!« Manchmal, wenn alles andere nichts geholfen hat, muß man einen Superhelden rufen. Wenn ein Waldbrand außer Kontrolle gerät, braucht man Smokey, den Bären. Wenn Umweltverschmutzer unsere Umwelt bedrohen, ruft man Woodsy, die Eule (»Schuhu! Laß die Umwelt in Ruh!«). Wenn die Kriminalität überhand nimmt, nimmt selbstverständlich McGruff, der Kriminalhund, »dem Verbrechen den Biß«. Was aber tut man, wenn man von Monstern bedroht wird, die so böse sind und so schlimme Absichten haben, daß alles danach aussieht, als hätte kein menschliches Wesen die Macht, sie aufzuhalten? Ja, die Rede ist von Wirtschaftskriminellen, jenen Anzugträgern, die das Gesetz flagrant verletzen und der ganzen Welt Schaden zufügen. Sie laufen überall auf dem Planeten Amok, und wir gewöhnlichen Sterblichen können sie nicht daran hindern. 68 Selbstgebasteltes Schild eines Fans. Jedes Jahr verlieren wir in den USA 4 Milliarden Dollar durch Einbrüche und Raubüberfälle, aber 200 Milliarden durch Betrug bei Großunternehmen, und jedes Jahr ist die Zahl der Amerikaner, die durch Unfälle am Arbeitsplatz umkommen, um 45000 Menschen höher als die Zahl der Amerikaner, die mit Handfeuerwaffen ermordet werden. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Trotzdem wird nicht über sie diskutiert, und es werden keine Gegenmaßnahmen ergriffen. Die Elf-Uhr-Nachrichten begannen nie mit der Meldung des neuesten Toten am Arbeitsplatz oder mit der Meldung, daß mehr Polizisten eingestellt wurden, um an der Wall Street zu patrouillieren und Wirtschaftskriminelle zu schnappen. Wir bei TV Nation waren der Ansicht, unser Land hätte etwas Besseres verdient. Wenn die normalen Straßenkriminellen ein Tier hatten, das sie jagte, warum sollten dann die Wirtschaftskriminellen nicht auch eins bekommen? Und so wurde Crackers geboren, das Wirtschaftskriminalitäts-Bekämpfungshuhn. 69 Verschiedene Entwicklungsstadien von Crackers. Crackers wurde der erste Superheld, der zur Hauptsendezeit ausgerechnet auf diejenigen Jagd machte, die in seiner Serie für ihre Produkte werben sollten. Dieses Paradoxon entging auch den Topmanagern der Fernsehgesellschaft nicht; sie waren keineswegs begeistert von unserem Huhn. Aber sie hielten sich mit ihrem Urteil zurück, bis sie ihn in Aktion gesehen hatten. Crackers war ein Zwei-Meter-Huhn. (Auch wenn manche behaupteten, es sei nur ein Kostüm gewesen, das von John Derevlany, einem unserer Drehbuchautoren, getragen wurde. Doch die Gläubigen unter uns wußten, daß das 70 Huhn echt war und uns von dem Bösen erlösen sollte.) Wir statteten es mit besonderen Vollmachten aus, damit es Missetaten untersuchen und Wirtschaftsmagnaten die scharfen Fragen stellen konnte, die unsere Journalisten nicht zu stellen wagen. Das Wirtschaftskriminalitätsmobil. Crackers bekam sein eigenes Wirtschaftskriminalitätsmobil, ein langes Wohnmobil mit einem Labor, Computern und Handschellen. Seine Mission bestand darin, in dem Mobil durch das Land zu fahren und sich die Sorgen gewöhnlicher Bürger anzuhören, die durch die Entscheidungen von Unternehmen und ihren Angestellten geschädigt worden waren. Crackers hatte auch seine eigene gebührenfreie Telefonnummer, wo die Leute Wirtschaftsverbrechen melden konnten, die gerade begangen wurden. Am ersten Wochenende kamen über 40000 Anrufe. 71 Schon deshalb war es richtig, Crackers zu schaffen. Die Anzahl der Anrufe ganz normaler Bürger, die echte Fälle von Missetaten an ihrem Wohnort oder Arbeitsplatz kannten, war erstaunlich. Wir bekamen richtig Ehrfurcht angesichts der großen Bandbreite der Verbrechen, bei denen man, wie Woody Guthrie einmal sagte, mit dem Füller ausgeraubt wird statt mit der Pistole. Wir schickten Crackers auf seine Reise, und er besuchte Städte und Konzerne in über einem Dutzend Städten. Das Huhn hätte genug Material für eine eigene Sendung gehabt, aber wir hatten nur Sendezeit für fünf seiner Ermittlungserfolge. New York: First Boston Corp. Die First Boston Corp., eine der größten Investmentbanken des Landes, hatte beim Bürgermeister von New York um eine Steuerbefreiung gebeten. Die Bank drohte, die Stadt zu verlassen, wenn ihre Steuern nicht gesenkt würden. War das »Erpressung«? Diese Frage wäre schon Grund genug für Crackers gewesen, sich um die First Boston zu kümmern, obwohl man ihr Vorgehen in der menschlichen Gemeinschaft nicht für illegale Erpressung hielt. Für Crackers dagegen war der Fall ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Konzerne den Städten große Geldsummen abnötigen, immer mit der Drohung, daß ihnen etwas Schlimmes passieren wird, wenn die Konzerne abwandern. Alle Städte fürchten dann das Schlimmste und geben nach. 72 Hunderte von Fans versammelten sich in Chicago, um das Huhn zu sehen. Im Januar 1995 bekam die First Boston ihre Steuerbefreiung, die sich auf mehrere Millionen Dollar belief, und fügte sie ihren Jahreseinnahmen hinzu. Und was tat die Bank keine 30 Tage, nachdem sie dieses »Geschenk« der New Yorker Steuerzahler verbucht hatte? Sie entließ über 100 Leute, einfach so. Ironischerweise hatte es eigentlich zu der Vereinbarung mit der Stadt gehört, daß die Bank Arbeitsplätze erhalten und nicht vernichten sollte. Gab sie vielleicht der Stadt das Geld zurück, nachdem sie die Vereinbarung gebrochen hatte? Soll das ein Witz sein? Crackers war empört und nicht zu Scherzen aufgelegt. Er fuhr geradewegs zur Zentrale der First Boston in der Nähe der Madison Avenue und verlangte, daß sie die Leute wieder einstellte oder der Stadt das Geld zurückgab. Sobald Crackers das Gebäude betreten hatte, kamen ihm 73 Sicherheitsleute entgegen. Aber er ließ sich nicht (wie die normalmenschlichen Berichterstatter von TV Nation, wenn sie in den Konzernzentralen abgewiesen wurden) von Männern in geliehenen Uniformen aufhalten, sondern schoß zwischen den Sicherheitsleuten hindurch, stieg in den Aufzug und fuhr in den ersten Stock. Dort waren noch mehr Sicherheitsleute. Sie schienen eine gewisse Ausbildung im Umgang mit Superhühnern zu haben, denn sie schafften es, Crackers wieder in den Aufzug zu bringen und ins Erdgeschoß zu verfrachten. Die New Yorker Polizei wurde gerufen und kam mit einer Grünen Minna. Die Polizisten merkten schnell, daß sie die falsche Grüne Minna mitgebracht hatten – eine für Menschen. Ein Zwei-Meter-Huhn hätte auf keinen Fall in das Fahrzeug gepaßt. Also versuchten die Polizisten, das Huhn durch Überredung aus dem Gebäude zu kriegen. Crackers war glücklich, daß seine Kollegen Verbrechensbekämpfer da waren, und sagte, sie sollten doch gemeinsam mit ihm die Topmanager der First Boston verhören. Doch die Polizisten rieten ihm, aufs Rathaus zu gehen und die Sache mit dem Bürgermeister zu klären. Genau das tat er dann auch. Bürgermeister Ralph Giuliani wollte am Nachmittag seine tägliche Pressekonferenz halten. Als seine Berater ihn darauf aufmerksam machten, daß Crackers direkt vor dem Presseraum stand, setzte er sich fast eine Stunde mit ihnen zusammen und beriet, wie er mit der Situation umgehen sollte. Ein Reporter von WABC Radio, einem Sender, der dem Bürgermeister freundlich gesinnt war, gab ihm einen Tip, warum Crackers da war. Als Giuliani schließlich auf dem Podium erschien, hielten seine Berater und Polizeibeamte in Zivil das Huhn vor dem Konferenzsaal fest und umringten Mike, der sich im Saal 74 befand. Dann stahl der Giuliani wohlgesinnte Reporter Crackers die Schau und fragte den Bürgermeister, auf welche Weise Steuerbefreiungen wie die für die First Boston dem Wohl der Stadt genützt hätten. Giuliani erklärte lang und breit, warum Steuerbefreiungen New York zu einem attraktiveren Standort für Unternehmen machten. Schließlich unterbrach ihn Mike und fragte, warum er sich weigerte, mit dem Verbrechensbekämpfungshuhn zu sprechen. »Ich rede doch nicht mit einem Huhn«, antwortete der Bürgermeister. Crackers, der durch ein Fenster zusah, war anscheinend traurig über diese Zurückweisung. Er ist ein sehr sensibles Huhn. Der Bürgermeister weigerte sich, juristisch gegen die First Boston vorzugehen. Crackers war nicht einmal zu den Topmanagern der First Boston vorgedrungen. Wie es aussah, hatte das Huhn seine erste Niederlage erlitten. Manchmal gewinnen eben auch die Bösen. Brooklyn: Delta Enterprise Corp. Crackers nahm sein nächstes Ziel aufs Korn: die Gesellschaft Delta Enterprise aus Brooklyn. Sie stellt Laufstühle her, mit denen Kleinkinder sich durch den Raum bewegen können, bevor sie ohne Hilfe laufen können. Bei vielen Laufstühlen ist allerdings der Radstand zu eng, und außerdem kann es passieren, daß ein Kleinkind im Laufstuhl versehentlich eine Treppe hinunterfällt. Allein im Jahr 1997 mußten etwa 14000 Kleinkinder in der Notaufnahme von Krankenhäusern behandelt werden, weil sie sich im Zusammenhang mit Laufstühlen verletzt hatten, und seit 1973 wurden 34 Todesfälle auf den Gebrauch von Laufstühlen 75 zurückgeführt. Crackers erschien im Hauptwerk des Unternehmens und verlangte nach dem Chef. Wieder einmal wurde das Huhn mit dem lauten Ruf »Raus hier!« mit körperlicher Gewalt entfernt. Danach inszenierte Crackers eine Kampagne, in der Eltern gewarnt wurden, welche Gefahren in Laufstühlen lauern können. Er überzeugte eine Anzahl Mütter und Väter, ihre Laufstühle bei ihm abzugeben. 1997 begann Delta Enterprise Laufstühle zu produzieren, die den Sicherheitsnormen der Juvenile Products Manufacturers Association entsprachen. Crackers pflichtete den Verbraucherschutzbeamten der amerikanischen Bundesregierung bei, die Eltern dringend rieten, nur Laufstühle zu kaufen, die diesen Normen entsprachen. Philadelphia: Gebühren für geplatzte Schecks Crackers fuhr mit seinem Wirtschaftskriminalitätsmobil unter dem Jubel von Hunderten von Einwohnern Philadelphias in das Zentrum der Stadt. Die Einwohner waren gekommen, um dem Huhn von all den Wirtschaftsverbrechen zu erzählen, deren Zeugen sie geworden waren. Aber eine bestimmte Missetat reizte ihn am meisten. 1995 berechnete die CoreStates Bank ihren Kunden für jeden geplatzten Scheck eine Strafgebühr von 25 Dollar. Später wurde die Strafe sogar auf 30 Dollar erhöht. Für Familien, die immer sehnsüchtig auf den nächsten Zahltag warten, ist das verdammt viel Geld. Philadelphia hat im ganzen Land die höchste Strafgebühr für geplatzte Schecks. In den USA nehmen die Banken allein an Strafgebühren für überzogene Konten jedes Jahr vier Milliarden Dollar ein. 76 Einen Scheck platzen zu lassen ist nicht mehr das, was es mal war. In den USA ist es gesetzwidrig, einen ungedeckten Scheck auszustellen. Doch die meisten Bürger sind gesetzestreue Menschen und haben überhaupt nicht die Absicht, einen Scheck platzen zu lassen. Deshalb verlangen die Banken eine Strafgebühr für die Überziehung des Kontos. Das Ganze funktioniert folgendermaßen: Du trägst am Freitag den Scheck deines Arbeitgebers auf die Bank. Dann gehst du nach Hause und stellst am Wochenende ein paar Schecks aus, um Rechnungen zu bezahlen. Doch die Bank hat den Scheck deines Arbeitgebers nicht verbucht, sondern wartet, bis seine Bank die Summe auch wirklich überwiesen hat. Das kann bis zu zehn Tage dauern. Aber die Schecks, die du ausgestellt hast? Oh, dieses Geld hat die Bank sofort überwiesen. Du hast sie jedoch in der Meinung ausgeschrieben, daß dein Lohn schon auf deinem Konto sei. Aber die Bank hat den Scheck deines Arbeitgebers nicht verbucht. Peng! Schon ist dein Scheck geplatzt, und du darfst wieder mal 30 Dollar Strafe bezahlen. Diese Praxis ist in ganz Amerika verbreitet. Uns kommt diese Praktik wie Diebstahl vor. Aber kein Polizist würde den Chef einer Bank deshalb wegen Diebstahl verhaften. Und hier kommt Crackers ins Spiel. Crackers ging in eine CoreStates Bank und forderte die Filialleiterin auf, diese unglaublichen Strafgebühren nicht mehr zu erheben. Sie sagte, dazu sei sie nicht berechtigt, sie mache nur ihren Job. Da ging Crackers zur Zentrale der Bank, aber er wurde abgewiesen. Das Huhn hatte es satt, nicht ernst genommen zu werden, und suchte Babette Josephs auf, die im Parlament des Staates Philadelphia saß. Ms. Josephs versprach, ein Gesetz vorzulegen, das es den Banken verbot, mehr als 77 7,50 Dollar Strafgebühr für einen geplatzten Scheck zu erheben, und das sie zwang, genauer zu definieren, was ein geplatzter Scheck überhaupt war. Die Aktion kam bei den Fernsehzuschauern gut an. Crackers bekam tonnenweise Post von Leuten, die die Sendung gesehen hatten. Crackers führt den Marsch auf die CoreStates Bank an. St. Louis: Bleivergiftung durch Doe Run Wir kündigten immer die nächsten Stationen von Crackers’ Reise in TV Nation an, und wenn Crackers in der angekündigten Stadt eintraf, wartete jeweils schon eine Menschenmenge oder ein Demonstrationszug auf ihn. Auf einer solchen Versammlung in St. Louis bekam Crackers einen Hinweis auf eine Fabrik in einem Stadtviertel 78 namens Herculaneum unmittelbar südöstlich des Stadtzentrums. Der Informant erzählte Crackers, die Einwohner des Viertels hätten das Gefühl, von einer Bleifabrik namens Doe Run, einem der größten Bleiverarbeiter der Welt, vergiftet zu werden. Crackers ging dem Hinweis nach und stellte durch Gespräche mit Bewohnern des Viertels und Arbeitern der Fabrik fest, daß der Hinweis korrekt war. Nun machte sich Crackers an die Arbeit. Er versuchte, in die Fabrik zu kommen und die Bosse mit den Vorwürfen zu konfrontieren, wurde aber wie üblich von einem Polizeibeamten aufgehalten. (Noch am selben Tag brachte derselbe Polizist seinen Wagen neben Crackers zum Stehen und fragte, ob er ihn fotografieren dürfe. Er war nämlich ein großer Fan des Huhns und hatte alle Folgen von TV Nation gesehen.) Crackers nahm selbst Bodenproben und brachte sie zu einem Labor in St. Louis. Sie wiesen einen hohen Bleigehalt auf. Dann ließ er Kinder auf Bleivergiftung untersuchen, und in ihrem Blut wurden viel zu hohe Bleiwerte festgestellt. Das Huhn hatte ein Treffen mit dem Chef von Doe Run. Er erkundigte sich beim Ministerium für Rohstoffe von Missouri nach dem Unternehmen und erhielt die Auskunft, daß Doe Run die USamerikanischen Luftreinhaltungsvorschriften verletze, inzwischen allerdings nach einem staatlich überwachten Plan seine Emissionen verringere. Nach der Ausstrahlung der Sendung wurden zwei Gemeinschaftsklagen eingereicht, eine wegen Sachschäden und eine wegen Personenschäden. Das Rohstoffministerium erhielt zwischen 600 und 700 Briefe zu dem Thema, und seit Crackers im Fernsehen auf das Problem aufmerksam gemacht hat, ist den Menschen in der Region die Gefährlichkeit von Blei stärker bewußt. 79 Crackers bringt seine Proben ins Labor. Detroit: Der Zeitungsstreik Es gibt normale Wirtschaftsverbrechen, und es gibt besondere, von denen man persönlich betroffen ist. Eines, von dem wir uns persönlich betroffen fühlten, passierte in unserem eigenen Hinterhof: der Zeitungsstreik in Detroit, Michigan. Da wir Crackers in gewisser Weise geboren hatten, ernannten wir ihn zum Ehren-Michiganer. Die Mitarbeiter der Detroit Free Press und der Detroit News traten im Juli 1995 in einem Konflikt um ihre Arbeitsverträge in den Streik. Das Management beider Zeitungen stellte sofort Streikbrecher ein, um die Zeitungen weiter herauszubringen. Die Folge waren gewaltsame Demonstrationen, bei denen die meiste Gewalt von der Polizei ausging. Der Streik dauerte bereits 30 Tage, als Crackers auf der Bildfläche erschien. Das National Labor Relations Board (Bundesbehörde, die die Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern beaufsichtigt; A.d.Ü.) hatte gegen die Herausgeber der Zeitungen entschieden, 80 doch diese hatten gegen seine Entscheidung Widerspruch erhoben, statt sich mit den Streikenden zu einigen. Crackers versuchte zu vermitteln, wurde jedoch von der Arbeitgeberseite ignoriert. Daraufhin suchte er den Kongreßabgeordneten John Conyers auf, den hochrangigsten Demokraten im Rechtsausschuß des Repräsentantenhauses. Der Abgeordnete versprach Crackers, Anhörungen zu veranstalten, damit die Arbeiter ihre Jobs zurückbekämen, und zu untersuchen, ob sich das Anti-Trust-Gesetz, das es zwei Zeitungen in einer Stadt erlaubte, mit einer gemeinsamen Geschäftsführung zu arbeiten, nicht durch einen Zusatz verbessern ließe. Als nächstes beschloß Crackers, seine eigene Zeitung bei einer Gewerkschaftsdruckerei drucken zu lassen, um den Leuten in Detroit die Wahrheit darüber zu erzählen, was das Management der Zeitungen den Arbeitern antat. Er versuchte sogar, seine Zeitung in die Häuser der Herausgeber der Detroit Free Press und der Detroit News zu liefern. Crackers trägt die Wahrheit aus. 81 Schließlich hielt er es für notwendig, eine direkte Aktion zu starten. Er führte eine Gruppe von Streikenden bei einem Demonstrationsmarsch zu den beiden Zeitungsverlagen an. Die Sicherheitsleute schlossen sofort die Türen, als sie den großen Vogel kommen sahen. Aber Crackers zeigte Kräfte, die keiner von uns je zuvor erlebt hatte, und stemmte mit bloßen Flügeln das Haupttor der Detroit Free Press auf. Die Sicherheitsleute erlitten einen Schock. Sie schrien nach der Polizei. Doch die Demonstranten schrien noch lauter: »Laßt das Huhn hinein!« Schließlich erschien die Polizei und forderte Crackers auf, die Demonstranten wegzuführen. Und das tat er auch, einen Block weiter die Straße hinunter, zu den Detroit News. Dort sah Crackers, daß die Türen an der Laderampe offenstanden, also ging er einfach hinein. Aber Wachleute einer Sicherheitsfirma packten ihn und warfen ihn in hohem Bogen wieder hinaus auf die Straße, gut drei Meter weit. Es war für uns alle das erste Mal, daß wir ein Huhn fliegen sahen. Inspiriert von diesem Wunder warf sich die Menge gegen Stahltore, die sich gerade schlossen. Ein Aufruhr entstand. Fäuste flogen. Gummiknüppel kamen zum Einsatz. Die Türen wurden zerstört. Unser Kameramann und unser Tontechniker hatten blaue Flecke und bluteten. Hey, wir waren doch nur eine Comedy Show, um Himmels willen! 82 Ach, wenn der Pressezar Rupert Murdoch uns jetzt hätte sehen können! Crackers und Michael Moore führen die Demonstration in Detroit an. Erneut kam die Polizei und stellte die Ruhe wieder her. Niemand wurde festgenommen, und wir machten uns mit dem Filmmaterial aus dem Staub. Am Abend dieses Tages fuhren wir mit Crackers in das Stadion der Tigers, um ihn aufzumuntern – er hatte tatsächlich ein Krankenhaus aufsuchen müssen. Im Stadion sang Michael vor dem Baseballspiel gegen die Blue Jays die kanadische Nationalhymne (als Vorspann für die »Kanadanacht« in einer anderen Folge von TV Notion). Während des Spiels lernte Crackers das Maskottchen der Tigers kennen und tauschte sich mit ihm über ihre berufliche Situation aus. (Dabei erfuhr er, daß andere Maskottchen ein Kühlsystem im Kopf hatten; bald darauf wollte er auch eins haben.) Die Kinder, die sich das 83 Spiel ansahen, kamen alle zu Crackers herübergerannt und wollten Autogramme haben, die er liebend gerne gab. In sämtlichen Wochen, in denen Crackers in TV Nation auftrat, hatten wir bei den Zwei- bis Elfjährigen von allen Sendungen in unserer Sendezeit die zweitbesten Quoten. Ein Brief von Crackers August 1995 Seid gegrüßt, Verbrechensbekämpfer, ich war in den letzten paar Wochen kreuz und quer in Amerika unterwegs, um Wirtschaftskriminelle aufzuspüren. Ich habe meinen großen, weichen, orangenen Schnabel in die Machenschaften von ein paar Umweltverschmutzern in St. Louis gesteckt. Ich war in Detroit und versuchte, die großen amerikanischen Medienmonopole zu brechen (wundert euch nicht, wenn wir es nicht schaffen sollten, diesen Teil der Sendung auszustrahlen). Selbst nach den Maßstäben eines Huhns war Detroit eine harte Stadt. Ich wurde auf dem Schauplatz eines lokalen Zeitungsstreiks von Sicherheitsleuten buchstäblich drei Meter weit geworfen. Au, das tut weh! Ich bin ein Huhn. Ich sollte eigentlich nicht fliegen. Im vergangenen Monat habe ich außerdem noch eine ganze Reihe weiterer amerikanischer Städte besucht: Indianapolis, Milwaukee, Chicago, Cincinnati, Cleveland, Pittsburgh und Decatur in Illinois. In all diesen Städten wurde ich jeweils von mehreren 100 oder gar mehreren 1000 Menschen erwartet, und alle hatten Hinweise auf Wirtschaftsverbrechen für mich. In Chicago kamen 3000 Leute. Sie waren so begeistert von der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, daß die Polizei anrückte und die Versammlung auflöste. Mein Hühnerherz riet mir, die 84 Menge mit dem Ruf: »Ran an die Buletten!« in den Kampf zu führen, aber leider bin nur ich durch mehrere Schichten von Federn, Schaumstoff und Metall geschützt (von meinen stählernen Innereien ganz zu schweigen), während ihr anderen alle nur ein paar Schichten Haut habt, welche die Knüppelschläge aushalten müssen. Also kürzte ich meinen Besuch in Chicago ab. Derzeit ist meine Reise auf der Suche nach Wirtschaftskriminellen erst einmal zu Ende, bis wir herausgefunden haben, wo TV Nation als nächstes ausgestrahlt wird. In der Zwischenzeit kämpft weiter für Wahrheit, Gerechtigkeit und eine unscheinbare Sache, die man unternehmerische Verantwortung nennt. Ich bin ein Huhn, hört mich gackern. GAAAAACKKKKK! Schickt Crackers eine E-Mail unter: [email protected] Bald war die Tournee von Crackers zu Ende, und das Huhn ging im Colonel Sanders Museum in Kentucky in den vorläufigen Ruhestand. Dort wartet er, bis er den Kampf gegen das Verbrechen wiederaufnehmen kann. Es war ein langer, heißer Sommer gewesen, und wir hatten uns ein gutes Bild davon machen können, was die Bosse im Schilde führten. Es war klar, daß die Amerikaner einen Superhelden brauchten, der ihre Interessen vertrat und für ihr Wohl sorgte. Manche Leute dachten früher einmal, daß die Demokratische Partei das täte, aber das ist eine andere Geschichte. Crackers wurde der beliebteste, meistgesehene, meistverlangte Teil von TV Nation. Das Huhn hatte wirklich einen guten Draht zu der amerikanischen 85 Bevölkerung bekommen. Eines Tages wird er zurückkehren. 86 7 Eine Herausforderung für Konzernchefs Eines Nachts sahen wir in den Abendnachrichten einen Bericht über die japanische Autoindustrie. Direkt vor unseren Augen stand der Vorstandsvorsitzende von Honda, Nobuhiko Kawamoto, mit der Nietpistole in der Hand am Fließband und baute einen Honda zusammen! Danach aß er mit den an dem Fließband beschäftigten Arbeitern in der Cafeteria zu Mittag. Am Ende des Berichts fuhr er mit seinem Jahre alten Honda Accord davon. Für Leute, die wie wir in Autoarbeiterfamilien aufgewachsen sind und aus der Heimatstadt von General Motors kommen, war das ein befremdlicher Anblick. Wir garantieren euch, so wahr der Himmel früher blau war, daß der Chef von Buick seit dem kurzen Praktikum, das er vor seinem Abschluß am General Motors Institute absolvieren mußte, keine Nietpistole mehr aus der Nähe gesehen hat. (Das General Motors Institute, das heute Kettering University heißt, ist ein College in Flint, an dem früher ausschließlich Manager und Ingenieure von GM ausgebildet wurden.) Tatsächlich haben die meisten Chefs amerikanischer Konzerne ihren Job nicht etwa, weil sie wissen, wie man Sachen herstellt, sondern weil sie jemanden kannten, der jemanden kannte, und weil sie irgendwann bewiesen haben, daß sie mit Bilanzen jonglieren können. Sie haben an der Harvard Business School Betriebswirtschaft studiert und sind keine Handwerker oder Erfinder oder, 87 Gott behüte, womöglich echte Arbeiter. Vielleicht, dachten wir, werden deshalb so viele Produkte immer schlechter, die in diesem Land hergestellt werden. Der verantwortliche Manager hat keine Ahnung, was sein Unternehmen eigentlich tut. Und er muß die Produkte nur selten selbst benutzen. (Der Chef von GM bekommt alle drei Monate ein neues Auto, also muß er nie einen Schraubenschlüssel in die Hand nehmen.) Das vielleicht peinlichste Beispiel dieser Realitätsferne lieferte der oberste Boß unseres Landes George Herbert Walker Bush am 4. Februar 1992 höchstpersönlich an der elektronischen Kasse eines Supermarkts. Als die Kassiererin den Brotlaib mit dem Barcode über das elektronische Auge führte, staunte Bush Bauklötze. Es war, als ob die Führer der Marsianer ihm gerade vorgeführt hätten, daß sie ihre Köpfe um 360 Grad drehen können. Wir hatten keine Ahnung, daß die Reichen und Mächtigen so dumm sind. Wie sind sie trotzdem an die Spitze gekommen? Warum sind wir nicht an der Spitze? Angesichts dieser Zustände dachten wir, daß es interessant wäre, wie viele Konzernchefs die Produkte, die sie verkaufen, wirklich selbst etwas herstellen oder wenigstens selbst benutzen können. Konnte der Chef der Supermarktkette Safeways Lebensmittel in eine Tüte packen? Konnte der Präsident von AT&T eine zusammengebrochene Leitung reparieren? Konnte die Hotelkönigin Leona Helmsley ihre Bettwäsche wechseln? Auf diese Weise wurde die Idee für »Eine Herausforderung für Konzernchefs« geboren. Wir stellten eine Liste von Konzernen und ihren Chefs zusammen und 88 überlegten, was wir sie tun lassen wollten. Als Preis versprachen wir jedem, der die Herausforderung meisterte, einen vergoldeten Putter (einen zum Einlochen verwendeten Golfschläger) und ein Kunstrasenstück mit Loch zum Üben des Puttens. Wir fingen an herumzutelefonieren und stellten fest, daß die Chefs ziemlich schwer ans Telefon zu kriegen waren. Wenn wir einen Assistenten oder einen PR-Menschen an die Strippe bekamen, erklärten wir ihm möglichst einfach, was sein Boß tun sollte. Sie dachten alle, wir wären verrückt. Wenn man wirklich ernst genommen werden will, obwohl man verrückt ist, muß man sein Anliegen schriftlich formulieren. Auf eine schriftliche Anfrage bekommt man aus rätselhaften Gründen immer eine Antwort. Wenn du dem Konzernchef einen Brief geschrieben hast, dann hast du einen Briefwechsel begonnen, der eines Tages vielleicht einem Untergebenen zum Verhängnis werden könnte. Assistenten nehmen Briefe immer ernst. Mikes Brief lautete wie folgt: Lieber Herr Vorstandsvorsitzender, wenn Sie auch nur ein bißchen sind wie ich, haben Sie bei all dem Trara über japanischen Scharfsinn und japanische »Effizienz« nie das Vertrauen in den schlichten alten Erfindungsgeist der Yankees verloren. Deshalb können Sie sich wahrscheinlich auch meine Überraschung vorstellen, die sich alsbald in Bestürzung verwandelte, die jedoch gleich darauf in Trotz umschlug, als ich las, daß viele japanische Konzernchefs, wie zum Beispiel der von Honda oder der von Sony, die Produkte ihrer Unternehmen tatsächlich selbst bauen können. Und diese 89 Manager laufen jetzt herum und prahlen, daß sie irgendwie einen besseren Realitätsbezug hätten als amerikanische Firmenbosse, weil sie angeblich wüßten, wie man mit all den Dingen umgeht, die ihre Unternehmen herstellen. Ich glaubte es zunächst selbst nicht. Aber meine Rechercheure, die alle Amerikaner sind, haben mir das Filmmaterial gezeigt. Es stimmt tatsächlich! Sie kennen mich vielleicht, weil ich bei dem Film Roger & Me Regie geführt habe. Tja, und kürzlich habe ich mit der Arbeit an einer neuen Fernsehsendung begonnen, die zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird. Sie heißt TV Nation und wird diesen Sommer landesweit von der NBC und international von der BBC ausgestrahlt. Ich weiß, daß Sie gerne den Fehdehandschuh aufnehmen wollen, den uns die Japaner offensichtlich hingeworfen haben, und wir von TV Nation würden Ihnen gerne dabei helfen. Wir sind in der einzigartigen Position, daß wir Ihnen die Mittel zur Verfügung stellen können, um den Japanern – und der Welt – zu zeigen, daß Sie genausoviel Bezug zu Ihren Produkten haben wie irgendein ausländischer Konzernchef zu seinen. Wenn Sie mich mit einem kleinen Kamerateam in Ihr Büro, in eine in seiner Nähe gelegene Fabrik, an ein Fließband oder in ein Labor lassen, können wir der Welt gewiß beweisen, daß unsere Konzernchefs den ausländischen keineswegs unterlegen sind. Ich weiß, daß Sie die USA nicht im Stich lassen werden. Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen, und verbleibe stolz ein Amerikaner zu sein und mit freundlichen Grüßen Ihr Michael Moore, Staatsbürger 90 Wir schickten diesen Brief an den Chef der Chemical Bank und baten ihn, einen Geldautomaten zu bedienen. Wir baten den Chef von Hershey, eine Zuckerstange für uns herzustellen. Wir ersuchten den Chef von Estée Lauder, Mike eine Gesichtsbehandlung zu machen. Natürlich wurden all diese Anfragen abschlägig beantwortet. Also schickten wir ein weiteres Schreiben und informierten eine Anzahl von Unternehmen, daß wir am 26. Mai vorbeikommen und den Chef persönlich bitten würden, seine Aufgabe zu erledigen. Dann zogen wir mit dem Kamerateam im Schlepptau los. Mike fordert den Chef von IBM heraus. Der erste Halt war die New Yorker Zentrale von IBM. Aus irgendeinem Grund wollten uns die Sicherheitsleute im Eingangsbereich nicht hineinlassen, also bauten wir unsere Ausrüstung auf dem Gehweg vor dem Gebäude auf. Mike richtete sein Megaphon direkt auf das oberste Stockwerk und sprach seine Herausforderung hinein: »LOUIS GERSTNER, CHEF VON IBM, KOMMEN 91 SIE HERUNTER UND FORMATIEREN SIE DIESE COMPUTERFESTPLATTE!« Keine Reaktion. Mike erläuterte die Herausforderung: »Fürchten Sie nichts. Wir kommen in friedlicher Absicht.« Er hielt den goldenen Putter hoch, den Gerstner bekommen würde, wenn er die Platte formatierte. Doch der Boß biß immer noch nicht an. Mike versuchte es sogar mit Schmeichelei: »Wir verwenden nur IBM-Computer und IBMkompatible Computer«, sagte er. »Wir verabscheuen Apple. Macintoshs sind Spielzeuge! Das sind doch gar keine richtigen Computer!« Man hätte meinen sollen, daß wenigstens das gewirkt hätte, aber Mr. Gerstner wollte partout nicht herunterkommen. Als nächstes gingen wir zur Zentrale von Philip Morris, wo wir den Konzernchef Michael Miles aufforderten, eine Zigarette zu drehen. Wir hatten eine Schale mit Tabakblättern, Zigarettenpapier, Filter und »nicht im einzelnen aufgeführte chemische Zusätze« mitgebracht. Die Sicherheitsleute erschraken bei unserer Ankunft und verschlossen alle Türen des Gebäudes. Fast eine Stunde lang konnte niemand bei Philip Morris ein und aus gehen. Wir dachten an all die Raucher in dem Gebäude, die drinnen nicht rauchen durften und dringend ins Freie mußten, um sich eine anzustecken. Aber wir dachten nur eine Sekunde an sie. 92 Michael Miles, der Chef von Philip Morris »Mr. Miles«, schallte Mikes Stimme aus dem Megaphon, »ich weiß, daß es sich wie eine blöde Frage anhört, aber woran ist Philip Morris genau gestorben?« Viele Passanten erboten sich, eine Zigarette für uns zu drehen. Sie erledigten die Aufgabe mit einer Geschwindigkeit und Geschicklichkeit, die wir gelinde gesagt alarmierend fanden. Mike setzte seine Herausforderung fort: »Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bin unbewaffnet. Bitte kommen Sie herunter und erklären Sie den Satz: ›I’m a joker, I’m a smoker, I’m a midnight toker.‹ (›Ich bin ein Witzbold, ich bin ein Raucher, ich bin ein Mitternachtskiffer.‹)« Auch Mr. Miles ließ sich nicht blicken. Wir gingen hinüber zu den Büros von Colgate-Palmolive in der Park Avenue und versuchten dort, Reuben Mark, den Chef des Unternehmens, zu treffen. Wieder wurden 93 wir an der Rezeption abgewiesen und bauten unser Equipment auf dem Gehsteig auf. »Achtung, Achtung! Mr. Reuben Mark, wir möchten wissen, ob Sie tun können, was Ihre Arbeiter tun. Sie bekommen mehr Geld als sie, und das mit Recht. Wir fordern Sie auf, herunterzukommen und Zahnpasta in eine Tube zu füllen.« Zwei Stunden vergingen, aber Mr. Mark erschien nicht. Also wandten wir uns an seine Angestellten. Reuben Mark, der Chef der Colgate-Palmolive Company »Leute von Colgate-Palmolive. Ihr riecht alle so gut. Kommt heraus aus dem Gebäude, damit ich euch besser riechen kann.« Einige Angestellte kamen tatsächlich heraus, um uns zu sehen (und damit wir sie riechen konnten). Wir baten sie, uns zu helfen, ihren Chef herunterzulocken. Sie sagten, vielleicht sei die Aufgabe mit der Zahnpasta und der Tube zu schwer. Man könne ihn doch ein paar Teller mit ein bißchen Palmolive abspülen lassen. Tolle Idee, dachten 94 wir. Sie gingen hinein und kehrten gleich darauf mit dem Spülmittel zurück. Wir besorgten ein paar Teller, machten sie auf eine Weise dreckig, wie es nur die Mitarbeiter von TV Nation können, und bereiteten ein tolles Spülwasser in unserer tragbaren Abwaschschüssel vor. Die Mitarbeiter von Colgate-Palmolive begannen mit dem Abwasch. Mike ging wieder ans Megaphon. »Mr. Mark!« sagte er. »Wir haben Ihre Angestellten kennengelernt, und die können den Abwasch machen. Können Sie es auch?!« Vielleicht hatte Reuben Mark Angst um seine zarten Hände, jedenfalls beehrte er uns nicht mit seiner Anwesenheit. Dann bekamen wir von der Ford Motor Company die Nachricht, daß ihr Chef Alex Trotman unsere Herausforderung annehmen und einen Ölwechsel bei einem Ford-Geländewagen vornehmen würde. Al Chambers, der Chef der Kommunikationsabteilung des Konzerns, sagte, er selbst halte die Idee für albern, aber sein Chef, Mr. Trotman, sei »absolut bereit zu tun, was von ihm verlangt wird, wenn einigermaßen klar ist, warum dies ›visuell interessantes Fernsehen‹ sein soll«. Wir flogen nach Detroit und fuhren zu dem Testgelände von Ford im nahegelegenen Dearborn. Trotman fuhr in seinem eigenen Auto vor, stieg aus und schüttelte allen die Hände. Dann machte er sich an die Arbeit. Er fuhr einen Ford Explorer auf eine Hebebühne. Er ließ das alte Öl ab, füllte das neue Öl ein und wechselte den Filter. Und das alles in weniger als zehn Minuten! Autoarbeiter in Amerika und anderswo sollten später im Fernsehen den Anblick genießen, wie ein Konzernchef auf dem Rücken lag und sich von oben bis unten mit Öl bekleckerte, als er diese elementare Handarbeit verrichtete. Für die erfolgreiche Bewältigung der Herausforderung erhielt Alex Trotman den Goldenen Putter und das Putting 95 Green. Trotman hatte sich auch von einem eigenen Kamerateam filmen lassen. Später ließ Ford das Video auf den Monitoren über den Fließbändern in allen Fordwerken rund um den Erdball laufen. Im Gegensatz zu den anderen Konzernchefs, die Angst vor uns hatten (weil sie fürchteten, daß wir sie mit irgendeinem Trick in Verlegenheit bringen würden), nahm Trotman die Herausforderung einfach an. Er bekam eine Tonne Post und viel Sympathie von den Zuschauern der Sendung. Alex Trotman von Ford, der einzige Konzernchef, der die Herausforderung annahm. Es ist vielleicht bezeichnend, daß Trotman kein Amerikaner ist. Er kommt aus Schottland und ist in einem System aufgewachsen, in dem man Gewerkschaften für eine gute Sache hält und glaubt, daß Unternehmen soziale Verantwortung übernehmen sollen. Im Jahr 1997 gab es einen Streik bei Johnson Controls, einem Zulieferer von Ford, und die Firma ersetzte ihre streikenden Arbeiter durch Streikbrecher. Doch Trotman weigerte sich, dem 96 bestreikten Unternehmen Autoteile abzunehmen. Er konnte deshalb zwei Wochen lang kein Exemplar des beliebten Ford Expedition verkaufen. Doch Johnson Controls gab nach und stellte die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter wieder ein. Dies soll nicht heißen, daß Ford ohne Fehl und Tadel ist, aber wenn man es mit dem Konzern vergleicht, mit dem wir in Flint aufgewachsen sind … Hey, mit dem Thema fangen wir lieber nicht an. Alex Trotman, Chef der Ford Motor Company. Als wir die Geschichte mit Trotman im Kasten hatten, stellten wir fest, daß wir im Interesse von Fairplay und Wahrheitsfindung noch einen weiteren Konzernchef herausfordern mußten. Also nahm Mike pflichtbewußt das Mega mit auf die Rockefeller Plaza und rief: »Jack Welch, Chef von General Electric, Besitzer von NBC … BITTE KOMMEN SIE HERUNTER UND DREHEN SIE DIESE GLÜHBIRNE REIN!« 97 8 Nicht gesucht: Brian Anthony Harris Es gibt eine Erfahrung, die jeder Afroamerikaner schon einmal gemacht hat, nämlich daß er von der Polizei ohne jeden Grund angehalten wird. Egal, ob er im »falschen Viertel« die »falsche Straße« entlangfuhr oder einfach nur »verdächtig aussah«, oder ob sich die Polizisten gerade langweilten und ihnen nichts besseres einfiel, jedenfalls kann jeder männliche Schwarze in den USA von unheimlichen Begegnungen mit Gesetzeshütern berichten, die stattfanden, obwohl er kein anderes Verbrechen begangen hatte, als mit dem Auto in irgendein Restaurant zum Abendessen zu fahren. Wie wir alle wissen, ist der Grund für dieses Phänomen, daß schwarze Männer Verbrecher sind. Deshalb dachten wir, ihr würdet vielleicht gerne die Geschichte von Brian Anthony Harris hören. Brian ist ein junger Afroamerikaner, der schon zwanzig bis dreißig Mal von Polizisten angehalten und eines Verbrechens beschuldigt wurde. Das Problem ist nur, daß er nicht einmal bei Rot über die Straße geht. Er ist ein fleißiger Kirchgänger, der als Chefbeleuchter bei Black Entertainment Television in Washington D.C. arbeitet, und er hat eine blütenweiße Weste. Aber das ist der Washingtoner Polizei nicht so wichtig. Immer wieder hielten ihn die Cops an, um ihn wegen einem kürzlich passierten Raub, Überfall oder Mord zu verhören. Er wurde aus seinem blitzblanken BMW (der eindeutig für die Kriminalität seines Besitzers spricht) gezerrt, zu Boden gerissen und festgehalten, bis die 98 Beamten erkannt hatten, daß er der falsche Verdächtige war. Nach über zwanzig solchen Vorfällen wäre wohl jeder normale Mensch ein wenig verstört gewesen. Wir erfuhren von Brians Geschichte in einer Kolumne von Colman McCarthy in der Washington Post und kamen zu dem Schluß, daß Brian TV Nation brauchte. Wir riefen ihn an und fragten, ob wir ihm helfen dürften, damit ihn die Polizei nie wieder belästigte. Er war ungeheuer dankbar für alles, was wir tun konnten. Wir brauchten eine Kampagne, die dafür sorgte, daß die Polizei von Washington nicht einmal mehr daran denken würde, Brian anzuhalten. Und mit seiner Hilfe entwickelte TV Nation dafür folgende Ansätze: Wir tragen unsere Botschaft zum Establishment. 99 • TV-Spots TV Nation kaufte im Washingtoner Kabelfernsehen Zeit für einen Spot, in dem die Polizei dringend ersucht wurde, Brian nicht mehr zu belästigen. In dem 30-Sekunden-Spot sprach Brian direkt in die Kamera und bat die Polizei 100 höflich, ihn in Ruhe zu lassen. • Plakatwände Wir mieteten in der ganzen Stadt Werbeflächen – an Bussen und am Straßenrand – und plakatierten überall: »NICHT gesucht: Brian Anthony Harris.« Außerdem ließen wir eine mobile Plakatwand auf einem Lastwagen montieren, parkten ihn vor verschiedenen Polizeiwachen, fuhren damit in Washington herum und machten sogar einen Abstecher zum Weißen Haus. • Nicht-Gesucht-Flugblätter Wir produzierten ein paar Nicht-Gesucht-Plakate und ebensolche Flugblätter mit einem Antifahndungsfoto von Brian und seinen wichtigsten Daten und forderten damit die Washingtoner Bürger auf, der Polizei zu sagen, sie möge den abgebildeten Mann in Ruhe lassen. Auch dem Weißen Haus statteten wir einen Besuch ab und hinterließen einen Stapel Antisteckbriefe zum Verteilen. • Himmelsbotschaften Wir mieteten ein Flugzeug, das mit einem großen Transparent Polizeireviere überflog, in denen Brian angehalten worden war. Auf dem Transparent stand: »NICHT GESUCHT: BRIAN ANTHONY HARRIS.« • Weitere Maßnahmen Wir ließen T-Shirts drucken – eines für Brian mit der Aufschrift: »Ich war es nicht«, und mehrere andere für seine Freunde mit der Aufschrift: »Er hat es nicht getan.« Außerdem wurden Aufkleber mit dem Spruch »Ich bremse 101 für Brian Anthony Harris, aber ich halte ihn nicht an« auf die Stoßstangen von Polizeiautos geklebt. Brian Anthony Harris und sein Freund Tyler Shives. Als die Kampagne zum Schutz von Brian Anthony Harris in der ganzen Stadt auf Hochtouren lief, war es an der Zeit, unseren Fall direkt den Herrschenden vorzutragen. Brian und Michael betraten eine Polizeiwache, hängten eines der Nicht-Gesucht-Plakate auf und sagten, sie wollten den Chef sprechen. Man wies ihnen die Tür. Während dies geschah, verpaßten andere Polizisten dem Lastwagen mit unserem Plakat einen Strafzettel wegen Falschparkens. Aber wir von TV Nation gaben nicht so leicht auf, also gingen wir in ein anderes Revier. Der Sergeant dort war viel freundlicher und sagte, er wolle mit Brian über sein Problem sprechen, aber nicht vor der Kamera. Wir waren einverstanden, und er zog sich mit Brian in ein Hinterzimmer zurück. 102 Eine Stunde später kam Brian wieder heraus. Er sagte, die Polizisten hätten versprochen, ihn nicht mehr zu belästigen. Sie hätten ihm eine spezielle Telefonnummer gegeben, die er anrufen solle, wenn er angehalten werde. »Angeblich brauche ich sie den Beamten nur zu zeigen, und sie lassen mich in Ruhe«, berichtete Brian. Er wirkte ganz glücklich und war sehr dankbar für unsere Hilfe. Wir meldeten uns kürzlich wieder bei ihm und fragten, wie es ihm jetzt gehe. Er sagte, seit unserer Sendung sei er nicht mehr angehalten worden. Häufig werde er sogar von Streifenpolizisten erkannt, die es sehr spannend fänden, ihn kennenzulernen. Okay, wir sind froh, daß wir wenigstens einem Afroamerikaner helfen konnten. Aber was ist mit den Millionen anderen, die von der Polizei belästigt werden? Am Ende der Sendung, in der wir den Teil über Brian Anthony Harris zeigten, bot Mike unseren männlichen, afroamerikanischen Zuschauern seine Hilfe an. Wer ohne jeden Grund von der Polizei angehalten wurde, konnte uns unter einer 900er-Nummer anrufen und seinen Namen auf ein großes Plakat setzen lassen, das wir vor dem FBIGebäude in Washington D.C. parken wollten. Auf dem Plakat sollten die Gesetzeshüter in den USA aufgefordert werden, DIESE MÄNNER IN RUHE ZU LASSEN. Unsere Telefone klingelten wie verrückt. 103 9 Taxi Habt ihr nicht auch manchmal Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als der Rassismus noch offen und unverblümt war? An jeder Toilette hing ein deutlich lesbares Schild, auf dem »Nur für Weiße« oder »Farbige« stand, und dasselbe galt auch für Trinkbrunnen, Wartezimmer, Sitze in Bussen und Zügen und insbesondere für die Schulen. Das gab uns allen irgendwie ein sicheres Gefühl, man wußte, wer dazugehörte und wer nicht. Schlichte Schilder. Schlichte Gemüter. Und dann, in den fünfziger und sechziger Jahren, steckten ein paar Gutmenschen ihre Nase in die ganze Sache rein und brachte alles durcheinander. Plötzlich sollten die Rassen nicht mehr getrennt sein. Plötzlich durfte niemand mehr wegen seiner Hautfarbe diskriminiert werden. Und außerdem mußten alle Schilder entfernt werden. Na ja, das mit den Schildern haben sie geschafft. Sie sind weg. Heute könnt ihr in jedes Stadtviertel ziehen. Ihr könnt eure Kinder in eine Schule eurer Wahl mit gemischtrassischer Schülerschaft schicken. Wenn ihr mit einem Flugzeug fliegt, gibt es keine »Negerabteilung« mehr im Heck der DC-10. Aber natürlich ist das nicht die ganze Geschichte. Wann bist du das letzte Mal geflogen und das Flugzeug war voller Afroamerikaner? Wenn du ein Weißer bist, wie viele Schwarze leben in deinem Stadtviertel? Wie stark ist die Rassenintegration an der Schule deines Kindes? Eigentlich herrscht immer noch dasselbe alte System mit zwei Amerikas, einem schwarzen und einem weißen. 104 Als wir in Washington D.C. lebten, hatten wir recht häufig ein unangenehmes Erlebnis, wenn wir unseren Schneideraum in der Pennsylvania Avenue (nur vier Blocks vom Weißen Haus entfernt) verließen: Manchmal stand eine schwarze Person an der Straße und versuchte ein Taxi anzuhalten, und wenn wir uns hinter sie stellten und ebenfalls einem Taxi winkten, fuhr der Taxifahrer IMMER an der schwarzen Person vorbei und wollte uns mitnehmen. Wir bestanden darauf, daß der Fahrer den Menschen mitnahm, den er ignoriert hatte, und winkten ihm, damit er herkam und in das Taxi stieg. Aber wenn wir nicht schnell genug die Tür öffneten und aufhielten, raste das Taxi sehr oft davon. Auch als wir nach der Fertigstellung von Roger & Me nach New York zogen, erlebten wir häufig solche Szenen. Doch dann bekamen wir grünes Licht für TV Nation und hatten endlich die Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. In einem der ersten Teile, den wir für den Pilotfilm von TV Nation drehten, stellten wir einen Afroamerikaner an eine Straßenecke in Manhattan und 20 Meter weiter einen Weißen. Um die Sache noch ein wenig spannender zu machen, engagierten wir für die eine Rolle Yaphet Kotto, einen schwarzen Schauspieler, der für einen Emmy nominiert worden ist, und als Vertreter unserer Rasse Louie Bruno, einen vorbestraften Verbrecher, der schon in vier verschiedenen Gefängnissen gesessen hatte. Für wen würden die Taxis wohl anhalten, für einen ausgezeichneten schwarzen Schauspieler oder für einen weißen Verbrecher? Na? 105 Yaphet Kotto, der Schwarze. Louie Bruno, der Weiße. 106 Wie man Rassisten auf frischer Tat ertappt Es gibt viele Möglichkeiten, Leute zu schnappen, die sich in deiner Heimatstadt der Rassendiskriminierung schuldig machen, auch wenn sie kein Schild aufhängen und keine besondere Vorliebe für weiße Leintücher haben wie die Typen vom Ku Klux Klan. Für jedes der folgenden Experimente braucht ihr nur zwei Personen, einen Schwarzen und einen Weißen, und ein bißchen Zeit: 1. IMMOBILENMAKLER: Sucht im Anzeigenteil der Zeitung ein Haus, das in einem rein weißen Stadtviertel zum Verkauf steht. Geht nacheinander hin. Nehmt einen kleines Aufnahmegerät mit und zeichnet auf, was der Makler oder die Maklerin sagt, um den schwarzen Kunden vom Kauf des Hauses abzuhalten und um den weißen Kunden zum Kauf zu bewegen. Am folgenden Tag ruft ihr das Wohnungsamt in eurer Stadt an und spielt den Beamten die Bänder vor. Geht zur Presse. Zwingt den Makler, sein Geschäft aufzugeben. 2. JOGGT DURCH EIN VON WEIßEN BEWOHNTES STADTVIERTEL: Arbeitet wieder getrennt und laßt euch von einem Freund mit einer Videokamera aufnehmen, der euch in 30 Metern Abstand mit einem Wagen folgt. Irgendwer ruft immer die Polizei, wenn er einen Schwarzen seine Straße entlangrennen sieht. Das kann doch nur einen Grund haben: »ER HAUT MIT IRGENDWAS AB!« (Seid vorsichtig, wenn ihr dieses Experiment durchführt. Im Gegensatz zu den Maklern, die nur mit ihrem dummen Gequatsche bewaffnet sind, tragen die Polizisten Pistolen, die sie gerne ziehen und auf schwarze »Verdächtige« richten.) 107 3. ÜBER DEN WOLKEN: Ein Schwarzer und ein Weißer buchen den gleichen Flug. Ihr setzt euch auf getrennte Plätze in der ersten Klasse. Zählt die Sekunden, bis der Flugbegleiter den Schwarzen nach seinem Ticket fragt, um es zu »verifizieren«. Wir stellten die beiden an die Ecke Amsterdam Avenue und Seventy-sixth Street in der Upper West Side von New York. Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei der wir von TV Nation mit versteckten Kameras arbeiteten: Ein Kameramann war im zweiten Stock eines Gebäudes auf der anderen Straßenseite plaziert, der andere in einem geparkten Lieferwagen. Ein Taxi nach dem anderen schoß an Yaphet vorbei und nahm Louie mit. Klarer Rassismus zur besten Sendezeit. Louie Bruno stieg in das Taxi und ließ sich nur fünf Blocks weit mitnehmen. Dort wartete unser Berichterstatter Rusty Cundieff mit einem weiteren Kameramann und stellte dem Taxifahrer ein paar Fragen: »Haben Sie den Schwarzen am Straßenrand gesehen, bevor Sie diesen Fahrgast mitnahmen?« »Äh, nö, hab ich nicht gesehen«, antwortete der Taxifahrer. Wir nahmen die Aussage des Taxifahrers ernst. Beim nächsten Versuch stellten wir eine riesige Jupiterlampe an den Randstein, die Mr. Kotto direkt beleuchtete. Trotzdem fuhr natürlich auch der nächste Taxifahrer an ihm vorbei und nahm Mr. Bruno mit. Rusty fragte den Taxifahrer, ob er denn Yaphet nicht gesehen habe. Er antwortete: »Klar doch, aber er sah irgendwie bedrohlich aus.« Wieder nahmen wir den Taxifahrer ernst und gaben Yaphet ein Baby auf den Arm und einen Strauß Rosen in 108 die Hand, damit er nicht mehr so »bedrohlich« aussah. Und prompt fuhr auch das nächste Taxi vorbei. Tatsächlich spielte es kaum eine Rolle, was wir taten. Einmal versuchte Yaphet in einem Smoking, in dem man die Oper oder ein Galadiner besucht, ein Taxi zu kriegen. Doch für die Taxifahrer machte das keinen Unterschied. Wir brachten sogar eines dieser großen, tragbaren, beleuchteten Schilder mit, versahen es mit der Inschrift »Ich brauche ein Taxi« und stellten es neben Yaphet. Die Taxis rasten trotzdem an ihm vorbei und nahmen den weißen Verbrecher mit. Rusty fragte die Taxifahrer, ob sie wüßten, wen sie mitgenommen hätten. Er zeigte ihnen eine Kopie von Louies Vorstrafenregister. Sie waren schockiert. Dann machte Rusty einen Sehtest mit den Fahrern, um herauszufinden, ob es vielleicht an ihrem Sehvermögen lag, daß sie einen 1,93 Meter großen, 110 Kilogramm schweren Mann nicht sahen. Aber sie hatten einfach nur spontan entschieden, daß Louie »ungefährlich« aussah, weil er weiß war. 109 Erhebt eure Stimme Wenn ihr irgendwo Rassendiskriminierung erlebt, tut was dagegen. Mit Beschwerden kann man den Rassismus nicht ausrotten, aber man kann die Taxiunternehmen auf das Problem aufmerksam machen. Demonstriert außerdem eure Solidarität, indem ihr bei jeder Gelegenheit euer Taxi für jemanden aufgebt, der »übersehen« wurde. NEW YORK CITY Taxi & Limousine Commission Montag – Freitag, 9.0017.00 Uhr Tel.: 212 302 8294 oder 110 NYC-TAXI Wählt die »l« auf dem Hauptmenu, dann erreicht ihr die Beschwerdeabteilung. WASHINGTON, D.C. D. C. Taxicab Commission Tel.: 202 645 6010 Die Kommission bekommt Beschwerden allerdings lieber schriftlich, und zwar an folgende Adresse: D. C. Taxicab Commission 2041 Martin Luther King Jr. Ave. SE, Room 201 Washington, D.C. 20020 BOSTON Boston Police Taxi Department 154 Berkely Street Boston, MA 02116 Tel.: 617 343 4475 CHICAGO Dept. of Consumer Services Tel.: 312 744 9400 SAN FRANCISCO San Francisco Police Dept. Taxicab Complaints Tel.: 415 553 1447 111 LOS ANGELES Wenn dich in Los Angeles ein Taxi stehen läßt, hast du vielleicht deine Medikamente falsch dosiert und bist in Wirklichkeit gar nicht in L. A. Schließlich fragte Rusty den letzten Taxifahrer, ob er sich regelmäßig der Rassendiskriminierung schuldig mache. Der Mann sagte: Nein, er diskriminiere überhaupt nicht. »Gut«, sagte Rusty, »das freut mich. Ich habe ein paar Freunde, die eine Fahrt in ein anderes Wohnviertel brauchen.« Dann winkte er die Rap-Gruppe Run-D.M.C. heran, und der Fahrer machte sich mit den Rappern widerstrebend auf den Weg in die Bronx. Zugunsten der New Yorker Taxifahrer muß gesagt werden, daß sie nicht alle vorbeifuhren: Einige, meistens Schwarze, nahmen auch Yaphet mit. Aber sie waren eindeutig in der Minderheit. Der Teil mit den Taxis wurde sofort ein Hit. Der Showmaster Jay Leno rief an und wollte mit Branford Marsalis, dem Leiter seiner Studioband, eine ähnliche Szene drehen. Zahlreiche Nachrichtensendungen wiederholten das Experiment (natürlich ohne die idiotische TV-Nation-Idee mit dem weißen Verbrecher). Obwohl wir alle ordentlich was zu lachen hatten, war die Sache eigentlich doch ziemlich ernüchternd, besonders als wir hörten, daß der (schwarze) Regieassistent, der bei »Taxi« mitgearbeitet hatte, nach den Dreharbeiten kein Taxi bekam und Jim Czarnecki, der weiße Produzent der Story, für ihn an die Straße treten und eines anhalten mußte. 112 10 Sklaven Illinois war der erste. Michigan und Rhode Island folgten am nächsten Tag. Texas wartete 5 Jahre, und Delaware weigerte sich über 35 Jahre mitzumachen. Kentucky schloß sich sogar erst nach 111 Jahren an. Schließlich jedoch tat sich Mississippi dadurch hervor, daß es die Sklaverei als letzter Staat der Union abschaffte, indem es das 13. Amendment der amerikanischen Verfassung ratifizierte. Mississippi brauchte 130 Jahre, bis es 1995 den folgenden einfachen Zusatzartikel unterschrieb: Abschnitt 1: Weder Sklaverei noch Zwangsdienstbarkeit darf, außer als Strafe für ein Verbrechen, dessen die betreffende Person in einem ordentlichen Verfahren für schuldig befunden worden ist, in den Vereinigten Staaten oder in irgendeinem Gebiet unter ihrer Gesetzeshoheit bestehen. Abschnitt 2: Der Kongreß hat das Recht, diesen Zusatzartikel durch entsprechende Gesetze zur Durchführung zu bringen. Was war an diesen zwei Sätzen so außergewöhnlich und mißfiel den Bürgern von Mississippi so außerordentlich, daß sie ihnen über ein Jahrhundert lang nicht zustimmten? Gab es vielleicht Leute, welche die vor langer Zeit freigelassenen Sklaven ihrer Familie immer noch als ihr Eigentum betrachteten? Hegte das Volk von Mississippi 113 vielleicht immer noch die Hoffnung, daß die gute alte Zeit wiederkehren würde? Oder nahm es die Abschaffung der Sklaverei einfach nur als ein weiteres Beispiel dafür, wie die Liberalen und die große, böse Bundesregierung das Selbstregierungsrecht der amerikanischen Bundesstaaten mißachteten? Egal aus welchem Grund, jedenfalls war das Rassenproblem, genau wie heute die Entfernung der Flagge der Konföderierten von den Dächern der Landesparlamente im Süden, ein heikles Thema, an das kaum jemand rühren wollte. Aber genau wie der Gummiknüppel eines Polizisten aus Simi Valley erhebt auch die Rassenfrage früher oder später wieder ihr häßliches Haupt. Im Jahr 1995, als haufenweise Kirchen von Schwarzen in Brand gesteckt wurden, brachte die Gruppe der schwarzen Abgeordneten im Senat von Mississippi ein Gesetz ein, das endlich die Sklaverei in Mississippi abschaffen sollte. Wir kamen ins Grübeln … Hey, bevor sie in Mississippi die Sklaverei abschafften, sollten wir von TV Nation vielleicht da runterfahren und uns schnell noch ein paar Sklaven besorgen. Die Fernsehgesellschaft ermahnte uns ständig, unsere Ausgaben zu kürzen, und gab es eine bessere Art, Kosten zu sparen, als sich Leute zu besorgen, die umsonst arbeiteten? (Solche Leute werden in der Unterhaltungsindustrie normalerweise Praktikanten genannt und im Weißen Haus … aber das lassen wir jetzt.) Der einzige Unterschied zu unseren Sklaven war der, daß sie alle weiß wären und unserem Berichterstatter Rusty Cundieff gehören würden (der, wie es das Schicksal will, schwarz ist). Rusty fuhr nach Jackson in Mississippi, um dort von der amerikanischen Tradition des Sklavenbesitzes zu 114 profitieren. Nach seiner Ankunft gab er folgende Anzeige in einer Jacksoner Tageszeitung auf: Fünfzig potentielle Sklaven bewarben sich. Wir informierten sie, daß sie persönlich kein Geld erhalten, aber ihre Familien entschädigt würden, damit wir sie eine Woche lang als Sklaven halten könnten. Wir wählten sechs Bewerber aus und legten sie in Ketten. Dann gab Rusty jedem einen neuen Sklavennamen: Billy Bob Cundieff, Newt Bob Cundieff, Bob Bob Cundieff, Jesse Helms Bob Cundieff, Billy Bob Dole Cundieff und Rush Bob Cundieff. Nun taten die sechs Sklaven alles, was Rusty ihnen befahl. Sie putzten seine Schuhe. Sie brachten ihm Mint Juleps zum Trinken. Sie holten ihm die Golfbälle. Rusty karrte sie im Kofferraum seines Wagens herum und führte sie mit Kette und Halsfesseln durch die Innenstadt von Jackson. Dabei folgten ihnen unzählige, neugierige Blicke. Rusty geht mit seinen Sklaven Gassi. 115 Er ging mit seinen Sklaven in eine Country-andWestern-Bar und ließ sie mit knallender Peitsche für sich tanzen. Einige Stammgäste der Bar nahmen Anstoß an seinem Verhalten, und die weißen Sklaven hatten Angst, daß sie von Bekannten gesehen und verdroschen werden könnten, weil sie sich so von einem Schwarzen behandeln ließen. Die Spannung stieg, als Rusty mit seinen Sklaven im Einkaufszentrum von Jackson erschien. Er bat einen Verkäufer, die Kette mit den Sklaven zu halten, während er eine Hose anprobierte. Der Verkäufer gehorchte. Landessenator Hillman Frazier und Rusty genießen einen Mint Julep und ihre Sklaven. Verschiedene Bürger von Mississippi sagten, »die Sklaverei sei zu ihrer Zeit wohl eine gute Sache gewesen«, aber jetzt hielten sie sie nicht mehr für notwendig. Die meisten waren überrascht, daß ihr Staat als letzter die Sklaverei abgeschafft hatte, und keiner fand es gut, daß ausgerechnet Mississippi diesen Rekord hielt. 116 Verschiedene Bürger von Mississippi sagten, »die Sklaverei sei zu ihrer Zeit wohl eine gute Sache gewesen«, aber jetzt hielten sie sie nicht mehr für notwendig. Die meisten waren überrascht, daß ihr Staat als letzter die Sklaverei abgeschafft hatte, und keiner fand es gut, daß ausgerechnet Mississippi diesen Rekord hielt. Rusty besuchte mit seinen Sklaven den Landessenator Hillman Frazer, der der Gruppe der schwarzen Senatoren angehörte, und fragte ihn, ob es in seinem Haus Arbeit zu erledigen gäbe. Natürlich, sagte der Senator, und während die beiden im Schatten saßen und Limonade tranken, mähten die sechs Sklaven den Rasen, schnitten die Hecken und brachten den Müll raus. Senator Frazier schien das richtig zu gefallen. Schließlich verabschiedete die Volksvertretung von Mississippi das Gesetz. Damit war Mississippi der letzte Staat, der das 13. Amendment ratifiziert hatte. Es war ein erhebender Augenblick, als Rusty seinen Cundieffs die Freiheit schenkte. Sie schüttelten ihm alle die Hand und gingen zu den Klängen von »Born Free« ihres glücklichen Weges, die Straße vor dem Landesparlament von Mississippi hinunter. 117 Rusty winkt einem glücklichen weißen Jungen zum Abschied. Newt Bob Cundieff machte sogar einen Salto zum Abschied. »Da geht ein glücklicher weißer Junge«, sagte Rusty nach dem tränenreichen Abschied, während hinter ihm immer noch die Flagge der Konföderierten auf dem Capitol von Mississippi wehte. 118 11 Ein Tag mit Dr. Tod Eines Abends, wir sahen gerade die Evening News auf CBS, überraschte uns der Moderator Dan Rather mit einem Bericht aus Pontiac in Michigan. Der Reporter in Pontiac begann seinen Bericht mit den Worten: »Dan, wir wollen dem Land nicht den Eindruck vermitteln, daß sich in Michigan alle umbringen …« Wir wußten, daß die Lage in Michigan ganz schön übel war, aber so schlimm doch auch wieder nicht. Wovon sprach der Reporter? Er sprach, wie sich herausstellte, von Dr. Jack Kevorkian aus Michigan. Kevorkian war durch seine Anstrengungen, Sterbenden beim Selbstmord zu helfen, bekannt geworden, was ihm den Spitznamen Dr. Tod eingetragen hatte. Er hatte eine Vorrichtung erfunden, mit deren Hilfe seine Patienten einen friedlichen und schmerzlosen Tod sterben konnten. Die Prozedur fand in der Regel in der Wohnung des Patienten, in Kevorkians Lieferwagen oder in einem Hotelzimmer statt. Wenn der Patient tot war, riefen Kevorkian oder sein Anwalt Geoffrey Fieger die zuständigen Behörden an, damit sie den Leichnam abholten. Dieser Anruf wiederum zog häufig Kevorkians Verhaftung nach sich. Selbst nach vier Strafprozessen war Kevorkian immer noch fest entschlossen, weiterhin die Gesetze gegen Sterbehilfe für Lebensmüde zu mißachten, weil er sie für verfassungswidrig hielt. Immer wenn er vor Gericht kam, wurde er entweder freigesprochen oder die Klage wurde abgewiesen. Also geht der gute Doktor weiter seiner persönlichen Berufung nach, das Leben von Menschen zu beenden, die unglaubliche 119 Schmerzen und Leiden erdulden müssen. Dr. Tod und Michael machen zusammen wunderschöne Musik. Er selbst schätzt, daß er bis heute bei beinahe 100 Selbsttötungen geholfen hat. Das ist eine Menge ziemlich grausame Arbeit, und wir dachten, sie müsse ziemlich deprimierend sein. Wir bei TV Nation überlegten uns, was Dr. Tod wohl in seiner Freizeit machte. Dr. Kevorkian gibt Mike den Stoß, den er braucht. 120 Paco de Onis, der Produzent des Beitrags über Kevorkian, nahm mit dessen Anwalt Fieger Kontakt auf und schlug vor, daß Michael einen freien Tag mit Dr. Kevorkian verbringen sollte. Keine Sterbehilfe, nur ein freier Tag. Fieger war ein Fan von Roger Er Me, und die Idee gefiel ihm ziemlich gut. Er wußte nicht, ob der Doktor an unserem Vorschlag interessiert sein würde, da er ein sehr ernsthafter Mann war. Doch Fieger war, buchstäblich und figurativ, die rockige Hälfte des dynamischen Todesduos (sein Bruder war der Sänger der Gruppe The Knack), und er reagierte auf unser Angebot mit entschiedenem Wohlwollen. Ein paar Wochen später rief er an und bestätigte, daß Dr. Kevorkian zugestimmt hatte, einen Tag mit Mike zu verbringen. Es sollte einer der surrealsten Drehtage von TV Nation werden. Kevorkian lebt in einem schlichten Mietshaus in einem Vorort von Detroit. Er ist ein schmächtiger, bescheidener Mann und sieht aus, als wäre er am glücklichsten, wenn er Kreuzworträtsel löst und dabei Benny Goodman hört. Eine seiner ersten Taten bestand darin, daß er Mike aufforderte, Platz zu nehmen und ein bißchen mit ihm zu musizieren. Im Handumdrehen saß Mike am Keybord, und Dr. Jack hatte seine Querflöte in der Hand. Die beiden machten wunderschöne Musik miteinander: Bach, Mozart, Chopin – man konnte sich vorstellen, daß sie eine Tournee machten und in den größten Konzerthallen der Welt spielten. Danach bot Kevorkian an, ein Porträt von Mike zu malen. Der Doktor ist ein talentierter Künstler. Seine Gemälde sind ausdrucksstarke, häufig groteske Wiedergaben seiner Sicht der Welt: abgetrennte Köpfe von Generälen und Kriegstreibern, verrückte Bilder von 121 der Hölle und Nazideutschland, Tiere, die sich auf die Apokalypse vorbereiten. Stellt euch Salvador Dali auf einem LSD-Horrortrip vor und ihr habt ein ziemlich klares Bild von Kevorkians Kunst. Kevorkians Porträt zeigte Mike mit einem Apfel im Mund (und läßt an Eva im Garten Eden denken). Als nächstes schlug Mike ein gemeinsames Picknick im Park vor. »Heute wollen wir das Wort ›Tod‹ nicht einmal in den Mund nehmen«, sagte Mike. »Wir wollen das Leben mit Ihnen feiern. In unserer Show werden Sie nicht ›Dr. Tod‹, sondern ›Dr. Leben‹ heißen.« Im Park breiteten die beiden eine Decke aus, und Mike bereitete ein fürstliches Mahl aus Mortadella-Sandwiches, Tortilla-Chips, Käsestangen und verschiedenen anderen kalten Speisen. Kevorkian ermahnte Mike, weil er Junk Food aß. »Das Zeug wird Sie umbringen«, sagte er. Die gemeinsamen Aktivitäten von Mike und Jack reichten aus, um selbst den härtesten Sterbehilfearzt für Lebensmüde aufzumuntern. Sie spielten Frisbee. Sie ließen einen Drachen steigen. Sie schoben einander beim Schaukeln an. (Mike war stets auf der Hut, damit Jack ihm in seiner Begeisterung nicht den Gnadenstoß versetzte.) Mike hatte ein altes Kabrio gemietet, und die beiden machten eine sonntägliche Spritztour in die Innenstadt von Detroit. Ihr erster Halt war das Henry Ford Hospital, wo Kevorkian als junger Mann Assistenzarzt gewesen war. In Übereinstimmung mit dem Vorsatz, das Leben zu feiern, ging Mike mit Dr. Kevorkian hinein, um die Neugeborenen zu begrüßen, die gerade auf dieser Welt angekommen waren. Ein Wachmann erspähte Dr. Tod und hielt die Besucher im Eingangsbereich auf. Ein Mann von der Verwaltung des Krankenhauses kam eine Treppe herunter und befahl 122 Dr. Kevorkian zu gehen. Der Doktor war gekränkt. Der Vorfall war ihm peinlich, und Mike tat es leid, daß er ihn in diese Situation gebracht hatte. Wir hatten eine solche Reaktion in dem Krankenhaus nicht erwartet, und es war gewiß nicht in Ordnung, jemanden so zu behandeln, der keinen Cent dafür berechnet, Menschen zu helfen, die ihrem Leiden ein Ende bereiten wollen. (Ganz im Gegensatz zu den meisten Krankenhäusern und Health Maintenance Organisations, die eine Riesenmenge Leiden verursachen und auch noch die Frechheit haben, Geld dafür zu verlangen!) Mike wollte Jack aufmuntern, also machte er einen anderen Vorschlag. Nur ein paar Blocks von dem Krankenhaus entfernt befand sich die internationale Konzernzentrale von General Motors. »Los, Jack«, sagte Mike, »schauen wir mal, was dort läuft.« Mike war seit den Dreharbeiten für Roger & Me nicht mehr in dem Gebäude gewesen. Es war ein riskanter Besuch, aber hey, sie waren wieder dabei, das Leben zu feiern! Der Wachmann traute seinen Augen nicht, als sowohl Dr. Kevorkian als auch Michael Moore zur Tür hereinkamen. Der Ausdruck in seinem Gesicht (und die Hand auf seiner Pistole) sagte alles: »WELCHEN ERLEDIGE ICH ZUERST?« Als sie in der großen, reich verzierten Eingangshalle standen, fragte Michael den guten Doktor, ob er vielleicht … hmm … irgendwelche Lösungen für das Unternehmen hätte. Kevorkian verstand zunächst nicht, was Mike meinte, aber dann dämmerte es ihm, und er lächelte. »Oh ja, vielleicht schon«, sagte er. Wir machten uns auf den Rückweg zu Kevorkians Haus, um uns weiter zu vergnügen, aber inzwischen war es kühl 123 geworden, und wir fuhren immer noch mit offenem Dach. Vielleicht dachte Dr. Kevorkian, wir wollten ihn vor der Zeit ins Grab bringen. Jedenfalls verschlechterte sich seine Laune rapide, und er klagte, daß er sich eine Erkältung holen werde. Als wir bei seinem Haus ankamen, sagte er, für ihn sei der Lebensfeiertag zu Ende, und er wolle nicht mehr an unserem Abenteuer teilnehmen. Sein Anwalt versuchte zu vermitteln, damit wir weiterdrehen konnten, aber wir wollten den Doktor nicht drängen. Es war ohnehin ein langer Tag gewesen. Beim Abschied hofften wir, daß Dr. Kevorkian künftig als ein Mensch verstanden würde, der ein wichtiges Anliegen hatte, und nicht mehr jedem hergelaufenen Komiker als Zielscheibe dienen würde. Man kann mit ihm übereinstimmen oder nicht, aber es gibt triftige Gründe für sein Handeln. Wir machen einen verdammt schlechten Job bei der Pflege unserer Todkranken. Anstatt daran zu arbeiten, ihre letzten Tage so angenehm und schmerzlos wie möglich zu gestalten, haben wir Methoden erfunden, um ihr Leben noch stark zu verlängern, während sie für astronomische Summen entsetzliche Schmerzen erleiden. Wie human. 124 12 Seid ihr auf einen Gefängnisaufenthalt vorbereitet? Da heute über 1,5 Millionen Amerikaner hinter Gittern sitzen (das ist jeder achtzigste erwachsene Mann), kamen wir zu dem Schluß, daß wir unsere Zuschauer auf den Tag vorbereiten sollten, an dem sie vielleicht selbst bei ihren Freunden und Nachbarn im Knast landen. Wir nahmen Kontakt mit dem Gefängnisberater Frank Sweeney auf, der rechtskräftig verurteilten Menschen hilft, sich auf die große Reise hinter schwedische Gardinen vorzubereiten. Frank Sweeney ist kein gewöhnlicher Experte. Er ist ein mehrfach vorbestrafter, entlassener Strafgefangener und saß für verschiedene Verbrechen (von der Benutzung von Posteinrichtungen in betrügerischer Absicht bis zum tätlichen Angriff auf einen Polizeibeamten) insgesamt 22 Jahre hinter Gittern. Heute berät er frisch verurteilte Straftäter. So, und jetzt sucht euch einen Stift und macht euren »Gefängnisvorbereitungstest«. Aber denkt dran: Schummeln verboten! Hier die erste Frage: FRAGE: Im Gefängnis sollte ich mich am meisten bemühen um ein gutes Verhältnis zu: A. den Wärtern B. den anderen Häftlingen C. meinem Pflichtverteidiger 125 Exhäftling Frank Sweeney. ANTWORT: B – Laut Frank »muß man sich nicht nur gegenüber dem Personal, sondern auch gegenüber den anderen Gefangenen respektvoll verhalten. Letzteres ist sogar noch wichtiger. Die Wärter würden einen nicht töten, die Mitgefangenen schon.« FRAGE: Man sollte seine Freunde im Gefängnis A. selbst aussuchen B. sich von ihnen aussuchen lassen ANTWORT: A – Laut Frank ist es »am besten, wenn du dir deine Freunde selbst aussuchst. Wenn dich andere Leute zum Freund haben wollen, hat das oft den Grund, daß sie dich für irgendwas benutzen wollen. Ich würde meine Freunde lieber selbst aussuchen, als mich von ihnen aussuchen zu lassen.« FRAGE: Ich habe im Gefängnis viele Freunde gefunden. 126 Es ist eine gute Idee, ihnen die Adresse meiner Wohnung zu geben. Richtig oder falsch? ANTWORT: Falsch – »Den Freunden, die du im Gefängnis gefunden hast, deine Adresse zu geben ist eine sehr schlechte Idee. Ich würde keinem Mitgefangenen total vertrauen. Du kriegst vielleicht später Probleme mit dem Mann, dem du deine Adresse gegeben hast, und noch später rächt er sich vielleicht an deiner Familie.« FRAGE: Ich bin ein bißchen wählerisch beim Essen. Irgendwelche Tips für mich? ANTWORT: »Seit 1973 gibt es in jedem Bundesgefängnis koschere Kost. Ich hatte mal einen jüdischen Freund im Knast. Er ließ mich sein Essen probieren, und es war köstlich. Also beantragte ich, als ich das erste Mal ins Gefängnis kam, ein Gespräch mit dem Rabbi und überzeugte ihn, daß ich Jude bin.« FRAGE: Für welches Verbrechen werde ich am ehesten mit einem selbstgemachten Messer erstochen? A. Hochverrat B. Benutzung von betrügerischer Absicht C. Sex mit Tieren Posteinrichtungen in ANTWORT: C – »Ich habe während meiner ganzen Karriere als Strafgefangener niemals gehört, daß jemand wegen Sex mit Tieren im Gefängnis saß. Vielleicht hat es 127 einfach niemand zugegeben, aber ich habe jedenfalls nicht davon gehört.« FRAGE: Ich bin ein Mensch, der sich nur ungern von seinen Mithäftlingen vergewaltigen läßt. ANTWORT: »Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür – obwohl sie bei älteren Männern nicht groß ist. Im allgemeinen kommen homosexuelle Vergewaltigungen vorwiegend in Besserungsanstalten vor und weniger in Strafanstalten für Erwachsene. Das liegt schlicht und einfach an mangelnder Attraktivität. Wenn man achtunddreißig und älter ist, hat man den jungenhaften Charme längst verloren.« FRAGE: Sexuelle Beziehungen im Gefängnis gleichen am ehesten A. einem heißen neuen französischen Film B. dem Auftrieb der Stiere in Pamplona C. Ali gegen Frazier im Thriller von Manila D. in gegenseitigem Einverständnis eingegangenen Liebesbeziehungen ANTWORT: D – »Im allgemeinen werden homosexuelle Beziehungen in gegenseitigem Einverständnis eingegangen. In den Anstalten für Erwachsene wird fast nie darum gekämpft, wer zu wem gehört – oder wer wen dominiert –, das wird in gegenseitigem Einverständnis geregelt. Ich bin kein Hetero … Hetero … Homosexueller, also hatte ich nie sowas, ich war an solchen Handlungen nicht beteiligt.« 128 FRAGE: Der Begriff, der die Gesundheitsversorgung im Gefängnis am besten beschreibt, lautet: A. umfassende Krankenversorgung kanadischen Stils B. Health Maintenance Organisation C. nicht besonders gut ANTWORT: C – »Es gibt keinen Gesundheitsversorgungsplan. Die medizinische Behandlung in der Einrichtung, wo ich war, war nicht besonders gut. Du hast einen Herzanfall? Nimm ein Aspirin. Wir sehen uns dann morgen.« Na, wie habt ihr abgeschnitten? Wenn ihr über 70 Prozent richtige Antworten habt, kommt ihr im Gefängnis wahrscheinlich gut zurecht. Wir sehen uns dann unter der Dusche!« 129 13 Ich will ein Argentinier sein Damals, 1982, sieben Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs und lange bevor die Vereinigten Staaten auch nur daran denken konnten, wieder in einem anderen Land einzumarschieren, verspürten die Briten das dringende Bedürfnis, jemand in den Arsch zu treten. Es war schon eine ganze Weile her, daß sie jemandem eine ordentliche Tracht Prügel verpaßt hatten. Wir in den USA versuchten uns krampfhaft an die Zeit zu erinnern, als sie noch niemand gebraucht hatten, der ihnen aus dem Schlamassel half. Sehen wir der Tatsache ins Auge: Es war lange her. Aber 1982 wurde Großbritannien von Margaret Thatcher mit eiserner Hand regiert. Sie war dank einer massiven Gegenreaktion gegen die uneffektive Labor Party des Vereinigten Königreichs an die Macht gekommen und hatte eine enge Freundschaft mit Ronald Reagan geschlossen, die auf einer gemeinsamen politischen Philosophie beruhte: Besiege den Kommunismus und mache die Welt sicher für die Konzerne. Zur selben Zeit wurde auf der anderen Seite des Erdballs in Argentinien die regierende Militärjunta bei der Bevölkerung immer unbeliebter. Zu viele »verschwundene« Staatsbürger machen die Leute einfach ein bißchen nervös und gereizt. Und was tun die Führer eines Landes, wenn es danach aussieht, als könnten sie bald die Macht verlieren? Sie fangen einen Krieg an! Für die argentinischen Generäle hätte es dafür keinen besseren Ort geben können als die kleine, unbedeutende Gruppe der Falkland-Inseln, 460 Kilometer südöstlich der 130 argentinischen Atlantikküste. Die Argentinier nannten die Inselgruppe Malwinen. Diesen Namen hatten ihr die Spanier Jahrhunderte zuvor gegeben, bevor ihnen ihr »Besitz« von den Briten gestohlen wurde. Die Generäle dachten wahrscheinlich, daß es den Briten nichts ausmachen würde, wenn sie sich die Inselgruppe zurückholten. Eines Tages schickten sie einen Haufen Schiffe zu den Inseln, besetzten sie und informierten die Bewohner, daß sie nun Argentinier seien. Margaret Thatcher wurde fuchsteufelswild. Obwohl sie (und die meisten anderen Briten auch) wahrscheinlich Hilfe gebraucht hätte, um die Falkland-Inseln auf der Karte zu finden, obwohl weder sie noch sonst ein Premierminister die Inseln je besucht hatte und obwohl es ganz so aussah, als ob die wichtigste strategische Bedeutung der Inseln in der Schafzucht lag, erklärte Thatcher, die Krone und das Britische Empire seien angegriffen worden, und kündigte für diesen Angriff auf die Untertanen der Königin Vergeltung an. Sie schickte eine Armada von Kriegsschiffen und Kampfflugzeugen in den Südatlantik. Da es ein paar Tage dauern würde, bis sie dort ankamen, rechnete das britische Militär damit, daß die Argentinier diese Zeit nutzen würden, um sich mit heiler Haut zurückzuziehen. Aber die Argentinier waren leider nicht schnell genug. Nach ein paar Tagen waren die Briten da und zeigten wie immer, wenn sie zu den Waffen griffen, keine Gnade. Es dauerte nur zehn Wochen und kostete etwa 1000 überwiegend argentinische Soldaten das Leben, dann gehörten die Falkland-Inseln wieder zum Vereinigten Königreich. Die Bewohner der Inseln jubelten, Thatchers Popularität in Großbritannien stieg auf ungeahnte Höhen, und Reagan wurde ganz rot vor Glück angesichts der erfolgreichen Militäraktion seiner Freundin. Ja, er entschloß 131 sich sogar schon wenige Monate später, dem Beispiel der Königin seines Herzens zu folgen, und marschierte auf der kleinen, unbedeutenden Insel Grenada ein. Die Bevölkerung von Argentinien hatte endlich genug davon, sich von ihrem eigenen Militär mißhandeln zu lassen, und erhob sich gegen die Generäle. Bald darauf siegte die Demokratie, und Argentinien war ein neues Land. Jahre vergingen, aber daß eine Inselgruppe vor der argentinischen Küste von einem 16000 Kilometer entfernten Inselstaat beherrscht wurde, stieß vielen Argentiniern immer noch übel auf. Deshalb entwickelte die argentinische Regierung 1995 einen Plan, wie sie die Falkland-Inseln gewaltfrei unter ihre Herrschaft bringen könnte. Sie machte den Inselbewohnern ein Angebot, von dem sie glaubte, daß sie es nicht ablehnen könnten. Wenn die Bewohner der Falklands dafür stimmten, Argentinier zu werden, sollte jeder einzelne Inselbewohner ein Geschenk von 100000 Dollar oder bis zu 800000 Dollar pro Familie erhalten, bar auf die Hand und ohne weitere Bedingungen. Es gehört sehr viel Mut dazu, so viel Geld nicht anzunehmen. Es sei denn, man ist ein Falkländer. Die Abstimmung fand nie statt. Die Falkländer waren nicht einmal interessiert an dem Angebot. Ihre Haltung war: Behaltet euer Geld und weint uns nicht nach … Stellt euch vor, die Argentinier hätten allen Einwohnern von Newark in New Jersey dasselbe Angebot gemacht. Wow! Wo muß ich unterschreiben? Und was wäre geschehen, wenn sie einer der wirtschaftlich verheerten Regionen in Thatchers Großbritannien diesen Vorschlag gemacht hätten? Hätten die Bewohner dieser Region das Geld aus Buenos Aires auch so schnell abgelehnt? Natürlich war es für die Falkländer leicht, das Angebot abzulehnen, hatten die 2000 Bewohner der Inseln doch 132 seit 1982 fast 100 Millionen Dollar Hilfe aus Großbritannien bekommen. Wie aber verhält es sich, wenn man in einer Stadt lebt, der es wirtschaftlich so schlecht geht, daß 100000 Dollar nach einem ziemlich guten Angebot aussehen, auch wenn man dafür seine Staatsbürgerschaft aufgeben muß? Wir beschlossen, diese Frage durch ein Experiment zu klären. Unsere Berichterstatterin Karen Duffy reiste nach Maerdy in Wales um herauszufinden, ob es den Leuten dort etwas ausmachen würde, Argentinier zu werden. Maerdy, eine ehemalige Bergarbeiterstadt, war in einem schlechten Zustand. In den fünf Jahren zuvor waren über 400 Arbeitsplätze verlorengegangen, der Anteil der Arbeitslosen hatte sich mehr als verdoppelt, und das soziale Netz, für das die Briten immer so berühmt waren, wurde radikal zusammengeschnitten. Nur einer einzigen Sache verdankte die Stadt einen gewissen Bekanntheitsgrad und ein paar zusätzliche Pfund an Einnahmen aus dem Tourismus: Sie war der Geburtsort des Sängers Tom Jones. Karen spazierte durch die Straßen von Maerdy und sprach mit den Leuten. Im Metzgerladen, im Pub, am Blumenverkaufsstand, überall stellte sie die Frage: »Wenn ich die argentinische Regierung dazu bringen könnte, Ihnen 100000 Dollar zu zahlen, würden Sie dann Argentinier werden?« Wie erwartet reagierten die Leute begeistert auf Karens Frage. Es war verblüffend, wie viele Leute bereit waren, der Krone den Gehorsam aufzukündigen, wenn sie dafür ein paar Extra-Pfund zum Überleben bekämen. Wir fragten uns, wie groß ihre Loyalität gewesen wäre, wenn die 1,4 Milliarden Dollar, die der Falklandkrieg verschlungen hat, in die Rettung von Städten wie Maerdy 133 investiert worden wären. Karen Duffy gibt den Einwohnern von Maerdy Spanischunterricht. Um wirklich bei allen die Bereitschaft zu wecken, argentinische Staatsbürger zu werden, und um der argentinischen Regierung zu zeigen, wie ernst es den Leuten damit war, gaben wir Spanischunterricht, verteilten Gaucho-Hüte und Gaucho-Halstücher, gaben Tangostunden auf dem Rathausplatz und brachten die Leute dazu, dem Papst Briefe zu schreiben mit dem Ansinnen, er möge Evita Perón heilig sprechen. Wir feierten ein großes Fest im Freien, schmückten die Straßen mit argentinischen Flaggen und servierten argentinisches Rindfleisch. Das Ganze wurde von unserer Crew auf Videoband aufgenommen. Mit dem Band in der Hand fuhr Karen nach London zu einem zuvor vereinbarten Treffen mit dem argentinischen Botschafter. Als sie ihm jedoch erklärte, was sie von ihm 134 wollte, nämlich Geld für die Annahme der argentinischen Staatsbürgerschaft, war das Gespräch jäh zu Ende, und er warf sie hinaus. Das argentinische Konsulat protestierte offiziell bei den für die BBC zuständigen Entscheidungsträgern in der britischen Regierung (was eine empfindliche Schwäche staatlich kontrollierter Medien ans Licht brachte). Der Protest war Anlaß für einen der seltenen Fälle, bei dem TV Nation auch in den Chefetagen der BBC auf Widerstand stieß. Den verantwortlichen Produzenten der Show wurde mitgeteilt, daß die Sendung so nicht ausgestrahlt werden könne. Karen lädt alle zu unserem Fest im Freien ein. Wir wollten auf den Bericht über Maerdy jedoch nicht verzichten, also verhandelten wir. Die Produzenten teilten uns mit, daß wir ein Interview mit einem Argentinier auf US-amerikanischem Boden führen müßten. Also versuchte Karen in New York ein zweites Interview mit einem Vertreter der argentinischen Regierung zu führen. Auch er verhielt sich jedoch alles andere als entgegenkommend und forderte unsere Crew auf zu gehen. Wir hatten einen internationalen Zwischenfall verursacht. 135 Unverdrossen hinterließ Karen das Videoband, die Briefe der Einwohner von Maerdy und das Album Tom Jones’s Greatest Hits auf der Türschwelle der Botschaft. Am Ende strahlte die BBC »Falklands« als ersten Teil in der Sendung Best of TV Nation aus. 136 14 Werbemüll Freust du dich manchmal darauf, in deinen Briefkasten zu schauen, wenn du nach Hause kommst? Auf welche Post freust du dich? Auf persönliche Briefe von Freunden und lieben Bekannten? Auf dicke Schecks mit großen Zahlen vor dem Komma? Zum Teufel, nein! Heutzutage schreibt doch niemand mehr Briefe, und wann hast du das letzte Mal einen Scheck im Briefkasten gehabt? Heutzutage verschicken Computernutzer E-Mails und alle anderen telefonieren, wenn sie was zu sagen haben, und dann fragen sie meistens, ob dein Scheck auf dem Weg zu ihnen ist. Alles, was heutzutage in unseren Briefkästen landet, sind Rechnungen (die wir sowieso nicht gern kriegen) und Werbemüll. Den gibt es allerdings tonnenweise: angefangen mit dem riesigen Umschlag, der »SIE HABEN GERADE ELF MILLIONEN DOLLAR VON AMERICAN FAMILIY PUBLISHERS GEWONNEN« schreit, über den Packen Gutscheine für Liquid Gold, die du nie einlösen wirst, bis zu den Katalogen mit Models, die Kleider tragen, in die du nie reinpassen würdest. Der gute alte, verläßliche US-Briefkasten ist zum Mülleimer für den amerikanischen Kapitalismus geworden. Er ist die einzige legale Möglichkeit, wie ein Unternehmen ungestraft unerwünschten Müll auf deiner Türschwelle abladen kann. Die Tatsache, daß ihm eine quasi-staatliche Einrichtung dabei hilft, macht die Sache um so empörender. Irgendwie traurig, nicht? Schließlich ist der Briefkasten eines der wenigen Dinge, die wirklich jeder von uns hat (wenn er nicht zu den zwei Millionen 137 Obdachlosen gehört). Nicht einmal der heißbegehrte Fernsehapparat (der in 97 Prozent aller USamerikanischen Haushalte steht) ist in der Bevölkerung so weit verbreitet. Eines Tages wühlten wir uns durch den Müllcontainer, den man früher mal Briefkasten nannte, und fanden einen Brief von Sergeant Stacey C. Koon, Los Angeles Police Department. Es war so ein Postwurf-Bettelbrief, wie sie an Millionen Haushalte verschickt werden, damit man für irgendeine verdienstvolle Organisation eine großzügige Spende abdrückt. Dieser Brief jedoch stammte nicht von einer der einschlägigen Gruppen. Er stammte von dem Polizisten aus Los Angeles, der Rodney King auf den Kopf geschlagen hatte. Der Beamte bat um Spenden bis zu 1000 Dollar, damit er die Kosten der Anwälte bezahlen konnte, die für eine Aufhebung des gegen ihn verhängten Urteils stritten. Hier ein Auszug aus dem Schreiben: … vor einigen Jahren war auf unserem Revier ein schwarzer, männlicher Prostituierter in Gewahrsam. Er bekam einen Herzstillstand, aber keiner meiner Kollegen wollte ihm helfen. Sie hatten Angst, daß er AIDS haben könnte. Ich gab ihm eine Mund-zu-Mund-Beatmung, um ihm das Leben zu retten, weil ich meinte, daß dies meine Pflicht sei. Leider starb der Mann, und wie sich herausstellte, hatte er tatsächlich AIDS. Verhält sich so ein Rassist? Bitte, bitte helfen Sie mir um der Gerechtigkeit und um meiner Frau Mary und meiner fünf Kinder willen, das liberale Establishment zu bekämpfen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Ich habe sonst niemanden, an den ich mich wenden könnte. Bitte schicken Sie wenigstens einen kurzen Brief an Mary und sprechen ihr Mut zu in dieser schrecklichen Zeit. Vielen Dank und Gott segne Sie. 138 Wir waren baß erstaunt. Wie kam Sergeant Koon darauf, daß jemand einem Kerl wie ihm auch nur einen Cent schicken würde? Wir gingen der Sache auf den Grund und riefen bei der Firma an, bei der er die Postwurfsendung in Auftrag gegeben hatte. Dort erzählte man uns, daß er von den Empfängern des Briefes bereits Tausende von Dollar eingesackt hatte. Wow! Ja, wir Amerikaner sind ein großzügiges Volk, und je niedriger unsere soziale Schicht, desto mehr geben wir. Aber rücken wir wirklich für jeden ein paar Dollar raus, 139 der uns um eine milde Gabe bittet? Haben wir denn gar keine Maßstäbe, auf welche Bettelbriefe wir mit einem Scheck reagieren? Wir wollten genau das herausfinden und nahmen mit David Litwinsky von der New Yorker Firma ALL Direct Mail Kontakt auf. Wir baten ihn, eine Reihe von Spendenkampagnen per Postwurfsendung für uns zu konzipieren. Wir wollten das ganze Paket: das »persönliche« Anschreiben, in dem der dringende Grund für die dringende Bitte um Hilfe dargelegt wird, die mitversandten Fotos oder wertlosen Schmuckstücke, die potentiellen Spendern das Herz rühren sollen, und den Umschlag, der den Empfänger dazu verführen muß, den Brief zu öffnen, statt ihn in den Müll zu werfen. Und für wen sollten diese Postwurfsendungen um Hilfe bitten? Für: - Charles Keating, den verurteilten Angestellten der Savings and Loan Association. - Jeffrey Dahmer, den verurteilten Mörder und Kannibalen. - Die Königin von England (hinreichend bekannt). - Senator Bob Packwood, der zum Rücktritt gezwungen wurde, weil er Frauen aus seinem Stab sexuell belästigte. - Mohammed Salameh, der wegen der Bombe im World Trade Center verurteilt wurde. - Und für Roy Sekoff, einen Berichterstatter von TV Nation. Bei der Agentur hatten sie zu jeder unserer geldbedürftigen Personen ihre eigene Meinung. Keating war ihrer Ansicht nach der schwierigste Fall, weil bei dem 140 massenhaften Zusammenbruch der amerikanischen Bausparkassen so viele Leute ihre gesamten Ersparnisse verloren hatten. Bei der Agentur war man sich sicher, daß die meisten Leute für einen »Betrüger« keine Sympathien entwickeln würden. Doch wir formulierten einen Brief, der Keating als einen Mann porträtierte, der an den wichtigsten Grundsatz unseres Systems glaubte: Mach auf jede erdenkliche Art so viel Geld, wie du nur kannst. Wir hofften, daß er deshalb von manchen als Opfer gesehen werden würde. Wir schrieben folgenden Brief: Lieber amerikanischer Mitbürger, … Seit seiner Kindheit wollte der kleine Charlie Keating in seinem Leben schlicht und einfach nur das eine: sparen und Geld verleihen. Wenn er nicht vom Sparen sprach, sprach er vom Verleihen. Stellt euch die große Freude vor, als der zehnjährige Junge herausfand, daß er nicht allein war, sondern daß es noch andere gab wie ihn, sogar Tausende, und daß sie sogar einen stolzen Namen hatten: »Bausparkassenleiter.« … Wenn Sie auch solche Träume haben, Träume, denen Charles Keating hinterherzujagen wagte, weshalb er jetzt im Gefängnis sitzt, dann, lieber amerikanischer Mitbürger, sitzen Sie mit ihm im Gefängnis. Natürlich nicht in Wirklichkeit, aber es ist fast so, als säßen Sie drin. Aber wie dem auch sei, Sie wissen jedenfalls, daß Berufungsverfahren teuer sind. »Aber was ist mit den zwei Millionen Dollar aus seiner Bausparkasse?« werden Sie vielleicht fragen. Nun, mein Freund Charles Keating steht hier nicht vor Gericht, sondem Ihre Zukunft. Und wenn Sie Kinder haben, auch die Zukunft Ihrer Kinder, und wenn Sie Kinder haben und Ihre Kinder haben Kinder, dann auch die Zukunft der 141 Kinder Ihrer Kinder … Auch Dahmer war ein schwieriger Fall. Er hatte schließlich rund ein Dutzend junger Leute getötet und teilweise gegessen. Aber wenn sich der Brief darauf konzentrierte, daß er auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert hatte, würde die Öffentlichkeit, oder wenigstens ein Teil davon, sein Anliegen schon verstehen. Lieber amerikanischer Mitbürger, sagen wir’s ganz deutlich: Wenn Sie der Ansicht sind, daß der Staat das Recht hat, Ihren Speiseplan strikt auf Fisch, Geflügel, Rind- und Schweinefleisch, Getreide, Milchprodukte, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu beschränken, müssen Sie diesen Brief sofort in den Müll werfen. Wenn Sie jedoch der Ansicht sind, daß der Mensch das Recht hat, sich an allen Kreaturen kulinarisch zu erfreuen, die Gott geschaffen hat, also auch am zarten Fleisch seiner Mitmenschen, dann lesen Sie bitte weiter … Jeffrey Dahmer ist der politische Sündenbock radikaler Vegetarier und egoistischer Magersüchtiger, die genau wissen, daß er völlig unschuldig ist und sich nur des Verbrechens der gastronomischen Neugier schuldig gemacht hat … Was den Vorwurf des Kannibalismus betrifft, der gegen ihn erhoben wurde, also dazu kann ich nur sagen, auch Hannibal Lecter wurde als Kannibale bezeichnet … Die Königin von England: Hier gibt es viele Möglichkeiten. Ihr Schloß war abgebrannt, ihre Kinder waren alle übergeschnappt, und sie war bankrott. Die Monarchie war praktisch am Ende, aber den meisten wäre es lieber gewesen, wenn sich die königliche Familie mit 142 einer gewissen Würde verabschiedet hätte. Das bringt viele Sympathiepunkte. Herzallerliebster amerikanischer Cousin, … Wie allgemein bekannt, trennten sich 1992 zwei Söhne von Königin Elizabeth von ihren Frauen, und ihre Residenz in Windsor ging in Rammen auf. Ihre Majestät nannte das Jahr ihr »annus horribilis«. Doch sogar wir, die Freunde der Königin, hatten kaum eine Ahnung vom wahren Wesen der Schrecken, die ihren Annus befallen hatten … … wir zählen fest darauf, daß Sie Ihrer Feudalherrin zahlen, was ihr zusteht. Sprechen wir nicht von »Mildtätigkeit«, denn es wäre unschicklich für eine der reichsten Monarchinnen der Welt, wenn sie sich von der Milde eines hart arbeitenden, einfachen Menschen wie Ihnen abhängig machen würde. Wir verlangen nur, was fair und angemessen ist: den gerechten Lohn für eine demokratische Galionsfigur, deren Bildnis die Scheine von über zwölf wichtigen Währungen und die Flaggen von mehreren Ländern der Dritten Welt ziert und deren königliche Handlungen den gemeinen Mann in der ganzen Welt unterhalten und fesseln, wenn sie durch das Wunder der modernen Telegrafie an Presse, Rundfunk und Fernsehen übertragen werden … Der frühere Senator Bob Packwood, der zum Rücktritt gezwungen wurde, weil er Frauen in seinem Stab sexuell belästigte, könnte ebenfalls als Opfer dargestellt werden, das Reue und Zerknirschung bekundet. Jeder hört gern die Worte: »Es tut mir leid.« Wir sind nicht nur ein großzügiges Volk, wir verzeihen auch viel. Unser Brief für Packwood begann folgendermaßen: 143 Lieber amerikanischer Mitbürger, wenn Sie »liebkosen« für etwas Böses halten, werfen Sie diesen Brief weg. Aber wenn Sie glauben, daß es Gottes Wille ist, daß Männer und Frauen einander lieben, unterstützen und, ja, liebkosen, dann lesen Sie bitte weiter. Denn wissen Sie, mein lieber amerikanischer Mitbürger, mir wurde vorgeworfen, daß ich Frauen liebkost habe. Mein Name ist Senator Bob Packwood. Vielleicht bin ich nicht mehr auf dem laufenden, was die neuen Trends und Modeerscheinungen dieser so schwierigen Zeiten betrifft … Aber vielleicht sind in diesem gesegneten Land noch ein paar anständige Amerikaner übrig, die so sind wie ich: hart arbeitend, patriotisch, geradlinig und, ja, kleinen Zärtlichkeiten zugeneigt, wenn der Tag zu Ende geht … Zu Mohammed Salameh waren die Werbestrategen der Ansicht, daß wir am meisten Geld bekommen würden, wenn wir uns an jene Teile der Bevölkerung wendeten, die am liebsten ganz New York in die Luft sprengen würden. Mein lieber amerikanischer Freund, … wenn Sie der Ansicht sind, daß es gesetzwidrig ist, als Ausdruck der freien Meinungsäußerung an bekannten öffentlichen Orten Bomben zu legen, brauchen Sie nicht weiterzulesen. Wenn Sie jedoch den Mut haben, der Wahrheit ins Auge zu blicken, und es Ihnen wichtig ist, daß Gerechtigkeit geübt wird, lesen Sie weiter. … Scheich Omar Abdel Rahman hat durch die Publicity im Zusammenhang mit dem sogenannten »Bombenanschlag im World Trade Center« mehr gelitten, 144 als sich mit Worten ausdrücken läßt … … Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist durch die Verfassung unwiderruflich garantiert, und nirgendwo steht geschrieben, daß man dieses Recht nicht durch das Sprengen von Gebäuden ausüben dürfte … Schließlich ließen wir auch den Berichterstatter dieses Beitrags eine Postwurfsendung in eigener Sache versenden. Ohne besonderen Grund, wenn man’s genau nimmt. Er wollte einfach das Geld, und wir sagten: Okay, zapfen wir die Amerikaner für Roy Sekoff an. Lieber Freund des amerikanischen Traums, Sie haben vermutlich noch nie von Roy Sekoff gehört, und genau das ist der Grund, warum wir Ihnen heute schreiben. Wir wollen Ihnen diesen Mann und seine Träume vorstellen. … Roy ist ein aufrichtiger, hart arbeitender junger Journalist, der mit seiner wunderschönen Frau erst kürzlich seinen ersten Hochzeitstag gefeiert hat. Sie wollen Kinder haben und ein eigenes Haus bauen, aber für Roy & Tammy ist unerreichbar, was so viele von uns bereits besitzen. … Roy arbeitet sieben Tage die Woche, und das bedeutet, daß er schon nach einem Ehejahr viel von Tammy getrennt ist. Während Roy von einer Küste zur anderen pendelt, muß dieses junge Paar zusehen, wie seine Freunde, die Ärzte, Anwälte oder Börsenmäkler geworden sind, Häuser kaufen und Kinder bekommen. Wir meinen, daß Roy in der Lage sein sollte, seinen journalistischen Traum weiterzuverfolgen und trotzdem ein gutes Leben zu führen. Wir meinen, auf diese Weise bleibt Amerika informiert. Wir meinen, das ist gut für unser Land … 145 Großes Lob in einem Brief von der US-amerikanischen Post. 146 147 Roy Sekoff, der Berichterstatter von TV Nation, stellt David Litwinsky von ALL Direct Mail unsere Postwurfkampagne vor. Marty Gallanter, der bei ALL Direct Mail die Postwurfsendungen verfaßt, nahm unsere Entwürfe und schrieb die Briefe, die an Tausende vorher ausgewählte Adressen im ganzen Land verschickt wurden. Leider stellten wir fest, daß unser Geld nur für drei Postwurfsendungen reichte, also beschränkten wir uns auf die Briefe an die Freunde von Jeffrey Dahmer, Charles Keating und Roy Sekoff. Um dem Gesetz zu entsprechen mußten wir zusichern, daß alle Einnahmen aus der Aktion direkt an die Personen gehen würden, für die wir die Bettelbriefe geschrieben hatten. Und so wurden über 12000 Briefe verschickt, und drei Wochen später hatten wir die ersten Resultate. Tja Leute, leider müssen wir berichten, daß Dutzende von Adressaten ihr schwer verdientes Geld schickten, um den drei armen Seelen zu helfen. Dahmer bekam das meiste Geld, Keating war zweiter, und Roy war der letzte. 148 Die Werbeagentur rechnete die Ergebnisse wie folgt für uns hoch: Hätten wir Briefe an alle Haushalte in den USA geschickt, hätte Jeffrey Dahmer wahrscheinlich 1205000 Dollar bekommen, Charles Keating hätte 868000 Dollar erhalten und Roy hätte von dem Geld einmal mit dem Taxi nach Hause fahren können. Warum bekam ein Serienkiller mehr Spenden als ein hart arbeitender Berichterstatter von TV Nation mit einer wunderschönen Frau und einem Baby? »Tatsächlich ist die Erklärung rationaler, als man denkt«, sagte David Litwinsky. »Jeffrey Dahmer ist eine Berühmtheit. Sein Name weckt Aufmerksamkeit, ob positive oder negative, das kommt aufs Gleiche raus, berühmt ist berühmt.« »Wollen Sie damit sagen, ich hätte besser abgeschnitten, wenn ich ein rechtskräftig verurteilter Straftäter wäre?« fragte Roy. »Sie hätten besser abgeschnitten, wenn Sie ein berühmter rechtskräftig verurteilter Straftäter wären.« 149 15 Sabotage Der Arbeitsplatz ist der einzige Ort, wo jemand dich anbrüllen und beschimpfen darf, man darf dich dort zwingen, etwas zu tun, was du eigentlich gar nicht tun willst, etwa Drogen- und Lügendetektorentests absolvieren, man darf dich länger als üblich auf dem Gelände festhalten, dir die Bezahlung für geleistete Arbeit verweigern und dich überhaupt in eine Lage bringen, in der du dir ein paar Zentimeter groß »mit Hut« vorkommst, und dir bleibt deinem Boß gegenüber nichts weiter übrig, als zu lächeln und brav »Danke« zu sagen. Das Ausmaß der Unzufriedenheit mit dem Job und der regelrechten Wut auf den Arbeitsplatz ist ein Thema, das selten zur Sprache gebracht wird, vermutlich weil sich heutzutage jeder glücklich schätzen kann, der einen Arbeitsplatz hat und nicht outgesourced und wegrationalisiert wurde. Die Angst, daß einem die Arbeitszeit, der Lohn und die Leistungen gekürzt werden, läßt einem den ganzen Tag über keine Ruhe. Da kann es auch mal passieren, daß ein Arbeiter den Frust nicht länger aushält: Er rastet aus und geht mit einer automatischen Waffe zu seinem Chef. Aber in der Regel fügt sich der ausgenutzte Arbeiter einfach in sein Schicksal. Heutzutage sind in Amerika weniger als 15 Prozent der Arbeiter in Gewerkschaften organisiert, und deshalb haben auch die wenigsten Beschäftigten einen Anwalt, der ihre Rechte vertritt, oder einen Ansprechpartner, der für ihre Leiden eventuell eine Entschädigung aushandelt. Im Grunde haben sie keine demokratischen Mittel, eine respektvolle und gerechte 150 Behandlung durchzusetzen. Ein neues Phänomen taucht jedoch im ganzen Land auf. Der Trend wird Sabotage am Arbeitsplatz genannt: Arbeiter wischen ihrem Arbeitgeber eins aus, indem sie den ordentlichen Ablauf in der Fabrik, »so wie er sein sollte«, stören. Sabotage kann sich in den verschiedensten Formen äußern, von dem Mitgehen lassen eines Schreibblocks aus dem Bürovorrat bis hin zum Löschen von Unmengen lebenswichtiger Informationen im Computersystem des Unternehmens. Das alles ist gesetzeswidrig, und es geschieht doch immer häufiger. Ben Hamper, ein waschechter Einwohner von Flint, berichtet über Sabotage. Martin Sprouse stellte die Geschichten von 135 Arbeitern zusammen, die auf unterschiedliche Weise Sabotage begangen hatten, und veröffentlichte sie in dem Buch Sabotage in the American Workplace: Anecdotes of Dissatisfaction, Mischief and Revenge. David Van Taylor, 151 ein Regisseur aus unserem Team, hatte die Idee, mit Hilfe von Sprouses Buch die Welt der Sabotage zu erkunden und einige Saboteure dazu zu bringen, uns vor der Kamera zu erzählen, was sie bei ihren Taten empfanden. Ben Hamper, ein ehemaliger Fließbandarbeiter, war der Korrespondent. Alle Sabotagegeschichten, die uns erzählt, oder Sabotageakte, die uns vorgeführt wurden, hatten allem Anschein nach ein gemeinsames Thema: Der oder die Beschäftigte entdeckt eine kreative Möglichkeit, sich zu rächen oder Gerechtigkeit zu verschaffen. Autor Martin Sprouse Nehmen wir zum Beispiel Harvey (sämtliche Namen wurden geändert). Er arbeitet als Wandmaler in einem Disney-Freizeitpark. Wie andere, die hier arbeiten, nennt er den Ort »Mausschwitz«, weil die Vorschriften, an die alle Beschäftigte sich halten müssen, fast von der SS 152 hätten stammen können. Zum Beispiel ist es nicht erlaubt, die Politik von Disney in Frage zu stellen, alles muß genau nach Vorschrift erledigt werden, abweichende Meinungen werden nicht geduldet. Die strengen Kontrollen der Vorgesetzten sind schon seit langem Anlaß für Unzufriedenheit, und vor einigen Jahren haben die Arbeiter, die Disney-Figuren wie Micky Maus spielen, eine Gewerkschaft gegründet. Harvey ist nicht Mitglied in einer Gewerkschaft und hat uns von einem Manager erzählt, der ihm ständig über die Schulter sah und vorschrieb, wie er die Wand bemalen sollte: »Die Farbe paßt nicht, sie ist nicht fröhlich; das Gesicht dieses Mannes sieht nicht fröhlich aus, diese Blumen sollten leuchtender, fröhlicher sein. Alles muß fröhlich aussehen.« Fröhlich. Fröhlich! FRÖHLICH! Und was hat Harvey gemacht, damit sein Boß auch ganz bestimmt fröhlich war? In ein Wandgemälde, das ein riesiges Disney-Hotel 153 darstellte, malte er einen NS-Schergen, der die Menge vom Balkon aus überwachte. Seinem Boß fiel das auf. »Wer ist der Mann auf dem Erker, er sieht wie ein Soldat aus«, fragte er. Harvey erklärte: »Oh, nein, das ist in Wirklichkeit ein Sicherheitsbeamter. Es ist gut, Sicherheitsleute zu zeigen, das vermittelt den Menschen ein Gefühl der Sicherheit und gibt denjenigen mit kriminellen Absichten zu verstehen, daß sie sich ihre Pläne lieber noch einmal überlegen sollten.« Dem Boß gefiel das. Also ließ er den »Sicherheitsbeamten« auf dem Wandgemälde – auch wenn der Wächter Handgranaten am Gürtel hatte, ein Bajonett auf dem Gewehr aufgepflanzt war und er einen seltsamen kleinen Schnurrbart trug. Viele Jahre war der NS-Scherge auf dem Wandgemälde zu sehen, doch Harvey wollte lieber nicht den genauen Ort nennen, weil er sein Werk noch eine Weile erhalten wollte. Harveys Sabotageakt hatte jahrelang Bestand, doch viele Arbeiter gehen viel impulsiver vor und rächen sich ganz spontan. Seans Job etwa erforderte keinerlei künstlerische Fähigkeiten. Sean arbeitete als Parkhauswächter in einem Nobelhotel am Sunset Boulevard in Beverly Hills. Sein Boß, der Generaldirektor des Hotels, fuhr völlig grundlos aus der Haut, entließ die Leute, wie es ihm paßte, und ging dann sechs Wochen in Urlaub. Dieses Verhalten zerrte wirklich an Seans Nerven. Eines Morgens fuhr der Generaldirektor um 6.30 Uhr ins Hotel. Sean hatte als einziger Wächter Dienst. Der Pförtner war noch nicht gekommen. Sean sah darin eine Chance, mit dem Chef abzurechnen. Er stieg in den Mercedes, fuhr ihn in die Garage, stieß dann rückwärts, so schnell er konnte, in die Parkbox und rammte mit dem 154 Wagen die Wand. Dann legte er den Vorwärtsgang ein, fuhr ein paar Meter, Rumms, dann wieder den Rückwärtsgang, und noch mal mit einem Krachen gegen die Wand. Vor und zurück, das machte er so lange, bis der 50000-Dollar-Wagen gründlich demoliert war – aber immerhin kein Totalschaden (dann hätte sein Boß von der Versicherung ja ein nagelneues Auto bekommen). Sean ging nach oben, sagte dem Direktor, er habe beim Einparken Probleme gehabt, und kündigte. Andere Arbeiter erzählten uns, daß sie bei Aktionen mitgemacht hätten, die als Sabotage gewertet werden können, sie aber nicht mit dem Gesetz in Konflikt bringen. Ein langsameres Arbeitstempo ist ein typisches Beispiel. Wenn alle mitmachen, kann der Boß ja nicht einfach alle entlassen, und früher oder später muß er sich mit den Beschwerden befassen. In manchen Fällen hat Sabotage auch politische Aspekte. Reggie bekam eine Stelle bei der Heritage Foundation in Washington, D. C. Die Stiftung ist ein führender rechter Thinktank und entwickelte viele politische Konzepte, die US-Regierungen unter Reagan und Bush senior umsetzten. Wenn es in der Hauptstadt unseres Landes eine Brutstätte des Bösen gibt, dann ist es die Heritage Foundation. Reggie las einige Schriften der Stiftung und war entsetzt über deren Haltung gegenüber den Armen, Frauen und kleinen Malochern, wie er selbst einer war. Sein Vorgesetzter prahlte gerne, er sei die rechte Hand Dschingis Khans. Reggie brauchte zwar unbedingt den Job, konnte jedoch das, was er da tun mußte, nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Dann hatte er eine Idee. Es war seine Aufgabe, die Post zu öffnen und sämtliche Spenden an das Büro des Kassierers weiterzuleiten. Statt dessen nahm er jedoch die 155 Spenden und steckte sie einfach in den Reißwolf. Tausende Dollar endeten als Konfetti im Papierkorb. Reggie stellte fest, daß die Heritage Foundation sehr stark auf Spenden angewiesen war, und der Verlust von ein paar Tausend Dollar konnte tatsächlich wie Sand im Getriebe der Organisation wirken. Reggie wurde nie geschnappt und fand schließlich einen anderen Job. Die Verantwortlichen im Sender haßten diesen Beitrag zu unserem Magazin von Herzen. Wir konnten noch so viele Dementis und Distanzierungen in der Sendung bringen und den Zuschauern immer wieder einschärfen, daß es natürlich ganz falsch sei, Gesetze zu brechen, die hohen Tiere wußten ganz genau, daß wir insgeheim mit diesen Saboteuren sympathisierten. Wir verstanden, warum sie getan haben, was sie getan haben, auch wenn wir der Meinung waren, es sei eigentlich besser, Gewerkschaften am Arbeitsplatz zu organisieren, Arbeitgeber gerichtlich zu verklagen, die gegen das Gesetz verstoßen, und auf neue Gesetze hinzuarbeiten, mit denen die Sicherheit und Rechte der Arbeiter geschützt werden. Aber all das kommt einem groß und entrückt vor, wenn man der kleine Angestellte ist, der die Drecksarbeit macht, und wenn man sich selbst ganz ohnmächtig fühlt in einer Gesellschaft, die Habgier in den Chefetagen belohnt, aber gleichzeitig von einem erwartet, daß man von sechs Dollar Stundenlohn noch selbst für die Gesundheitsvorsorge aufkommen soll. Der Sender, seines Zeichens ebenfalls Arbeitgeber, wollte auf keinen Fall zur Sabotage am Arbeitsplatz ermuntern. Er war der Meinung, es sei Sabotage genug, unsere Sendungen auszustrahlen. 156 16 Yuri, der Spion für TV Nation Die Themen Rationalisierung und Arbeitslosigkeit sind eine Zeitlang unsere größte Sorge gewesen. Folglich schien es uns ganz natürlich, der weltweit wohl verhaßtesten Gruppe arbeitsloser Menschen aus der Patsche zu helfen: den ehemaligen KGB-Agenten. In den knapp 50 Jahren des Kalten Krieges fungierte der KGB als die Topspionagebehörde der ehemaligen Sowjetunion. KGB-Agenten galten gemeinhin als die skrupellosesten Geheimdienstagenten. Sie stahlen den Vereinigten Staaten Atomgeheimnisse und bauten ihre eigene Atombombe. Sie nutzten unser »offenes« System aus und sammelten alle möglichen Informationen, während die Vereinigten Staaten außerstande waren, vergleichbare Informationen über die Sowjetunion zu beschaffen. Sie bauten einen so umfangreichen Ring von Informanten auf der ganzen Welt auf, daß sie allen eine Heidenangst einjagten – mit Ausnahme von James Bond. Dann, eines schönen Tages, war alles vorbei. Es gab keine Sowjetunion mehr, keinen KGB. Was geschah mit all den Spionen, als sie aus der Kälte kommen mußten? Wie überlebten sie ohne ein wöchentliches Gehalt? Wer würde denn eine so hinterlistige Bande amoralischer, konspirativer Hurensöhne einstellen? Wir! Wir hielten es für absolut cool, für die Show einen eigenen Geheimagenten zu beschäftigen. Damit wären wir die erste Fernsehsendung mit einem eigenen KGB157 Agenten, der in unserem Auftrag unterwegs war und, nun ja, genau das tat, was wir von ihm wollten. Wir setzten in eine russischsprachige Zeitung in New York eine Anzeige, da wir davon ausgingen, daß eine ganze Reihe dieser Spione, die man in die Vereinigten Staaten abkommandiert hatte, vermutlich hier hängengeblieben ist, als die Sowjetunion auseinanderfiel. In der Anzeige stand, wir würden »ehemalige KGBAgenten« suchen, die für uns in einer TV-Show zur Hauptsendezeit arbeiten sollten. Keine Fragen zu ihrer vorherigen Tätigkeit! Dutzende von Antworten gingen bei uns ein. Es war ein bemerkenswerter Fingerzeig, wie viele Kommies unter uns sind. Viele Bewerber waren keine echten Agenten, sondern »Informanten«. Aber die zählten nicht. Wir wollten ein Original, einen Profi, der für uns im Bruchteil einer Sekunde töten könnte, falls wir das von ihm verlangen sollten. Am Ende luden wir sechs KGB-Profis zu einem Vorstellungsgespräch in unser Büro ein. Es war gewiß nicht die typische Audienz beim Boß: Frage: Wie viele Menschen haben Sie umgebracht? 158 Antwort: Mehr als Sie zu wissen brauchen. Frage: Zeigen Sie uns Ihren tödlichsten Schlag. Antwort: An Ihnen oder an Ihrem Assistenten? Frage: Haben Sie jemals Rupert Murdoch getroffen? Antwort: Das ist immer noch vertraulich. Die Agenten erzählten uns unglaubliche Geschichten von tollkühnen Heldentaten und nervenaufreibenden Fluchten. In gewisser Weise spürten wir deutlich, daß sie die alte Zeit vermißten, als sie noch durch die Berliner Mauer schlüpfen oder als blinde Passagiere auf einem Frachter zu einer Undercover-Operation in Liverpool reisen durften. Man hatte sie für diesen Job ausgebildet und für nichts sonst. Was sollten sie jetzt tun? Im Restaurant bedienen? Benzin verkaufen? Sportleragent werden? Yuri Shvets, der KGB-Spion von TV Nation. 159 Wir hatten vor ihren Fähigkeiten großen Respekt und dachten, sie könnten uns eine Hilfe sein in einer Show, die einen ständigen Kleinkrieg mit den Vorgesetzten im Sender (den Kapitalistenschweinen!) führte. Unser Überleben hing von den Programmen ab, die die Konkurrenz auf den anderen Sendern anbot (unsere Todfeinde!). Wir brauchten etwas, um ein Kräftegleichgewicht herzustellen – unsere eigene atomare Abschreckung, wenn Sie so wollen. Und wir fanden sie in Yuri Shvets. Yuri arbeitete schon seit zehn Jahren nicht mehr für den KGB. Er hatte die Vereinigten Staaten infiltriert, indem er sich als Korrespondent ausgab. Er beantragte und erhielt die Akkreditierung als Pressevertreter zum Kapitol, was ihm leichten Zugang zu unserer Legislative verschaffte. Unterdessen sammelte er die ganze Zeit Informationen über unsere Kongreßmitglieder und deren Ziele. (Tatsächlich hätte er sich eine Menge Arbeit sparen können, wenn er sich einfach den Kongreßsender C-SPAN angesehen hätte.) Yuri hatte viele Talente, sprach gut Englisch und hatte eine liebenswürdige Art, die jeden für ihn einnehmen würde, der ihn kennenlernte – da waren wir ganz sicher. Um seine Loyalität auf die Probe zu stellen, fragten wir ihn, ob er alles für uns tun würde. »Ja, alles«, antwortete er. »Dann springen Sie aus einem Flugzeug!« Einen Tag später tat er genau das. Auf unseren Befehl hin warf er sich aus der Tür einer einmotorigen Maschine, die in 3000 Metern Höhe flog. Keine weiteren Fragen. Yuri war unser Mann. 160 Wir legten ihm ein paar Aufträge vor, die er sich durch den Kopf gehen lassen sollte. Dazu zählten: Finden Sie heraus, wieso die Kosten für den Unterbodenschutz nie im Preis für einen Neuwagen enthalten sind. Finden Sie heraus, wer diese »Johannes 3,16«-Jungs sind, und halten Sie die Truppe von allen Ballspielen fern. Spüren Sie Yakoff Smirnoff auf und eliminieren Sie ihn. Finden Sie heraus, wer »Jeff Craig of 60 Second Previews« ist und warum er in jeder Kinoanzeige zitiert wird. Finden Sie heraus, aus welchem Material die Black Box in einem Flugzeug hergestellt wird, und beschaffen Sie uns eine Materialprobe. Yuri war zu allem bereit. Am Ende erteilten wir ihm drei voneinander unabhängige Missionen, die unserer Ansicht nach am ehesten die Erhaltung des Planeten sichern würden. Mission Nr. 1: Finden Sie heraus, wer wirklich in Nixons Grab liegt Von uns glaubte niemand wirklich, daß Richard Nixon tot ist. Er war schon zu Lebzeiten so trickreich, daß durchaus die Möglichkeit besteht, daß er uns einmal mehr ausgetrickst hat und in Wirklichkeit noch irgendwo lebt. Allein der Gedanke war für uns kaum zu ertragen. Auch Yuri wollte unbedingt die Wahrheit herausfinden, weil Nixon einst sein Gegenspieler war. Er nahm den Auftrag begeistert an. 161 Yuri begann seine Nachforschungen an dem letzten Ort, an dem man Nixon lebendig gesehen hatte: im New York Hospital. Nixon wurde dort am Abend vor seinem Tod eingeliefert und noch am selben Abend wieder entlassen. Laut Diagnose erfreute er sich bester Gesundheit. Am nächsten Abend kam er zurück. Viele Krankenhausmitarbeiter sahen Nixon zwar noch lebendig, als er aufgenommen wurde, doch Yuri fand keinen einzigen, der gesagt hätte, er habe gesehen, wie seine Leiche hinausgeschoben wurde. Keinen einzigen! Yuri fuhr nach Park Ridge in New Jersey, wo Nixon in den letzten Jahren gelebt hatte. Er fragte die Nachbarn, was sie von der Sache wußten. »Am einen Tag sah er noch prächtig aus, am nächsten Tag war er weg!« teilte ein verblüffter Nachbar Yuri mit. Nur wenige Tage vor Nixons »Tod« hatte noch jemand gesehen, wie er mit seinem Hund spazierenging. Nichts deutete darauf hin, daß der Mann an der Schwelle des Todes stand. Yuri unterwegs in Südkalifornien. 162 Die Befürchtung, daß Nixon noch am Leben sein könnte, läßt einem keine Ruhe. Dann machte Yuri einen Abstecher zu dem Ort, wo Nixon bekanntlich seine letzte Mahlzeit zu sich nahm: ein italienisches Restaurant in Edgewood. Der Besitzer sagte, Nixon habe eine ordentliche Portion Nudeln verschlungen und kerngesund ausgesehen. Selbst Nixons engste Freunde waren offenbar ganz perplex über seinen plötzlichen Tod. Nixons bester Freund Robert Abplanalp konnte nicht begreifen, daß er so überraschend verschieden war. »An dem Abend, als der Präsident starb, verließ ich das Krankenhaus nur zwei Stunden vorher, und ich dachte: Mann, er sieht großartig aus«, sagte Abplanalp der New York Post. Yuri stimmte dem zu. Er sprach mit den Sanitätern und dem Fahrer des Leichenwagens und der Militäreskorte, die den »Leichnam« zu seiner letzten Ruhestätte bei der Nixon Library in Kalifornien brachte. Kein einziger konnte bestätigen, daß er wirklich Nixons Leiche in dem 163 Sarg gesehen hatte. »Es war ein Begräbnis mit geschlossenem Sarg«, meinte ein Wachsoldat. »Es ist ein wenig merkwürdig, einen geschlossenen Sarg zu wählen, wenn der Mann nicht durch einen schweren Autounfall oder etwas Ähnliches ums Leben gekommen ist.« Am Ende fuhr Yuri zu Nixons Grab im kalifornischen Yorba Linda, um ein für alle Mal zu klären, ob dort wirklich Nixon ruhte. Der Sicherheitsmann an der Grabstätte war sehr energisch und erlaubte es Yuri nicht, den Leichnam zu exhumieren, obwohl er keine Mühen und Kosten gescheut und sogar seine eigene Schaufel mitgebracht hatte. Er pflückte ein paar Grashalme von dem Grab und berichtete, daß sie sich nicht anfühlten wie Gras, das in einem Boden wächst, in dem menschliche Überreste bestattet wurden. Auch wenn er uns keinen endgültigen Beweis liefern konnte, hatte er folgendes anzubieten: »Sehen Sie sich an, wer in diesem Jahr (1996] für die Präsidentschaft kandidiert. Bob Dole leitete für Nixon das Republican National Committee. Pat Buchanan war Nixons Redenschreiber. Pete Wilson war Wahlhelfer für die Kandidatur Nixons zum Gouverneur 1962. Selbst wenn Nixons Leichnam möglicherweise verschwunden ist, lebt sein Geist in vieler Hinsicht weiter, in vielen Männern, die schlechte Anzüge und einen Bartschatten tragen.« Mission Nr. 2: Suchen Sie das Herz und die Seele der Demokratischen Partei Dieser Auftrag war ein wenig kniffliger. Yuri sollte herausfinden, weshalb die Demokraten sich so große Mühe 164 geben, wie Republikaner zu klingen, und weshalb sie vergessen haben, daß sie eigentlich die Partei der werktätigen Bevölkerung sind. Wo war das Herz der Demokraten geblieben? Wieso saßen in der Demokratischen Partei lauter Waschlappen und Menschen ohne Überzeugung? Yuri fand die Antwort darauf bei einer halbjährlichen Sitzung des Democratic National Committee in New Orleans. Dort hörte er sich eine Rede nach der anderen an, in der Sozialhilfeempfänger schlecht gemacht, Korrekturen bei der Sozialversicherung und der Krankenversicherung Medicaid gefordert und die Abschaffung der Förderung von Minderheiten im Rahmen der »affirmative Action« befürwortet wurden. Moment mal, dachte Yuri, es gibt doch schon eine Partei, die diese Sachen predigt – sie heißt die Republikanische Partei. Nur Clintons ehemaliger Wahlkampfleiter James Carville widersprach all diesem Pseudo-Republikanismus. Er sagte den Anwesenden, daß sie sich nicht beirren lassen dürften und den Mut haben müßten, an ihren Überzeugungen festzuhalten. Sie dürften die traditionelle Plattform der Demokraten nicht aus den Augen verlieren. Nur wenige schienen an seinem Rat ernsthaft interessiert. Yuri kam zu dem Schluß, daß die Demokraten, wenn sie eine echte Partei bleiben wollten, auch für bestimmte Inhalte stehen müßten. Davon waren sie jedoch, so hatte es den Anschein, meilenweit entfernt, und Yuri konnte nichts tun, um sie zu retten. Mission Nr. 3: Finden Sie heraus, was unsere Konkurrenz vorhat, und stören Sie deren Pläne In unserem Jahr bei dem Sender Fox wurden wir auf die geniale Sendezeit 20.00 Uhr gelegt, Freitagabend. Was tun 165 Sie um acht am Freitagabend? BESTIMMT NICHT FERNSEHEN, HABE ICH RECHT? Wir traten an gegen Diagnosis: Murder bei CBS, Family Matters bei ABC und Unsolved Mysteries bei NBC. Wir wiesen Yuri an, Informationen zu sammeln und den Betrieb der Konkurrenz zu sabotieren, wo sich ihm die Gelegenheit dazu bot. Er meldete, daß ihm in seinem ganzen Leben noch kein solcher Sicherheitsapparat begegnet sei wie bei Diagnosis: Murder und Family Matters. Die Kontrollen waren »strenger als im Kreml«, und er war ganz frustriert, daß es ihm nicht gelang, sich einzuschmuggeln. Doch bei Unsolved Mysteries, mit dem Schauspieler Robert Stack als Moderator, wurde Yuri bereitwillig ins Studio gelassen, wo er sich mit allen unterhielt, vom Regisseur bis hin zur Maskenbildnerin. Welches Geheimnis erfuhr er? Man muß wirklich richtig gut aussehen, wenn man mit einer TV-Show Erfolg haben will. Er war verblüfft über das, was sie aus dem 70jährigen Robert Stack machten. »Ihr müßt unbedingt diesen Make-up-Künstler für Michael holen«, schrieb er in seinem Bericht. »Und um Himmels willen, kauft ihm einen neuen Anzug.« Wir willigten ein. Am Ende der Show in dieser Woche betrat Mike ganz in Armani gekleidet die Bühne, er trug Kontaktlinsen und seine Haare waren ordentlich gekämmt. Er sah nach einer halben Million Dollar aus. 166 Mikes Verwandlung. Das Ergebnis? Die Reihe Unsolved Mysteries schlug uns auch in dieser Woche bei den Einschaltquoten. Als die Produzenten herausfanden, daß wir einen KGBAgenten zu ihren Dreharbeiten geschickt hatten, riefen sie ihren Anwalt an und drohten, uns gerichtlich zu verklagen. Wir drohten unsererseits, Yuri noch einmal zu ihnen zu schicken – und diesmal nicht als Repräsentanten von Glasnost. Sie machten einen Rückzieher. Das nächste Mal sahen wir die Produzenten von Unsolved Mysteries bei den Emmy Awards, als wir gegeneinander in derselben Kategorie antraten. Wir gewannen. Yuri hatte damit nichts zu tun. Ehrenwort. 167 17 Mikes Rakete Allem Anschein nach brauchten wir bei TV Nation eine Menge Zeit, um mit dem Ende des Kalten Kriegs fertigzuwerden. Wir wußten nämlich, daß die Welt tatsächlich jeden Augenblick untergehen konnte – eine Erkenntnis, die zwischen 1947 und 1989 alle informierten Erwachsenen belastete. Wir hatten den größten Teil unseres Lebens unter der Bedrohung durch das sowjetische »Reich des Bösen« gelebt. Die gottlosen Kommunisten, die ihrem Staat wie willenlose Roboter dienten, hatten so viel Macht und waren so furchterregend, daß wir Angst hatten, sie könnten jeden Augenblick den Weltuntergang herbeiführen, nur weil sie … na ja, weil sie eben dieses Gefühl in uns weckten. Diese Angst wurde erfolgreich zum Eckpfeiler der amerikanischen Außenpolitik gemacht, sie verursachte eine tiefe Spaltung des Landes, brachte in zwei Kriegen, die die USA in Asien führten, Millionen Asiaten und Zehntausenden Amerikanern den Tod und führte in der Kubakrise tatsächlich fast zum Weltuntergang. In den Jahren 1989 bis 1990 jedoch ging der Kalte Krieg binnen kürzester Zeit zu Ende, und zwar wegen dieses Kerls mit dem roten Fleck auf dem Kopf. Wir wußten gar nicht, wie uns geschah. Eines Tages beschloß Michail Gorbatschow, daß der Rüstungswettlauf zu Ende war, und gab ihn einseitig auf. (Die USA bauten weiter Atombomben.) Einen Tag später beschloß Gorbatschow, daß Demokratie eine gute Sache war; die Berliner Mauer wurde abgerissen, und die Menschen in der ganzen Sowjetunion und dem restlichen Osteuropa hielten freie 168 Wahlen ab. Sie bekamen Religionsfreiheit sowie das Recht, Kapitalisten zu sein und zuzuschauen, wie die alte Sowjetunion schnurstracks den Bach runterging. Danach war es vorbei mit der Angst, daß wir ein atomares Armageddon erleben könnten. Na ja, nicht ganz! Schließlich sind die 40000 Atombomben, die beide Seiten in den 42 Jahren des Kalten Kriegs gebaut haben, immer noch gesund und munter und einsatzbereit. Warum hat sich die Regierung Clinton nicht die Vernichtung dieser Atomwaffen als oberstes Ziel gesetzt? Wofür brauchen wir sie noch? Um uns vor Grenada zu schützen? Oder vor Panama? Vor dem Irak? Also bitte. Es trifft zu, daß beide Seiten begannen, ein paar von den Bomben zu demontieren, aber dann kam die Nachricht, daß Behälter mit Plutonium fehlten. Andere Länder kauften Atomtechnologie auf dem Schwarzmarkt. (Indien? Pakistan?) Angesichts der Instabilität der früheren Republiken der Sowjetunion muß man sich fragen, wer eigentlich genau in dieser Sekunde den Finger auf »dem Knopf« hat. Mit einer gewissen Beklommenheit und einer gesunden Dosis amerikanischen Überlegenheitsgefühls beschlossen wir von TV Nation, nach Rußland zu reisen, um die Rakete zu suchen, die die Sowjets im Kalten Krieg auf die Stadt Flint in Michigan gerichtet hatten. Wo war die Rakete heute? Wer war für sie verantwortlich? War sie unnötigerweise immer noch auf uns gerichtet? War jemand mit ihr abgehauen? Konnten wir sie kaufen? Konnten wir sie einfach mit nach Hause nehmen, bitte? 169 Der Bodennullpunkt in Flint. Jede große, wichtige Stadt, jedes Industriegebiet und jeder Militärstützpunkt in den Vereinigten Staaten und in der Sowjetunion waren zwecks Totalvernichtung jeweils von der anderen Seite anvisiert. Da Flint die größte Konzentration von Autofabriken von General Motors hatte (die im Zweiten Weltkrieg allesamt Waffen herstellten), konnten wir uns ausrechnen, daß unsere Stadt weit oben 170 auf der Liste der strategisch wichtigen Ziele stand. Wir stellten uns vor, daß eine bestimmte Atomrakete speziell für uns bestimmt war und jeden Moment gestartet werden konnte. Ein Knopfdruck, und aus war es mit unserer Heimatstadt. Wir bekamen ehemals geheime Unterlagen des Pentagon in die Hand, die unsere Vermutung bestätigten. Die Dokumente zeigten nicht nur, daß Flint von der Landkarte getilgt werden sollte, im Verteidigungsministerium hatten sie sogar den genauen Ort eingezeichnet, wo die Russen die Bombe ihrer Ansicht nach abwerfen würden. Auf dem Dokument war die Ecke Bluff und Cadillac Street in Flint als Bodennullpunkt eingezeichnet. Der Ground Zero befand sich genau vor einer Motorenfabrik von GM. Diese Fakten wurden durch John West, den Zivilschutzleiter von Flint, bestätigt. Während wir mit ihm auf dem Ground Zero standen, überlegten wir, warum die Russen eigentlich immer noch einen Teil von Amerika plattmachen wollten, den doch General Motors schon plattgemacht hatte. Außerdem hatten die Arbeiter von Flint genau an dieser Straßenecke die Arbeiterrevolution von 1936 begonnen. Warum wollten unsere Genossen ausgerechnet so ein wichtiges Stück proletarische Geschichte ausradieren? Wir fanden dies völlig unsinnig und beschlossen, die Rakete wenn möglich zu kaufen. Also baten wir NBC um 10000 Dollar, um nach Rußland zu fahren und »unsere« Rakete zu befreien. Die Fernsehgesellschaft war einverstanden. (Ihr fragt euch wahrscheinlich, wie diese Ausgabe bei NBC verbucht wurde? »Also, wir müssen Seinfelds Gehalt bezahlen und das neue Set von Jay Lenos Show und, ach ja, Michael Moore will nach Moskau fahren und eine Atomrakete kaufen.«) Wir fanden weitere frühere Geheimdokumente, aus 171 denen hervorging, wie man eine sowjetische Rakete demontiert. Außerdem nahmen wir eine Karte mit, auf der »die Häuser der Stars« in Beverly Hills in Kalifornien verzeichnet waren. Wir dachten, wenn uns die Russen die Rakete nicht verkaufen, können wir sie vielleicht demontieren oder die Russen wenigstens überzeugen, sie nicht mehr auf Flint zu richten, sondern lieber auf, sagen wir, Brentwood in Kalifornien. Als wir mit unserem Koffer voller Geld und ehemals geheimen Dokumenten in Moskau ankamen, verteilten wir ein paar »Incentives«, damit wir das Geld und die Pläne zum Zerlegen von Raketen unbehelligt ins Land bringen konnten. Im neuen Rußland ist der Dollar König, und wenn ihr jemandem, der euch Steine in den Weg legen will, mit ein paar Dollarscheinen winkt, erreicht ihr fast alles. Wir hatten eine Reihe von Treffen mit den Botschaftern der Ukraine und Kasachstans arrangiert, um sicherzugehen, daß die auf Flint gerichtete Rakete nicht in einem dieser Länder war. Sie versicherten uns, daß sie nur auf Westeuropa und China gerichtete Waffen besäßen. Außerdem hätten sie keine Ahnung, wie man die Raketen abschieße, denn die Russen hätten bei ihrem Abzug die Startcodes mitgenommen. Wir trafen uns heimlich mit früheren KGB-Agenten und mit Mitgliedern oppositioneller Parteien, aber niemand konnte uns sagen, wo sich die auf Flint gerichtete Rakete befand. 172 Wir erfuhren, daß der neue Präsident Boris Jelzin auf dem Roten Platz eine Rede halten würde, also gingen wir hin, um zu klären, ob vielleicht er uns helfen könnte. Mike stieg während der Rede auf den Pritschenwagen, der als Bühne diente, und versuchte, an den Präsidenten heranzukommen. Als Jelzin seine Rede nicht unterbrach, um uns den Weg zu der auf Flint gerichteten Rakete zu zeigen, wandte sich Mike in einem der verrücktesten Momente, die je auf TV Nation gezeigt wurden, an die Zuschauer und hielt, unmittelbar neben Jelzin stehend, seine eigene Rede an das Volk. »Bürger von Rußland, ich bin in Frieden gekommen. Und ich bin gekommen, um die Rakete zu kaufen, die ihr auf mich gerichtet habt. Ich habe amerikanisches Geld dabei. Wollt ihr mir helfen? No Nukeski Flintski!« Auf dem Platz waren Tausende versammelt, aber anscheinend hatte keiner von ihnen eine Ahnung, wo Mikes Rakete war. Schließlich, als wir schon fast die Hoffnung aufgegeben hatten, hörten wir, daß ein ehemaliger sowjetischer Oberst, der früher eine Raketenabschußbasis kommandiert hatte, bereit war, mit uns zu sprechen. Er wollte sich mit Mike 173 treffen, hatte aber eine ungewöhnliche Bedingung: Mike sollte das Interview nackt führen – in einem russischen Dampfbad. Und so erzählte der Oberst Mike inmitten von Dutzenden nackter russischer Männer (die alle digital entmannt werden mußten, bevor die Sendung ausgestrahlt werden konnte), daß er eine Abschußbasis nördlich von Moskau kommandiert hatte, deren Raketen auf den »mittleren Westen« der Vereinigten Staaten gerichtet waren. Er konnte keine bestimmten Städte nennen, aber die Ortsbezeichnung »Detroit« hatte einen vertrauten Klang in seinen Ohren. Diese Information genügte uns, um der Raketenabschußbasis Swenejord einen Besuch abzustatten. In einem Dorf in der Nähe fragten wir in einem Haus nach dem Weg und wurden zu Wodka und Spiegeleiern eingeladen. Die Russen sangen ein Liebeslied für Kathleen, und alle nahmen noch einen kräftigen Schluck. Danach waren wir genau in der richtigen Verfassung, um eine Atomrakete zu zerlegen. Die internationale Crew, mit der wir die Raketensuche drehten. 174 Wir fuhren ein Stück auf einer Hauptverkehrsstraße und bogen dann auf die Landstraße ein, die zu der Basis führte. Als wir unserem Ziel näher kamen, stießen wir auf ein Schild mit dem internationalen Zeichen für ZUTRITT VERBOTEN und der Aufforderung, sofort umzukehren. Wir fuhren trotzdem weiter und kamen zu einem großen metallenen Tor. Dort hing ein typisch amerikanisches Schild mit englischer Beschriftung: STOP. Es waren keine Wächter zu sehen, also stieg Mike aus und klopfte an das Tor. Nichts passierte. Nun versuchte Mike die Mauer zu erklimmen. In diesem Moment tauchten zwei Soldaten auf, befahlen ihm, sich von der Mauer zu entfernen, und forderten den Fahrer unseres Kleinbusses auf, abzuhauen, oder …! Wir wendeten hastig und fuhren schnell auf der Zufahrtsstraße davon. Wir hatten eindeutig die Vorschriften verletzt, und zu allem Überfluß raste nun auch noch ein Feuerwehrauto hinter uns her. Obwohl wir mitten in der Pampa waren, nahmen wir automatisch an, daß irgendwo in der Nähe ein Brand ausgebrochen sein mußte. Doch als uns das Feuerwehrauto eingeholt hatte und sich über die Mittellinie bedrohlich nahe an unseren Bus heranschob, sahen wir, daß es mit Soldaten besetzt war. Sie hielten ihre Gewehre auf uns gerichtet und bedeuteten uns, anzuhalten. (Wie wir später erfuhren, befand sich Rußland damals in einem derart desolaten Zustand, daß es kaum noch Ersatzteile für Armeefahrzeuge gab und immer mehr Panzer und Lastwagen stillagen. Deshalb beschlagnahmte die russische Armee sämtliche Fahrzeuge, die sie kriegen konnte. Der Niedergang war so weit fortgeschritten, daß ein Militärstützpunkt mit Interkontinentalraketen von Soldaten mit Feuerwehrautos bewacht wurde. Schöne 175 Supermacht!) Wir verlangsamten unser Tempo und versuchten hektisch, die Situation einzuschätzen. Schließlich hielten wir an, und die Soldaten befahlen dem Fahrer auszusteigen. Unser russischer Dolmetscher hatte Angst und meinte, wir sollten aufhören zu filmen. Aber unser polnischer Kameramann Alexander Zakrewski drehte ungerührt weiter. »Das ist kein Problem«, sagte er mit seinem starken polnischen Akzent. Wir versuchten, uns alle daran zu erinnern, wann das letzte Mal jemand ein Gewehr auf uns gerichtet hatte, und kamen zu dem Schluß, daß dies verdammt nochmal noch nie zuvor passiert war. Wir verhandelten fast zwei Stunden lang mit den Soldaten. Sie nahmen uns unsere Pässe, Fotos und »Papiere« ab. Zum Glück hatten wir »Papiere« dabei – die wir als Requisiten zusammengetragen hatten. Die Soldaten jedoch waren sehr beeindruckt. Wie in einem alten Kriegsfilm studierten sie peinlich genau jedes einzelne Dokument. Sie verlangten die Herausgabe der Videobänder, die wir unmittelbar zuvor am Tor gedreht hatten, und sagten, sie würden uns festnehmen. Alexander filmte unbeirrt weiter, und Michael erzählte Witze, um die Spannung im Bus abzubauen. Dann tat unser Fahrer etwas, das uns alle rettete. Er überzeugte die Soldaten, daß sie vielleicht für unsere Videobänder Schadenersatz leisten müßten, wenn die Behörden zu dem Schluß kämen, daß wir nichts verbrochen hätten. Dies löste bei den Soldaten überraschenderweise beträchtliche Furcht aus. Sie lebten ohnehin schon in Armut und wurden so schlecht bezahlt, daß unsere Bänder jeden einzelnen von ihnen einen Wochenlohn gekostet hätten. Deshalb machten sie einen Rückzieher und schlossen einen Kompromiß: Wir mußten ein Schuldanerkenntnis unterschreiben, und sie ließen uns laufen. 176 Unsere »Papiere« erwiesen sich vor der Raketenabschußbasis Swenejord bei Moskau als sehr nützlich. Wir dankten ihnen für ihre Großzügigkeit, Kathleen machte noch Polaroidfotos von uns allen, die sie ihren Kindern mitbringen konnten, und dann machten wir, daß wir davonkamen. Irgendwie hatte der Wodka im Verlauf der Ereignisse seine Wirkung eingebüßt. Wir hatten unser Leben riskiert und trotzdem keine Rakete gefunden. Wieder in Moskau, hatten wir noch ein letztes Treffen mit einem älteren Mann namens Sergei Sergowitsch. Er war früher im Kreml für die Verwaltung sämtlicher Rakentenabschußbasen verantwortlich gewesen. Wir besuchten ihn, seine Frau und seinen Enkelsohn in ihrer kleinen, gemütlichen Wohnung am Stadtrand von Moskau. 177 Genossen essen Brüderschaft mit einem Twinkie. Michael fragte ihn sofort, wie wir zu der auf Flint gerichteten Rakete gelangen könnten. Sergei antwortete, das wisse er zwar, aber es sei streng geheim. Dann fragte er Michael: »Warum machen Sie sich solche Sorgen? Wer macht Ihnen Angst und erzählt Märchen über uns?« Sergei erklärte, er habe den Kalten Krieg schon immer für einen Schwachsinn gehalten und niemand in Rußland habe Lust auf den Weltuntergang. Sie dächten nur, daß wir Lust darauf hätten. Falsch, sagten wir, auch bei uns sei niemand scharf auf den Weltuntergang. Und warum dann die ganze Aufregung? Nur die Angst hatte uns in zwei feindliche Lager gespalten. Nun aber lachten wir miteinander, sangen Lieder und tauschten Geschenke aus. Sergei schenkte uns – was sonst? – noch mehr Wodka, und wir schenkten ihm eine Schachtel Twinkies. Dann brachten wir einen Toast aus, und Michael und Sergei kreuzten die Arme und aßen mit ihren Twinkies Brüderschaft. Aus alten Feinden waren gute Freunde geworden. 178 18 Den Kommunismus abschleppen Natürlich machte uns das Ende der Roten Gefahr auch eine Menge Spaß. Wir halfen dem Pentagon, einen neuen Feind zu finden. Wir verschafften einem arbeitslos gewordenen Sowjetspion einen neuen Arbeitsplatz. Aber trotzdem war die Sache irgendwie traurig. Sie war für uns alle so überraschend gekommen. Als die Rockgruppe The Who sich auflöste, machte sie eine letzte Abschiedstournee, damit sich ihre Fans ordentlich verabschieden konnten. Große Sportler taten dasselbe. Wer wird je vergessen, wie der Baseballstar Nolan Ryan in seinem letzten Jahr als Aktiver in allen Städten der Liga in randvollen Stadien seine letzten Bälle warf? 179 Und wer erinnert sich nicht an Kareems letztes Jahr in der National Basketball Association; alle wollten den Star spielen sehen und ihm alles Gute wünschen. Dagegen verschwand die Sowjetunion mit ihrer einzigartigen Spielart des Kommunismus einfach sangund klanglos von der Bildfläche, ohne uns wenigstens noch »auf Wiedersehen« zu sagen. Auch der Kommunismus hatte eine Abschiedstournee verdient, und die Crew von TV Nation war fest entschlossen, sie zu realisieren. Wir mieteten einen gewaltigen, achtzehnrädrigen Sattelschlepper, ließen ihn leuchtend rot lackieren und auf beiden Seiten mit einem riesigen, goldenen Hammer-undSichel-Emblem versehen. Dann beluden wir ihn mit 10000 typisch kommunistischen Gegenständen: Hunderten von Maobibeln, Exemplaren der Tageszeitung The People’s Daily, Kassetten mit der »Internationale«, alten sowjetischen Uniformen, einem Porträt von Karl Marx und Flaggen aus der Sowjetunion, der DDR, Polen und Nordkorea. 180 Sogar GUS Hall, den viermaligen Präsidentschaftskandidaten der Kommunistischen Partei der USA, luden wir ein, mit uns durch das Land zu reisen. Wir engagierten Al Wallach, einen Lastwagenfahrer aus Brooklyn, um mit dem Truck kreuz und quer durch die USA zu fahren. Und dann, an einem Freitagmorgen, tauften wir unseren großen roten kommunistischen Lastwagen auf dem New Yorker Union Square und wünschten Al alles Gute, als er zur »Letzten Fahrt des Kommunismus« aufbrach. Sein Auftrag lautete, in Städten und Dörfern, bei kirchlichen Gemeindefesten und bei Zusammenkünften der Eltern-Lehrer-Vereinigung, der Parent-Teacher Association, anzuhalten und dem amerikanischen Volk die Gelegenheit zu einem liebevollen und tränenreichen Abschied von einer Idee zu geben, die, zumindest auf dem Papier, ganz wundervoll gewirkt hatte: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. Falls Al wegen eines unbedeutenden Regelverstoßes von der Polizei gestoppt werden sollte, hatte er folgende Erklärung dabei: Ich bin kein Kommunist und war auch nie einer. Ich bin ein Lastwagenfahrer, den eine Firma namens Spectre [Gespenst, A.d.Ü.] angestellt hat, um den Kommunismus durch das Land zu transportieren. Ich fahre in Frieden und fordere nicht zum gewaltsamen Sturz der Regierung auf. Ich bin nur ein Arbeiter, der Literatur transportiert, in der zum gewaltsamen Sturz der amerikanischen Regierung aufgefordert wird. Gott schütze Amerika. 181 Als Al den New Jersey Turnpike hinunterfuhr, brauchte er eine Pinkelpause. Er stellte den Sattelschlepper auf dem Lastwagenparkplatz unter dem Exxon-Emblem der Raststätte ab, und der rote Truck wurde sofort von neugierigen Autofahrern inspiziert. Ein Mann wollte wissen, ob Ho Chi Minh in dem Lastwagen sei. Ein paar Kerle tanzten wie russische Kosaken um den Truck herum. Es sah ganz danach aus, daß die Reise glatt verlaufen und der rote Sattelschlepper allen, die ihn sahen, ein bißchen Freude machen würde. (Allerdings war er noch in New Jersey, und dort freuen sich die Leute über die kleinsten Kleinigkeiten.) Wir verließen den Gartenstaat und kamen nach Philadelphia in Pennsylvania, der Geburtsstätte unserer Freiheit. Wir dachten, es wäre cool, wenn Al mit dem Truck zur Freiheitsglocke fahren und sie ein einziges Mal läuten würde. Die Polizei im National Park fand die Idee jedoch nicht so gut: Tatsächlich darf die Freiheitsglocke nicht mehr geläutet werden. Sie hat einen Riß, der irgendwann ganz durch sie hindurchgehen könnte, und dann wäre es aus mit der Freiheit. Al kapitulierte vor der hochgradigen Zerbrechlichkeit 182 unserer Freiheit und fuhr nach Süden in die Hauptstadt der USA, nach Washington D.C. Er hoffte, daß der Präsident aus dem Weißen Haus kommen und den Sattelschlepper des Kommunismus auf seiner Abschiedstournee begrüßen würde. Der große, rote, kommunistische Truck mit den Hammer-und-Sichel-Emblemen glitt langsam die Pennsylvania Avenue entlang – die Hauptstraße unserer Demokratie. Al parkte den Sattelschlepper vor dem Weißen Haus und sprang aus dem Führerhaus. Sofort war er von einer Horde von Sicherheitsleuten umringt, die ihn fragten, was zum Teufel er da mache. »Ich transportiere nur ein Stück Kommunismus, meine Herren«, antwortete Al und fingerte nervös an der Erklärung in seiner Hosentasche. »Hier darf kein Lastwagen parken, ob mit oder ohne Kommunismus«, sagte einer der Sicherheitsleute streng. »Fahren Sie das Ding hier weg, oder Sie kriegen einen Strafzettel.« Mehr brauchte es tatsächlich nicht, um Washington D. C. von dem Sattelschlepper und seiner kommunistischen Ideologie zu befreien. Die Drohung mit einem Strafzettel für falsches Parken! Warum waren wir darauf nicht schon während des Kalten Krieges gekommen? Wir hätten die Milliarden für den Rüstungswettlauf komplett sparen können. Al stieg ein und fuhr davon. Seltsamerweise wurden einen Monat später Barrikaden errichtet und das Stück Pennsylvania Avenue vor dem Weißen Haus für den Verkehr gesperrt. Es hätte uns geschmeichelt, wenn die Maßnahme etwas mit unserem großen, roten, kommunistischen Sattelschlepper zu tun gehabt hätte, doch sie war wohl eher auf die fünf Angriffe 183 zurückzuführen, die verrückte Mitbürger (darunter ein Sturzkampfbomberpilot) mit leicht beschaffbaren Waffen auf das Weiße Haus verübt hatten. Nun begann Al mit dem riskantesten Teil seiner Reise: Er fuhr in den tiefen Süden der USA, wo nicht gerade die Stammlande des Sozialismus liegen. Schon auf dem Highway wurde Al von anderen Truckern scheel angesehen, und bald schon war die Nachricht von dem »großen Kommie-Truck« auf der Interstate-Autobahn im CB-Funk ein heißes Thema. Mehrere Trucker überlegten sich Strategien, wie sie mit dem Sattelschlepper »umgehen« sollten. Ein CB-Funker brachte die Hoffnung zum Ausdruck, daß der Lastwagen auch Hillary Clinton enthalte. All dieses Geschwätz machte Al immer nervöser. Im Süden Virginias fuhr er zur Kirche des fundamentalistischen Fernsehpredigers Jerry Falwell in Lynchburg. Er fuhr mehrmals um die Kirche herum in der Hoffnung, Falwell mit den Abgasen auszuräuchern, doch der blieb in seiner Kirche und sagte dem Kommunismus nicht »Lebewohl«. An den Raststätten wurde Al zu einer kleinen Berühmtheit, aber auch zum Ziel diverser Angriffe. Mehrere Trucker kamen auf ihn zu und fragten: »Was hast du da drin?« Al antwortete stets: »Nur einen Haufen Kommunismus.« An einer Raststätte öffnete Al den Laderaum des Sattelschleppers und nahm etwas zum Lesen mit. Er fragte sich allmählich, was zum Kuckuck dieses kommunistische System eigentlich war. Da saß er nun, mampfte einen Hamburger mit Fritten und brütete dabei über der Maobibel und dem Kommunistischen Manifest. Ein Kerl am Nachbartisch wurde schrecklich wütend und sagte zu Al, er würde lieber den schlimmsten Giftmüll 184 transportieren als diesen bolschewistischen Scheiß. »Ich fahre niemals mit kommunistischem Scheiß«, knurrte der Trucker. Al steckte seine Maobibel lieber weg. Die Spannungen wuchsen, als Al durch Nord- und SüdCarolina, Georgia und Alabama fuhr. Polizisten folgten dem Truck. Kerle in Pick-ups zeigten ihm den Stinkefinger. Obwohl der Kommunismus keine Bedrohung mehr darstellte, war der bloße Anblick des roten Trucks manchen zu viel. Und so kam es, daß auf den Sattelschlepper ein Brandanschlag verübt wurde, als er vor dem Best Western der Stadt Demopolis in Alabama geparkt war. Al hatte in einem Laden in der Nähe ein paar Snacks gekauft, und als er zurückkehrte, stand das Führerhaus des Sattelschleppers in Flammen. Die Feuerwehr war bereits da und löschte den Brand. Die Polizei ermittelte. Ein Feuerwehrmann löscht das brennende Führerhaus. 185 Es ist immer noch möglich, ein Kommie zu sein Auch wenn du ein bißchen zu spät geboren bist, um noch Teil der Roten Gefahr zu werden, sei nicht traurig und fürchte nichts, die Kommies sind immer noch unter uns! Die Kommunistische Partei der USA ist nicht nur gesund und munter, sie geht auch mit der Zeit. Um mit dem Computerzeitalter Schritt zu halten, hat sie ihre eigene Website im Internet. Sie veröffentlicht die hervorragende Zeitung People’s Weekly World und die Zeitschrift Political Affairs, und sie verkauft immer noch das Kommunistische Manifest und andere bewährte Klassiker von Marx und Engels. Schau dir die Partei mal an. Vielleicht unterstützt sie in Zukunft auch nicht mehr Regime, die ihr eigenes Volk unterdrücken. 800-Nummer 1-800-923-8601 (wenn das FBI dein Gespräch unterbricht, wähle 1-212-989-4994) Website http://www.cpusa.org/ E-Mail [email protected] 186 E-Mail-Adresse [email protected] der People’s Weekly World Abteilung für Kuba-Interessierte 1-202-797-8518 Sie kam zu dem Schluß, daß es sich wahrscheinlich um Brandstiftung gehandelt hatte, aber sie konnte den Täter nicht ermitteln. Es war ein Rückschlag, aber wir bestellten ein neues Führerhaus für Al, und einen Tag später war er wieder unterwegs, um seine Reise mit dem »Marsch ans Meer« des Kommunismus zu beenden. Tatsächlich ging uns allmählich das kapitalistische Geld aus, es reichte nur noch, um Al direkt nach New Orleans zu schicken, anstatt ihn weiter kreuz und quer durchs Land fahren zu lassen. Und wir hatten noch ein weiteres Problem. Wir hatten bei unseren Nachforschungen entdeckt, daß der Transport von kommunistischem Material nach Paragraph 14358 im Strafgesetzbuch von Louisiana, dem »Subversive Activities and Communist Control Law«, immer noch illegal ist. Um Al wirklich umfassend zu informieren, hatten wir ihm ein Exemplar der offiziellen politischen Kursbestimmung Louisianas geschickt, und Al war so klug gewesen, sie zu überfliegen. »Worte sind wie Gewehrkugeln«, hieß es da. »Die Kommunisten wissen das und benützen sie als solche.« Und weiter hieß es: »… Dieser Staat ist ein Zwischenaufenthalt oder eine ›Wegstation‹ für beträchtliche Lieferungen mit gefährlicher kommunistischer Propaganda, die für den 187 Rest der Vereinigten Staaten und viele andere Länder bestimmt sind.« Obendrein las Al, daß jede Person, die die Bestimmungen gegen den Transport von kommunistischem Propagandamaterial verletzte, mit einer Geldstrafe von bis zu 10000 Dollar oder schwerer Zwangsarbeit von bis zu sechs Jahren bestraft werden konnte. Weil Al ein gesetzestreuer Bürger ist, weil er bereits die Staatsgrenze von Louisiana überschritten hatte und weil er möglichst wenig Zeit in einem louisianischen Gefängnis verbringen wollte, hielt er es für das beste, zum nächstgelegenen Polizeiposten zu fahren und sich mitsamt dem Lastwagen und dem ganzen Kommie-Krempel zu stellen. Der Sergeant am Empfang war verwirrt. Al zeigte ihm die Fotokopie eines louisianischen Gesetzes: Wenn irgendwo größere Mengen kommunistisches Material entdeckt werden, hat der Sheriff der betreffenden Gemeinde die Pflicht, sich Zugang zu dem Grundstück zu verschaffen, wo das Material gefunden wurde. Er muß alle Bewohner aus dem Anwesen evakuieren und es mit einem Vorhängeschloß verschließen, bis der Zugang durch eine richterliche Verfügung wieder erlaubt wird. Der Sergeant ließ seinen Blick von Al zu dem Gesetzestext, zu dem großen, roten Kommie-Truck vor seinem Fenster und dann wieder zu Al schweifen. »Also, ich reg’ mich nicht auf wegen dem Ding«, sagte er. »Und Sie sollten sich auch nicht aufregen.« Al schaffte es schließlich an den Golf von Mexiko, wo die 10000 kommunistischen Gegenstände auf einen 188 Frachtkahn geladen und aufs Meer hinausgeschickt wurden. Al stand am Ufer und winkte zum Abschied. Er hatte sich auf seiner Reise mit der kommunistischen Ideologie angefreundet und war traurig, als sie in der untergehenden Sonne verschwand. Wie ihr euch vorstellen könnt, war es nicht leicht zu erreichen, daß der Beitrag über den roten Kommie-Truck gesendet wurde. Als die Manager die sehr lange, achtzehnminütige Fassung sahen, waren sie überzeugt, daß wir Werbung für den Kommunismus machten. Weil wir merkten, daß sie uns ans Leder wollten, schnitten wir den Beitrag auf neun Minuten zusammen, indem wir unter anderem die Szene mit dem Frachtkahn wegließen, und brachten ihn durch die Zensur. Er wurde einer der beliebtesten Kurzfilme von TV Nation. Und er wird schon deshalb in die Geschichte eingehen, weil in ihm das erste und einzige Mal Gus Hall zur Hauptsendezeit in einer Fernsehsendung gezeigt wurde, die von mehr Menschen gesehen wurde, als ihn bei den letzten vier Präsidentschaftswahlen zusammen gewählt hatten. Manchmal gibt es noch Gerechtigkeit. 189 19 Die Klos der Gerechtigkeit Du kennst die Szene. Du bist in einem Konzert, in einem Film oder auf einem Ball, und die Männer, die »mal kurz müssen«, gehen in Rekordzeit aufs Klo: keine Wartezeit, keine Streitereien, keine Notwendigkeit zu putzen nach erledigter Verrichtung. Beim WC der Damen sieht das bekanntlich ganz anders aus. Die Schlange kommt aus der Tür und zieht sich den ganzen Gang entlang. Und sie bewegt sich so langsam vorwärts, daß man meinen könnte, bei den Frauen bestünde die Blase aus einem anderen, stärkeren Material als bei den Männern. Was ist schlimmer, der Kampf, daß »es« nicht in die Hose geht, oder daß »der Kampf« scheinbar zu Ende ist! Der Feminismus ist ja so passé heutzutage. Oh, nur noch 32 Frauen, bis ich mich erleichtern kann. Natürlich, ein paar tapfere Frauen sagen ab und zu »scheiß drauf« und benutzen einfach die Herrentoilette. Den Männern gefällt es, wenn sich die besiegte weibliche Blase dem Königreich des Pissoirs beugen muß. Die Frauen müssen nicht nur die Demütigung ertragen, daß sie zuvor zehn Minuten in einer Schlange standen, die aussah wie ein Stück von »Hands Across America«, jener quer über den Kontinent reichenden Menschenkette, die Mitte der achtziger Jahre unter Beteiligung Ronald Reagans gebildet wurde, um Geld für die amerikanischen Armen zu sammeln. Sie müssen auch noch das Feixen und die Pfiffe der Männer ertragen. Gelegentlich wird sogar die Polizei geholt und nimmt Übeltäterinnen in der Herrentoilette fest. Natürlich sollten 190 die Beamten eigentlich diejenigen festnehmen, die für den Mangel an Damentoiletten verantwortlich sind: die Planer, die Architekten, die Bauunternehmer, die Klempner. Moment mal, haben die nicht alle etwas gemeinsam? Schauen wir mal. Wann kam das letzte Mal eine Klempnerin, als eure Toilette verstopft war? Wann hattet ihr es das letzte Mal mit einem Architekten oder Bauunternehmer zu tun, der ein doppeltes X-Chromosom hatte? Tatsache ist, es gibt wenig weibliche Architekten, Bauunternehmer und Klempner, also sind Leute, die noch nie in einer Schlange vor der Toilette gestanden sind, dafür verantwortlich, daß Frauen in dieser Schlange stehen müssen. Wir riefen einen Architekten und einen Klempner an und fragten, warum sie grundsätzlich nicht genügend Damentoiletten einplanten und einbauten. Hier ist eine Zusammenfassung ihrer Antworten: »Es läßt sich einfach nicht leugnen, daß Frauen auf dem Örtchen länger brauchen, deshalb ist dort auch die Schlange länger. Sie müssen das Kleid öffnen, die Strumpfhalter aufmachen, den Slip herunterziehen und sich hinsetzen. Männer holen ihr Ding einfach raus und los! Und wenn die Frauen fertig sind, machen sie noch vor dem Spiegel herum, tragen neuen Lippenstift auf, bessern ihren Lidschatten aus und nehmen sich einfach insgesamt viel Zeit. Und sie reden gern miteinander. Männer haben sich im Pissoir nichts zu sagen. Sie gehen einfach nur rein und raus.« 191 Die Klos der Gerechtigkeit rollen durch das Land. Jungs, das klingt vernünftig, stimmt’s? Letztlich läuft alles auf dasselbe hinaus: Es kostet mehr Geld, eine Toilette mit Kabinen zu bauen als ein Pissoir, deshalb müssen die Frauen warten. Wir fanden es angebracht, in einer Zeit des schwächelnden Feminismus (eine Schwäche, die wenigstens teilweise dadurch verursacht ist, daß sich manche Feministinnen nicht um die Probleme der Arbeiterklasse kümmern) nicht zu einem abstrakten politischen Problem Stellung zu beziehen, sondern uns für ein grundlegendes Bedürfnis einzusetzen, das so allgemein war, daß alle Frauen unserer politischen Bewegung Beifall spenden würden. Wir wollten uns für das Recht der Frauen einsetzen, »zu pinkeln, wann immer sie wollten und so schnell sie wollten«. Also mieteten wir einen Pritschenwagen und ein halbes Dutzend transportabler Klohäuschen und schufen die Klos der Gerechtigkeit. Unser Ziel: Frauen sollten sich mit Stolz und in Würde – aber ohne Wartezeit! – erleichtern können. 192 Karen Duffy winkt der Menge. Die Klos der Gerechtigkeit wurden von Karen Duffy, einer Berichterstatterin von TV Nation, kreuz und quer durch Amerika gefahren. Sie hielt vor Konzertsälen, Baseballstadien, Kinos und Theatern am Broadway und verkündete den Frauen an diesen Orten, daß sie an diesem Tag nicht warten mußten: SIE KONNTEN HIER UND JETZT AUFS KLO. Karen animierte die Frauen per Megaphon mit dem Spruch »Give me a P(ee)!« und mit folgendem Gedicht, ihr Angebot zu nutzen: Frauen und Mädchen, seid nicht scheu, kommt an Bord und pißt euch frei! Wir schrieben sogar unsere eigene Hymne »Die Klos der 193 Gerechtigkeit« und sangen sie, wohin wir auch kamen. Zu Dutzenden verließen die Frauen die Schlangen der Unwürdigkeit und strömten hinaus auf die Straße, wo sie unsere sauberen, gut beleuchteten, wohlriechenden, transportablen Klohäuschen benutzten. Sie waren begeistert. Befreit! Und wenn sie aus der Toilette kamen, schenkte ihnen Karen auch noch ein heißes Handtuch. Die Klos der Gerechtigkeit machten mit Sicherheit Eindruck und bewirkten etwas, aber das ist keineswegs die ganze Geschichte. In vielen Betrieben ist der Mangel an Toiletten für das weibliche Personal gesundheitsschädlich, und in einigen Fällen hat er dazu geführt, daß Frauen ihren Arbeitsplatz verloren. Karen erklärt dem Polizisten, »daß sie einfach mal muß«. Pro Line, ein Hersteller von Baseballkappen und anderen Kopfbedeckungen für Sportler in der Nähe von Dallas in Texas, hatte von der Behörde für Sicherheit und 194 Gesundheit am Arbeitsplatz (OSHA) eine Vorladung erhalten, weil das Unternehmen nicht genügend Toiletten für sein weibliches Personal bereitstellte. Die Geschäftsführung analysierte das Problem und kam zu dem Schluß, daß es billiger war, alle Frauen zu feuern, als eine weitere Frauentoilette zu bauen. Die Entlassung der Frauen hatte zur Folge, daß die Kommission für Chancengleichheit in der Arbeitswelt (EEOC), die mit zu wenig Personal und einem dürftigen Budget für die amerikanische Zentralregierung über die Bürgerrechte wacht, Pro Line verklagte. Wir suchten einige der gefeuerten Frauen auf und interviewten sie. Sie berichteten von ihrem Kampf um elementarste Rechte. Bei Pro Line hatten fast 150 Frauen, aber nur 6 Männer gearbeitet, und trotzdem hatte es für Männer und Frauen gleich viele Toiletten gegeben: jeweils eine. Pro Line aber machte die OSHA für die Entlassungen verantwortlich. Wir führen mit den Klos der Gerechtigkeit nach Dallas und stellten den Lastwagen auf dem Parkplatz von Pro Line ab. Karen verkündete, daß wir dem Unternehmen kostenlos Toiletten zur Verfügung stellten. Das Management rief sofort die Polizei. Minuten später waren die Beamten da und drohten, Karen und die Crew festzunehmen und die Toiletten zu beschlagnahmen. Karen erklärte ihnen, wer die eigentlichen Schuldigen waren, und die Beamten hatten großes Verständnis für unser Anliegen. Trotzdem sagten sie, daß wir uns unbefugt auf gesetzlich geschütztem Privatbesitz befänden. Sie forderten uns ein zweites Mal auf, das Grundstück zu verlassen. Und die Klos der Gerechtigkeit rollten von dannen. 195 196 Kurz darauf hörten wir von einer Konservenfabrik in Oxnard, Kalifornien, wo die Frauen das Fließband nicht 197 verlassen durften, um sich zu erleichtern. Wir machten uns natürlich sofort auf den Weg in den Goldenen Staat. Acht Arbeiterinnen hatten wegen sexueller Diskriminierung gegen Nabisco Foods Klage erhoben, weil sie sich nur in den Pausen erleichtern durften, die Männer aber jederzeit. Einige Frauen hatten Blaseninfektionen bekommen, andere trugen Windeln bei der Arbeit. Wieder fuhren wir mit unseren Klos der Gerechtigkeit auf das Firmengelände, und wie erwartet rief auch diese Firma die Polizei. Wieder wurde uns mit Festnahmen gedroht. Diesmal jedoch befand sich unter den Polizisten eine Frau und naja, sagen wir einfach, daß Schwesterlichkeit ein durchaus mächtiger Faktor sein kann, wenn es um ein elementares Bedürfnis geht. Die Polizistin mußte sich mächtig anstrengen, um ein Grinsen zu unterdrücken, und wir gaben ihr eine Baseballkappe und ein T-Shirt mit der Aufschrift »Klos der Gerechtigkeit«. Danach fuhren wir weg, aber erst, nachdem wir den Managern der Dosenfabrik den GospelKlassiker »Let Your Women GO!« vorgesungen hatten. Wenn ihr also das nächste Mal eine Frauenschlange seht, die sich den ganzen Korridor entlangzieht, weil Mann nicht genug Toiletten gebaut hat, stellt euch einfach vor die Frauen hin und intoniert mit ihnen den fröhlichen Sprechchor »Klos der Gerechtigkeit!« 198 20 Mit solchen Nachbarn Als Jeffrey Dahmer aus seiner Wohnung in Milwaukee abgeführt wurde, weil er 16 Menschen abgeschlachtet und zum Teil gegessen hatte, sagten alle Nachbarn, er habe immer wie ein netter Junge gewirkt. Nein, sie hätten nicht bemerkt, daß er mitunter ein 200-Liter-Faß in seine Wohnung schleppte. Auch von dem verrottenden Fleisch hätten sie nichts gerochen. Auch bei der Polizei hatte man sich nichts gedacht, als ein 14jähriger Junge nackt und schreiend aus Dahmers Wohnung gelaufen kam. Man hatte den Jungen sogar wieder bei Dahmer abgeliefert, damit er die Hinrichtung des Kindes vollstrecken konnte. Es ist immer das gleiche: Die Polizei fängt einen Serienmörder, und die Nachbarn tun total überrascht. Nie haben sie mehr wahrgenommen, als daß er vielleicht »ein bißchen seltsam« war oder daß er »lieber für sich blieb«. John Wayne Gacy vergrub 27 Kinder unter den Bodenbrettern seines Hauses. Natürlich hörten die Nachbarn die Kettensäge um 3.00 Uhr morgens kreischen. Aber wir leben schließlich in Amerika, und wir haben verdammt noch mal das Recht, morgens um drei ein bißchen Holz zu sägen, ohne daß sich gleich jemand einmischt. Joel Rifkin trug mehrmals einen Leichensack aus dem Haus, wenn er um 8.00 Uhr zur Arbeit ging. Niemand schien das aufzufallen. Die Nachbarn dachten wahrscheinlich, er hätte in seinem Büro ein großes Projekt laufen. John Esposito hielt die kleine Katie in einem Bunker gefangen, den er in seinem Hinterhof gegraben hatte, und die Nachbarn fanden es sympathisch, daß er so 199 viel in seinem Hinterhof werkelte. Das FBI schätzt, daß in den USA heute annähernd 100 Serienmörder am Werk sind. Einer wohnt vielleicht neben dir. Aber woher sollst du das wissen? Stell dir mal folgende Frage: Weißt du überhaupt, wer in dem Haus neben dir wohnt? Und wie steht es mit denen, die zwei Häuser weiter wohnen? Womit verdienen sie ihren Lebensunterhalt? Wie heißen ihre Kinder? Es ist noch nicht lange her, daß wir alle in Stadtvierteln aufwuchsen, wo man von jeder einzelnen Person im Block den Namen kannte. Man kannte seine Nachbarn persönlich und hatte eine Beziehung zu ihnen. Heute ist das nicht mehr der Fall. Wir tun unser möglichstes, um unseren Nachbarn auszuweichen. Wir wollen gar nicht wissen, wer sie sind, weil wir so verdammt müde von der Arbeit kommen und nur noch in Ruhe gelassen werden wollen. Du willst eine Tasse Zucker borgen? Geh doch in den scheiß Supermarkt! Um unsere Theorie zu testen, daß die Leute es nicht merken würden, wenn ein Serienmörder in ihrer Nachbarschaft lebte – und daß sie absolut nichts unternehmen würden, falls sie doch Verdacht schöpfen sollten –, fuhren wir nach Westbury auf Long Island. Wir mieteten ein Haus in einem netten Vorstadtviertel und engagierten einen Schauspieler, der wie einer der Papis in der Heimwerkerserie Hör mal, wer da hämmert aussah. 200 Dann ließen wir unseren Schauspieler all die schrecklichen Dinge tun, die ein erstklassiger Serienmörder auch tut. Wir rüsteten ihn mit Metallsägen, Äxten, Spitzhacken, Anleitungen zum Bombenbau und Frauenkleidern aus. Er vergrub nicht nur ein 200-LiterFaß, sondern zehn 200-Liter-Fässer im Garten vor und hinter seinem Haus. Er arbeitete um 2.00 Uhr morgens mit Maschinen. Er feuerte um 4.00 Uhr morgens eine Schußwaffe ab. Außerdem waren im Haus und in seiner Umgebung überall Blutflecken zu sehen. 201 All diese Dinge erregten nicht die geringste Aufmerksamkeit. Unser Mann änderte die Nummer seines Briefkastens von 6 auf 666, und es störte niemanden, nicht einmal den Briefträger. Er ließ laute satanische Musik laufen. Er ging im Haus auf und ab und stieß in unregelmäßigen Abständen ein lautes Geheul aus. Er goß falsches Blut auf eine Matratze und legte sie als Sperrmüll an den Straßenrand. Niemand fiel etwas auf, niemand kümmerte sich um ihn. Nur ein Hund aus der Nachbarschaft schnüffelte an der Matratze, weil sie ihm seltsam vorkam. Aber sein Herr achtete nicht darauf und zog das Tier einfach weiter. Wir machten tagelang so weiter, aber in der gemütlichen kleinen Schlafstadt ging alles seinen normalen Gang, ohne daß die Aktivitäten unseres Mannes jemandem aufgefallen wären. Gegen Ende der Woche entschlossen wir uns zu einer weiteren Provokation. Unser Mann hängte ein großes Transparent an seine Veranda und kündigte für Samstag um 13.00 Uhr ein »Picknick nur für Kinder« an – ohne Eltern. Wir waren sicher, daß nun etwas passieren würde, 202 aber überraschenderweise rief niemand die Polizei. Schließlich, am Sonntag, ließen wir unseren Gastberichterstatter Jonathan Katz bei den Nachbarn die Runde machen. Er fragte, ob sie drüben bei Nr. 666 nichts Seltsames wahrgenommen hätten. Die meisten Nachbarn gaben zu, daß sie etwas gemerkt hatten, aber sie hatten nicht reagiert, weil sie der Ansicht waren, das Leben ihres Nachbarn gehe sie nichts an. Eine Nachbarin sagte, sie habe die Polizei gerufen, weil sie laute, unheimliche Musik gehört habe. Doch die Polizei war nicht gekommen, und sie habe danach nichts weiter unternommen. Als wir die Leute in dem Viertel über unser Experiment aufklärten, bekamen sie eine große Wut auf uns. Die Stadt Westbury engagierte einen Anwalt, der uns wegen »psychischer Nötigung« verklagen sollte. Als Jim Czarnecki, der Produzent des Beitrags, in das Haus zurückkehren mußte, um aufzuräumen, stieß er auf einige sehr feindselige Nachbarn. Er machte das Haus sauber und suchte so schnell wie möglich das Weite. Um die Lage zu beruhigen, fuhr unser Supervising Producer Jerry Kupfer nach Westbury, trank Cocktails mit den Nachbarn und versuchte, ihnen unsere Sicht der Dinge zu erklären. Die meisten hatten Verständnis, und wer keines hatte, erhielt einen druckfrischen Hundertdollarschein, weil wir ihm solche Angst eingejagt hatten. Bei NBC fand man den Beitrag ausgesprochen geschmacklos und erwog, ihn nicht zu senden. Schließlich wurde er doch ausgestrahlt, aber wir mußten das Transparent mit dem »Kinderpicknick« herausschneiden. Auch die Idee, eine Ziege im Vorgarten anzubinden und zu opfern, hatten wir nicht verwirklichen können. Sie war an unserer Angst vor militanten Tierschützern gescheitert. Eigentlich hätten wir ja vor den Satanisten, 203 deren Religion wir verspotteten, mehr Angst haben müssen, aber wir können euch versichern, daß bei einer Fernsehgesellschaft, die General Electric gehört, niemand Angst vor dem Teufel hat. Einige Jahre später informierte uns der Regisseur Quentin Tarantino, daß »Nachbarn« sein Lieblingsbeitrag in TV Nation gewesen sei. Dank dieses Lobs verkrafteten wir den Verzicht auf die Enthauptung der Ziege viel besser. 204 21 Die Krankenversorgungsolympiade Vierzig Millionen Amerikaner haben keinerlei Krankenversicherung, aber das schert niemanden einen feuchten Kericht. Die Wall Street ist gesund, nur darauf kommt es an! In anderen Ländern ist man über diese Zahl entsetzt. Kein Kanadier, Brite, Deutscher oder Kenianer kann verstehen, daß unsere nationale Gesundheitspolitik nach dem Motto funktioniert: »Du bist krank? Pech gehabt!« Fast noch schlimmer ist, daß die Personen, die versichert sind, ihrer Health Maintenance Organisation, auch Hand The Money Over (her mit dem Geld) genannt, unglaublich viel Geld zahlen müssen. Bei einer HMO bekommt man keine Hilfe, man wird abgezockt und verwaltet. Derweil werden die Leute an der Spitze dieser HMOs stinkreich. 1996 kassierte der Chef des HMOUnternehmens U. S. Healthcare fast eine Milliarde Dollar Aufwandsentschädigung für sich persönlich. Ganz recht, eine Milliarde. Ist es bei diesen Zuständen ein Wunder, daß die USA bei der Kindersterblichkeit im Vergleich mit allen Nationen auf dem 23. Platz liegen? Wir können binnen weniger Stunden ein Dutzend Schlachtschiffe an den Persischen Golf schicken, aber wenn du Angst hast, daß aus den Halsschmerzen deines Kindes etwas Schlimmeres werden könnte, mußt du eine Nummer ziehen und so lange in einer Ambulanz warten, bis alle Leute mit Schußwunden behandelt worden sind. Laut unseren Volksvertretern im Kongreß – die sich während beider Amtszeiten eines Präsidenten, der sich die 205 Gesundheitsreform auf die Fahnen geschrieben hatte, strikt weigerten, auch nur das Geringste zur Verbesserung der Krankenversorgung zu unternehmen – ist unser Gesundheitssystem in einem wunderbaren Zustand und dem aller anderen Länder um Lichtjahre voraus. Die einzigen Probleme, die diese Abgeordneten sehen, sind erstens: Sozialhilfeempfänger, die zuviel Steuergelder verschlingen, weil sie die Frechheit haben, krank zu werden. Zweitens: Rechtsanwälte, die Ärzte wegen Untätigkeit verklagen. Bob Costas und Ahmad Rashad, die Moderatoren der Krankenversorgungsolympiade von TV Nation. Wir sehen uns gern als die Nummer Eins, also beschlossen wir, unser Gesundheitssystem mit den Systemen von Kanada und Kuba zu vergleichen. Wir nannten das Ganze Krankenversorgungsolympiade und dachten, es wäre interessant, jeweils einen Patienten mit einem gebrochenen Knochen in Kanada, in Kuba und in den guten alten USA von der ersten Untersuchung in der Ambulanz bis zu dem Moment zu begleiten, in dem er die Rechnung des Krankenhauses bekommt. 206 Das kanadische Team im Sunnybrook Health Science Center. Wir baten die Sportjournalisten Bob Costas und Ahmad Rashad, über den Wettbewerb zu berichten. Sie hielten uns in unserem New Yorker Studio über die Geschehnisse auf dem laufenden, bis feststand, wer in der ersten je im Fernsehen übertragenen Krankenversorgungsolympiade die Goldmedaille gewonnen hatte. Schauen wir uns einfach an, was Costas und Rashad berichteten, als die Olympiade bereits begonnen hatte: Bob Costas: Beteiligt sind folgende Länder: USA, Kanada und Kuba, sowie folgende Krankenversorgungssysteme: ein privatwirtschaftliches, eines mit staatlicher Krankenversicherung und ein sozialistisches. Die Disziplin: Beine, Sprunggelenke, Füße. Heute abend treffen einige der besten Krankenversorgungsexperten der Welt in dem überaus harten Wettbewerb der Krankenversorgungsolympiade von TV Nation zum zweiten Mal aufeinander. Erleben Sie, wie unser Team in Florida mit den Widrigkeiten eines auf privaten Krankenversicherungen 207 beruhenden Systems kämpft, um Amerikas führende Position in Forschung und Technik zu verteidigen. Amerikanischer Arzt: Ich finde, wir leisten großartige Arbeit hier in Amerika, wir liegen wirklich ganz vorn. Costas: Und nun nach Toronto in Ontario. Wird Kanada auch weiterhin mit der leichten Zugänglichkeit und Unkompliziertheit seiner allgemeinen Krankenversicherung punkten? Kanadische Krankenschwester: Sie können einfach kommen, ohne daß Sie sich über die Bezahlung Sorgen machen müssen. Costas: Und nun schalten wir um in die kubanische Hauptstadt Havanna. Kann dieses Land der Dritten Welt trotz schwerer wirtschaftlicher Probleme immer noch mit den medizinischen Großmächten der industrialisierten Welt konkurrieren? Kubanische Krankenschwester: Wir haben ein sehr gutes System. Costas: Guten Abend, liebe Zuschauer, ich bin Bob Costas. Auch heute war wieder ein aufregender Tag im Wettkampf der drei Länder in der Disziplin Versorgung der unteren Extremitäten, auch Beine genannt. Heute abend werde ich gemeinsam mit meinem langjährigen Kollegen Ahmad Rashad über die Krankenversorgungsolympiade von TV Nation berichten. Ahmad Rashad: Vielen Dank, Bob. Du weißt schon, immer wenn zwei starke staatliche Systeme und ein solides marktwirtschaftliches System miteinander in den Clinch gehen, wird es mit Sicherheit sehr spannend, und in dieser Beziehung war auch der heutige Tag keine Ausnahme. Costas: Das finde ich auch. Nach welchen Kriterien haben die Schiedsrichter hauptsächlich geurteilt? 208 Rashad: Also, die Leistung der Ambulanzen wurde nach folgenden Kriterien bewertet: Zugang, Behandlungsqualität, Kosten. Costas: Okay, dann beginnen wir unseren Bericht mal hier in den USA, wo strenge Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden und der Wettbewerb mit einem Sprechchor begann. Das Team in der US-amerikanischen Ambulanz: Die USA sind Nummer Eins! Costas: Ort des Wettkampfs war das Broward General in Florida. Der Patient betrat das Krankenhaus ohne fremde Hilfe, setzte sich auf einen Stuhl und wartete gespannt, was als nächstes passieren würde. Rashad: Das ist interessant, Bob. Lange Wartezeiten sind doch eigentlich eher typisch für Kanada, weil dort die Krankenversorgung wegen begrenzter Ressourcen rationiert ist. Aber wie wir gesehen haben, ist der Patient im Sunnybrook Health Science Center in Ontario völlig reibungslos aufgenommen worden. Costas: In Kuba dagegen, im Colesto General, ist der Patient mit dem Krankenwagen eingeliefert worden. Seine Verletzung dürfte also schwerer sein. Rashad: Stimmt genau, Bob. Also, wenn wir uns das mal kurz ansehen können: Hier kommt der Patient schon mit einem behelfsmäßigen Gips und ersten Röntgenbildern in die Ambulanz. Das liegt daran, daß er zuerst bei seinem Hausarzt war. Costas: In den USA wurde der Patient einer Triage unterzogen, bei der über den Dringlichkeitsgrad seines Behandlungsbedarfs entschieden wurde. In Kuba dagegen wurde der Patient sofort versorgt. Dort war keine Triage erforderlich. Nach der Aufnahme wurden die Patienten in Kanada und den USA jeweils in eine Art Wartebereich verbannt. 209 Rashad: Das ist nicht unbedingt ein schlechter Ort, Bob. Wie wir gesehen haben, versorgen einige Teilnehmer sogar ihre Kranken auf dem Gang. Costas: Klar. Aber konnte das Sprunggelenk des Kanadiers dort nicht noch mehr Schaden nehmen, als wenn er wie in den USA in einer Kabine gewartet hätte? Rashad: Ja, das entspricht wirklich den Tatsachen, weil nämlich ein harmloser, aber unachtsamer Mitpatient ausgerechnet auf das verletzte Bein trat. Wenn wir uns das Band nochmal ansehen, darauf sieht man den unabsichtlichen Zusammenstoß – JA, GENAU HIER. AU WEIA! Zum Glück hat der Patient keinen zusätzlichen Schaden erlitten, aber das war trotzdem ein ziemlich übler Moment in Sunnybrook. Costas: Und es ist gut, daß er erst auf dem Weg zum Röntgen war, genau wie die Patienten in Kuba und den USA. Der Wettkampf wird jetzt wirklich spannend, finde ich. Ahmad, wie würden Sie die erste Hälfte des Wettbewerbs zusammenfassen? Das Team der USA am Broward General in Florida. 210 Rashad: Nun, Bob, wie wir gesehen haben, hatten die USA wirklich zu kämpfen, was den Zugang zur Krankenversorgung betraf. Aber das ist ein Gebiet, auf dem sie schon lange einen gravierenden Nachteil haben, weil ja 40 Millionen ihrer Bürger nicht krankenversichert sind. Was die Behandlungsqualität betrifft, haben alle drei Länder ihre Patienten etwa gleich schnell und effizient aufgenommen. Costas: Zum Glück für Kanada spielt die Existenz von Wartelisten bei der Notaufnahme keine Rolle. In anderen Bereichen jedoch müssen die Kanadier wegen der begrenzten Budgets der Krankenhäuser manchmal monatelang warten. Die USA sollten nun, in der zweiten Hälfte des Wettbewerbs, mit ihrer überlegenen Technologie und Ausrüstung eigentlich Boden gutmachen. Kuba dagegen könnte jetzt ins Hintertreffen geraten. Dort sind nämlich bestimmte Medikamente und wichtiges medizinisches Material Mangelware, wegen des seit 33 Jahren bestehenden Handelsembargos der USA und weil die Sowjetunion das Inselvolk nicht mehr unterstützt. Rashad: Aber Kuba wird bestimmt bei den Kosten einen großen Vorsprung herausholen, weil man dort den Patienten überhaupt nichts berechnet. Und Kanada ist in dieser Kategorie ebenfalls stark, weil der Staat fast alle Kosten trägt. Costas: Wie haben die Trainer die Leistung ihrer Teams in der ersten Hälfte des Wettbewerbs beurteilt? Rashad: Es war sehr interessant. Alle drei wirkten recht optimistisch. Sie haben sich wie folgt geäußert: Will Trower (USA): Ich würde nicht unbedingt sagen, daß ich der Trainer bin. Ich bin einer der Trainer. Jose Lara Tunon (Kuba): Die Krankenversorgung kostet unsere Patienten nichts, weil sie bei uns ein Bürgerrecht ist. Peter Ellis, der Chef von Sunnybrook (Kanada): 211 Wenn 30 Prozent des Landeshaushalts für die Krankenversorgung ausgegeben werden, wird man zur absolut bevorzugten Zielscheibe, wenn die Regierung versucht, die Staatsverschuldung abzubauen. Will Trower (USA): In einer so großen und komplexen Einrichtung wie der unseren gibt es eine ganze Reihe von Teams, wie Sie sich sicher vorstellen können. Wir versuchen, möglichst gut zu kooperieren und einander zu unterstützen. Costas: Und wir nähern uns dem Ende der ersten Halbzeit mit einer schönen Aufnahme unseres Kamerateams aus dem kubanischen Wettkampfort. Danke Jungs! Diese Leute arbeiten hart. Bestimmt gibt es eine spannende zweite Halbzeit, Ahmad. Rashad: Darauf kannst du wetten, Bob. Costas: Und nun zurück zum Geschehen. Die Radiologen und die anderen Ärzte haben die Patienten genauer untersucht und in Kanada einen haarfeinen Riß im Knochen, in den USA eine böse Verstauchung und in Kuba einen ausgewachsenen Beinbruch diagnostiziert. Rashad: Nachdem das gebrochene Bein in einer Operation gerichtet worden war, interviewten wir das kubanische Team in der Garderobe. Dr. Rafael Piorno Rermoselle: Ich bin völlig zufrieden, weil ich wieder einmal ein Problem im Zusammenhang mit dem menschlichen Körper gelöst habe. Costas: Wie unsere letzte Zeitmessung beweist, war die Wartezeit der Patienten in den industrialisierten Ländern länger, bis sie ihren Gips bekamen. In Kanada betrug die Wartezeit vor dem Gips 2 Stunden und 15 Minuten … … und in den USA l Stunde und 15 Minuten. In dieser Zeit sorgten die Kubaner dafür, daß es ihrem jungen Patienten wieder gut ging. Er hatte ja im Gegensatz zu den Patienten in 212 Kanada und den USA einen echten Bruch, so daß eine Operation nötig war, um das Bein zu richten. Die Behandlung war also ein großer Erfolg für das Colesto General. Rashad: Im kanadischen Team tat sich beim Eingipsen vor allem ein Arzt als Star hervor, während sich in den USA alle Mitglieder des Teams als sehr kompetent erwiesen. Am Ende waren die Patienten in allen drei Ländern gut versorgt. Costas: Mann, das war vielleicht aufregend, fast als wäre ich selbst dabeigewesen. Rashad: Hervortagendes Filmmaterial. Costas: Dem kann ich nur zustimmen. Also, der Punktestand ist gerade gemeldet worden, und wie wir alle schon geahnt haben, läuft alles auf das große »K« hinaus: die Kosten. In Kuba … Arzt: muß der Patient nichts bezahlen. Costas: In Kanada … Krankenschwester: bezahlt er 15 Dollar für die Krücken, die er gerade erhalten hat. Das ist alles. Costas: Und in den USA … Leiter der Krankenhausverwaltung: wird dem Patienten folgendes in Rechnung gestellt: 80 Dollar für den Besuch in der Ambulanz des Krankenhauses; 137 Dollar für die Röntgenaufnahme von einem Fuß; 44 Dollar für die elastische Binde; 118 Dollar für die Röntgenaufnahme von einem Sprunggelenk; 16,90 Dollar für die beim Röntgen verwendeten Chemikalien und 46 Dollar für Krücken. Gesamtkosten: 441,90 Dollar. Rashad: Es kann leider noch eine Weile dauern, bis die USA ihr Krankenversicherungsproblem gelöst haben, aber immerhin kamen sie mit einer soliden Leistung auf den dritten Platz. Kuba hatte einige wirklich großartige 213 Momente und konnte mit seinem umfassenden Krankenversorgungssystem punkten, aber wenn es keinen Weg aus seiner wirtschaftlichen Isolation findet, wird es schwer sein, das System aufrechtzuerhalten. Kuba kam auf den zweiten Platz. Das kubanische Team im Colesto General. Costas: Es ist unser Nachbar im Norden, der mit seinem über 20 Jahre alten, allgemeinen Krankenversicherungssystem den Sieg davongetragen hat. Kanada bekommt die Goldmedaille für das Jahr 1994 in der Disziplin untere Extremitäten. Ja, hier sehen wir das kanadische Team, wie es die Siegesfahne schwenkt, während wieder einmal ein Bericht von TV Nation über die Krankenversorgungsolympiade dem Ende zugeht. Und jetzt noch eine wichtige Einschränkung: Der Wettkampf bezog sich nur auf Verletzungen der unteren Extremitäten. Wer weiß, wie das Ergebnis in Disziplinen wie Gallenblase, Mandelentzündung oder Fettabsaugen 214 ausgesehen hätte. Danke fürs Zuschauen, Ihr Bob Costas. Rashad: Und Ihr Ahmad Rashad. Gute Nacht. Beide: Und bleibt gesund, Leute. Wie ihr wißt, war TV Nation eine nicht fiktionale, dokumentarische Sendung. Wir arbeiteten mit Humor und inszenierten bestimmte Situationen, um unseren Standpunkt zu verdeutlichen, aber alles, was in der Sendung zu sehen war, wurde aufgenommen, als es tatsächlich passierte. Außer bei diesem Beitrag. Zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte von TV Nation zwangen uns die Zensoren von NBC, das Ende eines Beitrags zu verändern. Tatsache ist, daß bei fairer Anwendung der Beurteilungskriterien Kuba gewonnen hätte. Es bot die beste Versorgung in der kürzesten Zeit, und sie kostete den Patienten keinen Cent. Die Zensoren jedoch erklärten uns, daß es politisch völlig unmöglich sei, Kuba in der Hauptsendezeit siegen zu lassen. Wir sollten Kanada zum Sieger erklären. Wir verhandelten bis unmittelbar vor Beginn der Sendung und argumentierten, daß eine solche Entscheidung sowohl unaufrichtig als auch ziemlich dumm sei. Wir fragten die Zensoren, ob sie glaubten, es werde eine neue Kubakrise geben, wenn wir zeigten, daß die Kommies gesiegt hatten. Oder ob sie eine neue Massenflucht über das Meer fürchteten, diesmal jedoch in umgekehrter Richtung mit Hunderten von Amerikanern, die wegen einer anständigen und erschwinglichen Krankenversorgung nach Kuba flohen? Wir konnten uns nicht durchsetzen, und der Beitrag wurde mit Kanada als Sieger gezeigt. Da fragt man sich doch automatisch, was im Fernsehen sonst noch »verändert« wird, wenn nicht einmal ein so harmloser Beitrag in seiner ursprünglichen Form ausgestrahlt werden darf. 215 22 Cobb County Im November 1994 gewannen die Republikaner unter Führung von Newt Gingrich die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses. Sie hatten mit einem Programm kandidiert, das die Zentralregierung demontieren wollte. Sie waren ganz entschieden gegen praktisch alles, wofür diese Regierung stand. Sie versprachen, die Bundesausgaben radikal zu kürzen, angefangen bei der Sozialhilfe und anderen Programmen, die sie der linksliberalen Agenda zurechneten. Diese Haltung warf natürlich zwei Probleme auf. Erstens waren die Republikaner dafür verantwortlich, daß die amerikanischen Staatsschulden unter den Regierungen Reagan und Bush um satte drei Billionen Dollar gestiegen waren. Die Erwartung, daß ausgerechnet sie die Staatsausgaben kürzen würden, war deshalb mindestens genauso abwegig wie die Erwartung, daß im Jahr 2000 Al Gore Präsident werden würde. Wir wissen inzwischen, daß beides nicht passiert ist. Das zweite Problem bestand darin, daß das amerikanische Volk seine Regierung eigentlich liebte. Als die Republikaner 1994 alle Bundesbehörden dichtmachen wollten, reagierte die Öffentlichkeit mit massiver Ablehnung. Die Leute wußten, daß der Scheck mit der Sozialhilfe am ersten des Monats von der Zentralregierung finanziert wurde, genau wie die Studienbeihilfen des Student Loan Office und die Flugsicherung, die dafür sorgte, daß die Oma gesund aus dem Urlaub zurückkam und nicht am Mount St. Helens zerschellte. Ja, es stellte sich tatsächlich heraus, daß wir, das Volk, die 216 Bundesregierung doch nicht haßten. Die Republikaner hatten sich in dieser Hinsicht eine schwere Fehleinschätzung geleistet. Ihre Politik war vollends desavouiert, als das Gebäude der Bundesbehörden in Oklahoma City in die Luft gesprengt wurde, weil die Täter einen blinden, irrationalen Haß auf die Zentralregierung hegten. Der häßliche Ton, den die Republikaner angestimmt hatten, fand seinen logischen Abschluß in dem Bombenanschag auf das Murrah Building, bei dem 168 Menschen ums Leben kamen. Dies alles hielt Newt Gingrich jedoch nicht davon ab, weiter seiner Anti-Washington-Rhetorik zu frönen. Deshalb war es höchste Zeit, daß sich TV Nation um ihn kümmerte. Wir recherchierten ein bißchen (vor allem in der Zeitschrift Common Cause) und entdeckten, daß Newts Wahlbezirk Cobb County in Georgia mehr Bundesmittel erhielt als alle anderen suburbanen Countys mit Ausnahme von Arlington in Virginia, wo sich das Pentagon befindet, und von Broward County in Florida (wo der Weltraumhafen Cape Canaveral liegt). Wirklich und wahrhaftig, fast vier Milliarden von unseren sauer verdienten Steuergeldern gingen jedes Jahr an einen Burschen, der sie gar nicht haben wollte! Dies brachte uns auf die Idee, daß Newt die Bundeszuschüsse, die er so scharf mißbilligte, doch einfach zurückgeben könnte. Sollte er doch dem Rest des Landes ein Beispiel geben, indem er die Verschwendung zuerst in seinem eigenen Wahlkreis bekämpfte. Wir flogen nach Cobb County hinunter und eröffneten dort ein Büro für eine neugegründete Organisation, die Newt helfen sollte, das böse Geld an Washington D. C. 217 zurückzugeben. Wir nannten unsere Initiative GOBAC – Get Government Off Our Backs. (Haltet uns die Regierung vom Hals.) Diese Organisation zur Befreiung der Bürger von der Belastung durch die Bundesregierung fand schnell heraus, was genau Newts Wähler in Cobb County umsonst bekamen und wieviel es uns Steuerzahler jeweils kostete: Altenheime 261000$ Blinkanlagen an Bahnübergängen 74000$ Marihuanaforschung im Kennesaw State 600000 $ Bibliotheken 22000 $ Kläranlagen 6000000$ Stoßdämpfer für Polizeiautos 2100 $ Colleges für Chiropraktiker 270000 $ Lake Allatoona 350000 $ Lockheed 3000000000 $ College Eine wirklich erstaunliche Liste angesichts der Schlaglöcher in den Straßen eurer Heimatregion und vor allem angesichts der 40 Millionen Amerikaner, die keine Krankenversicherung haben, und der miserablen Bewertung unserer Schulen, die von allen Ländern der westlichen Welt am schlechtesten abschneiden. Eine der ersten Aktionen von GOBAC bestand in der Teilnahme an dem Umzug zum Amerikanischen Unabhängigkeitstag, der jedes Jahr in der Hauptstadt von Cobb County, Marietta in Georgia, stattfindet. Star des Umzugs war niemand anderes als Newt Gingrich, der im Kreise seiner Anhänger mitmarschierte. 218 Mike erkundet das von Land umschlossene Cobb County. Vor dem Umzug bekam Mike Gelegenheit, mit Newt zu sprechen und ihm für seinen Kampf um die Kürzung der Staatsausgaben zu danken. Das gefiel Newt. Dann fragte ihn Mike, welche unnötigen Regierungsbeihilfen er in Cobb County streichen wolle. Newt sagte, darüber müsse er noch nachdenken. Aber Mike hatte eine Liste. Er zog ein Blatt Papier mit einer detaillierten Aufstellung der Zuschüsse heraus, die Cobb County aus Washington D. C. bekommt, und machte einige Kürzungsvorschläge. »Wie wär’s mit Lockheed?« »Wenn man Systeme verkleinert, braucht man meines Erachtens Umschulungsmaßnahmen«, antwortete Newt. »Wie wäre es mit dem Mittagessen in den Schulen?« »Ich bin dafür, die Zuschüsse für das Mittagessen in den Schulen zu erhöhen.« Erhöhen? Wir dachten, Newt wolle die Ausgaben kürzen? Er bewegte sich eindeutig in die falsche Richtung. »Was ist mit den 17000 Dollar für die Küstenwache?« fragte Mike. »Hier gibt es doch gar keine Küste. Wir sind 219 hier doch überall von Land umschlossen.« Newt warf Mike einen bösen Blick zu und beendete das Interview. Seine Berater geleiteten ihn davon. Mike nahm die Zurückweisung persönlich und beschloß, die Scharte bei dem Umzug auszuwetzen. Er wartete mit den Zuschauern, bis Newt mit seinen jubelnden Anhängern in Sicht kam, und schloß sich dann uneingeladen Newts Block an. Er stieß weit hinten zu dem Block und arbeitete sich dann langsam vor in die Reihen, wo Newt das Geschehen beherrschte. Plötzlich, bevor Newt noch so recht wußte, wie ihm geschah, marschierte Mike direkt neben ihm und winkte genau wie er lächelnd den Zuschauern. Newt Gingrich wurde sofort wütend. Er beugte sich zu Mike hinüber und sagte: »Ich muß Sie warnen, da drüben auf dem Dach ist ein Scharfschütze, der mit seinem Gewehr auf Sie zielt.« Mike blickte zu den Dächern auf der anderen Straßenseite hinüber und erspähte tatsächlich einen Mann in Uniform, der ein Gewehr mit Zielfernrohr auf ihn gerichtet hielt. »Ich habe nicht das Bedürfnis zu sterben, damit Fox einen Zuschaueranteil von 40 Prozent bekommt«, sagte Mike in einem Ton, der darauf schließen ließ, daß er gleich eine Windel für Erwachsene brauchen würde. Und er zog sich hastig aus Newts Block zurück. Weiter hinten ging der Kongreßabgeordnete Bob Barr, dessen Wahlbezirk neben dem von Newt Gingrich lag. (Er wurde nicht von Scharfschützen bewacht, da er neu im Repräsentantenhaus und ein ziemlich ätzender Typ war.) Mike fragte Bar, was er von der hohen Staatsverschuldung halte. Barr sagte, man müsse kürzen und einsparen auf Teufel komm raus. Was er denn in seinem Wahlkreis 220 streichen wolle? Barr gab keine Antwort. Ob er nicht mit einer Milliarde weniger auskommen könne? Schweigen im Walde. Barr winkte weiter in die Menge, entfernte sich dabei von Mike und ignorierte seine simplen Fragen. Wir verteilten Flugblätter an die Schaulustigen, in denen stand, wie sie die schmutzigen Bundesmittel zurückgeben konnten. Wir ließen ein Flugzeug über dem Umzug kreisen. Es zog ein Transparent mit der Aufschrift: WEG MIT DEN BUNDESMITTELN AUS COBB COUNTY, UND ZWAR SOFORT! hinter sich her. Wir verteilten Autoaufkleber mit der Aussage: WENN DU DAS LIEST, KASSIERST DU ZUVIEL STAATSKNETE. Mike dankte der Menge per Megaphon, daß sie dem Land Newt Gingrich geschenkt hatte, und sagte, wir wollten unsere Dankbarkeit beweisen, indem wir alle Bundesgelder zurücknähmen, durch die sich Cobb County so belastet fühle. Es dauerte nicht lange, und die Leute wandten sich gegen uns. Einige buhten uns aus. Ordner nahmen uns mit Gewalt unsere Schilder weg. Schließlich wurden wir aufgefordert zu gehen. 221 Nein, Sie haben keine Halluzinationen … Wir hörten, daß der Ortsverein der Republikaner nach dem Umzug den Unabhängigkeitstag mit einem Grillfest feierte, also gingen wir hin und überredeten die Gastgeber, uns teilnehmen zu lassen. Die fleischessenden Konservativen dort gaben uns ein Interview nach dem anderen, wie die Sozialhilfe abgeschafft werden sollte. Aber keiner kam auf den Gedanken, daß auch die Sozialhilfe, die sie selbst bekamen, abgeschafft werden könnte. Dann erschien zu unserer Überraschung Newt Gingrich auf der Party. Er erspähte uns sofort und schrie: »Oh nein, nicht ihr schon wieder.« Wir versprachen, daß wir ihn in Ruhe lassen würden, sobald er ein bißchen Werbung für unsere Sendung gemacht hätte. Bevor er groß überlegen konnte, schnappte sich Mike seine Hand und schüttelte sie. Dabei blickte er direkt in die Kamera und sagte: »Nein, Sie haben keine Halluzinationen, ich bin Michael Moore, das ist Newt Gingrich, und heute nacht in TV Nation retten Newt und Mike Amerika.« 222 GOBAC sperrt die 1-75. Newt ging es wie einem Hirsch im Scheinwerferlicht. Sein gezwungenes Lächeln, als er auf Mikes Anweisung in die Kamera blickte, sagte nur das eine: »HOLT MICH HIER RAUS, VERDAMMT NOCH MAL!« Doch es war zu spät. Mike hatte Newt nicht dazu bewegen können, ihm bei der Rettung seiner republikanischen Revolution zu helfen, also mußte er selbst handeln. Er wollte um jeden Preis dafür sorgen, daß der Staatshaushalt ausgeglichen wurde und Cobb County mit gutem Beispiel voranging. Zunächst einmal appellierte er an die Arbeiter bei Lockheed, nach Hause zu gehen, damit keine Bundesmittel mehr für den Bau von Waffen ausgegeben würden, die Amerika ohnehin nicht brauchte. Leider blieben Mikes Anstrengungen am Haupttor der LockheedWerke vergebens. Als nächstes versuchte Mike das örtliche Stück der Interstate-Autobahn zu sperren. »Verzichten Sie darauf, diese Bundesautobahn zu benützen«, forderte er die Autofahrer an der Auffahrt der 1-75 auf. »Sie ist mit dem 223 bösen Geld aus Washington erbaut worden.« Doch die Autos fuhren einfach die Pylone um, mit denen Mike die Auffahrt gesperrt hatte. Dann kam die öffentliche Bibliothek an die Reihe: »Hören Sie auf, diese Bücher zu lesen«, sagte Mike zu den Besuchern der Bücherei. »Diese Bibliothek ist von den Bürokraten im District of Columbia erbaut worden. Schicken Sie die Bücher zurück!« Doch die Leute lasen einfach weiter. Wohin Mike auch ging, er fand keinen einzigen Einwohner von Cobb County, der künftig Dinge nicht mehr benutzen wollte, die ihm dank der Bundesregierung kostenlos zur Verfügung standen. »Warum fangen Sie nicht bei anderen Leuten an?« fragte ihn ein Mann in der Bücherei. »Auf Kosten anderer leben, das ist es doch, worum es geht, oder nicht?« Der Mann hatte recht. Soll der andere ruhig in die Röhre blicken, solange er nur für mich bezahlt. Das ist der American Way. Offensichtlich haßten die Menschen, die uns Newt geschenkt hatten, die Bundesregierung überhaupt nicht. Als wir wieder in New York waren, stellten wir den Beitrag fertig und schickten ihn an die Fernsehgesellschaft Fox. Die zuständigen Manager waren entsetzt. Die Presse war damals voller Geschichten über einen ominösen Vorschuß, den Rupert Murdochs Verlag Harper Collins (bei dem auch die amerikanische Ausgabe dieses Buchs erschien) Newt Gingrich für ein Buch geboten hatte. (Kurze Zeit darauf sagten Vertreter von Murdochs News Corporation, der Dachgesellschaft, der Harper Collins gehört, vor dem Disziplinarausschuß des Repräsentantenhauses aus, daß Murdoch mit dem Vorschuß nichts zu tun gehabt hätte, und der Ausschuß 224 konnte an dem Geschäft nichts Anrüchiges entdecken.) Wie dem auch sei, die Verantwortlichen bei Fox lehnten den Beitrag unverzüglich ab. Mike verhandelte etwa drei Wochen möglichst konstruktiv mit der Fernsehgesellschaft. Aber schließlich sagte man uns, die Führung der Gesellschaft sei endgültig zu dem Schluß gelangt, daß sie die heiße Kartoffel nicht anfassen wolle. Der Beitrag war gestorben. Es war aus und vorbei. Am folgenden Tag erschien Mike nicht zur Arbeit. Er blieb drei Tage weg. Die Mitarbeiter von TV Nation fragten sich, was los sei. Die Manager bei Columbia TriStar wollten wissen, warum ihre Anrufe nicht beantwortet wurden. Schließlich teilte Mike dem Studio mit, daß er nicht mehr an der Sendung mitwirken werde. Noch am selben Abend riefen die Fernsehgewaltigen an und teilten ihm mit, sie hätten ihre Meinung geändert: »Cobb County« könne ausgestrahlt werden. Mike bedankte sich und ging wieder an die Arbeit. Obwohl der Beitrag nicht wie geplant an den Anfang der Sendung gestellt werden durfte, sondern irgendwo in der zweiten halben Stunde versteckt werden mußte, wurde er ein großer Hit bei unseren Zuschauern, und Fox bekam viele positive Zuschauerbriefe. GOBAC in Zusammenarbeit mit dem Ortsverein der Anonymen Staatsknete-Süchtigen von Cobb County: Die 12 Schritte zur Überwindung der Abhängigkeit von Staatsknete I 1. Ich gebe zu, daß ich nach Staatsknete süchtig und an der untragbaren Aufblähung unseres Bundeshaushalts mitschuldig bin. 225 2. Nicht die Sozialhilfemamas, die Krise der Innenstädte, die Nahrungsmittelmarken oder der Lehrer- und Elternverband National Education Association sind das Problem. Ich bin das Problem. 3. Ich glaube, daß ich viel dafür tue, daß die Regierung mir nicht mehr auf der Tasche liegt, wenn ich endlich einsehe, daß ich nach Staatsknete süchtig bin. 4. Ich bin bereit, eine gründliche und schonungslose Inventur aller Zuschüsse und Dienstleistungen der Regierung zu machen, von denen ich derzeit profitiere. 5. Nur wenn ich sofort auf den Gebrauch sämtlicher Mittel und Dienstleistungen der Bundesregierung verzichte, darf ich hoffen, mich von meiner Sucht zu befreien. 6. Ich werde keine vom Bund finanzierten Ruhegehälter, Arbeitsplätze, Baukredite oder sonstige Leistungen mehr annehmen. 7. Ich werde nie mehr auf Bundesautobahnen fahren, Briefe der Bundespost annehmen oder mit meiner Familie in Parks picknicken, die mit Staatsknete gepflegt werden. 8. Ich vertraue darauf, daß Gott mir die Fähigkeit verleiht, die Bundesausgaben zu verhindern, die ich verhindern kann, mit denen zu leben, die ich nicht verhindern kann, und daß er mir hilft, den Unterschied zu erkennen. 9. Ich habe eine Liste aller Personen gemacht, denen ich durch die exzessive Nutzung von Mitteln und Dienstleistungen des Bundes geschadet habe, und sie um Verzeihung gebeten, darunter auch meine eigenen Söhne und Töchter, die nie einen ordentlichen Sozialhilfe-Scheck bekommen werden. 10. Ich werde weiterhin wachsam bleiben und nicht einmal einen vom Bund geförderten Zahnstocher in den Mund nehmen. 226 11. Da die amerikanischen Geldscheine ebenfalls mit Bundesmitteln gedruckt werden, vermache ich hiermit meinen gesamten Besitz an Bargeid der oben genannten hervorragenden Organisation. 12. Nachdem ich durch diese Schritte eine spirituelle Erweckung erlebt habe, werde ich diese Botschaft auch an die anderen, von Staatsknete abhängigen Einwohner von Cobb County weitergeben, auch an die LockheedArbeiter, an die Offiziere der Küstenwache und an die Kongreßabgeordneten. Amen. Einige Monate später erhielten wir Post von Dale Kildee, unserem Kongreßabgeordneten aus Flint. Er kam gerade von einer Besprechung der wichtigsten demokratischen Kongreßmitglieder auf dem Capitol Hill, wo der Beitrag über Cobb County mit Newt Gingrich in der Starrolle gezeigt worden war. »Sie werden es nicht glauben, wie die Anwesenden reagierten«, schrieb Kildee. »Der ganze Saal jubelte. Wir hatten uns alle besiegt gefühlt, nachdem die Republikaner die Mehrheit in beiden Häusern bekommen hatten. Dieser Beitrag war eine große Ermutigung für uns. Es war das erste Mal seit langem, daß wir wieder richtig lachten. Danach hielt Dick Gephardt (der Fraktionschef der Demokraten) eine mitreißende Rede und forderte uns auf, Mut zu fassen und uns wieder in die Schlacht zu stürzen. Vielen Dank Leute, daß ihr diesen Beitrag gemacht habt.« 227 23 Frieden durch Pizza In Bosnien wird seit dem Jahr 1054 gekämpft. Allein in diesem Jahrzehnt sind dort eine Viertelmillion Menschen getötet worden. 1994, als TV Nation von NBC ausgestrahlt wurde, war das zentrale Thema in den Abendnachrichten erstens Bosnien und zweitens Bosnien und drittens Bosnien. Da erschien es uns ganz natürlich, daß auch TV Nation einen Beitrag über das Thema bringen sollte, und wir machten der Fernsehgesellschaft einen entsprechenden Vorschlag. »Nein«, lautete die Antwort der Fernsehgesellschaft, die mit dem Slogan »Fernsehen, das Sie sehen müssen« für sich wirbt. »Bosnien ist der reinste Quotenkiller.« »Ja, genau deshalb sollten wir ja einen Beitrag darüber machen«, antworteten wir. »Vielleicht schalten die Leute nur deshalb alle um, wenn etwas über Bosnien kommt, weil hier niemand versteht, was dort eigentlich vorgeht. Vielleicht können wir es erklären. Vielleicht können wir die Sache interessanter machen?« »Ich wette 100 Dollar, daß die Quoten während des gesamten Beitrags jede Minute fallen«, forderte uns einer der Manager heraus. (Man kann heute tatsächlich die Einschaltquoten Sekunde für Sekunde verfolgen.) »Okay, die Wette gilt.« Unsere Idee war ganz einfach. Wir wollten uns mit den Botschaftern der Kriegsparteien – den Serben und den Kroaten – treffen, sie an einen Tisch bringen und mit ihnen eine Pizza essen und ein paar Lieder singen. 228 Unsere Produzentin Joanne Doroshow überzeugte sowohl den jugoslawischen Generalkonsul (die Serben bestehen darauf, ihr Land auch weiterhin Jugoslawien zu nennen, obwohl es nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem früheren Jugoslawien hat) als auch den kroatischen Botschafter, sich mit Mike zu treffen. Aber zunächst ein bißchen Hintergrundwissen: Die Serben, die Kroaten und die Muslime behaupten alle, daß Bosnien ihnen gehört. Die Muslime sind in der Mehrheit, hatten aber in den letzten Jahren nur wenig Macht. Im Zweiten Weltkrieg verbündeten sich die Kroaten und die Muslime mit Hitler und töteten gemeinsam 500000 Serben. Aber in den neunziger Jahren wendete sich das Blatt. Seit 1992 haben die Serben etwa 200000 Muslime getötet, während die Kroaten vergleichsweise zurückhaltend waren und nur 20000 Serben und Muslime töteten. 229 Als symbolische Geste fuhren wir zu den Serben in einem alten Yugo, dem grauenvollsten Auto, das je von Menschenhand gebaut wurde. Wir dachten, diese Geste würde ihnen gefallen, und so war es auch. Alle Mitarbeiter der Botschaft kamen heraus, um einen Blick unter die Haube zu werfen und den Reifen einen Tritt zu versetzen. Zum Glück fiel das Auto trotz dieser Behandlung nicht auseinander. Wir hörten uns ihre Begründung an, warum sie 200000 Menschen hatten umbringen müssen. Schließlich machten wir eine Fernsehsendung und wollten wenigstens den Eindruck von Ausgewogenheit erwecken, wie dies ja auch die Fernsehnachrichten tun. Tatsächlich jedoch hatten wir bereits entschieden Partei ergriffen. Wir konnten überhaupt keinen objektiven Bericht drehen, weil wir zu Regierungen, die den Tod so vieler Menschen für notwendig halten, keine neutrale Einstellung haben. 230 Mike fragt, warum die Serben blau sind. Nebojsa Vujovic, der Sprecher des Konsulats, machte mit Mike eine Führung durch die Botschaft. Mike fragte ihn, auf welche Territorien die Serben ihrer Ansicht nach ein Anrecht hatten. Herr Vujovic breitete eine Karte aus und zeigte ihm die Gebiete. Sie waren alle blau schraffiert. Danach plauderten sie ein bißchen, und Vujovic erzählte von seinen privaten Interessen. Seine Lieblingssendung im Fernsehen war Mord ist ihr Hobby und sein Lieblingslied war »Knockin’ on Heaven’s Door« von Bob Dylan. (Nein, wir haben ihm nicht den Text geschrieben! TV Nation ist eine dokumentarische Sendung.) Wir bestellten eine Pizza zum Mittagessen, und als wir uns an den Tisch setzten, erschien auch der Generalkonsul Dusan Paunovic und aß mit uns. Er war ein leutseliger Mensch, und als Michael ihn fragte, ob er nicht so tun könne, als ob die Pizza das frühere Jugoslawien sei, machte er mit. Michael gab Herrn Vujovic ein großes Messer und bat ihn, die Pizza aufzuteilen, wie er es für richtig hielt. Vujovic entsprach fröhlich seinem Wunsch. 231 Herr Paunovic nimmt sich ein Stück von Slowenien. »Dieses Stück ist Kroatien«, sagte er und schnitt ein kleines Stück Pizza ab. »Das ist Serbien.« Er schnitt ein riesiges Stück ab. »Und das ist Bosnien. Es besteht aus drei Ingredienzen: Der Schinken sind die Kroaten, die Peperonis sind die Muslime, und der Käse sind die Serben.« Michael nahm das Bosnien genannte Stück und überreichte es großzügig Herrn Paunovic. »Hier«, sagte er, »essen Sie ein Stück Bosnien.« »Nein, das ist zuviel, aber ich hätte gern ein Stück Slowenien«, sagte der Generalkonsul, griff zum Messer und schnitt sich ein anderes Stück von der Pizza ab. »Meine Mutter stammt nämlich aus Slowenien, müssen Sie wissen.« In diesem Augenblick fragte ihn Michael, ob er nicht den kroatischen Botschafter anrufen und zu einer Pizza einladen wolle. »Nein, wir rufen die nicht als erste an«, sagte Paunovic fest. »Die sollen uns zuerst anrufen.« Die Serben machten bei allem mit, was Michael 232 vorschlug. Sie hielten ihn vielleicht für ein wenig seltsam, aber sie legten ihm keine Steine in den Weg und sagten nichts Negatives über das Treffen. Wir verabschiedeten uns sehr freundlich. Mike stieg wieder in den Yugo und fuhr zur kroatischen Botschaft hinüber. Er hoffte, die Kroaten würden vielleicht etwas zugänglicher sein und vielleicht bereit, den ersten Schritt zur Beendigung des verhärteten Konflikts zu tun. Aber dem war nicht so. Die Kroaten hatten ihre eigene Karte, auf der genau verzeichnet war, wem im früheren Jugoslawien was gehörte, und natürlich war ihr Anteil auf dieser Karte größer als auf der Karte der Serben. Und ihre Gebiete waren ebenfalls blau schraffiert. »Hey, Sie können doch nicht beide blau haben«, sagte Mike zu Petar Sarcevic, dem kroatischen Botschafter. Aber Sarcevic bestand darauf, daß die Kroaten die einzigen seien, die ein Recht auf die Farbe Blau hätten. Mike war fest entschlossen, beide Parteien des Konflikts zusammenzubringen. Er machte einen Vorschlag. Dank moderner Schnitttechnik konnten die beiden Diplomaten Seite an Seite auf dem Bildschirm erscheinen und einander ein Lied vorsingen. Der Kroate und der Serbe waren einverstanden, und jeder sang für sich den Barney-Song. Es war ein herrlicher Augenblick, der einen Preis der Vereinten Nationen verdient gehabt hätte: »I love you. You love me. We’re a happy fam-i-ly …« 233 Mike animiert Petar Sarcevic zu einer hinreißenden Version des Barney-Songs. Kaum zu glauben, daß es in den USA auch Zuschauer gab, die nicht vor Rührung weinten, als dieser Beitrag ausgestrahlt wurde. Die Quoten gingen nicht herunter, und wir bekamen unsere 100 Dollar nicht. Warum die Vertreter der beiden Staaten bei der Sache mitmachten, ist eine offene Frage. Nach der Ausstrahlung erhoben die Serben einen formalen Protest bei der NBC. Aber sie verschafften ihren Drohungen keine Glaubwürdigkeit, indem sie versuchten, ein Massaker unter unseren Mitarbeitern anzurichten. Feiglinge! 234 24 Wir engagieren unseren eigenen Lobbyisten Alle Konzerne, Industriegruppen und rechtsgerichtete Bewegungen (und auch ein paar linksliberale) haben ihre eigenen Lobbyisten in Washington D.C. Von der National Snack Foods Association bis zum National Pork Board hat praktisch jede Organisation ein Büro auf dem Capitol Hill, das engagiert ihre Interessen vertritt, die sich leider fast nie mit unseren Interessen decken. Männer und Frauen in maßgeschneiderten Anzügen streichen im Kongreß durch die Korridore und stellen sicher, daß Gesetze, die ihr Unternehmen durch eine Ausnahmeregelung von den bestehenden Umweltgesetzen befreien oder ihre Geschäftsjacht von der Steuer befreien oder ihnen Subventionen für den Bau einer Fabrik in Indonesien verschaffen, so schnell und unauffällig verabschiedet werden, daß wir meistens gar nichts davon mitkriegen. Dieser Lobbyismus wird jedes Jahr mit Millionen Dollar finanziert. Und zwar mit Millionen, die in die Taschen der Abgeordneten im Repräsentantenhaus und in die Taschen der Senatoren fließen. Unsere Demokratie ist von denen usurpiert worden, die das meiste Geld besitzen. Wir bekommen keine allgemeine Krankenversicherung, kein gebührenfreies Studium, keine größere Arbeitssicherheit und keine allgemeine Kinderbetreuung, weil wir nicht über das Geld verfügen, um die für diese Reformen erforderlichen Stimmen zu kaufen. Wir kamen ins Grübeln: Was würden wir tun, wenn wir auch Geld hätten? Könnten wir in der Hauptstadt unseres 235 Landes etwas erreichen, das endlich einmal der ganzen Bevölkerung nützen würde, und nicht nur den Reichen? Nehmen wir an, wir hätten 5000 Dollar. Wieviel Demokratie kann man für 5000 Dollar kaufen? Wir beschlossen, es auszuprobieren. Bewaffnet mit dem harten, sauberen Geld der Fernsehgesellschaft – und ein paar »Souvenirs«, die wir unseren gewählten Volksvertretern überreichen wollten – fuhren wir nach Washington. Wir wollten in der Hauptstadt der USA ausprobieren, ob wir ein Gesetz durchbringen konnten, das uns etwas nützte. Bill Chasey, Lobbyist Zunächst einmal brauchten wir einen registrierten Lobbyisten. Wir schauten in den Gelben Seiten nach und fanden genau den richtigen. Bill Chasey führte seine eigene Lobbying-Firma nur ein paar Blocks vom Capitol entfernt. Er hatte offenbar gute Verbindungen; alle Abgeordneten, die wir trafen, schienen ihn zu kennen. Er war ein sympathischer Mann mit viel Sinn für Humor und, was uns am wichtigsten war, er wollte ein Gesetz für uns durchbringen – für mickrige 5000 Dollar. Wir erklärten Bill, daß wir eine Ergänzung zum Steuergesetz verabschiedet haben wollten, die für »alle 236 Personen, die für TV Nation arbeiten« einen Steuernachlaß vorsah. Da wir der Ansicht sind, daß jeder einen fairen Anteil der Steuerlast tragen sollte, beantragten wir nur eine 50prozentige Reduzierung der Bundeseinkommenssteuer. Bill erklärte uns, daß es schwierig sei, eine so hohe Steuererleichterung zu erreichen. Die meisten Abgeordneten würden prompt folgende Frage stellen: »Warum sollten wir ausgerechnet der Crew von TV Nation einen 50prozentigen Steuernachlaß gewähren?« Wir sagten Bill, er solle einfach nur antworten: »Weil sie mir fünf Riesen gezahlt haben und es mein verdammter Job ist, ihnen zu besorgen, was sie wollen.« Bill erklärte uns, daß der Beruf des Lobbyisten ein bißchen anders funktioniert. Wir würden auch den Abgeordneten etwas geben müssen, unter anderem eine bessere Begründung für den Steuernachlaß. Wie Bill uns erklärte, würden sich die Abgeordneten folgende Frage stellen: »Warum sollen wir nur den Mitarbeitern von TV Nation einen Steuernachlaß gewähren und nicht allen Steuerzahlern?« Von dieser Idee waren wir restlos begeistert. »Aber es würde sehr viel mehr kosten als 5000 Dollar, ein solches Gesetz durchzubringen«, sagte Bill. Schade! Mehr als 5000 hatte NBC nicht herausrücken wollen, um unsere Abgeordneten zu »überzeugen«, das Steuerrecht zu unseren Gunsten zu ändern. Bill hatte eine andere Idee. »Warum beantragen Sie im Kongreß nicht Ihren eigenen, bundesweit anerkannten Tag?« sagte er. »Meinen Sie, daß es dann jedes Jahr einen TV-NationTag geben würde?« 237 »Genau! Solche Tage werden dauernd eingeführt.« Hmmm. Ein TV-Nation-Tag. Das klang nicht schlecht. Die Vorstellung, daß im ganzen Land ein Tag zu unseren Ehren festlich begangen werden würde, mit Umzügen, Picknicks und halbierten Preisen bei Wal-Mart, ließ unsere Herzen vor Stolz und Rührung höher schlagen. Ein TVNation-Tag war genau das, was das Land in dieser schweren Zeit brauchte. Wir sagten Bill, er solle sein möglichstes tun. Wir entschieden uns für den 16. August als offiziellen TV-Nation-Tag. Es gab keinen besonderen Grund für die Wahl dieses Datums, außer daß eine Folge unserer Serie an diesem Tag ausgestrahlt würde und daß der 16. August Madonnas Geburtstag war und der Todestag von Elvis und der Tag, an dem die Produzentin des Beitrags Joanne Doroshow geboren war. Abgesehen davon hatte der Tag für uns keine besondere Bedeutung. Bill nahm uns mit auf den Capitol Hill und führte uns an den Sicherheitsleuten vorbei in das Kongreßgebäude. Wir schlenderten durch die Korridore der Macht, schüttelten eine Menge Hände und baten um Unterstützung für unser Gesetz. Außerdem verteilten wir eine Reihe von Geschenken, weil wir dachten, daß die Abgeordneten unser Anliegen dann eher unterstützen würden. Wir verschenkten Röhrensocken, Knabberkrusten aus Schweinespeck, Schlüsselanhänger, Rasierapparate der Marke Lady Remington, Salad Shooters (Küchenmaschinen zum Schneiden und Reiben von Salat) und Karten für die Conan O’Brien Show. Es war herzerwärmend, das glückliche Lächeln auf den Gesichtern der Abgeordneten zu sehen, wenn sie die Geschenke erhielten. Man bekam das Gefühl, daß im Kongreß der Vereinigten Staaten jeden Tag Weihnachten war. 238 Doch als wir endlich das Büro des Abgeordneten im Repräsentantenhaus Howard Coble betraten, eines konservativen Republikaners aus North Carolina, wußten wir, daß wir das große Los gezogen hatten. Mr. Coble war überglücklich, uns zu sehen. Er war ein netter älterer Herr, der mindestens die Hälfte unserer Scherze verstand. Er war ganz begeistert von den Röhrensocken und den Knabberkrusten, und er wußte zwar nicht genau, was man mit einem Salad Shooter anfängt, bedankte sich aber trotzdem herzlich für das elektrische Haushaltsgerät. Als wir ihm eine Dankeskarte gaben, in die wir einen 20Dollar-Schein gelegt hatten, reagierte er verstimmt und weigerte sich höflich, das Geld anzunehmen. Howard Coble nimmt die Geschenke von TV Nation an. Am Ende gelang es Bill, zwei Abgeordnete dafür zu gewinnen, das Gesetz im Kongreß vorzulegen: Howard Coble und Floyd Flake, einen Pfarrer aus New York. Am 10. Mai 1994, im 103. Kongreß der Vereinigten Staaten, verlasen Coble und Flake in einer der bizarrsten Szenen, die sich je im Sitzungssaal des Repräsentantenhauses abgespielt haben dürften, Wort für Wort die Reden, 239 die wir als Plädoyers für den TV-Nation-Tag für sie geschrieben hatten. Und die Kabelfernsehgesellschaft CSPAN übertrug die Reden live. Wir waren so aufgeregt, daß wir nicht warten konnten, bis der Kongreß das Gesetz verabschiedet hatte. Nach der Ausstrahlung des Beitrags erhielten wir Hunderte Briefe von Fans, die den TV-Nation-Tag in ihren Heimatorten feiern wollten. Stadträte, wie der von Orlando in Florida, faßten Beschlüsse, die den 16. August für ihre Gemeinde zum TV-Nation-Tag erklärten. Der Landtag von Kansas verabschiedete drei Proklamationen zu Ehren des TVNation-Tags. Überall im Land wurden Forderungen nach einem TV-Nation-Tag erhoben. 240 Wir waren der Ansicht, daß zu einem solchen Tag ein eigener, vom überregionalen Fernsehen übertragener Umzug gehörte, und die Stadt Fishkill im Staate New York erklärte sich bereit, einen Tag freizumachen und am 16. August 1994 den ersten TV-Nation-Tag zu feiern. Die städtischen Ämter schlossen, und die Angestellten bekamen einen Tag frei. Manche Geschäfte hängten ein Schild mit der Aufschrift »Wegen TV-Nation-Tag geschlossen« an die Tür. Es gab ein großes Stadtfest und einen ganz unglaublichen Umzug mit Marching Bands, Cheerleadern, einer Fahrradparade, Plattformwägen und einem mitmarschierenden Fernsehapparat. Das erste Baby, das an diesem Morgen in Fishkill auf die Welt kam, wurde von unserer Berichterstatterin Karen Duffy als das erste »TV-Nation-Baby« getauft, und für alle Bürger unserer gesegneten TV Nation fanden besondere ökumenische Gottesdienste statt. 241 Dank der unglaublichen Schnelligkeit und Geschicklichkeit der Crew von TV Nation wurden die Ereignisse in Fishkill – teilweise sogar live – auf NBC übertragen. Bei der Fernsehgesellschaft war man ausgesprochen nervös, weil man uns ohne vorherige Zensurmöglichkeit und ohne Zustimmung der Sponsoren über den Äther schickte. Die Einwohner von Fishkill nehmen mit ihren Fernsehgeräten stolz am Umzug teil. 242 243 (Tatsächlich zog ein Sponsor, McDonalds, seinen Spot zehn Minuten vor Beginn der Sendung zurück, weil das Unternehmen nicht die Zeit gehabt hatte, zu beurteilen, welche der 17 vorbereiteten Werbesendungen zum »Ton« der Show paßten. Es war recht unterhaltsam, wie der Typ von McDonalds bei NBC im Rockefeller Center in New York den Gang hinunterrannte und schrie, daß wir ihm keine Chance gelassen hätten, seine Werbespots unterzubringen. Wir haben an diesem Abend bestimmt vielen Rindern das Leben gerettet.) Es ist ein seltsames, unheimliches Gefühl, im Hauptkontrollraum von NBC zu sitzen und zu wissen, daß man nur einen Schalter umzulegen braucht, und schon sehen Millionen und Abermillionen Zuschauer etwas anderes. Es war das erste Mal, daß wir in das Mutterschiff gelassen wurden. Voller Ehrfurcht dachten wir darüber nach, was für ein großer Tag dies war und was das Schicksal wohl weiter für uns bereithielt. Warum hatten sie uns in den Kontrollraum gelassen? Warum waren wir im Fernsehen? Aber wir mußten die Betrachtung dieser existentiellen Fragen unterbrechen, denn ausgerechnet in diesem bedeutungsschwangeren Augenblick hatte sich der Mann von McDonalds versehentlich auf dem Herrenklo eingeschlossen. Zuerst das Wichtigste. Einen glücklichen TV-NationTag, Amerika! 244 25 Wehleidige weiße Männer Über zwei Jahrhunderte lang waren die Vereinigten Staaten von Amerika geprägt von einer starken, aggressiven Politik zur Förderung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Seit den Tagen der Gründungsväter hielten die Führer unserer Regierung, unserer Unternehmen und unserer Bildungseinrichtungen das Festsetzen von Quoten für diese Gruppe und die bevorzugte Vergabe von Ämtern an ihre Vertreter für einen Grundpfeiler unseres Systems. Vorausgesetzt die Personen, welche von dieser Art der Affirmative Action profitierten, waren weiße Männer. Dann jedoch, in den siebziger Jahren, wurden Gesetze verabschiedet, die die bestehenden Ungleichheiten ein wenig verringern sollten. Frauen und Minderheiten bekamen einen kleinen Vorteil im System eingeräumt, und Colleges und Unternehmen wurden ermutigt sich auch um die qualifizierten Schwarzen, Latinos und Frauen zu kümmern, die sie traditionell übersehen hatten, weil diese Leute nicht die richtigen Beziehungen hatten. Beziehungen sind es nämlich, auf die es im alten System der Bevorzugung ankommt: Papa geht nach Princeton, weil Großpapa nach Princeton gegangen ist, und nun geht auch das Söhnchen nach Princeton, weil die Universität die Kinder ihrer Absolventen bevorzugt. Oder: Fred in der Bank weiß genau, daß Soundso kreditwürdig ist, weil Fred und Soundso beide im Rotary Club sind. Auf diese Weise profitiert Soundso von der Affirmative Action alten Stils. Frauen durften vor den zwanziger Jahren noch nicht 245 einmal wählen. Afroamerikaner haben heute noch unter den Folgen der Tatsache zu leiden, daß ihre Ur-UrGroßeltern Sklaven waren, und ihr sozialer Status hat sich in den 130 Jahren ihrer »Freiheit« praktisch nicht verändert. Das System von Privilegien und Macht wird von einer Generation an die nächste vererbt, und jede sorgt dafür, daß alles so bleibt, wie es ist. Wer nicht von vornherein Macht besitzt, hat Pech gehabt. Einige dachten, es sei eine neue Art der Bevorzugung notwendig. Doch die Mächtigen haben diese neue Art der Affirmative Action erfolgreich gestoppt. Heute wirkt das Konzept, eine Institution für alle zugänglich zu machen, so altmodisch wie Schlaghosen. Warum haben die weißen Männer so viel Angst davor, ihre Macht zu teilen? Was haben Frauen und Schwarze bloß an sich, das männliche Weiße zittern läßt vor Angst? Wissen sie denn nicht, wie lächerlich sie sich machen, wenn sie darüber jammern, daß »diese Leute« alle guten Jobs kriegen? Ihr braucht euch nur die weinerlichen jungen Rotznasen an der Virginia Military Academy ansehen, die keine Frauen in ihre Militärakademie aufnehmen wollten, dann wißt ihr, wie kläglich dieses Verhalten ist. Oder die Burschen in der Militärakademie »The Citadel« in South Carolina. Sie haben gegen die Aufnahme von Frauen prozessiert und verloren. Und dann behandelten sie die ersten Frauen an ihrer Akademie so schlecht, daß die ersten zwei wieder gingen. Warum hatten sie so Angst vor der Integration? Hatten sie Angst vor den Frauen? Hatten sie Angst, daß sie vielleicht klüger oder, Gott behüte, stärker sein würden? Das wäre eine wahrhaft unerträgliche Demütigung gewesen! Unsere Frage lautet: Wollen wir wirklich solche Männer in den Streitkräften haben, die unser Land verteidigen? 246 Was passiert, wenn sie einmal einem echten Feind gegenüberstehen? Ehrlich gesagt, wir finden das alles ziemlich peinlich. In unserem Land wimmelt es von wehleidigen weißen Männern, die Angst davor haben, mit Minderheiten um Jobs, Ausbildungsplätze und Macht zu konkurrieren. Das alte System der Bevorzugung garantierte, daß weder Frauen noch Schwarze mit um den Knochen raufen durften. Als Schwarze endlich im Sport etwas werden durften (eines der ersten Experimente der neuen Bevorzugung), haben sie uns den Arsch versohlt. Oh je! Was passiert, wenn sie und die Frauen in unseren Büros und Seminarräumen dasselbe mit uns tun? Unserer Ansicht nach jammern die weißen Kerle deshalb so, daß sie nun die »neue Minderheit« seien, der weiße Mann, der kaum noch einen Job findet, obwohl er »am besten qualifiziert« ist, und das nur, weil ihm ständig Frauen oder Afroamerikaner vorgezogen werden. Dieses Schmollen ist typisch für den weißen Amerikaner von heute, und es gibt nichts Lächerlicheres als einen erwachsenen Mann, der schmollt. Und das insbesondere, solange der Senat nur zu neun Prozent aus Frauen besteht, solange nur fünf Prozent aller Journalisten schwarz sind und solange in vielen der größten amerikanischen Unternehmen noch keine Schwarzen im Vorstand sitzen. Wir bei TV Nation beschlossen, eine Ode an den wehleidigen weißen Mann zu schreiben. Also verfaßten wir im Stil jener deprimierenden Dokumentarfilme im Public Broadcasting System, die vor der Ausrottung einer ganzen Insektenart warnen, einen dringenden Appell an das amerikanische Volk, den weißen Mann um jeden Preis zu retten. Schützt ihn und seinen Lebensraum, bevor es zu spät ist! 247 ÖFFENTLICHE BEKANNTMACHUNG von Jay Martel Der weiße Mann. Er ist überall. Große weiße Männer sind Führer, Unternehmer, Künstler und vieles mehr. Im Laufe der Jahrhunderte hat der weiße Mann seinen Lebensraum bis auf den letzten Winkel der Erde ausgedehnt. Er hat alles erfunden, von der Atombombe bis zur Zamboni-Eismaschine. Dieses leuchtende Beispiel für die menschliche Rasse wird doch bestimmt ewige Gültigkeit besitzen, oder etwa nicht? Vielleicht nehmen wir die Existenz des weißen Mannes wie einst die des mächtigen Büffels allzu selbstverständlich als gegeben hin? Jetzt schon gibt es beunruhigende Anzeichen dafür, daß der weiße Mann, wie wir ihn kennen, eine gefährdete Art ist. TV-Nation-Autor Jay Martel spricht mit Michael Moore Ideen durch. 248 Der Angriff auf den weißen Mann hat seinen Preis gefordert, wo man auch hinschaut, überall ist er im Niedergang begriffen. Noch vor zehn Jahren bestand der US-Senat zu 96 Prozent aus weißen Männern. Heute ist ihr Anteil auf mickrige 89 Prozent gesunken! In den letzten paar Jahren haben die Vorstandszimmer großer Unternehmen, die zuvor der ausschließliche Lebensraum weißer Männer waren, eine beispiellose Invasion von Außenseitern erlebt. Heute ist die Zahl der weißen Männer in den Vorständen so gesunken, daß sie nur noch 30 Prozent mehr sind als alle anderen Bevölkerungsgruppen. Ja, der weiße Mann ist von allen Seiten durch seine natürlichen Feinde bedroht: von Frauen, von Minderheiten, ja genaugenommen von allen Menschen, die nicht selbst weiße Männer sind. Und der weiße Mann wehrt sich auf die einzige Art, die er gelernt hat. Doch er ist müde geworden, und wer weiß, wie lange er noch durchhält, wenn wir ihm nicht helfen. Umweltschützer demonstrieren für den amerikanischen Fleckenkauz und für ein Fischlein wie den Snail Darter, aber sie haben immer noch Hemmungen, sich für den weißen Mann einzusetzen. Und doch, ohne den weißen Mann sind wir alle schlechter dran. Wer erfindet ohne ihn die Atombomben und Zambonis von morgen? Und wer malt sich noch das Gesicht bei Football-Spielen an? Der weiße Mann braucht eindeutig unsere Hilfe. Unterstützt die Bemühungen von TV Nation, den weißen Mann als gefährdete Art einstufen zu lassen, durch Briefe an den U. S. Fish and Wildlife Service. Und denkt daran: Nur ein lebender weißer Mann kann ein guter weißer Mann sein. 249 26 Die zensierte TV Nation Beim Lesen dieses Buches ist euch bestimmt aufgefallen, daß es bei vielen von unseren Beiträgen gar nicht so einfach war, die Fernsehgesellschaften zur Ausstrahlung zu bewegen. In gewisser Weise sind wir nämlich die Antithese zu allem, wofür die Konzerne stehen, die die großen Networks besitzen. Wir glauben, daß eine Vielfalt von Stimmen in den Medien gut für die Demokratie ist. Die Konzerne aber wollen diese Vielfalt abschaffen und streben danach, daß nur noch ein paar Unternehmen alle Medien und die »Nachrichten« kontrollieren, mit denen die Öffentlichkeit gefüttert wird. Wir glauben, daß die wahre Macht in Amerika bei den Superreichen liegt und wir das eine Prozent der Bevölkerung, das über fünfzig Prozent des gesellschaftlichen Reichtums verfügt, unermüdlich kritisieren und bekämpfen sollten. Die Konzernchefs meinen, daß die Medien diese Reichen feiern und ihre Kritiker schweigen sollten und daß dem arglosen Verbraucher alle sieben Minuten eine Biermarke oder eine bestimmte Art von Tortilla Chips angepriesen werden sollte. Wir glauben, daß Humor ein mächtiges Werkzeug ist, um über die Probleme aufzuklären, die uns am Herzen liegen. Die Konzerne dagegen finden uns lustig und – in der Regel – harmlos. Da es den Fernsehgesellschaften vor allem um schwarze Zahlen und um Gewinnmaximierung geht, durften wir TV Nation weitgehend frei gestalten, solange unsere Sendung die erwartete Menge von Dorito-Chips-Tüten und Budweiser-Dosenbier verkaufte. Deshalb antworten wir auf die Frage: »Wie zum Teufel 250 habt ihr bloß hingekriegt, daß das ausgestrahlt wurde?« mit der Antwort: »Fernsehgesellschaften sind nicht wie wir. Sie haben keine ›Gefühle‹ oder ›politische Ansichten‹. Sie haben eine Bilanz. Und unsere Bilanz bei den von ihnen bevorzugten Altersgruppen war ausgesprochen gut.« Natürlich gibt es von jeder Regel Ausnahmen, auch von dieser. Wir machten Beiträge bei TV Nation, die für die Fernsehgesellschaften das erträgliche Maß überschritten. Wenn wir das taten, schlug der starke Arm des Zensors zu, und zwar mitleidslos und ohne sich um unser hilfloses Gestammel von der verfassungsmäßig garantierten Meinungsfreiheit zu kümmern. Von den 105 Beiträgen, die wir für TV Nation drehten, wurden nur fünf von den amerikanischen Fernsehgesellschaften nicht gesendet. (Alle fünf wurden von der BBC in Großbritannien und in 20 weiteren Ländern außerhalb der USA ausgestrahlt.) Die Saison bei NBC war tatsächlich am leichtesten für uns. Wir kamen durch den ganzen Sommer, ohne daß ein einziger Beitrag zensiert worden wäre. Sogar unseren Besuch im mexikanischen Büro von General Electric, dem Mutterkonzern von NBC, und unsere Versuche, Kongreßmitglieder zu kaufen, brachten wir durch. Im Dezember bat uns die NBC, eine Sondersendung zum Jahresende zu machen. Zu dieser Sendung gehörten die Beiträge über das Corp-Aid Concert für Exxon, die Anstellung eines Privatpolizisten für Bill Clinton und die Suche nach einem neuen Feind für die Vereinigten Staaten. (Frankreich machte das Rennen.) Doch der wichtigste Beitrag in unserer Sondersendung war ein beunruhigender Einblick in jenen Teil der AntiAbtreibungsbewegung, die es für angemessen hält, daß Ärzte bedroht werden, die Abtreibungen vornehmen. 251 Unser Berichterstatter Louis Theroux verbrachte ein Wochenende mit dem Anti-Abtreibungsaktivisten Roy MacMillan in Jackson, Mississippi. Roy nahm Louis mit zu der Abtreibungsklinik, wo er die Frauen beschimpft, die das Gebäude betreten. Roy erklärte, er halte es moralisch für richtig, alles zu tun, was notwendig sei, um »die Rechte der Ungeborenen« zu schützen. Als Louis ihn fragte, ob er »auch die Ermordung des Präsidenten« für gerechtfertigt halte, sagte MacMillan: »Ich glaube, er ist in Gefahr, weil er die Tötungen zuläßt und unterstützt … Es wäre wahrscheinlich eher zu rechtfertigen, die, äh, Verfassungsrichter umzubringen.« Verstoßen diese Äußerungen gegen das Gesetz? Ist es ein Verbrechen, eine direkte oder indirekte Drohung gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten auszustoßen? Wir meinten, daß die Leute vom Sicherheitsdienst des Präsidenten Roy MacMillan hätten verhaften müssen, nachdem sie den Beitrag über ihn gesehen hatten. Wir hatten von der NBC kurz nach Produktionsbeginn grünes Licht für den Beitrag erhalten, obwohl sich die zuständigen Führungskräfte wegen seines konfliktträchtigen Inhalts Sorgen machten. Nur wenige Tage vor dem Sendetermin rief uns die Fernsehgesellschaft jedoch an und teilte uns mit, daß sich sämtliche Sponsoren zurückgezogen hätten. Keiner von ihnen wollte seinen Werbespot neben einem Beitrag mit dem Thema Abtreibung schalten. NBC hatte nach anderen, risikofreudigeren Sponsoren gesucht, aber keinen einzigen gefunden. Es war eine Woche vor Weihnachten, und wir mußten uns eingestehen, daß der Beitrag nicht mehr zu retten war. Bei NBC wollten sie die Sendung auf keinen Fall ohne Werbung ausstrahlen. (Obwohl man zu ihren Gunsten sagen muß, daß sie Jahre zuvor den Mut aufbrachten, den Fernsehfilm Roy vs. Wade über das 252 Thema Abtreibung ohne Werbung auszustrahlen.) Wir gaben nach, und der Beitrag wurde aus der Sondersendung herausgeschnitten. Zwei Tage nach ihrer Ausstrahlung betrat ein junger Mann namens John Salvi III., der zum extremen Flügel der Anti-Abtreibungsbewegung gehörte, zwei Kliniken in Brookline, Massachusetts, schoß auf vier Angestellte der Krankenhäuser und tötete zwei von ihnen. Louis Theroux steht neben Roy MacMillan, als dieser Frauen beim Betreten der Abtreibungsklinik beschimpft. Wäre dieser Mann genauso brutal vorgegangen, wenn er am Abend zuvor im Fernsehen gesehen hätte, wie ein Vertreter seiner Bewegung in Handschellen abgeführt wurde? Das ist doch die Wirkung, die man sich von der Festnahme eines Verbrechers erhofft: Sie soll andere potentielle Verbrecher abschrecken. Der Secret Service, der für die Sicherheit des Präsidenten verantwortlich ist, bat um eine Kopie des Abtreibungsbeitrags. Doch wir sammeln gewiß nicht 253 Beweise für Strafverfolgungsbehörden und gaben den Beitrag nicht heraus. Wenn die Inserenten in unserem Rundfunk- und Fernsehsystem nicht so viel Macht hätten, daß sie einen Beitrag zensieren können, dann hätte der Secret Service den Beitrag einfach mit einem Videogerät aufnehmen können. In Großbritannien wurde die Sondersendung unzensiert übertragen, also nahm der Sicherheitsdienst zur BBC Kontakt auf, die offensichtlich stolz darauf war, der amerikanischen Regierung helfen zu dürfen. Der Skandal um die Savings and Loan Associations Habt ihr euch jemals gefragt, was eigentlich mit all den Männern passierte, die in den achtziger Jahren die Savings and Loan Associations, eine Art Bausparkassen, führten? Ihr schlampiges und häufig kriminelles Treiben bescherte ihren Kunden – und den Steuerzahlern – Verluste in Milliardenhöhe. Was wir wissen wollten: Kamen diese Leute ins Gefängnis? Mußten sie Entschädigungen zahlen? Wir entdeckten, daß die meisten von ihnen nicht ins Gefängnis kamen, sondern wieder wohlhabend wurden, während ihre Kunden bankrott gingen. Diese Leute gründeten sogar eine Selbsthilfegruppe, um negativen Reaktionen der Öffentlichkeit entgegenzutreten. Pam Yates, eine Produzentin von TV Nation, bekam von der Unterstützergruppe die Erlaubnis, ein Treffen dieser Leute zu filmen und die ehemaligen Bausparkassenleiter an ihren neuen Arbeitsplätzen zu besuchen. Viele hatten es schon wieder zum Millionär gebracht. Der Beitrag war ein unglaubliches Stück Fernsehen: 254 Entweder man lachte, oder man wollte mit den Fäusten auf den Fernseher losgehen. Es gab nur ein Problem. Die amerikanische Öffentlichkeit bekam den Beitrag nie zu sehen. Fox teilte uns ohne Begründung mit, daß er nicht ausgestrahlt werden könnte. Der einzige Erklärungsversuch war, daß der Savings-and-LoanSkandal »Schnee von gestern« sei und die von uns erwähnten früheren Präsidenten Reagan und Bush unser junges Stammpublikum nicht interessierten. Wir fragten uns, ob die früheren Bausparkassenleiter nach den Dreharbeiten Bedenken bekommen und bei Fox angerufen hatten, um den Beitrag zu stoppen. Columbia TriStar hatte sich verpflichtet, alle zensierten Beiträge auf den verschiedenen Videos mit der Sendung zu plazieren. Der Sender informierte uns, daß dieser eine zensierte Beitrag in keinem Video zu sehen sein werde. Schwulenhatz in Topeka Dafür gab es in der Schule Extrapunkte. 255 Wie in Michaels Buch Querschüsse geschildert, erhielt der Schüler einer Highschool in Topeka Extrapunkte in der Schule, weil er die Beerdigungen von Menschen, die an AIDS gestorben waren, mit dem Schild »GOTT HASST SCHWULE« besuchte. Wir schickten unsere Crew nach Topeka, um einen Beitrag über diesen Schüler und seine Familie zu drehen. Der ganze Clan demonstriert mit Schildern gegen alle Personen, die er im Verdacht hat, schwul zu sein, und belästigt sie auf diese Weise. Der Beitrag war komisch und furchterregend zugleich. Doch die Verantwortlichen von Fox teilten uns mit, das Thema »Schwule« schrecke Sponsoren ab. Sie strahlten eine »Schwulenstory« aus (unser Ständchen für Jesse Helms in der Liebesnacht), aber mehr war nicht drin. Kleine Kondome Bis vor ein paar Jahren hatten alle Kondome dieselbe Größe – normal oder »eine Größe für alle«. Dann kam ganz plötzlich ein neues Kondom auf den Markt: Es war EXTRAGROSS, MAGNUM, MAXIMUM. Vielleicht lag es daran, daß das Produkt von Männern für Männer gemacht war, daß es nur in den Größen normal und EXTRAGROSS, MAGNUM, MAXIMUM verkauft wurde. Was aber war mit der mindestens ebenso wichtigen Größe – klein? Warum gab es keine extrakleinen Kondome? Wir schickten unseren Gastberichterstatter und alten Freund aus Flint, Ben Hamper (den Autor von Rivethead: Tales from the Assembly Line), in verschiedene Drogerien in New York, wo er nach kleinen Kondomen fragte. 256 Die Verkäufer reagierten schockiert, hysterisch, ungläubig oder verwirrt. Nachdem wir uns das Material angesehen hatten, waren wir der Ansicht, das Thema Kondome werde in dem Beitrag auf sehr unterhaltsame Weise behandelt. NBC und Fox waren anderer Ansicht. Als wir den Anzugträgern von NBC den fertigen Beitrag vorführten, sagten sie: »Wenn wir das zeigen, verlieren wir Zuschauer in den Südstaaten.« »Warum im Süden?« fragten wir. »Weil man von einem Südstaatler nicht verlangen kann, daß er sich eine Fernsehsendung ansieht, in der ganze sieben Minuten lang von einem kleinen Penis die Rede ist.« »Aber«, protestierte Michael, »die BBC in England wird es doch auch senden.« »Das ist es ja gerade!« antwortete der zuständige Manager, der seine ganz eigene Logik hatte. Außerdem hieß es, unsere Serie werde im »Familienprogramm« ausgestrahlt, da dürfe man das Wort Kondom nicht so oft sagen. Wir meinten, daß man gerade im Familienprogramm über Kondome sprechen sollte. Bei beiden Fernsehgesellschaften war man anderer Ansicht, obwohl inzwischen jeder Hundertste Mensch auf diesem Planeten mit dem HIV-Virus infiziert ist. Die Wiederaufführung der Unruhen in Los Angeles Wart ihr je auf einem Fest zum amerikanischen Unabhängigkeitstag und habt zugesehen, wie erwachsene Männer in originalgetreuen Kostümen Schlachten des 257 Amerikanischen Bürgerkriegs nachspielen? Alle scheinen sich ganz toll zu amüsieren, wenn sie für die Blauen oder die Grauen Partei ergreifen und ihrer Gruppe zujubeln. Vielleicht macht die Sache deshalb so viel Spaß, weil der Bürgerkrieg schon so lange her ist und keiner von uns die 600000 Leute mehr kennt, die damals ihr Leben ließen. Aber würden wir es ähnlich unterhaltsam finden, wenn ein Krieg aus der jüngeren Vergangenheit nachgespielt würde? Wir fragten eine Gruppe, die Bürgerkriegsschlachten nachspielte, ob sie auch Schlachten aus der jüngeren Vergangenheit in voller Uniform nachspielen würde? Sie war einverstanden und spielte vor einer Gruppe fröhlich picknickender Zuschauer den Abwurf der Atombombe auf Hiroschima. (Wir mieteten einen Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg. Er flog über die Soldaten hinweg, und sie fielen alle tot um.) Dann baten wir sie, den Atombombenabwurf aus Nagasaki nachzuspielen, mit dem gleichen Ergebnis. Danach spielten sie den Fall Saigons nach. Bei Fox stieß dieser Beitrag auf heftige Ablehnung. Aber nach harten Verhandlungen und nachdem die Manager Michael das Versprechen abgerungen hatten, bei seiner Einführung zu dem Beitrag zu sagen, daß er das nachgespielte Sterben ebenfalls pervers finde, erlaubten sie uns schließlich, drei Teile zu senden. Aber die letzte Wiederaufführung durften wir nicht senden – die Unruhen in Los Angeles, nachgespielt von den »Veteranen« des Bürgerkriegs. Wir drehten das Ding in drei Teilen: Zuerst zeigten wir, wie Rodney King zusammengeschlagen wurde, dann, wie die beteiligten Polizisten von den Geschworenen in Simi Valley freigesprochen wurden, und schließlich zeigten wir den Aufstand im Gefolge der Freisprüche. 258 Laienschauspieler in Kostümen aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs helfen Verletzten während der Unruhen von L. A. Bei der Simulation dieses Ereignisses wurde es den Fernsehgewaltigen sehr unbehaglich. Sie leben natürlich alle in L. A. Eine Satire über den Tod von ein paar Hunderttausend Japanern war durchaus drin, aber eine über die Rassenprobleme in Los Angeles … Oh je! Mach bloß die Glotze aus. Dieser Teil unseres Beitrags mit den nachgespielten Kriegen wurde nicht ausgestrahlt. In der Regel stellten wir jedoch fest, daß wir nur beharrlich genug darauf bestehen mußten, daß unsere Beiträge unverstümmelt gebracht wurden, um genau dies zu erreichen. Vielleicht geben die Produzenten in Hollywood einfach schneller nach, als unbedingt sein müßte. Nicht, daß sie Angst vor den Managern hätten, es geht nur darum, daß die Anzugträger einen furchtbar nerven können, und Nachgeben ist dann der bequemste Weg. 259 Unsere wichtigste Erfahrung beim Fernsehen bestand darin, daß jede Sendung, die bei den großen Fernsehgesellschaften läuft, zuvor von einem Inserenten gesehen wurde, der in der Sendung Zeit für seine Werbespots kauft. Diese Werbekunden stimmen tatsächlich einer Sendung zu (oder zensieren sie), lange bevor sie ausgestrahlt wird. Wir machten außerdem die Erfahrung, daß im Fernsehen nicht nur Sex und Gewalt und anstößige Sprache zensiert werden. Manchmal geht es auch um Ideen, die einfach zu gefährlich sind, um sie dem Publikum vorzutragen. 260 27 Wenn alles gesagt und getan ist Am 8. September 1995 lief die letzte Folge von TV Nation. Am folgenden Abend erhielt die Serie bei der Verleihung der Emmys für Sendungen in der Hauptsendezeit im Shrine Auditorium in Los Angeles den Emmy für die beste Informationsserie. Als wir die kleine Figur annahmen, dankten wir »General Motors, General Electric und General Murdoch – denn ohne sie wären wir nicht hier«. Es besteht das weitverbreitete Mißverständnis, daß TV Nation abgesetzt worden wäre. Dies ist nicht der Fall. Von der Serie waren nur zweimal acht Folgen als Ersatzprogramm für die Sommersaison eingekauft worden. Wir brauchten jeweils acht Monate, um die acht Folgen zu produzieren, also wäre es ziemlich schwierig gewesen, die Qualität wenigstens einigermaßen zu halten, wenn die Serie das ganze Jahr über wöchentlich ausgestrahlt worden wäre. Die Produzenten von TV Nation: Senior Producer David Wald, Executive Producer Michael Moore, Produzentin Kathleen Glynn und Supervising Producer Jerry Kupfer. 261 Trotz der beispiellosen Menge Fanpost, die NBC und Fox bekamen, gaben beide Gesellschaften keine weiteren Folgen von TV Nation in Auftrag. Es wurden allerdings andere Projekte ins Auge gefaßt. Im November 1997 drehten wir den Pilotfilm für eine Serie, die für das Nachtprogramm von Fox vorgesehen war. Sie enthielt ähnliche Beiträge wie TV Nation (Mike versucht Bill Gates ein Geschenk zum Einzug in seine neue Villa zu überreichen, wir versuchen einen neuen Job für Joe Camel zu finden) und Interviews mit der Sängerin Sheryl Crow, mit dem Schauspieler Jon Stewart, dem Regisseur Kevin Smith (Clerks, Chasing Amy) und mit O. J. Simpson. Ja, genau. Mit O.J.! Es war das erste Mal, daß er in den dreieinhalb Jahren, die seit dem Mord an seiner Ex-Frau vergangen waren, wieder live vor einem Publikum stand. Es wurde eine spannende Stunde, und als dieses Buch in Druck ging, war noch unklar, ob die Sendung je ausgestrahlt werden würde. Im März 1998 bekamen wir eine gute Nachricht. Channel Four Television, eine der wichtigsten britischen Fernsehgesellschaften, war bereit, 16 Folgen einer neuen Comedy-Reality-Show im Stil von TV Nation zu finanzieren. Michael Jackson, der frühere Chef von BBC l und 2, der sich ganz zu Anfang für uns eingesetzt hatte, war der neue Chef von Channel Four geworden und hatte sofort angeboten, unsere Serie wieder zu bringen. Wir sagten ja. Er war außerdem einverstanden, eine neue Talkshow für das Nachtprogramm mit uns zu produzieren, plus eine Serie über Independent-Filme, die Michael Moore moderieren sollte, und unsere nächsten zwei Filme, einen Spiel- und einen Dokumentarfilm. Wir sind natürlich überglücklich über diese Aufträge. Channel Four 262 verhandelt im Augenblick mit amerikanischen Fernsehgesellschaften über die Ausstrahlung der geplanten Programme. Eine coole Art umgekehrter Entwicklungshilfe für die USA. Wie es war, an TV Nation zu arbeiten? Im Krieg zwischen Kunst und Kommerz gewinnt fast immer der Kommerz. Uns jedoch gelang es zwei Sommer lang, fast allen blauen Bohnen auszuweichen, und wir konnten das Projekt beenden, ohne unseren Sinn für Humor und unser moralisches Rückgrat zu verlieren. Im Rückblick fragen wir uns, warum nicht mehr Fernsehleute etwas Besseres anstreben, als mit ihren Sendungen die Menschen nur in ihren Vorurteilen zu bestärken. Warum stellen sie den Status quo nicht in Frage? Warum produzieren sie nur für die Hirntoten unter den Zuschauern? Kennen die TV-Manager die Quoten ihrer eigenen Sendungen nicht? Die zehn führenden Sendungen sind jede Woche Produktionen wie ER, Seinfeld, 60 Minutes, The Simpsons, Frasier, also die intelligenteren Shows. Die Leute wollen kein dummes Fernsehen. Hollywood sollte sich das zu Herzen nehmen und riskanteres, subversiveres Fernsehen machen. TV Nation schnitt in ihrer Sendezeit nicht besser und nicht schlechter ab als die anderen Sendungen, die vor oder nach ihrer Ausstrahlung ihren Platz einnahmen. Wir haben es zwar nie in die Liste der 40 besten Sendungen geschafft, aber wir schnitten sehr viel besser ab als Cheers, M*A*S*H oder Seinfeld – alles Sendungen, die ihr erstes Jahr am unteren Ende der Quotenskala beendeten. Wir beendeten unsere letzte Folge mit der ersten Idee, die Mike den Managern von NBC in jenem ersten Treffen im Jahr 1993 vorgestellt hatte: mit der »Verbraucherberatung für Beichtwillige«. Da Mike glaubt, daß unser aller Chancen, dereinst von Petrus am 263 Himmelstor empfangen zu werden, recht gut stehen, hatte er Angst davor, seine Sünden bei 20 verschiedenen Priestern zu beichten. Also bat er seine gerade vom Katholizismus genesene Glaubensgenossin Janeane Garofalo das Experiment durchzuführen. Weil sie überzeugt war, daß sie ohnehin in der Hölle schmoren würde, stimmte sie dem Beichtmarathon begeistert zu. Sie beichtete ihre Sünden und wurde nicht vom Blitz erschlagen. Statt dessen wurde sie bald darauf ein Star. Die Quoten für diese Folge gehörten zu unseren besten. Die Mitarbeiter kamen wie auch bei den vorherigen 16 Folgen zusammen, sahen sich die Sendung an und feierten in die Nacht hinein. Wir lachten wie immer, wenn wir sahen, wer die jeweilige Folge sponserte (diesmal waren es AT&T, Coca-Cola, Burger King und Sara Lee), und wir stießen darauf an, daß wir die harte Arbeit gut bewältigt hatten. An jenem Abend hatten wir alle das Gefühl, daß TV Nation vielleicht die beste Arbeit war, die wir je gemacht hatten, und wir fragten uns, ob die Sendung etwas 264 bewirken würde. Für uns war sie nicht bloß eine Fernsehserie. Sie war ein filmischer Molotowcocktail, den wir in das Medium geworfen hatten, um es ein wenig aufzurütteln. Hat es funktioniert? Es hat funktioniert, wenn du jetzt gern das Buch aus der Hand legen und rausgehen und selbst ein bißchen Krach schlagen möchtest. 265 Anhang A Die Umfragen von TV Nation Die folgenden Meinungsumfragen wurden von dem Meinungsforschungsinstitut Widgery and Associates tatsächlich in der US-amerikanischen Öffentlichkeit durchgeführt. Die Fehlergrenze beträgt plus minus 9%. Erste Sendung bei NBC 65 % aller Amerikaner sind der Ansicht, daß tiefgefrorene Pizza nie etwas taugen wird und die Wissenschaft daran nichts ändern kann. 10% der Amerikaner würden fünf Dollar bezahlen, um Senator Orrin Hatch (aus Utah) im Bezahl-Fernsehen mit einem großen bissigen Hund kämpfen zu sehen. 86% aller Zuschauer wären für den Hund. 100% der Zuschauerinnen wären für den Hund. 45 % der Amerikaner sind der Ansicht, daß im Regen zu stehen im wirklichen Leben nicht so angenehm ist, wie es im Film dargestellt wird. 16% der Wähler des unabhängigen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Ross Perot glauben, daß »Delphine aus diesen Netzen wieder rauskommen würden, wenn sie wirklich klug wären«. 266 Zweite Sendung bei NBC 65 % der amerikanischen Frauen sind der Ansicht, daß »ein großer Unterschied« zwischen einer Wahlkampfspende und Bestechung besteht. Nur 35% der Männer meinen, es gebe diesen Unterschied. 70% aller amerikanischen Frauen haben noch nie eine befriedigende Beziehung mit einem Republikaner gehabt. Dritte Sendung bei NBC Im vergangenen Jahr hielten 36% der Amerikaner ihr Land für »die Nummer Eins«. Nur 22% der Bush-Wähler teilten diese Ansicht. 62% der Amerikaner glauben, daß der Besuch eines großen Themenparks für sie eine größere Bereicherung wäre als ein Besuch in der Reagan Library. Vierte Sendung bei NBC 39% der Amerikaner glauben, daß Waffen nicht »so gefährlich sind, wie behauptet wird«. 15% der Amerikaner wünschen sich, daß Dennis Hopper wieder Drogen nimmt. 267 Fünfte Sendung bei NBC 29% der Amerikaner meinen, daß Elvis mit guten Gründen auf Fernsehgeräte schoß. 29% der Perot-Wähler sagen: »Der Kandidat, für den ich stimme, verliert in der Regel.« Sechste Sendung bei NBC 11% der Amerikaner, die an Verdauungsstörungen leiden, würden lieber noch einmal eine Aufnahmeprüfung ablegen, als zuzusehen, wie Jesse Helms durch Dauerreden eine Abstimmung zu verhindern sucht. 12,5% der Amerikaner, die für Clinton stimmten, glauben, daß man ihnen eines Tages sagen wird, »was genau das Geheimnis von Victoria’s Secret (einer Wäschefirma) ist«. 98% der Bush-Wähler glauben, daß sie das nie erfahren werden. Siebte Sendung bei NBC 88% der Bush-Wähler »haben keine Ahnung, wovon Rapper reden«. 14% der befragten Amerikaner teilen die Ansicht, daß Puerto Rico nicht der 51. Staat sein sollte, weil »wegen des zusätzlichen Sterns die Flagge schlechter aussieht«. 268 Sondersendung zum Jahresende von 1994 bei NBC 35 % der Amerikaner glauben, daß Richard Nixon in den Himmel kam. 59% glauben, daß er »anderswohin kam«. 34% der Wähler der letzten Wahl glauben, daß der Spielfilm Forrest Gump ein Dokumentarfilm war. Erste Sendung bei Fox 60% der Amerikaner sagen, wenn sie einen Knopf drücken könnten, damit der Talkmaster Larry King verschwindet, würden sie »ihn drücken und nicht mehr damit aufhören«. 37% der Amerikaner wollen auf keinen Fall Briten sein, hätten aber nichts dagegen, einen britischen Akzent zu haben. Eine Mehrheit der Amerikaner würde lieber mit dem CBSModerator Dan Rather als mit dem NBC-Moderator Tom Brokaw in einem Jacuzzi (Unterwassermassagebecken) sitzen. Von denen, die lieber mit Dan baden würden, haben 10% keine Krankenversicherung. Zweite Sendung bei Fox 11% der Personen, die schon einmal das Anti269 Depressivum Prozac genommen haben, wäre es recht, wenn Dan Quayle ein Comeback hätte, weil »Al Gore einfach nicht witzig genug ist«. 36% der College-Absolventen sind der Ansicht, daß es praktisch keine weiblichen Serienkiller gibt, weil Frauen »einfach nicht aggressiv genug sind«. Dritte Sendung bei Fox 12% der Befragten glauben, daß der Erfolg des Schauspielers David Hasselhoff als Star der Fernsehserie Baywatch wenigstens zum Teil auf »Absprachen mit dem Teufel« beruht. 45% der Amerikaner glauben, daß Außerirdische, wenn sie C-Span empfangen und eine Rede von Sonny Bono im Kongreß hören könnten, nie die Erde besuchen würden. 17% der College-Absolventen würden sich für 50 Dollar richtig hart mit der Faust ins Gesicht schlagen. 28% derjenigen, die sich selbst als »normale Amerikaner« bezeichnen, wären gerne König von Großbritannien, aber nur, wenn sie nicht die Queen heiraten müssen. Vierte Sendung bei Fox 44% der Republikaner sagen, sie würden sich die Nachrichtensendung Nightline ansehen, wenn sie eine eigene Band und einen komischen Eröffnungsmonolog 270 hätte. Wenn Jesus wiederkehrte und erkennen müßte, daß der fundamentalistische Fernsehprediger Pat Robertson sein Sprecher ist, würden wir nach Ansicht von 46% der Amerikaner alle großen Ärger bekommen. 42 % der Amerikaner sind der Ansicht, daß Kato Kaelin beim nächsten Flug des Spaceshuttles mitfliegen sollte, ob er will oder nicht (durch Aussage im Simpson-Prozess bekannt gewordener Schauspieler). Fünfte Sendung bei Fox 26% der Amerikaner, die eine Feuerwaffe besitzen, sind der Ansicht, daß der zweite Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung das Recht garantiert, hochexplosiven Kunstdünger zu kaufen. 81% derjenigen, die einen oder mehrere der Police Academy-Filme gesehen haben, sind der Ansicht, daß O. J. Simpson unschuldig ist. 29 % der Befragten sind der Ansicht, daß der Kerl, der als erster das Adjektiv »Groß« vor »Britannien« setzte, wahrscheinlich einen Witz machen wollte. Sechste Sendung bei Fox 16% der Amerikaner glauben, daß der Rest der Welt ihnen Böses will. 46% dieser Gruppe sind Waffenbesitzer. 271 Ein Drittel der amerikanischen Frauen teilt die Ansicht, daß Baseball aufregender war, als die Baseballsaison 1994/95 durch einen Spielerstreik ausfiel. 40% der Amerikaner können sich daran erinnern, wo sie waren, »when JFK the movie was shot«. Siebte Sendung bei Fox Von denen, die sagten, daß sie in den vergangenen sechs Monaten einmal so richtig geweint hätten, waren 42 % Demokraten, 27% Republikaner, und 54% glaubten an die Existenz von UFOs. 28% der Amerikaner sind der Ansicht, daß die High-TechAusrüstung unserer Armee zu teuer ist, um in einem Krieg ihren Verlust zu riskieren. 272 Anhang B Die Sendungen Wir drehten 105 Einzelbeiträge für TV Nation. Hier eine Liste aller in Amerika ausgestrahlten Sendungen. Erste Sendung bei NBC Erstausstrahlung: 19. Juli 1994 Nafta TV Nation reist nach Mexiko und profitiert vom Nordamerikanischen Freihandelsabkommen: Wir engagieren für 80 Cent pro Stunde Mexikaner, um die Sendung zu produzieren. Taxi (Siehe S. 105) Appleton Appleton in Minnesota hat es kürzlich schwer getroffen. Die Stadt baute ein Gefängnis, um Einnahmen zu erzielen – doch es fehlt an Häftlingen. Wir finden heraus, warum. Love Canal Erinnert ihr euch noch an den giftigen Ort Love Canal in der Nähe der Niagara-Fälle? Umtriebige Immobilienmakler wollen jetzt Menschen dazu bewegen, wieder in die neue, weniger vergiftete Gemeinde zu ziehen. 273 Mikes Rakete (Siehe S. 168) Zweite Sendung bei NBC Erstausstrahlung: 26. Juli 1994 Eine Herausforderung für Konzernchefs (Siehe S. 88) Der Handel mit Lebensversicherungen von AIDSKranken Wir recherchieren über Makler, die die Lebensversicherungen von AIDS-Kranken zu Billigpreisen an Investoren vermitteln. Wenn der Patient stirbt, hat der Investor Anspruch auf die gesamte Versicherungsprämie und macht einen riesigen Profit. PR-Kosmetik beim Ku Klux Klan TV Nation sucht den »Nationalen Direktor« des neuen, medienbewußten Ku Klux Klan auf, um herauszufinden, wie die Öffentlichkeitsarbeit des Klans ansprechender gestaltet werden kann. Kuwait Erinnert ihr euch noch an den Golfkrieg, als alliierte Truppen in Kuwait einmarschierten, um die Iraker zu besiegen und die Demokratie wiederherzustellen? TV Nation reist in das befreite, demokratische Kuwait, um herauszufinden, ob der Golfkrieg das Land wirklich demokratisiert hat, in dem Frauen zum Beispiel immer noch nicht wählen dürfen. 274 Haustiere auf Prozac TV Nation sucht eine Anzahl von Haustieren auf, denen ihr Tierarzt das Anti-Depressivum Prozac verschrieben hat. Wir wollen wissen, ob das Medikament half. Karen Duffy friert in Fargo. Dritte Sendung bei NBC Erstausstrahlung: 2. August 1994 Ein Tag mit Dr. Tod (Siehe S. 119) Wir engagieren unseren eigenen Lobbyisten (Siehe S. 236) Avon am Amazonas TV Nation reist an den Amazonas und besucht AvonVertreterinnen, die tief im Regenwald Kosmetika an Frauen verkaufen. Ein Avon-Produkt kann dort bis zum Dreizehnfachen eines Tageslohns kosten. North Dakota 275 North Dakota ist der am wenigsten besuchte Bundesstaat der Vereinigten Staaten. TV Nation besuchte bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt Attraktionen wie das Lawrence Welk Museum und den geographischen Mittelpunkt Nordamerikas. Klärschlamm Was passiert, wenn ein New Yorker die Klospülung betätigt? TV Nation folgte dem Klärschlammzug bis in die Stadt Sierra Bianca in Texas. Dorthin wird der Klärschlamm geliefert und in der Umgebung verteilt. Vierte Sendung bei NBC Erstausstrahlung: 9. August 1994 O. J./Schleichwerbungsabend TV Nation will auch mal so richtig schleichwerben. Wir besuchen den Ford-Bronco-Händler von O. J. Simpson und lassen uns über den »O. J. Special« informieren. Außerdem treiben wir Schleichwerbung, indem wir während der ganzen Sendung an strategisch wichtigen Stellen verschiedene Produkte plazieren. Billigtourismus Wir besuchen ein Gefängnis, dessen Insassen vom Tourismusministerium des Bundesstaats als billige Arbeitskräfte genutzt werden. Hot Springs TV Nation besucht die Stadt, wo Präsident Clinton 276 aufgewachsen ist, einen seltsamen Kurort in Arkansas namens Hot Springs. Lord Mike Wie wird man in den Adelsstand erhoben? Durch familiäre Beziehungen? TV Nation besucht Großbritannien, um herauszufinden, was es wirklich kostet. Schlappe 8000 Dollar, und man kann mit einer Diners-Club-Karte bezahlen! Die Krankenversorgungsolympiade (Siehe S. 205) Fünfte Sendung bei NBC Erstausstrahlung: 16. August 1994 Wir engagieren unseren eigenen Lobbyisten (Siehe S. 236) Millennium Über 2 500 Gruppen in den Vereinigten Staaten glauben, daß die Welt, wie wir sie kennen, mit der Jahrtausendwende enden wird. TV Nation besucht vier dieser Gruppen, um herauszufinden, ob wir das Jahr 2000 277 überleben. Seid ihr auf einen Gefängnisaufenthalt vorbereitet? (Siehe S. 125) Den Kommunismus abschleppen (Siehe S. 179) Frieden durch Pizza (Siehe S. 229) Sondersendung zum 5. Geburtstag bei NBC Erstausstrahlung: 21. August 1994 Beiträge aus den ersten fünf Folgen der Serie. Sechste Sendung bei NBC Erstausstrahlung: 23. August 1994 Waffenabend Die Berichterstatter von TV Nation tun sich mit dem Schauspieler Christian Slater, dem Schnulzensänger Harry Connick jr., dem Trainer der Dallas Cowboys Barry Switzer und den Ehefrauen von Kongreßmitgliedern zusammen und tragen Waffen! Wir üben unser Recht aus, nicht nur Waffen zu tragen, sondern sie auch abzufeuern! Mit solchen Nachbarn (Siehe S. 199) 278 Wer schmiert besser, New York oder New Jersey? TV Nation wirft sein ganzes Gewicht als populäre Serie in die Waagschale, um für seine Produktionen in New York eine Steuerbefreiung zu bekommen, indem es droht, künftig in New Jersey zu produzieren. Wir gehen bis ganz nach oben, zu dem New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani, um zu erfahren, was wir kriegen können. Talkshow TV Nation versucht folgende häufig gestellte Frage zu beantworten: Wo genau kommen eigentlich die Leute in den tagsüber ausgestrahlten Talkshows her? Siebte Sendung bei NBC Erstausstrahlung: 30. August 1994 Golfabend TV Nation läßt sich von Golfprofi Rodger Tabara Tips geben, wie die Sendung aufgemöbelt werden könnte und wie dieser fürchterliche Slice verbessert werden könnte. Prügelstrafe Worauf war das Britische Weltreich aufgebaut? Einige Briten behaupten: auf der Züchtigung mit dem Stock. TV Nation riskiert die Ärsche seiner Mitarbeiter und besucht Großbritannien, um diese Geschichte zu recherchieren. Sabotage (Siehe S. 150) Werbemüll (Siehe S. 137) 279 Unternehmensberater Viele Unternehmen engagieren doch tatsächlich Berater, um effektiver Personal abbauen zu können, also engagierten wir auch einen Unternehmensberater, um unsere Lohnkosten zu senken. Sondersendung zum Jahresende (1994) bei NBC Erstausstrahlung: 28. Dezember 1994 Jacuzzi Während der ganzen Folge spendiert TV Nation Mitgliedern der meistgehaßten Bevölkerungsgruppen der USA, darunter Vermieter, Angestellte von TelemarketingFirmen und Satanisten, Fahrten in der Jacuzzi-Limousine. Das Corp-Aid Concert (Siehe S. 60) Ein Wachmann für das Weiße Haus 280 Wie es den Anschein hat, wurde das Weiße Haus öfters angegriffen in letzter Zeit – ein Mann zerschellte mit seinem Privatflugzeug auf dem Rasen vor dem Gebäude, ein anderer schoß auf das Weiße Haus. TV Nation engagiert einen privaten Wachmann, um das wichtigste Gebäude der freien Welt bewachen zu lassen. Starben nicht 1994 In den Sondersendungen zum Jahresende wird immer von Leuten erzählt, die im Lauf des Jahres gestorben sind. Wir bei TV Nation finden das deprimierend. Also rücken wir den ganzen Abend Personen ins Rampenlicht, die 1994 nicht gestorben sind. Die Invasion des Jahres 1995 In den letzten paar Jahren hatte das amerikanische Militär viel zu tun: Ausflüge nach Haiti, Somalia und Kuwait. TV Nation läßt die amerikanischen Bürger darüber abstimmen, wo die Truppen 1995 einmarschieren sollen. Lernt die Republikaner kennen TV Nation sieht sich die Karrieren und Äußerungen der Männer und … Männer genauer an, die in überwältigender Anzahl gewählt wurden, um unser Land zu regieren: die Republikaner. Voraussagen für das neue Jahr Steven Wright fragt eine Reihe von Experten, welche wichtigen Ereignisse 1995 passieren oder nicht passieren werden. 281 Neue Arbeitsplätze TV Nation spricht mit einer Reihe von Leuten in Scranton in Pennsylvania, um herauszufinden, was sie für »neue« Arbeitsplätze bekommen haben und wie sich ihr Leben verbessert hat, seit diese Arbeitsplätze während Clintons Amtszeit geschaffen wurden. Erste Sendung bei Fox Erstausstrahlung: 28. Juli 1995 Bruno for President An einen Präsidenten werden keine hohen Anforderungen gestellt. Er muß lediglich mindestens fünfunddreißig und in den USA geboren sein. Warum stehen trotzdem immer nur so wenige Kandidaten zur Wahl? TV Nation nominiert seinen eigenen Kandidaten, den vorbestraften Verbrecher Louie Bruno, damit er am demokratischen Prozeß teilnimmt. Wir sind die Nummer Eins TV Nation besucht Städte in Amerika und feiert mit ihnen, daß sie in verschiedenen Bereichen die Nummer eins sind: zum Beispiel in der Anzahl der Playboy-Abos (Des Moins in Iowa) oder der Entführung von Autos einschließlich der Insassen (Tampa in Florida). 282 Invasion auf dem Strand bei Greenwich in Connecticut (Siehe S. 37) Tatortsäuberung TV Nation interviewt Mr. und Mrs. Barnes. Das Ehepaar hat eine Firma, die Tatorte nach Gewaltverbrechen säubert. Wenn die Leichen abtransportiert sind und die Polizei den Tatort verlassen hat, kommen Mr. und Mrs. Barnes, machen ihre Arbeit und kassieren eine stattliche Summe dafür. Crackers, das WirtschaftskriminalitätsBekämpfungshuhn (Siehe S. 69) Zweite Sendung bei Fox Erstausstrahlung: 4. August 1995 Zahltag (Siehe S. 47) Yuri, der Spion für TV-Nation (Siehe S. 157) Nea Viele Kongreßmitglieder wollen die Finanzmittel für das National Endowment for the Arts (NEA) streichen und Privatunternehmen für unsere Künstler und Museen zahlen lassen. »Keine schlechte Idee!« dachten wir bei TV Nation und machten eine Rundreise durch die Museen, die zur Zeit ohne einen Cent vom NEA gedeihen: das Kentucky Fried Chicken Museum, das Tobacco Art and History 283 Museum und das Sacred Arts Museum. Atombombe TV Nation besucht einen Mann aus Idaho, der bei einer staatlichen Versteigerung 750 Tonnen Metallschrott kaufte. Als er die Teile zu Hause inspizierte, entpuppten sie sich zu seiner Überraschung als Bauteile einer Atombombenfabrik. Das Jerusalem-Syndrom Von den Millionen Touristen, die das Heilige Land besuchen, glauben immer wieder welche, daß sie Jesus sind, wenn sie aus dem Reisebus steigen. Ärzte in Jerusalem haben dieses Phänomen das »Jerusalem-Syndrom« getauft. TV Nation beschreitet den Pfad der Propheten und recherchiert zu diesem Phänomen. Die Klos der Gerechtigkeit (Siehe S. 190) Dritte Sendung bei Fox Erstausstrahlung: 11. August 1995 Wiederaufgeführte Kriege TV Nation schließt sich den Burschen an, die sich an Wochenenden verkleiden und Schlachten des Amerikanischen Bürgerkriegs nachspielen. Diesmal jedoch lassen wir sie in ihren Bürgerkriegskostümen Schlachten aus der jüngeren Vergangenheit aufführen: Den Fall Saigons, die Schlacht von Hiroschima und den Scheidungskrieg zwischen Tom Arnold und Roseanne. 284 Stadt des Teufels Die Southern Baptist Church hat eine Karte von Alabama veröffentlicht. Sie zeigt die Countys, in denen die meisten Einwohner noch nicht »gerettet« sind und deshalb nach ihrem Tod in der Hölle schmoren müssen. TV Nation reist in die Countys mit den meisten »verlorenen« Seelen und versucht, sie vor der ewigen Verdammnis zu retten. Crackers in Philadelphia (Siehe S. 77) Der elektronische Riecher Gerade dachten wir, die Maschinen hätten endlich alle Menschen ersetzt, die sie ersetzen können, da taucht die elektronische Nase auf. Rund um die Welt werden Tausende Menschen beschäftigt, um die – angenehmen oder unangenehmen – Gerüche neuer Produkte zu testen. TV Nation besucht zwei Unternehmen in Großbritannien, die menschliche Riechkolben durch elektronische ersetzen wollen. Cobb County (Siehe S. 217) School of the Americas Die USA haben in Georgia eine Schule gegründet, die lateinamerikanischen Soldaten die Kunst der »Bevölkerungskontrolle« beibringen soll. Sie heißt School of the Americas. Eine Anzahl lateinamerikanischer »starker Männer« (wie zum Beispiel Manuel Noriega) hat dort ihre Ausbildung erhalten – auf Kosten des amerikanischen Steuerzahlers. 285 Widgery Habt ihr euch je gefragt, ob die Umfragen, die in TV Nation gezeigt werden, echt sind? Viele Zuschauer möchten das gerne wissen. Deshalb stellen wir unseren Zuschauern Widgery and Associates vor, das anerkannte Meinungsforschungsinstitut, das die Umfragen für TV Nation durchführt. Vierte Sendung bei Fox Erstausstrahlung: 18. August 1995 Nicht gesucht: Brian Anthony Harris (Siehe S. 99) Liebesnacht (Siehe S. 26) Aquarium Orte wie Camden in New Jersey, Long Beach in Kalifornien und Tulsa in Oklahma, die um ihr Überleben kämpfen, haben große Aquarien gebaut, um Touristen anzuziehen und womöglich ihre Innenstädte zu retten. TV Nation untersucht das Phänomen. Mikes Bürgerwehr Seit der Bombe in Oklahoma City ist der Michigan Militia viel Aufmerksamkeit geschenkt worden, einer bewaffneten Gruppe wütender Bürger, denen Timothy McVeigh und die Brüder Nichols 1993 freundschaftlich verbunden waren. TV Nation verbringt einen Tag bei der Bürgerwehr. Wir wollen ihre Mitglieder dazu bringen, daß sie ihre Waffen niederlegen, ihre Tarnanzüge ausziehen 286 und sich am demokratischen Prozeß beteiligen. Die Konkurrenz: der KGB (Siehe S. 166) Fünfte Sendung bei Fox Erstausstrahlung: 25. August 1995 Kanada-Abend Der Sondergruß von TV Nation an unsere Nachbarn im Norden. Wir schmuggeln die ganze Nacht illegal Kanadier über die Grenze, bieten den Kanadiern frei verkäufliche Waffen an und wollen herausfinden, wieviel die Kanadier über Amerika wissen. Wir helfen Washington auf die Sprünge In Newt Gingrichs Contract with America steht, daß der Kongreß an alle Gesetze gebunden ist, die auch für die amerikanischen Staatsbürger gelten. Wie sich herausgestellt hat, spielt und lebt der Kongreß jedoch immer noch nach seinen eigenen Regeln. Deshalb reist die TV Nation nach Washington D.C., klagt ihr vertraglich zugesichertes Recht ein und fordert für sich dieselben Privilegien, die die Kongreßmitglieder genießen. Nugent TV Nation besucht das neueste Vorstandsmitglied der National Rifle Association, die Rock ’n’ Roll-Legende Ted Nugent. Ted zeigt unserem Berichterstatter Louis Theroux seine Farm in Michigan und äußert sich zu verschiedenen Themen, vom Sturmgewehr bis zu (Justizministerin) Janet Reno. Dabei gelingt es ihm, seinen 287 neuen Status als Rush Limbaugh des Rock ’n’ Roll zu festigen. Crackers in St. Louis (Siehe S. 79) Ich will ein Argentinier sein (Siehe S. 130) Sechste Sendung bei Fox Erstausstrahlung: 1. September 1995 Umarme einen Gouverneur Die Mehrheit im neuen Kongreß behauptet, sie wolle mehr Macht an die Bundesstaaten abtreten. Wenn die Macht jetzt dort angesiedelt ist, wollen wir von TV Nation hingehen und sie berühren. Also erhält Mike folgenden Auftrag: Umarme alle 50 Gouverneure. Psychologische Operationen Die Berichterstattung über den Prozeß von O.J. Simpson war wichtig, aber brauchte es wirklich jeden Tag 300 Reporter? Gab es keine anderen wichtigen Ereignisse, über die man berichten mußte? Wir von TV Nation engagierten unseren eigenen Experten für psychologische Operationen, einen pensionierten Offizier der US-Armee, um eine psychologische Operation durchzuführen, die die massive Berichterstattung über O. J. destabilisieren und reduzieren soll. Rosemont Teile von Rosemont in Illinois, einer sehr wohlhabenden 288 Vorstadt von Chicago, sind von der Außenwelt abgeschottet. Die öffentlichen Zugangsstraßen sind von Polizisten bewacht, die nur die Einwohner des Stadtteils hineinlassen. TV Nation stellt am Stadtrand von Rosemont seine eigenen Wachposten auf und hindert die Einwohner von Rosemont daran, nach Chicago zu fahren. Gewerkschaften Wie jeder weiß, liegen die Gewerkschaften im Sterben oder sind bereits tot. Aber es gibt ganz neue Gruppen von Arbeitnehmern da draußen, die sich zum ersten Mal gewerkschaftlich organisieren, Buffalo Bills Cheerleading Squad zum Beispiel oder die Oben-Ohne-Tänzerinnen in einer Bar in New Jersey oder die lebensgroßen Comicfiguren in Disneyland. TV Nation sagt: »Zeigt uns euren Gewerkschaftsausweis.« Wehleidige weiße Männer (Siehe S. 246) Nicht gesucht: Brian Anthony Harris, Teil 2 (Siehe S. 99) Fanpost Der Präsidentschaftskandidat von TV Nation Louie Bruno und sein Wahlkampfmanager Lucky beantworten die Post unserer Zuschauer. 289 Louie Bruno und Lucky Dellacaprini lesen die Post. Siebte Sendung bei Fox Erstausstrahlung: 8. September 1995 Highschool-Tyrannen Alle Berichterstatter von TV Nation werden wieder mit dem Schüler zusammengebracht, der sie an der Highschool tyrannisiert hat. Die Tyrannen werden für ein besonders vergnügtes Wochenende nach New York eingeflogen. Sie fahren zusammen mit ihren früheren Opfern in der Kutsche durch den Central Park und auf dem Tandem und bekommen nebenbei ein bißchen was heimgezahlt. Beichte Einmal im Jahr sollen alle Katholiken zur Beichte gehen und alle Sünden des Jahres beichten. Interessanterweise geben keine zwei Priester dieselbe Buße für dieselben Sünden. Als Kundendienst für ihre katholischen 290 Zuschauer bietet TV »Verbraucherberatung für Menschheitsgeschichte. Nation die erste Beichtwillige« in der Der New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani überreicht Mike seine Nominierung für den Emmy, nur wenige Wochen nach dem Besuch von Crackers. 291 Fernsehverbrecher TV Nation reist mit den »TV Cops« durch Großbritannien, und sie lochen britische Staatsbürger ein, die ihr Fernsehgerät ohne Erlaubnis der britischen Regierung betreiben. Crackers in Detroit (Siehe S. 81) KGB und die demokratische Partei (Siehe S. 165) Weatherman TV Nation engagiert einen Meteorologen, der gefeuert wurde, weil er sich weigerte zu lügen, und Regen voraussagte für den Tag, an dem die Republikaner ein großes Picknick veranstalteten. Zensierte Beiträge Schwulenhatz in Topeka (Siehe S. 257) Der Skandal um die Savings and Loan Associations (Siehe S. 256) Abtreibung (Siehe S. 254) Kleine Kondome (Siehe S. 258) Die Wiederaufführung der Unruhen in Los Angeles (Siehe S. 260) 292 Anhang C Was gibt’s von uns? Bücher Stupid White Men Stupid White Men Eine Abrechnung mit dem Amerika unter George W. Bush Aus dem Amerikanischen von Michael Bayer, Helmut Dierlamm, Norbert Juraschitz und Heike Schlatterer, 335 S., broschiert Piper Verlag, ISBN 3-492-04517-0 Querschüsse »Downsize This« Aus dem Amerikanischen von Heike Schlatter und Helmut Dierlamm, 314 S., broschiert, Piper Verlag, ISBN 3-49204564-2 Volle Deckung Mr. Bush »Dude, Where’s my Country?« Aus dem Amerikanischen von Michael Bayer, Helmut Dierlamm, Thomas Pfeiffer und Heike Schlatterer, 316 S., 293 broschiert, Piper Verlag, ISBN 3-492-04614-2 Als Hörbuch sind erhältlich Stupid White Men 2 CDs, Verlag Antje Kunstmann, ISBN 3-88897-334-1 Volle Deckung Mr. Bush 2 CDs, Verlag Antje Kunstmann, ISBN 3-88897-361-9 Als DVD sind in deutscher Sprache erhältlich Bowling for Columbine Roger & Me The Big One Ab Juli 2004 in den Kinos Fahrenheit 9/11 294 Anhang D Material für TV Nation Im folgenden interessante Adressen, Telefonnummern und Websites. Werdet aktiv und nutzt sie nach Belieben.1 Wer hat diese Serie ins Programm genommen? TriStar Television 10 202 West Washington Blvd., Culver City, CA 90232,310-244-4000 www.spe.sony.com/tv BBC Television Viewer and Listener Correspondence The Broadway Ealing London W5 2PA ENGLAND 0181-743-8000 www.bbc.co.uk Channel Four Television 124 Horseferry Road 1 Nicht alle dieser Adressen sind noch gültig. Aufgrund des dokumentarischen Weites wurden sie in die deutsche Ausgabe übernommen. (A. d. dt. Verlages) 295 London SW1P 2TX ENGLAND 0171-306-8333 www.channel4.com NBC Television 30 Rockefeller Plaza New York, NY 10112 212-664-4444 www.nbc.com Fox Television PO Box 900, Beverly Hills, CA 90213, 310-395-2294 www.fox.com Liebesnacht Anti-Defamation League 823 UN Plaza New York, NY 10 017 212-885-7700 www.adl.org National Abortion and Reproductive Rights Action League (NARAL) 1156 15th Street, NW, Suite 700 Washington, DC 20005 202-973-3000 202-973-3096 fax www.naral.org 296 Southern Poverty Law Center PO Box 548 Montgomery, AL 36101 334-264-0286 334-264-0629 fax www.splcenter.org Überwacht Haßgruppen und Bürgerwehren mit den beiden Organisationen Militia Task Force und Klanwatch. Refuse and Resist! 305 Madison Avenue, Suite 1166 New York, NY 10165 212-713-5657 www.walrus. com/~resist Eine Gruppe von Unruhestiftern, die gegen alles kämpft: Sexismus, Rassismus, Homophobie, Zensur und »Zwangspatriotismus«. Senator Jesse Helms U.S. Senate Washington, DC 20510 www.senate.gov/~helms/ E-Mail: [email protected] Jesse Helms a.k.a. Jersse Herlms www.BigBangCom.com/herlmspg.htm Anti-Jesse-Helms-Website mit Audio-Clips einer AntiJesse-Radiosendung zum Downloaden. Gay and Lesbian Alliance Against Defamation 297 (GLAAD) 150 West 26th Street, Suite 503 New York, NY 10 001 212-807-1700 212-807-1806 fax www.gload.org Invasion auf dem Strand bei Greenwich in Connecticut Die besten Sträde in den USA: www.petrix.com/beaches/index.html Town of Greenwich Department of Parks and Recreation Edward Bilek jr., Director PO Box 2540 Greenwich, CT 06836 203-622-7814 203-622-6494 fax Greenwich Chamber of Commerce 45 East Putnam Avenue Greenwich, CT 06830 203-869-3500 www.greenwichchamber. Com Zahltag Revenge Unlimited www.revengeunlimited.com »Rache ist süß.« Bietet Ideen, Chatrooms, Werkzeuge, Modetips und eine ganze Bibliothek mit Material für Racheakte. Crackers, das Bekämpfungshuhn Wirtschaftskriminalitäts- 298 E-Mail: [email protected] Schickt eure Hinweise auf Wirtschaftsverbrechen an Crackers! Er ist zwar immer noch im Ruhestand, aber er kriegt gern Post. Corporate Crime Reporter Russell Mokhiber, Editor 1209 National Press Building Washington, DC 20045 202-737-1680 Public Citizen 1600 20th Street, NW Washington, DC 20009 202-588-1000 www.citizen.org Augen und Ohren des Verbrauchers in Washington. Gegründet von Ralph Nader, um für sicherere Medikamente und medizinische Geräte, sauberere und sicherere Energiequellen, eine sauberere Umwelt, fairen Handel und eine offenere und demokratischere Regierung zu kämpfen. Eine Herausforderung für Konzernchefs Corporate Watch www.corpwotch.org/home.html Corporate Watch prangert die Habgier transnationaler Konzerne an, indem es die sozialen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen ihres Vorgehens dokumentiert. Die Organisation versucht mehr demokratische Kontrolle dieser Unternehmen zu erreichen. Executive Paywatch www.paywatch.org 299 Anleitung für Arbeiterfamilien, um die exzessiven Gehälter, Bonusse und Vergünstigungen von Konzernchefs zu kontrollieren und zu beschränken. Ford Motor Company 313-322-3000 www.ford.com Homepage des Unternehmens, dessen Chef Alex Trotman die Herausforderung von TV Nation annahm und bei einem Ford Explorer das Öl wechselte. Colgate-Palmolive 300 Park Avenue New York, NY 10022 212-310-2000 www.colgate.com Philip Morris 120 Park Avenue New York, NY 10017 212-880-5000 www.philipmorris.com Nicht gesucht: Brian Anthony Harris The Sentencing Project www.sentencingproject.org Bietet Personen, die sich für strafrechtliche Probleme interessieren, Informationen und Entscheidungshilfen. Federal Bureau of Investigation (FBI) 935 Pennsylvania Avenue Washington, DC 300 20535-0001, 202-324-3000 www.fbi.gov Taxi National Association for the Advancement of Colored People (NAACP), Washington Bureau 10 025 Vermont Avenue, NW, Suite 1120 Washington, DC 20005 202-638-2269 410-521-4939 www.naacp.org Sklaven Die US-amerikanische Verfassung: www.house.gov/Constitution/Constitutton.html Zusatzartikel der www.house.gov/Constitution/Amend.html Verfassung: Die Emanzipationserklärung www.nps.gov/ncro/anti/ emancipation.html Museum of African Slavery Pier M. Larson Department of History 108 Weaver Building The Pennsylvania State University University Park, PA 16 02-5500 814-863-8950 814-863-7840 fax http://squash.la.psu.edu/~plarson/smuseum 301 Informationen und Lehrmaterial zum Thema Sklaverei sowie Links zu anderen Websites, die das Thema behandeln. The Underground Railroad www.nps.gov/undergroundrr/ Studie des National Park Service über die sogenannte Underground Railroad, die Sklaven zur Flucht verhalf, und darüber, wie man ihrer gedenken sollte. Ein Tag mit Dr. Tod Dr. Jack Kevorkian 4870 Lockhart West Bloomfield, MI 48323 Informationen über den Oregon Death with Dignity Act www.ortl.org/suicide.htm Oregon ist der einzige Bundesstaat der USA, wo die Beihilfe zum Selbstmord legal ist. Project on Death in America Open Society Institute 400 West 59th Street New York, NY 10019 212-548-0100 www.soros.org/initiatives/pdia Forschungsinstitut und philanthropische Organisation, die den Umgang mit dem Tod in Amerika erforscht und versucht, Todkranken das Sterben zu erleichtern. Seid ihr auf einen Gefängnisaufenthalt vorbereitet? U. S. Bureau of Prisons www.bop.gov 302 Abolish Capital Punishment Now www.abolition-now.com Die Website enthält Informationen über Hinrichtungen nach Fehlurteilen, enthält Links zu anderen Websites über die Todesstrafe, bietet ein Diskussionsforum über die Todesstrafe und erklärt, was an dem Grundsatz »Auge um Auge« falsch ist. The Smoking Gun www.thesmokinggun.com Sogar aus der Personengruppe der Prominenten landen erstaunlich viele im Gefängnis (auch wenn sie nicht unbedingt auf den Knast vorbereitet sind). Auf dieser Website finden sich juristische Unterlagen ECHTER Prominenter. Ich will ein Argentinier sein Falkland Islands Tourist Board www.tourism.org.fk Wales Tourist Board www.tourism.wales.gov.uk Consulate General of the Republic of Argentina in Chicago 205 North Michigan Avenue, Suite 4209 Chicago, IL 60601 312-819-2610 303 312-819-2612 fax www.uic.edu/orgs/argentina/ E-Mail: [email protected] Argentine Embassy 1600 New Hampshire Avenue, NW Washington, DC 20009 202-939-6400 www.embajadaargentinaeeuu.org Tom Jones www.cotch.com/snack/tomjones Fansite des Sängers Tom Jones, auf der man einen Loop mit seinem Song »It’s Not Unusual« hören kann. Werbemüll U. S. Postal Service www.usps.gov Privacy Rights Clearinghouse 5384 Linda Vista Road, #306 San Diego, CA 92110 619-298-3398 619-298-5681 fax www.privacyrights.org E-Mail: [email protected] Umfassende Informationen über das Thema; vom Werbemüll über die Identität von Werbeanrufern bis zu gutem Rat, was man tut, wenn einem die Brieftasche gestohlen wird. 304 Sabotage The Steward www.thesteward.net Online-Magazin über Arbeiter- und Menschenrechte in Kanada and den USA. AFL-CIO (American Federation of Labor-Congress of Industrial Organizations) 815 16th Street, NW Washington, DC 20006 202-637-5000 202-637-5058 fax www.aflcio.org Hier kannst du herausfinden, wie man sich gewerkschaftlich organisiert, findest eine Liste mit Unternehmen, die boykottiert werden sollten, und bekommst die neusten Gewerkschaftsnachrichten. Dr. Katz, Therapeut www.comedycentral.com/katz/index.html Mach eine Agressionstherapy bei Dr. Katz. Yuri, der Spion für TV Nation Rußland lebt! www.alincom.com/russ/index.htm Bietet Informationen über alle Aspekte der russischen Gesellschaft, von der Kunst über das Geschäftsleben und die Politik bis zum Reisen. Die Virtuelle Welt der Spione und Geheimdienste 305 www.dreamscape.com/frankvad/covert.html Informiert euch über Verschwörungen, meistgesuchte Verbrecher, Geheimdienste, Verbrechen im Internet, Strafverfolgung, Militär, Terrorismus, über die geheime Luftwaffenbasis Area 51 und andere Geheimnisse. Paranoia.com www.paranoia. com Befaßt sich vor allem mit der im ersten Zusatzartikel der US-Verfassung enthaltenen Religions-, Rede- und Versammlungsfreiheit, aber auch mit Verschwörungstheorien und verschiedenen anderen Problemen, die in einer Informationsgesellschaft auftreten. Mikes Rakete Rußlandreisen www. russiatravel. com Der Kreml www.online.ru/sp/cominf/kremlin/kremlin.html Eine Online-Führung durch den Kreml. American Civil Defense Association PO Box 1057 118 South Court Street Starke, FL 32 091 800-425-5397 904-964-5397 904-964-9641 fax www.tacda.org Auch wenn der Kalte Krieg vorbei ist, gibt es immer 306 noch Katastrophen, auf die man sich vorbereiten muß! Der Transport des Kommunismus Das Kommunistische Manifest http://www.vulturebookz.de/marx/archive/volltext/Marx-Engels_1848--90~ Das_Kommunistische_ Manifest.html Klassischer Text von Karl Marx und Friedrich Engels über die Ungerechtigkeit des Kapitalismus und den unmittelbar bevorstehenden Klassenkampf. Das Trucker-Netz www.truck.net Umfassende Informationsquelle für Lastwagenfahrer mit Stellenangeboten und Raststättenverzeichnis. Die Klos der Gerechtigkeit Occupational Safety and Health Administration (OSHA) U.S. Department of Labor 200 Constitution Avenue, NW Washington, DC 20210 202-576-6339 202-576-7579 fax www.osha.gov Porta-John of America 50 633 Ryan Road Utica, MI 48 317 888-PORTA-JOHN (767-8256) www.toilets.com 307 E-Mail: [email protected] Liefert transportable Toiletten, nur für den Fall, daß du deine eigenen Klos der Gerechtigkeit haben willst. National Kidney Foundation 30 East 33rd Street, Suite 1100 New York, NY 10 016 212-889-2210 212-779-0068 fax www.kidney.org Mit solchen Nachbarn Serienkiller www.mayhem.net (dann weiter zu einer Website mit Serienkillern) Website mit einer Rangliste der Serienkiller nach Anzahl der Opfer. Welcome Wagon http://www.welcomewagon. com/ Das Unternehmen hilft neuen Hausbesitzern, sich in ihrer Gemeinde einzuleben, indem es Kontakte mit der lokalen Geschäftswelt herstellt. Die Krankenversorgungsolympiade Fragt Dr. Weil cgi.pathfinder. com/drweil Gesundheits-Guru Dr. Weil beantwortet E-Mails zum Thema Gesundheit und berät live im Web. 308 Überlebenshilfe im Internet login.samart.co.th/~hps/tbhealth.htm Die ultimative Website für alternative Medikamente, Association for Responsible Medicine PO Box 270 986 Tampa, FL 33 688 813-933-6236 www.a-r-m.org E-Mail: [email protected] Online-Magazin und Organisation, die versucht, Patienten vor schädlichen Behandlungen nach Fehldiagnosen zu schützen. Doctors Without Borders USA 6 East Ninth Street, 8th Floor New York, NY 10 016 212-679-6800 212-679-7016 fax www.dwb.org/ Ärzte ohne Grenzen USA hat in Kuba ein Projekt, das junge Leute zwischen 15 und 24 Jahren für die AIDSGefahr sensibilisieren und die Wasserqualität verbessern soll. Project InfoMed United Services Agency, Inc. PO Box 450 Santa Clara, CA 95 052 www.igc.ape.org/cubasoli/ 309 Liefert medizinische Informationen und Mittel zur Informationsbeschaffung wie Computer und Modems an das kubanische Gesundheitswesen. Reiseziel Kuba www.lonelyplanet.com/dest/car/cub.htm Nützliche Website mit allen Informationen für eine Reise nach Kuba. Sehenswürdigkeiten in Kanada www.canada.worldweb.com Website mit Neuigkeiten, allgemeinen Informationen, Wettervorhersagen und Links bezüglich Kanada. Cobb County Common Cause www.commoncause.org/ Unparteiische Bürgerinitiative mit dem Ziel, eine offene, ehrliche, verantwortliche und effektive Regierungsarbeit auf lokaler Ebene sowie Länder- und Bundesebene zu erreichen. Official Friends of Newt www.newt.org Fanclub von Newt Gingrich. Es lohnt sich, hier mal reinzuschauen, damit man weiß, was die eigentlich im Schilde führen. Newts Website www.house.gov/gingrich 310 Finde heraus, was Newt auf seiner Website als Kongreßmitglied vertritt. Frieden durch Pizza Amnesty International 322 Eighth Avenue New York, NY 10 001 1-800-AMNESTY (266-3789) 212-807-8400 212-627-1451 fax www.amnesty.org Amnesty ist nur am Schutz der Menschenrechte interessiert und ergreift weder für bestimmte Länder noch für eine bestimmte Ideologie Partei. Human Rights Watch 350 Fifth Avenue, 34th Floor New York, NY 10118 212-216-1200 212-736-1300 fax www.hrw.org Human Rights Watch versucht, die Menschenrechte zu schützen, indem es auf der ganzen Welt mit Opfern und Aktivisten zusammenarbeitet, um die politische Freiheit zu erhalten, Menschen vor Kriegsverbrechen zu schützen und die Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Pizza Hut www.pizzahut. com Bosnia 101 www.taponline.com/tap/life/newz/bosnia/index.html 311 Diese Website hilft dem Laien zu verstehen, was genau in Bosnien vorgeht. Informationen des amerikanischen Außenministeriums www.state.gov/www/regions/eur/bosnia/index.html Seite des US-Außenministeriums mit der Bezeichnung: »Die Herstellung eines dauerhaften Friedens in BosnienHerzegovina.« Yugo Next home.stlnet.com/~jimpotts/yugonext.htm Diese Seite enthält Fotografien von Kunstwerken mit Autos der Marke Yugo. Wir engagieren unseren eigenen Lobbyisten National Lobbyist Directory PO Box 18416 Capitol Hill Station Denver, CO 80218-0416 www.lobbyistdirectory.com Nach Bundesstaaten gegliedertes Verzeichnis von Lobbyisten, damit du weißt, wer bei deinen Abgeordneten Gehör findet. Repräsentantenhaus www.house.gov Senat www.senate.gov Telefonnummer des 312 Kongresses 202-225-3121 Sitzungsprotokolle des Kongresses thomas.loc.gov/home/r105query.html Wehleidige weiße Männer Natural Resources Conservation Service 14th and Independence Avenues, SW, Room 6218S Washington, DC 20250 202-720-5626 www.nrcs.usdo.gov National Coalition of Free Men PO Box 129 Manhasset, NY11030 www.ncfm.org Auf dieser Website finden sich männerfreundliche Interpretationen der Rechtslage und Informationen über die Sammelklage zugunsten geschiedener Männer, die die Organisation in Erwägung zieht. National Organization for Men 11 Park Place, Suite 1116 New York, NY 10 007 212686-6253 www.tnom.com »Um die Rechte der Männer zu schützen und ein weiteres Absinken ihres Status zu verhindern.« Die zensierte TV Nation The Free Speech Policy Group 11 Peabody Terrace, Suite 2003 313 Cambridge, MA 02138 www.policygroup.com E-Mail: [email protected] Gemeinnütziges Forschungsinstitut, das für den Schutz der im ersten Verfassungszusatz garantierten Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit eintritt. Es kritisiert die Gesetzgebung der Zentralregierung und der Bundesstaaten sowie Gerichtsentscheidungen, wenn sie diese Rechte beschneiden. Fairness and Accuracy in Reporting (FAIR) 130 West 25th Street New York, NY 10 001 212-633-6700 212-727-7668 fax www.fair.org Findet heraus, was euch die Medien nicht mitteilen, indem ihr diese Website besucht und das Magazin Extra! lest. Die Homepage der FCC über den V-Chip www.fcc.gov/vchip E-Mail: [email protected] Die Website der Federal Communication Commission über einen Chip, mit dem man den Empfang bestimmter Fernsehprogramme blockieren kann. Enthält außerdem Information über das System zur Erhebung der ZuSchauerquoten im Fernsehen. Sonstiges American Civil Liberties Union (ACLU) 314 125 Broad Street, 18th Floor New York, NY 10 004 212-549-2500 212-344-3318 fax www.aclu.org Vereinigung zum Schutz der Bürgerrechte und des Rechts auf gleichen Schutz durch das Gesetz und das Recht auf einen fairen Prozeß. Boycott Nike! Just Do It! www.geocities. com/athens/acropolis/5232 Kanadische Website, auf der die Boykottaktionen und andere Aktivitäten gegen die unfairen Beschäftigungspraktiken von Nike ausführlich diskutiert werden. Mit einem Protestbrief zum Ausdrucken, den man an den Nike-Chef Phil Knigh schicken kann. Bureau of Labor Statistics Division of Information Services 2 Massachusetts Avenue, NE, Room 2860 Washington, DC 20212 202-606-5886 202-606-7890 fax stats.bls.gov Amt der Zentralregierung für statistische Erhebungen in den Bereichen Arbeitsmarkt und Wirtschaft. Campaign for Labor Rights 247 E Street, SE Washington, DC 20003 www.clrlabor.org/local_com.html Die Organisation mobilisiert lokale Unterstützung für 315 gewerkschaftliche Anliegen, indem sie in den Vereinigten Staaten und Kanada Kontakte zwischen lokalen Aktivisten und wichtigen Organisationen auf der ganzen Welt herstellt. Citizens for Corporate Accountability and Individual Rights (CCAIR) 1750 Ocean Park Boulevard Santa Monica, CA 90405 310-392-0522 310-392-8874 fax E-Mail: [email protected] US-weit aktive Organisation, die die Öffentlichkeit gegen die Gefahren der Zivilrechtsreform mobilisieren will. Sie versucht die Verabschiedung neuer Gesetze zur Zivilrechtsreform zu verhindern und die Aufhebung bereits bestehender Gesetze zu erreichen. Und sie will in der Öffentlichkeit neue Wertschätzung für das Zivilrechtssystern unseres Landes wecken. Co-op America 1612 K Street, NW, Suite 600 Washington, DC 20006 800-58-GREEN 202-872-5307 202-331-8166 fax www.coopamerica.org Liefert wirtschaftliche Strategien, organisatorisches Know-how und praktische Methoden an Unternehmen und Einzelpersonen, mit denen die sozialen und wirtschaftlichen Probleme unserer Welt bekämpft werden können und mit denen im Rahmen des bestehenden Wirtschaftssystems beträchtliche Verbesserungen zu 316 erreichen sind. Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) 1801 L Street, NW Washington, DC 20507 202-663-4900 202-663-4994 fax www.eeoc.gov US-Regierungsbehörde mit der Aufgabe, für Chancengleichheit bei der Arbeitssuche zu sorgen. Electronic Activist www.berkshire.net/~ifas/activist Mit einem Verzeichnis der Adressen von Kongreßabgeordneten, Regierungsbeamten, Bundesstaaten und Medien – Informationen, die jeder Online-Aktivist benötigt! Global Exchange 2017 Mission Street, #303 San Francisco, CA 94110 415-255-7296 415-255-7498 fax www.globalexchange.org Gemeinnützige Organisation in San Francisco, die für die Menschenrechte und wirtschaftliche Gerechtigkeit eintritt. Green Party PO Box 100 Blodgett Mills, NY 13738 317 607-756-4211 www.greens.org Im Jahr 2000 Nader wählen? Vielleicht. Diese Website liefert Informationen zur Gründung von Wählerinitiativen und Ortsvereinen der Grünen und für den Kampf gegen lokale Umweltprobleme. Institute for Global Communications www.igc.org/igc Vor zehn Jahren gegründet, um progressive Bewegungen durch die Entwicklung und Lieferung von Computernetzwerkund Publikationstechniken zu unterstützen. Links zu progressiven Gruppen durch PeaceNet, EcoNet, ConflictNet, LaborNet und WomensNet. International Brotherhood of Teamsters 25 Louisiana Avenue, NW Washington, DC 20001 1-888-IBT-1111 (528-1111) 202-624-6832 fax www.teamster.org; Die Teamsters sind die Gewerkschaft, die jeder kennt. Sie kämpfen für bessere Arbeitsplätze und eine bessere Zukunft für alle arbeitenden Menschen. National Labor Relations Board 1099 14th Street, NW Washington, DC 20570 202-273-3890 202-273-4266 fax 318 www.nlrb.gov Bundesbehörde zur Umsetzung des Gesetzes, das die Beziehungen zwischen den Gewerkschaften und denjenigen Arbeitgebern regelt, deren Aktivitäten Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel haben. Project Vote Smart 129 NW 4th Street, Suite 204 Corvallis, OR 97330 541-754-2746 541-754-2747 fax 1-800-622-SMART (622-7627) (Voter’s Research Hotline) www.vote-smart.org Überwacht die Leistungen gewählter Volksvertreter in den Bundesstaaten und auf Bundesebene. Enthält außerdem wertvolle Informationen über diverse politische Probleme und kostenlose Publikationen und Berichte der Regierung. Sweatshop Watch 720 Market Street, 5th Floor San Francisco, CA 94102 www.sweatshopwatch.org Diese Organisation hat das einzige Ziel, die Verbraucher auf verschiedene Arten über Sweatshops aufzuklären. Ihr Ziel ist es, die Ausbeutung der Textilarbeiter in diesen Betrieben zu beenden, die Hungerlöhne zahlen und den Beschäftigten unmenschliche Arbeitsbedingungen zumuten. UNITE! 319 1710 Broadway New York, NY 10 019 212-265-7000 www.uniteunion.org Gewerkschaft, die Arbeiter in Kanada, in den USA und in Puerto Rico vertritt. Sie spielt bei der gewerkschaftlichen Organisation von Arbeitern und im Kampf gegen Sweatshops und die Habgier der Konzerne eine fuhrende Rolle. United Auto Workers (UAW) 8000 East Jefferson Detroit, MI 48 214 1-800-2-GET-UAW (1-800-243-8829) 313-926-5000 1-800-387-0538 Canada www.uaw.org Gewerkschaft, deren Mitglieder eine Vielzahl von Produkten wie Flugzeuge, Spielzeuglokomotiven und Autos herstellen. Sie vertritt außerdem Arbeiter und Angestellte von Bundesstaaten, Countys und Gemeinden sowie Beschäftigte von Krankenhäusern und Universitäten. The White House 1600 Pennsylvania Avenue Washington, DC 20500 202-456-1414 www.whitehouse.gov Michael Moore und Kathleen Glynn sind zu erreichen 320 bei: Dog Eat Dog Films PO Box 831 Radio City Station New York, NY 10101 www. dogeatdogfilms.com E-Mail: [email protected] 321 Danksagung Dieses Buch wäre ohne die harte Arbeit vieler Menschen nicht möglich gewesen. Unsere größte Dankbarkeit gilt Michelle Johnston, weil sie Ordnung ins Chaos brachte. Obwohl sie nie zu den Mitarbeitern von TV Nation gehörte, ist jede einzelne Folge in ihrem enzyklopädischen Gedächtnis genau gespeichert. Wir fanden das beängstigend, aber es war für uns natürlich sehr hilfreich. Melanie Neilson war Associate Producer und Segment Producer bei TV Nation. Sie kehrte mit Begeisterung zurück und half uns, das Material und die Unterlagen über unsere Recherchen so zu sortieren, daß eine umfassende Bibliothek mit Informationen über die Serie entstand. Um unserem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, interviewte Joanne Doroshow, die bei der Serie als Coordinating Producer gearbeitet hatte, einige Mitarbeiter und zeichnete deren abenteuerliche Geschichten über die Dreharbeiten für verschiedene Beiträge von TV Nation auf. Unsere Mitarbeiter bei Dog Eat Dog Films unter der Leitung von Barbara Moss trugen durch die Überprüfung von Informationen, durch Internetrecherchen, Kopierarbeiten, Botendienste und viele andere Arbeiten zur Entstehung dieses Buches bei. Wir danken auch unserem Agenten Mort Janklow und allen Mitarbeitern in seinem Büro. Und wir sind Fiona Hallowell, unserer Lektorin bei HarperCollins, sehr dankbar für die Ruhe, die sie äußerlich bewahrte (obwohl sie bestimmt innerlich tobte). Außerdem danken wir Susan Weinberg, der Leiterin des Verlags HarperPerennial, die sich 322 als unser wichtigster Fan sehr für das Buch eingesetzt hat. Bei der Sendung selbst hatten wir großes Glück, daß wir mit so vielen hervorragenden Leuten zusammenarbeiten konnten, darunter dem außerordentlichen Supervising Producer Jerry Kupfer und den Autoren Ann Cohen, John Derevlany, Frances Gasparini, Jay Martel, Steve Sherrill und Eric Zicklin. Vieles, was in diesem Buch steht, beruht auf ihrer Arbeit. Wir können ihnen gar nicht genug für ihre brillanten Ideen danken. Ihr solltet in Zukunft auf ihre Namen achten, denn dies wird bestimmt nicht das letzte Mal sein, daß ihr die Früchte ihrer Begabung genießen könnt. Herzlichen Dank auch an Randy Cohen, Chris Kelly und Jeff Stilson, die uns gezeigt haben, daß jede Tragödie über kurz oder lang in die Komödie umschlägt. Das Heer der talentierten Produzenten, die diese Ideen ausführten, umfaßt: Andy Aaron, Frances Alswang, Kent Alterman, Jim Czarnecki, Patrick Farrelly, Paco de Onis, Immy Humes, Natalie Jason, Kate O’Callaghan, Geoff O’Connor, David Van Taylor, Pam Yates, David Wald, Subrata De, Helen Demeranville, Gideon Evans, Holley Knaus, Tia Lessin, Pearl Lieberman, Peri Muldofsky, Brooke Runnette, Haydeé Sabogal, Adrienne Salisbury, Robert Wilhelm und Roger Williams. Ihre unglaubliche Arbeit hinter der Kamera verlieh jedem Beitrag unschätzbaren Wert. Wie die meisten dokumentarischen Sendungen entsteht auch TV Nation letztlich im Schneideraum. Für diese Arbeit danken wir unseren exzellenten Cuttern Pamela Scott Arnold, Paula Heredia, Kristen Huntley, Jay Keuper, Peter Kinoy, Tim Squyres, Wendey Stanzler, Daisy Wright, David Zieff und anderen. Brian Danitz und Francisco Latorre waren der Kameramann und der Tontechniker unseres Teams, doch es gab im ganzen Land noch viele andere, die Material für 323 uns filmten und Tonaufnahmen machten, wobei sie den Auftrag oft nur einen Tag und manchmal sogar nur eine Stunde vorher erhielten. Veronica Moore beantwortete unsere Fanpost (normale Briefe und E-Mail) und tut dies auch heute noch auf [email protected]. Kathleen Egan, Wendy Rowland, Susan Shorey und Gretchen Schwarz arbeiteten als persönliche und organisatorische Assistentinnen der Produzenten und hielten uns die untergeordneten Führungskräfte der Fernsehgesellschaften effektiv vom Leib. Vielen Dank auch den »Anzugträgern«, die dafür sorgten, daß TV Nation Wirklichkeit wurde: Jon Feltheimer, Eric Tannenbaum, Jocelyn Freid und Steve Tann bei Columbia TriStar Television; Michael Jackson (heute Chef von Channel Four Television in Großbritannien); Warren Littlefield, Kevin Reilly und David Nevins bei NBC und John Matoian (heute Chef von HBO Films) bei Fox. Schließlich sprechen wir den Berichterstattern von TV Nation unsere Anerkennung und unseren Dank für ihre Arbeit aus: Rusty Cundieff, weil er seine Sklaven zum Tanz führte; Janeane Garofalo, weil sie ins Meer sprang und ihre Sünden beichtete; Karen Duffy, weil sie unser guter Geist war und über eine Energie verfügte, wie wir sie noch nie erlebt hatten; Ben Hamper für seine »Kleinheit«; Merrill Markoe für ihren unglaublichen Witz; Louis Theroux für seine Bereitschaft, auch mal vor der Kamera zu stehen; Steven Wright, weil er uns immer zum Lachen brachte; Jonathan Katz, weil er ein guter Zuhörer war; Roy Sekoff, weil er auf dem Zug mit dem Klärschlamm mitfuhr; und natürlich Louis Bruno und Luciano Dellacaprini aus der Bronx für ihr (ganz natürliches) komisches Talent. All diesen Personen und 300 weiteren, die bei der 324 Sendung mitgewirkt haben, bezeugen wir hiermit unsere Hochachtung und unseren Dank, weil sie an einer Sendung beteiligt waren, die in vieler Hinsicht bahnbrechend war. Schließlich schulden wir noch unserer Tochter Natalie besonderen Dank. Sie mußte oft aufs Essen warten, ertrug endlose Diskussionen über die Sendung, das Studio und die Mitarbeiter und blieb in den letzten Produktionsstadien dieses Buches lange auf, um ihrer Mutter Gesellschaft zu leisten. Michael Moore & Kathleen Glynn Juli 1998 325