Andacht 06. April 2012, Karfreitag - Tanzverbot
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Andacht 06. April 2012, Karfreitag - Tanzverbot
ANGEDACHT Tanzverbot an Karfreitag – zu viel verlangt? Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeindeglieder und Gäste! Am Karfreitag letzten Jahres rief die „Grüne Jugend Hessen“ zu einem „Flashmob“ auf den Frankfurter Römerberg zusammen, um gegen das Tanzverbot zu demonstrieren, das an Karfreitag immer noch gilt … Im Umfeld des diesjährigen Karfreitags haben einige grüne Regierungsmitglieder in Rheinland-Pfalz gegen das Tanzverbot an Karfreitag polemisiert. In der Auseinandersetzung hiermit geht es nicht einfach nur um die Frage der Toleranz und der Rücksicht gegenüber dem religiösen Empfinden anderer Menschen. Sondern es geht eigentlich um ein ureigenes Anliegen der „Gründen“, nämlich um die sonst von Ihnen angemahnte „Nachhaltigkeit“. – In der Predigt im Gottesdienst am Karfreitag hat der Gemeindepfarrer der Dreifaltigkeitskirche hierzu u.a. gesagt: «… Da setzen sich also Parteileute dafür ein, dass das Karfreitags-Tanzverbot ausgehebelt und abgeschafft wird – als hätten wir keine anderen, wirklichen Probleme! – Immerhin war vor einem Jahr gerade Fukushima explodiert und im „Arabischen Frühling“ gingen die Menschen demonstrierend auf die Straße, bereit für die Freiheit zu sterben; in Syrien hält die Tragödie immer noch an, und an den europäischen Außengrenzen rennen die Flüchtlinge vergeblich gegen die „Festung Europa“ an … Es wäre also genügend „Stoff“ dagewesen, der eine Unterbrechung und ein Nachdenken gerechtfertigt hätte … – In diesem Jahr hat unsere Landeskirche, die EKHN, mit einer Kampagne gegengesteuert, die genau einen Begriff aus dem heutigen Predigttext aufnimmt: „Opfer“. „Opfer“ ist ja heute mitunter ein böses Schimpfwort, das herablassend oder gehässig zu Menschen gesagt wird, die Schwäche zeigen, die nicht so gut aussehen oder die einfach die falsche Kleidung tragen … Es gab und gibt aber zu viele Menschen, die unverschuldet Opfer von Gewaltverbrechen, von Unfällen oder Naturkatastrophen wurden und werden, als dass man seinen Spott damit treiben dürfte! Nicht zuletzt die Natur selbst ist gegenüber dem Menschen allzu oft in die „Opfer-Rolle“ geraten – und schon deswegen lohnt es sich … über den „Opfer“-Begriff nachzudenken! Man muss nicht einmal besonders religiös sein – man muss nicht einmal religiös tolerant ANGEDACHT sein – man muss nicht einmal an Jesus glauben – man kann auch Muslim oder noch „grün hinter den Ohren“ sein, um doch wohl zu verstehen: Wir brauchen gelegentlich solche Tage, an denen das gewöhnliche Tun zugunsten eines nachhaltigen Innehaltens und Nachdenkens unterbrochen wird. An dreihundertundsoundsoviel Tagen im Jahr können wir unserem (Tanz-)Vergnügen nachgehen – aber wir leisten uns nicht viele Tage, an denen wir im Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus das Leiden der ganzen Schöpfung betrachten: der Menschen, der Tiere, der Pflanzen und der Natur …» Ich ermuntere Sie – die Gläubigen und die Leserinnen und Leser dieser Zeilen – ausdrücklich, das Gespräch über dieses Thema auch mit den Ihnen bekannten Politiker(inne)n zu suchen – und für Respekt gegenüber der Religion und ausdrücklich auch für Unterbrechungen einzutreten, damit sich gewisse Tage im Jahr von den gewöhnlichen Zeiten abheben und wir nicht über die Opfer in unserer Gesellschaft und in der Natur einfach hinweggehen. Ich wünsche Ihnen und euch allen eine gesegnete Osterzeit – die bis zum Pfingstfest reicht! Ihr/euer Volker Johannes Fey, Gemeindepfarrer an der Dreifaltigkeitskirche Worms