Kurt Pelzer Inseln für Zeit und Raum
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Kurt Pelzer Inseln für Zeit und Raum
INSELN FÜR ZEIT UND RAUM ERZIEHUNGSBERATUNGSSTELLEN 2020 (KURT PELZER) Kurt Pelzer 2015 Wissenschaftliche Jahrestagung der BKE 2015 in Hannover GLIEDERUNG 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung: Ein Blick zurück in die Zukunft Der „Mainstream“ der Jugendhilfe: zu Besuch im „Mainland“ Verbundene Insel: Identität und Kooperation Insel für Zeit und Raum: zu Besuch auf „EBIsland“ Schlussbetrachtung :Ein Blick zurück aus der Zukunft EIN BLICK ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT: Themen auf der BKE-Zukunftstagung im März: Kleines Experiment: Wie fühlen sich verschiedene programmatische „Zukünfte“ an? (Skalieren Sie zwischen Begeisterung =10 und Skepsis=0) Die sozialräumlich organisierte EB Kinder, Jugendliche und Eltern aufsuchen Beratung in der Kita /in der Grundschule Jenseits der „Versäulung“ (Integration anderer Hilfen) Erziehungsberatung ohne Erziehungsberatungsstelle Richtungsfrage: Wo würden Sie gerne (und motiviert) arbeiten? Eher Kaufhaus („alles unter einem Dach“)oder Fachgeschäft? 2.EIN BESUCH IN „MAINLAND“(1) 2.1. die „Stadt der Engagierten“ oder: das Humankapital der Jugendhilfe 2.2. der „Fels der Überforderung“ oder: Helfen wollen zwischen Allmacht und Ohnmacht 2.3 der „Fluss der Qualifikation“ EIN BESUCH IN „MAINLAND“ (2) 2.4. DER „SUMPF DER BEDARFE“ UND DER „WALD DER MASSNAHMEN“ AM BEISPIEL VON FAMILIE „MULTI“ FAMILIE MULTI IM „HELFERWALD“ 1.Mögliche Verstärker eines „ungebremsten“ Wachstums: „Viel hilft viel!“ oder die quantitative Logik des „Mehr desselben“ Delegation von tabuisierter Hilflosigkeit Eigenlogik der Absicherung („Nichts unversucht lassen!“) Eigeninteresse der Anbieter oder: Wenn der Straßenbauer die Verkehrsplanung übernimmt 2.Ungewollte Nebenwirkungen: Rollen-und Auftragswirrwar, keine zentrale Steuerung und Verantwortung, zu wenig Fokussierung und Priorisierung Zunehmende Depotenzierung der Klienten (Gegenteil von Empowerment) 3. Fazit: Auch bei der Hilfeplanung stärker auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit achten und eine ganzheitlich-reflektierende Neubewertung der Sinnhaftigkeit aller Maßnahmen(unter Einbeziehung der Betroffenen !) regelmäßig anbieten. Hier können Ebs ihre Erfahrungen und Kompetenzen aus einer unabhängigen und neutralen Position einbringen EIN BESUCH IN „MAINLAND“(3) 2.5 das „Gebirge der Hierarchie“ Wie steht es um die Kompetenzen der Führungskräfte in der Jugendhilfe? Wie und womit gelangt man in Führungspositionen? Werden (anonyme) Feed-Back-Schleifen angeboten? Welche Kompetenzen werden überhaupt benötigt? Siehe: Das Konzept der Transformationalen Führung nach Bass und Avolio (auf deutsch z.B.bei Waldemar Pelz) Schon vor 2500 Jahren schrieb Lao Tse: “ Wer führen will, darf denen, die er führt, nicht im Wege stehen“. EXKURS ZU KOMPETENZEN DER TRANSFORMATIONALEN FÜHRUNG (BASS &AVOLIO) 1. 2. 3. 4. Idealized Influence (Vorbild sein, Vertrauen und Respekt aufbauen) Inspirational Motivation(wertbasierte und sinnvolle Herausforderungen) Intellectual Stimulation (Ermutigen zu eigenständigen Lösungen und kritischem Hinterfragen von Gewohntem) Individual Consideration („faire“Kommunikation,zuhören können sowie individuelle Förderung/internes Coaching) EIN BESUCH IN „MAINLAND“ (4) 2.6 Die Wüste des „Alternativlosen“ Oder : „Superdominante“ Begriffe 1. „Sozialräumliche Orientierung“ (eine emanzipative Idee und ihre verwaltungslogischen Verwandlungen ) 2. „Aufsuchende Arbeit“ (wichtige Ergänzung, aber nicht zur Abwertung der „einladenden Beratung“ missbrauchen 3. Zeit der „knappen Kassen“ (aus denen seit Jahren immer mehr bezahlt wird) 4. „Vernetzung“ (und wenn ich nicht „Wenn nicht bald eine mehr weiter weiß,..)Sinnhaftigkeit (Aufwand und Ertrag)von Gremien Weiche kommt, sind wir verloren!“ und Arbeitskreisen? EIN BESUCH IN „MAINLAND“(5) 2.7 die „Steppe der Ökonomisierung“ Ökonomisierung der Sozialen Arbeit (in Zeiten der Krise der Ökonomie) Kolonisierung der Sprachwelten durch „BWLer Sprech“(Produkt, Kunde, Output, Marktsteuerung) Qualitätssicherung und Wirkungsforschung: Unterkomplexe Modelle (Kennziffern)für komplexe Sachverhalte führen nur zu Artefakten: z.B. Quote der hochstrittigen Fälle, wo eine außergerichtliche Übereinkunft erzielt wurde, oder Quote der Fälle, die innerhalb von 24 Std. einen Termin bekamen: Prinzip vor individueller Passung) Fazit: differenziert prüfen, was wo passt, hilfreich sein kann oder Unsinn produziert. 3.EB ISLAND: EINE VERBUNDENE INSEL EB ISLAND VERBUNDENE INSELN ODER : IDENTITÄT UND KOOPERATION Identität braucht Unterscheidung (vgl. Spencer-Brown: „Draw a distinction“,erst Unterscheidung macht Erkennen möglich „Ein System ist die Differenz zwischen System und Umwelt „(Luhmann) „Organisationen,die eine unverwechselbare Geschichte haben,dürfen ihre Identität nicht verlieren,sie dürfen nicht auswechselbar werden“ (Armin Wöhrle:Beratung unter Bedingungen des Umbruchs sozialer Organisationen,2015) Identität fördert Motivation und Solidarität nach innen und Erkennbarkeit nach außen („Branding“) Identität braucht Kooperation und Abgrenzung Eine positive Identität kann helfen, eine gute Balance zwischen Offenheit für Neuerungen und der Wahrung guter Traditionen( wie z.B. Kostenfreiheit, Vertraulichkeit, Freiwilligkeit und Niedrigschwelligkeit) zu finden. VERBUNDENE INSELN: JH-MAINLAND UND EB-ISLAND „Im Gefüge der Hilfen zur Erziehung nimmt die Erziehungsberatung eine Sonderstellung ein“. „dabei ist die überwiegende Komm-Struktur .. für die Ratsuchenden eine gute Voraussetzung ihre eigene Entscheidungskompetenz zu bewahren und den Schritt, Hilfe zu suchen, bewusst und zu einem von Ihnen selbst gewählten Zeitpunkt zu tun.“(BKE Stellungnahme ,Informationen 1/15) 4.INSELN FÜR ZEIT UND RAUM , EIN BESUCH AUF „EB-ISLAND“(1) 4.1. das „Dorf der schöpferischen Empathie“ Die 4 Arten des Zuhörens nach Otto Scharmer): Downloaden (Selbstbestätigen) Unterschiede zulassen (Offenheit für „Neues“) Mitfühlen (Empathie) (Ko)Kreieren (aus der „Zukunftsmöglichkeit“ gestalten) EIN BESUCH AUF „EB-ISLAND“(2) 4.2 Der „Fluss der Reflexion“ oder die Metaebene nutzen Stelle stets die Universalfrage: „What the f… is going on here?“ Der Fluss durchquert das „Tal der guten Fragen“: Nutzen Sie die „Kunst des Fragens“ im Sinne einer sokratischen Mäeutik zur Generierung von Selbstwirksamkeit und Eigenlösungen bei: Klienten/innen Kollegen/innen Träger Fachwelt Politik EIN BESUCH AUF „EB-ISLAND“(3) 4.4. der Berg der Autonomie oder: die Verteidigung der organisatorischen und fachlichen Unabhängigkeit braucht Mut, Profil und einen freien Geist (vgl. des Kaisers neue Kleider) Nur fachliche Autonomie kann Identität, ein unverwechselbares Profil sowie Respekt und Vertrauen bei den Klienten/innen gewinnen und bewahren Autonomie ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine konstruktive Mittlerrolle zwischen Klienten und Institutionen Autonomie ermöglicht die Zurückweisung unstimmiger Aufträge und Weisungen, sowie gelegentliches Infragestellen im „Wald der Maßnahmen“(Mut zur respektvollen Konkurrenz !) Ein unabhängiger Blick ist für die politische und ökonomische Diskussion wertvoll EINE INSEL FÜR ZEIT Unterschiedliche „Zeiten“(P.Heintel) Technomorphe Zeit (physikalische) Psycho- , bio-, und soziomorphe Zeit („Eigenzeit“) „CHRONOS“ UND „KAIROS“ IN DER BERATUNG Chronos ist der Gott der Stechuhr (vgl. Chronometer),der Manuale und Fallpauschalen, der rigiden Zielfixierung (Ziel A in 5 Sitzungen) Kairos weiß: Beratungsprozesse verlaufen „nichtlinear“: Veränderung findet nicht kontinuierlich sondern „sprunghaft“ statt. Man braucht die Sensibilität für das Momentum, den rechten Zeitpunkt, wo sich Denken, Fühlen oder Handeln neu konstituiert und der Möglichkeitsraum erweitert wird. Auch Ziele bleiben „flüssig“und müssen an die Situation angepasst werden (Prozesssteuerung) KLIENTEN/INNEN BRAUCHEN ZEIT FÜR: Vertrauensbildung und Bindungsaufbau Innehalten, Hineinspüren und Selbstbeobachtung Affektregulation Entwickeln eigener Lösungen (Selbstwirksamkeit) Akzeptieren und Bewältigen des Unvermeidbaren Perspektivenwechsel und Zulassen von„Erstmaligkeit“ Auszeiten vom Alltäglichen BERATER/INNEN BRAUCHEN ZEIT FÜR: Bindungsaufbau und –pflege Austausch und Kooperation Reflexion und Umgang mit eigenen Affekten Konzeptionellen und fachlichen Diskurs Achtsamkeit und Distanzierung (Metaebene) Entwickeln fallspezifischer und kreativer Zugänge (statt Standardprogramm für jeden) Fazit: Nicht „optimierte“ oder immer nur „mehr“ Zeit, sondern „an Einzelfall und Kontext flexibel angepasste“Zeit 4.6 EINE INSEL FÜR RAUM Benötigte Kompetenzen für das 21.Jhd. nach Daniel Pink: Design (Raum für Ästhetik/Sprachkunst und Gastfreundlichkeit) Story (Raum für Geschichten und Neuerzählungen/narrative Ansätze) Symphonie (Raum für den Überblick und Hinterfragen/Kontextsensibilität) Empathie (Raum für Gefühle und Humor) Spiel (Raum für Kreativität/Neugier und Überraschung Sinn( Raum für Bedeutung, Werte und Spiritualität) 2020:EIN BLICK ZURÜCK AUS DER ZUKUNFT Was hat alles dazu beigetragen, „EB-Island“ zu erhalten/zu entwickeln, sowie Zeiten und Räume für Familien zu sichern? Erhalt der Pauschalfinanzierung (erlaubt wirtschaftliche Autonomie, verhindert rein ökonomistische Motivation) Netzwerke ,Marketing, Verbündete Kompetentes und identifiziertes Führungspersonal Ein positiv identifizierter Verband (BKE) Dankbare Klienten/innen Respekt gegenüber kooperierenden Kollegen/innen und Respektlosigkeit (G.F. Cecchin) gegenüber („alternativlosen“)Ideen und „modischen“Überzeugungen „selbstbewusste Bescheidenheit“ LITERATURHINWEISE 1.Bass,B.M.,Avolio B.J. Improving Organizational Management through Transformational Management 1994 Link zu deutschem Beitrag von Pelz: http://managementinnovation.com/download/Transformationale-Fuehrung.pdf 2.Claus Otto Scharmer: Video auf You Tube: Zuhören ist nicht gleich zuhören C.O.Scharmer: Theory U, von der Zukunft her führen, Link zu Artikel : https://www.gwgev.org/sites/default/files/shopdownloads/G PB4-2007-Scharmer.pdf 3.Daniel Pink: Unsere kreative Zukunft Riemann, München 2008 4.Ulrike Borst,Bruno Hildenbrand (Hrsg.): Zeit essen Seele auf,Carl Auer,Heidelberg 2012 Danke für die geschenkte Zeit und Aufmerksamkeit!