Gott schmückt den Menschen mit seinem Segen
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Gott schmückt den Menschen mit seinem Segen
Seite 1 von 4 Gott schmückt den Menschen mit seinem Segen (Predigt zu 4. Mose 6,22-27 / Der Aaronitische Segen) Liebe Gemeinde, im Jahre 1976 wurden bei archäologischen Grabungen in Jerusalem zwei unscheinbare Schmuckstücke ans Tageslicht gefördert. Es sind zwei Silberamulette. Auf den Amuletten ist eine Inschrift eingeprägt, die man erst 1987 entziffern konnte, und das war eine kleine Sensation. Die Schrift gibt nämlich exakt den uralten aaronitischen Segen wieder, den wir im 4. Buch Mose nachlesen können. Da die Amulette etwa 2600 Jahre alt sind, handelt es sich um den ältesten, originalen Bibeltext, der bisher gefunden worden ist. Jemand hatte also diese Segensworte so gern, dass er oder sie diese Worte auf einem Schmuckstück eingraviert auf sich getragen hatte. Ich empfinde dies als wunderschönes Symbol, welches uns etwa sagen könnte: „Der schönste Schmuck und der feinste Glanz, der einen Menschen schmücken kann, ist der Segen Gottes!“ Was sagen uns aber die uralten Segensworte, die gemäss der Schrift, Mose von Gott empfangen hatte? Es sind Worte, welche ausdrücken, wie Gott seine Beziehung zu uns Menschen gestalten möchte. Seine Beziehung zu uns soll etwas bewirken. Sie soll uns Lebenskraft schenken. Segen heisst diese Kraft aus der Höhe, welche alle Kreatur stärkt und Lebensenergie weckt in allen Geschöpfen. Segen heisst die Kraft Gottes, welche auch die ganze Natur durchströmt wie eine unsichtbare Nahrung. Segen heisst die Kraft Gottes, welche alles zum Vibrieren, zum Jubeln, zum Tanzen bringt. Der Segen Gottes ist eine starke Energie, die aber behutsam wirkt und behütend alles umgibt, was aus Gottes Hand kommt. Gott weiss nämlich, wie zerbrechlich und schutzbedürftig alles Leben ist. Die Erfahrung, dass von Gott segnende Kräfte und Energien ausgehen, kennt jede Religion. Nun sagt unser Segenswort aber noch mehr. Es spricht vom Angesicht Gottes. Das will sagen, dass Gott nicht bloss eine anonyme Geistkraft oder eine universelle Lebensenergie ist, sondern dass er im innersten Wesen Person ist. Gottes Angesicht meint, dass er ein echtes Gegenüber, ein wirkliches Du ist. Gott erhebt sein Angesicht auf uns und lässt es leuchten über uns heisst, dass er sich uns zuwendet, dass er uns seine Aufmerksamkeit und Achtsamkeit schenkt. Seite 2 von 4 Das Volk Israel war sich sehr bewusst, dass Gott unsichtbar ist und dass sich niemand ein Bild von ihm machen darf. Kein anderes Volk im Altertum hat die Unsichtbarkeit Gottes und seine Unabbildbarkeit so strikt respektiert wie Israel. – Und nun sprechen die alten Segensworte ausgerechnet vom Angesicht des Gottes, der doch unsichtbar ist. – Warum denn das? Ich glaube, das Wort „Angesicht“ weist uns auf ein tiefes Geheimnis der Gottesbeziehung hin. Es sagt uns: „Nicht dass wir Gott sehen ist wichtig (wenn auch unser Wunsch danach gross sein mag); viel wichtiger ist, dass Gott uns sieht. – Nicht dass wir Gott begreifen können, ist wichtig, sondern umgekehrt; viel wichtiger ist, dass wir von Gott ergriffen werden. – Manche Menschen sagen ziemlich leichtfertig: „Gott, den habe ich noch nie gesehen!“ – Der Anfang unserer Beziehung zu Gott besteht eben gerade nicht darin, dass wir ihn sehen, sondern dass er uns sieht! – Er hat uns schon gesehen, längst bevor wir existiert haben. Sein Angesicht ist uns längst zugewendet. Die Segensworte sagen weiter, Gott wolle sich uns gnädig zuwenden. Er weiss also um unsere Unvollkommenheiten, um unsere Schwächen, um unsere Fehler. Er will aber seine Beziehung zu uns nicht davon abhängig machen. Gnade heisst hier, Gott bietet uns seine Zuwendung immer an. Er bietet sie gerade den Fehlerhaften an. Gnade heisst jedoch niemals, dass sowieso alles recht ist, was wir tun und lassen. Gnade heisst vielmehr, dass wir ohne Angst zu Gott kommen dürfen, auch wenn wir Fehler gemacht haben, denn Gottes Zuwendung gilt gerade auch dann. Der Segen schliesst mit dem Wort „Frieden“. So ist es auch: Wer in der Zuwendung Gottes leben darf; wer weiss, dass Gott unser grosses Du ist und wer im Zutrauen Gottes steht, kann im Frieden leben. Es ist etwas ganz Grosses, dass Menschen diese Segensworte im Namen Gottes aussprechen dürfen. Der Segen selbst aber kommt von Gott. Deshalb heiss es am Schluss: „Wenn ihr so segnet, will ich, Gott, selbst meinen Segen auf euch legen.“ Nun hat Gott also einen solch grossen Segen über uns Menschen gestellt, und doch sieht das Leben vieler aus, wie wenn es nicht gesegnet wäre, wie wenn es nicht beschützt wäre, wie wenn ihnen kein liebevolles Angesicht zugewendet wäre. Was nützt uns also ein solcher Segen? Was bringt’s? Seite 3 von 4 Hier ist deutlich zu sagen, dass der Segen Gottes kein Garantieschein für ein Leben mit allen bürgerlichen Annehmlichkeiten ist. Es mag uns befremden, aber oft waren es gerade die Gesegneten Gottes, die kein angenehmes Leben hatten. Jakob, einer der ersten Stammväter des Volkes Israel, hat gekämpft und gerungen mit Gott, damit er seinen Segen bekomme. Die eindrückliche und merkwürdige Geschichte erzählt, Gott habe ihn nach einem langen, nächtlichen Kampf endlich gesegnet. Von diesem Kampf mit Gott hat Jakob aber einen gelähmten Hüftmuskel davongetragen. Fortan ging er hinkend durchs Leben, gerade er, der doch der Gesegnete Gottes war. – Oder die Propheten; sie waren von Gott berufene und gesegnete Menschen und sie sollten dem Volk zum Segen dienen. Aber gerade sie hatten ein schweres Los, weil sie meist vom eigenen Volk verfolgt wurden. Und Jesus Christus? Er war nicht nur gesegnet, er war sogar der Gesalbte Gottes, der Messias, welcher vom Geist Gottes ganz erfüllt war. Sein Leben war nicht nur gesegnet von Gott, sondern er ist selbst der leibhaftig gewordene Sohn Gottes, der in die Welt kam. Von ihm schrieb der Evangelist Johannes, dass er das fleischgewordene Wort Gottes sei. Wir können ruhig sagen, er ist das verkörperte Segenswort Gottes. Christus zeigt uns, dass mit Segen nicht bloss ein äusserliches Wohlergehen gemeint ist. Segen geht tiefer, weil Gott gerade die Abgründe segnend verwandeln will. Christus hat doch die Armen, die Verstossenen, die ungeschützt Barmherzigen, die Verfolgten und die in ihrem Recht Verletzten seliggepriesen. Gerade ihnen gilt der Segen Gottes. --- Ja, sogar der Tod wird in Christus gesegnet, und… muss sich wenden. Christus hat eine Wende gebracht, die sich in Menschenworten nur unzureichend beschreiben lässt. Was Worte kaum ausdrücken können, das können aber die Hände auf ihre Weise zum Ausdruck bringen. Es geschah nach Ostern, dass die Hände der ersten Christen, wenn sie segneten, unwillkürlich begannen, ein Kreuzzeichen zu malen.--- Unglaublich! Das Kreuz war immer das Zeichen des Fluches und nicht des Segens. Und dieses Zeichen musste nun zum Segen dienen. Das Kreuz war immer das Zeichen des Todes. Und dieses Zeichen musste nun zur Bezeichnung des neuen Lebens dienen. Die segnenden Hände, die das Kreuzzeichen malen, sagen uns: „Aller Segen ist in Christus, denn Christus ist unser Segen.“ Seite 4 von 4 Das deutsche Wort „segnen“ kommt vom lateinischen „signare“. „Signare“ heisst wörtlich übersetzt „etwas bezeichnen“. Segnen bedeutete demnach für unsere deutschsprachigen Vorfahren „jemanden mit dem Kreuz bezeichnen.“ Am Anfang habe ich gesagt: Der schönste Schmuck und der feinste Glanz, der einen Menschen schmücken kann, ist der Segen Gottes. Athanasius, ein Kirchenlehrer aus dem 4. Jahrhundert, wusste das auch und er kam zu einer überaus erstaunlichen Aussage. Er sagte über die gesegneten und von Gottes Kraft belebten Menschen etwas Wundervolles. Er sagte: „Der lebendige Mensch ist die Herrlichkeit Gottes.“ --- „Der lebendige Mensch ist die Herrlichkeit Gottes!“ --- Ich bin überzeugt, dass ich im Sinne von Athanasius sagen darf: Der herrlichste Schmuck Gottes und die schönste Zierde Gottes ist der gesegnete Mensch, ist der Christusmensch. Lassen Sie uns staunen darüber, dass der ewige Gott sich seine Herrlichkeit und Schönheit bereitet, indem er den Menschen segnet. Amen. Pfr. Carl Schnetzer / Kirchgasse 22 / CH-8903 Birmensdorf / 03.08.2014 4. Mose 6,22-27-/-Aaronit. Segen-/-03.08.2014 Fürbittgebet Auferstandener Christus, uns zerbrechliche Menschen hast du erwählt, damit wir anderen etwas von deiner Gegenwart weitergeben. Durch das Geheimnis des Glaubens begreifen wir: Du willst uns immer, willst auch die Dunkelheit in uns bewohnen. Du bereitest uns stets den Weg, weil du uns als erster liebst. Dir können wir uns ganz anvertrauen und wir beten zu dir. Kyrie eleison. Für unser Leben mit den Kindern und Jugendlichen bitten wir dich. So oft fehlen heute echte Perspektiven für die Zukunft. Weit verbreitet sind Orientierungslosigkeit und Gleichgültigkeit. Hilf uns, damit wir mit Mut und Ausdauer deine Weisung suchen und uns nicht von Beliebigkeiten treiben lassen. Kyrie eleison Zeige uns, wie wir anderen helfen können, Christus zu erkennen und die Gemeinschaft der Kirche zu lieben. Hilf uns als Gemeinde, damit wir auch im Kleinen glaubwürdig bleiben. Kyrie eleison. Für alle, die dieses Gotteshaus hier betreten bitten wir dich. Lass alle deine Gegenwart erfahren und erhalte sie in deinem Segen. Kyrie eleison. Für die Menschen auf der Flucht, im Krieg und in existenzieller Not bitten wir dich. Bewege die Herzen in unserem Land. Zeige uns, wie wir der Völkergemeinschaft dienen können. Kyrie leison. Für die alten und kranken Mitmenschen beten wir; für alle im Limmattalspital und im Alterszentrum am Bach hier in Birmensdorf. Lass sie deinen Segen erfahren und erfülle sie mit Frieden. Kyrie eleison. In der Stille beten wir vor dir: Stille Gott des Lebens, sei du bei uns mit deiner segnenden und inspirierenden Kraft. Dank sei dir dafür. Amen.