Reisebericht von Sven Kropf aus Indien

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Reisebericht von Sven Kropf aus Indien
Reisebericht von Sven Kropf aus Indien
Am 28. April mailte mir "unser" OL-Läufer Sven Kropf folgenden Reisebericht aus Indien.
Namaste ihr lieben unsere Freunde!
Dreienhalb Monate sind es nun her, dass wir die Schweiz verlassen haben, und fuer uns ist
langsam hoechste Zeit, das erste Fazit zu ziehen und auf unseren Aufenthalt in Indien, der
uebermorgen zu Ende geht, zurueckzublicken. Wir tun dies einerseits fuer euch (zum Lesen),
andererseits aber auch fuer uns selber (zur Erinnerung). Als erstes muessen wir euch aber vor der
Laenge dieses Textchens warnen! Lest also erst weiter, wenn ihr Zeit habt...
Wir skizzieren zuerst ganz kurz unsere Reiseroute und gehen dann thematisch geordnet (nicht
chronologisch) naeher auf unsere Erlebnisse und Eindruecke ein. Wenn euch ein Abschnitt nicht
interessiert, kann er auch problemlos uebersprungen werden. Bereit? Also:
Flug von Zuerich nach Mumbai (ehemals Bombay) - per Zug suedwaerts nach Goa (Badestraende
an der Westkueste) - per Zug weiter nach Mangalore und per Bus nach Madikeri (Trekking in den
Western Ghats = Kuestengebirge) - Besuch bei Tsering Wangmo (tibetsisches Patenkind) und ihren
Cousins (Moenche) - per Bus zurueck an die Westkueste und per Zug weiter suedwaerts nach
Kollam (praktisch an der Suedspitze Indiens) - Backwaters-Bootsfahrt mit Stop im Amma-Ashram
nordwaerts nach Alappuzha - per Bus wieder auf die Western Ghats nach Kumily (Periyar
Nationalpark) - per Bus nach Munnar (zweiter Trek in den Western Ghats) - per Bus auf der
Westseite talwaerts nach Madurai (grosser Hindutempel) - Nachtzug nordwaerts nach Hampi
(Ruinenstadt) - Hubli (Moench zeigt uns Buero von Thupten Thendar, Tserings Bruder) - per Zug
nach Bijapur (Mausoleen) - weiter nach Jalgaon (Ajanta Caves) - weiter per Zug nordwaerts nach
Ahmedabad - Gujarat-Runde per Bus mit Halt in Palitana (Jain-Tempelhuegel), Junagadh (Sasan
Gir Nationalpark und Jain-Tempelhuegel), Dhrangadhra (Salzwueste "Little Rann of Kutch") - per
Zug zurueck nach Ahmedabad und weiter nach Mt Abu (Huegel-Ferienort mit schoenem JainTempel) - Bus nach Udaipur (Palaeste) - Bus nach Jodhpur (blaue Stadt mit gut praesentiertem
Maharaja-Fort) - Zug nach Sawai Madhopur (Ranthanbhore Nationalpark) - Zug nach Agra (Taj
Mahal) - Zug nach Delhi (bei Gregi im Luxushotel und im Tibetviertel) - Nachtbus nach Dharamsala
(Hauptstadt Exil-Tibets und erster Himalaya-Trek) - Bus nach Manali (Relax im Berg-Feriendorf) Bus und Zug nach Rishikesh (zweiter Himalaya-Trek) - Haridwar (Ganges-Pilgerort) - und per Zug
zurueck nach Delhi (von wo wir per Flugzeug nach Hong Kong und per Zug weiter quer durch China
nach Kazachstan "fliegen" werden).
Immer noch dran? Wie gesagt: Es wird lang, aber wir wuenschen euch viel Vergnuegen beim Lesen
und hoffen, es sei auch fuer euch ein Bisschen spannend!
Herzlich gruesst euch
Karin und Sven
Indien ist nicht gleich Indien und jeder wird das riesen Land wieder etwas anders erleben, wenn er
es bereist. Je nach Ort, Jahreszeit, Interesse und Budget bleiben ganz andere Eindruecke.
Natuerlich haben wir in den gut dreieinhalb Monaten mehrere dieser Reisearten ausprobiert und
sind nicht nur verschiedenen Typen von Indern, sondern noch viel verschiedeneren Typen von
Touristen begegnet:
Da gibt es einmal den ***** Relaxer *****: Er ist an den bakannten Erholungs-Destinationen
anzutreffen und wir sind ihm in Goa (Badestraende an der Westkueste), in Hampi (Ruinen der
einstigen Hauptsadt des Hindureichs) und in den Himalaya-Bergstationen Dharamsala, Manali und
Rishikesh etwas nachgeeifert. Wo ihr Reich ist, vermehren sich die guenstigen
Unterkunftsmoeglichkeiten wie Kaninchen und schiessen wie Pilze aus dem Boden. Wer hier
irgendwo seine eigenen vier Waende hat, macht diese zum Hotel und wer sie nicht hat, baut
welche. Was in Goa die Kokospalmhuetten sind, sind im Himalaya die teils mit von Faust
gehauenen Natursteinen, teils mit selber gemischtem und per Maulesel an die schoensten
Aussichtspunkte geschlepptem Beton aufgemauerten, mit echten Schiefersteinen gedeckten und
nicht selten mit Holz ausgekleideten Haeuser. Die Inder sind sich hier den Anblick von Weissen
mehr gewohnt als irgendwo anders und wissen meistens auch, dass diese gerne ab und zu ihre
Ruhe haben. Wenn wir morgens aufstehen und um 8 fruehstuecken, sind die Familienbeizen und
die Backwahren-Verkaufslaeden gerade am aufgehen und wenn wir dann um 13 Uhr unser
Mittagessen bestellen, kommen langsam andere schlitzaeugige Bleichgesichter aus ihren Loechern.
Waehrenddem in Goa der Strand allein genug Zeitvertreib bietet, gibt es in den Bergen
Billardtische und DVD-Kinos im Angebot. Ab und zu eine Party darf natuerlich auch nicht fehlen.
Die Speisekarten bieten neben dem sonst ueblichen indischen und chinesischen Gerichten v.a.
israelische, italienische und tibetische Kueche. Die "German Bakery" hat nebst "Brown Bread"' auch
"Croissants" und "French Baguettes", was ebenfalls fuer uns jeweils eine willkommene
Abwechslung bedeutet (ganz zu schweigen von den "Apple Crambles" und den "Chocolate
Cakes"...!
Dann gibt es die ***** schwebenden Engel *****. So wie wir das in dieser kurzen Zeit uns
zusammengereimt haben braucht es ein gutes Herz, eine Hand voll Geld und eine Berufung und
man wird in Indien schnell zum Guru. Man fasst dann alte spirituelle Weisheiten in eigene Worte,
schreibt sie nieder und findet sehr schnell seine Juenger, welche fuer einem ein Ashram bauen und
in weisse Tuecher gehuellt ihrem erfuellten Leben froehnen. Eher etwas unverhofft sind wir in
Kerala waehrend der 2taegigen Bootstour durch die Backwaters fuer 24 Stunden in einem solchen
Ashram gelandet. Da die von (Mutter-)Liebe nur so strotzende Amma hier geboren wurde, steht ihr
Tempel und das wegen Andrang und gleichzeitigem Platzmangel zum Hochhaus gewachsenen
Logierhaus inmitten der Palmen zwischen Meer und Backwaters-Kanal. Wohl weit ueber die Haelfte
der "Amma's Children" sind Europaeer, davon auffaellig viele Deutsche und Schweizer. Vieles
scheint sehr undurchsichtig hier und die meisten unserer Beobachtungen muendeten in
Vermutungen, welche wir aufstellten, damit alles zusammenpasst. Mit viel stolz zeigte man uns
vorerst einmal ein Viedo, worin vor allem Amma's Hilfsprojekte (Spitaeler und ArmenWohnhaeuser) und Amma's unendliche Liebe zu allen Menschen aller Religionen dargestellt sind.
Diese besteht insbesondere aus ihrem Darsha: Etwa 100 Tage im Jahr verbringt die Wohlbeleibte
damit, dass sie vielleicht 10 Stunden lang die Pilgerer einer nach dem anderen in die Arme nimmt
und an ihren Busen drueckt. Viele Ashram-Regeln lassen uns klar werden, dass hier nicht viel Platz
fuer selbstaendiges Denken, geschweige denn Handeln ist. Der Tagesablauf ist ziemlich genau
festgelegt und fuer die Amma-Kinder ist die Seva (= Freiwilligenarbeit) Pflicht (!). Diese muss
selbstlos und zum Wohl der Allgemeinheit passieren, wobei natuerlich unter Allgemeinheit die
Amma-Familie verstanden wird. Wer nicht gerne kocht oder putzt oder Muelleimer leert, hilft in der
Propagande-Kueche und bedient die Druckmaschinen, schneidet Plakate oder verpackt
Flugblaetter. Essen tun alle gleichzeitig und gratis, was uebersetzt folgendes bedeutet: Es werden
irgendwann irgendwo karrenweise Blechgeschirr angeschleppt und alle vergessen das gemeinsame
Singen und stuerzen sich darauf. Dann gibt es eine Arbeiterschlange und eine Gaesteschlange,
wobei erstere warten muss bis letztere dran war. Jeder kriegt nun lieblos eine Kelle Wasser mit
darin schwimmendem verkochtem Reis auf seinen Teller geschmissen, womit man sich irgendwo
hinsetzt und versucht, die Nahrung irgendwie in seinen Kopf zu befoerdern. - Jeder? - Nein!: Da
gibt es noch das "Indian Buffet" mit wie ueblich schmackhaftem Reis, was allerdings je nach
Beilagen ca. 20 Rs kostet. Und wer noch mehr Geld hat, geht zum "Western Buffet", wo a-la-carte
Pommes Frites, Burger und anderes verkauft wird. "Es lebe das Kastensystem" oder "zum Glueck
gibt es auch unter gleichen solche, welche gleicher sind als andere"! Viele kommen wohl hierhin,
weil sie glauben, hier Gutes zu tun. Andere finden hier schlicht den Anschluss in eine Gesellschaft,
den sie zu Hause nie gefunden haben. Sicherheit und Halt ist ihnen wichtiger als Freiheit und
Selbstverwirklichung...
Auch ***** Heilungssuchende ***** irren in Indein herum. Eigentlich ist es logisch, dass es in
einem so toleranten, wenig kontrollierten und auf Vertrauen basierenden Land mit so vielen Leuten
viele Magier und Heiler gibt. Eine deutsche Frau mitte 40, welche in einer ziemlich
runtergekommenen Stadt in Suedindien im Hotelrestaurant bei uns kurz Zuflucht suchte, uns von
jensten Kliniken erzaehlte, sich hier von den dort aufgelesenen Magenproblemen erholen wollte
und auf uns einen ziemlich verstoerten Eindruck machte, haben wir dieser Kategorie zugeordnet.
Eine Art Mischung der 3 erstgenannten Typen stellen die ***** Yogis ***** dar. Sie sitzen im
Schneidersitz am Strand, auf dem Ashram-Dach oder auf einem Felsvorsprung und halten die
Handflaeche der unter- oder etwas seltener der aufgehenden Sonne entgegen. Fast haetten wir in
Dharamsala einen 5taegigen Yogakurs besucht, fanden dann aber, dass man sich dafuer wenn
schon mehr Zeit nehmen muss. Ausserdem ist es insbesondere als Anfaenger schwierig,
vorgaengig festzustellen, ob man in die Haende eines wahren Meisters einer der unzaehligen
hinduistischen und buddhistischen Yoga-Lehren geraet oder ob man Opfer eines Kurpfuschers wird,
der wie so viele hier dem Nachbarn abschaut, wie man Geld verdienen kann. Noch mehr lockte uns
der etwas serioeser scheinende Kurs in Meditation und buddhistischer Philosophie. Dieser haette
aber 10 Tage gedauert... Auf ein anderes Mal!
Vielleicht als Untergattung der Relaxer koennen die ***** Hippies ***** betrachtet werden. Sie
ergaenzen ihre Reise mit einem Trip in die vierte Dimension und unter ihnen gibt es einige sehr
geisterhaft dreinblickende Erscheinungen. Da wir in Goa die dafuer bakannten Straende eher
gemieden und in Manali noch vor der eigentlichen Saison (das Hanf begann erst aus dem Boden zu
keimen) Station machten, haben wir mit ihnen kaum Bekanntschaft gemacht. Laut Reisefuehrer
soll ihr Abenteuer aber nicht ungefaehrlich sein: Einerseits lauert das Gesetz und die in Indien nicht
nur angenehme Justiz und andererseits gibt es nicht selten Ueberfaelle auf von irgendwelchen als
Saddhus getarnten Unholden vergiftete Naivlinge...
Auch fuer ***** Kulturinteressierte ***** ist Indien ein Paradies.
Da sind als erstes sicher die *** Tempel *** zu erwaehnen, mit denen einfach ueberall zu rechnen
ist.
Von den Dimensionen her fuer uns der Eindruecklichste war derjenige in * Madurai * (Tamil Nadu Suedindien). Von Fruehmorgens 5 Uhr bis Abends 23 Uhr ist der mit 12 45-50 m hohen Gopurams
(= pyramidenaehnliche und in diesem Fall mit farbigen Goetterfiguren dicht bespickte Tuerme) und
einer hohen Mauer umringte Komplex ein von Hindus rege besuchter Ort. Wie in den meisten
Tempeln ist es im Inneren sehr duester und jeder scheint wieder irgendwo in einer Ecke seinen
momentanen Favoriten-Gott verehren zu koennen, indem er eine Saeule dreimal umwandert, eine
Figur mit vogeldreckartiger Masse beschmiert, irgendwo eine Kerze anzuendet, eine Glocke laeutet,
mit dem bereitliegenden roten Pulver seinen Tupfer auf der Stirn auffrischt oder sich seinen
Meditationen widmet. Immer wieder geschehen spezielle Ereignisse, wo eine Gruppe singend durch
den ganzen Tempel marschiert, Moenche trommeln und trompeten, alle einer schwer
beschmueckten Kuh nachhasten oder ein Heiliger das heilige Feuer vom Altar holt, so dass jeder
einen "Schluck" der Flamme inhalieren kann. In den Bereichen der Ausgaenge werden
hemmungslos Verkaufsstaende aller Art aufgestellt und tritt ein Elefant ungeduldig von einem Bein
aufs andere, segnet aber umso geduldiger jeden, der ihm eine Muenze in den Ruessel gibt mit
einem sanften Streichen ueber den Kopf.
In * Hampi * radelten wir drei Tage lang durch eine mit riesigen Felsbrocken bespickte
Halbwuestenlandschaft, welche 1336-1565 von allen grossen Herrschern des Hindureiches mit
tausenden kleinen und grossen Tempeln bebaut wurde, wobei die Felsbrocken als Baumaterial
dienten. 1565 wurde die Stadt von den Moslems dann in eine Ruinenstadt verwandelt, was die
Inder aber bis heute nicht davon abhaelt, weiterhin in die Truemmer zu pilgern. Weil alles so
massiv gebaut ist, blieb auch sehr vieles erhalten. Jeder Tempel ist hier wieder einem bestimmten
Gott gewidmet und der Ort eignet sich gut, etwas mehr ueber die Religion der Hindus und ihre
Goetter zu erfahren: Shiva, Vishnu, Ganesh, Rama, Krishna, Buddha sind uns nicht mehr ganz
fremd und wir wussten z.T. sogar auch schon, wer mit wem wie Verwandt und wer die wievielte
Inkarnation von welchem Gott war und einige von ihnen erkennen wir bis heute noch wieder, wenn
wir eine Darstellung antreffen!
Noch aelter sind die buddhistischen Hoehlentempel von * Ajanta *. 200v.Chr. - 650n.Chr. gebaut
und 1819 von einer britsischen Jaegergesellschaft wiederentdeckt sind sie in einer Flusskurve in die
Felswand gemeisselt und stellen heute eine rein touristische Attraktion dar. Dies hat zur Folge,
dass einerseits der Eintritt wesentlich hoeher ist als bei den Indern heiligen Orten und dass das
Schuhe-Ausziehen das einzige Zeichen von Respekt ist, das dem Ort erwiesen wird. Ansonsten
kommt man in grossen Gruppen und es wird erklaert und geschriehen statt gemurmelt und
meditiert. Beeindruckend war aber, wie das Kulturgut aufwaendig konserviert und die Hoehlen
wirklich kunstvoll beleuchtet und die Fresken und Gravuren praesentiert werden.
Bereits in Hampi sind wir den * Jain-Tempeln * begegnet. In Gujarat sind wir dann auf zwei
bedeutende Pigerorte der Jains gestossen: Palitana und Junagadh liegen beide am Fusse eines
Berges in sonst flacher Umgebung. Solche Berge und Huegel sind beliebte Orte fuer Tempel! Um
sie zu besuchen steht man am besten (der Hitze wegen) ein paar Stunden vor Sonnenaufgang auf,
faehrt per Autorikscha (= 3raedriges Zweitakter-Taxi) an den Fuss des Berges und beginnt den
mehrstuendigen Aufstieg ueber die gut ausgebaute Treppe mit einigen tausend Stufen. Dabei ist
man bei weitem nicht alleine: Hunderte (an speziellen Tagen tausende) von Pilger-Frauen,
Maenner, Kinder, Babies, Greise, Moenche usw. tun dasselbe, wobei die beleibtesten Damen (ab
und zu auch Herren) sich auf einer Dholi (= an zwei Holzbalken haengende Schaukel) von zwei
Traegern tragen lassen. Auf den ersten Blick sehen Jain-Tempel nicht viel anders aus als diejenigen
der Hindus. Die verehrten Figuren sind aber durchwegs Buddhas mit leuchtenden Augen, davor
liegen oft ihre Fussabdruecke und weil man sie sonst nicht voneinander unterscheiden kann, sind
sie nummeriert. Die Rituale scheinen intensiver und meditativer zu sein, wobei mit Reis
irgendwelche Muster gelegt werden.
Vielleicht die schoensten, jedenfalls aber die detailreichsten Tempel fanden wir in * Mount Abu *
(Rajasthan). Von tausenden von Arbeitern wurde der Marmor hier in Dutzenden von Jahren
bearbeitet, bis die endlosen Gravuren in den Decken, Waenden und Saeulen fertig waren. Es
heisst, die Arbeiter seien per Kilogramm Marmorstaub entloehnt worden, den sie aus dem Bauplatz
herausbrachten...
Dass * nirgends in Indien kein Tempel * stehen kann, wurde uns klar, als wir an einem Feiertag
durch die Salzwueste "Little Rann of Kutch" fuhren und ueberall Leute zu Fuss durch die bruehende
Hitze wanderten. Nach stundenlanger Fahrt durch endloses weisses Flachland trafen wir auf einer
Insel des Salzsees auf einen zwar sehr kuemmerlichen, aber von einer Hand voll Pilgern besuchten
Tempel. Auch in anderen Nationalparks sahen wir immer wieder solche Plaetze, welche offenbar
einfach aus den "verbotenen" Zonen ausgezont werden.
Auch Kultur oder fuer uns fast eher zu viel Kult sind die * heiligen Wasser-Staedte * Indiens. In
Rishikesh und Haridwar beispielsweise fliesst der heilige Ganges aus den Huegeln des Himalayas in
die flache Ebene des Riesenkontinents. Grund genug, Tempel neben Tempel zu stellen, sich heilig
zu waschen, einmal hier gewesen zu sein. Wer von solchen Phaenomenen begeistert ist, geht von
hier aus mit hunderten anderen auf Pilger-Trekking zu den hoch gelegenen Quellen, besucht in
Varanasi die beruehmten Leichenverbrennungen oder wohnt dem von millionen von Hindus
besuchten 3jaehrlich (davon alle 9 Jahre in Haridwar) stattfindenden heiligsten Festival bei. Wir
verspuehrten irgendwie keine Lust dazu und sind ganz froh, ausser Land zu sein, wenn es dieses
Jahr (wo genau wissen wir nicht) wieder so weit sein wird...
Fuer das zweite grossartige Kulturgut Indiens sorgten die ueberall herrschenden Maharajas und
Sultane mit ihren *** Palaesten, Forts und Mausoleen ***. Auch davon haben wir natuerlich nicht
wenige besucht.
Der Palast in * Madurai * brachte uns allerdings noch alles andere als in Begeisterung, gleicht er
doch heute mehr einer Baustelle mit viel Schutt als einer einem Herrscher wuerdigen Behausung.
Wir trauten unseren Augen nicht, als wir sahen, fuer was man hier alles Eintritt verlangen kann!
Bereits wesentlich mehr Eindruck machten uns die beiden Mausoleen (= Familiengraeber) in *
Bijapur *, wobei wir das zweite dem Kassier zum Trotz, welcher a tout prix kein Rueckgeld haben
wollte, nur von aussen bewunderten (was sich spaeter beim Taj Mahal zu wiederholen gelohnt
haette). Eindruecklich war hier v.a. die "Fluester-Kuppel" des Golgumbaz: Oben in der Gallerie
stehend kann man noch so leise etwas fluestern, 40m auf der anderen Seite vis-à-vis kann man die
Worte so gut verstehen, als sei man nur einen cm von der Schallquelle entfernt. Allerdings muss
man fuer dieses Experiment die Geduld aufbringen zu warten, dass gerade kein indischer Besucher
sich ueber das 10fache Echo freut, welches er mit Schreien und Klatschen nicht 1x, nicht 3x,
sondern 100x ausprobiert...
In Rajasthan setzte sich die Steigerung an Prunk und v.a. an Unterhalts-Qualitaet der Gebaeude in
Udaipur und danach in Jodhpur fort:
* Udaipur * mit seinen unzaehligen in Nobelhotels und -Restaurants verwandelten Palaesten war
verstaendlicherweise ein idealer Drehort fuer Mr. Bond (007 - Octopussy).
Noch viel hautnaher erlebt man aber seit noch nicht ganz einem Jahr die einstige Lebensweise der
Maharajas (wie sie ja noch bis zur Unabhaengigkeit Indiens 1947 gepflegt wurde) im Fort von *
Jodhpur *, wo noch heute der Maharaja mit seiner Familie in einer Suite des Palasthotels wohnen
darf und eine Stiftung zur Erhaltung seines Familienerbes gegruendet hat. Vom Resultat der
Stiftungstaetigkeit waren wir verbluefft und begeistert: Anstelle des ueblichen Chaoses mit
offiziellen und inoffiziellen Guides wurde uns am Eingang ein Geraetchen mit Kopfhoerer in die
Haende gedrueckt (sog. "Audio-Guide"), das Fotografieren war fuer einmal im Preis inbegriffen und
wir durften unter unzaehligen Sprachen waehlen, in welcher wir die vielen Geschichten zu den
Plaetzen innerhalb des Forts per Knopfdruck hoeren wollten. Auch der Maharja himself erzaehlte
von seinen Kindheitserinnerungen und seiner Situation heute. Eine Art Kulturgut-Erhaltung und
Geschichtsunterricht, die selbst in Europa seinesgleichen sucht!
Entsprechend tief war der Fall in * Agra * ein paar Tage danach, wo das weltberuehmte Mausoleum
"Taj Mahal" steht, das uns unverweigerlich an das Maerchen "des Koenigs neue Kleider" erinnerte,
welches sich etwa wie folgt zugetragen hat: Da sich die 7 antiken Weltwunder auf den
Mittelmeerraum beschraenken, kam man auf die Idee, eine neue Aufzaehlung zu kreieren.
Natuerlich musste Indien mit seinen unzaehligen Prunkbauten auch beruecksichtigt werden. Da es
aber nur 7 Weltwunder geben kann, musste man sich auf eines beschraenken, was zur Folge hatte,
dass man beschliessen musste, welches nun das eindruecklichste Bauwerk Indiens sein soll. Wieso
die Wahl gerade auf den Taj Mahal fiel ist leider keiner Schrift zu entnehmen. Die Lage mit der
Naehe zu Delhi und am Rande des Staates Rajasthan mit der hoechsten Touristendichte Indiens ist
aber nicht schlecht und die Mauer um das Mausoleum eignet sich gut, um auch fuer die
Besichtigung des Gebaeudes von aussen ein saftiges Eintrittsgeld zu kassieren. 750 Rupies sind
umgerechnet zwar "nur" 25 SFr., relativ zu den in Indien sonst ueblichen Ausgaben aber sicher
etwa das Zehnfache wert! Es ist sofort klar, dass Einheimische diesen Preis nie bezahlen wuerden,
weshalb sie auch einen reduzierten Preis von 20 Rupies hinblaettern muessen. Man stelle sich also
vor, jemand beschliesse, die Kappelbruecke sei die schoenste Bruecke der Welt. Um dies glaubhaft
zu machen, wird ein Brueckenzoll von 200 SFr. pro Person erhoben. Weil die Luzerner aber auch
darueber gehen wollen, kostet es fuer sie einfach einen 5-Liber. Dies hat nun zur Folge, dass die
Bruecke noch beruehmter wird als zuvor und noch viel mehr Japaner in ihrem Leben unbedingt
einmal auf ihr abgelichtet werden wollen. Dies klingt zwar etwas unglaublich, aber nach dem
Besuch in Agra sind wir praktisch ueberzeugt, dass es funktionieren wuerde. O.K - zugegeben:
Agra hat den Vorteil des voelligen Missverhaeltnisses des Wertes der indischen Waehrung
gegenueber dem der westlichen. Interessant ist aber trotzem, dass wir vor unserem Besuch in Agra
vielen Reisenden begegnet sind, welche bereits den Taj Mahal besucht haben, wir aber von
niemandem vor dieser Luege gewarnt wurden. Insbesondere weil der Taj Mahal nur von aussen
sehr eindruecklich ist (was er zugegeben wirklich ist), dieser Anblick aber einem nach einem Weg
von 4km auf die andere Flussseite unentgeldlich auch zur Verfuegung stehen wuerde. Der Aerger
ueber unsere Blindheit, unterstuetzt durch die Tatsache, dass in Agra die Ricksha-Fahrer und die
anderen Gschaeftlimacher noch einmal aufdringlicher und unverschaemter sind als in Rajasthan
und durch das fuer Indien unuebliche schlechte Essen, braute sich in uns (v.a. in Sven) zu einer
derartigen Wut auf die Stadt zusammen, dass wir bereits nach einem halben Tag unseren
Aufenthalt abkuerzten, auf einen Besuch des Agra-Forts verzichteten, zum Bahnhof eilten (wobei
wir zuerst zu Fuss aus dem Touristenzentrum unser Gepaeck schleppten, bis sich der Ricksha-Preis
von 70 auf 15 Rupies reduzierte) und noch am gleichen Nachmittag (einen Tag frueher als geplant)
nach Delhi fluechteten. Die Wut ist natuerlich bald wieder verschwunden und auch wir koennen ein
indisches Strahlen laengst wieder erwiedern. Schliesslich hat uns die Lehre auch nur 50 SFr.
gekostet und wir outen uns hier ganz Oeffentlich, dass wir nicht cleverer waren als der
Durchschnitt, wobei wir natuerlich behaupten, dass nicht viel gefehlt haette und wir waeren nicht
reingegangen. Aber wer immer von euch einmal nach Agra gelangen soll: Bitte bitte bitte macht
nicht denselben Fehler!
Womit wir endgueltig bei der naechsten Sorte der Indien-Reisenden angelangt sind: Bei den *****
Gutbetuchten *****. Wer sich nicht ueber ein ueberhaengendes reich-arm-Gefaelle stoert, gerne
das 10fache des ueblichen Marktpreises bezahlt und Luxus ueber alles liebt, ihm dieser sonstwo
aber schlicht zu teuer ist, muss unbedingt nach Indien kommen!
Da ist zum Beispiel der *** Royal Orient Express ***! Eine 8taegige Fahrt im prunkvollsten Zug
der Welt (natuerlich mit Dampf-Lok) durch Gujarat und Rajasthan, bestehend aus 13 vergoldeten
Salon-Wagons, Uebernachtungen in den Palaesten der Maharajas und Turban-bedeckte Diener hier
und da und ueberall. Vor dem Poebel von "anstaendigen" Guides beschuetzt kommt man sicher
durch die oeffentlichen Zonen und kann auch durch die Fenster der fahrenden und stehenden
Palaeste die "Eingeborenen" in den Slums fotografieren.
Gregi sei Dank haben wir auch dieses Leben ansatzweise miterlebt: Da ihm seine Firma seinen
monatelangen Aufenthalt im Doppelzimmer eines *** Luxushotels in Delhi *** ohne Preisabschlag
bezahlt, kamen keine grosse Skrupel auf, das Zimmer ohne zu fragen fuer 2 Naechte zu einem
Dreierzimmer zu machen. Weil wir zu der Zeit etwas kraenkelten, konnten wir diesen Exkurs in
eine andere Welt zwar nicht in den vollsten Zuegen geniessen. Das Schaumbad und das
reichhaltige Fruehstuecksbuffet (insbesondere die Brioches 1:1 wie in Frankreich und der Gruyeres
1:1 wie in der Schweiz) waren fuer uns irgendwie wie unwirklich. Eine halbe Stunde nachdem wir
unsere gesamte Waesche vor dem Zimmer auf den Boden legten, wurde eine Notiz unter der Tuer
durchgeschoben (wir hatten "privaty please" an die Tuerfalle gehaengt), welche uns darauf
aufmerksam machte, dass einige unserer Kleidungsstuecke etwas abgewetzt seien... "this is for
your kind information please"! Im Eingangsbereich befinden sich immer genuegend Angestellte:
Einige fuer die Koffer, einer zum Tuer aufmachen und "welcome sir" sagen, einer um bei Bedarf per
Mikrophon und Lautsprecher ein Taxi von der Strasse zu bestellen, einige an der Reception und ein
Pianist am Fluegel.
Die naechste Kategorie ist diejenige der ***** Safari-Touristen *****. Indien ist mit sogenannten
Nationalparks und Wildschutzgebieten nur so vollgespickt. Weil in Indien aber praktisch nirgends
keine Leute wohnen, sind das nicht die unbewohnten, sondern lediglich die schwach genug
besiedelten Gebiete. So ist es absolut normal, auch in Nationalparks Bauern und ihr Vieh
anzutreffen. Wer nun meint, dass man sich infolgedessen in diesen Gebieten auch als Tourist frei
bewegen darf, hat weit gefehlt, denn wo blieben da die Rupies? Uebernachten verboten, Jeep
verlassen verboten (natuerlich "for safety reason") und fotografieren nur mit Kamera-Ticket!
Beispiel: Eintritt 30 Rs fuer Inder / 250Rs fuer Auslaender; Jeep-Eintritt 100 Rs fuer Inder / 500 Rs
fuer Auslaender; Kamera 50 Rs fuer Inder / 250 Rs fuer Auslaender; Video-Kamera 2'500 Rs fuer
Inder / 10'000 Rs fuer Auslaender. Eindeutig eine Preistaktik, welche zum Ziel hat, dass die
Reichen fuer dasselbe mehr bezahlen sollen als die Armen. Eigentlich ein nobler Gedanke, aber wer
lange in Indien herumgereist ist, weiss, dass nicht ein Gerechtigkeitssinn dahinter steckt, es auch
nicht um eine nachtraegliche Korrektur des eigentlich zu tiefen Rupie-Kurses geht, sondern einfach
darum, jedem so viel aus der Tasche zu ziehen wie moeglich. "Jae nu" sagt man sich als IndienReisender und macht das Spiel halt mit. Schliesslich ist man nicht fuer nichts nach Indien gereist!
Wir haben insgesamt 4 Nationalparks besucht und jeder war wieder etwas anders:
Im *** Periyar National Park *** in den Western Ghats (Kuestengebirge Westindiens) genossen
wir eine 2stuendige Fahrt auf einem Boot fruehmorgens auf dem kuenstlich aufgestauten See in
der bewaldeten Huegellandschaft. Viele Wasser- und Zugvoegel, Wildschweine, sowie 2 Elefanten
und eine Otterfamilie war die Ausbeute. Aber hier zaehlt nur der Tiger und weil am Vortag vom
Boot aus einer gesichtet wurde, beschlossen wir, am naechten Tag uns den wesentlich teureren
Trek durch den Park zu leisten. Zusammen mit 2 Hollaendern, einem Chef-Guide mit Karabiner und
3 Hilfs-Guides als "Spaeher" durchwanderten wir den huegeligen Jungel und erweiterten unseren
Katalog mit ein paar Riesen-Hoernchen, bevor wir dieselben zwei Elefanten (Mutter und Kind) vom
Vortag wieder beobachten konnten - diesmal zwar von naeher, aber im Wald etwas mehr
versteckt. Vom Tiger, welcher wahrend unserer Bootsfahrt am Vortag auf ebendiesem Trek
gesichtet wurde, zeigte man uns lediglich die Fussabdruecke im Boden und die Kratszpuren an den
Baeumen - also wieder ein Tag zu spaet!
Im *** Sasan Gir National Park *** in Gujarat waren wir dann zusammen mit einem Deutschen
und einem Oesterreicher im Jeep unterwegs durch die Steppen-Buesche. Hier hatten wir mehr
Glueck und konnten nebst den obligaten Rehen, Antilopen, Pfauen und Krokodilen auch einer
ganzen Loewenfamilie beim Faulenzen zusehen. Wir sind uns bewusst, dass das fuer AfrikaReisende gar nichts besonderes ist, aber in Indien ist das halt etwas ganz anderes. Der Sasan Gir
ist der letzte Fleck in Indien mit Loewen-Vorkommen und am Ende der Tour wurden wir als
Glueckspilze gefeiert!
Der naechste Park war die *** Little Rann of Kutch ***, ebenfalls in Gujarat. Dies ist ein grosses
flaches Stueck Land nur wenige Meter ueber Meer, weshalb es waehrend der Regenzeit von
Meerwasser ueberflutet wird und in der Regenzeit zur Salzwueste austrocknet. Die Attraktion hier
sind einerseits die Wueste selbst mit den wirklich zu bewundernden Salzarbeitern, welche unter
hartesten Bedingungen dem Boden das Salzwasser entziehen und das Salz herauskristallisieren,
indem sie 1x taeglich die Kristallkeime in den seichten Wasserbecken durchrechen, und
andererseits die nur noch hier und irgendwo in China vorkommenden Wildesel und die Flamingos
und ihre Zugvogel-Freunde, von denen wir noch die letzten Exemplare antrafen, welche noch in
den letzten natuerlichen noch nicht ausgetrockneten Tuempeln herumstanden, bevor auch sie dann
wohl Tage spaeter ebenfalls Richtung Norden ueber den Himalaya davonzogen. Der Schluessel zum
Geheimnis, wie dieser Park besucht werden muss, ist eine Telefonnummer im "Lonely Planet",
unserem Indien-Reisefuehrer. Sie gehoert einem tuechtigen ca. 65jaehrigen Einheimischen, der
sich fuer die Erhaltung des Lebensraumes der Wildesel und Flamingos und fuer die touristische
Erschliessung und damit neue Einkommens-Moeglichkeiten der Wuestenbewohner stark macht. Er
war es, der uns einen Tag lang von 8 Uhr morgens bis 23 Uhr nachts in seinem eigenen Jeep durch
die Wueste gefuehrt hat und uns viel ueber das Leben der Tiere und Menschen, aber auch ueber
seine Zukunftsplaene erzahlt hat (wofuer ja genuegend Zeit da war). Fuer umgerechnet ca. 1'000
SFr. darf man beispielsweise eine seiner Huetten in den geplanten Touristencamps sponsern,
wofuer dann sein Name ueber dem Eingang eingraviert wird, wo man auch selbstverstaendlich
beliebig lange freie Logis haben wird... Das Projekt toent wirklich ueberzeugend und wir wuenschen
dem guten alten Devjibhai viel Glueck damit!
Im puren Gegenteil zu diesem Park liegt unser letzter Park - der *** Ranthanbore National Park
*** - im touristisch vielbereisten Gebiet des Staates Rajasthan. Um der daraus resultierenden
groesseren Nachfrage gerecht zu werden, besucht man ihn in einem offenen Minibus mit ca. 20
Sitzplaetzen. Landschaftlich liegt er irgendwo zwischen den Waldhueglen des Periyar und der
Steppe des Sasan Gir. Die Fahrt dauert je nachdem maximal 5 Stunden und bei frueher
Tigersichtung entsprechend weniger - und wir hatten diesmal Glueck!: Ein Exemplar der von den
guten alten Briten wegen ihrer Jagdlust fast ausgerotteten Art hatte die Freundlichkeit, sich zur
rechten Zeit in Wegnaehe zu begeben, was darin muendete, dass sich 2 Minibusse und 4 Jeeps um
die besten Foto-Spots streiteten, bis kurz bevor die Sonne uns besseres Licht beschert haette
ploetzlich alle die Geduld verloren und abzogen. Der Tiger hatte gewonnen!
Bedeutend eindruecklicher noch als dieses Erlebnis waren unsere *** Begnungen mit wilden Tieren
ausserhalb der Nationalparks ***. Da war dieser ruhig und doch sehr rasch vorwaertskommende
Fleck aus der Ferne in den Western Ghats, der natuerlich fast nur ein Baer, wenn nicht ein Tiger
sein konnte. Da war aber auch das Trompeten eines Elefanten aus der Ferne oder das SchnaufenSchnauben eines anderen ganz in der Naehe im selben Gebiet. Und natuerlich waren da die
frischen Baerenspuren im Schnee und im Sand auf unseren Treks im Himalaya...
Womit wir bei der in Indien eher seltenen Species des ***** Trekkers ***** angelangt sind. Nebst
unserem bereits erwaehnten 1-Tages-Trek durch den Periyar Nationalpark froehnten wir unserem
Hobby insgesamt vier mal: 2x in den Western Ghats und 2x im Himalaya.
Von *** Madikeri *** aus folgten wir unserem Guide drei Tage lang ueber die schoene
Gebirgslandschaft und uebernachteten 2x in einfachen Unterkuenften. Ab und zu zeigte der
Fuehrer kurz auf eine Pflanze und sagte "Cardamom" - "Coffee" - "Tea" - "Cinamon" - "Jackfruit"
und stapfte weiter. Dies war immerhin mehr als nichts, aber wir erkannten doch recht schnell, dass
wir trotz in Indien nicht existenten Karten solches wohl auch alleine tun koennen.
Von *** Munnar *** aus versuchten wir also unser Glueck, liessen den groessten Teil unseres
Gepaecks fuer 3 Tage hinter uns, bestiegen den naechstbesten Bus, bezahlten fuer den naechst
groesseren Ort und stiegen bereits nach einem Bruchteil dieser Strecke wieder aus, da die Berge
hier besonders schoen und hoch aussahen. Wir kaempften uns durch die Teeplantagen aufwaerts
und trafen bald auf einen Fusspfad durch das waldlose Gebiet der hoeheren Regionen. Dieser
fuehrte uns - wie wir mit immer groesser werdender Sicherheit erkannten - auf den hoechsten
Punkt Suedindiens, welcher laut unserem Reisefuehrer zu betreten verboten ist. Wegen felsigen
und buschigen Hindernissen kamen wir auf dem Talweg zeitlich eher in Verzug, hatten aber noch
genuegend Reserve, um vor Dunkelheit die Strasse wieder zu erreichen und per Bus nach Marayoor
zu gelangen, wo wir leicht eine Unterkunft fanden. Am naechsten Tag galt es herauszufinden, wie
lange das Stueck auf dem Weg zur anderen Strasse nach Munnar zurueck war, welches wir zu Fuss
gehen mussten. Die noetige Auskunft erhielten wir nach langem hin und her in einem Nobel-Hotel.
Der Weg fuehrte uns ueber eine Jeepstrasse durch Gebirgs-Urwald, wo wir mit den Voegeln und
Affen zusammen alleine waren. Die gelegentlichen Aussichten ueber die unter uns liegenden
Teeplantagen genossen wir ebenso wie die in unserer Fuehstuecks-Beiz erhaltenen Lunch-Chapatis
(= indisches Fladenbrot) mit wuerziger Gemuesesauce als Dip. Dieser zweite lange Tagestrip
endete bei einem Aussichtspunkt auf die Ebene hinter den Western Ghats, der als bekanntes
Tagesausflugs-Ziel taeglich von mehreren Bussen von Munnar aus frequentiert wird. Hier bezogen
wir ein sehr rudimentaeres Zimmer und ueberzahlten es - wie wir knapp zu spaet harausfanden um ein mehrfaches. Am dritten Tag fuhren wir dann nach einem weiteren halbtaegigen
Spaziergang per Bus wieder nach Munnar zu unserem Gepaeck zurueck. Drei herrliche Tage mit
viel Ruche, welche man in Indien gut brauchen kann, lagen hinter uns!
In Delhi nahmen wir bei Gregi unser Zelt in Empfang, so dass es wenig spaeter im Himalya dann
mit Trekking richtig losgehen konnte. Der *** erste Himalaya-Trek *** dauerte 9 Tage und wir
starteten von Dharamsala aus. Waehrend 6 Tagen sahen wir keine, aber auch gar keine, aber auch
wirklich gar gar gar keine anderen Leute, dafuer umso mehr Schnee. Schlechtes Kartenmaterial,
zugeschneite Wege, Wegbeschreibungen wie "man kann vom Nag Dal Lake zum Lam Dal Lake oder
nach Kwarsi weiterwandern, wobei der Abstieg im Herbst manchmal glitschig ist" haben auch nicht
viel Orientierungshilfe gebracht. Jeden Tag haben wir also die Gegend von einem anderen Grat aus
begutachtet und studiert und Plaene geschmiedet fuer die Etappe des naechsten Tages. Hauptziel
war dabei vor allem, wieder ueber den Hauptruecken zurueckzusteigen, welcher wir am zweiten
Tag ueberklettert hatten. Beim dritten und wegen dem ausgehenden Essensvorrat letzten Versuch
haben wir`s dann auch geschafft und mussten deshalb nicht auf der "falschen" Seite zu Tal gehen
und per Bus in 10 oder mehr Stunden alles umfahren. Drei (ziemlich sehr) kalte Naechte
hintereinander haben wir auf Schnee gezeltet, die letzte davon war etwas waermer, weil unsere
Schlafsaecke nicht mehr nebeneinander sondern ineinander angeordnet waren. Baerenspuren im
Schnee und verdaechtige Steineroll-Geraeusche in der Dunkelheit haben zeitweise die Spannung
zusaetzlich gesteigert... Unsere Taktik war: Alles Essen und alles parfumierte aus dem Necessaires
separat vom Zelt weg, Pickel, Fotoblitz und Benzinkocher als "Waffe" im Vorzelt bereit. Wir wissen
aber nicht, ob sie funktioniert haette (was ja eigentlich auch egal ist)... Groesstenteils hatten wir
herrliches Wetter mit taeglich Nachmittags aufziehenden grauen Wolken, etwas Wind, manchmal
Schnee, manchmal Regen (immer aber nur hoechstens 15 Minuten) und Donnergrollen im
Hintergrund. Herrliche (steile) Landschaften, Adler (wie wir sie nur von Grossvaters Erzaehlungen
her kennen), erste Bluemli, Davonflatter-Huehner, und anderes Geviech haben uns immer wieder
von neuem in den Bann gezogen.
Unser *** zweite Himalaya-Trek *** dauerte 7 Tage und wir erreichten den Startpunkt in einer
8stuendigen Busfahrt von Rishikesh aus. Wir sind vom Uebergang der Strasse in einen Fussweg ein
Tal aufwaerts gewandert in immer duenner besiedelte Gebiete und von 1500m auf schliesslich
5000m gestiegen, wo es anfaenglich sehr wenig Schnee hatte, eines Morgens aber 20-30 cm
mehr...! Da wir den Pass mangels Ausruestung sowieso nicht machen wollten, genossen wir am
gleichen Morgen etwa noch 30 Minuten lang die Sonne, dann den Nebel, dann den Schnee, dann
den Graupel, dann den Regen. Das gibt`s also doch in Indien! Der Abstieg ging aber einiges
schneller (2 Tage) als der Aufstieg und es wurde bald einmal wieder waermer und am letzten Tag
auch wieder trockener. Die Baerenspuren bestanden dieses mal aus weggelupften Riesenkempen
(das koennen nur Baeren wegstemmem!), aus dampfenden fetten braunen Wuerstchen auf dem
Neuschnee und aus Tatzenspuren im Sand (vom Bergbach). Wieder haben wir ihn nicht gesehen
(wahrscheinlich aber er uns ...!?). Das Beste an der ganzen Tour war aber die Landschaft in der
Hoehe und die Rundumsicht auf fast 7000m hohe Gipfel, auf unzaehlige Gletscher (von flachen bis
fast ueberhaengenden) und auf riesen Felszacken!
Von uns Trekkern nun zu den anderen ***** Exoten *****, welchen wir in Indien begegnet sind:
Die drei Radler im Sueden waren natuerlich Schweizer. Zwei Hollaender durchfuhren Indien per
Jeep, mit dem sie von Holland aus ueber die Seidenstrasse durch Iran und Pakistan nach Indien
gekommen sind und unterdessen ihre Reise nach einer wohl eher kompliziert zu organisiernden
Schifffahrt in Australien fortsetzen.
Auch ***** Reisepaerchen ***** trifft man wenig in Indien (wieso aecht?). Nebst den erwaehnten
Hollaendern trafen wir ein englisches und zwei schweizer Paerchen, mit denen wir wie automatisch
kuerzer oder laenger in ueberdurchschnittlichen Kontakt kamen. Alle sind sie wie wir insgesamt
eher lange Zeit (ein halbes Jahr und mehr) unterwegs.
Kommen wir zu den ***** indischen Touristen *****. Insgesamt haben wir mindestens vier
Unterarten ausgemacht: Pilgerer, Gesellschaftstouristen, Soldaten und Geschaeftsreisende.
*** Pilgern *** kann man zu Fuss, per Fahrrad, Bus, Zug, Auto, Flugzeug oder per Saenfte.
Hauptsache man kann einen heiligen Ort mehr abhacken. Jedenfalls meide man die naehere
Umgebung eines stark frequentierten Pilgerortes, weil ziemlich verschissen!
Auch bei anderen *** Gesellschatsreisen *** geht es stets darum, an einem bekannten Ort
gewesen zu sein. Im Periyar Nationalpark beispielsweise geschah es, dass eine Gruppe, verteilt auf
veilleicht 15 Reisecars, auf dem Parkplatz ankamen, wo wir gerade am lunchen waren. Noch einen
knappen Kilometer waere es zu Fuss bis zum See mit Bootssteg weiter gegangen, aber die Schar
ist ausgestiegen und stehen geblieben. Man war zufrieden damit, hier in der "Natur" den von der
Organisation mitgebrachten Lunch stehend zu vernichten, ein paar wenige Fotos von sich (am
liebsten zusammen mit uns zwei Weissen!) schiessen zu lassen und kurz danach wieder die lange
Rueckreise nach Bangalore anzutreten. Hauptsache man war fuer wenig Geld im Periyar! Eine
andere Reisegesellschaft trafen wir im Zug nordwaerts. Diesmal fuellte sie vielleicht drei
Eisenbahnwagen. Ein Abteil (6 Sitzplaetze) wurde zum mobilen Tempel und zwei Abteile zur
mobilen Kueche umfunktioniert. Jeder, der in diesem Zug das richtige Blechgeschirr dabei hatte,
wurde sehr regelmaessig mit Reis, Chapatis, Fruechten, Tee und anderen Koestlichkeiten versorgt.
Ein aelteres Paar der Gesellschaft war mit uns im Abteil, was uns zwei Aepfel und ein Pack Datteln
bescherte!
Im Zug kommt man ganz allgemein am besten in Kontakt mit Indern. Da war der *** Soldat ***
aus Tamil Nadu, der gerade von seinem Urlaub nach Kashmir zurueckkehrte.
Oder der *** Student ***, der "Bahnhofshygiene" studiert und ebenfalls eine 2taegige Zugsreise
unternahm, um in Ahmedabad zur Pruefung anzutreten.
Und und und ...
Die fuer uns wohl eindruecklichsten Begegnungen waren aber nicht die mit den Indern oder mit
anderen Reisenden, sondern diejenigen mit den in Indien wohnenden Fluechtlingen, allen voran
denjenigen 100'000 ***** Tibetern ***** (wovon 20'000 Moenchen), welche in ihrer Heimat
entweder ihr Leben fuerchten muessen oder keine ihnen gerechte Ausbildungsmoeglichkeit finden
(nein: Ganz allen 100'000 sind wir nicht begegnet). Seit den Filmen "7 Jahre in Tibet" (Geschichte
zweier aus britischer Kriegsgefangenschaft von Indien nach Tibet fluechtenden Alpinisten einer
deutschen Himalaya-Expedition) und "Kundun" (Geschichte der Jugend und der Vertreibung des
Dalai Lama durch die Chinesen) ist unser Interesse fuer Tibet geweckt. Als Folge haben wir bis
heute unzaehlige weitere Filme ueber Tibet gesehen, das Info-Blatt der "Gesellschaft SchweizTibetischer Freundschaft" GSTF abonniert und an Weihnachten vor 4 oder 5 Jahren beschlossen,
die Patenschaft einer Schuelerin an der "Schule fuer tibetische Dialektik" in Dhasramsala zu
uebernehmen.
Diese Schuelerin - *** Tsering Wangmo ***, 24jaehrig, seit nun einem knappen Jahr fertig
ausgebildet und als Lehrerin der 1.-4. Klasse in der Tibeter-Siedlung ihrer Eltern in Suedindien
taetig - haben wir also in unserer 3. Reisewoche besucht und sie war unser erster Kontakt mit Tibet
in Indien. Alle Inder, welche wir nach dem Dorf in der Naehe der Siedlung fragten, wollten wissen,
was wir denn um Himmels Willen in Periyapatna wollen. Auf die Antwort "visit some Tibetans" kam
stets postwendend "don't go to Periyapatna; go to Bailkupe!" Wir schafften es dann trotzdem, im
Bus ein Billet nach Periyapatna zu loesen. In Bailkupe (kurz vor Periyapatna) waren die ersten
Tibeter unter immer noch mehrheitlich Indern auf den Strassen zu sehen. Kurz darauf in
Periyapatna spuerten wir sofort, dass hier ueblicherweise keine Weissen Station machen. Der
erstbeste Rickscha-Fahrer musste seine Kumpels fragen, wo das "tibetan camp 2" sei, bevor's dann
los ging (der angebotene Preis war nur leicht ueber dem von Tsering vorgaengig angegebenen)
raus in die Pampas, ueber unfruchtbares Land, bis dann nach knapp 10 km Holperpiste einmal 3
locker gestreute Siedlungen a ca. 30 Haeuser auftauchten, neben jeder ein abenteuerlich
gebasteltes Windrad zur Stromproduktion. Die Gegend ist hier im Hinterland der Western Ghats
sehr flach und auch sehr trocken, das von den Indern den Tibetern ueberlassene Land wird aber
offensichtlich fleissig bestellt, auch von indischen Angestellten. Das Haus von Tserings Eltern hat 3
Zimmer, wobei eines (das einzige, in dem neben den Betten noch eine Kommode steht) uns
ueberlassen wurde. Draussen ist ein Stall mit einer Kuh, am Dorfbrunnen gefuellte Wasserkruege
und hinter dem Haus das Plumpsklo mit gefuelltem Wasserkuebel. Tserings Eltern begruessten uns
mit gefalteten Haenden, ehrfuerchtigem Strahlen und mit Gebetstuechern, als waeren wir Dalai
Lama persoenlich. Tsering selbst war sehr aufgeregt und froehlich. Die uns angebotene
Pepsiflasche passte irgendwie nicht zum armseligen Gut. Der selbstgebackene Willkommens-Snack
(Ankestaengeli in Schlueferli-Form) war koestlich. Wir sassen da, wurden bewirtet (die Familie
selbst bediente sich keiner der Koestlichkjeiten), schwiegen oft, aber die Stimmung war aeusserst
friedlich und herzlich und komischerweise nicht peinlich. Natuerlich brachten wir nach und nach
einiges in Erfahrung: Tsering kann nun seit kurzem nicht nur fuer sich selbst sorgen, sondern auch
fuer ihre Eltern (ihr Vater kriegt als ausgedienter Kashmir-Soldat im Dienste Indiens kaum eine
nennenswerte Rente) und ihre Geschwister (ihr Bruder ist Moench und leitet ohne Einkommen ein
tibetisches Klosterspital und ihre aeltere Schwester ist seit dem Hirnschlag waehrend der Geburt
ihres zweiten Kindes nicht mehr arbeitsfaehig). Fuer uns war es sehr schoen zu spueren, wie
sorgfaeltig die Patenkinder von der GSTF offenbar ausgewaehlt werden und wie sinnvoll unser Geld
investiert war! Tsering zeigte uns auch ihre Schule mit den kalten und kargen Schulzimmern, eine
Teppichknuepferei in der Nachbarsiedlung und die zentrale Gebetsmuehle, welche fleissig gedreht
wird.
Am zweiten Tag fuehrte sie uns dann nach *** Bailkupe ***, wo weitere Eindruecke folgten. In der
Umgebung Bailkupes hat es eine grosse Anzahl riesige tibetische Kloester mit ihren Tempeln, wo
die ueber 5'000 Moenche waehrend 20jaehrigem Studium in buddhistischer Philosophie ausgebildet
werden. In das Gelaende mit eingestreut sind weitere tibetische Siedlungen (eher solche von
Tibetern mittlerer und hoeherer Klasse), Spitaeler, Schulen, Altersheime und andere Institutionen.
Wir spuerten ein Bisschen, wie die tibetische Gesellschaft in Indien funktioniert. In den
Wohnhaeusern der Moenche suchten wir nach den unzaehligen Cousins von Tsering. Diese
beherbergten uns spontan und bewirteten uns mit Soft-Drinks und auf den Kochplatten in ihren
Zimmern selbst zubereiteten Reis- und Nudelgerichten und vor allem einer nahm kurz entschlossen
frei (oder schwaenzte sein Studium), um uns die Tempel zu zeigen. Viele zivil-Tibeter waren mit
ihren Moenchsverwandten unterwegs. Tsering steckte hier und dort immer wieder eine Gabe zu,
denn die Moenche kriegen ihr Taschengeld von ihren Angehoerigen. Auch ihrem Ex-Nachbarn im
Altersheim steckte sie ein Noetchen zu. Eine solch friedliche Stimmung in der Oeffentlichkeit wie
hier unter den Tibetern haben wir kaum schon je erlebt. Ein weiterer solcher Moment folgte am
Abend, wo gleichzeitig ueberall auf dem Gelaende fleissig Gebete rezitiert wurden (z.T. bis 3
Stunden lang) und wir im Esszimmer und auf dem Dach des Moenchs-Wohnhauses Scherze
machten. Im Nachbarzimmer sass ein Moench und murmelte. Auf dem Balkon sass ein Moench und
murmelte. Ein weiterer lief dabei auf und ab. In der Gegend verstreut sassen ueberall Moenche und
murmelten. Bei uns kam irgend einmal ein hoeherer Lama in Ausbildung (ein vielleicht 12jaehriger
Knabe) nach Hause und wurde von seinen "normalsterblichen" 20-30jaehrigen WG-Kollegen
bekocht und herzlich gefoppt. Wohl zur schnelleren Entwicklung gefoerdert ist er zusammen mit
ausschliesslich wesentlich aelteren Monechen einquartiert... Am naechsten Morgen folgte dann der
naechste eindrueckliche Moment: Rund um die Tempel versammelten sich die Moenchs-Studenten
wie rote Ameisen und uebten das Argumentieren in 2er-Greuppen. Einer verteidigt dabei stehend
seine Ansichten und unterstreicht die fuer ihn wichtigen Argumente mit gleichzeitigem
Haendeklatschen und Fussstampfen. Der andere stellt sitzend vis-a-vis die kritischen Fragen. Ein
mit solchen Moenchen gespickter Tempel-Vorplatz gibt ein wirklich einmaliges Bild fuer Auge und
Ohr ab. Dasselbe gilt fuer die Gruppengebete, wenn hunderte von Moenchen zusammen den
typisch tibetieschen tiefen Murmelgesang von sich geben, wobei vor allem die aelteren unter ihnen
die Technik beherrschen und die juengeren eher kopfnickend zuhoeren und sich von den durch ihre
Reihen ehrfuerchtig abschreitenden 2 Weissen etwas ablenken lassen. Der Eindruck bei den
Tibetern war sehr nachhaltig und wir fuehlten das Verlangen, noch mehr ueber das FluechtlingsVolk zu erfahren.
Eine Gelegenheit dazu bot sich ca. 1 Monat spaeter in *** Hubli ***, wo wir gerade zum
tibetischen Neujahr eintrafen. Von Tsering wussten wir, dass es auch hier tibetische Kloester gibt,
weil hier ihr Bruder Thupten Thendar lebt und arbeitet. Auch die Stadt Hubli ist eigentlich nichts
fuer Touristen und in unserem Reisefuehrer wird sie nur als Reise-Umsteigeort erwaehnt. Bereits
unterwegs vom Bahnhof zum Hotel fielen uns hier aber die tibetischen Moenche auf, welche an
allen Ecken in kleinen Gruppen versammelt waren. Wir versuchten also auf gut Glueck beim
erstbesten rotbekleideten und kurzgeschorenen und zeigten unser Zettel "Thupten Thendar,
Drepung Loseling Monastry, near Hubli". Und siehe da: Der Zettel loeste sofort eine herzliche
Reaktion aus, wir wurden an einen anderen, der englischen Sprache maechtigen Moench verwiesen
und sassen kurz darauf mit zwei Moenchen und einem zivil-Tibeter bei einem Tee in einer Beiz, wo
uns ein Handy mit Thupten am anderen Leitungs-Ende entgegengestreckt wurde. An unserem
Tisch hatte nur der Zivi ein Handy, die Moenche haben natuerlich keines. Tserings Bruder aber
schon, weshalb er wohl ein besonderer Moench sein muss. Leider war Thupten ueber die Feiertage
'geschaeftlich" unterwegs in Bangalore. Neujahr wird von den Tibetern zwar sehr wohl gefeiert,
offensichtlich aber nicht hier in Hubli. Uns wurde erklaert, dass wir sehr wohl die Kloester und
Tempel besuchen koennen, diese aber momentan sehr leer seien. Also sassen wir kurz darauf
zusammen mit 5 Moenchen in einem (natuerlich von einem Tibeter gefahrenen) Jeep-Taxi. Wir
bezahlten die Fahrt (sie war teuer!), dass sie uns aber das Essen in der Beiz bezahlten (es war
nicht teuer!), konnten wir nicht verhindern. V.a. einer der Moenche entpuppte sich nach der ueber
einstuendigen Fahrt als unser eigentlicher Guide, die anderen sprangen alle nach und nach ab.
Leider war bei 2 von 3 Tempeln auch der Schluessel-Hueter abwesend, aber immerhin konnten wir
den einen auch von innen bestaunen. Wie schon in Bailkupe sitzen auch hier vorne 3 grosse
goldene Buddhas, steht der Thron vom Dalai Lama, haengt das Bild von ihm und von weiteren fuer
das entsprechende Kloster wichtigen Lamas und ist alles mit zahlreichen weiteren Gemaelden,
Wasserschaelchen und Gebetstuechern geschmueckt. Dahinter befindet sich die Gebetshalle mit
Kissenreihe neben Kissenreihe zwischen den die Tempeldecke tragenden Saeulen. Wir wollten
natuerlich auch Thupten's Spital ansehen. Zu unserem Erstaunen war auch dieses leer und erst
nach langem Diskutieren oeffnete uns ein Abwart (oder so) die Tueren zum Gebaeude und zu allen
Zimmern. Wir fanden nicht heraus, wie es kommen kann, dass puenktlich auf Neujahr alle
Patienten gesund werden. Das mit "Chairman" angeschriebene Zimmer ist der Arbeitsort von
Thupten und wir staunten nicht schlecht, als wir das Buero mit mehreren Pulten, einem PC und mit
Fax-Kopiergeraet sahen. Das Foto von uns und unserem Moenchs-Guide in Thupten's Buero
schickten wir Thupten wenige Tage spaeter per Email und sowohl er wie wir fuehlten, als haetten
wir uns wirklich getroffen.
Nach all den Kontakten mit tibetischen Moenchen wussten wir natuerlich auch, wo das ***
Tibetviertel in Delhi *** ist. Auch hier ist die Siedlung weit abgelegen am noerdlichen Stadtrand
zwischen dem eher typisch-indisch unappetitlichen Fluss und der nicht viel appetitlicheren
Autobahn. Trotzdem fanden wir hier eine weitere tibetische Insel, wobei sie erst noch fuer unsere
geplante Weiterfahrt nach Dharamsala ideal gelegen war. Auch Inder finden Zuflucht auf dieser
Insel und betteln auf der Strasse, verkaufen Fruechte und Gemuese oder finden sonstwie Arbeit.
Weil viele reisende Tibeter hier Station machen, gibt es auch viele billige und gut gefuehrte Hotels.
Dasjenige von Thupten's Kloster gefuehrte war zwar ausgebucht, aber in einem anderen von
Moenchen betriebenen fanden wir ein Zimmer. Wir merkten nun, dass wir uns unter den Tibetern
schon irgendwie zu Hause fuehlten, auch wenn wir hier zu keinem irgend einen persoenlichen
Bezug hatten.
Per Nachtbus voll mit Tibetern ging's dann direkt von der Tibet-Siedlung nach *** Dharamsala
***, zu unserer letzten Tibet-Station. Dharamsala kann man als Hauptstadt des heutigen Tibets
bezeichnen. Wiederum eigentlich ausserhalb der Stadt, oberhalb im in Richtung Himalaya
entgegensteigenden Hang auf 1'700 m, sind die Tibeter rund um den ehemals britischen
Sommerferien-Ort Mc Leod Ganj sesshaft geworden. Auch die tibetische Exilregierung rund um den
geistlichen Fuehrer Dalai Lama ist hier einquartiert. Das Parlament wird von den weltweit verteilten
tibetischen Fluechtlingen (von 130'000 leben wie gesagt ueber 100'000 in Indien, 20'000 in Nepal,
1'500 in Buthan, 4'000 in den USA und immerhin 2'000 in der Schweiz und weitere 500 im
restlichen Europa) gewaehlt. Auch freiwillige Steuern (jaehrlich 24 Rs = 80 Rp. plus 2% vom
Einkommen) werden eingezogen, es gibt die Regierung, welcher der Dalai Lama als einziges
geistliches Mitglied vorsitzt, obwohl dieser nach seinen eigenen Demokratiereformen auch
abgewaehlt werden koennte. Regierungsdepartemente gibt es fuer Religion & Kultur, fuer das
Innere, fuer Finanzen, fuer Ausbildung, fuer Sicherheit, fuer Information & Aeusseres und fuer
Gesundheit. Es gibt auch eine eigene tibetische Justiz. Regierungsunabhaengige Institutionen sind
u.a. der "Tibetan Youth Congress" und die "Tibetan Women's Association". Eines von weltweit 11
Tibet-Bueros (Vertretungen der Exil-Regierung im Ausland) befindet sich in Genf. Fluechtlinge,
welche ueber den Himalaya nach Indien gelangen, landen in der Regel als Erstes in Dharamsala.
Frueher war dies eine grosse Masse, welche dem Dalai Lama treu bleiben wollten, dies aber in
China nicht sein konnten, weil sie sonst niedergemetzelt worden waeren, aber noch heute kommen
sie Scharenweise nach Dharamsala. Unter ihnen sind vor allem zwei Hauptgruppen auszumachen:
Zum Einen sind es tibetische Jugendliche, welche in China keine ihnen entsprechende Ausbildung
geniessen koennen. Sie duerfen zwar wohl mit der roten Schaerpe die uebliche chinesische
Grundschule besuchen. Unterrichtssprache ist aber ausschliesslich chinesisch, die Geschichte des
Landes wird verfaelscht weitergegeben und die Schueler kriegen die Hausaufgabe, zu Hause nach
Bildern vom Dalai Lama zu suchen und in der Schule darueber zu berichten. An hoeheren Schulen
werden Tibeter auch mit guten Noten nicht zugelassen (weil sie eben Tibeter sind) und spaetestens
dann, haeufig aber auch schon im fruehen Schulalter, schicken die Eltern ihre Kinder schweren
Herzens nach Dharamsala. Dort gibt es viele Schul-Internate und dort lernen die jungen Tibeter
tibetische Kultur, Religion, Sprache usw. Die zweite Gruppe tibetischer Fluechtlinge sind die
Moenche und solche, die es werden wollen (denn Moenche gibt es im von China kontrollierten Tibet
nur noch ein paar wenige Ausstellungs-Exemplare, welche den Touristen zeigen sollen, wieviel
Wohlstand die rote Armee ihnen gebracht hat). Wer in China sich zur tibetischen Religion oder zum
Dalai Lama bekennt, wird verhaftet, unter Folter zur Aberkennung des Dalai Lama als ihr Fuehrer
gezwungen oder schlichtwegs hingerichtet. 1.2 Mio. Tibeter hat China auf seinem Gewissen. Den
mit jensten Mitteln nach Tibet gelockten heute 7 Mio. Chinesen (weiterhin stark zunehmend)
stehen noch 6 Mio. Tibeter gegenueber. Da diese alle zum Schweigen verbannt sind, ist es
schwierig auszumachen, wieviele von ihnen noch wieviel vom Dalai Lama und von ihrer tibetischen
Identitaet wissen. Unterdessen rauben die Chinesen das Land aus, zwingen die Tibeter, welche
sonst praktisch keine Arbeit finden, ihre Waelder zur Gewinnung von Brenn- und Bauholz
abzuholzen, Autobahnen und Eisenbahnlinien zu bauen, Kloester und andere Kulturbauten zu
zerstoeren, radioaktiven Abfall (darunter sehr viel importierten) zu verlochen und ganze
Oekosysteme mit Stauseen zu ueberfluten. Das Ganze laeuft unter der "Befreiung Tibets und
Erhoehung des Wohlstands der Tibeter" und da selbst Greenpeace vor der chinesischen Justiz
Angst hat kennt niemand genau das Ausmass der Katastrophe. Es existiert lediglich eine
Sammlung von Beobachtungsberichten einiger mutigen Tibet-Reisenden und frisch gefluechteten
Tibeter. Ueber all dies kann man sich in den unzaehligen Buecherlaeden und in den Bueros der
verschiedenen Institutionen in Dharamsala informeiern, was aber nicht das Hauptziel der grossen
Touristenmasse ist. In den Quartieren und Doerfern, wo sich die tibetischen Schulen, Kloester und
Institute befinden, sind die Tibeter unter sich. An tibetischen Kulturanlaessen gibt es zwar einige,
aber erstaunlich wenige weisse Touristen. Es gibt aber einige, welche sich fuer tibetischen
Buddhismus, dessen Philosophie und fuer buddhistische Meditation interessieren. Diese locken
wiederum jenste Yogalehrer an und solche, die glauben, auch welche zu sein. Hotels schiessen aus
dem Boden und schon bald ist so aus Dharamsala ein Mekka fuer die Relax-Touristen geworden. Es
sind deshalb ganze Hoteldoerfer entstanden, wo man kaum einen Tibeter antrifft. Wohl aber
"German Bakery", "Laundry", "Money Exchange", "Best Italian, Israeli, Indian and Chinese (!?)
Food", "Yoga Teaching", "Cooking Class", "Rooms for rent", "Woodoven Pizza", "Hollywood
Cinema", "Pool & Snooker Billard", "Internet" usw. und wir muessen zugeben, dass auch wir dort
gelandet sind und den fuer Indien weit ueber dem Durchschnitt liegenden Budget-TourismusKomfort genossen haben, nachdem wir alle tibetischen Hotels wegen den Dalai Lama - Vortraegen
ueberfuellt vorgefunden haben. Wohl aber haben wir uns im Kino auf die tibetischen Filme (nebst
"Gandhi" natuerlich) konzentriert und uns mit Buechern vom Dalai Lama und ueber Tibet
eingedeckt. Die Literatur hat weitere nachhaltige Spuren in uns hinterlassen und speziell "Ancient
Wisdom, Modern World" vom Dalai Lama koennen wir waermstes weiterempfehlen!
Eine zweite - weitaus weniger zahlreiche - Gruppe von Fluechtlingen sind die jungen ***** Nepalis
*****, welche uns in den Beizen der Stationen fuer Relax-Touristen aufgefallen sind. In Hampi
entdeckten wir erstmals, dass auslaendische Menues (Lasagne, Spaghetti, Musaka, div. Salaeter
usw.) ueberall dort etwas besser schmecken, wo Nepalis die Beiz fuehren. Der Kellner dort verriet
uns auch, dass er im April in Dharamsala sei, wo wir natuerlich wieder uns von ihm bekoestigen
liessen. Die beiden anderen Kollegen "landeten" in Manali, so dass wir ein drittes Mal bei ihnen
einkehrten. Mit dem 17jaehrigen Kellner (Amar - in Hampi noch Tellerwaescher) kamen wir dann
ins vertrautere Gespraech und mussten erfahren, dass er zu Hause von den sog. Maoisten
gekidnappt wurde, welche ihn zum bewaffneten Kampf gegen den Koenig zwingen wollten. Seine
Eltern flohen deshalb mit Hab und Gut in die Naehe eines Militaer-Quartiers und er selbst nach
Indien, wo die Nepalis als Hindus vollstes Arbeitsrecht geniessen und eben haeufig Beizen pachten
und betreiben.
Wenn Inder aber auch nicht Spaghetti kochen koennen, weil sie entweder Tomatensauce mit
Ketchup verwechseln, die Teigwaren verkochen, oder billige Schnellkoch-Nudeln verwenden, sicher
aber billigen Kaese draufstreuen, so heisst das lange noch nicht, dass sie grundsaetzlich nicht
kochen koennen, wobei wir das Kapitel der "Fremden" in Indien endlich verlassen und beim *****
Kulinarischen ***** angelangt sind: Natuerlich vermisst man gourmetmaessig viel in Indien, vor
allem wenn man laenger als ein paar Wochen unterwegs ist. Aber wie einfach und mit wie wenig
man etwas feines machen kann lernt man am besten hier. Dass Reis die Grundlage bildet, muss ja
kaum erwaehnt werden. Insbesondere in Suedindien, wo alles noch viel einfacher ist und die gute
Kueche Indiens zu Hause zu sein scheint, bestellt man zu fast jedem Gericht noch einen Teller Reis
oder wird danach gefragt. Alle anderen Gerichte sind typischerweise irgend welche wuerzige
Saucen, wie z.B. "Paneer Butter Masala" (Paneer = eine Art Huettenkaese ; Butter ist englisch und
versteht ihr ; Masala = wuerziges Etwas) oder "Navratan Korma" (Navratan = 9 Sachen ; Korma =
Gericht ; zusammen also einfach ein 9er-Gericht, d.h. eine Wuerzige Sauce mit 9 Sachen drin) oder
"Malai Kofta" (Malai = Rahm ; Kofta = gestampftes Etwas im Oel geroestet) oder oder oder. Dies
sind erst die a-la-carte-Menues. Noch viel beliebter ist aber beispelsweise das "Thali", was
eigentlich uebersetzt einfach "Mahl" bedeutet und also einfach Reis und Chapatis (= indisches
Fladenbrot) a discretion mit vielen verschiedenen einfaches Saucen darstellt. Apropos Brote: Es
gibt tausend Arten sie zu machen, aber alles sind Fladenbrote. Die Begriffe und Rezepte
ueberschneiden sich sehr und es ist schwierig, eine allgemeine Regel zu definieren. "Chapati" ist
wohl das einfachste Fladenbrot. "Naan" ist demgegenueber eher dicker und waehrschafter und
kann gut bei einem a-la-carte-Menue den Reis ersetzen. "Roti" koennte der allgemeine Ausdruck
fuer Brot sein (Chapati allerdings auch). "Parotha" hat einen eher saeuerlichen Teig und zerfetzt
beim auseinanderreissen wie ein feuchter Blaetterteig. Die "Paper" sind ganz duenn und trocken
(hauchduennes Knaeckebrot). Unbedingt erwaehnt seien hier aber auch die Spezialitaeten der
(Sued)indischen Strassenbeizen: Allem voran die "Masala Dosa": Salzige Crepes aus Reis-LinsenOel-Wasser-Teig mit Kartoffelmatsch-Fuellung. "Idlis" sind Reis-Ufos, welche erfunden wurden,
damit man Reis besser mit den Fingern essen kann. "Appam" ist sehr aehnlich. "Vadai" sind
fritierte faserige Ringe zum Tunken in der Kokos-Chuttney. "Samosa" sind fritierte Teigtaschen mit
Gemuesematsch-Fuellung. "Byriani" ist indisches Risibisi. Usw. usw. Eine Regel, ob das Essen
scharf ist oder nicht, gibt es uebrigens kaum. Jedes Gericht kann mal sehr scharf und mal fad sein.
Wie bei uns sind die Suedlaender auch hier eher die schaerferen. Auch typische Gewuerze wie
Kardamom, Ingwer, Koreander usw. koennen in jedem Gericht (inkl. im "Masala Tea") vorkommen
oder eben auch nicht. Je laenger man in Indien ist, desto mehr lernt man alles kennen, schaetzen
und hassen, stutzt aber auch immer oefters, weil man nicht selten an einem anderen Ort etwas
anderes erhaelt, wenn man dasselbe bestellt. Eines ist sicher: Wir werden die indische Kueche sehr
bald vermissen und wenn wir einmal zurueck in der Schweiz sind wehmuetig unser hier gekauftes
Kochbuch hervornehmen!
Vom Essen zur ***** Hygiene *****:
In die *** Kueche *** einer indischen Beiz schaut man wohl besser nicht. Wieviel Fliegen gibt es
da? Wird der Teig auf einem Tisch, auf einem Stein oder am Boden ausgewallt? Wie kommt der
fritierte Kartoffel wohl in meinen Reis? Was machen sie nun mit meinen Reisresten? ... Hauptsache,
es ist alles abgekocht und meistens ja im heissen Oel fritiert!
Noch schlimmer als die Kuechen sind natuerlich die oeffentlichen *** WC's ***. Pissoirs haben
unten ein Loch, so dass alles zu Boden plaetschert und ueber die Fuesse spritzt. Gesch... wird in
die Loecher am Boden oder auch zwischen diese. Der dabei entstehende Geruch kann man sich ja
vorstellen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch gleich neben den oeffentlichen WC's auf
noch oeffentlichere Plaetze ausgewichen wird. Am meisten stutzten wir, als wir fruehmorgens per
Zug Mumbai (frueher Bombay) verliessen und auf den Geleisen hunderte auf ihren Fersen sitzende
Menschen sahen, starr vor sich hinblickend und einen kleinen Kuebel Wasser in der Hand...
Am haarstraeubensten ist aber der Umgang mit *** Abfall ***: Er gelangt vorerst einmal dorthin,
wo er automatisch faellt, wenn man die Hand oeffnet. Interessanterweise spielt es dabei keine
Rolle, ob man auf der Strasse, im Bahnhof, im Zug, im Nationalpark oder sogar bei sich zu Hause
im Garten ist. Wir mussten auch beobachten, wie der von uns unterwegs angehaeufte und im
Kuebel des Hotelzimmers saeuberlich deponierte Abfall vom Putzpersonal zum Fenster raus ins
Flussbett geworfen wurde! Nach dem achtlosen Wegwerfen kommt das Recycling: Abfall wird zum
Tierfutter fuer Hunde, Kraehen, Affen, vor allem aber fuer die Heiligen Kuehe, welche nicht nur die
Speiseresten, sondern auch saemtliche Cellulose-Verpackungen zum Fressen gern haben.
Schlussendlich wird, was uebrig bleibt (weil in keinem der vier Kuehmaegen verdaulich) und im
Weg ist grob zusammengekehrt, angehaeuft und vor Ort angezuendet. Das entstehende
Geruechlein vermischt sich dann mit den Abgasen der nicht wenigen Lebewesen und des
Verkehrs....
Immerhin: Sauberes *** Wasser *** gibt es praktisch an jeden Bus- und Zugsbahnhoefen im
ganzen Land. Man braucht sich meist nur kurz umzusehen und entdeckt irgendwo einen Hahn,
einen Pump-Brunnen oder ein Bruennchen. Und erstaunlich ist auch, wie sauber die Inder sich
selbst halten koennen (allerdings nur sofern sie genuegend Geld haben, um sich jeden Tag ein
frisches Hemd leisten zu koennen). Ueberall wird gebadet, sich die Haare gewaschen und in jeder
Situation, in der ein Europaeer aus Langeweile eine Zigarette zuecken wuerde, zueckt ein Inder
seinen Kamm!
Auch mit seinem Verhaeltnis zum ***** Geld ***** muss man in Indien etwas flexibel sein.
Die *** Hauptregel *** ist dabei nicht "wie viel ist etwas wert?", sondern "wie viel kann ich fuer
etwas heuschen?" D.h. mit anderen Worten die Theorie von Angebot und v.a. Nachfrage spielt zwar
auch in Indien, es kommt aber nicht nur drauf an, wie viele etwas wollen, sondern auch wer. Sind
es hauptsaechlich Inder (Nahrung, Zugs- und Busbillette, einfache Hotels fuer Gaeste ohne
Ansprueche auf Sauberkeit, usw.), so sind die Preise sehr tief, egal wie gross die Nachfrage ist (das
Angebot wird sowieso immer soweit angepasst, bis es viel hoeher ist). Geht es hingegen um etwas,
was v.a. oder nur gut Betuchte oder nur Westler wollen (Luxusgueter wie Schockolade,
Hotelzimmer mit Air Conditioner, Erstklass-Bahnkarten, usw.), so koennen die Preise rasch auf das
Niveau wie bei uns steigen und bei Guetern fuer "western people only" (Paradebeispiel WC-Papier!)
kennen sie hier keine obere Grenzen. Dies hat dann zur Folge, dass man fuer sein Nachtessen zu
zweit nicht mit WC-Papier-Rollen bezahlen kann, weil man defuer eine so