Arena - Programmheft (Saarbrücken)

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Arena - Programmheft (Saarbrücken)
Saarländisches Staatstheater · Spielzeit 2003/2004
Uraufführung
ZeitZeichen
Möbelhaus
Alois Rothenbusch
Eppelborn
Juchemstraße 18
66571 Eppelborn
(0 68 81) 70 75 & 70 76
Die Funktion von
Einrichtungsgegenständen
hat sich in den letzten
Jahren erheblich verändert.
Spannungsreich,
funktionell und
»leicht« sind heute
Designmaßstäbe.
ARENA
Musical von Frank Nimsgern und Aino Laos
Buch: Matthias Kaiser
Auftragswerk des Saarländischen Staatstheaters
Öffnungszeiten:
Mo bis Fr
10–19 Uhr
Sa
9–13 Uhr
1. Sa im Monat 9–16 Uhr
Musikalische Leitung
Frank Nimsgern
Inszenierung
Gerhard Weber
Angela C. Schuett
Bühne und Kostüme
Matthias Kaiser
Dramaturgie
Regieassistenz und Abendspielleitung
Patrick Wurzel
Choreografische Mitarbeit
Ruben Reniers
Wolfgang Schulz
Sounddesign
Natalie Wassilikos
Bühnenbildassistenz
Souffleur
Bernd Trummer
Inspizient
Guido Krämer
Premiere:
16. Januar 2004, Alte Feuerwache
Eine Pause
Aufführungsdauer ca. 2 1/4 Stunden
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Ensemble
Aino Laos
Kitty, Dompteurin
Henrik Wager
Boudouno, Entfesselungskünstler
Guido Baehr
Alfredo Bobini, Zirkusdirektor
Sabine v. Blohn
Betty Bobini, Clown
Christiane Motter
SIE, Schutzengel
Matthias Girbig
ER, Todesengel
Angelika Klein/
Zirkusassistentin
Wanja Müller/
Vanessa Wichterich*
„Frank Nimsgern Group“ mit:
Hardy Fischötter / Ralf Gustke (Drums, Percussion),
Rainer Scheithauer / Valerie Kühl (Keyboards)
Marius Goldhammer / Stefan Engelmann (Kontrabass / E-Bass)
Frank Nimsgern (Gitarren und Klavier)
*Statisterie des Saarländischen Staatstheaters
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Te c h n i k u n d W e r k s t ä t t e n
Steffen Goth
Hans-Peter Müller
Walter Maurer
Petra Lang
Elisabeth T. Bremer
Klaus Freund
Technischer Direktor
Leiter Beleuchtungsabteilung
Leiter Tonabteilung
Leiterin Kostümabteilung
Leiterin Maske
Leiter Requisite
Dieter Elsenbast
Friedrich Wirth
Walter Maurer, Wolfgang Schulz
Klaus Görgen
Elisabeth Bitdinger, Markus Maas,
Bettina Kummrow, Christiane Hepp
Technische Einrichtung und Theatermeister
Beleuchtungseinrichtung
Toneinrichtung
Requisite
Gewandmeister
Peter Frenzel
Wendelin Heisig
Christoph Foss
Michael Laux
Armin Jost
Werkstättenleitung
Ausstattungskoordinator und Malsaalvorstand
Dekorationsabteilung
Schlosserei
Schreinerei
Arrangement, Instrumentation und Mac-/sample-programming: Frank Nimsgern
Vocalarrangements: Aino Laos & Frank Nimsgern • Notenherstellung und Editing: Everard Sigal
Aufführungsrechte: Nimsgern, Blieskastel • Concertbooking/Infos/CDs/Noten/Kontakt: [email protected]
Frank Nimsgern spielt Yamaha-Gitarren und Hughes&Kettner Zentera amplification.
ARENA ist
und wird von
als Medienpartner unterstützt.
Für die zirkustechnische Hilfe danken wir Ulrich Ress.
Bild- und Tonaufnahmen während der Vorstellung sind nicht erlaubt.
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ARENA
„Himmel über Berlin“
LIFE FEVER
E I N S T E L L U N G 2 012
I can’t believe it’s the closing night
(TOTAL bis HALBNAH bis HALBTOTAL, innen, tags, 39’’)
We’ve got to find a way to beat this problem
(Kranbewegung und Schwenk) Im Zirkuszelt. Auf dem Trapez schwankt Marion hin und her. Ihr Trai-
Let’s make a stand and put up a fight
ner Laszlo steht unten und kommentiert ihre Übungen. Otto und Christoph üben eine Jonglier-Nummer.
Let’s try to stop the final curtain falling
This is our world
LASZLO: Marion, so doch nicht! Mon dieu! Was soll denn das?
This is our future
Oma! Mit Schwung, nicht mit Kraft! Ach, was machst du?
Every day is just like a dream
Nicht baumeln, fliegen! Du bist ein Engel!
MARION: Himmel, Arsch und Zwirn!
Stand up and be counted sister
Und Wolkenbruch! Ich kann nicht fliegen mit den Dingern!
You know it’s worth dying for (cause)
This is life (life)
LASZLO: Natürlich kannst du. Ist mit Flügeln einfacher als ohne.
No this is no illusion and nothing’s gonna bring us down
MARION: Aber nicht mit diesen...Hühnerfedern.
We’re gonna fight (fight) for our right (for our right)
(...)
To be the hottest show in town (you’d better believe it)
LASZLO: Jetzt ist genug!
Here we come - better hold on tight
Konzentrier dich Marion!
The Paradiso is just getting started
OTTO: Mancher gibt sich viel Müh’!...
Be amazed - it’s an awesome sight
CHRISTOPH: …mit dem lieben Federvieh.
This is a family that won’t be parted
OTTO UND CHRISTOPH (zusammen): Marion, reiß dich zusammen!
And every moment is like a dream
MARION: Reiß dich zusammen! Natürlich reiß’ ich mich zusammen!
Stand up and be noticed sister
Was glaubt ihr, was ich hier tue?
You know it’s worth fighting for
Ich wär’ euch schon längst auf den Kopf gefallen,
This is life (life)
No there is no confusion and no-one’s gonna bring us down
We’re gonna fight (fight) for our right (for our right)
To be the greatest show in town (you’d better believe it)
wenn ich mich nicht zusammenreißen würde!
„Der Himmel über Berlin“
Film von Wim Wenders und Peter Handke
Hold on to the perfect dream tonight
Aino Laos
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Startgewicht
Startgewicht
Malcolm Goldwin
F LU G U N TAU G L I C H
N
ehmen wir für einen Moment an, dass der irdisch aussehende Engel auf dieser Seite, der zu
und das Gelenk der Hüfte Jakobs ward über dem Ringen mit ihm verrenkt.“ (Gen. 32,25). Das ist kaum
den Prototypen der in unserer Zeit populärsten Version gehört, wirklich als reales Wesen mit
die Aktion eines substanz- und gewichtslosen Hänflings gegen einen kräftigen Wüstenbewohner! Wenn
Fleisch und Knochen und normalen Reaktionen auf die Schwerkraft erscheinen würde. Immerhin gibt es
Engel also, falls erforderlich, etwa 90 Kilo wiegen können, wie groß müssten ihre Flügel sein, um ein
mindestens eine Bibelstelle, die suggeriert, dass Engel die ganze Schwere von Menschen annehmen kön-
solches Gewicht vom Erdboden zu erheben oder ihnen wenigstens das Schweben zu ermöglichen? Die
nen. Jakob rang die ganze Nacht mit einem Engel, und es scheint sich um einen Nahkampf gehandelt
größten Vögel, wie der weiße Pelikan oder der Riesenschwan, haben ein Gewicht von etwa 11 bis 14
zu haben. „Denn als der Engel sah, dass er ihn nicht übermochte, rührte er das Gelenk seiner Hüfte an;
Kilo. Sie brauchen eine Flügelspannweite von ungefähr vier Metern, um diese Last zu heben. Den Rekord für effizientes Heben hält die kanadische Gans, die pro Quadratdezimeter Flügelfläche zwei Kilo Gewicht trägt. Die meisten Vögel schaffen allerdings kaum mehr als 250 Gramm pro Quadratdezimeter Federtragfläche. Wenn wir eine mittlere Hubkraft zu Grunde legen, braucht ein großer Engel mit vollem irdischen Gewicht von etwa 90 Kilo eine
Flügelspannweite von 12 bis 40 Metern.
Das entspricht etwa der Größe eines modernen Drachenfliegers, obwohl dessen
Flügel nur zum Gleiten und Schweben benutzt werden können. Es bedeutet, dass
die zierlichen Renaissanceflügel nur mit
Hilfe einer ziemlich großen Portion dichterischer Freiheit durch unsere Welt flattern. Merkwürdigerweise entsprechen jedoch noch unsere heutigen unklaren Vorstellungen davon, wie ein Engel auszusehen hat, genau diesen Modellen.
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A
heiße Luft
„…nur ein Spaß“
Charlie Rivel
Eduard Dietl
ZIRKUS MILA
DIE CLOWNS UND DER TOD
ls ich groß genug war, um alles fassen zu können, erzählte mir mein Vater, wie sich alles zugetragen hatte. Ich hatte ja schon früh von dem gefährlichen Leben, das auch mich erwartete,
W
arum Artisten mit dem Leben spielen? Wer wollte es wagen, dies zu ergründen! Etwa Jene,
die sich mit feuchten Händen an ihre Sitze klammem und mit aufgerissenen Mündern die
so manches gehört. Ich erinnere mich, wie er mir mit bewegter Stimme von der tollkühnsten Nummer
Hochtrapez-Artisten, die Dompteure, Bodenakrobaten und Schleuderbrett-Akrobaten anstarren? - Was
des Zirkus Mila erzählte, der immer unter freiem Himmel auf offenen Plätzen oder auch in Stierkampf-
weiß das Publikum vom Tode! Vielleicht können es die Artisten selbst erklären? Sie, die das Spiel so
arenen arbeitete. Diese Nummer hatte den Zirkus Mila, wo immer er hinkam, berühmt gemacht. Sie be-
ernst nehmen, dass sie sogar mit dem Tode spielen? - Sie dürfen nicht zu viel nachdenken; sie würden
stand darin, dass ein Ballon mit
schwindelig über dem Abgrund ihres Berufes, sie verlören die Unbefangenheit, der sie ihr Leben verdan-
heißer Luft aufgeblasen und freige-
ken. Oder sollten die Professoren der Frage auf den Grund gehen? Was wissen die Professoren hinter ih-
lassen wurde; unter dem Ballon
ren Schreibtischen von Akrobaten! Warum Menschen mit dem Leben spielen? Die Clowns sehen täglich
hing ein Trapez, in dem der Artist,
diesem Schauspiel zu. Ich vermute, dass sie mehr davon wissen, als sie sagen. Sie haben erkannt, dass
während der Ballon himmelwärts
es für das Publikum unerträglich wäre, müsste es pausenlos in jener atemlosen Spannung bleiben, die
stieg, seine Künste zeigte.
nur vom Knarren der Trapeze, von den kehligen Kommandos der Artisten oder vom Brüllen der Raubtiere
Obwohl eine Sicherheitsleine
unterbrochen wird. Niemand kann lange dem Tode nahe sein, besonders nicht als Zuschauer. Darum gibt
an einem seiner Handgelenke befes-
es die Clowns im Zirkus. Sie erlösen das Publikum, bringen es zum Lachen, zum Lachen über den Tod.
tigt war, setzte er bei jeder Ballon-
Sie schießen aufeinander mit Pfeilen und Kanonen, sie reden von Gift und Mord, haben Angst, für
fahrt buchstäblich sein Leben aufs
irgendeinen dummen Streich umgebracht zu werden. Und sie sterben oft. Nur zum Spaß. So auch die
Spiel. Der Ballon flog davon, nie-
Fratellini. Sie haben wegen einer Kleinigkeit Krach. Da nimmt Einer den großen Hammer und schlägt ihm
mand wusste wohin, und nach der
dem Anderen auf den Kopf. Der Getroffene fällt um, zuckt ein paar Mal possierlich mit den Beinen und
Vorstellung zog die ganze Truppe
stirbt. Das Publikum lacht. Da fährt dem Übeltäter ein gewaltiger Schreck in die Glieder.
aus, um nach ihm und dem Mann
„Sei mir nicht böse“, sagt er zum Toten, „es war ja nur ein Spaß!“
im Trapez Ausschau zu halten. Es
Doch der bleibt tot, aus reiner Bosheit. Der Mörder ist verzweifelt. Kann er ihn wieder zum Leben
kam vor, dass sie die ganze Nacht
erwecken? Er zieht ihm die Beine auseinander, da breitet der Tote auch die Arme aus. Drückt er die
suchen mussten, ehe man sie fand.
Beine zusammen, schließen sich auch die Arme. Und das Publikum lacht, weil es die Zeichen der
Clowns versteht. Dies bedeutet: Der Arme ist wirklich tot.
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kein Spaß
… ohne es zu wissen
Das spricht sich in der Manege herum. Man bringt die Bahre,
Franz Kafka
AUF DER GALERIE
legt den Toten darauf und trägt ihn durch die Arena. Leider hat
man in der Aufregung eine Kleinigkeit übersehen. Der Tote ist von
der Bahre herabgekullert und liegt verlassen im Sand. Es bildet
sich ein burlesker Trauerzug mit vielen wunderlichen Leuten, die
heulend hinter der leeren Bahre einherstolpern.
W
enn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem
Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef
monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse
Wem das nicht genügt, was die Tränendrüsen hergeben, der
werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nicht aussetzenden Brausen des
hilft mit Wasser und Spritzgeräten nach. Nimmt es Wunder, dass
Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, be-
sich niemand diesem Sog der allgemeinen Trauer entziehen kann -
gleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampf-
nicht einmal der Tote? Er springt auf und rennt laut heulend als
hämmer sind - vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab,
Letzter hinter dem Trauerzug her, der im Haupteingang verschwindet.
stürzte in die Manege, riefe das: „Halt!“ durch die Fanfaren des immer sich anpassenden Orchesters.
Sofort stürzen nun Artisten in die Arena, und das Spiel mit
dem Tode wird wieder ernst.
Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiß und rot, herein fliegt, zwischen den Vorhängen, welche die stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der Direktor, hingebungsvoll ihre Augen suchend, in Tierhaltung
Die Bahre steht am Rand der Arena, niemand beachtet sie, am
ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als wäre sie seine über alles geliebte En-
wenigsten die Artisten, die an ihr vorbei müssen, wenn ihr Auftritt
kelin, die sich auf gefährliche Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann, das Peitschenzeichen zu geben;
beginnt. Sie haben nichts zu schaffen mit diesem Requisit der
schließlich in Selbstüberwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit offenem Munde einherläuft;
Narren - mit einer Ausnahme. Es war in Moskau. Ein Trapezkünst-
die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit engli-
ler war eine Sekunde unkonzentriert, griff daneben und stürzte.
schen Ausrufen zu warnen versucht; die reifenhaltenden Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit
Ein schrecklicher Aufschlag - Schreie - Panik!
ermahnt; vor dem großen Salto mortale das Orchester mit aufgehobenen Händen beschwört, es möge
Nur die drei Clowns behielten klaren Verstand unter ihrer ko-
schweigen; schließlich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine Huldi-
mischen Perücke. Sie ergriffen ihre Bahre, legten den Schwerver-
gung des Publikums für genügend erachtet; während sie selbst, von ihm gestützt, hoch auf den Fuß-
letzten darauf und trugen ihn schweigend aus der Arena.
spitzen, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zurückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem
Auf dem Weg ins Krankenhaus starb der Artist auf der Bahre
der Clowns.
ganzen Zirkus teilen will - da dies so ist, legt der Galeriebesucher das Gesicht auf die Brüstung und, im
Schlußmarsch wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.
Wer wollte ergründen, warum Artisten mit dem Leben spielen?
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ARENA
Eugen Roth
ZIRKUS LIEBE
Ein Mensch - wir brauchens nicht zu sagen,
Es gilt dem Sinn nach, übertragen Ein Mensch ist, wie gesagt, ganz hin:
Er liebt die Zirkusreiterin!
Er nimmt das Schwerste selbst in Kauf
Und tritt als Dummer August auf,
Um überhaupt nur da zu sein
Und der Geliebten nah zu sein.
Jedoch dem Weib viel näher steht
Ein strotzender Gemüts-Athlet.
Und leicht gewinnt durch rasche Tat
Sie ein Gesinnungs-Akrobat.
Und wenn der wirklich sie verlör,
Ist da noch immer ein Domptör,
Ein Schlangenbändiger, ein Gaukler,
Ein Illusionist, ein Turmseilschaukler,
Ein Stallknecht, kurz, du armer Dummer
August, bist erst die letzte Nummer!
Ein anderer Mensch, nicht liebestoll,
Weiß gleich, was man da machen soll.
Er freut sich an dem bittern Spaße
Und setzt sich herzlos an die Kasse.
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Anita Schiebukats Wanderbühne
Siegfried Lenz
SO WAR DAS MIT DEM ZIRKUS
W
ie der Zirkus mit vollem Namen hieß, daran kann ich mich nicht mehr genau erinnern, aber er muss so
ähnlich geheißen haben wie „Anita Schiebukats Wanderbühne“. War natürlich ein Ereignis ersten Ran-
ges, dieser Zirkus. Das kann man schon daraus entnehmen, dass es schulfrei gab für die Suleyker Jugend, dass
die Arbeit auf den Feldern ruhte und in keinem Häuschen von etwas anderem gesprochen wurde als von ihm, dem
Zirkus. Dabei war er gar nicht mal so groß; zumindest fand er Platz auf der Feuerwehrwiese, baute sich da ein
Zeltchen und stellte seine Wagen hübsch in der Nähe auf. Alles ging schnell und lautlos, und ehe sich die Suleyker versahen, waren sie schon von Anita Schiebukats Wanderbühne gebeten, die erste Vorstellung zu besuchen. Eine Kapelle spielte, ein alter Elefant wurde herumgeführt, vielsagende Geräusche lagen in der Luft - das
Zeltchen füllte sich alsbald. Man brachte sich Eingemachtes mit, Salzgurken, Pellkartoffeln, geräucherte Fische, man
begrüßte einander, spazierte ein Weilchen auf der Wiese und betrat dann, in plaudernden Gruppen, den Ort der
Veranstaltung. So. Und dann begrüßte Anita Schiebukat, ein kräftiges, wohlgenährtes Weibchen, die Gesellschaft
höchstpersönlich, fand annehmbare Schmeicheleien, diese Person, ließ sich beklatschen und verschwand. Aber bevor sie verschwand, rief sie noch: „Es ist“, rief sie „eröffnet“, und im selben Augenblick ging es auch schon los.
Da erschien also zunächst ein finsterer, halbnackter Mensch in der Arena, blieb stehen, glubschte düster nach
allen Seiten, reckte sich und öffnete ein Kästchen. Was in dem Kästchen drin war? Was wird schon drin gewesen
sein - Messer; lang, scharf und, wie man zugeben wird, gefährlich. Aber was tat dieser halbnackte, drohende
Sonderling: er nahm sich die Messer, eins, zwei, drei, fünf Messer, rief mit einer schrillen Stimme die Anita
Schiebukat, und wahrhaftig, das wohlgenährte Weibchen stellte sich mit dem Rücken gegen eine Bretterwand. Aber
nun passierte es: dieser Mensch schmiss seine Messer nach Anita Schiebukat, alle fünf sausten ins Holz, aber getroffen, gottlob, hat keines. Die Suleyker Gesellschaft stöhnte vor Entsetzen, verbarg das Gesicht hinter den Händen, wimmerte, und gelegentlich waren auch kleine Angstrufe zu hören. Damit nicht genug. Dieser halbnackte,
schwitzende Mensch zog die Messer aus dem Holz heraus, trat ein paar Schrittchen zurück und begann, die
scharfen Dinger wieder nach dem Weibchen zu schleudern, so unzart wie möglich. Ha, da erwachte endlich bei einigen Suleyker Herren der Sinn für das, was erlaubt ist. Und am vollkommensten erwachte er bei dem riesigen
Flussfischer Valentin Zoppek. Der stand einfach auf von seinem Bänkchen, trat in die Arena, ging seelenruhig
zu dem Menschen mit den Messern hin und sagte: „Dies Frauchen“, sagte er, „hat so freundliche Worte gefunden
zur Begrüßung. Warum schmeißt du sie, hols der Teufel, mit Messern? Noch ein Messer, sag' ich, und du be-
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Anita Schiebukats Wanderbühne
kommst es mit mir zu tun. Bei uns wird nicht mit Messern auf Menschen geworfen. Hab ich richtig gesprochen?“
„Richtig“, murmelte die Suleyker Gesellschaft. Anita Schiebukat kam schweratmig herbei, erkundigte sich rasch,
erfasste die Lage zur Genüge und gebot dem halbnackten Menschen, nach hinten zu gehen - was er auch, begleitet vom Murren der Gesellschaft, tat. Er hätte nicht so mir nichts, dir nichts verschwinden können, wenn Anita Schiebukat nicht bereits wieder ein sorgloses Lächeln verströmt hätte, womit sie jedermann beruhigte. Mit demselben
Lächeln kündigte sich sodann ein verschmitztes, buckliges Herrchen an, das, in Frack und Zylinder, in die Arena
hüpfte, Kusshände in die Gesellschaft warf und auf Beifall wartete, bevor es überhaupt etwas gezeigt hatte. Plötzlich aber, ehe ihm jemand folgen konnte, griff dieser Bucklige schnell in die Suleyker Luft, und was er in der Hand
hielt: Es war ein mild duftender Fliederstrauß. Übermäßige Laute des Staunens erklangen im Zeltchen, man warf
ihm in spontaner Begeisterung Salzgurken zu, die er geschickt auffing, auch Heringe flogen ihm zu, ganz zu schweigen von Herzen. Er sammelte alles ruhig ein. Dann stellte er einen Tisch hin, auf den Tisch ein Kistchen, und zum
Schluss schob er sich selbst in dies Kistchen hinein und schloss es von innen. Was bleibt mir zu sagen: dies Kistchen fiel auf einmal auseinander, und was fehlte, es war das verschmitzte, bucklige Herrchen. Schon wollten die
Briefträger Zappka und der jüngere Urmoneit, von Sorge erfüllt, in die Arena steigen, als das zaubernde Herrchen,
weiß der Kuckuck, trompeteblasend auf dem Balkon der Kapelle auftauchte, sich an einem Strick herunterließ
und prasselnden Beifall entgegennahm. Ermutigt durch den ausschweifenden Beifall, trat der Zauberer überraschend
an den Rand der Arena, langte meinem Onkelchen, dem Stanislaw Griegull, unter die Weste, und zum Vorschein
kam - ja, wer weiß wohl, was zum Vorschein kam? Ein Hase natürlich, zappelnd und ganz lebendig. Die Suleyker, sie waren sprachlos, als solches geschah. Und mein Onkelchen, Ehrenwort, erhob sich und begann, der Reihe nach seine Kleidungsstücke abzulegen. Hoffte natürlich, noch mehr Hasen zu finden, dachte sogar an ein fettes
Erpelchen oder an einen Hahn, der aus der Unterhose flattern möchte. Aber nichts dergleichen geschah.
So zog sich mein Onkel unter prallem Schweigen wieder an, und der Beifall wäre auch prompt gekommen, wenn
Stanislaw Griegull nicht plötzlich das Wort ergriffen hätte. Er wandte sich direkt an das zaubernde Herrchen und
sprach folgendermaßen: „Ich sehe“, sprach er, „dass der Hase nach hinten gereicht wird. Dieser Hase gehört mir.
Denn, wie man gesehen hat, wohnte er an meinem Leib. Also möchte ich bitten um die sofortige Auslieferung des
Hasen.“ Jetzt, wirklich und wahrhaftig, wurde die Stille - na, sagen wir mal: beklemmend. Die Gesellschaft schwankte einen Augenblick, das zaubernde Herrchen äugte bestürzt auf den Redner. Aber es fing sich gleich, ging auf mein
Onkelchen zu und sagte: „Wo“, sagte er, „gibt es Hasen, die zu leben pflegen unter der Weste eines Herrn? Es war
doch, wie man gesehen hat, alles nur Zauberei, sozusagen Simsalabim.“ „Das ist“, sagte mein Onkelchen, „einerlei. Das Häschen hat gewohnt unter meiner Weste, es hat gezappelt, es war lebendig. Und so möchte ich beantragen die Auslieferung des Hasen. Er gehört mir.“ Mein Onkelchen blickte sich schnell um zu dem Gendarmen
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Anita Schiebukats Wanderbühne
Cognac
Schneppat, und als dieser nickte, forderte er mit unnachgiebiger Stimme: „Aber schnell, wenn ich bitten darf.“ So
DIE KISTE
erhielt Stanislaw Griegull den Hasen, setzte ihn auf seinen Schoß, und die Vorstellung ging ohne Streit weiter.
Wie es weiterging? Nun, es wurde hereingetragen eine Waschwanne, in welcher, die Griesgrämigkeit in Person, ein
alter, fetter Seehund lag, welcher auf den Namen Rachull hörte, der Unersättliche. An der Waschwanne hing
Despard-Plege (Robert Despard), Clown Rhum (Enrico Sprocani), August Herr Loyal, Sprechstallmeister
ein großes Plakat, auf dem stand: „Es wird gebeten, dem Seehund nicht zu zergen“ was soviel heißt wie ärgern
oder übel mitspielen. Dergleichen kam jedoch auch keinem der Gesellschaft in den Sinn; man beklatschte den See-
CLOWN (zu Herrn Loyal): Sie haben nicht zufällig Rhum gesehen?
hund lediglich, wogegen dieser nichts zu haben schien, wenigstens ließ er sich, ohne dass er die Wanne verlas-
HERR LOYAL: Doch, eben habe ich ihn gesehen. Im Café.
sen hätte, anstandslos wieder hinaustragen. Nachdem er weg war, trat wieder das wohlgenährte Weibchen Anita
(Der August kommt herein, durchquert die Manege, ohne den Clown zu beachten. Aus seiner Tasche
Schiebukat in die Arena, streifte meinen Onkel mit einem sonderbaren Blick und verkündete: „Jetzt wird auftreten ein Mann namens Bosniak. Er isst Eisenstangen zum Frühstück und trinkt zwölf Liter Milch am Abend. Seine Kraft ist grenzenlos. Wer mit ihm ringen möchte zwei Minuten und dabei stehen bleibt, bekommt den Ein-
ragt eine Cognacflasche heraus.)
CLOWN: He, komm mal her! Wohin gehst du? Bist du hier, um zu arbeiten, ja oder nein? (Zu Herrn
tritt zurück und drei Mark zwanzig außerdem!“ Sie trat zur Seite, und hereingewogt kam dieser Bosniak; ging so,
Loyal:) Immer hat er eine Flasche in der Tasche!
dass die Bänke zitterten, zeigte seine Zähne, hieb sich auf seinen kleinen Kopf und tat alles, um einen Eindruck zu
(Der August kommt heran, der Clown nimmt ihm die Flasche weg.) Her damit!
hinterlassen von seltener Fürchterlichkeit. Niemand wagte, gegen ihn aufzustehen. Niemand?
AUGUST: Gib mir meine Flasche wieder! (Der Clown weigert sich, er ist entschlossen, sie für sich zu
Doch, da hinten meldete sich ja einer, war nur so dünn, dass man ihn einfach übersah. Wer es war, der
sich da meldete und ein unbegreifliches Beispiel von Tollkühnheit lieferte? Mein Onkel, der Schuster Karl
Kuckuck. Wie gelähmt saßen die Suleyker da, als er an ihnen vorbeiging; sie verfolgten ihn mit wehmütigen,
abschiednehmenden Blicken, aber keiner fand sich, der ihn in seinem Entschluss beeinflusst hätte. Also er trippelte in die Arena, schaute den Bosniak sanft und mitleidig an und sagte: „Ich erwarte“, sagte er, „den Angriff.“ So-
behalten.) Du willst mir meine Flasche nicht wiedergeben? Pass bloß auf, du! Zum letzten Mal: Gib meine Flasche her!
CLOWN: Nein!
AUGUST (wütend): Nein?
fort stürmte dieser ungeheure Mensch mit dem kleinen Kopf auf ihn zu, breitete die Arme aus, schnaubte, schlug
CLOWN (zurückweichend): Nein!
die Arme wieder zusammen, aber Karl Kuckuck war längst weggetaucht und befand sich im Rücken des Ei-
AUGUST: Dann eben nicht! (Er geht hinaus.)
senfressers. Dieser, im Glauben, den Schuster vor seiner Brust zu haben, drückte so, dass ihm die Tränen in
CLOWN (zu Herrn Loyal): Können Sie sich so was vorstellen? Immerfort trinkt er! (Der August kommt
die Augen traten - was er drückte, es war niemand anders als er selbst. Na, das wiederholte sich einige Male -
mit einer Kiste auf der Schulter zurück, auf dieser steht „Champagner“.) Aha! Bitte! Sehen Sie sich das
wie soll man auch diesen dünnen Onkel genau zu fassen kriegen -, und am Ende war dieser Bosniak so erschöpft,
dass er sich schnaufend auf die Erde setzte und mit einem Eimer Wasser zur Besinnung gebracht werden musste. Karl Kuckuck hingegen schlängelte sich zur Kasse, ließ sich das Geld auszahlen und schlängelte sich mit seinen
an, Herr Loyal! Jetzt hat er gleich eine ganze Kiste! (Zum August:) Komm her! (Der Clown greift nach der
Kiste, der August wehrt sich, schließlich fällt sie zu Boden.) Da ist noch mehr Cognac drin!
AUGUST: Nein, das ist kein Cognac! Ich habe sie eben erst bekommen. Es ist kein Cognac, aber es ist
Verwandten nach Hause.
So ungefähr ging es, wenn ich mich richtig erinnert habe, Anita Schiebukats Wanderbühne in Suleyken.
zerbrechlich.
Wie übrigens später zu erfahren war, ist danach lange Zeit kein Zirkus mehr in unser Dorf gekommen - wie man
CLOWN (hat die Kiste in der Hand, stellt sie auf einen Tisch und klopft darauf): Was ist hier drin?
wissen wollte, aus Furcht vor dem allzu aufgeklärten Publikum.
AUGUST (flehentlich): Klopf nicht so sehr! Ich habe dir doch gesagt, dass es zerbrechlich ist!
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Gin
Dressur
CLOWN (bemerkt, dass aus einer Ecke der Kiste eine Flüssigkeit tropft): Es tropft! (Er hält seinen Fin-
W. R. Spira
DOMPTEURE SIND AUCH NUR MENSCHEN
ger darunter und leckt daran.) Siehst du, ich habe dir ja gleich gesagt: es ist Cognac!
AUGUST (entschieden): Nein, kein Cognac!
CLOWN (zu Herrn Loyal): Herr Loyal, kosten Sie mal!
W
HERR LOYAL (kostet): Ich glaube nicht, dass es Cognac ist. Es ist Gin!
AUGUST: Nein, kein Gin!
ie steht es mit dem Dompteur, der vor dem Publikum immer die Rolle des Mannes mit den
eisernen Nerven zu spielen hat?
Die berühmten Nerven aus Drahtseilen haben wir, glaube ich, alle nicht. Krisenmomente kennt jeder
CLOWN (hält wieder den Finger darunter
Dompteur in seiner Laufbahn, Momente, in denen er glaubt, nicht mehr weitermachen zu können. Das
und kostet): Klar, das ist Cognac!
schleichende Gefühl der Unsicherheit, die ständig wachsende Nervosität, der übervorsichtige Umgang mit
AUGUST (entschieden): Nein, kein Cog-
den Tieren, das alles sind Anzeichen, dass einem der richtige Schwung zur Arbeit fehlt. Auch ich hatte
nac! Es ist gar nichts!
einmal diesen Punkt in meiner Laufbahn erreicht und musste energisch dagegen ankämpfen, um mein
CLOWN: Also los, jetzt zeig mal, was es ist.
Selbstvertrauen wiederzufinden. Es ist ein harter Kampf, und ich kannte manchen Kollegen, der daran
AUGUST (der keine Lust hat, ihm zu ge-
scheiterte, seine Laufbahn aufgeben musste oder, was das Schlimmste von allem ist, zum Alkohol griff,
horchen): Wirklich traurig! Eben habe ich
um sich Mut anzutrinken.
es erst geschenkt bekommen.
Die Ruhe und Selbstsicherheit, die man braucht, um sich diesen Tieren gegenüber behaupten zu
CLOWN (mit einer Stimme, die keine Wider-
können, sollte man schon irgendwie wahren können. Erlebt man dennoch bange Momente, dann muss
rede erlaubt): Aufmachen! (Der August hebt
man diese Selbstsicherheit eben vortäuschen. Allzu oft darf dies zwar nicht vorkommen, denn die Tie-
die Bretter der Kiste mit seinem Messer. Er
re haben dafür ein feines Gefühl. Es ist ja wie bei einem Kraftfahrer - steuert er sein Fahrzeug nicht
zieht einen kleinen Hund heraus.)
selbstbewusst und überlegen, dann ist er viel eher in Gefahr als jener, der ein wenig kaltschnäuzig
HERR LOYAL (zum Clown): Und Sie ha-
fährt.
ben gesagt, es ist Cognac!
Es gibt auch das berühmte Lampenfieber vor dem Auftritt, vor allen Dingen, wenn Tiere und man
CLOWN (zu Herrn Loyal): Und Sie haben
selbst durch eine neue Umgebung verunsichert werden: Stürmisches Wetter kurz vor dem Auftritt, Tiere,
gesagt, es ist Gin! (Beide spucken auf den
die im Moment besonders rauflustig sind.
Boden, währenddessen geht der August
Es gibt schon viele Umstände, die einen nervös machen können und dann ein recht unangenehmes
ab und zieht seinen kleinen Hund hinter
Gefühl während der Arbeit hervorrufen. Schlimm wird es jedoch, wenn echte Gefahrensituationen ent-
sich her.)
stehen, wenn Tiere miteinander zu streiten beginnen. Nun liegt alles am Dompteur, sich durchzusetzen.
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Im ersten Augenblick beherrscht man zwar oft die Situation, kann aktiv dazwischentreten und die Tiere
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Dressur
Dressur
auseinanderbringen. Aber es kommt auch jener Moment, wo die Tiere nur noch bedingt zu halten sind,
sche Folge der Einmischung in den Kampf zwischen Raubtieren. Handelt man also wie ein Löwe unter
wo die Situation so kritisch wird, dass nur noch ein Schritt fehlt und sie sich auf einander stürzen. Da
Löwen, lauft man natürlich auch Gefahr, angegriffen zu werden. In solchen Situationen unterwerfen sich
beginnt für den Dompteur schon ein echtes Schlottern - nicht die Angst um sich selbst, dafür hat man
die Tiere nicht unseren, sondern gehorchen den ihrer Natur entsprechenden Gesetzen.
gar keine Zeit, sondern die Angst um die Tiere, um den Verlust der Gruppe. Denn bei einer echten Beißerei kann ja von heute auf morgen alles gefährdet, alle Arbeit umsonst gewesen sein. Auf alle Fälle,
das GefühI der Angst ist keinem von uns fremd, und man muss oft genug damit kämpfen. Doch die Freude, die man ansonsten bei dieser Arbeit hat, die Genugtuung und das Schone, sich mit diesen Tieren zu
beschäftigen, lassen einen die gefährlichen Momente schnell wieder vergessen. Letzten Endes kommt es
ja darauf an, von Anfang an soviel Sicherheit wie möglich in die Arbeit einzubauen, und das beginnt
schon bei der humanen Behandlung der Tiere, um sie ihre Aggressionen gegenüber dem Menschen vergessen zu lassen.
Wenn mir in der ersten Zeit Unfälle passiert sind, so geschah dies aus Mangel an Erfahrung. Als junger Dompteur versucht man natürlich, alles mit Bravour vorzuführen, man kann nicht schneidig und forsch
genug sein. Es war damals in der Türkei, in Ankara, wo zwei Löwen miteinander rauften. Mutig warf ich
mich dazwischen, und schon passierte es: Der eine Löwe schlug mich zu Boden, hieb mit den Pranken
auf mich ein und biss sich an mir fest. Ich wusste nun, dass es dieser Moment war, vor dem man mich
immer gewarnt hatte.
Tausend Gedanken schossen durch meinen Kopf. Ich spürte mich wie von einer eisernen Klammer
umschlossen und begriff zum ersten Mal, was für ein kleiner Wicht ich in dieser Situation war, wenn diese Naturgewalten entfesselt werden. Glücklicherweise war ich auf den Bauch gefallen und konnte so die
am leichtesten verletzbaren Stellen meines Körpers schützen. Der Löwe lag auf mir und betrachtete mich
als seine Beute - mein Glück, denn als die anderen auch noch etwas von mir abhaben wollten, verteidigte er mich - als seine Beute.
Ein anderer Dompteur kam mir zu Hilfe, jagte den Löwen von meinem Rücken, riss mich hoch, und
Seite an Seite konnten wir dann die Tiere hinaustreiben. Im Krankenhaus hatte ich Zeit, über den Vorfall
nachzudenken, und ich gebe zu, ich musste mir die Schuld selbst zuschreiben. Es war einfach die logi28
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ohne Probleme
fast von selbst
Robert Rau
gewonnene Spielraum genügt, die Hände aus der Fessel zu ziehen. Deshalb sollte der Ring möglichst
DIE BESTEN TRICKS
oben bzw. leicht außen liegen. Wenn der Ring nämlich auf die Innenseite der Gelenke zu liegen kommt,
dann fehlt Ihnen dieser Spielraum, um die Hände freizubekommen. Probieren Sie's aus. Übrigens, die-
B
eginnen wir mit der Fesselung der Handgelenke. Hierfür verwenden wir eine Stahlkette, wie sie
se Täuschung wird selbst die Person aus dem Publikum nicht erkennen, wenn Sie bei der Vorführung
in Abbildung 1 zu sehen ist, und ein einfaches, unpräpariertes Vorhängeschloss. Diese Fessel
geschickt vorgehen, also durch Erzählen abzulenken wissen und das Geschehen flott vorantreiben.
können Sie sich leicht selber bauen. Das Zubehör finden Sie in Baumärkten. Sie benötigen dafür eine
Stahlkette von ca. 40 cm Länge, einen Schaukelring und ein so genanntes Kettennotglied. Das Ketten-
Abbildung 4 zeigt Ihnen abschließend eine sehr beliebte Methode der Fesselung. An einem ovalen
notglied benötigen wir, um den Schaukelring an der Kette zu befestigen. Bei dieser Fessel ist es wich-
Metallring befinden sich vier kurze Kettenstücke. Damit werden die Handgelenke an den Bügel gebun-
tig, dass nach Ihren Spielregeln verschnürt wird. Legen Sie sich die Ketten auf eines Ihrer Handgelenke,
den und mit unpräparierten Schlössern gesichert (Abb. 5).
und führen Sie das freie Ende durch den Stahlring (Abb. 2). Dadurch entsteht eine
Wenn Sie nun die Hände öffnen (Abb. 6) und über den Bügel bringen (Abb. 7 und 8), dann se-
Schlaufe, die sich zuziehen lässt. Wenn Sie sich für die linke Hand entschieden haben,
hen Sie schon, was passiert. Die Kettenstücke gleiten am Bügel entlang zurück (Abb. 9) und geben Ih-
halten Sie Ihre Hand dabei so, dass die Handfläche nach rechts zeigt. Fesseln Sie zuerst
re Hände frei. Diese geniale Entfesselung funktioniert fast von selbst und ermöglicht dem Zauberer, sich
die Rechte, dann muss die Innenseite der Hand nach links zeigen. Achten Sie darauf,
in weniger als einer Sekunde komplett zu befreien.
dass der große Ring auf der Oberseite des Gelenkes zu liegen kommt und die Kette auf
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der Innenseite herabhängt. Besser ist es, wenn der Ring noch etwas weiter Richtung
Handrücken verschoben wird. Bitten Sie einen Assistenten oder besser einen Zuschauer, den Sie vorher auf die Bühne geholt haben, die Fesselung abzuschließen, indem das
freie Kettenstück um das andere, noch nicht gefesselte Handgelenk gebunden wird
(Abb. 3). Weisen Sie die Person an, die Kette fest zuzuziehen und dann eines der Ket-
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tenglieder, die in der Nähe des Stahlringes liegen, mit dem Schloss an dem Ring zu fi-
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xieren. Wenn Sie nun Ihre Hände gegen den Widerstand der Kette drehen, d. h. den
linken Arm nach links und den rechten nach rechts und die Kette so unter Zug halten,
dann wird es so aussehen, als wäre es unmöglich, sich daraus zu befreien. Wenn Sie
die Hände jedoch entgegengesetzt bewegen, d.h. die Linke nach rechts und die Rechte nach links, dann kommen Sie ohne Probleme los, denn auf diese Weise legen Sie
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das Stück der Kette frei, das zwischen Ihren Handgelenken verborgen lag, und der so
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PROBENFOTOS
Interview 1
„ D E R T O D I S T K E I N E M E TA P H E R , A B E R D E R H I M M E L . “
Aino Laos
Henrik Wagner, Aino Laos
Fragen an den ARENA-Komponisten Frank Nimsgern
Frage: Du arbeitest viel als Musiker und Komponist im Konzertbereich, fürs Fernsehen und den Film. Warum aber bildet die Theaterarbeit, die mit weit höherem Aufwand verbunden ist, seit Jahren einen Schwerpunkt
deines Komponierens?
FN: Weil die Beschäftigung mit einem Film, gleich ob für Fernsehen oder Kino, eine sehr eremitenartige Arbeit ist. Es reizt mich, aber nach drei Wochen ist man sehr einsam, weil der Einzige, mit dem man sich austauscht,
der Regisseur ist. Dazu steht man sehr unter Zeitdruck, weil die Budgets immer kleiner werden, und man muss drei
Wochen 13 – 14 Stunden täglich im Akkord arbeiten. Also hat man keine Kommunikation mehr zu Außenstehenden. Die Theaterarbeit ist für mich – im Gegensatz zu der Arbeit mit den filmischen Medien – das menschlichste
Kommunizieren. Ich habe in der Entstehungsphase mit Menschen zu tun, wo ich etwas wachsen lasse, und später
Produktionen zu leiten und zu spielen, wo ich permanent den unmittelbaren Kontakt zu vielen verschiedenen Menschen habe. Die Arbeit dort mit guten Regisseuren, mit Schauspielern, mit dem ganzen Team ist dann so etwas wie
meine Ersatzfamilie. Kommunikation hat für mich eben immer etwas mit Energieaustausch zu tun.
Henrik Wagner
Frage: Was unterscheidet ARENA grundsätzlich von deinen anderen Theaterkompositionen?
FN: ARENA ist nach den riesigen – dank des Publikums – Blockbustern und auch von den Theaterkonzepten her das definitiv kleinste Werk, das ich geschrieben habe. Es hat etwas Kammermusikalisches, es hat etwas
– auch vom Libretto her – viel Intimeres als die anderen Stücke wie „Paradise of Pain“ oder „SnoWhite“. Man
kann ARENA damit nicht vergleichen, wie man auch nicht die GÖTTERDÄMMERUNG mit COSI FAN TUTTE vergleichen kann. Es sind eben zwei verschiedene dramaturgische Konzepte. Im Nachhinein ist es für mich trotzdem
das aufwändigste Projekt geworden, obwohl es das kammermusikalischste ist. Jede Einzelheit des Stücks steht
immer so sehr im Zentrum – gerade weil das Stück so klein ist - , dass es keinen Raum mehr zum „Verstecken“
gibt. Das gilt für das Stück selbst aber auch für uns als Darsteller und Musiker – man ist komplett ohne „makeup“, man muss alles geben, was man hat. Daher sehen Aino Laos und ich diese von uns gemeinsam erarbeitete
Produktion als ungeheure Herausforderung und hoffen, dass das Publikum das Stück auch so annimmt, wie es
geschrieben ist.
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Interview 1
Frage: Welchen Part übernimmt die Musik in ARENA im Unterschied zur Szene oder zum gesprochenen Wort?
FN: Zum Einen repräsentiert die Musik die Show-, die Zirkuswelt. Sie tut dies nicht ohne Hintersinn und Anspielungen (der Zirkus-Jingle könnte so in jeder TV-Show auftauchen, die Tiger-Nummer greift zurück auf den Hardrock der 80er usw.). Ich würde zwar niemals eine Platte mit solchen Songs machen, aber hier tut es seinen dramaturgischen Dienst und außerdem war es für Aino Laos und mich, die wir ja aus der Rock-Szene kommen, auch
manchmal ein wenig wie ein „Zurück in die Vergangenheit“. Das Andere – und damit bin ich sehr zufrieden – sind
Stücke wie „Nur Staub“ oder „Somewhere in Heaven“; es sind die Balladen, die zum Teil klassische Elemente enthalten, und in denen ich versucht habe, eine für mich neue Art von Kammermusik zu schreiben. Es sind reflektierende Stücke, die eben keine illustrierende Funktion haben, sondern handlungsfördernd sind. Ohne diese Songs
ginge das Stück nicht weiter.
PROBENFOTOS
Christiane Motter, Henrik Wagner
Frage: Gibt es Stückübergreifende Zusammenhänge im musikalischen Material oder ist jede Nummer ganz
für sich alleine konzipiert?
FN: Es gibt ein kleines Motiv, das sich ganz spontan erst einmal mit zwei Tönen und einer sehr prägnanten
Rhythmik darstellt und immer wieder unter den Dialogen versteckt. Diese tonal sparsame rhythmische Figur entfaltet sich zu ganzen Songs wie „Somewhere in Heaven“ oder später im „Himmel“.
Frage: Worin liegt für dich der Reiz der für ARENA gewählten Zirkus-Welt? Was bedeutet der Zirkus für dich?
FN: Der Zirkus ist für mich heutzutage eine Metapher geworden für das, was bereits selbstironisch in der Medienwelt stattfindet. Es ist ein riesengroßer Zirkus, in dem quasi Affen vorgeführt, benutzt und wieder weggeworfen werden. Was mit den Menschen anschließend passiert, kümmert Niemanden mehr. Das hat etwas von einer
grausamen Arena. Denn der Begriff Zirkus ist für mich sekundär. Das Wichtigere ist die Arena, die unser gedanklicher Ausgangspunkt war. Theater ist eine Arena, ein Fußballfeld ist eine Arena, ein Boxring ist eine Arena – seit
der Antike geschieht in einer Arena etwas Existenzielles. In unsere Arena des Lebens geraten zwei Engel. Hier ereignet sich das Sterben eines Menschen, und einer der Zuschauer greift ein. Das ist doch eine schöne Metapher?
- Wenn wir dazu noch Elemente vom Zirkus verwenden, finde ich es umso reizvoller. Das soziale Leben von den
Menschen, die im Zirkus arbeiten, ist wohl tatsächlich so, wie ich es vor Jahren erlebt habe, wenn ich auf Tour
war. Man hockt zwei Monate lang im selben Bus und es entsteht eine eigene Welt, die vergleichbar ist mit einer
Art von Freak-Show, wo Außenstehende niemals hinein kommen.
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Henrik Wagner, Sabine v. Blohn,
Aino Laos, Guido Baehr
PROBENFOTOS
Interview 1
Sabine v. Blohn
Frage: Ist ARENA ein komisches oder ein tragisches Stück?
FN: Es ist für mich ein tragisches Stück. Zwar ist das Sterben von Boudouno auch als Metapher lesbar – aber
immerhin kommt tatsächlich jemand zu Tode, in den ihm alle folgen. Doch hat die Erzählweise ihre komischen Elemente. Der Tod ist keine Metapher, aber der Himmel ist eine.
Frage: Wo liegt für dich der Kern der ARENA-Fabel?
FN: Für den Engel könnte man sagen „Stay in your boots“, also „Schuster, bleib bei deinem Leisten“. Aber das
wäre sehr schulmeisterlich. Denn wenn man immer nur beim Gewohnten bleibt, wird nie etwas passieren.
Sabine v. Blohn,
Guido Baehr
Frage: Hat es damit etwas zu tun, dass Menschen mehr können als sie denken?
FN: Ja, das ist genau das Andere. Wir haben es mit fünf Protagonisten zu tun, die sich alle in Grenzbereichen
bewegen. Das ist sehr menschlich, obwohl sie alle daran zu Grunde gehen, dass sie in ihren Ängsten, ihren Beschränkungen gefangen sind.
Frage: Welche Erfahrungen hast du im Laufe der Arbeit mit dem Gedanken des „Crossover“ der Sparten –
Opernsänger, Rocksänger, Schauspieler – für ARENA gemacht?
FN: Am Beginn des Projektes stand ja die Idee von Generalintendant Schildknecht, Matthias Kaiser und mir,
die besonderen Fähigkeiten verschiedener „Künstlerspezialisten“ unter der Überschrift „gemeinsame Energie“ zusammenzubringen. Aus dieser Ursprungsidee ist dann ARENA geworden. Meine Erwartungen an die praktische Arbeit sind nun tatsächlich übertroffen worden, weil alle Beteiligten mit ungeheuer viel Respekt und sehr viel Liebe
zur Sache aufeinander zu gegangen sind. Ich habe selten so ein Team erlebt. Wir haben wirklich großes Glück mit
unserer Besetzung! Es berühren sich zwei Pole, die sonst immer als unvereinbar – „U-Musik“ und „E-Musik“ - auseinander gehalten werden. Wenn es uns ein wenig gelingt, dass wir junge Leute dafür begeistern können, wie toll
die Art von klassischer Gesangeskunst ist, und wenn wir die Klassiker begeistern, wie intensiv es sein kann, wenn
jemand mit „Dreck in der Stimme“ überzeugt, dann haben wir tatsächlich zwei Welten zusammen geführt.
Frage: Ist ARENA wirklich ein Musical?
FN: Wir versuchen modernes Musiktheater zu machen.
Guido Baehr,
Probenpuppe
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PROBENFOTOS
Christiane Motter, Wanja Müller, Matthias Girbig
Interview 2
ZWEI SCHLÜSSE – EIN ENDE
Neun Fragen an den Regisseur Gerhard Weber
Frage: Wo liegt für dich das Zentrum des Stückes?
Weber: In der Geschichte der Engel; es liegt in der philosophischen Essenz, dem Diskurs zwischen dem Todesengel und dem Schutzengel. Das ist für mich der wirklich interessante Aufhänger für dieses Stück: Die Frage nämlich, was verliert man tatsächlich, wenn man gelebt hat, was gewinnt man dadurch im Tode und umgekehrt. Das
ist für mich eine sehr spannende Auseinandersetzung, die mich auch während der Erarbeitung der Szenen immer
wieder bewegt hat: Lohnt es sich tatsächlich, so sehr am Leben zu klammern, mit allen seinen Misslichkeiten, natürlich auch mit all seinen Freuden? Und ist es wirklich Glück, wenn man – befreit von allem „irdischen“ Ballast eine unendliche Fülle an Zeit hat?
Frage: Was bedeutet die Welt des Zirkus für dich als Theatermacher?
Weber: Zirkus ist natürlich eine Parabel, ein Symbol für Theater. Zirkusleute, Künstler, die Theaterleute sind imstande zu etwas, was man kitschig beschreiben könnte als „den Himmel auf die Erde holen“, also etwas, das mehr
ist als die Bewältigung der Realität. Ob auf der Theaterbühne oder in der Zirkusarena – die Kunst besteht darin,
Zauber, Illusion herstellen zu können, indem man sich für die Dauer einer Theatervorstellung, einer Show, für zwei
Stunden von der Wirklichkeit befreien kann.
Dieser metaphysische Moment ist sicherlich unser Impetus, in diesem Fall meiner, von Kunst oder vom Theater. Das ist auch
für mich der persönliche Zugang zu diesem Stück. Aber auch ein anderes ewiges Thema des Theaters wird in den BettyAlfredo-Dialogen angesprochen: der berühmte Widerspruch zwischen Kommerz auf der einen Seite, „the Show must go on“
, egal wie bzw. „wir spielen auch noch mit dem Kopf unter dem Arm“ und andererseits dem künstlerischen Anspruch...
Frage: Hat das Crossover der Solisten als Mitglieder verschiedener Sparten Wirkung auf die Erarbeitung der Proben und das Ergebnis?
Weber: Absolut. Das ist eine sehr spannende Arbeit und auch Anreiz gewesen, diese Uraufführung zu inszenieren. Ich
merke, wie die beiden Kollegen, die aus dem Rock-Bereich kommen, die beiden Sänger bei den Proben beobachten,
sich gegenseitig von einander abholen; wie die Sänger auf die Rock-Leute schauen, die alle tänzerisch unheimlich begabt sind und musikalisch aus einer ganz anderen Ecke kommen, wie sich umgekehrt die beiden Rock-Sänger von der
Dialogführung der Schauspieler beeinflussen lassen - es ist ein sehr inspirierender Prozess, und das macht bei den Proben Spaß, dieser Mix und die Bereicherung durch die verschiedenen Sparten.
Christiane Motter
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Matthias Girbig
Interview 2
Frage: Ergibt sich daraus eine Polystlistik, oder ist dein Bemühen, einen homogenen Spielstil zu erreichen?
Weber: Das Stück ist so geschrieben, dass natürlich die Eigenarten der einzelnen Künstler letztendlich in den Dialogen ihren Platz finden. Es wäre sinnlos, das Ganze zu glätten, also Sänger zu Schauspielern machen zu wollen oder
umgekehrt. Gerade der englische Akzent von den beiden Rocksängern – um nur ein Beispiel zu nennen - ist ungeheuer reizvoll; das ist eine Art von international besetztem Theater-Zirkus.
Frage: Welchen Part übernimmt die Musik in ARENA?
Weber: Die ist vom Komponisten und den Autoren sehr genau gesetzt worden. Es gibt zwei verschiedene Ebenen der
Musik: einmal die Songs, die von dem Innenleben der Figuren erzählen und dann die Nummern, die die Show zeigen.
Das finde ich sehr schön, das ist sehr klug gemacht. Es zeigt den Widerspruch, der alle Charaktere bestimmt. So beschäftigt sich die Musik auf der einen Seite mit den Ängsten, mit den Frustrationen der Figuren – Betty, die nicht die
Künstlerin sein kann, die sie gerne wäre; Kitty, die eigentlich von einer großen Angst beherrscht ist – und auf der anderen Seite zeigt es nach Außen den Glanz einer Zirkusdompteurin oder die drastische Komik eines Clowns.
Es gibt aber noch ein drittes Moment: dass nämlich eine Person in dem Stück das Singen lernt; das Singen als allermenschlichste Eigenschaft, die sie von allen anderen Wesen unterscheidet. Hier wird Musik geschrieben als Ausdruck eines höchsten Glücksgefühls. Dieses Kompliment an die Musik ist eigentlich am schwierigsten zu zeigen. Es gibt ja einen
Satz ganz am Anfang des Stücks, in dem der alte Engel zitiert wird, der offenbar zu sagen pflegt: „Musik ist ein Geräusch
ohne Grund“ - der Gegenbeweis wird dann im und mit dem gesamten Stück angetreten.
Frage: Zwei Engel spielen in ARENA eine wesentliche Rolle. Ist es wichtig oder unwesentlich, ob man als Zuschauer an diese Spezies glaubt?
Weber: Selbst wenn man da – wie ich – so seine Zweifel hat, ist es schön, sich durch den Charme und die intelligenten Dialoge in diese Engelwelt hinein versetzen zu lassen. Dann wird auch die Engelswelt für die Zeit der
Aufführung glaubwürdig. Es ist eine wunderbare Metapher.
Frage: Bist Du mit dem Schluss des Stückes einverstanden?
Weber: Ich finde den Schluss mit dem sich wild entzündenden Brand und dem Engel, der plötzlich merkt, was sie angerichtet hat und den Verlust des Lebens feststellt, toll! Weil es eine Verzweiflungstat ist, weil es etwas einlöst, was für
das Stück wichtig ist. Ich finde es schlüssig, dass das Stück ein tragisches Ende nimmt und dass es eine ironische Auflösung gibt: die Show geht weiter, aber im Himmel. Das finde ich richtig - die ewigen zwei Theater-Schlüsse!
Frage: Gibt es eine oder mehrere Rollen, die du selbst gerne spielen würdest?
Weber: Ja, es gibt zwei Rollen, die ich im Wechsel ständig spielen möchte, das sind Alfredo und Betty! Mit diesen beiden Rollen könnte ich wieder ein ganzes neues Stück entwickeln.
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PROBENFOTOS
Achim Schneider, Frank Nimsgern
Gerhard Weber, Matthias Girbig
Gerhard Weber, Aino Laos, Sabine v. Blohn, Guido Baehr,
Henrik Wagner, Christiane Motter, Matthias Girbig
Ensemble A-Z
Ensemble A-Z
Vorstellen muss man ihn in Saarbrücken längst nicht mehr: Frank Nimsgern. Der mit der „Goldenen Europa“
ausgezeichnete Musiker und Komponist – immerhin von FAZ und „Süddeutscher Zeitung“ als einziger deutscher
Musical-Komponist von „Weltformat“ gerühmt – hat sich inzwischen längst auch in der deutschen Hauptstadt
einen Namen gemacht: „Elements“ und demnächst „Hexen“ sind Großproduktionen im Berliner Friedrichstadtpalast, der ersten Adresse im deutschen Show-Geschäft. An „SnoWhite“ und „Paradise of Pain“ erinnert sich
jeder saarländische Musical-Fan gerne, aber Nimsgerns Musik war auch bei den letzten „Tatort“-Produktionen des Saarländischen Rundfunks zu hören. Immer wieder aber tourte er auch auf Einladung der Goethe-Institute in weit entfernte Regio-nen
wie Indien oder sogar Sibirien. Er veröffentliche bisher fünf Solo-CDs u.a. bei „Universal“ und „Polydor“.
Stuttgarter Kammerchors unter Frieder Bernius und kann auf eine umfangreiche solistische Konzerttätigkeit und zahlreiche Liederabende im In- und Aus-land von 1985 bis 1997 zurück blicken. In der aktuellen Spielzeit 2003/2004 war sie - unter anderem - als Cosette in „Les Misérables“ zu erleben.
Zum ersten Mal seit seinem Wechsel als Intendant an die Landesbühne Hannover kommt für die Regie von „Arena“ Gerhard Weber zurück nach Saarbrücken – vielen saarländischen Theaterfreunden mit Sicherheit noch in
guter Erinnerung, denn immerhin war er von 1991-1998 Oberspielleiter des Schauspiels in Saarbrücken. Erfolgsproduktionen u.a. wie „Ein Sommernachtstraum“, „Die Räuber“, „Black Rider“ oder seine musikalische Version von Shakespeares „Troilus und Cressida“ (mit der Band „Blackeyed Blond“ in der Alten Feuerwache) blieben im (Theater-)Gedächtnis haften. Seit 1998 ist Gerhard Weber Intendant der Landesbühne Hannover, die er vor der drohenden Schließung bewahrte und zu einer Erfolgsadresse (nicht zuletzt durch bei Publikum und Presse bejubelte Musical-Produktionen) in Hannover und der ganzen Region machte. Zur Spielzeit 2004/2005 tritt Weber ganz in Saarbrücker Nachbarschaft
sein neues Amt als Intendant des Theaters in Trier an.
Angela C. Schuett (Bühne und Kostüme) studierte an der Universität Hamburg Kunstgeschichte und absolvierte ihre Ausbildung als Kostümbildnerin u.a. bei Prof. Dirk v. Bodisco an der Fachhochschule für Gestaltung
in Hamburg. Nach Assistenzen am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und an der Hamburgischen Staatsoper
sowie einer Tätigkeit dort als Kostümmalerin führten sie Festengagements als Kostümbildnerin zunächst an die
Landesbühne Hannover und die Städtischen Bühnen Osnabrück, bevor sie 1991 an das Saarländische Staatstheater wechselte. Weit über 100 eigene Kostümausstattungen erarbeitete sie daneben u.a. auch für die Komische Oper Berlin,
die Göttinger Händel-Festspiele, für das Theater Mainz, das Theaterfestival in Montepulciano, das Theater der Stadt Heidelberg
und für die Landesbühne Detmold. Auch als Bühnenbildnerin ist sie in den vergangenen Jahren hervorgetreten.
Guido Baehr (Alfredo) studierte nach dem Abitur an der Musikhochschule Detmold zunächst Schulmusik und
legte die Staatliche Prüfung für Musikschullehrer und selbständige Musiklehrer im Fach Gesang ab. Dazu kam
die künstlerische Reifeprüfung Gesang. Von 1991 bis 1997 war er an den Städtischen Bühnen Nürnberg engagiert, darüber hinaus hatte er Gastverträge in Aachen, Bern, Coburg, Detmold, Essen, Hannover, Karlsruhe, Krefeld, München, Münster, Osnabrück, Vervey-Montreux, Würzburg, Wuppertal sowie bei den Opernfestspielen
Heidenheim. Seit September 1997 ist Guido Baehr Ensemblemitglied am Saarländischen Staatstheater. Unter seinen wichtigsten
Rollen finden sich im Opern- wie Operettenfach: Papageno, Barbier, Guglielmo, Gianni Schicchi, Eugen Onegin, Paolo („Simone Boccanegra“), Danilo und Boni („Czardasfürstin“). Neben seiner Arbeit für das Musiktheater widmet er sich Oratorienkonzerten sowie Liederabenden und unterrichtet als Gesangsdozent an der Musikhochschule Mannheim.
Die gebürtige Saarländerin Sabine von Blohn, als Musikclown und Frau des Zirkusdirektors in „Arena“ unter
dem Rollen-Namen Betty beschäftigt, absolvierte von 1981 bis 1997 ein privates Gesangsstudium und Meisterkurse bei Doreen de Reis, Pamela Brady, Maria Zedelius, Brigitta Seitler-Winkler und Hilde Zadek. Darüber
hinaus besuchte sie 1984 zwei Interpretationskurse für Barockmusik bei Marius van Altena in Den Haag und
1996 einen Lied-Interpretationskurs bei Norman Shettler in Wien. Seit 1987 ist sie Mitglied im Opernchor des
Saarländischen Staatstheaters mit Soloverpflichtung. Darüber hinaus war Sabine von Blohn von 1986 bis 1993 Mitglied des
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Matthias Girbig (Todesengel) begann seine Laufbahn in Leipzig: Er besuchte dort die Theaterhochschule und
hatte am Städtischen Theater sein erstes Engagement. 1987 wechselte er nach Saarbrücken, zunächst ans Saarländische Landestheater, dann ans Saarländische Staatstheater. Für ihn sind wirklich alle Rollen, die er gespielt
hat, am wichtigsten. In seiner spärlichen Freizeit beschäftigt sich Girbig ebenfalls mit musischen Hobbys, dem
Malen, Zeichnen und Singen. Im Sommer 2003 wurde er vom Kultusminister zum Staatsschauspieler ernannt.
Christiane Motter, als weiblicher Engel in „Arena“, absolvierte eine Musicalausbildung am Theater an der Wien
und eine Schauspielausbildung bei Eva Zilcher (Wien). Es folgten Engagements am Stadttheater Regensburg
(1993 - 1999), am Stadttheater Konstanz (1999 - 2001) sowie ein Gastvertrag am Landestheater Esslingen
1999. Seit der Spielzeit 2002/2003 ist sie Mitglied im Schauspiel-Ensemble des Saarländischen Staatstheaters. Zu ihren wichtigsten Rollen gehören für Christiane Motter Iphigenie („Iphigenie auf Tauris“, J.W. von Goethe), Gretchen („Faust“, J.W. von Goethe), Olga („Fegefeuer in Ingolstadt“, M. Fleisser) und die Braut („Bluthochzeit“, F.G. Lorca).
Den Part der Tiger-Dompteurin Kitty übernimmt Aino Laos, die im Staatstheater als böse Stiefmutter in „SnoWhite“ debutierte. Den saarländischen Musical-Freunden ist sie nicht nur von der Theaterbühne bekannt, zahlreiche Konzerte führten sie seitdem immer wieder ins Saarland. Denn mittlerweile ist sie zur engsten Mitarbeiterin Frank Nimsgerns geworden – auf musikalischem wie auf textlichem Gebiet (nicht nur, aber besonders bei
„Arena“). Die aus Großbritannien stammende Aino Laos veröffentliche bei Teldec und BMG mehrere eigene CDs
und ist natürlich auf vielen Einspielungen der „Frank Nimsgern Group“ als Lead-Sängerin zu hören. Sie arbeitete einige Jahre
in der Londoner Szene als Sängerin und Bassistin, bevor sie als Produzentin und Songschreiberin (u.a. für Charlotte Nielsen,
Angelika Milster, Sweet Lies oder Soultans) neben ihrer Gesangskarriere (u.a. mit Marla Glen, Joe Cocker, Blondie, Barry
Ryan und Percy Sledge) sich ein zweites erfolgreiches Arbeitsfeld aufbaute.
Ruben Reniers wurde in Jakarta (Indonesien) geboren und wuchs in den Niederlanden auf. Seine Ausbildung
absolvierte er an der Havo voor Muziek en Dans Rotterdam und der Rotterdamse Dansacademie. Reniers tanzte in Choreographien u.a. von Nils Christe, Ton Simons, Joseph Tmim und Samuel Wuersten. Er ist seit der
Spielzeit 1999/2000 Mitglied im Ballettensemble des Saarländischen Staatstheaters. Ruben tanzte seitdem die
Hauptrolle in Rui Hortas „Broken“ und Amanda Millers „Paralipomena“ und war in Marguerite Donlons „Move“
und „Patch of Grass“ sowie in Stücken von Kyle Bukhari und Karine Guizzo zu sehen.
Brite und Schwede ist der erstmals an das Saarländische Staatstheater engagierte Henrik Wager, der in
„Arena“ die Rolle des Entfesselungskünstlers Boudouno übernimmt. Er ist seit vielen Jahren Mitglied der
Formation „The flying Pickets“, mit den er in der ganzen Welt mit großem Erfolg tourt. Er studierte Gesang in
Birmingham (Universität, Musikhochschule und „School of Performance Art“) und ist häufig als Komponist,
Arrangeur und Songschreiber hervorgetreten – nicht nur für die „Flying Pickets“, auch für zahlreiche Radiostationen, für Fernseh-Shows und Filme. Als Sänger war er nicht nur in „TV total“ zu sehen, er arbeitete zusammen u.a. mit
Andrew Lloyd Webber, Lionel Ritchie, Sascha, Jose Carreras oder Cosmo Klein. Zahlreiche CD-Aufnahmen ergänzen seine vielfältige Arbeit als Sänger und Songschreiber.
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Nachweise
Texte
Die Interviews mit Frank Nimsgern und Gerhard Weber führte Matthias Kaiser. – „Life fever“ verfasste Aino Laos
für ARENA. – Siegfried Lenz: So zärtlich war Suleyken, Hamburg o.J. – Charlie Rivel: Akrobat Schöön, München
o.J. – W.R. Spira: Im Banne großer Katzen, Brugg o.J. – Eduard Dietl: Die Clowns und der Tod nach Uta Danella
(Hrsg.): Die schönsten Zirkusgeschichten, München 1980. – Franz Kafka: Auf der Galerie (aus Sämtliche Erzählungen), Frankfurt/M. 1982. – Eugen Roth: Ein Mensch, München 1978. – Peter Handke/Wim Wenders: Der Himmel über Berlin, Frankfurt/M. 1987. – Robert Rau: Houdini, Moretti&Co, München 1999. – Tristan Rémy: Clownnummern, Köln 1982. – Malcolm Godwin: Engel, eine bedrohte Art, Frankfurt/M. 1991.
Bilder
Logo Arena (Titelseite) gestaltet von ACN/Astrid Schwörer. – Clownnummern a.a.O. (S. 20). – Engel, eine bedrohte
Art a.a.O. (S. 12, 13) – Engel über Berlin a.a.O. (S. 11, 23). – Houdini, Moretti&Co. a.a.O. (S. 30, 31). – André
Kertész, Paris 1985 (S. 3). – Walter Renz: Fotografien, Stuttgart 1986 (S. 19). – Diane Arbus, Frankfurt/M. 1984 (S. 14).
– 150 years of Photo Journalism, Köln 1995 (S. 29). – Karl
Hoche/Toni Meissner/Bartel F. Sinnhuber: Die großen Clowns,
Königstein Ts. 1982 (S. 26). – J. Markschiess-van Trix/Bernhard Nowak: Artisten- und Zirkusplakate, Leipzig 1975 (S. 16).
Probenfotos: Klaus Baqué (stage picture)
Impressum
Programmheft Nr. 211 „Arena
Herausgeber: Saarländisches Staatstheater GmbH
Kurt Josef Schildknecht, Generalintendant · Helmut Beckamp, Kaufmännischer Direktor
Dramaturgie/Redaktion: Matthias Kaiser
Gestaltung und Satz: ACN Werbeagentur
Anzeigen: ACN Werbeagentur, Tel. 0681/930930
Druck: Druckerei Dörr, Püttlingen
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