nutzpflanzenvielfalt in gefahr
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nutzpflanzenvielfalt in gefahr
NUTZPFLANZENVIELFALT IN GEFAHR WORUM ES GEHT UND WAS WIR TUN KÖNNEN Gestreifte Aubergine en “ m Rö er sa la Über Jahrtausende haben Menschen aus essbaren Wildpflanzen durch Auslese eine Kulturpflanzen-Vielfalt geschaffen, angepasst an ihre Bedürfnisse, regionales Klima und Bodenverhältnisse. Weltweit wurden so circa 30.000 verschiedene Pflanzenarten mit vielfältigen regionalen Sorten gezüchtet. Dieses reiche Erbe ist in großer Gefahr: Seit 1900 sind weltweit schätzungsweise 75 Prozent aller Kulturpflanzensorten ausgestorben; in Europa sogar mehr als 90 Prozent! Im Zeitalter der industriellen Landwirtschaft sind es heute nur noch 30 Pflanzenarten, die 95 Prozent des Welternährungsbedarfs decken. Von diesen werden nur wenige Sorten aus der Schatztruhe der Vielfalt angebaut. Welch eine Dramatik in Zahlen! r oh t „Teufels GRÜNDE FÜR DEN RÜCKGANG DER ARTEN- UND SORTENVIELFALT Gründe für den Rückgang der Arten- und Sortenvielfalt Industrielle Landwirtschaft mit großflächigen Monokulturen Verdrängung regionaler Sorten durch moderne Sorten, die auf Einheitlichkeit und hohen Ertrag hin gezüchtet wurden (Hybridsorten) Etagenzwiebel (Allium cepa) Saatgutverkehrs- und Sortenschutzgesetze in Deutschland sowie entsprechende Richtlinien der EU erschweren den Handel und den Tausch von alten Hausgartensorten Konzentration von Saatgut in Händen weniger großer Konzern. In Folge Rückgang der Zahl selbstständiger mittelständischer Zuchtbetriebe in Deutschland und vielen anderen Ländern Zulassung und Patentierung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) fördert Monopolstellung von Großkonzernen, die im Paket Saatgut, Dünger und Pestizide an die von ihnen abhängigen Bauern verkaufen – mit jeder Zulassung von GVO wird sich dies noch zuspitzen! Tomate „Roter Heinz“ Samenfeste Landsorten, die von Bauern über Jahrhunderte selektiert wurden und unseren Großeltern noch vor 50 Jahren bekannt waren, sind fast völlig aus den Gärten und von den Feldern verschwunden. Der Handel mit diesem nicht (mehr) auf der EU – Sortenliste registriertem Saatgut ist verboten. Immer mehr samenfeste Sorten werden im EUSaatgutregister gestrichen. Ziel Spargelerbse BUND FREUNDE DER ERDE Spitzkohl „Filderkraut aus Stuttgarter Region Grünkohl „Ostfriesische Palme“ des Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) ist es, den Sortenschwund von Kulturpflanzen zu stoppen. Deshalb erhalten die Mitglieder des VEN alte Sorten für Vereinszwecke. Das breite Sortenspektrum der vernachlässigten Sorten ist nicht nur geschmacklich reichhaltig, sondern aufgrund der vielfältigen genetischen Eigenschaften möglicherweise widerstandsfähiger gegen künftige Krankheiten oder ist trockenheits- und hitzetolerant. Glücklicherweise tauchen noch ab und zu alte Landsorten auf, die privater Erhaltung über Generationen entstammen. Doch wie lange noch? Es ist ein Wettlauf mit der Zeit: denn auch in den am meisten entlegenen Regionen Europas ist mittlerweile abgepacktes Einheits- und Hybridsaatgut erhältlich und verdrängt so bäuerliche und gärtnerische Traditionen. Und dieser Verlust von Vielfalt findet weltweit statt. „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 1 - Nutzpflanzenvielfalt in Gefahr Fotos: VEN (3), Sibylle Maurer-Wohlatz (4) Klaus Lang (2); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND und Ursula Reinhard, VEN; Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Hafer Projektförderung aus Erträgen von BINGO! Die Umweltlotterie „Schwarzer Schwede“ WILDTOMATEN UND ERSTE KULTURFORMEN BIODIVERSITÄT VON NUTZPFLANZEN AM BEISPIEL VON TOMATEN Gelbe Peruanische il W Die Tomate gehört zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceen) und stammt ursprünglich aus der Andenregion von Peru bis Ekuador. Ihre wilden Stammformen sind noch heute in Südamerika verbreitet. Die Wildarten tragen teilweise besondere Resistenzen gegen die Pilzkrankheiten der Kulturtomaten in sich, sind ganz besonders aromatisch und an die Klimata unterschiedlicher, teilweise extremer Standorte angepasst. So können z.B. einige der murmelgroßen Wildtomaten leichte Minusgrade überstehen. Wildtomaten sind daher ein nicht bezahlbarer kostbarer und vielfältiger genetischer Schatz für neue Züchtungen, so auch die besonders salztolerante und wohlschmeckende dtoma te a us de eif n Anden - unr L. Cheesmanii, eine Galapagos-Wildtomate. Bauerntomate Honduras Bolivianische Obsttomate Zapothekentomate Angesichts dieser natürlichen genetischen Vielfalt ist es unverständlich, warum mit Hilfe einer Risikotechnologie, der Gentechnik, jetzt salztolerante Gentomaten gezüchtet werden sollen, obwohl dies dank klassischer Sortenzüchtung durch Einkreuzen von Galapagos-Wildtomaten möglich wäre. Bereits Alexander von Humboldt entdeckte und beschrieb bei seinen Reisen durch Südamerika Wildtomaten (Lycopersicum spec.). Andenhorn Reisetomate „Guatemala“ So ist bis heute eine nach ihm benannte rote Wildsorte „Humboldtii“ bekannt. Schon in vorkolumbianischer Zeit wurde die Tomate in vielfältigen Formen und Farben züchterisch bearbeitet zum Kochen, Trocknen und zum Frischverzehr. Indigene Kulturformen der Tomate (Lycopersicum esculentum) von Peru über Mittelamerika bis in die südliche USA sind in Form, Farbe, Geschmack und Konsistenz faszinierend vielfältig; wie hier am Beispiel von Bauerntomaten aus Guatemala, Bolivien, Honduras, Peru, Argentinien und Mexiko zu sehen ist. Wildtomate Galapagos Cheesmanii BUND FREUNDE DER ERDE Argentinische Wildtomate Peruanischer Beutel „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 2 - Wildtomaten und erste Kulturformen Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (10), eine historische Abbildung: Botanischer Garten Berlin; Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND und Ursula Reinhard, VEN; Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Wildtomate Columbianum Projektförderung aus Erträgen von BINGO! Die Umweltlotterie TOMATEN ALS BOTSCHAFTER DER KULTURPFLANZENVIELFALT VIELFALT FÜR AUGE UND GAUMEN Die bei der Eroberung Südamerikas vorgefundenen Kulturtomaten der dortigen indigenen Bevölkerung (Lypersicon esculentum) wurden Mitte des 15. Jahrhunderts nach Portugal und Spanien gebracht: Erste Namensgebungen wie „Pomo d´Oro“ lassen trotz der natürlichen genetischen Vielfalt vermuten, dass unter ihnen auch gelbe Sorten waren. Die mitgebrachten Sorten wurden in Europa lange Zeit nur zur Zierde in fürstlichen und botanischen Gärten als „Pomme Fleischtomate Usbekistan Mammoth German Gold d`Amour“ - als Liebesapfel - gehalten. Erst im 18. Jh. wurden sie in Italien gegessen und in Deutschland erst nach 1900 verbreitet. Erst die stark beworbene, in Deutschland gezüchtete und 1906 auf den Markt gebrachte Sorte Lukullus, schaffte den Durchbruch im Handel. Heute zählen Tomaten zum beliebtesten Gemüse der Deutschen und sind aufgrund ihrer Inhaltsstoffe sehr gesund. An e denhorn-Blüt Die weltweite züchterische Bearbeitung von Tomaten hat cremefarbene, hell- bis zitronengelbe, goldgelbe, orange, scharlachrote, rosa, violette bis braunrote und im Reifezustand grüne und mehrfarbig gestreifte Tomaten hervorgebracht, die sich auch in Formen, Größe und vor allem in ihrem Geschmack stark unterscheiden. Bis in die 1990er Jahre waren bei uns fast ausschließlich rote, runde Einheitstomaten im Handel erhältlich. Dies ändert sich zunehmend. Kleine Gelbe Irakische Herzförmige Old German Grüne Trauben Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt setzt sich seit mehr als 20 Jahren für die Erhaltung vom Aussterben bedrohter alter und seltener Sorten ein. Ziel ist, die Freude vieler Menschen am Thema „Vielfalt von gärtnerischen und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen“ im eigenen Garten zu wecken und zur eigenen Saatvermehrung zu motivieren. Nur so kann wieder ein fast schon verloren geglaubtes Wissen lebendig weitergereicht werden. Vielleicht interessieren auch Sie sich dafür, ehrenamtlich an der Sortenerhaltung dieses Kulturgutes und seiner (Wieder-) Ausbreitung mit zu wirken. Er werden stets Paten für Tomaten und andere Arten gesucht: Mehr unter www.nutzpflanzenvielfalt.de Schwarzer Maure BUND FREUNDE DER ERDE Guernsey Island Russische Schwarze „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 3 - Tomaten als Botschafter der Kulturpflanzenvielfalt Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (11); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND und Ursula Reinhard, VEN; Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Projektförderung aus Erträgen von BINGO! Die Umweltlotterie CHILIS – SCHARFE VIELFALT VON DER WILDEN ZUR DOMESTIZIERTEN SORTENVIELFALT G Rad der domestizierten Arten: C. annum L., C. Die rund 30 bekannten Paprika-Wildarten der Gattung Capsicum frutescens L. C. chinense Jacp., Ca. baccatum var pendulum und C. pubescens L. sind in Süd- und Mittelamerika beheimatet. Bereits in präkolumbianischer Zeit wurden fünf Arten kultiviert. Wie Kartoffel, Tomate und Tabak stammen auch Paprika aus der neuen Welt und gehören zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceen). Ihre Früchte sind - botanisch betrachtet - Beeren. In kolonialer Zeit wurden sie in warme Regionen Asiens und Afrikas gebracht, wo sich ein weiteres Zentrum der Vielfalt entwickelt hat. Alle Arten können unter entsprechenden Kulturbedingungen mehrjährig gezogen werden und wachVielfalt der Wildchilis sen als verholzende Halbsträucher. In unseren Breiten erfolgt die in Beeren – und Blütenform Kultur meist einjährig. Bäuerliche und gärtnerische Auslese brachte eine immense Farben- und Formenvielfalt hervor, lange bevor eine gezielte Züchtung erfolgte. Unterschieden n - Capsicum annu Tepi um werden die scharfen, meist etwas kleineren und dünnfleischigeren Chili und die milden, oft größeren und va r. dickfleischigeren süßen und Gemüse-Paprikas. Die Schärfe der Früchte hängt von ihrem Capsaicingehalt ab und wird in 10 Schärfegrade unterteilt. Die höchste Capsaicin-Konzentration weisen die hellen Samenleisten auf. Bei vielen scharfen Sorten ist die Spitze mild. Scharfe und milde Früchte kommen unregelmäßig bei allen kultivierten Arten vor. lab ulum risc Die Art Capsicum annuum ist sehr variabel. Zu ihr gehören unsere milden Gemüsepaprika ebenso wie südeuropäische Peperonis, Peperoncinis und Chilis. Die Blüten der Art sind weiß, selten auch violett und haben bläuliche Staubblätter. Die Früchte stehen einzeln oder in Gruppen aufrecht oder sie hängen. C. annuum wird meist einjährig kultiviert. Einige Sorten sind in Mitteleuropa freilandtauglich und werden als Farb-, Heil- und Zierpflanze verwendet. Die wilde Ausgangssippe dieser Art ist var. glabriusculum. Sie ist auch als Chiltepin, Tepin oder Vogelchili bekannt. Sie hat kleine, meist aufrecht stehende, leuchtend rot oder selten gelb gefärbte, sehr scharfe Früchte, die gerne von Vögeln gefressen werden, wodurch der Samen verbreitet wird. Black Beauty – Aromatische milde Gemüsepaprika Laterna de foc – Lokalsort aus dem Kosovo Capsicum annuum convar. Longum Turuncy Spiral Kulturvielfalt für Augen und Gaumen in Farbe, Form, Aroma und Schärfe BUND FREUNDE DER ERDE „Dschuljinska Schipka Sarit Gat Beschrieben wurde für Capsicum annuum eine Form mit runden und eine mit eher spitzen Früchten: Die convar. fasciculatum bringt ein Bündel meist aufrecht stehender, dekorativer Früchte hervor, wie bei der italienischen Sorte „Laterna de foc“. Die conv. grossum hat höchstens 20 cm lange und 12 cm breite, kugelige bis platt gedrückte, ei-, kegel- oder würfelförmige Früchte, deren Spitze wie bei Gemüsepaprika eingedrückt ist. Die conv. longum hat bis zu 25 cm lange und 6 cm breite, zugespitzte Früchte. Sorten vom CayenneTyp haben längliche Früchte mit spitzem Ende wie bei vielen Peperonis. Dazu gehören vielfältige, südeuropäische Lokalsorten wie „Elefant Chili“, „Dschuljinska Schipka“, „Sarit Gat“ oder „Turuncy Spiral“. Doch wie lange wird es möglich sein, diese Regionalvielfalt zu erhalten, wenn nur noch Einheitssaatgut im Supermarkt angeboten wird? „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 4 - Chilis - Scharfe Vielfalt Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (7) Boris Reinsch (3); Text: Dr. Thomas Gladis und Boris Reinsch; Redaktion: Sibylle Maurer-Wohlatz; Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Projektförderung aus Erträgen von BINGO! Die Umweltlotterie CHILIS – VIELFALT DER AROMEN BIODIVERSITÄT DOMESTIZIERTER CHILIS IN SÜD- UND MITTELAMERIKA Im südamerikanischen Hochland und den Hochebenen Mexikos wird die relativ kälteresistente Capsicum pubescens kultiviert. Sie hat behaarte und angenehm duftende Sprossen und Blätter und bildet dort mehrjährige Bäumchen aus. Gut zu erkennen ist diese „Baumchili“ an ihren hübschen blauvioletten, selten weißlichen Blüten und Staubblättern. Die dickfleischigen, breiten Früchte trugen ihr den Namen „Apfel“ ein: in Mexiko „Manzano“, in Peru „Rocoto“ und in Bolivien „Locoto“. Die Früchte sind sehr aromatisch und höllenscharf mit schwarojo r no Blüte der Manza zen Samen. Das Fruchtfleisch ist gelb, Gelber Manzano von den Zapothek-Indios orange oder rot bis rotbraun gefärbt. Chilivielfalt im Public Market Center in Seattle (USA) Die Art Capsicum chinense hat sehr vielfältige Ausprägungen und stammt wahrscheinlich ursprünglich aus klimatisch wärmeren Regionen Perus und Brasiliens. Die Blüten sind blass gelblich oder grünlich. Der Kelch der reifen Frucht hat oft eine ringförmige Einschnürung, die ihr ein glöckchenähnliches Aussehen verleiht. Die Früchte sind weniger fleischig und Capsicum chinense Jacp. Kuba: weiß, gelb, orange, rot oder braun gefärbt. Zu Eine typische milde Aji Dulce mit köstlichem Aroma Formenvielfalt der Capsicum chinense Jacq. dieser Art gehören extrem scharfe Sorten wie die „Habanero“-Gruppe oder die asiatische „Naga Morich“, aber auch die milden, verführerisch aromatischen Sorten der „Aji-Dulce“- Gruppe. Die Art Capsicum frutescens ist ebenfalls eine Wärme liebende Art. Sie hat grünlich-weiße Kronblätter, deren Zipfel leicht zurückgeschlagen sind. Die Blütenstiele stehen aufrecht und sind gerade gestreckt. Die Blütenknospen bilden zum Stiel ein „Pfeifenköpfchen“, weshalb auch die reifen, gelb oder rot gefärbten Früchte etwas schief angesetzt wirken. Bekannt ist die Sorte „Tabasco“ und die nach ihr benannte scharfe Sauce. Formenvielfalt der Capsicum Baccatum va pendulum (Willd.) Eshbaugh BUND FREUNDE DER ERDE Dedo de moca aus Brasilien Bolivia wild – Wilde Capsicum baccatum var. baccatum aus Bolivien Capsicum Frutescens L. aus Asien Die Art Capsicum baccatum weist innen an der Basis der weißen Blütenblätter grünliche oder gelbe bis hellbraune Flecke auf. Die Art hat zwei Ausprägungen (Varietäten) mit unterschiedlichen Wuchsformen. So hat var. baccatum kleine, meist aufrecht stehende, das Laub überragende Beeren und var. pendulum größere, hinsichtlich ihres Aromas und der Farbe variablere, meist hängende Früchte. Sie können rot, orange oder gelb gefärbt sein. Scharfe, sehr dankbare Sorten wie „Dedo de Moca“ blühen und fruchten später, lassen sich bei uns auf der Fensterbank erfolgreich ausreifen und überwintern. Einige Sorten gedeihen auch im Freiland. „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 5 - Chilis - Vielfalt der Aromen Fotos: Marco Budinis (1), Sibylle Maurer-Wohlatz (3), Boris Reinsch (3), Jan-Hendrik Ohlendorf (1); Text: Dr. Thomas Gladis und Boris Reinsch; Redaktion: Sibylle Maurer-Wohlatz; Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Projektförderung aus Erträgen von BINGO! Die Umweltlotterie KARTOFFELVIELFALT KNOLLEN FÜR DIE WELTBEVÖLKERUNG Die Uno hat in 2008 das „Jahr der Kartoffel“ ausgerufen, um damit auf die Bedeutung der Knolle (Solanum tuberosum) für die globale Ernährungssicherheit hinzuweisen. Die Kartoffel ist viertwichtigstes Grundnahrungsmittel und könnte in Zukunft eine viel größere Rolle bei der Bekämpfung des Hungers in der Welt spielen. Schon vor 8000 Jahren wurde die Kartoffel von den Ureinwohnern Südamerikas in den peruanisch-bolivianischen Anden um den Titikakasee in Höhen bis zu 4300 m kultiviert. Neben den Wildarten sind in Süd- und Mittelamerika mehr als 3000 traditionelle Kartoffelsorten bekannt. Von diesen gibt es ungezählte Landsorten, die nur von einzelnen Familien angebaut werden, über Jahrhunderte selektiert wurden und den regionalen Bedingungen angepasst sind. Diese unglaubliche Sortenvielfalt ist durch den Anbau moderner Einheitssorten und den Verlust des Wissens traditioneller Anbaumethoden vom Aussterben bedroht. of fel Deshalb wird in Projekten wie dem „Potato Park“ – einem ZusamKultursorten--Vielfalt in den Anden menschluss von sieben Quechua-Dörfern im Hochland von Peru der einmalige Schatz von mehr als 600 Kartoffelsorten dieser Region geschützt. Außerdem widersetzen sich dort die Bauern der Patentierbarkeit von Arten und Sorten durch Saat-Konzerne. Die Region um Cuzco in Peru gilt als Urheimat der Wild- und erster Kulturkartoffeln. Deshalb hat die Regierung von Cusco den Anbau gentechnisch veränderter Kartoffeln verboten, um die einmalige Vielfalt und damit die indigene Kultur zu bewahren. Hochlandkartoffeln aus dem Gebiet des Äquat r Ka tte tors gedeihen in unseren gemäßigten Zonen Blüte einer La Ra schwer. Daher sind die europäischen Kulturkartoffeln aus einer Kreuzung peruanischer mit chilenischen Sorten hervorgegangen, die den längeren Sommern in Chiles Zonen angepasst und so für den Anbau in Europa geeignet sind. Die ersten Kartoffeln wurden in Gran Canaria um 1550 angepflanzt und von dorther nach Europa gebracht. Belegt ist, dass Kartoffeln 1576 in einem Krankenhaus in Sevilla als Nahrung gereicht wurden. Friedrich II. zwang während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) mit dem „Kartoffelbefehl“ die Bauern zum Anbau der gesunden Knolle, die so in Deutschland Grundnahrungsmittel wurde. Seit dieser Zeit wurde auch bei uns eine Kartoffelvielfalt gezüchtet, von der nur wenige Sorten bis heute überlebt haben. Hier werden einige Sorten vorgestellt, die nicht mehr im Handel sind. Sie werden von der IPK Gatersleben, der staatlichen Genbank, als genetische Ressource bewahrt. Um ihre Erhaltung widmen sich auch engagierte Vereine, Biobauern und Privatpersonen. BUND FREUNDE DER ERDE „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 6 - Kartoffelvielfalt Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (7), Biohof Ellenberg (1), FAO 2008 „Esposición de la papas „ - Laufleiste (3) CIP (3) Centro International de la Papa: mehr unter www.cipotato.org und auf der kostenlos zu erhaltenden CD „Das grüne Gold der Inkas wie die Kartoffel in Zeiten des Klimawandels die Ernährung sichern kann.“ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 2008 - [email protected] Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND; Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Projektförderung aus Erträgen von BINGO! Die Umweltlotterie LINDA DIE KÖNIGIN EINE KARTOFFEL MACHT GESCHICHTE So sieht es das europäische Saatgutgesetz vor: Damit eine Sorte zugelassen wird, muss vom Züchter die Zulassung beantragt und Qualitätsprüfungen durchlaufen werden, bis sie vom Bundessortenamt zugelassen wird. Der Züchter lässt dann die Sorte patentieren und genießt damit 30 Jahre Sortenschutz. Danach läuft ein Patent aus und darf lizenzfrei nachgebaut werden. Sorteninhaberin der Linda war die Firma Europlant GmbH, die für Linda-Saatkartoffeln und den Nachbau Lizenzgebühren von den Bauern erhält. Kurz vor Ablauffrist hat Europlant das Patent zurückgezogen und damit versucht, die beliebte Kartoffel aus dem Verkehr zu ziehen, denn eine neue, angeblich bessere Sorte der Firma soll Linda ersetzen. Dies löste einen Proteststurm von Verbrauchern und Landwirten aus, denn Linda ist überaus beliebt, schmeckt hervorragend und ist für den Bioanbau sehr gut geeignet. Öffentliche Straßenverkaufs-Aktionen des Vereins „Rettet die Linda“ wie sie vielerorts in Norddeutschland durchgeführt worden sind - offensichtlich mit Erfolg! Linda Beschlagnahmung von Saatkartoffeln auf dem Biohof Ellenberg, heftige öffentliche Diskussionen in allen Medien, vorübergehende Schonfrist durch das Bundessortenamt. All dies hat Europlant nicht dazu bewegt, das Patent „normal“ auslaufen zu lassen. Darauf hin beantragte der Linda-Freundeskreis und der Landwirt Klaus Ellenberg die Neuzulassung in mehreren EULändern. In 2009 erfolgte in Schottland die Wiederzulassung zur Freude aller Linda-Fans. Linda wird auf den Feldern des Bio-Betriebes der Familie Ellenberg geerntet Dieses skurrile Kartoffelmännchen war ein Zufallsprodukt beim Privatanbau für den eigenen Verzehr: Wirklich Zufall? oder Botschafter für „Rettet die LINDA“ und Symbol dafür, dass es kein privates Patent auf Leben dauerhaft geben darf! Linda Herkunftsland Estland. Zulassung 1974, Reifezeit mittelfrüh, Knolle oval, Schalenfarbe gelb, Fleischfarbe hellgelb, Augentiefe mittel, Knollenschale glatt, Vewendungszweck Speisekartoffel, Kochtyp vorwiegend festkochend. Linda hat einen aromatischen, feinen Geschmack. So ist sie als festkochende, gefüllte Knolle heiß geliebt. Sie hat unterdurchschnittliche Ertragsleistungen bei einem hohen Anteil kleiner Knollen. Allerdings weist sie dafür meistens geringe innere und äußere Mängel auf. Resistent gegen Kartoffelkrebs. Anfällig für Kartoffelschorf, Kartoffelvirus X, Kartoffelnematoden. Dies alles war teuer und unnötig, denn Linda hat fast 30 Jahre den Praxistest bestanden. Weniger im Rampenlicht steht der äußerst problematische Anbau der gentechnisch veränderten, besonders stärkehaltigen Industriekartoffelsorte „Amflora“ der Firma BASF. Der Anbau wurde zu „wissenschaftlichen“ Zwecken – eigentlich zur Saatgutvermehrung – 2009 in Deutschland genehmigt. Eine kommerzielle Zulassung ist bei der EU beantragt. Der Haken: Die Gentech-Kartoffel enthält als Marker ein Resistenz-Gen gegen das Antibiotikum Kanamycin. Nicht nur die Weltgesundheitsorganisation befürchtet, dass mit der Zulassung solcher Sorten die Verbreitung von Resistenz-Genen gegen wichtige Antibiotika für die Menschheit unabsehbare Folgen haben kann: In der Medizin werden sie zur Bekämpfung von Tuberkulose und anderen schweren Krankheiten eingesetzt. Die Alternative: Besonders stärkehaltige Industriekartoffeln können über züchterische Auslese aus dem natürlichen genetischen Schatz konventionell gezüchtet werden. BUND FREUNDE DER ERDE „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 7 - Linda die Königin Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (2), Biohof Ellenberg (4); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND; Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Projektförderung aus Erträgen von BINGO! Die Umweltlotterie e lüt in B VON EMMER UND EINKORN ÄLTESTE EURASISCHE GETREIDEARTEN MIT ZUKUNFTSCHANCEN Emmer (Triticum dicoccum) und Einkorn (Triticum momococcum) sind die ältesten kultivierten Getreidearten unserer Kulturkreise. Emmer ist eine bespelzte Weizenart, die vor 10.000 Jahren durch Kreuzung von Wildgras (T. dicoccoides) und Einkorn entstanden ist. Das eiweiß- und mineralstoffreiche Ac s) ke Getreide wurde bereits in Assyrien als rote, weiße und dunali r-R r eg itter sporn (Consolida kelbraune Sorte angebaut und war Grundnahrung römischer Legionäre. Noch heute ist Emmer in Mittelitalien eine regionale Spezialität. In den letzten 100 Jahren wurde es jedoch durch moderne Weizensorten verdrängt und hat eher zufällig überlebt. Vereine und Biolandwirte haben dieses gesunde alte Getreide wieder entdeckt und Reste der ehemaligen Vielfalt durch vermehrten Anbau gerettet, die oft nur noch in Genbanken erhalten wurde. Zuchtstamm eines freidreschenden Einkorns mit längeren Grannen aber noch sehr gedrungener Ähre. Einkornfeld Einkorn Schwarzer Emmer Ein Erfolg der Lobbyarbeit für alte Kulturpflanzenarten und deren regionale Sorten ist, dass 1992 beim Umweltgipfel in Rio de Janeiro eine internationale Übereinkunft zur biologischen Vielfalt verabschiedet wurde mit einem Aktionsplan zum Erhalt pflanzengenetischer Ressourcen, zu denen das Kulturerbe der NutzpflanzenVieltfalt gehört. 1998 hat sich auch die EU der Förderung dieser seltenen regionalen Getreidesorten angenommen, so- dass für den Anbau von Emmer und Einkorn den Landwirten dieselben Prämien wie für konventionelle Getreidesorten gezahlt werden können. Einkorn wurde bereits vor 12.000 Jahren aus dem (Ur)Wildeinkorn (Triticum boecticum) domestiziert und hat sich vom Ursprungsgebiet des Euphrat und Tigris in der heutigen Türkei ab ca. 7.600 v. Chr. in Europa und Kleinasien verbreitet. In einigen Gebieten Süd- und Osteuropas hat sich Einkorn als Breigrundlage, Schweinefutter oder aufgrund seines feinen elastischen Strohs zum Flechten von Bienenkörben erhalten. Das fast verschwundene EinEinkorn-Zuchtstamm mit kräftigem Braunton im Reifezustand korn wurde auf der Suche nach gesunden, ursprünglichen Getreidesorten in den Anfängen der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise wiederentdeckt. Eine für die Züchtung besondere interessante spelzenfreie Variante wurde in den 1960er Jahren in Taschkent und Daghestan angebaut. Emmer hat im Vergleich zu anderen Weizenarten einen hohen Anteil ungesättigter Aminosäuren, Carotonoide und Eiweiße. Sein Aroma ist nussig, er gilt als glutenarm. Einkorn-Zuchtstamm mit rot verfärbenden Spelzen zu Beginn der Reifezeit So erklärt sich die zunehmende Wertschätzung dieser Getreideart durch Verbraucher, Bäcker und Bio-Landwirte, die zu einer Renaissance des Anbaus in Europa geführt hat. In Niedersachsen werden verschiedene Einkorn-Sorten durch den biologisch-dynamischen Getreidesaatgut-Betrieb Darzau erhalten, züchterisch entwickelt und an unser Klima angepasst. Mehr Informationen zu Einkorn unter http://www.einkorn.de Wildeinkorn BUND FREUNDE DER ERDE Einkorn „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 8 - Von Emmer und Einkorn Fotos: VEN (1), Sibylle Maurer-Wohlatz (1), Boris Reinsch (2) Karl Joseph Müller (5) Klaus Lang (1); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND und Karl Joseph Müller; Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Projektförderung aus Erträgen von BINGO! Die Umweltlotterie ES MUSS NICHT IMMER SPINAT SEIN VON GUTEM HEINRICH, FUCHSSCHWANZ, BAUMSPINAT & ROTEM MEIER Zierde mit essbaren Blättern. Grüner Fuchsschwanz (Amaranthus caudatus). Roter Fuchsschwanz (Amaranthus caudatus). Quinoa (Chenopodium quinoa) und vor allem Fuchsschwanz-Amarant (A. caudatus) wurde von den Azteken, Inkas und Mayas magische Kräfte zugesprochen. Der Amarant-Anbau wurde deshalb von den spanischen Eroberern bei Todesstrafe verboten. So hat sich diese R ot e F uc hsschwanzblüte wertvolle Kulturpflanze nur in entlegenen Gebieten erhalten und erst spät wieder ausbreiten können. Die hier vorgestellten Pflanzen gehören alle den Familien der weltweit verbreiteten Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae) oder Gänsefußgewächse (Chenopodiaceaen) an. Zur letzteren Familie gehört auch der uns vertraute Spinat. Der Name „Amaranthus“ stammt aus dem Griechischen und kann mit „unsterblich“ oder „nicht welkend“ übersetzt werden. Möglicherweise verweist dies auf die getreideähnlichen Körner vieler Sorten dieses „Pseudogetreides“, die hochwertiges Eiweiß, ungesättigte Fettsäuren und wertvolle Spurenelemente enthalten. Die namensgebende Gattung Amaranthus ist mit zahlreichen Arten und Sorten in der Neuen Welt verbreitet. Archäologische Samenfunde sind bis zu 9000 Jahre alt. Auch am Ganges wurde vor 4500 Jahren bereits Fuchsschwanz-Amarant angebaut. Quinoa aus den Anden Amaranth der Hopis „Hopi Red Dye“ (Amaranthus cruentus L.), der auch zum Färben von Lebensmitteln benutzt wird. Quinoa aus der Familie der Gänsefußgewächse hingegen ist bis heute Grundnahrungsmittel mit einer Vielzahl seiner mehr als 2000 Unterarten und Sorten. Die rote Gartenmelde (Atriplex hortensis L.) ist eine wohlschmeckende Kulturform der wilden südeuropäischen Melde, die bereits von den Römern angebaut und von diesen nach Mitteleuropa gebracht wurde. Seit der Steinzeit wurde der Gute Heinrich (Chenopodium bonus-henricus) bei uns genutzt. Heute steht die Wildpflanze auf der roten Liste. Wildsammlungen sind verboten. Die Blätter sollten erst später am Tag geerntet werden, da die Nitratwerte dann wie bei allen Stickstoff liebenden Pflanzen geringer sind. Die Blätter können spinatähnlich zubereitet werden. Vor allem Meldegewächse können im reiferen Zustand mehr Saponine und Oxalsäure enthalten. Durch Abgießen des Kochwassers werden diese reduziert. BUND FREUNDE DER ERDE Hier werden wieder entdeckte und zugleich uralte Spinatpflanzen vorgestellt, die sowohl zum Nutzen als auch zur Zierde jeden Garten bereichern. Gegessen werden vornehmlich die jungen, zarten Blätter. Erdbeerspinat (Blitum virgatum L.) erstmals von Carolus Clusius in 1601 erwähnt und wahrscheinlich aus Amerika eingeführt. Baumspinat (Chenopodium giganteum) indischer Herkunft, „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 9 - Es muß nicht immer Spinat sein Fotos: VEN (2), Sibylle Maurer-Wohlatz (7), Davert GmbH (1); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND und Ursula Reinhard, VEN; Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Der Rote Meier, eine seit 1900 durch den Spinat verdrängte, bei uns seit Jahrhunderten bekannte Sorte, deren junge Blätter und Triebspitzen wie Spinat zubereitet werden. Projektförderung aus Erträgen von BINGO! Die Umweltlotterie URSPRUNG DES MAIS TRADITIONELLE MAISKULTUR - MENSCHEN AUS MAIS h n ln nwurze Pfl a n ze Kr on e Mais ist ein einjähriges Gras. Es entstand vor 9000 Jahren durch Mutationen aus dem bis zu 3m hohem Wildgras Teosinte (Zea mays ssp.parviglumis (Iltis & Doebley)). Bis heute wachsen Teosinten wild in Lateinamerika. Sie gehören zur Art Zea mays und parvigMännliche Maisblüte Weibliche Maisblüte lumis bezeichnet die Unterart, wodurch sich die Verwandtschaft und leichte Kreuzbarkeit von Mais mit Teosinten erklärt. Der Stängel des Mais kann bis zu fünf Zentimeter dick und bis zu sieben Metern hoch werden; es sitzen weibliche und männliche Blüten an einer Pflanze. Auch wenn sich Mais wesentlich selber befruchten kann, ist eine Fremdbestäubung durch Wind möglich. Der Pollen kann bei starkem Wind kilometerweit fliegen. Damit besteht die Gefahr der Kontamination alter Landsorten durch gentechnisch veränderten Mais oder durch MaishybriHuldigung des Mais auf einem Wandbild (Chiapas - Mexiko) den. So ist die Kulturvielfalt, die in der Neuen Welt seit Jahrtausenden und in Europa seit fast 500 Jahren an Boden und Klima angepasst gezüchtet wurde, akut bedroht! Farben des Mais entsprachen den unterschiedlichen Farben der Der Name „Mays“ bedeuHaut. Mais-Fruchtbarkeitsgötter standen als Idole in jeder Hütte. tet in der Sprache der An jedem Maisfeld wachte ein Gott. Bis heute hat der heilige Mais alten Völker Ameri„Santo grasia nal“ in den indigenen Kulturen Mexikos eine tiefe kas soviel wie „das e lf e Bedeutung. Noch immer dienen Maiskolben als Opfergaben. Die en unser Leben Erhaloh h de r r Standfestigkeit de guten Maisgeister vertreiben die bösen am Kinder- und Krankentende“. Mais gab ihbett. Das heilige Ritual der archaischen Milpa-Kultur ist Teil ihrer nen Nahrung im Überfluss Identität und bildet die Ernährungsbasis ihrer Völker. und wurde von ihnen sorgsam beIn Meso- und Südamerika wurde unter den hütet. Sie begleiteten Aussaat und verschiedensten Klima- und BodenverhältnisErnte mit religiösen Zeremonien sen über Jahrtausende hinweg eine unglaubund Opfern für die Götter. Die Menliche Vielfalt von Maisvarietäten zur Herstelschen waren sich der gegenseitigen lung von Getränken, Tortillas, Breien, Grützen Abhängigkeit der göttlichen Natur und Gemüsen in allen Farben entwickelt: und der Pflege des Mais durch den weiße, gelbe, orangefarbene, rote, grüMenschen bewusst. So bezeichnen In der aztekischen Mythologie ist Cen- ne, blaue, lilafarbene, tiefschwarze bis hin sich die Mayas selber als „Menschen téotl ein Gott des Mais, centli heißt maíz und teotl, Gott. Der oberste Mais- und zu- zu bunten Varietäten. Die Kolbengröße des aus Mais“. In ihrem Schöpfungsmygleich Regengott heißt Tlaloc. Die Quelle ist der Rios-Codex aus dem 16.Jh.; eine thos wird erzählt, dass zwei Brüder im der wenigen Schriften, die nicht von der Mais hat sich seit den Anfängen erstaunlich spanischen Inquisition vernichtet wurde. vergrößert: Die Kolben erreichen ein VielChicomecoatl, die Frau des Urwald ein Feld rodeten und darauf Maisgöttin Maigottes mit einem Doppelmaiskolben in der einen Hand für den Fruchtfaches der 6000 Jahre alten, nur zwei Zentimeter langen MaisMais anbauten, aus dem sie die ersten barkeitszauber. Die Skulptur steht im kolben, die in Oaxaca von Archäologen gefunden wurden. Menschen erschufen. Die vielfältigen Völkerkundemuseum Berlin. Bohnen (links) ranken sich um den Mais. Heutige Milpa-Kultur in Chiche, Guatemala, im Vordergrund sind Stangenbohnen, die sich um den Mais ranken, zu sehen. Es fehlt jedoch bereits die Vielfalt der Kulturpflanzen, die früher in einer Milpa angebaut wurde. BUND FREUNDE DER ERDE Traditionelle Anbaumethode ist bis heute die Milpa-Kultur. Milpa heisst auf Nahuatl, der Sprache der Azteken, Maisfeld. Mais wird traditionell in Mischkultur mit Bohnen angebaut, die sich an den Stängeln hochranken und Kürbissen, die mit ihren Blättern den Boden schützen sowie einer Vielzahl von Kulturpflanzen wie Chili, Amarant, Süßkartoffel, Tomatillo und Epazote für Tee. Bei dieser erfolgreichen Kultur unterstützen sich die Pflanzen gegenseitig bei der Abwehr von Schädlingen und führen sich Nährstoffe zu. Jahrtausendelang haben sich die Menschen nicht nur in Mexiko regional, unabhängig und vielfältig versorgt und ernährt. Noch immer wird nach dem „Gold der Inkas“ gejagt und der unschätzbare Wert ihres wahren Erbes verkannt! „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 10 - Ursprung des Mais Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (5),Boris Reinsch (1), Fabian Hanneforth (1), Steeve Hirse (1), Rios Codex 'Centéotle' (1); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz und Martin Häfeli (Anhalonium) Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de; www.anhalonium.com BÄUERLICHE MAISVIELFALT UND KULTUR DURCH VERLUST ALTER SORTEN UND GENTECHNIK BEDROHT untain Indigene und alte europäische Maisvarietäten sind bis heute eine genetische Schatztruhe für den Anbau von widerstandsfähigem Mais für die regionale Versorgung mit gesunden Lebensmitteln! Die traditionellen Landsorten wurden nie patentiert. Sie sind Ergebnis gärtnerischer Arbeit vieler Generationen zum Wohl der Gemeinschaft ohne monopolistische Individualinteressen. Sie sind Kulturerbe der Menschheit. ic Mo Mexiko ist als Kulturzentrum des Mais durch die Internationale Konvention zur Biologischen Vielfalt von1992 geschützt. Lange war der Anbau von gentechnisch verändertem Mais in Mexiko verboten. Die Bauern produzieren vielerorts Mais noch traditionell. Wie lange noch? Die steigende Nachfrage nach Bio-Diesel und damit Maismischung Einfuhr von industriellem Saatgut bedroht die alten Maisressourcen. Ebenso verdrängen US-Importe von Billigmais für die Ernährung die bodenständigen, mexikanischen Sorten vom Markt, die sich die ärmeren Menschen in den Städten nicht mehr leisten können. So wird das Zentrum der Maisvielfalt zum Importland für Mais! Doch allein in Mexiko gibt es mehr als 60 traditionelle Landsorten mit Tausenden lokaler Varietäten. 2009 hat die mexikanische Regierung den „Versuchsanbau“ von gentechnisch veränderten Mais in dem so genannten „Monsanto-Gesetz“ erlaubt. Monsanto ist weltweit der größte ProduAn eine bemerkenswerte regionale Maisvarietät aus dem Ötztal, die noch vor wenigen Jahrzehnten in zent von gentechnisch verändertem Maissaatgut. Unglaublich, dass mexikanische 1000 bis 1500m Höhe angebaut worden war, erinnern heute nur noch die schönen, großen Kolben Bauern wegen des angeblich „illegalen“ Anbaus von gentechnisch verändertem in einem alten Bauernhaus. Mais von den Behörden verfolgt werden, weil sie unwissentlich aus den USA eingeführtes, verunreinigtes Saatgut ausgesät haben. Die Bauern werden nun zur Zahlung von Lizenzgebühren gezwungen! Dahinter stehen finanzielle Interessen: Vier Konzerne beherrschen den weltweiten Maissaatgut-Handel zu 80 Prozent! nt ed ibl We he ai Blü te von P Fraise Rouge - Poppmissorten In Europa sind viele regionale Maisvarietäten vor allem im Osten gehören zu den ältesten Painted Mountain Kultursorten überhaupt Divinität und Süden, in den Alpen und in Süddeutschland angebaut wor(Mehlmais) den. Diese sind inzwischen kaum noch zu finden. Der Sortenschwund geht weiter, denn auch in Europa haben die industrielle Landwirtschaft und der Bio-Diesel-Boom einen gigantischen Zuwachs von Maishybriden mit sich gebracht. In den Monokulturen und auf Böden, wo Jahr für Jahr Mais angebaut wird, breiten sich schnell Kultur-Schädlinge aus. Statt behutsamer Kulturfolge, wie sie noch bis in die Neuzeit praktiziert wurde, um Oaxan Green (Zahnmais) deren Ausbreitung kurz zu halten, wird heute maßlos Chemie aus Mexiko eingesetzt und gentechnisch veränderter Mais als Lösung aller Probleme gepriesen. Die Folgen sind Bodenerosion, Vergiftung auch von Nützlingen und die Anreicherung des Grundwassers mit Nitraten und Giften sowie das Aussterben von Tieren und Pflanzen. Doch es gibt Alternativen solange die alten Maissorten noch lebendig erhalten werden. Argentinischer weißblauer, roter und schwarzer Andenmais Sanguine Pop Mais BUND FREUNDE DER ERDE Paiute, eine alte bunte Zuckermaisvarietät Rio Lucio (Mehlmais), ein frühe, leuchtend blaue Sorte mit großen schönen Kolben, ca. 2m hoch wachsend. „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 11 - Bäuerliche Maisvielfalt und Kultur Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (8), Boris Reinsch (2), Anhalonium (3); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz und Martin Häfeli (Anhalonium) Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Andiner schwarzer Morada (Mehlmais) DIE ALTERNATIVE: ERHALTUNG ALTER KULTURSORTEN, KONVENTIONELLE RESISTENZZÜCHTUNG UND LANDWIRTSCHAFT OHNE GENTECHNIK ch aon ) Viele Sorten aus der Neuen Welt und alte europäische Maissorten werden heute vom Maiskeimklub erhalten, einem Projekt zur Erhaltung und Entwicklung von Maisvarietäten für den biologischen Anbau. Es werden Erhalter für bedrohte Maisvarietäten gesucht, denn nur durch Sc Anbau ist auf Dauer eine Bewahrung unseres a hw albe io m nschwanz (Papil Maiskulturerbes möglich, selbst wenn fachgerecht gelagerte Maiskörner noch viele Jahre keimfähig sind. Sehr zu empfehlen ist die informative Seite zu Maisanbau und Maisvielfalt www.anhalonium.de. Bantammais aus der Aktion für gentechnikfreie Regionen ist ein Zuckermais, der von gentechnisch kritisch eingestellten Menschen angebaut wird, um Schädigungen der eigenen Sorte in Nähe von Flächen mit gentechnisch verändertem Mais nachweisen zu können. In Zusammenarbeit mit „Painted Mountain“ ist eine dankbare Mehl- und Stärkemaisvarietät, die auch in Deutschland gut wächst, sehr niedrig bleibt (1m), einen ungewöhnlich schnellen Ertrag bringt und für farbliche der Bantam-Aktion sollen nun Anbauflächen der alten, bedrohten Überraschungen sorgt. Maissorten im Rahmen der Meldung gentechnikfreier Maisflächen in das bundesweite Register mit aufgenommen werden unter www.bantam-mais.de. Die Kulturvielfalt alter Sorten ist nämlich vor allem durch „Nichtanbau“ vom Aussterben akut bedroht. Es reichen einige Pflanzen im Garten, um ein paar schöne Kolben zu erhalten, die in den folgenden Jahren in größerer Menge oder von mehr Menschen vermehrt werden. Außerdem macht es Freude, die Pflanzen wachsen zu sehen und sich von den interessanten Kolben überraschen zu lassen. Es sollte jedoch stets nah beieinander nur eine Sorte; bzw. früh und spät blühende Sorten miteinander angebaut werden. Golden Bantam ist ein Süßmais. Die Kolben in der Milchreife werden in Wasser gekocht oder gegrillt. Maisanbau in Mischkultur im Garten mit Bohnen, Zucchinis und Kräutern Sizilianischer Polentamais Wurzelschäden durch Maiswurzelbohrer Anders als bei GV-Mais, wo in der Regel nur ein Gen verändert wird, um den Kulturschädling abwehren, verfügen mexikanische Resistenzsorten über einen ganzen Genpool zum Schutz der Pflanze gegen den Maiswurzelbohrer. So kann der Schädling diese Maiskulturen nicht dauerhaft ernsthaft schädigen. Diese natürlichen Anlagen, die in der klassischen Züchtung zum Einsatz kommen, sind wirksamer und schonender als die Methoden der Gentechnik. Nützlinge, die im und am Mais leben, werden so nicht geschädigt und es kommen keine oder deutlich weniger Insektizide Rio Lucio - Maiskörner zum Einsatz. Deshalb stellt die klassische züchterische Entwicklung von Maissorten eine Alternative zur Gentechnik dar. Genmaniven des Kul- Sanguine-Pop - Popmais pulierter Mais, der sog. BT-Mais, produziert in der Pflanze, turschädlings auch im Pollen, permanent das Insektengift Rotweiße Hopimaiskörner Maiszünsler abtöten. Ein weiBacillus thuringiensis (Bt). Laut Angaben teres Gen vermittelt der Maisdes Herstellers, dem Chepflanze eine Herbizidresistenz, was den ho- Weiße Hopimaiskörner miekonzern Monsanto, soll hen Spritzmitteleinsatz gegen Wildkräuter im es nur die LarRote Abruzzenmaiskörner Feld ermöglicht. Beides bedroht unsere heimische Artenvielfalt, Wildpflanzen ebenso wie Tiere. Durch Weißbunte argentinische das BT-Gift in Pflanze und Pollen sind insbesondere Insekten, die im Zweiki- Maiskörner lometerradius um und an Maisfeldern ihren Lebensraum haben stark gefährdet. Dazu gehören u.a. Schmetterlinge wie der Schwalbenschwanz, Wasserlebewesen wie Köcherfliegenlarven sowie nützliche, räuberische Insekten wie Zweipunktmarienkäfer. BUND FREUNDE DER ERDE „Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 12 - Die Alternative Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (14), Karsten Lange (1) Saatenunion (2); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz und Martin Häfeli (Anhalonium) Layout: Ingrid Ohlendorf Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen. www.bund-hannover.de Rote argentinische Maiskörner Morada-Mais zur Herstellung von Chicha-Getränken in Peru und Bolivien