Rezeption und Transformation des Pygmalion

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Rezeption und Transformation des Pygmalion
Rezeption und Transformation des Pygmalion-Mythos in den
europäischen Literaturen des Mittelalters
Martina Feichtenschlager (Salzburg)
Die Metamorphosen Ovids transportieren eine Vielfalt an
Frauenbildern. Da gibt es tugendhafte Frauen, die ewig Jungfrau
bleiben wollen, sich womöglich auf der Flucht vor einem Freier in
einen Lorbeerbaum verwandeln lassen oder aber auch emanzipierte
Frauen, die „femmes fatales“, wie man sie bezeichnen könnte, die vor
nichts zurückschrecken, die selbst tapfere Jägersmänner in
Hundefutter verwandeln. Allen gemeinsam ist, dass sie dem Leser ein
Frauenbild vermitteln, ein Bild der Weiblichkeit suggerieren, so diffus
es auch sein mag.
Kämmt man heute CD- oder Bücherregale durch, findet man allzu oft
auf den Covers Abbildungen von Frauen:
Bevor ich nun das eigentliche Thema meiner Magisterarbeit, die
Rezeption und Transformation des Pygmalion-Mythos, vorstelle,
möchte ich noch einen Moment bei diesem Bild verweilen. Die
Abbildung ist an sich nichts Besonderes, von ihrer Art gibt es
Tausende. Doch was suggeriert und was transportiert sie. Ich möchte
meine Überlegungen zu diesem Bild im Folgenden systematisieren:
1
Erstens wirkt die Frau in ihrer Position „gemacht“. Ihre
Körperhaltung, ihr Gesichtsausdruck wirkt nicht natürlich, sondern
künstlich. Betrachtet man das Bild als Ganzes, wirkt es fast so, als ob
sie auf einem Podest, auf einer Erhöhung oder in einer Einfriedung
stünde. Ich möchte fast sagen, sie fungiert als Statue.
Erwähnenswert ist zudem, dass es scheint, als ob die Frau auf einer
Art Spiegel stünde. Damit ist der Narziss-Mythos hereingeholt.
Narziss hat jedoch weniger Glück als Pygmalion, dem die Göttin
Venus hilft, seine geliebte Statue zu beleben. Narziss muss auch nach
seinem Tod an der Quelle weiterleiden und sich in der Styx
fortwährend besehen. Die Kunstfrau auf dem Bild könnte nun also
auch eine (männliche) Projektion sein.
Zweitens wird die Frau in ihrer ganzen Körperlichkeit dargestellt. Sie
ist gänzlich unbekleidet, trägt nur Kopfschmuck, der vermutlich dazu
da ist, die Kunstfrau vom Hintergrund abzuheben, da ihre Hautfarbe
genauso „moontanned“ ist, wie der Rest des Covers. Die Farbe ihrer
Haut trägt ebenso dazu bei, die Kunstfrau für nicht lebendig zu halten.
Sie ist fahl wie Mondlicht, kein Schimmer einer Rötung der Lippen
oder Wangen ist ersichtlich.
In ihrer Mimik und Gestik wirkt sie mindestens ebenso anrüchig wie
hilflos. Sie ist Anschauungsobjekt auf einem Podest, kann sich der
Blicke nicht erwehren. Der Betrachter wird zu einem Pygmalion, der
auf eine Kunstschönheit seine Fantasien projiziert. Und diese
Fantasien sollen dann am besten zum Kauf anregen.
Das Thema meiner Magisterarbeit ist die Verarbeitung des
ovidianischen Pygmalion-Mythos in den europäischen Literaturen des
Mittelalters. Für die Rezeption von Ovid im Mittelalter sieht die
Forschung zwei parallel laufende Entwicklungsstränge: einen
christlichen, zu dem der Ovide moralisé gehört und des weiteren eine
rationale, antiklerikale Richtung, zu deren Ausprägung die
Darstellung des Pygmalion-Mythos im Roman de la Rose zählt. Nun
beschränkt sich meine Arbeit aber nicht auf einen Abriss der
Rezeptionsgeschichte, sondern beherbergt im Besonderen eine
komparatistische Analyse zwischen dem Pygmalion-Mythos bei Ovid
und im Rosenroman. Aus diesem Bereich meiner Arbeit möchte ich
auch einige Aspekte präsentieren.
Der Pygmalion-Mythos ist die Geschichte von der Belebung der
eigenen Idee. Der Künstler kreiert seine Idealfrau, die schließlich von
Venus belebt wird. Besonders interessant erscheint mir hier, wie die
Belebung vonstatten geht. Nicht nur das „Sehen“ ist ganz wesentlich,
2
sondern auch das „Hören“1. Während die Kunstfrau bei Ovid auch
nach der Belebung stumm bleibt, bekommt sie im Rosenroman eine
Stimme. Sie spricht zu Pygmalion und attestiert ihm so ihre
Lebendigkeit. Dieses Hören der „anderen“ Stimme als finales
Beweismittel der Lebendigkeit im Rosenroman ist insofern
interessant, als die Kommunikation so von einer einseitigen zu einer
zweiseitigen wird. Die Kunstfrau kann nun antworten und sich mit
Pygmalion unterhalten. Sie kann nun kommentieren und
kommunizieren.
Bei Ovid verführt Pygmalion seine Sinne damit, dass er die Statue
vorrangig aussehen lässt wie eine „echte“ Frau. Der Tastsinn holt
Pygmalion jedoch jedes Mal wieder zurück auf den Boden der
Realität: Die Statue bleibt in ihrer Statuenhaftigkeit nicht nur stumm
und starr, sondern vor allem auch kalt. Schließlich benutzt Pygmalion
dennoch den Tastsinn: Er erkennt ihre Belebung durch das Fühlen
ihres Pulses.
„Wieder und wieder prüft der Liebende mit der Hand sein
Wunschbild. Fleisch und Blut ist´s; mit dem Daumen prüft er, wie es
in den Adern pocht.“2
Doch auch als er den Puls schlagen fühlt, ist er sich immer noch nicht
sicher, ob ihm die Lebendigkeit seiner Statue nicht nur seine
Einbildung suggeriert, sondern ob sein Wunsch tatsächlich in
Erfüllung gegangen ist.3 Pygmalion reagiert fast verstört auf die
Belebung der Statue. Er glaubt, ein Dämon oder Geist sei in seine
geliebte Statue gefahren.4 Der Gesichts- und Tastsinn reichen nicht
aus, um Pygmalion Klarheit um den physischen Zustand der Statue zu
verschaffen. Die einseitige, simulative Kommunikation wird zu einer
zweiseitigen, mit Interdependenzen zwischen Sender und Empfänger.
Die Statue beginnt also schlussendlich zu Pygmalion zu sprechen:
Da antwortete ihm das Mädchen,/ […] ‘Das ist kein Dämon, noch ein Geist,/
lieber Freund, sondern ich bin Eure Freundin,/ bereit, Eure Gesellschaft/
anzunehmen, und ich biete euch meine Liebe an,/ falls es Euch gefällt, ein solches
Angebot anzunehmen’.5
1
Viktor Stoichita: The Pygmalion Effect. From Ovid to Hitchcock. Chicago, London
2008, S. 51.
2
Ovid: Metamorphosen. Lateinisch/Deutsch. Stuttgart 1994, Liber X, V 288ff.
3
Hierzu ist anzumerken, dass in V 21130, also direkt vor der besagten Szene, davon
gesprochen wird, Pygmalion hätte „großes Vertrauen in die Götter”. Trotz seiner
Hoffnung geben ihm erst die Eindrücke, die er aus seinen Sinnen gewinnt, die
Bestätigung, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt war.
4
Vgl. Guillaume de Lorris/Jean de Meun: Der Rosenroman. Übers. und eingeleitet von
Karl August Ott. Bd. 1. München 1976, V 21141-21150.
5
Ebenda, V 21151-21158.
3
Die andere Stimme, die Antwort „hören“, ist ganz wesentlich für die
Feststellung der Belebtheit. Durch diesen Aspekt des Hörens, des
Dialogs mit der Statue ist plötzlich jeder Zweifel aus der Welt
geschafft: Das selbstständige Sprechen, das autonome Antworten,
belegt die Lebendigkeit der Kunstfrau und ist damit für Pygmalion der
ultimative Beweis.
Pygmalion wird sich jedoch in einzelnen Situationen des
ontologischen Zustands seiner Statue bewusst. Immer dann erscheint
er völlig verzweifelt und fast wahnsinnig. Obwohl Pygmalion, der die
Statue ja mit eigenen Händen erschaffen hat, weiß, dass diese
unbelebte und tote Materie ist, verführt ihn seine Imagination immer
wieder zu einem anderen Urteil: Er meint, die Statue sei lebendig und
genau an diesen Punkten ist sein Pathos am heftigsten. Diener dieser
Imagination sind Pygmalions Sinne, die seinem phantasmatischem
Vermögen, seiner illusorischen Kraft unterliegen. Pygmalion
imaginiert ja absichtlich die Belebung der Statue, sie ist sein größter
Wunsch. Er strapaziert und übervorteilt seine Sinne intentional –
kurzum: Er „betreibt“ gewollte Illusion.
Verschärft ist der Grad der Illusion im Rosenroman: Hier wird von
vornherein klargestellt, dass die gesamte Geschichte ein Traum ist,
eine höhere Stufe der Täuschung, der Einbildung. Hierzu ließe sich –
in Anbetracht des letztgenannten Punktes – fragen, ob dies nun noch
„gewollte Illusion“ ist. Im Traum kann man letztendlich nicht über
Tun und Lassen entscheiden. Passiert die Illusion hier einfach mit
Pygmalion oder ist sie noch immer sein Werk?
Ich habe zuvor davon gesprochen, dass vor allem das Hören der
anderen Stimme ganz wesentlich für die Belebung der Statue im
Rosenroman ist. Doch es ist eben nicht nur das Hören oder Tasten,
sondern auch das Sehen, zu dem ich im Folgenden noch kurz kommen
möchte.
Bei Ovid heißt es: „saepe manus operi temptantes admovet, an sit
corpus an illud ebur, nec adhuc ebur esse fatetur.“6
Pygmalions Statue bezieht bei Ovid ihre Wirkung vor allem aus der
Optik: Sie sieht aus, als wäre sie lebendig. Der Künstler muss sich
wieder und wieder von ihrer Unbelebtheit überzeugen, da die Statue
so belebt wirkt. Da ihn seine Augen immer und immer wieder zu
einem anderen Urteil verführen, muss Pygmalion seinen Tastsinn
benutzen und sich so von der Materialität der Statue überzeugen. Es
ist nicht Fleisch und Blut unter seinen Fingern, sondern „nur“
Elfenbein. In Bezug auf die zuvor erwähnte „gewollte Illusion“, ließe
6
Ovid, Metamorphosen, Liber X, V 254f.
4
sich feststellen, dass diese dem Anschein nach glückt. Obwohl
Pygmalion – der ja Schöpfer der Statue ist – weiß, dass sie unbelebt
ist, vermag es seine imaginative Kraft, ihn über sein Wissen
hinwegzutäuschen und seine Sinne glauben zu machen, die Statue sei
am Leben. Dieser Wunschtraum der Belebtheit des eigenen
Kunstwerks ist ein Urphantasma des Künstler-Kreators.
Das Dilemma, so Victor Stoichita, in dem sich Pygmalion befindet, ist
die Verwechslung von Elfenbein und tatsächlichem Menschenfleisch.7
Nicht nur der ovidianische Pygmalion ist sich in diesem Punkt
unsicher, sondern auch der des Rosenromans. „What he is feeling
cannot be (only) ivory (nec adhuc ebur fatetur). But is it really flesh
(corpus)?”8 Pygmalion ist sich nicht sicher: Fühlt er nur Elfenbein
oder ist es belebtes Fleisch? Der Pygmalion-Mythos ist ein Mythos
der Animation von unbelebtem Material. Verschärft wird die
Verwechslung von Elfenbein und Menschenhaut bzw. -fleisch noch
durch die Materialeigenschaften von Elfenbein.
Ebenso wie der Pygmalion-Mythos ist auch der Narziss-Mythos ein
psychologischer, psychopathologischer Mythos. Narziss leidet jedoch
weiter an der Unbelebtheit und Unverfügbarkeit des imaginierten
Wunschobjektes, während Venus im Pygmalion-Mythos die Belebung
bewerkstelligt.
Bevor nun aber mögliche narzisstische Tendenzen in Verbindung mit
Frau und Bild aufgegriffen werden, möchte ich noch einmal auf den
Fetisch-Begriff zurückkommen, der sich gerade im PygmalionMythos äußerst gut veranschaulichen lässt.
Fetischismus im Allgemeinen meint stets die Verehrung von etwas
Unbelebtem. Oft werden dabei gewöhnlichen Gegenständen
metaphysische Kräfte zugesprochen. Nun scheint die Statue im
Pygmalion-Mythos ein Fetisch der ersten Stunde zu sein, schließlich
verehrt und liebt der Bildhauer sie abgöttisch. Was aber an diesem
Fetisch das Besondere zu sein scheint, ist erstens die offensichtliche
Verehrung von etwas Weiblichen, das jedoch erstarrt bzw. unbelebt
ist. Zweitens verehrt Pygmalion etwas, was er selbst (als Mann)
erschaffen hat. Er liebt den Fetisch als eine Projektion, die jedoch aus
ihm selbst „herauskommt“.
Auf das Objekt, das Bild, die Statue wird also eine (sexuelle)
Stimulation projiziert und deshalb befriedigt es Pygmalions (Schau)Lust. Zudem bedient es den narzisstischen Drang, auf etwas selbst
Geschaffenes zu schauen und womöglich Werte zu erkennen, die man
an sich selbst verloren glaubt oder die Wunschphantasien sind und
bleiben.
7
8
Vgl. Stoichita, Pygmalion Effect, S. 14.
Ebenda, S. 14.
5
Der weibliche Körper wird als Ort bzw. Personifikation der Luxuria,
der fleischlichen Sünde verstanden. In dieser Weise fungiert er also
als „Sündenbock […], um bedrohliche Werte rhetorisch zu
exterritorialisieren […], oder er wird zum Fetisch gemacht, so daß die
Frau zu etwas Beschwichtigendem statt etwas Gefährlichem wird.“9,
wie Elisabeth Bronfen sagt. Beschwichtigend wirkt die Frau als
Fetisch-Objekt deshalb, weil sie damit zu einer Art „verdoppelte[m]
Porträt“10 wird. In ihrer Handlungsfähigkeit als Objekt (und noch dazu
als erstarrtes Objekt) eingeschränkt, ist und bleibt sie quasi ein
Spiegelbild des Mannes, der sie zur Oberfläche seiner Projektionen
und Wunschphantasien macht.
Der Pygmalion-Mythos entwirft eine signifikante Struktur: Er zeigt
die Genese eines Fetischs, der sowohl Kunstobjekt als auch
ästhetisches Objekt ist. Die illusionäre, imaginäre Arbeit, die sich
immer an der Kunst vollzieht, wird hier verdoppelt. Der Mythos
wendet sich ins Paradoxe, Märchenhafte: Die Illusion wird lebendig,
wird zum tatsächlichen, sprechenden Gegenüber, das allerdings in das
„neue Leben“ die Qualität des statuarisierten weiblichen Objekts
mitnimmt. Hierzu stellt sich die Frage einer narzisstischen Struktur
oder Tendenz des Mythos, die im nächsten Kapitel meiner Arbeit
behandelt wird. Darin geht es zudem um die Verbindung von
Projektionen, Wunschphantasien und Realität im Minnesang, zum
Beispiel bei Heinrich von Morungen und Walther von der
Vogelweide. Die „vrouwe“ fungiert als Projektionsfläche, sie ist stets
evident, doch nie erreichbar, ganz ähnlich dem Spiegelbild des
Narziss. Eine große Rolle spielt hier das Paradox der „fernen Nähe“
und damit Gedanken zur Unverfügbarkeit der „vrouwe“, die die
Allmachtsphantasien des Liebenden unterlaufen.
Im letzten Kapitel meiner Arbeit geht es um das Bild der „vrouwe“ bei
Walther von der Vogelweide bzw. um die Veränderungen, die dieses
Bild mitmacht. Das geliebte Objekt, die „vrouwe“, die der Sänger in
Si wunderwol gemachet wîp besingt, ist im Alterston Walthers Ir
reiniu wîp ir werden man alt und fahl geworden. Alt wird also der
Sänger, nicht nur sein Bild, das wieder als Instrument der
narzisstischen Spiegelung fungiert. Sie, die „vrouwe“ wird zu „ihm“,
also dem Sänger, sie ist seine Projektion. Und damit sind wir wieder
bei Pygmalion angekommen, der hierfür als Modell stehen kann. Die
geheime Struktur des Minnesangs, so könnte man resümieren, ist der
„Pygmalionismus“.
9
Elisabeth Bronfen: Nur über ihre Leiche. Tod, Weiblichkeit und Ästhetik. München
1994, S. 183.
10
Ebenda, S. 183.
6
Pygmalion ist ein glücklicher Narziss. Seine Projektion wird
Wirklichkeit. Die Spiegelung des Narziss ist in ihrer
Erscheinungsform eine unverfügbare. Sie ist und bleibt nicht greifbar
bzw. ist eine Figur der Destruktion, wie auch Heinrich von Morungen
in seinem Narzisslied betont. Will man die Spiegelung angreifen, so
zerfließt sie.
Tatsächlich ist auch die wesentlichste Projektion des Minnesangs
un(an)greifbar. Die „vrouwe“, auf die sich alle Anstrengungen, die
Bemühungen und Hoffnungen des Sängers richten, bleibt starr und
stumm (wie eine Statue). Der Minnesänger ist in seiner
Handlungsweise ein zweiter Pygmalion. Auch er will seine
Wunschprojektion, sein Phantasiekonstrukt zum Sprechen bringen.
Die „vrouwe“ ist ein Gemälde, ein Bildnis, eine Schöpfung des
Sängers und mit ihm wird sie alt, verbleicht, wird zur künstlerischen
Leiche. Walther hat dies in seinem Alterston Ir reiniu wîp ir werden
man aufgezeigt, indem er die Darstellung der „vrouwe“ seines
früheren Liedes Si wunderwol gemahet wîp noch einmal aufgreift.
Abschließend möchte ich einige wesentliche Verbindungsglieder
zwischen dem Pygmalion-Mythos bei Ovid und im Rosenroman und
dem Sänger als Pygmalion-Gestalt im Minnesang aufzeigen. Erstens
ist der Moment der Kreation bemerkenswert, in der sich erotisches
Begehren, Beherrschung (bzw. Verfügbarkeitsgedanken) und
Simulation (der Wirklichkeit), Phantasie und Enttäuschung
kondensieren.
Besonders
hervorzuheben
sind
die
Geschlechterparadigmen, die der Pygmalion-Mythos als auch der
Minnesang entwirft: Der Mann ist der aktiv Handelnde, in seiner
Funktion der Kreator und Kommunikator seiner Kunst, während die
Frau das Objekt ist, seine verfertigte, gemachte Idee. Sie erscheint als
„er“, als seine Projektion.
Mit Kreation und Kommunikation sind zwei weitere wesentliche
Punkte angesprochen, die im Pygmalion-Modell des Minnesangs
verhandelt werden. Die Belebung gelingt in der Kommunikation, auf
einer Metaebene. Das Bild (der „vrouwe“) im Text wird als Text (als
Lied) zum Medium der Kommunikation. Man könnte dies als
kultivierenden Effekt bezeichnen. Kultivierend in dem Sinn, dass eine
monomanische, ich-fixierte Phantasie zu einer dialogischen
Beziehung wird. Zudem wird ästhetische Erfahrung so symbolisch als
erotischer Prozess verschlüsselt.
7