münchen - Münchner Stadtmuseum

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münchen - Münchner Stadtmuseum
2012-13 | Heft 23
münchen
Stummfilmtage
Jean Rollin
Nuri Bilge Ceylan
Ulrike Ottinger
Martin Scorsese
Prager Frühling
Das Erinnern weitertragen
Rumänien
Olympia 1936
Rosa von Praunheim
Neapel und der Film
Sonja Ziemann
Jean-Marie Straub
Filmemigration
Denis Villeneuve
Henri-Georges Clouzot
FilmWeltWirtschaft
Eintrittspreise
4 € (3 € für MFZ-Mitglieder). Ab 120 Minuten Filmlänge
oder mit Gästen: 1 € Aufschlag. Ab 180 Minuten, mit
Live-Musik oder bei 3D: 2 € Aufschlag. Die Kasse öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt 30 Minuten
nach Beginn der Vorstellung. Bei allen öffentlichen Veranstaltungen bleibt ein Kartenkontingent für den freien
Verkauf an der Abendkasse reserviert.
Teilnahme an den Mitgliederversammlungen des MFZ,
in denen die Programmplanungen des Filmmuseums
diskutiert und Projekte entwickelt werden. Mitgliedsanträge sind an der Kinokasse erhältlich. Die Termine der
nächsten Mitgliederversammlungen des MFZ stehen in
der Kalenderübersicht. Weitere Informationen unter
0176/50472957 oder www.filmzentrum-muenchen.de
oder [email protected].
Kartenreservierung
Kartenreservierungen sind ab vier Wochen im voraus
möglich und können unter der Telefonnummer 089/
233 96450 auf Band gesprochen werden. Vorbestellte
Karten müssen bis 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn
an der Kasse abgeholt worden sein, ansonsten verfällt
die Reservierung.
Programmabonnement
Das Kinoprogramm und aktuelle Newsletter können Sie
im Internet unter www.filmmuseum-muenchen.de
kostenlos abonnieren. Das Programmheft wird an Mitglieder des MFZ auf Wunsch kostenlos versandt. Ansonsten bitten wir um die Zusendung eines mit 1,45 €
frankierten und adressierten DIN A5-Briefumschlages
an die Adresse des Filmmuseums.
Kartenvorverkauf
Kartenvorverkauf ist ab vier Wochen im voraus möglich. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass unmittelbar
vor Vorstellungsbeginn bei starkem Besucherandrang
kein Kartenvorverkauf möglich ist. Vorverkaufte Karten
behalten ihre Gültigkeit nur bis Vorstellungsbeginn. An
der Abendkasse können vorverkaufte Karten bis 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn gegen Kostenerstattung
wieder zurückgegeben werden.
Mitgliedschaft
Wer sich für die Arbeit des Filmmuseums interessiert,
kann Mitglied im Verein der Freunde des Filmmuseums
München, dem Münchner Filmzentrum e.V. (MFZ) werden. Der Jahresbeitrag beträgt 20 € und berechtigt
zum ermäßigten Eintritt ins Filmmuseum sowie zur
Rollstuhlfahrer / Hörgeschädigte
Der Kinosaal im Untergeschoss ist über einen Aufzug
für Rollstuhlfahrer zugänglich. Die Behindertentoilette
befindet sich im Untergeschoss neben dem Kinoeingang. Das Kino ist mit einer Induktionsschleife für Hörgerätebesitzer ausgestattet.
Saalmikrofon
Das Kino ist mit einem Saalmikrofon zur Kontrolle des
Kinotons durch die Filmvorführer ausgestattet.
Verkehrsverbindung
Sie erreichen das Filmmuseum in 3 Gehminuten vom
U/S-Bahnhof Marienplatz oder in 5 Gehminuten vom
U-Bahnhof und der Tramhaltestelle Sendlinger Tor.
»Open Scene« am Donnerstag
Die Termine am Donnerstag sind teilweise für aktuelle Sonderveranstaltungen reserviert. Das Programm wird
spätestens acht Tage vorher festgelegt und in den Schaukästen an der Kinokasse, im E-Mail-Newsletter, auf der
Website www.filmmuseum-muenchen.de, auf Facebook, auf Twitter und durch Ankündigungen in der Tagespresse
bekanntgegeben.
Ausstellungen im Kinofoyer
In den Schaukästen im Kinofoyer sind kleinere Fotoausstellungen zu sehen, die die Filmreihen und Kinoveranstaltungen des Filmmuseums begleiten.
Impressum
Landeshauptstadt München. Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum
St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München, 089/233 20538, [email protected]
Redaktion: Stefan Drößler, Claudia Engelhardt, Stephanie Hausmann, Christoph Michel, Klaus Volkmer
Gestaltung: Heiner Gassen, München · Druck: Mediengruppe Universal, Allach
Digitalisierung, Gäste, Open Scene, Katrin Seybold
In rasanten Schritten geht die Digitalisierung voran. Die Umstellungen in der
Filmbranche sind massiv, Insolvenzen und Zusammenbrüche technischer
Firmen verändern die Landschaft, Filmlager werden aufgelöst, die Kinos geraten als Programmanbieter immer mehr in die Defensive, und alle rätseln,
wie das Handling und die Lagerung der digitalen Daten langfristig am
sichersten vonstatten gehen sollte. Das digitale Fernsehen mit seinem 16:9Bildformat reduziert noch einmal die Ausstrahlung alter Filme, und die Anzahl der Blu-ray-Veröffentlichungen alter Klassiker jenseits des Mainstreams
ist erschreckend gering.
Die Digitalisierung bietet aber auch Chancen. Plötzlich werden Filme in optimaler Qualität verfügbar, die im Kino nur in verstümmelten Fassungen oder
in minderer Bildqualität zu sehen waren. Eine Retrospektive wie die mit Filmen von Jean Rollin wäre vor Jahren undenkbar gewesen, als es noch keine
Abtastungen vom ungeschnittenen Originalnegativ gab. Auch die Bandbreite
des Werks von Martin Scorsese, das neben seinen Kinofilmen auch Fernsehdokumentationen, Werbefilme und Musikvideos umfasst, hätte im Filmmuseum nicht gezeigt werden können. Insgesamt bewirkt der Medienwandel durchaus Positives: Die Akzeptanz abgenutzter Filmkopien mit verrauschtem Ton, Sprüngen in Dialogen und Lücken in Handlungsabläufen,
starken Farbstichen, schlechter Bildqualität und beschnittenem Bildformat
hat abgenommen, niemand nimmt solche Beeinträchtigungen als unvermeidliches Übel hin, wenn er im Kino einen alten Film sieht. Das Filmmuseum hat in vielen Fällen eine analoge und eine digitale Kopie desselben
Films verglichen um zu testen, welche auf der Kinoleinwand einen authentischeren Eindruck vom Film gibt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Wenn wir
nicht eine nagelneue 35mm-Kopie bekommen, ist in fast allen Fällen die
digitale Kopie die bessere Alternative.
Das neue Programm bietet wieder die gewohnte Mischung aus Bekanntem
und Unbekanntem, Neuem und Altem, Genrekino und Autorenfilm, anspruchvollem Mainstream und innovativer Avantgarde. Wir freuen uns,
Gespräche mit vielen Gästen aus den verschiedensten Bereichen anbieten
zu können: Filmemacher und Schauspieler, Dokumentaristen und Kameraleute, Filmkritiker und Filmhistoriker, Zeitzeugen und Psychoanalytiker. Dazu
kommen noch die kurzfristig programmierten Veranstaltungen in der »Open
Scene«, über die Sie sich durch unseren E-Mail-Newsletter, über Facebook
und Twitter, auf der Website des Filmmuseums und durch den Aushang in
den Schaukästen an der Kinokasse informieren können. Am 6. September
wird beispielsweise Thomas Weidner im Begleitprogramm zur Ausstellung
»Typographie des Terrors« den Film SA-MANN BRAND (1933) vorstellen, am
13. September präsentiert Thilo Wydra seine Biografie über Grace Kelly, die
zu ihrem 30. Todestag erscheint.
Am 27. Juni 2012 ist Katrin Seybold verstorben. Sie war eine begeisterte
Besucherin des Filmmuseums, hat dort auch viele ihrer eigenen Filme vorgestellt und für unser Programmheft noch wenige Monate vor ihrem Tod
einen schönen Text über Tony Gatlif geschrieben. Wir vermissen sie sehr
und werden sie 2013 mit einer umfangreichen Retrospektive würdigen.
Ihr Filmmuseum
3 Stummfilmtage . . . .
6 Jean Rollin . . . .
11 Nuri Bilge Ceylan . . . .
15 Ulrike Ottinger . . . .
18 Martin Scorsese . . . .
30 Prager Frühling . . . .
39 Das Erinnern weitertragen . . . .
41 Underdox . . . .
42 Rumänien . . . .
46 Film und Psychoanalyse . . . .
48 Olympia 1936 . . . .
51 Rosa von Praunheim . . . .
55 Neapel und der Film . . . .
58 Zuschauerkino . . . .
59 Sonja Ziemann . . . .
62 Jean-Marie Straub . . . .
70 Filmemigration . . . .
77 Denis Villeneuve . . . .
80 Henri-Georges Clouzot . . . .
86 FilmWeltWirtschaft . . . .
87 Kalenderübersicht . . . .
R = Regie · B = Drehbuch · K = Kamera · M = Musik · S = Schnitt ·
D = Darsteller · P = Produktion ·
OF = Originalfassung · OmU = Originalfassung mit deutschen Untertiteln · OmeU = Originalfassung mit
englischen Untertiteln · OmfU = Originalfassung mit französischen Untertiteln · OmÜ = Originalfassung mit
deutscher Übersetzung · dtF = deutsche Synchronfassung
© = Copyright
Rückblick
26. Februar 2012: München ehrt die Unterzeichner des Oberhausener Manifests. Zum Festakt im Filmmuseum kamen zusammen:
Christian Doermer, Dieter Lemmel, Bernhard Dörries, Edgar Reitz, Rob Houwer, Hansjürgen Pohland, Wolfgang Urchs, Ronald Martini,
Alexander Kluge und der damalige Leiter der Internationalen Westdeutschen Kurzfilmtage Oberhausen Hilmar Hoffmann.
25. April 2012: Anlässlich einer Retrospektive ihrer Filme im Rahmen des Projekts »Stimmen der Roma« waren Delphine Mantoulet
und Tony Gatlif im Filmmuseum zu Gast.
22. März 2012: Dieter Wieland und Claudia Engelhardt vor den
Schaukästen des Filmmuseums beim Empfang zu Ehren von
Dieter Wieland anlässlich seines 75. Geburtstags.
17. März 2012: Podiumsdiskussion im Filmmuseum beim dreitägigen Symposium über den Umgang mit »Vorbehaltsfilmen« aus der
NS-Zeit mit Karl Griep (Bundesarchiv), Christiane von Wahlert (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft), Markus Zimmer (ConcordeFilm), Ernst Szebedits (Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung), Hans Schmid (Filmhistoriker) und Stefan Drößler (Filmmuseum München).
Das Filmmuseum München beginnt sein neues Programm traditionsgemäß mit einer Auswahl von seltenen und neu rekonstruierten Stummfilmen aus dem
Programm des »Bonner Sommerkinos«, des größten
deutschen Stummfilmfestivals. Zur Aufführung gelangen die besten Kopien der jeweiligen Filme, oft wertvolle Unikate, für die namhafte Stummfilmmusiker
neue Musikbegleitungen ausarbeiten und live aufführen. Die einzelnen Filme werden in einem separaten
Programmheft vorgestellt, das an der Kinokasse ausliegt und im Internet unter www.foerderverein-filmkul
tur.de zum Download bereitsteht.
Die Auswahl für das Programm des Münchner Filmmuseums konzentriert sich auf Raritäten, die hier noch
nicht zu sehen waren. Es sind sehr unterschiedliche
Filme aus verschiedenen Ländern und Kontinenten, die
die Vielfalt und hohe Qualität des Stummfilmschaffens
dokumentieren. Die meisten Filmkopien sind das Ergebnis aufwändiger Restaurierungsarbeiten der internationalen Filmarchive, die in der FIAF (Fédération Internationale des Archives du Films) zusammengeschlossen sind und zu deren Mitgliedern auch das Filmmuseum München zählt. Gleich zu Beginn können Sie
ein besonderes Experiment erleben: Der Schauspieler,
Kabarettist und Sänger Norbert Alich wird einen Film in
der Tradition eines klassischen Filmerzählers live kommentieren – eine weitgehend vergessene Praxis aus
der Frühgeschichte des Kinos, die sich heute nur in
Japan noch einer ungebrochenen Popularität erfreut.
Stefan Drößler
KAFKA VA AU CINEMA (KAFKA GEHT INS KINO) –
Frankreich 2002 – R+B: Hanns Zischler – K: Ute
Adamczewski, Miriam Fassbender, Hanns Zischler –
52 min, dtF – Hanns Zischler untersucht in seinem
Filmessay Kafkas Kinobesuche und ihren Niederschlag
in Kafkas Werk. – NICK WINTER ET LE VOL DE LA
JOCONDE (NICK WINTER UND DER RAUB DER
MONA LISA) – Frankreich 1911 – R+B: Paul Garbagni,
Gérard Bourgeois – D: Georges Vinter – 6 min, OF –
Der weltweit Aufsehen erregende Diebstahl des Gemäldes »Mona Lisa« aus dem Louvre wurde zeitnah vom
Kino aufgegriffen. Franz Kafka und Max Brod sahen
den Film: »Die Geschichte spielt im Louvresaal, alles
trefflich imitiert, die Gemälde und in der Mitte die drei
Nägel, an denen die Mona Lisa hing. Entsetzen; Herbeirufen eines komischen Detektivs; ein Schuhknopf Croumolles als falsche Fährte; der Detektiv als Schuhputzer;
Jagd durch die Pariser Kaffeehäuser.« (Max Brod) –
DEN HIVDE SLAVEHANDELS SIDSTE OFFER (DIE
WEISSE SKLAVIN) – Dänemark 1911 – R: August
Blom – B: Peter Christensen – K: Axel Graatjær – D:
Clara Pontoppidan, Lauritz Olsen, Thora Meincke, Otto
Lagoni – 47 min, OmÜ – Eine kolportagehafte Geschichte um internationalen Mädchenhandel. Franz
Kafka sah den Film 1911 und war so beeindruckt, dass
er sich für eine Episode in dem mit Max Brod konzipierten Roman »Samuel und Richard« inspirieren ließ.
▶ Donnerstag, 30. August 2012, 19.00 Uhr (Am Flügel:
Joachim Bärenz, Filmerzähler: Norbert Alich, Einführung: Stefan Drößler)
HYAKUNENGO NO ARUHI (EIN TAG IN 100 JAHREN)
– Japan 1933 – R+B+K: Shigeji Ogino – 11 min,
OmeU – Amateurfilmer Shigeji Ogino reflektiert über
seine Rolle als Filmemacher und sieht verblüffenderweise den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ziemlich
genau voraus. Ogino bedient sich verschiedener Tricktechniken, die er geschickt mit Realaufnahmen kombiniert. – TOKYO NO EIYU (DER HELD VON TOKYO) –
Japan 1935 – R: Hiroshi Shimizu – K: Hiroshi Nomura
– D: Mitsugu Fuji, Mitsuko Yoshikawa, Yuichi Iwata, Michiko Kuwano, Kôji Mitsui – 64 min, OmeU – Einer der
letzten japanischen Stummfilme erzählt die Geschichte
eines jungen Mannes, der mit seinen krummen Geschäften ins Halbweltmilieu abdriftet und seine Familie
enttäuscht. Die konzentrierte Ökonomie im Einsatz filmischer Mittel bestätigt Hiroshi Shimizu als einen der
großen Autoren des japanischen Kinos, der erst in den
letzten Jahren wiederentdeckt wurde. Sein düsterer
Gangsterfilm ist gegen den Strich erzählt und erreicht
dennoch eine ungewöhnliche Intensität.
▶ Freitag, 31. August 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel und
an der Violine: Günter A. Buchwald)
Stummfilmtage
Internationale Stummfilmtage
3
Stummfilmtage
THE WEDDING MARCH (HOCHZEITSMARSCH) – USA
1928 – R: Erich von Stroheim – B: Erich von Stroheim,
Harry Carr – K: Ben F. Reynolds, Hal Mohr – D: Erich
von Stroheim, Fay Wray, Matthew Betz, Zasu Pitts,
George Fawcett – 109 min, OF – Erich von Stroheim
tern: Einem Bankräuber, einem Falschspieler und
einem Pferdedieb. »Ford löst die Story in einer perfekten Balance von persönlichen und epischen Elementen
auf. Die drei guten-bösen Männer können, so scheint
es – so scheint es aber auch nur –, nichts ernst nehmen, schon gar nicht sich selbst.« (Janey Ann Place)
▶ Samstag, 1. September 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel
und an der Violine: Günter A. Buchwald)
4
selbst spielt in seinem Film die Hauptrolle als Spross
einer heruntergekommenen Habsburger Adelsfamilie,
der sich im Wien von 1914 in ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen verliebt. Damit gerät er in Konflikt
mit seinem Vater, der für seinen Sohn eine Geldheirat
organisiert. »Bordellszenen mit sinnlos betrunkenen
Fürsten und Hoflieferanten, Ehekuppelei der oberen
Tausend, Sittenlosigkeit, Zynismus, Brutalität und Dekadenz sind von Stroheim, diesem Kenner jener Kaste,
so bildhaft geworden, dass man mitunter denkt: Grosz
oder Dix hätten photographiert! Stroheim scheint mitunter von einem naturalistischen Bildwollen erfüllt zusein, das an Besessenheit grenzt …« (Erich Kästner)
Die Schlusssequenz vor dem Stephansdom wurde im
Zweifarbtechnicolor-Verfahren gefilmt.
LE VOYAGE DANS LA LUNE (DIE PHANTASTISCHE
REISE NACH DEM MONDE) – Frankreich 1902 – R+B:
Georges Méliès – K: Michaut, Lucien Tainguy – D:
Georges Méliès, Henri Delannoy, Bleuette Bernon,
Jeanne d’Alcy, Victor André – 15 min, OF – Vor 110
Jahren hatte dieser frühe Science-Fiction-Film Premiere, in dem Zauberkünstler Georges Méliès in naiver
Tricktechnik im Stile Jules Vernes eine Expedition zum
Mond beschreibt. – ROTAIE (SCHIENEN) – Italien
1929 – R: Mario Camerini – B: Corrado D’Errico, Mario
Camerini – K: Ubaldo Arata – D: Käthe von Nagy, Maurizio D’Ancora, Daniele Crespi, Giacomo Moschini,
Mario Camerini, Carola Lotti – 72 min, OmU – Ein junges Liebespaar will aus dem Leben scheiden, als es bei
einem ziellosen Spaziergang eine gefüllte Brieftasche
findet, mit dem Zug an die Riviera fährt und beim Rou-
▶ Freitag, 31. August 2012, 21.00 Uhr (Am Flügel:
Joachim Bärenz)
3 BAD MEN (DREI EHRLICHE BANDITEN) – USA
1926 – R: John Ford – B: John Stone, nach dem
Roman »Over the Border« von Herman Whittaker – K:
George Schneiderman – D: Tom Santschi, J. Farrell
MacDonald, Frank Campeau, George O’Brien, Olive
Borden, Lou Tellegen – 91 min, OF – Der letzte
Stummfilmwestern von John Ford zeigt schon all die
Qualitäten auf, die seine späteren Meisterwerke auszeichnen. Vor dem Hintergrund des landrush von Dakota, als 1876 Indianergebiet zur Goldsuche und Besiedelung freigegeben wurde, wird die Geschichte von
drei Banditen erzählt, die eine junge Frau retten und
mit einem verbrecherischen Sheriff abrechnen. Fords
Sympathien liegen ganz eindeutig bei den Außensei-
lette sein Glück versucht. Die realistische Milieubeschreibung nimmt Elemente des Neorealismus vorweg, der das italienische Kino der Nachkriegszeit berühmt machte. Die verloren geglaubte originale Stummfilmfassung dieses italienischen Klassikers wurde erst
jüngst von der Cineteca Italiana in Mailand restauriert.
▶ Samstag, 1. September 2012, 21.00 Uhr (Am Flügel:
Joachim Bärenz)
L’INHUMAINE (DIE UNMENSCHLICHE) – Frankreich
1924 – R: Marcel L’Herbier – B: Pierre MacOrlan – K:
Georges Specht – D: Georgette Leblanc, Jaque Cate-
▶ Sonntag, 2. September 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel:
Joachim Bärenz)
EAST SIDE, WEST SIDE (TITANIC) – USA 1927 –
R+B: Allan Dwan, nach dem Roman von Felix Riesenberg – K: Teddy Pahle, George Webber – D: George
O’Brien, Virginia Valli, J. Farrell MacDonald, Dore
Davidson, Sonia Nodell – 90 min, OF – Der deutsche
Verleihtitel lenkt die Aufmerksamkeit auf den ausführlich geschilderten Untergang eines Ozeanliners, dem
sich im Film eine Nebenfigur ausgesetzt sieht. Doch im
Mittelpunkt von Allan Dwans wunderbarer Hommage
an die Stadt New York geht es um den Aufstieg eines
jungen Mannes, der beim Wolkenkratzerboom der
1920er Jahre als Architekt und Ingenieur mitmischen
will. Dabei steigt er von der ärmlichen East Side Manhattans in die bessere Gesellschaft der West Side auf.
»EAST SIDE, WEST SIDE (1927) beweist, dass man
selbst in einer doch eher schablonenartig konstruierten
Liebes- und Abenteuergeschichte unzählige Momente
wahrer Filmkunst entdecken kann.« (Thomas Vorwerk)
Der Film wurde vom Museum of Modern Art mit Unterstützung der National Endowment for the Arts und The
Film Foundation restauriert.
▶ Sonntag, 2. September 2012, 21.00 Uhr (Am Flügel
und an der Violine: Günter A. Buchwald)
DAS WEISSE STADION – Schweiz 1928 – R+B: Arnold Fanck, Othmar Gurtner – K: Sepp Allgeier, Richard
Angst, Albert Benitz, Hans Schneeberger – 100 min –
Der offizielle abendfüllende Film über die 2. Olympischen Winterspiele 1928 in St. Moritz. Mit Hilfe der
Kameraleute Sepp Allgeier, Hans Schneeberger, Albert
Benitz und Richard Angst, die sich schon bei Fancks
Bergfilmen bewährt hatten, entstand ein einzigartiger,
wegweisender Sportfilm. Seine Bildästhetik und Montagesequenzen, an denen auch Avantgardefilmer Walther Ruttmann mitarbeitete, wurden 1936 von Leni Riefenstahl, die in einigen Spielfilmen Fancks mitgewirkt
hatte, wieder aufgegriffen und weitergeführt. Selbst die
Fancks Filmen sonst sehr ablehnend gegenüberstehende Zeitschrift »Film und Volk« notierte anerkennend: »Ein Sport- und Naturfilm, aus dem der Regisseur seine unausstehliche Leni Riefenstahl samt allem
›Humor‹ weggelassen hat, und der deshalb ausgezeichnet geworden ist.« DAS WEISSE STADION wurde
vom International Olympic Committee aufwändig rekonstruiert und digital restauriert.
▶ Dienstag, 4. September 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel
und an der Violine: Günter A. Buchwald)
OKTJABR (ZEHN TAGE, DIE DIE WELT ERSCHÜTTERTEN) – Sowjetunion 1927 – R: Sergej M. Eisenstein –
B: Sergej M. Eisenstein, Grigorij Aleksandrov – K: Eduard Tissé, Vladimir Nilsen, Vladimir Popov – M: Edmund Meisel – D: Nikolaj Popov, Vasilij Nikandrov,
Boris Livanov, Eduard Tissé – 116 min, OmU – Sergej
Eisenstein arbeitete an seinem Jubiläumsfilm zum Jahrestag der Oktoberrevolution so intensiv, dass er erst
mit fünf Monaten Verspätung aufgeführt werden konnte. Der Film hat in unterschiedlichen Schnittfassungen
überlebt, aus denen die Urfassung vom Filmmuseum
München rekonstruiert wurde – inklusive einer später
von Stalin entfernten Szene mit Trotzki. Edmund Meisel
schrieb für den Film eine furiose Orchestermusik, die
synchron eingespielt wird. »Eine Musik, die versucht,
den Puls des Films rein und unmittelbar umzusetzen.
Die Musik malt nicht aus, sie schafft keine zweite oder
dritte Sinnebene, sondern läuft wie ein Transformator
von Energien mit dem Bild.« (Bernd Thewes)
▶ Mittwoch, 5. September 2012, 18.30 Uhr
Stummfilmtage
lain, Philippe Hériat, Marcello Pradot, Fred Kellerman,
Léonid Walter de Malte – 134 min, OmU – Das legendäre Meisterwerk von Marcel L’Herbier um eine berühmte Sängerin, die in einem ultramodernen Haus
wohnt, und einen Erfinder, der in seinem futuristischen
Labor Tote wieder zum Leben erwecken kann, verbindet Elemente des Science-Fiction-Films mit Stilmitteln
der französischen Avantgarde der 1920er Jahre. Zu
den Set-Designern des Films gehören Fernand Léger
und Robert Mallet-Stevens. »Alle bisherigen Sensationen werden in den Schatten gestellt durch die Szenen,
die sich anlässlich der Todeserweckung abspielen. Der
Architekt – es ist Frankreichs modernster Baukünstler
Mallet Stevens – hat hier mit dem Filmkünstler atemberaubende Bilder gestellt, ein hohes Lied auf die Monumentalität der modernen und utopischen Technik.«
(Adolf Loos) Der Film wurde mit seinen Farbviragen
vom Centre National du Cinéma in Paris restauriert.
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Jean Rollin
Die phantastischen Welten des Jean Rollin
Jean Rollin bei den Dreharbeiten zu LE VIOL DU VAMPIRE
6
Jean Rollin polarisiert. Für die einen ist er der Schöpfer
dilettantischer Machwerke mit amateurhaft agierenden
Darstellerinnen, die als lesbisch-exhibitionistische Vampirinnen ihre Brüste entblößen, um die Löcher in den
unlogischen Handlungsabläufen zu kaschieren. Für die
anderen ist er der abseits des kommerziellen Erzählkinos wandelnde und deshalb häufig missverstandene
Regisseur einiger Juwelen des phantastischen Films,
die sich durch eine surrealistische, stets originelle und
in ihrer Art unvergleichliche Bildsprache auszeichnen
und traumhaft-poetische Welten der Imagination auf
die Kinoleinwand zaubern. Nachdem die Rollin-Verächter lange in der Überzahl waren und die oft vernichtende Kritik bestimmten, holen die Rollin-Connaisseure
inzwischen auf. Die Feuilletons großer Tageszeitungen,
die Rollin früher als pathetischen Nichtskönner und
»Sultan der Verderbtheit« schmähten, berichten heute
wohlwollend darüber, wenn seine Filme in digital überarbeiteten Fassungen auf DVD erscheinen. Der vom
British Film Institute herausgegebene »Companion to
Horror« erteilt ihm den Ritterschlag der Cineasten,
indem er ihn als den einzigen auteur des Horrorgenres
würdigt, den Frankreich hervorgebracht hat.
Rollins Karriere ist auch für Filmliebhaber interessant,
die sich eher nicht für Horror und Sex-Vampire begeis-
tern. Sie ist ein Prüfstein dafür, wie viel Toleranz eine
Filmkultur dem scheinbar Abseitigen und dezidiert Persönlichen gegenüber aufbringt und ob Kritiker über das
geeignete Instrumentarium verfügen, um ihre Vermittlungsfunktion zu erfüllen, statt das der Norm Trotzende
a priori abzulehnen. Wie viel persönliche Vision verträgt
der Mainstream, ohne sein Publikum zu vergrätzen?
Wie viel braucht er, um nicht steril zu werden? Wie bestimmt man, ob jemand gegen die etablierten Regeln
des Filmemachens verstößt, weil er sie studiert und für
untauglich befunden hat oder ob er sie nicht einhalten
kann, weil er sie nicht kennt? Wo verläuft die Grenze
zwischen dem Kunstwillen der Avantgarde und der
ganz persönlichen Kunst des Dilettanten? Und spielt
das überhaupt eine Rolle, solange das Ergebnis originell ist? Das sind Fragen, mit denen man sich beim
manchmal enigmatischen, gelegentlich enervierenden
und immer wieder erstaunlichen und faszinierenden
Werk von Jean Rollin konfrontiert sieht. Wer sich ihnen
stellt, erfährt viel über den Film an sich.
Jean Michel Rollin le Gentil (1938–2010), wie er mit
vollem Namen hieß, stammte aus einer der Kunst zugewandten Familie und wuchs nach der Trennung der
Eltern im noblen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine unter
Frauen auf. Seine Mutter war mit Georges Bataille be-
Jean Rollin
romane. Das Nebeneinander von Vergangenheit und
Gegenwart. Das Trügerische der Erinnerung. Die Liebe
zu alten, dem Untergang geweihten Bauten, vom
Schloss über die Villa auf dem Lande bis zu von der Abrissbirne bedrohten Mietquartieren im Pariser Arbeiterund Einwandererviertel Belleville. Die hypnotisch langsame Erzählweise. Und ein unheimlicher Strand, der in
Rollins Filmen immer wieder auftauchen und zu seiner
Seelenlandschaft werden sollte wie das Monument Valley für John Ford. Kritiker sahen darin ein Sammelsurium von Idiosynkrasien und den fehlgeleiteten Ausdruckswillen eines Dilettanten. Das greift zu kurz.
Rollin schrieb das »Szenario« für den 1967 erschienenen Kult-Comic »Saga de Xam«, in dem eine Agentin
von einem fernen Planeten zur Erde und dort durch Zeit
und Dimensionen reist. Das gibt die Richtung für seine
filmischen »Traumflüge« vor (wie er sie nennt), auf
denen er falsch und richtig Erinnertes, Träume und
Realität, Vergangenes und soeben Erlebtes mischt,
ohne die Übergänge immer kenntlich zu machen. Im
Idealfall gelingen ihm atmosphärische, von einer morbiden Melancholie durchdrungene Bilder, die aus sich
selbst heraus so stark sind, dass sie sich mit anderen
solchen Bildern zu einer zusätzlichen, parallel zur Handlung verlaufenden oder diese kreuzenden Bedeutungsebene verbinden. Statt mit den Mitteln des realistischen Kinos phantastische Inhalte zu erzählen, versucht Rollin in seinen Filmen, eine dem Phantastischen
adäquate Form zu finden, »eine Öffnung hin zu einer
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LE FRISSON DES VAMPIRES
freundet, der dem kleinen Jean zum Einschlafen Geschichten von einem als Priester getarnten Wolf erzählte. Rollin würde später Filme mit viel Eros und religiöser Ikonographie drehen, die man auch als Märchen
für Erwachsene bezeichnen könnte. Wer diese in einen
kulturgeschichtlichen Zusammenhang einordnen will,
hat in Batailles Schriften einen guten Ausgangspunkt.
Rollin verfügte nur über rudimentäre praktische Kenntnisse, als er mit 20 Jahren seinen ersten Kurzfilm inszenierte. Nachdem er mit einem selbst finanzierten,
unvollendet gebliebenen Langfilm (mit Dialogen von
Marguerite Duras) seine Ersparnisse verloren hatte,
entdeckte er eine Nische, die ihm einen Grad an künstlerischer Freiheit gewährte, von der renommiertere Kollegen nur träumen konnten, solange er sich an zwei
simple Regeln hielt: Er musste ein fast nicht existentes
Budget einhalten, und seine Darstellerinnen mussten in
gewissen Abständen die Hüllen fallen lassen, damit der
Produzent Abnehmer fand.
Rollins erster Vampirfilm, auf dem Höhepunkt der Studentenunruhen im Mai 1968 in Paris uraufgeführt, war
ein Skandalerfolg. Bei LE VIOL DU VAMPIRE deuten
sich schon einige der Elemente an, die dann zu seinen
Markenzeichen werden sollten: Die ungewöhnlich starken Frauenfiguren. Die meditative Mischung des Melodramatischen mit dem Bizarren. Das Anzitieren von
Autoren wie Gaston Leroux und Gustave Gailhard sowie
der surrealistischen, von Illustratoren wie Gino Starace
gestalteten Umschläge ihrer Sensations- und Kriminal-
Jean Rollin
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Poesie des Anderswo«, wie er es im Spätwerk LA NUIT
DES HORLOGES formuliert, mit dem er ein Resümee
seines Schaffens zieht.
Rollin war ein echter auteur: also einer, der einem Film,
obwohl Produkt der Anstrengung von vielen Leuten,
seinen ganz persönlichen Stempel aufdrückt. Das bestreiten nicht einmal seine Gegner. Im Nachhinein fragt
man sich, warum es ihm nicht glückte, als Teil der nouvelle vague zu Ruhm und Ehre zu gelangen. Mit Truffaut, Chabrol und Godard, die alle ein paar Jahre älter
als er waren, verband ihn die Lust an der Dekonstruktion überkommener Genremuster. Doch das Trennende
überwog (am ehesten lässt er sich noch mit Jacques
Rivette vergleichen). Rollin bewunderte den poetischen
Realismus der Filme von Marcel Carné und Jacques
Prévert, gegen den sich die Kritiker der Cahiers du cinéma um Truffaut polemisch abgrenzten, mischte ihn
mit Horror-, Comic- und Pop-Art-Elementen, gab Surrealismus, Fetischkostüme, nackte Busen, alte Gemäuer, Geheimgesellschaften sowie Verweise auf Malerei und Literatur mit dazu, inszenierte lyrische Dialogpassagen im deklamatorischen Stil von Prévert und ironisierte diesen durch von den Darstellern improvisierte
Unsinnssätze, ersetzte die psychologisch-realistische
Erzählweise durch assoziative Bilderfolgen, favorisierte
die episodisch offene Handlung der ciné-romans von
Louis Feuillade (LES VAMPIRES) und der US-Serials der
1930er und 1940er Jahre. Für Zuschauer, die gern die
eigene Phantasie walten lassen und die sich nicht am
Gängelband durch eine vorgegebene Geschichte führen lassen wollen, hat diese wilde, auf Kinokonventionen keine Rücksicht nehmende Melange etwas ungemein Befreiendes. Aber sie war auch so originell, dass
sie zu keiner Gruppierung passte.
Rollins Filme fragen, ob die Lebenden von den Toten
oder die Toten von den Lebenden träumen, ob die
Toten tot sind oder die Lebenden noch nicht lebendig.
Es wird nicht überraschen, dass er, selbst mehrfacher
Außenseiter, den Außenseitern seine Sympathien
schenkte. Aus dem gängigen Horrorpersonal suchte er
sich die Vampire aus, weil sie den Menschen am
nächsten sind. Oft sind Rollins Monster sogar humaner
als die Menschen. Seine Vampirfrauen sind oft blind
oder stumm, werden das Opfer von männlichen Übergriffen, von Umweltsünden oder von die Normabweichung nicht tolerierenden Familien, müssen sich einen
Platz am Rande einer Gesellschaft erstreiten, die sie
nicht haben will. Er mag Frauen, die in einer männlichen Welt wie Schwestern sind und ein auch sexuelles
Verhältnis zueinander haben. Das Ungekünstelte und
Laienhafte der Darstellerinnen verleiht seinen Sexszenen eine mit Unschuld gepaarte Erotik, die sie von
denen anderer Regisseure unterscheidet. Dabei sind
seine Frauen beileibe nicht nur Opfer und Lustobjekte.
Das Rachemotiv nimmt in seinem Werk eine zentrale
Stelle ein. Vermutlich war es all das, was Rollin so interessant für Ovidie machte, Frankreichs prominenteste
Vertreterin des »sex-positiven Feminismus«.
»Wir müssen uns der Idee hinter der offiziellen Filmgeschichte widersetzen, dieser würdevollen Prozession
von ›wichtigen Werken‹, die einige der aufregendsten
Filme und Filmemacher im Schatten versteckt hält«,
schreibt Martin Scorsese in einem seiner Texte zu den
abseits der großen Studios und der institutionalisierten
Finanzstrukturen operierenden Helden der No-BudgetProduktion. »Je anrüchiger das Genre und je niedriger
das Budget, desto weniger hat man zu verlieren und
desto mehr Freiheit hat man, zu experimentieren und
neue Bereiche auszuloten.« Kaum einer machte davon
mehr Gebrauch als Jean Rollin. Holen wir ihn also aus
dem Schatten.
Hans Schmid
LES PAYS LOINS (DAS WEITE LAND) – Frankreich
1965 – R+B: Jean Rollin – K: Gérard de Battista – D:
Pascal Fardoulis, Nadine Ninio, Bernard Papineau, Ben
Zimet – 17 min, OmeU – Ein Mann und eine Frau geraten in eine Parallelwelt mit babylonischem Sprachgewirr; auf der Suche nach einem Ausweg begegnen sie
Schwarzafrikanern, Arabern und dem Sänger Ben
▶ Dienstag, 4. September 2012, 21.00 Uhr (Einführung:
Hans Schmid)
LES AMOURS JAUNES (DIE GELBEN LEIDENSCHAFTEN) – Frankreich 1958 – R+B: Jean Rollin – D: Jean
Denisse, Dominique Vidal, Guy Huiban – 10 min, OmeU
– Evokation der maritimen Verse des von den Surrealisten und Huysmans’ Romanfigur Jean des Esseintes
(»Gegen den Strich«) hoch geschätzten Tristan Corbière; mit Zeichnungen von Fabien Loris. – LA VAMPIRE NUE (DIE NACKTE VAMPIRIN) – Frankreich
1970 – R+B: Jean Rollin – K: Jean-Jacques Renon –
M: Yvon Serault – D: Caroline Cartier, Olivier Rollin,
Marie-Pierre und Catherine Castel, Michel Delahaye,
Ursule Pauly – 88 min, OmeU – Pierre begegnet einer
Vampirfrau, die von Männern mit Tiermasken verfolgt
wird, gerät an den Pariser Ableger von Robert Louis
Stevensons Selbstmörderclub und findet heraus, dass
sein Vater mysteriöse Blutexperimente betreibt, was
ihn in ein Schloss auf dem Lande und an den Strand
von Pourville führt. Am Ende steht nur fest, dass auch
Geschäftsleute sterblich sind. Ein Film im Stil der alten
Serials – über parallele Welten, beeinflusst von den Gemälden von Max Ernst und André Delvaux sowie von
den Filmen von Georges Franju. Mit dem bei den Cahiers du cinéma als Kritiker gerade gefeuerten Michel
Delahaye als Großmeister der Außerirdischen.
▶ Dienstag, 11. September 2012, 21.00 Uhr
JEAN ROLLIN, LE REVEUR EGARE (JEAN ROLLIN,
DER STREUNENDE TRÄUMER) – Frankreich 2011 –
R+B: Damien Dupont, Yvan Pierre-Kaiser – K: Thomas
Van Hoecke, Yvan Pierre-Kaiser – M: Philippe D’Aram –
mit Jean Rollin, Jean-Pierre Bouyxou, Pete Tombs, Natalie Perrey, Brigitte Lahaie, Ovidie, Jean-Loup Philippe
– 78 min, OmeU – Deutsche Erstaufführung eines
Dokumentarfilms über Jean Rollin, der die Premiere
nicht mehr miterlebte. »Was an dem Film beeindruckt,
ist Rollin selbst, seine Menschlichkeit und sein Humor,
sein präziser Blick und seine ehrlichen Worte über
seine Filme, ihre Stärken und ihre Schwächen. Rollin
ist ein Anarchist. Man erfährt, dass er seine Darsteller
nicht führt, weil er es nicht mag, von jemand anderem
Anweisungen zu erhalten. Sein Kino strahlt eine Art von
Freiheit aus, erinnert zuweilen an Jahrmarkt, und besitzt etwas Magisches.« (Nicolas Bardot)
▶ Dienstag, 18. September 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast:
Yvan Pierre-Kaiser)
LE FRISSON DES VAMPIRES (DAS ERSCHAUDERN
DER VAMPIRE) – Frankreich 1971 – R+B: Jean Rollin
– K: Jean-Jacques Renon – M: Acanthus – D: Sandra
Julien, Jean-Marie Durand, Michel Delahaye, Jacques
Robiolles, Dominique, Marie-Pierre Castel, Kuelan
Herce, Nicole Nancel – 95 min, OmeU – Ein frisch verheiratetes Paar will auf der Hochzeitsreise die in einem
Schloss wohnenden Cousins der Braut besuchen und
erfährt, dass diese gestorben seien. Als um Mitternacht
Jean Rollin
Zimet, dem Bewahrer der Kultur des osteuropäischen
Judentums. – LE VIOL DU VAMPIRE (DIE VERGEWALTIGUNG DES VAMPIRS) – Frankreich 1968 – R+B:
Jean Rollin – K: Guy Leblond – M: Yvon Géraud, François Tusques – D: Solange Pradel, Bernard Letrou, Jacqueline Sieger, Ariane Sapriel, Eric Yan, Ursule Pauly –
90 min, OmeU – Die Geburt des nackten Kino-Vampirs.
Ein Psychiater will vier in einem einsamen Landhaus lebende Frauen vom Vampirismus heilen, den er für eine
Psychose hält, bis er erkennt, dass es nicht ganz so
einfach ist. Ein Film, der aus der Zeit gefallen scheint
und doch die Umwälzungen des Jahres 1968 reflektiert; entstanden im Umfeld des Lacan-Schülers und
Psychiatrie-Rebellen Félix Guattari, dessen Klinik La
Borde damals als die mögliche Keimzelle einer neuen
Gesellschaft galt. Mit einer Verwaltungsangestellten
der Klinik als Königin der Vampire und mit der Musik
von François Tusques, dem Pionier des Free Jazz.
9
Jean Rollin
10
die mit einem Ketten-Kostüm bekleidete, hinter Vorhängen und aus Standuhren auftauchende Vampirin Dominique erscheint und die Braut verführt, wird klar, dass
hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Eine Vampirfilm-Parodie mit experimenteller Farbgestaltung, Hippie-Vampiren, einer Verneigung vor René Magritte und
einem Showdown am Strand von Pourville.
▶ Dienstag, 2. Oktober 2012, 21.00 Uhr
LA ROSE DE FER (DIE EISERNE ROSE) – Frankreich
1973 – R+B: Jean Rollin – K: Jean-Jacques Renon –
M: Pierre Raph – D: Françoise Pascal, Hugues Quester,
Natalie Perrey, Mireille Dargent – 85 min, OmeU – Rollins Version von Luis Buñuels EL ANGEL EXTAMINADOR (DER WÜRGEENGEL) ist sein poetischster Film –
und war sein größter kommerzieller Misserfolg. Eine
junge Frau und ein junger Mann streifen durch den
Friedhof von Amiens und können den Ausgang nicht
mehr finden. Ein Friedhof, sagt Rollin in einem Interview, sei für ihn wie eine gigantische Steinskulptur. Der
ideale Ort für eine Meditation über die Jugend und das
Alter, das Leben und den Tod sowie darüber, was wir
dem Sterben entgegenzusetzen suchen.
▶ Dienstag, 9. Oktober 2012, 21.00 Uhr
LES DEMONIAQUES (DIE DÄMONISCHEN) – Frankreich 1974 – R+B: Jean Rollin – K: Jean-Jacques
Renon – M: Pierre Raph – D: Joëlle Cœur, John Rico,
Lieva Lone, Patricia Hermenier, Louise Dhour, Willy
Braque, Paul Bisciglia – 95 min, OmeU – »Ein expressionistischer Film« (Vorspann), im Geiste des Marquis
de Sade. Zwei schiffbrüchige Schwestern werden von
Strandpiraten überfallen, schließen in der Ruine eines
Klosters einen Pakt mit dem Teufel und kehren als
Geister wieder, um sich zu rächen. Mit Joëlle Cœur als
sadistischer femme fatale sowie einer Hommage an
Fritz Lang, dessen MOONFLEET einer von Rollins Lieblingsfilmen war. Poesie zwischen Halluzination und
Banalität.
▶ Dienstag, 16. Oktober 2012, 21.00 Uhr
LEVRES DE SANG (BLUTIGE LIPPEN) – Frankreich
1975 – R: Jean Rollin – B: Jean Rollin – K: Jean-François Robin – M: Didier William Lepauw – D: Jean-Loup
Philippe, Annie Belle, Natalie Perrey, Marie-Pierre und
Catherine Castel, Martine Grimaud, Serge Rollin –
88 min, OmeU – Die surreale Geschichte einer amour
fou. Frédéric hat Visionen von einer sinnlichen jungen
Frau, der er als Kind in einer Burg begegnete. Als er ein
Foto der Burg sieht und bald danach auch die junge
Frau, die seit seiner Kindheit nicht gealtert scheint,
begibt er sich auf eine Suche, in deren Verlauf er eine
Gruppe von Vampirinnen freisetzt, auf ein finsteres
Familiengeheimnis stößt und zum Château-Gaillard gelangt, wo einst, im ciné-feuilleton von Louis Feuillade,
Judex sein Hauptquartier hatte. Ein Film über die Magie
des Kinos, über die Entdeckung der Sexualität, über
verlorene Erinnerungen und darüber, wie es ist, wenn
man sie wiederfindet.
▶ Dienstag, 23. Oktober 2012, 21.00 Uhr
FASCINATION (FASZINATION) – Frankreich 1979 – R:
Jean Rollin – B: Jean Rollin – K: Georgie Fromentin –
M: Philippe d’Aram – D: Franca Maï, Brigitte Lahaie,
Jean-Marie Lemaire, Myriam Watteau, Fanny Magier –
80 min, OmeU – Rollin lässt seine Figuren gern in steinernen Zeugen der Vergangenheit wie Burgen und
Friedhöfen agieren. Hier siedelt er die gesamte Geschichte in einer untergegangenen Epoche an. 1905.
Ein Bandit auf der Flucht findet Unterschlupf in einem
Wasserschloss, wo sieben Frauen einen Blutkult zelebrieren. Frankreichs Erotik-Ikone Brigitte Lahaie als
Sensenfrau. Inspiriert von Joseph-Ferdinand Gueldrys
Gemälde »Die Bluttrinker« und YELLOW SKY, einem
Western von William Wellman. Kurzum: Auch ohne Vermischung von Zeitebenen und Dimensionen ein echter
Rollin.
▶ Dienstag, 30. Oktober 2012, 21.00 Uhr
Nuri Bilge Ceylan
Dreharbeiten BIR ZAMANLAR ANADOLU’DA: Nuri Bilge Ceylan, Gökhan Tiryaki
Retrospektive Nuri Bilge Ceylan
11
Nuri Bilge Ceylan (geboren 1967) ist ein Filmemacher,
der als Fotograf begann. Diese Tatsache wurde oft
schon zu einem wesentlichen Schlüssel für sein Werk
gemacht, aus guten Gründen. Denn in diesen sechs
Langfilmen und einem Kurzfilm, die bisher vorliegen, ist
ein Blick auf die Welt zu erkennen, der in zweierlei Hinsicht fotografisch strukturiert ist: die Bilder sind so verfasst, dass sie sich eher einer allmählichen Entzifferung preisgeben als einer sofortigen Erfassung (der
Faktor Zeit wird gegenüber der Bewegung privilegiert);
und der Ton tritt zu diesen Bildern in einer Weise hinzu,
die ihrer ursprünglichen Stummheit noch zu entsprechen scheint. Nicht von ungefähr war sein erster (Kurz)Film KOZA noch ohne Dialog – eine Meditation über
das Verstreichen der Zeit, die von alten Fotografien
ihren Ausgang nahm. Schon hier bleiben wesentliche
Momente einer möglichen Geschichte unausdrücklich;
man kann sich davon eine Vorstellung machen, aber
die Hinweise sind spärlich. Überreich ist hingegen die
Zeichenwelt in KOZA. Die Welt spricht, aber sie spricht
in Rätseln. Sie ist durchlässig für die Träume, die in Bildern sprechen, die ein Rätsel darstellen, das Rätsel der
jeweils eigenen Identität.
Von KOZA bis zu BIR ZAMANLAR ANADOLU’DA (ONCE
UPON A TIME IN ANATOLIA) hat Nuri Bilge Ceylan eine
enorme Entwicklung durchgemacht, ohne sein Vorgehen im Kern allzu stark verändert zu haben. Er hat nur
die erzählerischen Möglichkeiten entscheidend erwei-
tert: Das, was sich aus den vielen, für nicht-türkische
Zuschauer häufig gar nicht erkennbaren, Details ergibt,
sind Situationen, in denen das Universale des menschlichen Geschichtenerbes mit den konkreten Umständen
der Türkei in der gegenwärtigen Epoche der Transformation vermittelt wird. Dass er schon im Titel seines
jüngsten Films ausdrücklich Anatolien ins Spiel bringt,
also das Hinterland der türkischen Metropolen Istanbul
und Ankara, ist dabei ein Programm, das sich durch
das Werk zieht. In einem Land ohne ein nennenswertes
bürgerliches Milieu sind auch die meisten Intellektuellen und Künstler noch stark mit ihrer ländlichen Herkunft verbunden, durch Familienmitglieder (wie in
UZAK) oder durch Projekte wie das des Filmemachers
Muzaffer, der in MAYIS SIKINTISI (BEDRÄNGNIS IM
MAI) in sein Dorf zurückkehrt, um dort einen Film zu
machen. Dem Verhältnis von Film und Fotografie setzt
Nuri Bilge Ceylan dabei noch ein anderes Bilderverhältnis entgegen: Die Provinz ist in der Türkei auch der Ort
populärer Fernsehserien, in denen das Landleben idealisiert wird und die Traditionen, die in der Stadt brüchig
werden, kulturindustriell noch einmal durchgearbeitet
werden – als Beschwernisse in einer melodramatischen Erzählung, aber auch als Identitätsanker in
schwierigen Genealogien.
In IKLIMLER (JAHRESZEITEN) finden wir die weibliche
Hauptfigur am Ende in einer winterlichen Landschaft
weit im Osten bei den Dreharbeiten zu einer solchen
Nuri Bilge Ceylan
UZAK
12
populären Serie, während die männliche Hauptfigur
zwischen Stadt und Land, zwischen promisker Sexualität und Paarbeziehung verloren gegangen ist. Dieser
einsame Mann, den Nuri Bilge Ceylan selbst spielt (und
für den er keine Sympathien zu schinden versucht) ist
Fotograf, wie auch schon die Hauptfigur in UZAK
(WEIT). Zieht man dann noch in Betracht, dass Ceylans
Ehefrau Ebru in IKLIMLER die zweite Hauptrolle spielt,
dann entsteht aus all diesen Figuren so etwas wie ein
autobiographischer Knoten in Ceylans Werk, der allerdings nicht auf die Geheimnisse der eigenen Biographie zielt, sondern auf das repräsentative Element, das
darin begriffen liegt: Die Bewegung, die jemand durchmacht in seiner Distanzierung von Ursprungsmotiven,
ist die einer Kunst, die auf Welterschließung hinausläuft, bei gleichzeitiger Entfremdung durch Kontemplation. Ceylans Werk ist geprägt von beobachtenden Figuren, Männern vor allem, die in ihrer Reflexivität gefangen zu sein scheinen. Dem stehen gelegentliche
Ausbrüche von Sinnlichkeit entgegen wie die wilden
Liebesszenen in IKLIMLER, denen aber alles Erlösende
fehlt.
In ÜC MAYMUN (DREI AFFEN) wird Ceylans Ästhetik der
Beobachtung besonders konkret mit gesellschaftlichen
Umständen in Zusammenhang gebracht. Dialoge spielen kaum eine Rolle, gesprochen wird nur das, was im
Alltag unumgänglich ist. Stattdessen blicken wir immer
wieder lang in die verschlossenen Gesichter der Protagonisten, dazu hören wir, wie Türen knarren oder sich
über dem Meer ein Gewitter zusammenzieht. Der Politiker Servet, der einen Unfall zu vertuschen sucht, ist die
Figur, die all das auf sich zieht und damit zur mächtigen Bezugsperson, aber auch irgendwie zum Sündenbock wird. Die drei Affen, von denen im Titel die Rede
ist, sind drei Menschen, die nicht so sehr vor der Wirklichkeit die Augen und Ohren und den Mund verschließen, sondern die sich aus der Wirklichkeit ausschließen, weil sie lieber in der stummen Welt ihres Rückzugs leben, in der Welt einer Resignation, von der offen
bleibt, ob der stilbewusste Regisseur sie ihnen aufzwingt oder ob er sie so zeigt, weil er die Augen vor der
türkischen Realität nicht verschließen will.
Diese in ÜC MAYMUN spürbare, latente Gefahr einer
Gefangensetzung der Figuren in einem formalen Konzept lässt Ceylan in BIR ZAMANLAR ANADOLU’DA souverän hinter sich. In diesem seinem bisherigen Hauptwerk finden die Themen und Strategien zu einer großen Erzählung zusammen, die sich aber als solche geradezu versteckt in den Einzelheiten, von denen das
Bild und die Dialoge erzählen. Ein Mord ist geschehen,
zwei Verdächtige wurden festgenommen, nun geht es
darum, bei einem Lokalaugenschein die Leiche zu finden. In dieser langen Nacht, in der eine Gruppe von
Polizisten und Justizbeamten mit den beiden Tätern
durch die Landschaft irrt, wird ein ganzes Panorama
der türkischen Gesellschaft erkennbar, allerdings weitgehend indirekt: Es setzt sich zusammen aus den kleinen Unterschieden zwischen den Figuren. Unterschiede, auf die diese manchmal geradezu erpicht sind,
aber auch solche, über die sie sich nicht hinwegsetzen
können. In einem gewagten Manöver radikaler Andeutung verleiht Ceylan der Geschichte am Ende noch eine
KOZA – Türkei 1995 – R+B+K: Nuri Bilge Ceylan – D:
Fatma Ceylan, Mehmet Emin Ceylan, Turgut Toprak –
20 min, ohne Dialog – Zwei alte Leute leben in der
Natur. Auf den Fotografien, die zu Beginn zu sehen
sind, sind sie jung und einträchtig, ein Paar, das sich
gemeinsam der Kamera darbietet. In den Szenen, die
darauf folgen, sind sie mit sich allein, aber doch immer
noch aufeinander bezogen. Und diese Bezogenheit ist
das Geheimnis des Films, der immer wieder minutenlang durch die Wälder streift, zu Musik von Bach oder
des russischen Komponisten Artemjev. – KASABA (DIE
KLEINSTADT) – Türkei 1997 – R+B+K: Nuri Bilge Ceylan, nach einer Geschichte von Emin Ceylan – D: Mehmet Emin Toprak, Havva Saglam, Cihat Butun, Mehmet
Emin Ceylan, Fatma Ceylan – 86 min, OmU – Die vier
Jahreszeiten in einem türkischen Dorf, das nur geografisch fern vom Zentrum liegt: Die Schule, mit der die
Bewegung des Films im Winter beginnt, dient der Integration in ein Gemeinwesen, das die beiden Kinder vorerst nur abstrakt begreifen können. KASABA ist eine
politische Pastorale, ein Initiationsritus, der sich am natürlichen Kreislauf orientiert, diesem aber ein gesellschaftliches Ziel gibt.
▶ Mittwoch, 5. September 2012, 21.00 Uhr
MAYIS SIKINTISI (BEDRÄNGNIS IM MAI) – Türkei
1999 – R+B+K: Nuri Bilge Ceylan – D: Mehmet Emin
Ceylan, Muzaffer Özdemir, Fatma Ceylan, Mehmet
Emin Toprak – 131 min, OmeU – Eine weitere Geschichte vom Land: Der Filmemacher Muzaffer, ein
deutliches Alter ego von Ceylan, begibt sich in das Dorf
seiner Herkunft, um dort mit den Menschen vor Ort
einen Film zu machen. Zur Hauptfigur wird sein Vater,
der mit den Behörden einen Kampf gegen die Abholzung eines Pappelhains führt. Gedreht in derselben Gegend wie KASABA, ist MAYIS SIKINTISI reich an autobiographischen Bezügen, die aber auf eine universale
Ebene gehoben werden. Durch die Widmung an Tschechov (an dessen »Kirschgarten« man hier denken
könnte) und durch die unübersehbaren Anleihen vor
allem beim iranischen Kino stellt Ceylan hier sein Werk
erstmals in einen konkreten ästhetischen Zusammenhang. Er ist ein Regisseur des Ostens, der aber nicht
orientalisiert.
▶ Mittwoch, 12. September 2012, 21.00 Uhr
UZAK (WEIT) – Türkei 2002 – R+B+K: Nuri Bilge Ceylan – D: Muzaffer Özdemir, Mehmet Emin Toprak,
Zuhal Gencer Erkaya, Nazan Kirilmis – 110 min, OmU –
Auf eine pessimistische Weise ist UZAK der komischste
Film von Ceylan: Zwei Männer, die sich den beschränkten Raum einer Wohnung in Istanbul teilen müssen.
Der Fotograf Mahmut ist schon lange in der Stadt, er
hat es geschafft und sich ein Leben geschaffen, während der jüngere Yusuf sich unter Berufung auf die familiäre Verbindung bei ihm einquartiert hat und nun seinerseits in Istanbul nach einem Leben sucht. Ein Film
über misstrauisches Beobachten, über Beschattung
und Erkundung, und über die sexuellen Bedürfnisse
Nuri Bilge Ceylan
tragische Note: Die persönlichen Zwecke liegen eben
manchmal mit allgemeineren im Streit. Diese aporetische Urerfahrung der Moderne, die ihre Wurzeln allerdings schon in der griechischen Tragik hat, wird in BIR
ZAMANLAR ANADOLU’DA gewissermaßen »inkulturiert«.
Im Weltkino sind es gerade Nationen, die sich in großen Veränderungsprozessen befinden, die in Autoren
der Beobachtung ihre Chronisten gefunden haben: Jia
Zhangke in China, Cristi Puiu in Rumänien, Nuri Bilge
Ceylan in der Türkei – das sind die prononciertesten
Registrierer. Man könnte sie als Geschichtsschreiber
der Gegenwart begreifen. Sie beobachten das Geschehen, dessen Zeugen sie sind, mit einem Blick, der die
Gegenwart durchsichtig macht für das, was an ihr essentiell ist. Dass dieses Essentielle häufig gerade in Details liegt, die man bei einem weniger fotografisch
strukturierten Blick leicht übersehen könnte, ist eine
Pointe, die Ceylans Werk einen Schein von Unendlichkeit verleiht.
Bert Rebhandl
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einsamer Männer, die sich wortlos und unausdrücklich
um das den ganzen Film hindurch zentral positionierte
Fernsehgerät streiten. Der für Ceylan konstitutive Gegensatz zwischen Stadt und Land ist in UZAK in die
Stadt eingewandert.
Nuri Bilge Ceylan
▶ Mittwoch, 19. September 2012, 21.00 Uhr
IKLIMLER (JAHRESZEITEN) – Türkei 2006 – R+B:
Nuri Bilge Ceylan – K: Gökhan Tiryaki – D: Nuri Bilge
Ceylan, Ebru Ceylan, Nazan Kesal, Mehmet Eryilmaz –
101 min, OmU – Eine Liebe in Ruinen. Nuri Bilge Ceylan spielt selbst den verspäteten Akademiker Isa, der
zu Beginn mit seiner Partnerin Bahar an einer Ausgrabungsstätte nach fotografischen Motiven sucht. Nach
Motiven auch für eine Fortsetzung dieser Beziehung,
aus der er sich längst in eine brütende Selbstbezüglichkeit davongemacht hat. Ceylan erzählt einmal mehr von
den Jahreszeiten und führt eine vergehende Liebe allmählich in eine nicht mehr offene Zukunft: Der Sommer weicht dem Herbst, im Winter ist Bahar auch geografisch schon weit weg von Isa, und der Gegensatz
zwischen Stadt und Land (wo eine populäre Fernsehserie gedreht wird) wird zur Figur für eine urban konnotierte Entfremdung, die auch in den stereotypen Szenen der Seifenoper keine Erlösung findet.
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▶ Mittwoch, 26. September 2012, 21.00 Uhr
BIR ZAMANLAR ANADOLU’DA
ÜC MAYMUN (DREI AFFEN) – Türkei 2008 – R: Nuri
Bilge Ceylan – B: Ebru Ceylan, Ercan Kesal, Nuri Bilge
Ceylan – K: Gökhan Tiryaki – D: Yavuz Bingöl, Hatice
Aslan, Ahmet Rifat Şungar, Ercan Kesal – 109 min,
OmU – Der Chauffeur Eyüp geht für seinen Chef, einen
lokalen Politiker, nach einem Unfall ins Gefängnis, die
Familie bekommt während dieser Zeit eine regelmäßige Summe Geld, am Ende soll es einen größeren
Betrag geben, zur endgültigen Begleichung der verschobenen Schuld. Während Eyüp im Gefängnis sitzt,
lebt sein Sohn Ismail ziellos in den Tag hinein. Er
schläft viel, wenn seine Mutter Hacer ihn darauf anspricht, weicht er aus und läuft davon. Hacer wiederum
findet ihre eigene Beziehung zu dem Machtmenschen,
der hier eine ganze Familie im übertragenen Sinn in
seine Gewalt bringt. Ceylans am meisten stilisierter
Film, gedreht in Istanbul mit ständigem Blick auf das
Meer, fällt ein wenig aus dem Gesamtwerk heraus, und
zielt am stärksten auf eine konkrete Kritik der sozialen
Verhältnisse.
▶ Mittwoch, 3. Oktober 2012, 21.00 Uhr
BIR ZAMANLAR ANADOLU’DA (ONCE UPON A TIME
IN ANATOLIA) – Türkei 2011 – R: Nuri Bilge Ceylan –
B: Ebru Ceylan, Nuri Bilge Ceylan, Ercan Kesal – K:
Gökhan Tiryaki – D: Muhammet Uzuner, Yilmaz Erdogan, Taner Birsel, Ahmet Mümtaz Taylan – 157 min,
OmU – In einem Dorf in Anatolien ist ein Mord geschehen. Zwei Verdächtige sind festgenommen worden,
nun sollen sie gemeinsam mit Vertretern der einschlägigen Behörden (Polizisten, Staatsanwaltschaft, ein
Arzt, Fahrer) bei einem Lokalaugenschein die Leiche
bergen. Doch die Suche zieht sich hin, von den Mördern ist nur einer wirklich ansprechbar, ob er sich nicht
erinnern kann oder nur Zeit gewinnen will, ist nicht
gleich klar. Ceylan gewinnt dadurch die Zeit für eine
detail- und beziehungsreiche Erzählung, die am Ende
mit der Andeutung eines ungeheuren Geheimnisses
alles noch einmal in ein anderes Licht stellt. ONCE
UPON A TIME IN ANATOLIA ist ein Höhepunkt des impliziten Erzählens, das zu den wichtigsten Charakteristiken des avancierten Weltkinos geworden ist.
▶ Mittwoch, 10. Oktober 2012, 19.00 Uhr
Landschaften und Gesichter, Farben, Formen und
Räume, vor allem die Schönheit fremder Kulturen und
Mythologien prägen das einzigartige Werk von Ulrike
Ottinger. Die Malerin und Fotografin, Kamerafrau, Autorin, Regisseurin und Produzentin von rund zwanzig großen Spiel- und Dokumentarfilmen erkundet seit vierzig
Jahren einen eigenwilligen Bilderkosmos, der an die
Moderne des frühen zwanzigsten Jahrhunderts anknüpft und beständig neu die Fragen nach Norm und
Abweichung, Vorgefundenem und Inszeniertem, Objektwelt und Imagination stellt. Ulrike Ottingers Filme,
ihre Fotografien, Installationen und Bücher feiern die
Lust an Expeditionen ins Unbekannte, erforschen die
Terrains möglicher Metamorphosen und dokumentieren mit unpathetischer Grandezza, wo auch in der Gegenwart die sieben Weltwunder zu finden sind.
»Als Avantgardistin habe ich mich selbst nie gefühlt,
aber die Reaktion eines Teils der Kritik hat mich dazu
gemacht. Für mich war selbstverständlich, dass ich so
gearbeitet habe«, beschreibt die siebzigjährige Künstlerin in einem Interview ihre Position innerhalb des deutschen Autorenfilms. Seit ihrem ersten experimentellen
Spielfilm LAOKOON UND SÖHNE – DIE VERWANDLUNGSGESCHICHTE DER ESMERALDA DEL RIO (1972)
arbeitet Ulrike Ottinger an einem Gesamtkunstwerk, in
dem sich ihre eigenen fotografischen, grafischen und
collagierten Bilder mit ethnografischen, kunsthistorischen und literarischen Inspirationen kreuzen und
durchdringen. Mit der Gender-Maskerade DIE BETÖRUNG DER BLAUEN MATROSEN (1975), dem Piratinnen-Märchen MADAME X – DIE ABSOLUTE HERRSCHERIN (1977) und BILDNIS EINER TRINKERIN (1979)
entwickelte Ulrike Ottinger, damals gemeinsam mit der
Zeichnerin, Szenenbildnerin, Muse und Protagonistin
Tabea Blumenschein, ihre eigene künstlerische Handschrift. Die Trilogie der Berlin-Filme BILDNIS EINER
TRINKERIN, FREAK ORLANDO (1981) und DORIAN
GRAY IM SPIEGEL DER BOULEVARDPRESSE (1984) ist
als surrealistischer Kommentar auf die grotesken Freiräume, die das von der Mauer umgebene Westberlin
darstellte, zu einem Klassiker des deutschen Autorenfilms geworden.
Seit 1973 lebt die Künstlerin in Berlin. 1942 in Konstanz als Tochter eines Malers und einer Übersetzerin
geboren, studierte Ulrike Ottinger zunächst in München
Kunst und setzte danach bis 1969 ihre Arbeit als Malerin und Grafikerin in Paris fort, wo sie neben ethnologischen und kulturwissenschaftlichen Vorlesungen an
der Sorbonne die Filmprogramme der Cinémathèque
Française zur Schule ihrer ästhetischen Vorlieben
machte. Die Gründung eines Avantgarde-Programmkinos und einer Galerie Anfang der 1970er Jahre in
ihrer frisch zur Universitätsstadt avancierten Heimatstadt Konstanz schärfte ihr Gespür für die Korrespondenzen zwischen Grafik, Fotografie und Film.
Ulrike Ottingers bildmächtige Sehnsucht nach Expeditionen in die asiatischen Kulturen, die einen weiteren
großen Zyklus ihrer Arbeit prägt, rekurriert auf Kindheitserzählungen und die Bücher-, Bilder- und Skulpturensammlungen ihrer ethnologisch interessierten Vorfahren. Lange vor dem heute zum Allgemeingut gewordenen Interesse an China zog sie zu ihren großen Reisen nach China, in die mongolische Taiga, später nach
Japan und Korea aus. Filme über die west/östlichen
Traditionsrouten auf dem Balkan und am Schwarzen
Meer kamen hinzu. Ihre z. T. mehrstündigen Filmessays CHINA. DIE KÜNSTE, DER ALLTAG (1985) und
TAIGA (1992), auch der Spielfilm JOHANNA D’ARC OF
MONGOLIA (1989) und die dokumentarische Spurensuche nach dem Überleben jüdischer Holocaust-Flüchtlinge in EXIL SHANGHAI (1997) sind die markantesten
Beispiele ihrer bis in die Gegenwart nicht versiegenden
Faszination für die lebendige Tradition östlicher Lebenskunst.
Ulrike Ottinger
Hommage à Ulrike Ottinger
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Ulrike Ottinger
PRATER
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Anders als die meisten Filmemacherinnen, die in den
1970er Jahren begannen, ihre Anerkennung im männlich dominierten Neuen deutschen Film zu reklamieren,
setzte sich Ulrike Ottinger konsequent vom autobiografisch gefärbten Kino des feministischen Diskurses ab.
Konsequent löste sie das Narrativ des Identifikationskinos auf und gewann mit ihrer Bildsprache früh große
Aufmerksamkeit im internationalen Festival- und Kunstkontext. Ulrike Ottinger, die mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde, steht für ein kinematographisches Universum, in dem hermetisch schöne Frauen in Matrosinnen, Piratinnen, Amazoninnen
und weibliche Dandies verwandelt sind und Oscar
Wildes Dorian Gray und Virginia Woolfs Orlando als
cineastische Schaubilder der Gender-Transgression
wiederkehren. Mit Darstellerinnen wie der UndergroundIkone Magdalena Montezuma, dem Nouvelle-VagueStar Delphine Seyrig und dem Zeitgeist-Model Veruschka von Lehndorff schuf sie Chiffren einer eigentümlich diesseitigen Absolutheit. Eine statuarische
Aura umgibt ihre Frauenbilder, in großen Tableaus und
Landschaftspanoramen entgrenzen sich die Bildräume
ihrer Filme. Gleich ob in BILDNIS EINER TRINKERIN eine
elegante Nacht-Diva auf eine enthemmte Alkoholikerin
trifft oder in ihrem jüngsten Film-Essay UNTER SCHNEE
(2011) die freundlichen Geister des japanischen Kabuki-Theaters durch eine wundersam verschneite japa-
nische Bergregion driften, Ulrike Ottingers Filme spielen mit dem Staunen und der Lust am stilvollen Zusammenprall des Inkompatiblen.
Claudia Lenssen
BILDNIS EINER TRINKERIN – BRD 1979 – R+B+K: Ulrike Ottinger – M: Peer Raben – D: Tabea Blumenschein, Christine Lutze, Magdalena Montezuma, Nina
Hagen, Kurt Raab, Monika von Cube – 107 min – Ein
altes Hotel am Berliner Kurfürstendamm wird zum morbide dekorativen Rückzugsort für zwei rebellische Trinkerinnen. Die schöne stumme Wiedergängerin weiblicher Ikonen à la Medea, Beatrice, Aspasia, ein Überweib großer Hollywood-Gestik und ihre vom Alkohol
gezeichnete obdachlose Gefährtin entgleiten dem kontrollierten Rausch.
▶ Freitag, 7. September 2012, 18.30 Uhr
FREAK ORLANDO – BRD 1981 – R+B+K: Ulrike Ottinger – M: Wilhelm Dieter Siebert – D: Magdalena Montezuma, Delphine Seyrig, Albert Heins, Galli Müller,
Eddie Constantine, Claudio Pantoja – 126 min – Ein
»Kleines Welttheater«, ein szenisches Schauderkabinett
der monströsen Geschichte der Zivilisation, in der
»Freaks« dem Wahnsinn und der Grausamkeit ausgesetzt waren. Fünf Episoden surrealer Visualisierung
der Dialektik von Norm und Abweichung.
▶ Samstag, 8. September 2012, 18.30 Uhr
PRATER – Österreich 2007 – R+B+K: Ulrike Ottinger –
Mit Veruschka von Lehndorff, Peter Fitz, Elfriede Jelinek, Robert Kaldy-Karo – 107 min – Eine liebevolle
Spurensuche nach den Schau-Kabinetten, Geisterbahnen und Grusel-Figurinen auf dem Prater-Gelände in
Wien. »Das Faszinierende an diesem Ort ist, wie Geschichte, eigentlich die Kulturgeschichte der Vergnügungen, quer zu Ständen, sozialen Schichten, Zeitgeist,
Moden, technischen Entwicklungen und Erfindungen,
in frappierender Weise sichtbar wird.« (Ulrike Ottinger)
▶ Freitag, 14. September 2012, 18.30 Uhr
DIE KOREANISCHE HOCHZEITSTRUHE – Deutschland
2009 – R+B: Ulrike Ottinger – K: Ulrike Ottinger, Lee
▶ Samstag, 15. September 2012, 18.30 Uhr
Ulrike Ottinger
▶ Sonntag, 9. September 2012, 18.00 Uhr
Sunyoung – M: Kim Youngdong, Kim Soyoung – Mit
Kim Keum-Hwa, Boseong, Kim Minja, Ahn Baekseung,
Yun Minkyung – 82 min – Nach koreanischer Tradition
erhält ein Brautpaar eine »nach alten Regeln sorgfältig
gepackte, verpackte und verschnürte Holztruhe« (Ottinger). Der in Seoul entstandene Film-Essay folgt im Gestus einer Märchenerzählung den alten und neuen Ritualen koreanischer Hochzeitsfeierlichkeiten.
UNTER SCHNEE – Deutschland 2011 – R+B+K: Ulrike
Ottinger – M: Yumiko Tanaka – Mit Takamasa Fujima,
Kiyotsugu Fujima, Yumiko Tanaka, Yoko Tawada, Hiroomi Fukuzawa, Akemi Takanami – 108 min – In der
japanischen Bergregion Echigo liegt oft bis in den Mai
hinein hoher Schnee. Der Film schildert die Poesie der
Feste, religiösen Rituale und erlesenen Speisenzubereitungen der Alltagskultur, die für die Menschen der Region charakteristisch ist. Zwei Kabuki-Darsteller folgen
den Spuren des japanischen Autors Bokushi Suzuki in
Episoden seines Märchens »Schneeland Symphonie«.
17
▶ Sonntag, 16. September 2012, 18.30 Uhr
Die Filmvorführungen stehen in Zusammenhang mit einer
Ausstellung in der Sammlung Goetz zu Ulrike Ottingers 70. Geburtstag, in deren Mittelpunkt bis zum 6. Oktober 2012 ihre
Installation FLOATING FOOD zu sehen ist.
UNTER SCHNEE
DORIAN GRAY IM SPIEGEL DER BOULEVARDPRESSE – BRD 1984 – R+B+K: Ulrike Ottinger – M:
Peer Raben – D: Veruschka von Lehndorff, Delphine
Seyrig, Tabea Blumenschein, Irm Hermann, Magdalena
Montezuma, Toyo Tanaka – 152 min – Veruschka von
Lehndorff als weiblicher Dr. Mabuse, die Virginia
Woolfs Gender-Mutanten Dorian Gray neu erfindet,
sich am Ende jedoch »mit der Phantasmagorie der vollkommenen Herrschaft über ihr Medienprodukt« betrügt. »Eine Gefangene des eigenen Wahns, ein Opfer
technisch angezettelter Gefühle.« (Karsten Witte)
Martin Scorsese
Martin Scorsese und Michael Ballhaus bei den Dreharbeiten zu THE DEPARTED
Martin Scorsese zum 70. Geburtstag
18
Das Kino als Schmelztiegel
Kein anderer Regisseur scheint derart von der Freigebigkeit des Kinos überzeugt wie Martin Scorsese.
Die Filmgeschichte birgt für ihn Reichtümer, an denen
er sich ausgiebig bedienen kann. Seine prunkende
Cinéphilie ist Ernte und Saat zugleich. Er versteht es
wie kein zweiter Überlebender der ruhmreichen Epoche
des New Hollywood, das neu zu erfinden, was er an seinen Vorbildern bewunderte und das Gelungene noch zu
überbieten. Andere Filmemacher würden gewiss haushälterischer mit ihren Erzählideen umgehen und sie auf
zwei, drei Filme verteilen. Er hingegen kann verschwenderisch sein, denn die Quellen seiner Inspiration werden nicht so schnell versiegen. Wie viel Disziplin es ihn
kostet, im Schneideraum Entscheidungen zu treffen,
wird nur seine treue Cutterin Thelma Schoonmaker ermessen können.
Womöglich kann er sich deshalb so gut in die Erlebniswelt von Gangstern einfühlen, die sich ihrerseits der
Verfügbarkeit der Welt gewiss sind. Er nähert sich
ihnen mit dem Blick eines skeptischen Eingeweihten. In
langen, subjektiven Plansequenzen demonstriert er in
MEAN STREETS und GOODFELLAS, wie sich seine jungen Protagonisten als Fürsten durch ihr Milieu bewe-
gen, sich im Zentrum eines dichten Netzes aus Ergebenheit und Loyalität wähnen. Wie im Rausch flanieren sie durch eine Welt, die ihnen als ein einziges, verlockend drapiertes Auslagenfenster erscheint.
Ein gelehriger Meister
Längst ist jeder neue Film von Martin Scorsese ein
Ereignis; nicht nur in den Augen von eingeschworenen
Bewunderern, sondern mittlerweile auch in den Bilanzen der Studios, für die er arbeitet. Er gilt vielen als der
bedeutendste amerikanische Filmemacher seiner Generation. Sein Name steht für das große Publikum nicht
mehr im Schatten seiner Hauptdarsteller, denen er in
serieller Monogamie treu geblieben ist – anfangs
Harvey Keitel, dann Robert De Niro und nun Leonardo
DiCaprio –, er ist vielmehr zu einem Markenzeichen
von großer eigener Strahlkraft geworden. Die unerschöpfliche Virtuosität seines Regiestils fasziniert
selbst die strengsten Kritiker. Er hat jeden Aspekt seines Mediums reflektiert und beherrscht ihn. Es gibt
keine Szene in seinem Werk, die er nicht durch ungekannte Kameraperspektiven und Rhythmen dynamisiert
hätte. In seinen Filmen formiert sich der Blick auf das
Vertraute neu.
Martin Scorsese
selbstverständlich hermetischen Umgebung auf (er betrat angeblich zum ersten Mal die West Side, als er anfing, an der New York University in Greenwich Village zu
studieren). Nicht von ungefähr ist eine der dichtesten
Passagen der Dokumentation Fellinis I VITELLONI gewidmet, der als direkte Inspiration für MEAN STREETS
kenntlich wird. Das Viertel, das gerade einmal zehn
Blocks umfasst, ist ein Bollwerk gegen die bedrängende Unübersichtlichkeit der Großstadt, aber es
schürt zugleich Träume von Flucht und Aufstieg.
So wie in seinen frühen Filmen hatte man das Milieu
der italienischen Einwanderer im US-Kino noch nicht
gesehen. In MEAN STREETS besitzen die hergebrachten Rituale von Gewalt und Familiensinn noch umfassende, unwidersprochene Macht. Scorseses Blick auf
seinen Helden ist voller Empathie, aber ohne Komplizenschaft. Der Mafioso Charlie ist zerrissen zwischen
maskuliner Loyalität, einer beklemmend paranoiden
Sexualmoral, zwischen dem Katholizismus und der
Klassenzugehörigkeit. Erlösung glaubt er nur durch
Schmerz und Gewalt zu erlangen. »Man büßt für seine
Sünden nicht in der Kirche,« sagt er, »sondern auf der
Straße.« Angesichts der Brutalität und Ausweglosigkeit
19
TAXI DRIVER: Robert De Niro und Martin Scorsese
Sein Kino schillert zwischen Tradition und Innovation.
Es folgt einer persönlichen Vorstellung von Fortschritt
und Bewahren. Er hat von den Besten gelernt und weiß,
was er ihnen schuldig ist. In zwei großen Dokumentarfilmen erweist er seinen Vorbildern im amerikanischen
und italienischen Kino seine Reverenz. Elia Kazan hat
er eine Hommage gewidmet. Mit seiner Film Foundation bemüht er sich um die Restaurierung von Klassikern des Weltkinos.
Die Filmgeschichte hat unverkennbare, verblüffende
Spuren in seinem Werk hinterlassen. Es wird von dem
ästhetischen Schock heimgesucht, den ihm die vagabundierende visuelle Phantasie eines Michael Powell in
jungen Jahren bescherte. Bei GOODFELLAS hat er sich
am Übermut der nouvelle vague inspiriert, an Truffauts
JULES ET JIM und den launigen Regelbrüchen Godards. Referenzpunkte der Kampfszenen in GANGS OF
NEW YORK sind das sowjetische Montagekino von Dovschenko, Eisenstein und Pudovkin sowie Orson Welles’
Shakespeare-Adaption CHIMES AT MIDNIGHT. Das
Drehbuchmotiv des Helden, der sich in eine Gangsterbande einschleicht (und daraufhin in einen Gewissensund Loyalitätskonflikt gerät), ist an Sam Fullers UNDERWORLD, USA angelehnt. Die chinesische Pagode, in
der einige Schlüsselszenen von GANGS OF NEW YORK
spielen, ist dem Dekor nachempfunden, das Boris
Leven (sein Szenenbildner bei NEW YORK, NEW YORK)
für Sternbergs THE SHANGHAI GESTURE entwarf. In
THE DEPARTED zitiert er versteckt Carol Reeds THE
THIRD MAN, John Fords THE INFORMER und Howard
Hawks’ SCARFACE.
Derlei cinephile Verweise sind kein bloßer Selbstzweck,
sondern entspringen einer biographischen Bringschuld.
Das Kino war für ihn von Kindesbeinen an ein Instrument der Weltteilhabe und später eines, um sich über
die eigenen Wurzeln Rechenschaft abzulegen. Es wird
kein Zufall gewesen sein, dass Scorsese parallel zu
den Vorbereitungen für GANGS OF NEW YORK an seinem Dokumentarfilm über das italienische Nachkriegskino arbeitete, IL MIO VIAGGIO IN ITALIA. Er ist gewissermaßen die epische Fortsetzung von ITALIANAMERICAN, der Dokumentation, die er 1974 über seine Eltern
gedreht hat. In den Erinnerungen an seine Kindheit verdichtet sich das Bild von Little Italy als einer nahezu autarken, in sich geschlossenen Gemeinschaft. Das Kino
war dort ein Medium der Heimatverbundenheit. Seine
Großeltern, die 1910 aus Sizilien kamen, hatten keinerlei Bezug zur ihrer neuen Heimat. Ihre Kinder gingen
morgens zur Arbeit »in eine andere Welt« (Scorsese);
ihre Straße, die Elizabeth Street, »war Sizilien, jedes
Haus ein anderes Dorf«. Ihr Enkel wuchs noch in einer
und der heillosen Fiebrigkeit seiner Protagonisten, die
in Scorseses filmischen Rekonstruktionen seiner Heimat herrscht, überrascht der Eindruck von Geborgenheit, den die Dokumentation erweckt. Scorsese erweist
sich in IL MIO VIAGGIO IN ITALIA als wehmütiger Archäologe einer Welt, die längst verschwunden ist (nicht
zuletzt dank der Emsigkeit ihrer asiatischen Nachbarn:
Chinatown hat Little Italy heute fast gänzlich verschlungen). Es ist mithin auch das Dokument eines uramerikanischen Impulses, der Stammeszugehörigkeit. Eigentlich darf es nicht verwundern, dass einige der Lieblingsfilme dieses urbansten aller US-Regisseure Western sind.
Martin Scorsese
20
Emphatische Eroberung
Als Kind war er jedes Mal verblüfft, wenn er im Abspann eines Films über seine Heimatstadt las: »Made
in Hollywood, USA«. Zwar hat auch er in NEW YORK,
NEW YORK einmal eine in den Westküstenstudios entstandene, stilisierte Technicolor-Vision der Metropole
entworfen. Aber vor allem hat er dem Kino ihre Realschauplätze als Terrain erobert. Sein Bild von New York
ist in der atmosphärischen Erfahrung der Zerrissenheit,
Fragmentierung, des Heterogenen grundiert. Scorseses filmisches New York besteht dementsprechend aus
streng voneinander geschiedenen Sphären. So ist die
Mobilität der Protagonisten von TAXI DRIVER und BRINGING OUT THE DEAD nur eine berufsbedingte, keine
soziale. Getrieben von den Dämonen der Einsamkeit
und dem Wunsch nach Erlösung bleiben sie allenthalben isoliert. In TAXI DRIVER erscheint die Stadt als ein
Pandämonium aus Dunkelheit, Schmutz und Gewalt
(es war ein Glücksfall für das Filmteam, dass während
der Dreharbeiten gerade die Müllabfuhr streikte). Diese
Verworfenheit ist schillernd, wie der Taxifahrer Travis
Bickle gleichermaßen mit Abscheu und Faszination diagnostiziert. Sie ist sein unwirtliches Lebenselement,
er scheut auch jene verrufenen Ecken nicht, um die
seine Kollegen einen großen Bogen machen, fährt
seine Gäste nach Harlem, zum Times Square oder ins
East Village.
Visuell vollzieht Scorsese die Isolation seines Protagonisten, indem er ihn aus seiner Umgebung loslöst,
Rauchschwaden schieben sich dazwischen, der Regen
lässt die Fassaden verschwimmen, durch Unschärfe
und Zeitlupe setzt er das Taxi und seinen Fahrer vom
Hintergrund ab. Es ist kein realistischer, sondern ein
paranoider Blick, den Scorsese und sein Drehbuchautor Paul Schrader auf die Stadt richten: Als wollten sie
die schummrigen Bilderwelten des film noir in die Gegenwart hinüber retten. Auch BRINGING OUT THE
DEAD ist von der subjektiven Perspektive des Helden
geprägt, auch hier erscheint die Stadtlandschaft wie
eine Halluzination. Die Feindseligkeit der Außenwelt
macht Scorsese jedoch in einer divergierenden visuellen Strategie kenntlich: als Eindringen in das Gesichtsfeld des manisch-depressiven Rettungssanitäters.
Jede Beobachtung, jeder Lichteinfall wirkt wie eine Aggression. Die Freizügigkeit, die Zirkulation innerhalb
der Großstadt sind bei Scorsese stets gefahrvoll und
schuldbesetzt, wie auch der Abstecher des Programmierers aus Uptown nach SoHo in AFTER HOURS illustriert. Er kommt gewissermaßen als Tourist aus einem
anderen Manhattan. Selbst auf dem Erzählterrain einer
schwarzen Komödie herrscht Paranoia. Dunkle, verlas-
sene Straßen werden zur Bühne verstörender, schicksalhafter Begegnungen, die Etappen der nächtlichen
Odyssee (eine Bar, ein Loft, ein Nachtclub) scheinen
alle auf rätselhafte Weise miteinander verbunden.
Spätestens mit THE AGE OF INNOCENCE verändert und
erweitert sich sein Blick auf die Stadt. Die magistrale
Edith-Wharton-Verfilmung ist ebenfalls die Chronik
einer exklusiven, in sich geschlossenen Gesellschaft.
Sie trägt sich im Wesentlichen in Interieurs zu, die Scorsese mit »anthropologischer Neugierde« erkundet und
einem Zartgefühl und Raffinement, das an Ophüls und
Visconti erinnert. Whartons New Yorker Aristokratie ist
im engmaschigen Netz der Verwandtschaftsbeziehungen und gesellschaftlichen Konventionen gefangen.
Die Vertreter dieser Schicht beziehen ihre Selbstgewissheit aus ihrer angestammten Umgebung und mondänen Ritualen, die freilich noch aus der alten Welt
stammen. In GANGS OF NEW YORK wird er noch tiefer
nach den europäischen Wurzeln des Schmelztiegels
Amerika schürfen. Seither hat er zwar nicht endgültig
mit New York abgeschlossen, aber sein Kino strebt anderen Horizonten entgegen.
Verwurzelte Weltoffenheit
Scorseses Filmografie, das wird mit den Jahren immer
deutlicher, gewinnt Struktur und Schlüssigkeit aus dem
Zusammenspiel von Komplementärfilmen: Man denke
an TAXI DRIVER und BRINGING OUT THE DEAD, GOODFELLAS und CASINO, THE LAST TEMPTATION OF
CHRIST und KUNDUN, RAGING BULL und spätere Biopics wie THE AVIATOR. In dem Maße, in dem er neue
Schauplätze (Las Vegas in CASINO und THE AVIATOR,
Tibet in KUNDUN, Boston in THE DEPARTED und SHUTTER ISLAND, schließlich Paris in HUGO CABRET) in den
Blick nimmt, ist auch Scorseses Kino unvorhersehbarer
geworden. Mit letzterem etwa hat er seinen ersten Kinderfilm gedreht, ein Plädoyer für Schaulust und Neugierde, bei dem er zugleich dem 3D-Kino den Ritterschlag verliehen hat, das er staunenswert phantasievoll
einsetzt.
Aber unberechenbar war er vielleicht schon immer. Mit
ALICE DOESN’T LIVE HERE ANYMORE scherte er immerhin bereits 1974 erstmals aus dem maskulinen Universum seiner frühen Filme aus. Die Unvorhersehbarkeit ist freilich auch der Kern seines Schaffensprozesses. Es ist bekannt, dass ein Großteil seiner Regiearbeit
im Schneideraum stattfindet. Es ist beinahe so, als
würde dort, im Ringen um Narration und Abschweifung,
der Film zum zweiten Mal entstehen. Die filmische Realität von Raum und Zeit wird aus dem Drehmaterial neu
hergestellt. Durch den Soundtrack (auch das ein
▶ Freitag, 7. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,
11. September 2012, 18.30 Uhr
Martin Scorsese
WHO’S THAT KNOCKING AT MY DOOR (WER
KLOPFT DENN DA AN MEINE TÜR?) – USA 1968 –
R+B: Martin Scorsese – K: Richard H. Coll, Michael
Wadleigh – D: Harvey Keitel, Zina Bethune, Lennard
Kuras, Michael Scarla, Harry Northup – 90 min, OmU –
Ein junger New Yorker aus einer italienischen Familie
möchte seine Freundin gerne heiraten, doch er kann
nicht mit der Tatsache umgehen, dass sie einmal Opfer
sexueller Gewalt war. WHO’S THAT KNOCKING AT MY
DOOR wurde über Jahre hinweg gedreht und lief in unterschiedlichen Versionen unter diversen Titeln. Den
Anfang nahm das Projekt als Studentenkurzfilm, auf
Drängen eines Verleihers drehte Scorsese später (dezente) Sexszenen, um die Vermarktung zu erleichtern.
BOXCAR BERTHA (DIE FAUST DER REBELLEN) –
USA 1972 – R: Martin Scorsese – B: Joyce Hooper Corrington, John William Corrington, nach dem Roman
»Sisters of the Road« von Ben L. Reitman – K: John M.
Stephens – M: Herb Cohen – D: Barbara Hershey,
David Carradine, Barry Primus, Bernie Casey, John Carradine, Harry Northup – 88 min, OmU – Die Bauerntochter Bertha verliert in der Weltwirtschaftskrise der
1930er Jahre ihr Zuhause und beginnt ein Leben am
Schienenstrang. Sie schließt sich dem Gewerkschaftskampf der Gleisarbeiter an, der bald zum blutigen Widerstand wird. »Ein Partisanenfilm, aggressiv und zynisch. Nicht umsonst entwirft Scorsese für die Bewegungen seiner Helden keine wirkliche Zielrichtung. Die
Balladenform kommt dieser Intention entgegen.«
(Hans-Günther Pflaum)
▶ Samstag, 8. September 2012, 21.00 Uhr
21
MEAN STREETS (HEXENKESSEL) – USA 1973 – R:
Martin Scorsese – B: Martin Scorsese, Mardik Martin –
K: Kent Wakeford – D: Robert De Niro, Harvey Keitel,
David Proval, Amy Robinson, Richard Romanus –
112 min, OmU – Freundschaft, Loyalität, Verrat, Gewalt und Schuld unter Kleinganoven in den 1960er Jahren im Little Italy New Yorks – ein period picture. Virtuos verwendet Scorsese bereits hier kühne Kamerabewegungen, überwältigende Musik und intensive
Harvey Keitel und Zina Bethune in WHO’S THAT KNOCKING AT MY DOOR
Schmelztiegel heterogener Quellen – Popsongs stehen
hier gleichberechtigt neben klassischen Werken wie
»Le Sacre du Printemps« oder Bachs »Matthäuspassion«) fügt er seinen Filmen eine weitere entscheidende Dimension hinzu. Selbst seine engsten Mitarbeiter sind in der Regel verblüfft, das Endergebnis zu
sehen: Sein Kameramann Michael Ballhaus erzählte
einmal, bei der Premiere von GOODFELLAS habe er
vollkommen vergessen, dass er den Film gedreht hatte.
Gerhard Midding
Farbeffekte. Scorsese sagte, er habe das Rot so eingesetzt wie sein Idol Michael Powell in THE RED SHOES;
da traf es ihn umso schwerer, dass Powell den Film
nicht mochte. Mit MEAN STREETS wurden Scorsese,
De Niro und Keitel schlagartig weltbekannt.
solle mir MEAN STREETS ansehen, der damals noch
nicht herausgekommen war. Genau sowas suchten wir,
denn unser Drehbuch war sehr gut geschrieben, aber
ein bisschen zu glatt. Ich wollte was Rauheres.«
▶ Sonntag, 9. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mitt-
tag, 18. September 2012, 18.30 Uhr
Martin Scorsese
woch, 12. September 2012, 18.30 Uhr
22
WHAT’S A NICE GIRL LIKE YOU DOING IN A PLACE
LIKE THIS? – USA 1963 – R+B: Martin Scorsese – K:
James Newman – M: Richard H. Coll – D: Zeph Michaelis, Mimi Stark, Sarah Braveman, Fred Sica, Martin
Scorsese – 9 min, OF – Ein blockierter Schriftsteller
entwickelt eine Obsession für ein Gemälde. – IT’S NOT
JUST YOU, MURRAY! – USA 1964 – R: Martin Scorsese – B: Martin Scorsese, Mardik Martin – K+M: Richard H. Coll – D: Ira Rubin, Sam DeFazio, Andrea Martin, Catherine Scorsese – 15 min, OF – Ein Gangster
blickt zurück auf seine Karriere und seinen vermeintlich
besten Freund. – THE BIG SHAVE – USA 1967 – R+B:
Martin Scorsese – K: Ares Demertzis – M: Peter Bernuth – 5 min, OF – »Eigentlich wuchs der Film aus meinen Gefühlen über Vietnam. Gemeint war er als wütender Aufschrei gegen den Krieg.« (Martin Scorsese) –
ITALIANAMERICAN – USA 1974 – R: Martin Scorsese
– B: Mardik Martin, Larry Cohen – Mit Catherine Scorsese, Charles Scorsese, Martin Scorsese – 49 min, OF
– Scorseses Eltern sprechen von ihren Erfahrungen und
Ansichten – und nebenbei erfahren wir ein hervorragendes Kochrezept. – AMERICAN BOY: A PROFILE
OF STEVEN PRINCE – USA 1978 – R: Martin Scorsese
– B: Mardik Martin, Julia Cameron – K: Michael Chapman – Mit Steven Prince, Martin Scorsese, Mardik Martin, Julia Cameron – 54 min, OF – Stephen Prince, der
in TAXI DRIVER den Waffenhändler spielte, erzählt haarsträubende Begebenheiten aus seinem Leben.
▶ Freitag, 14. September 2012, 21.00 Uhr
ALICE DOESN’T LIVE HERE ANYMORE (ALICE LEBT
HIER NICHT MEHR) – USA 1974 – R: Martin Scorsese
– B: Robert Getchell – K: Kent L. Wakeford – M: Richard LaSalle – D: Ellen Burstyn, Kris Kristofferson,
Diane Ladd, Jodie Foster, Harvey Keitel – 112 min, OF
– Als Alice Hyatts Mann durch einen Unfall ums Leben
kommt, hofft sie ihre frühere Gesangskarriere wieder
aufnehmen zu können. Der Weg mit ihrem Sohn in ein
neues Leben ist schwer und desillusionierend. Treibende Kraft hinter diesem Film war Hauptdarstellerin
Ellen Burstyn, die stark in der Frauenbewegung engagiert war: »Ich rief Francis Coppola an und fragte ihn
nach jungen, aufregenden Filmemachern. Er sagte, ich
▶ Samstag, 15. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens-
TAXI DRIVER – USA 1976 – R: Martin Scorsese – B:
Paul Schrader – K: Michael Chapman – M: Bernard
Herrmann – D: Robert De Niro, Cybill Shepherd, Albert
Brooks, Harvey Keitel, Jodie Foster, Peter Boyle, Martin
Scorsese – 110 min, OmU – Travis Bickle, 26 Jahre alt,
Vietnamveteran, fährt nachts in New York Taxi. Vom
Elend und der Gewalt rund um ihn zugleich angewidert
und angezogen, entwickelt er Erlöserphantasien. Paul
Schrader fuhr selber Taxi, als er das Drehbuch verfasste, er wohnte in seinem Auto. Für ihn war die Verarbeitung seiner Situation die Rettung. Die brillante
Filmmusik mit ihrer schizoiden Gespaltenheit zwischen
zwei Musikstilen war der letzte Score, den der einzigartige Bernard Herrmann einspielte: Er starb in der
Nacht nach der letzten Session.
▶ Sonntag, 16. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mitt-
woch, 19. September 2012, 18.30 Uhr
NEW YORK, NEW YORK – USA 1976 – R: Martin Scorsese – B: Earl Mac Rauch, Mardik Martin – K: Laszlo
Kovacs – M: Ralph Burns – D: Liza Minnelli, Robert De
Niro, Lionel Stander, Barry Primus, Mary Kay Place,
Georgie Auld – 163 min, OF – 1945 tun sich der Saxophonist Jimmy und die Sängerin Francine zusammen
und bauen eine gemeinsame Big-Band-Karriere auf.
Als Francines Weg nach Hollywood führt, hat der drogensüchtige Jimmy Angst, abgehängt zu werden. Scorsese schuf in enger Zusammenarbeit mit den
Architekten, Ausstattern und Kostümbildnern ein modernes Hollywood-Musical über die Big-Band-Ära der
1950er Jahre. Sein Kameramann Laszlo Kovacs vollbrachte das Kunststück, den klassischen TechnicolorLook wiederauferstehen zu lassen.
▶ Freitag, 21. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens-
tag, 25. September 2012, 19.00 Uhr
THE LAST WALTZ (THE BAND) – USA 1978 – R+B:
Martin Scorsese – K: Michael Chapman, Laszlo Kovacs,
Vilmos Zsigmond, David Myers, Bobby Byrne, Michael
Watkins, Hiro Narita – Mit Robbie Robertson, Rick
Danko, Levon Helm, Garth Hudson, Richard Manuel,
Bob Dylan, Joni Mitchell, Neil Diamond, Emmylou Harris, Neil Young, Van Morrison, Eric Clapton, Ringo Starr,
Martin Scorsese – 117 min, OF – Das monumentale
Martin Scorsese
Jerry Lewis und Robert De Niro in THE KING OF COMEDY
23
Abschiedskonzert der kanadischen Formation The
Band brachte eine unglaubliche Zahl von Musikstars
als »Gastmusiker« auf die Bühne. Scorsese verdichtete
die fünf Stunden des Konzerts auf knapp zwei Stunden
und schuf einen Meilenstein des Konzertfilms. Gespräche mit den Musikern vermitteln die Geschichte von
The Band.
▶ Samstag, 22. September 2012, 21.00 Uhr
RAGING BULL (WIE EIN WILDER STIER) – USA 1980
– R: Martin Scorsese – B: Paul Schrader, Mardik Martin, nach der Autobiographie von Jake LaMotta – K:
Michael Chapman – D: Robert De Niro, Cathy Moriarty,
Joe Pesci, Frank Vincent, Nicholas Colasanto –
129 min, OmU – Die Geschichte Jake LaMottas, des
ehemaligen Boxweltmeisters im Mittelgewicht, ist
weder eine faktentreue Biographie noch nur ein Film
übers Boxen. RAGING BULL erzählt vielmehr von Ängsten – Angst vor Sex, Angst um die eigene bröckelige
Identität –, die in Gewalt nach außen und innen münden, ohne je bewältigt zu werden, und von (auch religiös motivierten) Schuldgefühlen. Alle Schläge im Ring
helfen da nicht, und erst als Jake eingesperrt wird, stellt
er sich seinem wahren Feind – sich selber. Der radikal
stilisierte Film wurde in brilliantem Schwarzweiß gedreht.
▶ Sonntag, 23. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mitt-
woch, 26. September 2012, 18.30 Uhr
THE KING OF COMEDY – USA 1983 – R: Martin Scorsese – B: Paul D. Zimmerman – K: Fred Schuler – M:
Robbie Robertson – D: Robert De Niro, Jerry Lewis,
Sandra Bernhard, Diahnne Abbott, Ed Herlihy, Lou
Brown – 109 min, OF – Rupert Pupkin ist von der
Vorstellung einer eigenen Talkshow besessen. Er beschließt sein Idol, den Fernsehstar Jerry Langford, zu
entführen und einen Fernsehauftritt zu erpressen. Ein
Film voller umwerfender, schmerzhafter Komik, und
doch keine Komödie, sondern eher eine Farce mit Trauerrand, die ein präzises Bild der Medienwelt zeichnet.
▶ Freitag, 28. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens-
tag, 16. Oktober 2012, 18.30 Uhr
AFTER HOURS (DIE ZEIT NACH MITTERNACHT) –
USA 1985 – R: Martin Scorsese – B: Joseph Minion –
K: Michael Ballhaus – M: Howard Shore – D: Griffin
Dunne, Rosanna Arquette, Verna Bloom, Thomas
Chong, Teri Garr – 97 min, OF – Beim Versuch, sich
nachts auf eigene Faust in Manhattan durchzuschlagen, gerät Paul Hackett in haarsträubende Verstrickungen und irrwitzige Katastrophen. Michael Ballhaus’ entfesselte Kamera liefert die perfekten Bilder für Scorseses Groteske voll schwarzem, grimmigem Humor und
absurder Komik. – MIRROR, MIRROR – USA 1985 –
R: Martin Scorsese – B: Joseph Minion – K: Robert M.
Stevens – M: Michael Kamen – D: Sam Waterston,
Helen Shaver, Dick Cavett, Tim Robbins, Dana Gladstone – 24 min, OF – Episode aus Steven Spielbergs
Fernsehserie AMAZING STORIES: Nachdem sich ein erfolgreicher Autor von Gruselromanen in einer Talkshow
über seine eigene Zunft lustig gemacht hat, sieht er im
Spiegel eine geheimnisvolle Gestalt, die ihn bedroht.
▶ Samstag, 29. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mitt-
woch, 17. Oktober 2012, 18.30 Uhr
Martin Scorsese
ROUND MIDNIGHT (UM MITTERNACHT) – USA 1986
– R: Bertrand Tavernier – B: David Rayfiel, Bertrand
Tavernier – K: Bruno de Keyzer – M: Herbie Hancock –
D: Dexter Gordon, François Cluzet, Gabrielle Haker,
Sandra Reaves-Phillips, Herbie Hancock, Martin Scorsese, Philippe Noiret – 133 min, OF – Die Jazzszene in
New York und Paris in den 1950er Jahren. Im Blue
Note tritt der alkoholkranke Tenorsaxophonist Dale Turner auf, der Züge von Lester Young und Bud Powell in
sich vereint. Ein Fan versucht ihm dabei zu helfen, sich
vom Trinken zu befreien. Als Scorsese mit seinem Produzenten Irwin Winkler für Vorbereitungen zu THE LAST
TEMPTATION OF CHRIST in Paris war, trafen sich die
beiden mit Tavernier zum Essen. »Das Ergebnis des
Mittagessens war, dass Bertrand mich bat, in seinem
Film mitzuspielen. Er sagte, wenn ich spreche, hört
man sofort New York heraus. Das würde ihm eine Menge establishing shots ersparen.« (Martin Scorsese)
24
▶ Sonntag, 30. September 2012, 21.00 Uhr
THE LAST TEMPTATION OF CHRIST
BAD – USA 1987 – R: Martin Scorsese – B: Richard
Price – K: Michael Chapman – D: Michael Jackson,
Adam Nathan, Wesley Snipes, Paul Chalderon, Roberta
Flack – 16 min, OF – Wer nur das Musikvideo zu Michael Jacksons BAD kennt, hat noch gar nichts gesehen: Der komplette Kurzfilm erzählt eine Geschichte
von großen Hoffnungen und verlorenen Wurzeln, von
Selbstachtung und street credibility. – THE COLOR OF
MONEY (DIE FARBE DES GELDES) – USA 1986 – R:
Martin Scorsese – B: Richard Price, nach dem Roman
von Walter Tevis – K: Michael Ballhaus – M: Robbie Robertson – D: Paul Newman, Tom Cruise, Mary Elizabeth Mastrantonio, Helen Shaver, John Turturro –
119 min, OF – Ein alternder Poolbillardspieler nimmt
ein junges Talent unter seine Fittiche und vermittelt ihm
die Psychologie des Spiels und die Kunst des Abzockens. Paul Newman brilliert in seiner Rolle und erhielt
seinen einzigen Oscar als bester Darsteller, Michael
Ballhaus lässt seine Kamera kreisen.
▶ Sonntag, 14. Oktober 2012, 21.00 Uhr
THE LAST TEMPTATION OF CHRIST (DIE LETZTE
VERSUCHUNG CHRISTI) – USA 1988 – R: Martin Scorsese – B: Paul Schrader, nach dem Roman von Nikos
Kazantzakis – K: Michael Ballhaus – M: Peter Gabriel –
D: Willem Dafoe, Harvey Keitel, Paul Greco, Verna
Bloom, Barbara Hershey, John Lurie – 163 min, OF –
Der Schreiner Jesus ringt mit mystischen Visionen, mit
Versuchungen und mit seinen Schuldgefühlen, da er
für die Römer Kreuze zimmert. Als er selbst ans Kreuz
geschlagen wird, träumt er davon, seinem Schicksal zu
entgehen und ein ganz gewöhnliches Leben zu führen.
Der Film löste heftige Proteste aus. Religiöse Funda-
mentalisten erhoben Vorwürfe von Blasphemie und Sakrileg, natürlich ohne den Film gesehen zu haben.
NEW YORK STORIES (NEW YORKER GESCHICHTEN)
– USA 1989 – R: Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Woody Allen – B: Richard Price, Francis Ford Coppola, Sofia Coppola, Woody Allen – K: Nestor Almendros, Vittorio Storaro, Sven Nykvist – D: Nick Nolte,
Rosanna Arquette, Patrick O’Neal, Heather McComb,
Giancarlo Giannini, Woody Allen, Mia Farrow – 124
min, OF – Drei Vignetten: Scorseses LIFE LESSONS
zeigt einen erfolgreichen Maler, der sich im Kunstbetrieb aufreibt und eine private Krise heraufbeschwört.
In Coppolas LIFE WITHOUT ZOE bringt die 12jährige
Tochter ihre zerstrittenen Eltern wieder zusammen. In
Woody Allens OEDIPUS WRECKS fühlt sich der Klient
eines Therapeuten von seiner Mutter tyrannisiert, die
riesengroß im Himmel über New York erscheint.
streift sein Alter Ego durch eine Ausstellung mit Gemälden von Vincent van Gogh, steigt buchstäblich in eines
der Bilder hinein und begegnet dem Künstler, der von
Martin Scorsese gespielt wird.
▶ Sonntag, 11. November 2012, 21.00 Uhr
▶ Samstag, 9. November 2012, 21.00 Uhr
GOODFELLAS – USA 1990 – R: Martin Scorsese – B:
Nicholas Pileggi, Martin Scorsese, nach dem Roman
»Wiseguy« von Nicholas Pileggi – K: Michael Ballhaus –
D: Robert De Niro, Ray Liotta, Joe Pesci, Lorraine
Bracco, Paul Sorvino, Frank Sivero, Catherine Scorsese
– 146 min, OF – Die Lebenserinnerungen von Henry
Hill, der von klein auf den Traum hatte, Karriere in der
Mafia zu machen. Scorsese gelang eine weder romantisierende noch moralisierende Darstellung der Gangster. Er wusste sofort, wie der Film aussehen sollte:
»GOODFELLAS sollte wie ein Revolverschuss beginnen
und dann immer schneller werden, wie ein zweieinhalbstündiger Trailer. Nur so kann man den rauschhaften Lebensstil spüren und verstehen, warum er auf
viele Leute so anziehend wirkt.«
▶ Mittwoch, 7. November 2012, 19.00 Uhr (Zu Gast:
Michael Ballhaus) ▶▶ Samstag, 10. November 2012,
21.00 Uhr
DREAMS (AKIRA KUROSAWAS TRÄUME) – Japan
1990 – R+B: Akira Kurosawa – K: Takao Saitô, Shôji
Ueda – M: Shinichirô Ikebe – D: Akira Terao, Misuko
Baishô, Chishû Ryû, Martin Scorsese, Mieko Harada –
119 min, OmeU – In acht »Träumen« lässt Kurosawa
sein Alter Ego Stationen von der Kindheit bis ins hohe
Alter besuchen. Angeblich dienten Kurosawa seine eigenen Träume als Vorbilder für die Episoden. Doch
nicht nur deshalb ist dies wohl sein persönlichster Film.
Hier wird die Besinnung auf seine in der Malerei liegenden Wurzeln offensichtlich: In der Episode »Die Krähen«
THE KEY TO RESERVA (DER SCHLÜSSEL ZU RESERVA) – USA 2007 – R: Martin Scorsese – B: Ted
Griffin – K: Harris Savides – M: Bernard Herrmann – D:
Simon Baker, Kelli O’Hara, Michael Stuhlbarg, Christopher Denham, Martin Scorsese – 10 min, OF – Scorsese verfilmt ein Drehbuchfragment »aus Alfred Hitchcocks Nachlass«. Ein ganz und gar im Stil des Meisters
gehaltener Kurzfilm, der seine zweifelhafte Herkunft zugleich ironisch reflektiert. – CAPE FEAR (KAP DER
ANGST) – USA 1991 – R: Martin Scorsese – B: Wesley
Strick, nach dem Roman »The Executioners« von John
D. MacDonald – K: Freddie Francis – M: Bernard Herrmann – D: Robert De Niro, Nick Nolte, Jessica Lange,
Juliette Lewis, Robert Mitchum, Gregory Peck –
128 min, OmU – Max Cady, aus dem Gefängnis entlassen, hat nur ein Ziel: Rache an seinem Anwalt Sam
Bowden, dem er die Schuld an seiner Haftstrafe wegen
Vergewaltigung gibt. Scorseses Remake eines Thrillers
von 1962 adaptiert dieselbe Filmmusik und lässt die
Hauptdarsteller des Originals in Nebenrollen auftreten.
▶ Sonntag, 18. November 2012, 21.00 Uhr
LOLA MONTEZ – BRD 1955 – R: Max Ophüls – B: Max
Ophüls, Jacques Natanson, Annette Wademant, Franz
Geiger – K: Christian Matras – M: Georges Auric – D:
Martine Carol, Peter Ustinov, Adolf Wohlbrück, Oskar
Werner, Henri Guisol, Lise Delamare – 116 min – Die
Geschichte der legendären Tänzerin Lola Montez, die
zur Mätresse Ludwigs I. aufsteigt, als große, farbenprächtige Zirkusschau. Michael Ballhaus durfte als
Achtzehnjähriger in München bei den Dreharbeiten zu-
Martin Scorsese
▶ Freitag, 19. Oktober 2012, 21.00 Uhr
25
THE AGE OF INNOCENCE
Martin Scorsese
26
schauen: »Was ich schon alles geklaut habe von diesem Film – bis ins Detail! Es gibt Einstellungen in THE
AGE OF INNOCENCE, die sich unmittelbar an LOLA
MONTEZ orientieren. Wie Ophüls mit dem Format umgegangen ist, mal wirklich Breitwand und dann wieder
fast quadratisch, das hat bis heute niemand mehr so
raffiniert geschafft. Wir haben es in THE AGE OF INNOCENCE wenigstens ansatzweise hingekriegt.«
▶ Mittwoch, 21. November 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast:
Michael Ballhaus)
THE AGE OF INNOCENCE (ZEIT DER UNSCHULD) –
USA 1993 – R: Martin Scorsese – B: Jay Cocks, Martin
Scorsese, nach dem Roman von Edith Wharton – K: Michael Ballhaus – M: Elmer Bernstein – D: Daniel DayLewis, Michelle Pfeiffer, Winona Ryder, Miriam Margolyes, Geraldine Chaplin, Richard E. Grant – 138 min,
OF – Ein wohlhabender junger Anwalt im New York der
1870er Jahre riskiert seine Karriere, als er eine Gräfin
kennenlernt. Unter allen Filmen Scorseses zeigt dieser
am deutlichsten Einflüsse von Visconti, Ophüls und
Rossellini. Der visuelle Stil des Films in Ausstattung,
Kostümen, Darstellung, Bildgestaltung ist lyrisch,
schwebend, romantisch, hinreißend. Michael Ballhaus’
Kamera ist unaufhörlich in Bewegung, die komplexe
Choreographie der Darsteller wirkt völlig ungezwungen.
▶ Mittwoch, 21. November 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Mi-
chael Ballhaus) ▶ Freitag, 23. November 2012, 21.00 Uhr
CASINO – USA 1995 – R: Martin Scorsese – B: Nicholas Pileggi, Martin Scorsese – K: Robert Richardson –
D: Robert De Niro, Sharon Stone, Joe Pesci, James
Woods, Frank Vincent, Kevin Pollak – 178 min, OmU –
Sam leitet in den 1970ern ein Casino in Las Vegas für
die Mafia, sein alter Freund Nicky ist der Mann fürs
Grobe. Ausgerechnet die drogensüchtige Prostituierte
Ginger bringt das kleine Reich der beiden ins Wanken.
»Scorsese kann die Vergangenheit vergrößern und verklären, ohne seinen erbarmungslos genauen Realismus aufzugeben, ohne die (meist brutale) Wahrheit der
Glücksspielstadt verschweigen zu müssen. ›Las Vegas,
das war für Spieler das, was Lourdes für Gebrechliche
und Verkrüppelte war‹, sagt De Niro einmal. Genauso
hat der Katholik Scorsese die Stadt mit inbrünstiger
Wahrheit dargestellt.« (Hellmuth Karasek)
▶ Samstag, 24. November 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens-
tag, 27. November 2012, 19.00 Uhr
A PERSONAL JOURNEY WITH MARTIN SCORSESE
THROUGH AMERICAN MOVIES (EINE REISE DURCH
DEN AMERIKANISCHEN FILM) – USA 1995 – R+B:
Martin Scorsese, Michael Henry Wilson – K: Jean-Yves
Escoffier – M: Elmer Bernstein – Mit Martin Scorsese,
Kathryn Bigelow, Clint Eastwood, Francis Ford Coppola,
Brian de Palma, Samuel Fuller, Gregory Peck, George
Lucas, Arthur Penn, Billy Wilder – 225 min, OF – Scorseses Reise beginnt bei Meistern des Stummfilms wie
D. W. Griffith und endet 1969, als er seine eigene Filmkarriere begann: »Ich fände es anmaßend, meine eigenen Filme oder die meiner Zeitgenossen zu kommentieren.« Das Ergebnis ist hypnotisch, mitreißend, aufregend, erhellend. Es gibt kaum eine andere Dokumentation, die so brennende Begeisterung transportiert und
so unbändige Lust aufs Kino weckt.
▶ Dienstag, 6. November 2012, 19.00 Uhr
KUNDUN – USA 1997 – R: Martin Scorsese – B: Melissa Mathison – K: Roger Deakins – M: Philip Glass –
D: Tenzin Thuthob Tsarong, Gyurme Thetong, Tencho
Gyalpo, Tsewang Migyur Khangsar, Sonam Phuntsoik –
BRINGING OUT THE DEAD – USA 1999 – R: Martin
Scorsese – B: Paul Schrader, nach dem Roman von
Joe Connelly – K: Robert Richardson – M: Elmer Bernstein – D: Nicolas Cage, Patricia Arquette, John Goodman, Ving Rhames, Tom Sizemore, Mary Beth Hurt –
121 min, OF – Der Rettungssanitäter Frank Pierce ist
überarbeitet und erschöpft, dem Zusammenbruch
nahe; die Geister derer, die er nicht zu retten vermochte, verfolgen ihn. Ein period picture vor der kosmetischen Verschönerung New Yorks, der Müll ist
Requisite. Übergroße Close-Ups, schwindelerregende
Kameraperspektiven, Schnittgewitter, Reißschwenks,
Zeitlupe, Zeitraffer, Varispeed, digitale Effekte – was in
den Händen anderer nur Mätzchen für Überwältigungskino sind, ist bei Scorsese funktional und mit Bedacht
als Stilmittel gesetzt.
Martin Scorsese
▶ Sonntag, 25. November 2012, 21.00 Uhr
Scorsese – K: Phil Abraham – D: Martin Scorsese –
246 min, OmeU – Scorsese entdeckte das italienische
Kino, als er zu Hause im Fernsehen Klassiker wie
PAISA und ROMA CITTA APERTA von Roberto Rossellini sah. Seine Begeisterung für den Neorealismus geht
einher mit der Suche nach seinen Wurzeln, nach seiner
eigenen Familiengeschichte und der italienischen Kultur. Scorseses Blick auf die italienische Filmgeschichte
ist einer seiner schönsten und persönlichsten Filme. Er
betrachtet die etablierten Klassiker aus ungewohnter
Perspektive und lenkt unsere Aufmerksamkeit auch auf
vergessene und marginalisierte Filme.
▶ Dienstag, 20. November 2012, 19.00 Uhr
GANGS OF NEW YORK – USA 2002 – R: Martin Scorsese – B: Jay Cocks, Steven Zaillian, Kenneth Lonergan, nach einem Buch von Herbert Ashbury – K: Michael Ballhaus – M: Howard Shore – D: Leonardo DiCaprio, Daniel Day-Lewis, Cameron Diaz, Jim Broadbent, John C. Reilly, Liam Neeson – 168 min, OmU –
Eine lange schwelende Rachegeschichte vollendet sich
vor dem Hintergrund der New Yorker draft riots im Juli
1863, als sich Slumbewohner gegen die Zwangseinberufung im Bürgerkrieg erhoben und die Kriegsmarine
mit Kanonen in die Menge feuern ließ. Scorsese ließ für
sein breit angelegtes Epos um die Entstehung der modernen amerikanischen Demokratie im römischen
Cinecittà-Filmstudio ganze Straßenzüge und das Hafengelände am East River von Dante Ferretti nachbauen.
▶ Freitag, 30. November 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch,
5. Dezember 2012, 18.30 Uhr
▶ Mittwoch, 28. November 2012, 19.00 Uhr ▶▶ Sams-
IL MIO VIAGGIO IN ITALIA (MEINE ITALIENISCHE
REISE) – USA 2001 – R: Martin Scorsese – B: Suso
Cecchi d’Amico, Raffaele Donato, Kent Jones, Martin
THE NEIGHBORHOOD – USA 2001 – R: Martin Scorses – B: Kent Jones, Martin Scorsese – K: Antonio Ferrara – Mit Martin Scorsese, Francesca Scorsese, Marie
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tag, 1. Dezember 2012, 21.00 Uhr
GANGS OF NEW YORK
134 min, OmU – Ein Spielfilm über die Jugend von Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama, linear erzählt von
1937 in Tibet bis 1959 im indischen Exil. »KUNDUN ist
kein Film der großen Emotionen und kein Film, der Charaktere oder Story in den Vordergrund stellt. Kein Film,
der viel erklärt oder Zusammenhänge und Motivationen
ausbreitet. KUNDUN ist ein ungemein sinnlicher Film,
der es versteht, durch Farbe, Rhythmus, Klang in seinen visionären Bann zu ziehen, den man nach einiger
Zeit fast wie in Trance erlebt. Ein grandioser Rausch
der Bilder und der Musik.« (Thomas Willmann)
THE AVIATOR
Martin Scorsese
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Albanese – 7 min, OF – In seinem Beitrag für das als
Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001
organisierte »Concert for New York« besucht Scorsese
mit seiner Tochter die Elizabeth Street, in der er aufwuchs – FEEL LIKE GOING HOME – USA 2003 – R:
Martin Scorsese – B: Peter Guralnick – K: Arthur Jafa –
Mit Corey Harris, Sam Carr, Willie King, Taj Mahal,
John Lee Hooker, Salif Keita – 83 min, OmU – Auf der
Suche nach den Wurzeln des Blues fährt der Musiker
Corey Harris ins Mississippi-Delta und von dort aus weiter bis nach Mali.
▶ Sonntag, 2. Dezember 2012, 21.00 Uhr
THE AVIATOR – USA 2004 – R: Martin Scorsese – B:
John Logan – K: Robert Richardson – M: Howard Shore
– D: Leonardo DiCaprio, Cate Blanchett, Kate Beckinsale, John C. Reilly, Alec Baldwin, Alan Alda, Ian Holm,
Jude Law – 169 min, OmU – Das komplizierte Leben
des Multimilliardärs, Luftfahrtpioniers und Filmproduzenten Howard Hughes. Ein besonderes Stilmittel von
THE AVIATOR ist die Farbgebung: Die Jahre bis 1935
sind in einer reduzierten Palette von Rot- und Blautönen gehalten, die an das damalige Multicolor-Verfahren angelehnt ist (Hughes war der Eigentümer von Multicolor). Die späteren Geschehnisse sind farblich den
satten Technicolor-Tönen nachempfunden. In einigen
Szenen fanden historische Schwarz-weiß-Materialien
Verwendung, die entsprechend koloriert wurden.
▶ Freitag, 7. Dezember 2012, 21.00 Uhr
NO DIRECTION HOME: BOB DYLAN – USA 2005 –
R+B: Martin Scorsese – K: Mustapha Barat, Maryse Alberti, Oliver Bokelberg, Anghel Decca, Ken Druckerman, Ellen Kuras, James Miller, James Reed, Lisa Ritzler, Michael Spiller – Mit Bob Dylan, Pete Seeger, Joan
Baez, Mavis Staples, Don Alan Pennebaker – 207 min,
OmU – Eher das Portrait einer Ära als eine schlichte
Musikerbiographie. Der Fokus liegt auf den Jahren
1961–66, in denen Bob Dylan vom Folksänger zum
Protestsänger wurde, dann als Stimme einer ganzen
Generation galt, sich schließlich zum Popstar im Folkrock wandelte, ehe er nach seinem Motorradunfall
1966 seinen Abschied vom Tourneebetrieb verkündete,
an dem er acht Jahre festhielt.
▶ Sonntag, 9. Dezember 2012, 19.00 Uhr
THE DEPARTED (UNTER FEINDEN) – USA 2006 – R:
Martin Scorsese – B: William Monahan, nach dem Film
INFERNAL AFFAIRS von Alan Mak und Felix Chong – K:
Michael Ballhaus – M: Howard Shore – D: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg,
Martin Sheen, Vera Farmiga, Alec Baldwin – 151 min,
OmU – Billy und Colin sind Nachwuchsbeamte der
Staatspolizei in Massachusetts: Der eine soll als Undercover-Agent den Kopf des Bostoner Syndikats, Frank
Costello, zu Fall bringen, der andere wurde von Costello in die Polizei eingeschleust. Beide geben ihr Insiderwissen an ihre wahren Auftraggeber weiter, beide
sind durch ihre Doppelleben innerlich zerrissen. Das
Remake eines Hong Kong-Thrillers ist angespannter
und überdrehter, als es für US-Krimis üblich ist.
▶ Samstag, 8. Dezember 2012, 21.00 Uhr ▶ Mittwoch,
12. Dezember 2012, 19.00 Uhr
SHINE A LIGHT – USA 2008 – R+B: Martin Scorsese –
K: Robert Richardson – Mit Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts, Ron Wood, Christina Aguilera,
Bill Clinton, Hillary Clinton, Martin Scorsese – 122 min,
OmU – Mitschnitt zweier Konzerte der Rolling Stones
im New Yorker Beacon Theatre im Jahr 2006. Eines
▶ Freitag, 14. Dezember 2012, 21.00 Uhr
SHUTTER ISLAND – USA 2010 – R: Martin Scorsese –
B: Laeta Kalogridis, nach dem Roman von Dennis Lehane – K: Robert Richardson – M: Robbie Robertson –
D: Leonardo DiCaprio, Mark Ruffalo, Ben Kingsley, Max
von Sydow, Michelle Williams, Emily Mortimer –
138 min, OmU – Ein suggestiver Horror-Thriller, eine
virtuos inszenierte Welt der falschen Fährten und psychologischen Traumgespinste, die die Zuschauer in ein
doppelbödiges Spiel zwischen Wahn und Wirklichkeit
verwickeln. Eine Hommage an das klassische ParanoiaKino der McCarthy-Ära. »Für unsere Kriege, unsere
Terrorangst, unseren Sicherheits- und Gesundheitswahn findet Scorsese einen Spiegel in den 1950er Jahren. Schwarze Aufklärung über die Nähe von Wahnsinn
und Gesellschaft.« (Rüdiger Suchsland)
▶ Samstag, 15. Dezember 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens-
tag, 18. Dezember 2012, 18.30 Uhr
PUBLIC SPEAKING – USA 2010 – R+B: Martin Scorsese – K: Ellen Kuras – M: Joe Rudge – Mit Fran Lebowitz, Ivo Juhani, Graydon Carter, Martin Scorsese –
84 min, OF – Unterhaltsame und aufschlussreiche Dokumentation über Fran Lebowitz, die in den frühen
1970er Jahren die New Yorker Literatenszene betrat
und von Andy Warhol für eine Kolumne in seinem Magazin »Interview« verpflichtet wurde. Es ist ein Monolog,
in dem Lebowitz rhetorisch brillant und mit bissiger
Komik über Gott und die Welt, das Rauchen, Touristen
in New York, die Wahrheit über Andy Warhols ›Superstars‹ und die desaströse Entscheidung räsoniert, New
York City in eine Touristenattraktion zu verwandeln.
▶ Sonntag, 16. Dezember 2012, 21.00 Uhr
A LETTER TO ELIA (EIN BRIEF AN ELIA) – USA 2010
– R+B: Martin Scorsese, Kent Jones – K: Mark Raker –
60 min, OF – Eine sehr persönliche Verbeugung Martin
Scorseses vor seinem Regiekollegen Elia Kazan, der
ihm ein wichtiges Vorbild war. Anhand zahlreicher Filmausschnitte offenbart Scorsese, was Kazans Filme für
das US-Kino allgemein und speziell für ihn bedeuten. –
AMERICA, AMERICA (DIE UNBEZWINGBAREN) – USA
1963 – R+B: Elia Kazan, nach seinem Roman – K:
Haskell Wexler – M: Manos Hadjidakis – D: Stathis Giallelis, Frank Wolff, Harry Davis, Elena Karam, Estelle
Hemsley, John Marley – 174 min, OF – Kurz vor 1900.
Stavros Topouzoglou, Angehöriger der unterdrückten
griechischen Minderheit in Anatolien, soll mit dem gesamten Geld der Familie nach Konstantinopel gehen
und dort in den Teppichhandel eines Verwandten einsteigen. Doch er träumt davon, nach Amerika auszuwandern. Kazans Epos, das auf dem Leben seines Onkels basiert, ist eine der bewegendsten Darstellungen
der immigrant experience.
▶ Donnerstag, 20. Dezember 2012, 19.00 Uhr
GEORGE HARRISON: LIVING IN THE MATERIAL
WORLD – USA 2011 – R+B: Martin Scorsese – K: Robert Richardson – Mit Paul McCartney, Ringo Starr,
Terry Gilliam, Jane Birkin, Eric Clapton, Ravi Shankar,
Yoko Ono, Jackie Stewart, Olivia Harrison – 208 min,
OmU – Dokumentarfilm über den englischen Musiker
George Harrison. »Formal bleibt Scorsese im konventionellen Rahmen, mischt Archivmaterial mit Interviews
und geht chronologisch vor. Zeitzeugen und Weggefährten kommen ausführlich zu Wort. Als Mensch, der
sich gründlich auf die fernöstliche Meditation einließ,
lebte Harrison ganz in der ›materiellen Welt‹. Mit dem
Erfolg war er schnell zu Geld gekommen und zugleich
einer inneren Leere gewahr geworden, die er mit Drogen und Hippie-Träumen zu überspielen versuchte.«
(Roland Mörchen)
▶ Samstag, 22. Dezember 2012, 19.00 Uhr
HUGO 3D (HUGO CABRET) – USA 2011 – R: Martin
Scorsese – B: John Logan, nach dem Roman von Brian
Selznick – K: Robert Richardson – M: Howard Shore –
D: Asa Butterfield, Ben Kingsley, Chloe Grace Moretz,
Sacha Baron Cohen, Christopher Lee – 126 min, OmU
– Scorseses Hommage an die Magie des Kinos und den
Filmpionier Georges Méliès spielt im Paris der 1930er
Jahre. »Der Bahnhof und die Züge, die raffinierten Uhrwerke und der kleine Automatenmensch, die Filmkamera und die Projektionstechnik sind hier alles andere als ›seelenlose‹ Maschinen; sie sind vielmehr
handlungstragende Charaktere, Verlängerungen und
Spiegelungen der menschlichen Figuren, Transportmittel für Assoziationen und metaphorische Bedeutungsebenen.« (Felicitas Kleiner)
▶ Mittwoch, 19. Dezember 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Freitag,
21. Dezember 2012, 21.00 Uhr
Martin Scorsese
davon war eine Geburtstagsgala für Bill Clinton. »Das
Intro des Films zeigt die Vorbereitungen für das zu filmende Konzertereignis in der Form eines making of, in
dem es um die Bühne und um die Kameras, auch um
die set list geht und die Abstimmung der Inszenierung
auf die zu erwartenden Songs – eine spielerische Koketterie, die sich mehr und mehr zu Selbstironie auswächst. Und dann geht’s los, mit ›Jumping Jack Flash‹,
viel Energie und einer Menge Rock’n’Roll.« (Harald
Mühlbeyer)
29
Prager Frühling
Evald Schorm, Pavel Bošek und Karel Mareš in VOM FEST UND DEN GÄSTEN
Prager Frühling
30
Die Tschechoslowakische Neue Welle
der 1960er Jahre
Die 1960er Jahre sind geprägt von Erneuerungsbewegungen des Kinos: Die nouvelle vague in Frankreich
und das free cinema in England hatten Ende der
1950er Jahre den Reigen eröffnet, das cinema novo
in Brasilien, der Neue Deutsche Film in der Bundesrepublik und letztendlich das New Hollywood sollten
folgen. Auch in den osteuropäischen Ländern gab es
im Zuge der Tauwetterperiode der Chruschtschow-Ära
Aufbruchsbewegungen, die neue Formen des Autorenfilms gegen staatliche Gängelei und strenge inhaltliche
Kontrollen durchzusetzen versuchten. In keinem Land
aber debütierten innerhalb weniger Jahre so viele
junge Filmemacher wie in der CSSR: Ab 1963 trat eine
ganze Generation in Erscheinung, deren Filme in den
kommenden Jahren auf allen internationalen Filmfestivals die höchsten Preise erhielten und sogar zwei Mal
mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet wurden. Anders als in anderen Ländern war
dies nicht nur ein Strohfeuer, das nach zwei oder drei
Jahren wieder verlöscht war, sondern eine Bewegung,
die erst durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts im August 1968 und die anschließenden
Verbote zahlreicher Filme gestoppt wurde.
Der Begriff »Prager Frühling« steht gemeinhin für das
von der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei
unter Alexander Dubček getragene Reformprojekt und
den Versuch, einen »Sozialismus mit menschlichem
Antlitz« aufzubauen. Diese Bewegung hatte aber ihren
Vorlauf, der sich seit Anfang der 1960er Jahre in der
CSSR bemerkbar machte und sich auf alle Künste erstreckte, insbesondere in der Literatur und beim Theater. Autoren wie Bohumil Hrabal und Milan Kundera lieferten Vorlagen für mehrere der Filme und arbeiteten
selber an Drehbüchern mit. Die direkt nach dem Krieg
eröffnete Filmfakultät an der Akademie der Musischen
Künste (FAMU) in Prag wusste ihre Freiheiten auszunutzen und ihren Studenten einen unverstellten Blick
auf gesellschaftliche Realitäten zu ermöglichen – fast
alle wichtigen Filmregisseure der CSSR, die in den
1960ern debütierten, durchliefen diese Schule. Die im
Mai 1963 in Libice veranstaltete Kafka-Konferenz stieß
nicht nur eine öffentliche Beschäftigung mit dem bis
Macht Toleranz gegenüber alternativen Meinungen verlangte. Der Regisseur sollte nicht mehr nur der künstlerische Organisator einer Filminszenierung – um nicht
fremder Gedanken zu sagen – sein, die Aussage über
seine eigene Sichtweise der Welt wurde zum obersten
Prinzip.« (Ivan Klimeš) Der Wille zum Experiment, zu
neuen Stilen und zu neuen Visionen zeigt sich insbesondere in Filmen von Věra Chytilová, Jan Schmidt
oder Juraj Jakubisko. TAUSENDSCHÖNCHEN ist eine
feministische surreale Komödie, die bis heute in der
Filmgeschichte einzigartig ist. ENDE AUGUST IM HOTEL
OZON entwickelt eine Endzeitvision, die später oft kopiert und im amerikanischen Mainstream-Kino weiterentwickelt wurde. VÖGEL, WAISEN UND NARREN ist
ein phantastisches Märchen »über die jungen Leute
von heute, die nicht erwachsen werden wollen und
durch ihre Verrücktheit, ihren Wahnsinn die eigene
Unsicherheit überdecken«.
Abrupt beendete der Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die CSSR am 21. August 1968 das
Experiment des Prager Reformkommunismus und
damit auch die Blütezeit der tschechoslowakischen Kinematographie. Ulrich Gregor beschreibt die Konsequenzen: »Zwar konnte das Kino der jungen Regisseure auch unter der Okkupation etwa noch ein Jahr
ein verstecktes Dasein führen, manche Filme wurden
noch gedreht und sogar exportiert, bis Ende 1969 die
Entwicklung zu einem endgültigen Stillstand kam. In
allen Bereichen wurden die bisher verantwortlichen Leiter des Filmwesens von ihren Posten entfernt und
durch willfähige Diener des neuen Regimes ersetzt.
Fast alle Regisseure des neuen tschechoslowakischen
Films erhielten Arbeitsverbot, ihre früheren Filme wurden in die Archive verbannt und nicht mehr gezeigt
(was dazu führte, dass das tschechoslowakische Kino
der 1960er Jahre jahrzehntelang weder im In- noch
Ausland präsent war und quasi zu existieren aufgehört
hatte). Eine Reihe von Regisseuren emigrierte (aber nur
Miloš Forman gelang es, sich in den USA zu etablieren
und eine neue Karriere zu beginnen). Die blieben, konnten zunächst jahrelang keine Filme mehr drehen oder
wurden wieder auf systemkonforme Unterhaltung festgelegt. Kirchhofsruhe beherrschte den tschechoslowakischen Film, der in Provinzialität und politischem Dogmatismus versank.«
Die Filmreihe zeigt eine durchaus subjektiv gefärbte
Auswahl von Filmen, die die Vielfalt des Kinos der
1960er Jahre vermittelt. Einige der Filme sind hierzulande noch völlig unbekannt, manche wurden erst
zwanzig Jahre nach ihrer Entstehung überhaupt für
Aufführungen freigegeben. Verblüffend ist die stilisti-
Prager Frühling
dahin in Osteuropa verfemten Werk Franz Kafkas
an, sondern beflügelte den Kampf gegen Machtmissbrauch und Bürokratismus und für eine Welt der sozialen Demokratie, Initiative und Verantwortung. Jan Žalman beschrieb die Situation der 1950er Jahre folgendermaßen: »Zehn Jahre, einerseits erfüllt von einem
messianischen Glauben an den Sozialismus und von
Aufbaufieber, andererseits vom Kalten Krieg, von Isolation, von der Drohung einer atomaren Katastrophe und
den Praktiken des Dogmatismus, brachten eine ›Erschütterung über den Verlust der Werte‹.«
Die ersten Filme der Tschechoslowakischen Neuen
Welle begnügten sich mit der möglichst realistischen
Darstellung des Alltagslebens. »Auf der Leinwand war
immer öfter die scheinbar nicht-stilisierte Welt der jungen Leute in deren authentischer Umgebung zu sehen,
eine intim beleuchtete Welt von gewöhnlichen, nichtheldenhaften menschlichen Typen, die oft von NichtSchauspielern verkörpert wurden.« (Ivan Klimeš) Miloš
Forman formulierte die Absichten seiner Filme sehr
klar: Ȇblicherweise gilt als politischer Film nur der
Film, in dem politische Inhalte dargestellt werden. Ich
bin jedoch der Auffassung, dass auch Filme vollkommen unpolitischen Inhalts wie DIE LIEBE EINER BLONDINE politisch sind. Denn der Tenor dieses Films ist die
Überprüfung des eigenen Daseins, die Frage nach dem,
was mit uns und um uns herum geschieht. Da liegt die
Frage nach der Zukunft nicht mehr fern. Sicher wäre es
möglich, engagierter und deutlicher zu argumentieren,
auch andere Themen zu wählen, aber ich glaube, dass
gerade jetzt, in dieser Situation, die nächste Frage die
nach unseren eigenen Angelegenheiten sein soll, die
Frage nach unseren individuellen Belangen. Dass es
überhaupt möglich ist, einen Film darüber zu drehen,
ist ein konkret politisches Zeichen. Vor einigen Jahren
wäre das nach Kenntnis unserer Geschichte kaum
denkbar gewesen.« Anders als die nouvelle vague in
Frankreich oder das free cinema in England entwickelte
der tschechoslowakische Film kein Starsystem, sondern definierte sich allein über seine Autoren und deren
Sichtweisen.
Der Episodenfilm PERLEN AUF DEM MEERESGRUND –
zu dem auch noch der Kurzfilm GESAMMELTE ROHHEITEN zu zählen ist, der separat herausgebracht wurde –
war das Manifest der jungen Filmemacher: Ausgehend
von Kurzgeschichten Bohumil Hrabals zeigten sie ihre
unterschiedlichen Handschriften. »Ein Politikum von
großer Tragweite verbarg sich auch im Prinzip der Originalität. Anders zu sehen als die anderen, enthielt ein
Element des Trotzes und stellte eine unberechenbare,
also unkontrollierbare Einzigartigkeit dar, die von der
31
Prager Frühling
32
sche Vielfalt und die Frische der Filme, die sie dank
ihrer künstlerischen Innovationskraft und ihres politischen Wagemuts auch heute noch ausstrahlen. Das
Filmmuseum München dankt dem Tschechischen Zentrum München und dem Národní filmový archiv für die
Unterstützung bei der Konzeption der Retrospektive, für
die Bereitstellung der Filme und für die Untertitelung
von außerhalb von Tschechien unbekannten Werken.
Einige der Filme laufen in neuen digital restaurierten
Fassungen, so DER FEUERWEHRBALL und das legendäre, bildgewaltige Historiengemälde MARKETA LAZAROVA. Als Gäste und Zeitzeugen erwarten wir die Regisseure Jan Schmidt, Karel Vachek, Juraj Herz und Jiří
Menzel sowie die Schauspielerin Magda Vašáryová und
den Leiter des Národní filmový archiv Michal Bregant in
München. Vachek hat mit WAHLVERWANDTSCHAFTEN
das wichtigste filmische Dokument über die Vorgänge
im Frühling 1968 geschaffen, das einen Markstein in
der Geschichte des Dokumentarfilms darstellt.
Stefan Drößler
KRIK (DER ERSTE SCHREI) – CSSR 1963 – R: Jaromil
Jireš – B: Ludvík Aškenazy, Jaromil Jireš – K: Jaroslav
Kučera – M: Jan Klusák – D: Eva Límanová, Josef
Abrhám, Eva Kopecká, Jiří Kvapil, Jiří Jánoška –
77 min, OmeU – »Der Film erzählt einen Tag des Jahres 1963 und verwebt drei Handlungslinien miteinander: Eine junge Frau steht vor der Geburt ihres ersten
Kindes; ihr Mann, ein Fernsehmechaniker, geht in verschiedenen Wohnungen seiner Arbeit nach; die dritte
Linie bilden Fragmente aus Wochenschauen – das Bild
einer chaotischen, unsicheren, halbirren Welt, in die
das Kind geboren werden soll.« (Jan Žalman) EIN
ANLASS ZUM SPRECHEN – BRD 1966 – R+B: Haro
Senft – K: Jaromír Šofr – M: Erich Ferstl – mit Hynek
Bočan, Věra Chytilová, Jan Čuřík, Miloš Forman, Jaromil Jireš, Pavel Juráček, Elmar Klos, Jan Kučera, Jiří
Menzel, Jan Němec, Ivan Passer, Evald Schorm, Otakar Vávra, Václav Havel – 103 min – Dokumentarfilm
über die Filmfakultät der Akademie der musischen
Künste (FAMU) in Prag, die nahezu alle Filmemacher
der Tschechoslowakischen Neuen Welle ausbildete.
▶ Donnerstag, 20. September 2012, 19.00 Uhr
POSTAVA K PODPIRANI (JOSEF KILIAN) – CSSR
1963 – R: Pavel Juráček, Jan Schmidt – B: Pavel Juráček, Jan Schmidt – K: Jan Čuřík – M: Wiliam Bukový
– D: Pavel Bartl, Pavel Šilhánek, Stanislav Michler –
38 min, OmeU – Eine kafkaeske Darstellung absurder
Situationen: Ein junger Mann verstrickt sich in den Maschen einer übermächtigen bürokratischen Welt. –
SBERNE SUROVOSTI (GESAMMELTE ROHHEITEN) –
CSSR 1965 – R+B: Juraj Herz, nach der Erzählung
»Baron Prášil« von Bohumil Hrabal – K: Rudolf Milíč –
M: Zdeněk Liška – D: Václav Halama, František Ketzek,
Bobina Maršátová, Libuše Palečková, Jan Vlček –
31 min – Groteske über die Relativität der Werte, die
auf einem Wertstoffhof spielt. – NEZVANY HOST (DER
UNGEBETENE GAST) – CSSR 1969 – R+B: Vlastimil
Venclík – K: Tomáš Procházka – D: Iva Šašková, Jiří
Hálek, Pavel Landovský, Václav Kotva – 23 min, OmeU
– Ein junges Ehepaar wird durch ein Klopfen an der Tür
aufgeschreckt. Ein Mann mit einem großen Koffer tritt
ein und benimmt sich sofort wie zu Hause.
▶ Freitag, 21. September 2012, 18.30 Uhr
PERLICKY NA DNE (PERLEN AUF DEM MEERESGRUND) – CCSR 1965 – R+B: Jiří Menzel, Jan Němec,
Evald Schorm, Věra Chytilová, Jaromil Jireš, nach Kurzgeschichten von Bohumil Hrabal – K: Jaroslav Kučera –
M: Jan Klusák, Jiří Šust – D: Emil Iserle, Miloš Čtrnáctý,
Josefa Pechlátová, Vladimír Boudník, Dana Valtová –
105 min, OmU – Ein Anthologiefilm der Tschechoslowakischen Neuen Welle, der sich von tragikomischen
Erzählungen Bohumil Hrabals über die Poesie des Alltags inspirieren ließ. Fünf Episoden. DER TOD DES
HERRN BALTHASAR: Eine Familie geht zu einem Autorennen. DIE SCHWINDLER: Zwei alte Männer erzählen
im Krankenhaus von ihrem Leben. HAUS DER FREUDE:
Zwei Versicherungsvertreter begegnen einem Maler
und dessen Mutter. AUTOMAT WELT: Eine Hochzeitsfeier in einer vorstädtischen Imbissbude. ROMANZE:
Liebesgeschichte zwischen einem Installateur und
einer jungen Zigeunerin.
▶ Samstag, 22. September 2012, 18.30 Uhr
AZ PRIJDE KOCOUR (WENN DER KATER KOMMT) –
CSSR 1963 – R: Vojtěch Jasný – B: Jan Werich, Jiří
▶ Freitag, 28. September 2012, 18.30 Uhr
O NECEM JINEM (VON ETWAS ANDEREM) – CSSR
1963 – R+B: Věra Chytilová – K: Jan Čuřík – M: Jiří
Šlitr – D: Eva Bosáková, Věra Uzelacová, Josef Langmiler, Jiří Kodet, Milivoj Uzelac, Miroslava Matlochová –
90 min, OmU – »Die Regisseurin konfrontiert ohne vordergründige Parteinahme den Alltag zweier Frauen –
einer bekannten Sportlerin, deren Leben mit rastlosem
Training ausgefüllt ist, und den einer Hausfrau und
Mutter, die unter der Leere ihres Daseins leidet; während das Training der Sportlerin dokumentarisch gezeigt wird, ist die zweite Handlungslinie fiktiv. Die beiden Geschichten berühren sich nie, aber spiegeln sich
aneinander, jedes Leben stellt das andere in Frage; aufgrund seiner originellen Konzeption löst der Film Gedanken und Fragen aus, auf die Věra Chytilová jedoch
keine Antwort liefert.« (Ulrich Gregor)
▶ Samstag, 29. September 2012, 18.30 Uhr
NEJVETSI PRANI (MEIN INNIGSTER WUNSCH) –
CSSR 1964 – R: Jan Špáta, Stanislava Hutková – B:
Jan Špáta – K: Vladimír Skalský, Karel Kracík – M:
Štěpán Koníček – 31 min, OmU – »Offensichtlich spontane Interviews mit über hundert jungen Tschechen
aus allen Bereichen des Lebens. Die faszinierenden
Antworten zeigen das Nichtvorhandensein der offiziellen ›sozialistischen‹ Ideologie.« (Amos Vogel) – KAZDY
DEN ODVAHU (MUT FÜR DEN ALLTAG) – CSSR 1964
– R: Evald Schorm – B: Antonín Máša – K: Jan Čuřík –
M: Jan Klusák – D: Jan Kačer, Jana Brejchová, Josef
Abrhám, Jiřina Jirásková, Vlastimil Brodský – 87 min,
OmeU – »Stilistisch von Antonioni beeinflusst, erzählt
Schorm die tragische Geschichte eines jungen kommunistischen Aktivisten, der beim Versuch, den revolutio-
nären Idealen treu zu bleiben, immer stärker in Konflikt
mir seiner Umwelt gerät. Kühne ideologische Verweise,
unmissverständliche Sinnbilder und treffende Kommentare zur nachrevolutionären Wirklichkeit stempeln diesen bitteren und ironischen Film zu einem politischen
Werk von großer Bedeutung.« (Amos Vogel)
▶ Sonntag, 30. September 2012, 18.30 Uhr
A PATY JEZDEC JE STRACH (DER FÜNFTE REITER
IST DIE ANGST) – CSSR 1964 – R: Zbyněk Brynych –
B: Hana Bělohradská, Zbyněk Brynych, nach einer Novelle von Hana Bělohradská – K: Jan Kališ – M: Jiří
Sternwald – D: Miroslav Macháček, Olga Scheinpflugová, Jiří Adamíra, Zdenka Procházková, Josef Vinklář,
Ilja Prachař, Jana Prachařová – 97 min, OmeU – »Dieses expressionistische Drama um Verrat, Feigheit und
Heldentum in einem totalitären Staat erforscht die
Grenzen verschiedener menschlicher Verhaltensweisen
unter extremen Bedingungen in glänzend angelegten
Bildfolgen von hypnotischer Kraft. Die Geschichte eines
jüdischen Arztes, der sich unerwartet einem schrecklichen Dilemma gegenübersieht, wirft elementare Fragen auf. Die Unterdrücker, angeblich Nazis, tragen
keine Uniformen; die Ereignisse, scheinbar im letzten
Weltkrieg angesiedelt, ereignen sich in einer zeitlosen
und deshalb universellen Realität, was die bedrückende aktuelle Bedeutung des Films noch verstärkt.
Ort der Handlung könnte Prag sein, Thema ist die
Angst.« (Amos Vogel)
▶ Dienstag, 2. Oktober 2012, 18.30 Uhr
OBCHOD NA KORZE (DAS GESCHÄFT IN DER
HAUPTSTRASSE) – CSSR 1965 – R: Ján Kadár, Elmar
Klos – B: Ladislav Grosman, Ján Kadár, Elmar Klos,
nach dem Roman von Ladislav Grosman – K: Vladimír
Novotný – M: Zdeněk Liška – D: Ida Kaminská, Josef
Króner, František Zvarík, Hana Slivková, Martin Hollý –
122 min, OmU – 1942 soll in einer slowakischen
Prager Frühling
Brdečka, Vojtěch Jasný – K: Jaroslav Kučera – M: Svatopluk Havelka – D: Jan Werich, Emília Vašáryová, Vlastimil Brodský, Jiří Sovák, Vladimír Menšík, Jiřina Bohdalová – 101 min, OmeU – »Der Kater einer Wanderschauspieltruppe enthüllt durch seinen magischen
Blick den wahren Charakter der Menschen. Mit Hilfe
einer Zauberbrille durchdringt er das moralische Chaos,
in dem sich die Leute selbst nicht mehr zurechtfinden.
Im Stil eines phantastischen Märchenballetts inszeniert,
ignoriert der Film durch seine ironischen Implikationen,
deren gesellschaftskritische Intentionen durchaus deutlich ablesbar sind, die Genregrenzen des Märchenfilms
und wendet sich nicht nur an ein jugendliches Publikum. Bemerkenswert ist auch die kunstvolle Nutzung
der Farbfotografie, die nach dramaturgischen Gesichtspunkten eingesetzt wird.« (Helmut Pflügl)
33
Prager Frühling
Kleinstadt im Zuge der nationalsozialistischen Säuberungswelle ein Tischler das Kurzwarengeschäft einer
alten jüdischen Witwe übernehmen. »An der literarischen Vorlage fesselte uns vor allem die seltsame Mischung von Komödie und Tragödie. Es interessierte
uns, diese diametral verschiedenen Ebenen zu einem
harmonischen Ganzen zu verbinden. Beide sind für das
Grundthema wesentlich: An der Gewalt sind nicht nur
die Menschen mit dem Revolver im Gürtel schuld, sondern auch die ordentlichen, braven Menschen, die sich
vor den Gewalttätern fürchten und deshalb zu ihren Mittätern werden.« (Ján Kadár / Elmar Klos)
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▶ Mittwoch, 3. Oktober 2012, 18.30 Uhr
NIKDO SE NEBUDE SMAT (NIEMAND WIRD LACHEN)
– CSSR 1965 – R: Hynek Bočan – B: Hynek Bočan,
Pavel Juráček, nach der Erzählung »Směšné lásky« von
Milan Kundera – K: Jan Němeček – M: Wiliam Bukový
– D: Jan Kačer, Štěpánka Řeháková, Josef Chvalina,
Hana Kreihanslová, Jaromír Spal – 95 min, OmeU – Ein
junger Universitätsdozent wird von einem Wichtigtuer
belästigt, der ihm schließlich zum Verhängnis wird.
»Bočan hat aus der witzig-kritischen Erzählung von
Milan Kundera einen skurrilen Film gemacht. Eine verrückte Wegumleitung um eine unbedeutende, aber
dafür dauerhafte Straßenbaustelle steht kennzeichnend für die ganze Geschichte, die wirklich nur auf lächerlich umwegige Weise zu einem ›Fall‹ werden kann.
Nicht als würde der Held zu einem unschuldigen Opfer.
Auch sein Verhalten ist zweischneidig, wie der ganze
Film in einer schönen Schwebe bleibt.« (Heinz Ungureit)
»Bočans Debütfilm verrät große filmische Erzählkunst
und weist stilistische Anklänge an Jacques Tati und Vittorio de Sica auf.« (Ivan Klimeš)
▶ Dienstag, 9. Oktober 2012, 18.30 Uhr
INTIMNI OSVETLENI (INTIME BELEUCHTUNG) –
CSSR 1965 – R: Ivan Passer – B: Jaroslav Papoušek,
Václav Šašek, Ivan Passer – K: Miroslav Ondříček,
Josef Střecha – M: Josef Hart, Oldřich Korte – D: Karel
Blažek, Zdeněk Bezušek, Miroslav Cvrk, Věra Křesadlová, Jaroslava Štědrá – 71 min, OmeU – »Zu einem
Musikschuldirektor in einer Kleinstadt kommt an einem
Wochenende ein alter Schulfreund mit seiner Geliebten.
Der Film ist die Chronik weniger Tage, die die Freunde
zusammen verbringen, die Beschreibung banaler Ereignisse. Aus der Beobachtung vieler Einzelheiten ergibt
sich ein Röntgenbild kleinbürgerlicher Verhaltensweisen. Hinter der pittoresken Oberfläche zeigen sich
Leere, Abstumpfung, Selbstzufriedenheit, Beschränktheit. Deshalb ist INTIME BELEUCHTUNG trotz zunächst
gegenteiligen Anscheins kein ›liebenswerter‹, sondern
eher ein grausamer Film.« (Ulrich Gregor)
▶ Freitag, 12. Oktober 2012, 18.30 Uhr
OSTRE SLEDOVANE VLAKY (LIEBE NACH FAHRPLAN) – CSSR 1966 – R: Jiří Menzel – B: Jiří Menzel,
Bohumil Hrabal, nach einem Roman von Bohumil Hrabal – K: Jaromír Šofr – M: Jiří Šust – D: Václav Neckář,
Jitka Bendová, Josef Somr, Vladimír Valenta, Jiří Menzel – 78 min, OmU – Unpathetische Komödie um einen
verträumten Bahnbeamtenanwärter, der sich auf
einem tschechischen Provinzbahnhof gegen Ende des
Zweiten Weltkrieges langweilt. Eine Partisanin führt ihn
in die Geheimnisse der Liebe ein, und er wird eher zufällig zum Helden des Widerstands. »Ein Werk intelligenter und ironischer Regie – allerdings auch nicht frei
von ausgewalzten Effekten und Derbheiten. Dem Film
war ein außergewöhnlicher Erfolg beschieden, in den
USA erhielt er einen Oscar.« (Ulrich Gregor)
▶ Samstag, 13. Oktober 2012, 18.30 Uhr
RUKA (DIE HAND) – CSSR 1966 – R+B: Jiří Trnka – K:
Jiří Šafář – M: Václav Trojan – 18 min, ohne Dialog –
Die traurige Geschichte über einen hilflosen Harlekin
und eine allmächtige Hand als Parabel für die Ohnmacht der tschechischen Künstler jener Zeit. – O
SLAVNOSTI A HOSTECH (VOM FEST UND DEN GÄSTEN) – CSSR 1966 – R: Jan Němec – B: Ester Krumbachová, Jan Němec – K: Jaromír Šofr – M: Karel
Mareš – D: Ivan Vyskočil, Jan Klusák, Jiří Němec, Pavel
Bošek, Karel Mareš, Evald Schorm – 71 min, OmU –
Ein nicht näher benannter Gastgeber lädt zu einem Fest
im barocken Stil ein. Seine Gäste verhalten sich wie
Figuren aus einem ideologischen Pamphlet – bis einer
der Gäste »flüchtet« und damit die gesellschaftliche
Gesetzmäßigkeit stört. »Im Verlauf des Films verwandelt sich Renoir in Buñuel, und wir werden eines
vernichtenden, pessimistischen Kommentars über
SEDMIKRASKY (TAUSENDSCHöNCHEN) – CSSR
1967 – R: Věra Chytilová – B: Věra Chytilová, Ester
Krumbachová, Pavel Juráček – K: Jaroslav Kučera – M:
Jiří Šlitr, Jiří Šust – D: Jitka Cerhová, Ivana Karbanová,
Julius Albert, Jan Klusák, Marie Češková, Jiřina
Myšková – 73 min, OmU – »Eine närrische, dadaistische Komödie, eine Orgie spektakulärer visueller Köstlichkeiten, sinnlichen Dekors und wunderbarer Farbexperimente, eine groteske Farce, die trotzdem voll heiterer Weisheit ist. Zwei leichtsinnige junge Mädchen, gelangweilt und respektlos, weder der Vergangenheit
noch der Zukunft bewusst, stolpern durch eine bizarre
Reihe von Zufallsbekanntschaften, wilden Abenteuern,
Fressorgien und Kuchenschlachten. Unter der Übertreibung, dem Sarkasmus und dem Übermut lauert ein
ernsthafter Kommentar über einen betrügerischen Lebenswandel, der wie ein Spiel vonstatten geht und bei
dem die Spieler zu Opfern werden.« (Amos Vogel)
▶ Freitag, 19. Oktober 2012, 18.30 Uhr
Prager Frühling
▶ Sonntag, 14. Oktober 2012, 18.30 Uhr
KONEC SRPNA V HOTELU OZON (ENDE AUGUST IM
HOTEL OZON) – CSSR 1966 – R: Jan Schmidt – B:
Pavel Juráček, Jan Schmidt – K: Jiří Macák – M: Jan
Klusák – D: Beta Poničanová, Magda Seidlerová, Hana
Vítková, Jana Nováková, Ondrej Jariabek, Vanda Kalinová – 80 min, OmeU – Die Welt nach einer nuklearen
Katastrophe. Eine Gruppe von neun Frauen zieht durch
die zerstörte Landschaft. Ihre alte Anführerin hat als
einzige die Zeit vor der Katastrophe erlebt, die acht jungen Frauen in ihrer Begleitung haben ein zivilisiertes
Leben nie kennen gelernt, sie sind ohne Moral und
Gewissen aufgewachsen. Auf ihrer Suche nach einem
Mann, mit dem sie Kinder zeugen und der Menschheit
das Überleben sichern könnten, kommen die Frauen in
eine ausgestorbene Stadt. Ein ungewöhnlicher ScienceFiction-Film, angesiedelt zwischen düsteren nuclear
doomsday movies wie ON THE BEACH oder LORD OF
THE FLIES und eskapistischen post-apocalyptic thrillers
à la MAD MAX.
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▶ Samstag, 20. Oktober 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Jan
Schmidt)
HORI, MA PANENKO (DER FEUERWEHRBALL) –
CSSR 1967 – R: Miloš Forman – B: Miloš Forman, Ja-
TAUSENDSCHÖNCHEN
menschliche unter dem Totalitarismus teilhaftig, einer
kalten Dusche, zeitlos und unangenehm vertraut.«
(Amos Vogel)
Prager Frühling
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roslav Papoušek, Ivan Passer – K: Miroslav Ondříček –
M: Karel Mareš – D: Jan Vostrčil, Josef Šebánek, Ladislav Adam, Vratislav Čermák, František Debelka –
71 min, OmeU – Zu Ehren des 86-jährigen Ehrenkommandanten der freiwilligen Feuerwehr wird im kleinen
Grenzort Vrchlabí ein Ball ausgerichtet – doch das Fest
wird ein Fiasko. »Formans subversives Künstlertum ist
so hintergründig, dass einige Kritiker in seinen Filmen
noch immer nichts als frohgemute volkstümliche Komödien erblicken. Doch hinter seinem handfesten und
scharfen Humor lauert eine sardonische Kritik am Kleinbürgertum. Nirgendwo kam das deutlicher zum Vorschein als in diesem Film, einer vergnüglichen und zunehmend düster werdenden Geschichte.« (Amos Vogel)
▶ Dienstag, 23. Oktober 2012, 18.30 Uhr
HOTEL PRO CIZINCE (HOTEL FÜR FREMDE) – CSSR
1968 – R+B: Antonín Máša – K: Ivan Šlapeta – M: Svatopluk Havelka – D: Petr Čepek, Taťána Fischerová,
Vladimír Šmeral, Evald Schorm, Jiří Menzel – 103 min,
OmeU – Ein Dichter wird in dem Hotel ermordet, in das
er sich zurückgezogen hat. Anhand seiner rätselhaft
fragmentarischen Tagebuchskizzen wird in Rückblenden sein Leben in der Scheinwelt des Hotels beleuchtet
und versucht, den Hergang des Verbrechens zu rekonstruieren. Die poetische Tragikomödie ist inspiriert vom
Gestus der Stummfilmgroteske und vom Stil des absurden Theaters. »Offensichtlich ist die nostalgisch geschilderte, verschnörkelte Welt des Hotels als Allegorie
der gegenwärtigen Gesellschaft gemeint, deshalb
wurde der Film auch erst 1968 verspätet zur Aufführung freigegeben.« (Ulrich Gregor)
▶ Mittwoch, 24. Oktober 2012, 18.30 Uhr
ZERT (DER SCHERZ) – CSSR 1968 – R: Jaromil Jireš
– B: Milan Kundera, nach seinem Roman – K: Jan Čuřík
– M: Zdeněk Pololáník – D: Josef Somr, Jana Dítětová,
Luděk Munzar, Evald Schorm, Věra Křesadlová –
77 min, OmeU – »Ein erstaunlich ehrlicher und unbequemer Film, nicht nur wegen seiner wütenden Attacke
auf den Stalinismus, sondern auch wegen der kompromisslosen Art, in der er den politischen Opportunismus
der neuen Mittelklasse darstellt. Indem er eines jungen
Mannes Entwicklung von jugendlichem Leichtsinn über
eine politische Gefängnisstrafe zur schließlichen Bewusstwerdung nachvollzieht, gerät er zur beklemmenden Untersuchung einer korrupten Gesellschaft.«
(Amos Vogel)
▶ Freitag, 26. Oktober 2012, 18.30 Uhr
SPALOVAC MRTVOL (DER LEICHENVERBRENNER) –
CSSR 1968 – R: Juraj Herz – B: Ladislav Fuks, Juraj
Herz, nach dem Roman von Ladislav Fuks – K: Stanislav Milota – M: Zdeněk Liška – D: Rudolf Hrušínský,
Vlasta Chramostová, Jana Stehnová, Miloš Vognič, Jiří
Menzel – 96 min, OmeU – »Ein provozierender Versuch, zu den Quellen sadosexuellen Nazi-Ungeistes
vorzudringen, wird in diesem stark expressionistischen
Film über einen verklemmten Kleinbürger und Familienvater unternommen, dessen Arbeit an Leichen im örtlichen Krematorium – ›um sie frei zu machen fürs
Leben nach dem Tod‹ – während der Nazibesetzung
unerwartete Bedeutung gewinnt. Seine demütige Frau
lässt sich bereitwillig von ihm erhängen, sein Sohn wird
ermordet, und die Beförderung zum Leiter eines Vernichtungslagers erscheint schließlich als logische Auflösung einer bizarren, kraftvollen Geschichte.« (Amos
Vogel)
▶ Samstag, 27. Oktober 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Juraj
Herz)
FARARUV KONEC (DAS ENDE EINES PRIESTERS) –
CSSR 1968 – R: Evald Schorm – B: Josef Škvorecký –
K: Jaromír Šofr – M: Jan Klusák – D: Vlastimil Brodský,
Jana Brejchová, Jan Libíček, Zdena Škvorecká, Jaroslav Satoranský, Vladimír Valenta – 99 min, OmeU – Die
Bewohner eines kleinen Dorfes halten irrtümlicherweise einen gewöhnlichen Küster für einen Priester.
Dieser klärt den Irrtum nicht auf, und mit Hingabe und
Einfühlungsvermögen erfüllt er die ihm übertragene
Aufgabe zur allgemeinen Zufriedenheit. »Dieser Film ist
als turbulente Farce mit köstlichen Typen aus dem
Dorfmilieu angelegt, doch es mischen sich permanent
Untertöne von Bitterkeit in die Satire der rivalisierenden
weltlichen und kirchlichen Instanzen, wobei die Fronten
von Wahrheit und Lüge nicht geradlinig verlaufen, denn
Arroganz, Heuchelei und Betrug finden sich stets in
den oberen Regionen jeder Instanz.« (Ivan Klimeš)
▶ Freitag, 9. November 2012, 18.30 Uhr
wahl in der CSSR im Frühjahr 1968, die Reportage konzentriert sich auf die zweite Märzhälfte. Dass es ein
Redefilm ist, stört, weil Wichtiges gesagt wird, überhaupt nicht – im Gegenteil, jedes Mehr an Gestaltung,
etwa durch einen interpretierenden Kommentar, würde
die Glaubwürdigkeit mindern. Die Direct-Cinema-Methode erweist sich hier noch einmal als demokratisches
Verfahren: Auch der Zuschauer wird als Partner ernst
genommen, er wird nicht gegängelt, er muss sich aus
den Beobachtungen selbst eine Meinung zusammensetzen.« (Wilhelm Roth)
▶ Samstag, 10. November 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast:
Karel Vachek, Michal Bregant)
VTACKOVIA, SIROTY A BLAZNI (VöGEL, WAISEN
UND NARREN) – CSSR 1969 – R: Juraj Jakubisko – B:
Juraj Jakubisko, Karol Sidon – K: Igor Luther – M:
Zdeněk Liška – D: Philippe Avron, Magda Vašáryová,
Jiří Sýkora, Míla Beran, Mikuláš Ladižinský, Augustín
Kubáň, Jana Stehnová – 78 min, OmU – »Diese delirierende Tour de force aus kreativer Kameraarbeit und
Montage durchwandert ein verrücktes Universum surrealistischer Tableaus und bizarrer Vorgänge, wobei
jede Konfiguration in Entwurf und Farbe einem Gedicht
gleichkommt. Zwei Burschen und ein Mädchen, Kriegswaisen und der organisierten Gesellschaft entfremdet,
versuchen, in einer Welt des Wahnsinns und des Krieges ein Leben der Freiheit und Unschuld zu leben. Dieser unkonventionelle, phantastische Film vermischt
Traum und Wirklichkeit, Zärtlichkeit und Grausamkeit
unter ziemlich spektakulärer Verwendung von verzerrenden Linsen, bewegter Kamera und veränderlichem
Bildformat.« (Amos Vogel)
▶ Sonntag, 11. November 2012, 18.30 Uhr
JAN 69 (JAN PALACH) – CSSR 1969 – R+B+K: Stanislav Milota – 20 min, ohne Worte – Ein Filmessay
über die Beerdigung Jan Palachs, der sich zum Protest
gegen die sowjetische Okkupation am 19. Januar
1969 verbrannte. »Eine zutiefst ergreifende Erfahrung
in stiller Trauer und ein Zeugnis volksweiter Opposition.« (Amos Vogel) – SMUTECNI SLAVNOST (WUT
UND TRAUER) – CSSR 1969 – R: Zdenek Sirový – B:
Eva Kantůrková, Zdenek Sirový, nach dem Roman von
Eva Kantůrková – K: Jiří Macháně – M: Josef Kalach –
D: Jaroslava Tichá, Ľudovít Króner, Josef Somr, Jana
Vychodilová, Ludmila Roubíková – 70 min, OmeU – Der
Tod eines Bauern, der sich 1948 gegen die Kollektivierung gewehrt und daraufhin seinen Besitz verloren
hatte, wird Anfang der 1960er Jahre zu einem Streitfall
zwischen den Behörden und der Ehefrau, die ihren
Mann feierlich in der Familiengruft bestatten will. Die
Witwe kann sich durchsetzen, und der Trauerzug entwickelt sich zu einer eindrucksvollen Demonstration
gegen die Machthaber. Sirový gibt seinem in Rückblenden verschachtelt erzählten Film die Form einer streng
komponierten klassischen Tragödie.
▶ Freitag, 23. November 2012, 18.30 Uhr
BYT (DIE WOHNUNG) – CSSR 1968 – R+B: Jan
Švankmajer – K: Svatopluk Malý – M: Zdeněk Liška –
D: Ivan Kraus, Juraj Herz – 13 min – »In diesem bedeutungsträchtigen, glänzend angelegten Werk verschwören sich die Objekte – die Welt des unglücklichen Wohnungsinhabers – gegen diesen; ein Spiegel
zeigt nur den Hinterkopf, ein Ofen lässt beim Anzünden
Wasser fließen, und ein Suppenlöffel hat Löcher.«
(Amos Vogel) – UCHO (DAS OHR) – CSSR 1969 – R:
Karel Kachyňa – B: Jan Procházka, Karel Kachyňa – K:
Josef Illík – M: Svatopluk Havelka – D: Radoslav Brzobohatý, Jiřina Bohdalová, Jiří Císler, Miloslav Holub, Milica Kolofiková – 94 min, OmeU – Nach der Rückkehr
von einem Fest hegen ein hoher Beamter und seine
Frau den Verdacht, dass ihr Haus durchsucht wurde
und sie unter Beobachtung stehen. Die aufkommende
Panik lässt die zwischen dem Ehepaar schwelenden
Konflikte ausbrechen. Das Schlüsselwerk der tschechischen Regalfilme wirkt wie eine Kombination aus
Mike Nichols’ WHO’S AFRAID OF VIRGINIA WOOLF und
Francis Ford Coppolas THE CONVERSATION.
▶ Samstag, 24. November 2012, 18.30 Uhr
Prager Frühling
SPRIZNENI VOLBOU (WAHLVERWANDTSCHAFTEN)
– CSSR 1968 – R+B: Karel Vachek – K: Jozef Ort-Šnep
– 85 min, OmeU – Der Film ist ein legendäres Portrait
der politischen Protagonisten des Prager Frühlings, die
in alltäglichen, oftmals privaten Gesprächen zu sehen
sind. »Vachek berichtet mit virtuoser Direct-CinemaTechnik von den Vorbereitungen der Präsidentschafts-
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Prager Frühling
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SKRIVANCI NA NITI (LERCHEN AM FADEN) – CSSR
1969 – R+B: Jiří Menzel, nach einem Roman von Bohumil Hrabal – K: Jaromír Šofr – M: Jiří Šust – D: Rudolf Hrušínský, Vlastimil Brod, Václav Neckář, Jitka Zelenohorská, Jaroslav Satoranský, Vladimír Šmeral,
Naďa Urbánková – 100 min, OmU – Die Industriestadt
Kladno in den 1950er Jahren. Der Schrottplatz eines
Hüttenkombinats dient als »Umerziehungslager« für
»bourgeoise Elemente« und Feinde des Systems: Intellektuelle und Juristen, aber auch Handwerker und
kleine Ladenbesitzer. Die bürgerlichen Werte, wie etwa
ein Christuskreuz oder die Schreibmaschine eines
Schriftstellers, werden zu Maschinen für den sozialistischen Aufbau umgeschmolzen. Am liebsten möchte
man auch die Menschen umformen, doch diese erweisen sich mit ihren Gefühlen und Sehnsüchten als zu
hart für das Feuer der Partei. Eine absurde Komödie,
die nach Fertigstellung sofort verboten wurde und bei
ihrer Erstaufführung 1990 auf den Berliner Filmfestspielen den »Goldenen Bären« erhielt.
▶ Dienstag, 4. Dezember 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Jiří
Menzel)
ZAHRADA (DER GARTEN) – CSSR 1968 – R: Jan
Švankmajer – B: Jan Švankmajer, Ivan Kraus – K: Svatopluk Malý – M: Zdeněk Liška – D: Jiří Hálek, Luděk
Kopřiva, Míla Myslíková, Václav Borovička, František
Husák – 19 min, OmeU – Ein Gartenzaun aus Menschen, ein freundlicher Funktionär mit einem mysteriösen Geheimnis, ein Gespräch mit sinnentleerten Konversationsfloskeln. – DEN SEDMY – OSMA NOC (DER
SIEBTE TAG, DIE ACHTE NACHT) – CSSR 1969 – R:
Evald Schorm – B: Zdeněk Mahler, Evald Schorm – K:
Václav Hanuš – M: Jan Klusák – D: Jan Kačer, Bohumil
Šmída, Jan Libíček, Květa Fialová, Josef Bek –
108 min, OmeU – Ein verschlafenes Dorf gerät in
Panik: Der Bürgermeister und die Honoratioren des
Ortes verschwinden, Züge und Telefone fallen aus, Gerüchte von einer Invasion schwirren umher, und der
Dorfnarr geht daran, seine Habe zu verteilen, da er den
Untergang nahen sieht. Das Verhalten der normalerweise eher ruhigen Dorfbevölkerung überschreitet die
üblichen Hemmschwellen. »Eine groteske Parabel über
die Angst, die Unsicherheit und das Gefühl der Bedrohung unter den Menschen, voll politischer Anspielungen« (Lino Miccichè)
▶ Freitag, 7. Dezember 2012, 18.30 Uhr
ZMATEK (DIE KONFUSION) – CSSR 1968 – R+B:
Evald Schorm – K: Stanislav Milota – 36 min, OmU –
Unmittelbar nach dem Beginn der Okkupation 1968 ge-
dreht, vereint der Film kaum bekannte Bilder von Panzern in den Straßen von Prag und von hilflosen bis
phantasievollen Formen des Protests, die er zu einem
eindrucksvollen Requiem verdichtet. – ZABITA NEDELE (EIN TOTGESCHLAGENER SONNTAG) – CSSR
1969 – R: Drahomíra Vihanová – B: Drahomíra Vihanová, Jiří Křenek – K: Petr Volf, Zdeněk Prchlík – M: Jiří
Šust – D: Ivan Palúch, Míla Myslíková, Ota Žebrák, Petr
Skarke, Irena Boleslavská, Vladislav Dražďák, Jan
Vostrčil – 78 min, OmeU – Eine kleine Stadt an einem
Sommersonntag: Der Oberleutnant Arnošt ist von der
Eintönigkeit seines Lebens erschlagen und gleichzeitig
unfähig, dieses zu ändern. Seine mechanisch angefüllte Existenz in einer entfremdeten Welt der stillstehenden Zeit verkörpert die innere Situation der Menschen Ende der 1960er Jahre.
▶ Samstag, 8. Dezember 2012, 18.30 Uhr
MARKETA LAZAROVA – CSSR 1967 – R: František
Vláčil – B: František Pavlíček, František Vláčil, nach
dem Roman von Vladislav Vančura – K: Bedřich Baťka
– M: Zdeněk Liška – D: Josef Kemr, Magda Vašáryová,
Jaroslav Moučka, František Velecký, Karel Vašíček,
Ivan Palúch – 162 min, OmeU – Die Geschichte von
zwei rivalisierenden Clans im Mittelalter und einer tragischen Liebe. Die Titelheldin, ein ehrsames Mädchen,
ist für das Leben im Kloster vorbestimmt. Sie wird aber
gezwungen, die Geliebte eines gewalttätigen Jünglings
zu werden. In einer Umfrage unter tschechischen Filmkritikern wurde MARKETA LAZAROVA 1998 »besten
tschechischen Film aller Zeiten« gewählt. Das düstere,
surreale Meisterwerk, das erst jüngst digital restauriert
wurde, liefert ein eindrückliches Bild des Mittelalters.
Es erinnert in seinen poetischen und streng komponierten CinemaScope-Bildern an Filme von Akira Kurosawa
und an Andrej Tarkovskijs ANDREJ RUBLJOV.
▶ Dienstag, 11. Dezember 2012, 19.00 Uhr (Zu Gast:
Magda Vašáryová)
Das Erinnern weitertragen
und Erniedrigung, des Appellstehens, des Sterbens von
Mithäftlingen, des Hungerns zu narrativieren. Mitläufer
und Täter des Nationalsozialismus hingegen berichten
bereitwillig von den Kriegsjahren, jedoch meist in wenig
bedrohlichen Anekdoten, um die eigentlich grauenvollen und möglicherweise belastenden Erlebnisse zu verdecken.
Die fünf Filme dieser Reihe nähern sich den speziellen
Problemen des Erinnerns, des Tradierens, des Verdrängens in der Familie. Sie beschreiten dabei grundverschiedene Wege und werfen fundamental unterschiedliche Fragen auf. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie
nicht in die Falle tappen, lediglich private Familiengeschichten abzubilden. Zu den verschiedenen Arten des
Schweigens gesellen sich verschiedene Arten des Fragens: GERDAS SCHWEIGEN ist ein Prozess des NachFragens, da das ursprüngliche Schweigen bereits in
einem Buch gebrochen war. DAS WIRST DU NIE VERSTEHEN schafft einen stilisierten Rahmen, um seine
Protagonistinnen aus der Reserve zu locken. WAS
BLEIBT führt zwei kontrastierende Familiengeschichten
zusammen. In 2 ODER 3 DINGE, DIE ICH VON IHM
WEISS geht der Filmemacher auf Konfrontation mit seiner Familie, während WINTERKINDER – DIE SCHWEIGENDE GENERATION an die Beobachtung der Psychologin Ulla Roberts denken lässt: »Und manche Enkel
Das Erinnern weitertragen
In der Auseinandersetzung mit dem Naziterror rückte
mit der Zeit das Altern der Betroffenen immer stärker
ins Bewusstsein, und damit der nahende Verlust der
wichtigsten Stimmen – nämlich der Stimmen derer, die
das Geschehene selbst erlebten. Selbst das
Knopp’sche Zeitzeugenfernsehen konnte sich dem
nicht entziehen. Nun findet dieser Wechsel statt, der
Übergang von der 2. auf die 3. Generation, mit dem
das Berichten des Erlebten endgültig abgelöst wird
durch stärker narrativierte Formen der Vermittlung.
Dies birgt das Risiko, dass vorgefertigte Bilder zunehmend für »die Geschichte« stehen und das Fragen und
Suchen ersetzen. Im familiären Kontext geschieht dies
ständig, indem man das vorgefertigte Familiennarrativ
übernimmt und weiterträgt. Umso überraschender ist,
dass der Dokumentarfilm im vergangenen Jahrzehnt
gerade Wege fand, im familiären Umfeld gegen die tradierten Bilder vorzugehen.
Es geht ums Erzählen oder vielmehr darum, etwas erzählt zu bekommen. Zumeist beginnt es als Konfrontation mit dem Nicht-Wissen, mit der Suche, und damit
als Auseinandersetzung mit dem Schweigen, dem
Nicht-Erzählen, dem Nicht-Erzählten. Überlebende
schwiegen, um ihre Partner, ihre Kinder, ihre Familien
nicht zu belasten und um das einmal Erlittene nicht erneut durchzumachen. Auch in den Familien der Täter
wurde geschwiegen, mit dem großen Unterschied,
dass dieses Schweigen zur Mythenbildung führte, da
das Familiengedächtnis »unter den Erfordernissen von
Kohärenz, Identität und wechselseitiger Loyalität jedes
Mitglied dazu verpflichtete, die ›gute Geschichte‹ der
Familie aufrechtzuerhalten und fortzuschreiben.« (Harald Welzer)
Es gibt verschiedene Arten des Schweigens, meint die
Filmemacherin Anja Salomonowitz: eines, das redet,
um von anderem zu schweigen, und eines, das
schweigt, weil es sich zu sehr erinnert. Dies entspricht
den Erfahrungen, die die Sozialwissenschaftlerin Gabriele Rosenthal in ihren Interviews sowohl mit Überlebenden der Shoah als auch mit Tätern des NS-Regimes machte: Überlebende schweigen vollkommen,
da sie es nicht ertragen, die erlebte Grausamkeit sowie
die tagtäglich erlittenen Situationen der Demütigung
WINTERKINDER © Jens Schanze
Es gibt diese Mauer des Verstehens, über die kommt
man nicht. Wir sind auf der anderen Seite. Wir können
Nachrichten empfangen von der anderen Seite, wir
können uns die Dinge anhören, und das sollen wir
auch immer versuchen. Aber wir werden diese Mauer
nicht übersteigen können.
Knut Elstermann
39
Das Erinnern weitertragen
sagen, die Eltern haben anklagend gefragt, worauf die
Großeltern gar nicht hätten antworten können. Die
Enkel fragen anders.«
An allen fünf Abenden werden Betroffene, Beteiligte,
Filmemacherinnen und Filmemacher anwesend sein
und mit dem Publikum diskutieren. Die Filmreihe findet
in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Dachau und
dem Max-Mannheimer-Studienzentrum Dachau statt.
Nathalie Geyer, Christoph Michel
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WAS BLEIBT – Deutschland 2008 – R+B: Gesa Knolle,
Birthe Templin – K: Yoliswa Gärtig, Rasmus Sievers –
M: Immo Trümpelmann – Mit Erna de Vries, ihrer Tochter und Enkelin sowie Dietlindes österreichischer Familie – 58 min – Erna de Vries wurde als Kind mit ihrer
Mutter nach Auschwitz deportiert und später nach Ravensbrück verbracht; bis heute erfüllt sie ihr Versprechen, das Erlebte weiterzutragen und weiterzugeben;
ihre Töchter versuchen dies als Familienaufgabe fortzusetzen. Dietlinde erfuhr erst in den 1980er Jahren,
dass ihre Mutter KZ-Aufseherin war; bis heute forscht
sie weiter nach, während ihre eigene Tochter eine abwehrende Haltung einnimmt. Der erste Dokumentarfilm, der die familiäre Auseinandersetzung mit dem Holocaust sowohl auf der Täter- als auch auf der Opferseite beleuchtet.
▶ Sonntag, 23. September 2012, 17.30 Uhr (Zu Gast:
Erna de Vries, Gesa Knolle, Birthe Templin)
2 ODER 3 DINGE, DIE ICH VON IHM WEISS –
Deutschland 2005 – R+B: Malte Ludin – K: Franz Lustig, Birgit Gutjonsdottir, Martin Gressmann – M: Werner
Pirchner, Hakim Ludin, Jaroslav Nahovica – Mit Malte
Ludin, Erla Ludin, Iva Švarcová – 89 min – Hanns Elard
Ludin war Deutscher Gesandter in der Slowakei und
hatte maßgeblichen Anteil an der Deportation slowakischer Juden. 1947 wurde er in der CSSR als Kriegsverbrecher hingerichtet. In der Familie hieß es, er sei gefallen, und bald schlich sich gar die Vorstellung ein, er
sei im Widerstand gewesen. Der jüngste Sohn macht
sich nach Jahrzehnten daran, das Familiennarrativ zu
hinterfragen. Er lässt in der Befragung seiner Verwandten nicht locker, geht dabei bisweilen brachial und
schmerzhaft vor.
▶ Sonntag, 28. Oktober 2012, 17.30 Uhr (Zu Gast: Malte
Ludin)
DAS WIRST DU NIE VERSTEHEN – Österreich 2003 –
R+B: Anja Salomonowitz – K: Leena Koppe – M: Sami
Zeciri – Mit Gertrude Rogenhofer, Margit Kohlhauser,
Hanka Jassy, Yael Salomonowitz, Ludwig Jassy –
53 min – »In meinem Film geht es um drei Frauen, die
dem, was in der Geschichtswissenschaft als Täter- und
Opfergeneration bezeichnet wird, angehören. Mit ihren
unterschiedlichen Lebensgeschichten, unterschiedlichen Erzählungen und Erinnerungen leben sie alle in
einer Familie, in meiner Familie.« (Anja Salomonowitz)
»Hanka Jassy, ihre Großtante, hat Auschwitz überlebt.
Gertrude Rogenhofer, ihr Kindermädchen, war Sozialistin und unterstützte ihren Onkel im Widerstand. Margit
Kohlhauser, die Großmutter, lebte während des Krieges
in Graz. Sie tat dort, was die meisten taten: Nichts.«
(Nora Sternfeld)
▶ Sonntag, 25. November 2012, 17.30 Uhr (Zu Gast:
Anja Salomonowitz)
GERDAS SCHWEIGEN – Deutschland 2008 – R: Britta
Wauer – B: Britta Wauer, nach dem Buch von Knut Elstermann – K: Kaspar Köpke, Bob Hanna – M: Karim Sebastian Elias – Mit Gerda Schrage, Knut Elstermann,
Steven Schrage, Helga Elstermann, Dorle Specht –
95 min – Am Anfang steht ein Tabubruch: Das Kind
Knut fragt seine »Tante Gerda« aus Amerika, gerade zu
Besuch in der DDR, nach dem Verbleib ihres Kindes,
über das niemand zu sprechen wagt. Die Kaffeegäste
schweigen entsetzt. Knut ist verwirrt und beschämt.
30 Jahre später besucht Knut Elstermann Gerda in
New York und stellt ihr diese Frage erneut, und sie
bricht ihr jahrzehntelanges Schweigen. Die Filmemacherin Britta Wauer ist Gerdas Geschichte nachgegangen und zeichnet das filmische Porträt einer faszinierenden Frau, die sich mit trotzigem Lebensmut ein
Leben nach Auschwitz aufgebaut hat.
▶ Sonntag, 20. Januar 2013, 17.30 Uhr (Zu Gast: Knut
Elstermann)
WINTERKINDER – DIE SCHWEIGENDE GENERATION
– Deutschland 2005 – R+B: Jens Schanze – K: Börres
Weiffenbach – Mit Antonie Schanze, Horst Schanze,
Kerstin Schanze, Bärbel Schanze, Annette Schanze –
95 min – Jens Schanze versucht in Gesprächen mit
seiner Familie, die Geschichte seines Großvaters zu erforschen, der NS-Funktionär in Schlesien war. Nach
jahrzehntelangem Schweigen tauchen in der Familie
plötzlich Informationen über den Großvater auf, die
nicht zu dem liebevollen Bild passen wollen, das die
Mutter in ihren Erzählungen immer vermittelt hat. Anstatt seiner Mutter Vorwürfe zu machen und sie zu verurteilen, befasst sich Schanze mit der Schwierigkeit,
den Vater / Großvater als Nazi-Täter zu begreifen.
▶ Sonntag, 10. Februar 2013, 17.30 Uhr (Zu Gast: Jens
Schanze)
PARABETON
Underdox
7. Underdox Festival
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WHITE EPILEPSY
Ben Rivers war der letztjährige Artist in Focus des Festivals für Dokument und Experiment, Underdox. Das
Festival für Filme im Zwischenreich von Kunst, Dokumentarfilm und experimentellen Formen zeigt den ersten Langfilm des Briten, TWO YEARS AT SEA, der letztes Jahr auf den Filmfestspielen von Venedig mit dem
Preis der Internationalen Filmkritik ausgezeichnet wurde und u. a. im New Yorker Museum of Modern Art zu
sehen war. Rivers Film begleitet den Einsiedler Jake bei
seinen alltäglichen Verrichtungen in einer abgeschiedenen, wilden Natur. Gefilmt hat Rivers in grobkörnigem
Schwarzweiß, auf 16mm, und das Material selbst entwickelt, was seinem Film eine einzigartige, verrätselte
Atmosphäre verleiht.
Underdox zeigt die Werke von Filmkünstlern, die es
hierzulande noch zu entdecken gilt. Der Franzose Philippe Grandrieux ist einer von ihnen. Der Dokumentar-
und Kunstfilmer ist Vertreter eines physischen, ganz
und gar sinnlichen Kinos, dem cinéma du corps und
steht damit in einer Reihe mit Catherine Breillat oder
Gaspar Noé. Für WHITE EPILEPSY hat er das Bildformat
gekippt und arbeitet in Bildern, die an die Malerei von
Caravaggio erinnern, zwei Körper heraus, die in einer
archaischen Umarmung ihre ganze wilde Schönheit
entwickeln.
Heinz Emigholz ist Professor für Experimentelle Bildgestaltung und Autor von Architekturfilmen, dessen
Filme regelmäßig im Filmmuseum gezeigt wurden. In
PARABETON spannt er den Bogen von den ersten römischen Betonbauten zu den stilbildenden Konstruktionen des italienischen Bauingenieurs Pier Luigi Nervi.
Ungewöhnlich für Emigholz: Zum ersten Mal werden
seine Bilder durch die Bewegungen von Tieren und
Menschen animiert, die sich in den teils verlassenen,
teils noch funktionalen Gebäuden aufhalten.
Underdox ist eines von fünf Partnerfestivals der Viennale. Zum 50. Geburtstag des Wiener Festivals wird es
zwei Programme als Hommage geben. In der Artothek
neben dem Filmmuseum gibt es außerdem Sonderveranstaltungen rund um das Thema Kunst und Kino.
Das genaue Programm von Underdox mit allen Titeln,
Spieldaten und Spielorten ist ab Mitte September unter
www.underdox-festival.de zu finden.
Dunja Bialas
▶ Donnerstag, 4. Oktober bis Sonntag, 7. Oktober 2012
Rumänisches Filmfestival
Rumänien
Ein Gespräch bei Tisch, dem sich die Freundin des Sohnes nicht entziehen kann, während ihre Freundin Gefahr läuft, in einem Hotelzimmer bei einem heimlichen
Abtreibungsversuch zu verbluten (Cristian Mungius
4 MONATE, 3 WOCHEN, 2 TAGE), die Gespräche des
Krankenhauspersonals, während ein alter Mann die
Agonie des Todes erreicht (Cristi Puius DER TOD DES
HERRN LAZARESCU): vielleicht stand noch keine Gesellschaft wie die rumänische in ihrer spezifischen Art,
im Gespräch Realität zu leugnen, so entschieden auf
dem Prüfstand eines Kinos, dessen Kameras Aufzeichnungsmedium sein wollen, die fixieren, dabei erzittern,
in Plansequenzen aushalten – und unauflösbare Widersprüche aufzeigen.
Die zweite Dekade der Neuen Rumänischen Welle
bricht an. Puiu fordert mit seinem dritten Film AURORA
(im letztjährigen Programm des Filmmuseums) die
Wirklichkeit selbst heraus, wenn sich für seinen verschlossenen Helden ein Moment seines komplexen Beziehungsgeflechtes zu vier Morden verdichtet. Mungius
dritte Regiearbeit JENSEITS DER HÜGEL bekam dieses
Jahr – nach der Goldenen Palme für 4 MONATE, 3 WOCHEN, 2 TAGE – in Cannes Drehbuch- und Darstellerpreis. Wenn es Puius Frage ist, wieviel an reiner Sichtbarkeit Bilder in ihrer Folge fassen können, so fragt
Mungiu mit ähnlicher Konzentration danach, wieviel Erzählung in eine Einstellung hineinpasst, welche Physis
des Geistes in ein Bild, das sich dem Illusionskino verweigert. War 4 MONATE … ein Thriller mit überraschendem Inventar, so ist JENSEITS DER HÜGEL romanhaft jenseits von Sprache. Erneut stehen zwei
junge Frauen im Zentrum, die eine liebt die andere, die
andere liebt Gott vor der einen. Ihre Beziehung zu-
JENSEITS DER HÜGEL
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einander ist die asymmetrische Achse des Filmes, an
der entlang sich mit bescheidener Selbstverständlichkeit eine Tragödie ausbreitet.
Das neue rumänische Kino differenziert in seinem zweiten Jahrzehnt seine Motive und Ausdrucksformen bewusst aus. Im diesjährigen Programm sind die neuen
Arbeiten von Adrian Sitaru und Radu Jude zu sehen.
Beide widmen ihre Filme, AUS LIEBE MIT DEN BESTEN
ABSICHTEN und ALLE IN UNSERER FAMILIE, explizit
den tragikomisch quälenden Familienbanden, deren
Hintergrundrauschen die Spannung so vieler rumänischer Filme ausmachte. Sitaru ziseliert dabei ihre feinsten neurotischen Impulse aus, projiziert die Einmischungen einer vorlauten Gesellschaft an die Wand
eines Krankenhauszimmers, in dem die geliebte Mutter
sich von einem Schlaganfall erholen soll. Judes Held
wird gleich ungewohnt handgreiflich, als ihm die perfiden Ausweichmanöver seiner Ex-Frau die Tochter zu
entziehen drohen. Beide, Sitaru und Jude, verfolgen
dabei auch formal-ästhetische Absichten, Fragen, die
die neue Sprache des rumänischen Kinos aufwirft. Mit
seinen beiden Spielfilmen SPORTANGELN und AUS
LIEBE… lotet Sitaru die Möglichkeiten und Konsequenzen der subjektiven Einstellung aus. Jude – schön
nachzuvollziehen bei der aufeinanderfolgenden Präsentation von ALEXANDRA, ALLE IN UNSERER FAMILIE
und EIN FILM FÜR FREUNDE – infiltriert die meisterlich
realistischen Konfliktsituationen des rumänischen
Kinos mit Theatralik, mit dem Trash der B-Movies, mit
einem Extremismus der Darstellung.
Eine andere zentrale Entwicklungslinie der Neuen Welle
greift Gabriel Achim mit ADALBERTS TRAUM auf: die
erinnerte kommunistische Vergangenheit. Achim geht
Ein Programm im Rahmen der »Rumänischen Kulturtage München« (5. Oktober bis 2. Dezember 2012), in Kooperation mit
der Gesellschaft zur Förderung der Rumänischen Kultur und
Tradition e.V., München und dem Centrul National al Cinematografiei, Bukarest.
CHIPURI (GESICHTER) – Rumänien 2002 – R: Anca
Damian – B: Anca Damian, Laurentiu Damian – 6 min,
OmeU – Sie machen ein Foto. Sie versuchen, eine Sekunde stillzuhalten. Die Zeit vergeht, das Foto hält eine
Sekunde ihres Lebens fest. Auf dem Friedhof sind die
Fotos Symbole des Totengedenkens. – CRULIC – DRUMUL SPRE DINCOLO (DER WEG INS JENSEITS) – Rumänien/Polen 2011 – R+B: Anca Damian – K: Ilija Zogowski – M: Piotr Dziubek – 73 min, OmeU – Claudiu
Crulic aus Dorohoi ist tot, gestorben 33jährig in Krakau
nach 90tägigem Hungerstreik, mit dem der schuldlos
Inhaftierte das Gefängnis, das Gericht, das Konsulat
zur Prüfung seines Falles bewegen wollte. Der Animationsfilm von Anca Damian wirbelt alle Techniken seiner Kunst durcheinander: Aquarell und Realfilm, Fotografie und Zeichnung, Knetmasse und Computergrafik,
um den Gehalt von Erfahrungen und den Geschmack
von Erinnerungen einzufangen.
▶ Donnerstag, 11. Oktober 2012, 19.00 Uhr (Zu Gast:
Anca Damian)
MEANDRE (MÄANDER) – Rumänien 1967 – R: Mircea
Saucan – B: Horia Lovinescu – K: Gheorghe Viorel
Todan – M: Tiberiu Olah – D: Margareta Pogonat,
Mihai Paladescu, Dan Nutu, Anna Széles – 89 min,
OmeU – Ein Film von geometrischer Schönheit.
Schwarz/Weiß von chromatischer Dichte, extreme Perspektiven, experimenteller Ton, surreale Motive und
eine Montage von Sensationen, in denen die Vergangenheit gegenwärtig und zugleich die Gegenwart eine
vergangene ist. Gelu bewundert Petre, den Geliebten
seiner Mutter, und lässt sich von diesem ins Erwachsensein initiieren, weil »die Wahrheit existiert, die Liebe
existiert, weil dies keine Lügen sind«. Eine Liebe scheitert am Sicherheitsbedürfnis einer schönen Frau, eine
Karriere an Konformismus und ästhetischem Mittelmaß, der Beat der 1960er bricht mit kühlem Kalkül in
der Mitte des Films die von den Körpern entfremdeten
Stimmen in den katakombengleichen Behausungen
der stalinistischen Ära auf.
▶ Freitag, 12. Oktober 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Dan
Nutu)
100 DE LEI (DER 100 LEI-SCHEIN) – Rumänien 1974
– R: Mircea Saucan – B: Horia Lovinescu – K: Gheorghe Viorel Todan – M: Anatol Vieru – D: Dan Nutu,
Ion Dichiseanu, Ileana Popovici, Violeta Andrei –
95 min, OmeU – Saucans vierter und letzter Spielfilm
nach vierjährigem Arbeitsverbot fällt 1973 in die Zeit
der neostalinistischen Restauration. Dem 1971 ausge-
Rumänien
in seiner schwarzen Komödie, darin ähnlich selbstbewusst wie Sitaru und Jude, formal einen neuen Weg,
den der Kombination unterschiedlicher Datenträgerformate, um die historischen Texturen sprechen zu lassen
– und den des ironischen Zitats von Filmen, die die Gesellschaft kollektiv einten.
Das emanzipatorische Spiel, in das Achim die VHSTechnik einbindet, die für die jetzige Garde der jungen
rumänischen Filmemacher in den 1980ern der Königsweg der Filmrezeption war, erfasst die Neue Welle
selbst. Alexandru Maftei dreht mit HALLO! WIE GEHT’S?
einen Genrefilm, eine romantic comedy zwischen Mittvierzigern, die der Liebe im Internet verfallen. Anca Damian dreht mit CRULIC einen abendfüllenden, von
einem tragischen Schicksal inspirierten Animationsfilm,
der sich durch die Mischung von Techniken von den
Fesseln der biographischen Erzählung befreit.
Im Jahr 2000, ein Jahr vor Cristi Puius Debüt KOKS
UND KOHLE, war in Rumänien kein einziger Film entstanden. Brüche sind konstitutiv für die Filmgeschichte
des Landes. Das Programm wirft auch einen Blick zurück auf diese Geschichte, wie sie sich nicht nur aus
der Gegenwart in die Zukunft schreibt, sondern auch
erneut zu schreiben ist, aus dem Kinosaal als lebendigem Archiv einer unterdrückten Vergangenheit heraus.
Nur vier Spielfilme konnte Mircea Saucan zwischen
1960 und 1974, von beispielloser Zensur betroffen,
drehen. MÄANDER und DER 100 LEI-SCHEIN sind
Meisterwerke, genuin europäische Filme, die das Formbewusstsein seiner sowjetischen Lehrmeister mit den
Aufbrüchen westeuropäischer Kinematographien verbanden. Die Kulturpolitik des Landes drängte Saucan
nahezu vollständig aus dem Kino, dem damaligen Leitmedium der Wirklichkeitswahrnehmung, wie aus dessen Rezeptionsgeschichte hinaus. Er ist neu zu entdecken.
Irene Rudolf
43
Rumänien
rufenen ideologischen Kulturkampf setzt Saucan den
rebellischen Hippie Petre entgegen, der ein Mädchen
nicht für sich gewinnen kann und am Zynismus seines
Bruders, eines arrivierten Schauspielers, scheitert.
44
Absurd verspielte Nachmittage in den Straßen Bukarests, aufgeworfene Landstriche, in denen mythische
Ursprünge und mystische Erfahrungen aufscheinen,
ein aufsehenerregender Buick, Träume der befreienden Bruderliebe und eine Sprache, die profane Realität,
Spiel und Literatur und die Narben eines Freigeistes
eint. Der Film erfährt die gewaltsamste Zensur: Das
Negativ wird zerstört, Saucan wird psychiatrisch
zwangsbehandelt, drei heimlich gezogene Positive
überdauern die Diktatur, eines ist erhalten geblieben.
▶ Samstag, 13. Oktober 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Dan
Nutu)
BUNA! CE FACI? (HALLO! WIE GEHT’S?) – Rumänien
2011 – R: Alexandru Maftei – B: Lia Bugnar – K: Radu
Aldea – M: Dragos Alexandru – D: Dana Voicu, Ionel
Mihailescu, Paul Diaconescu, Ana Popescu, Ioan Andrei Ionescu – 105 min, OmeU – Als Antwort auf Amerikas romantic comedy verwandelt Maftei Bukarest in
ein warm glänzendes petit Paris, in dem an Haltestellen
und Marktständen mutig Sehnsuchtsbotschaften aufblinken. Ein altmodisch bürgerliches und in zwanzig
Ehejahren einander gleichgültig gewordenes Paar wird
wieder zu Gabriel und Gabriela, die miteinander und
ohne voneinander zu wissen heimlich und zum ersten
Mal im Internet chatten. Die unverhoffte Nähe zu einem
Fremden verändert sie beide. Maftei erzählt die turbulent scheue Geschichte eines zweiten Frühlings der
Gefühle durch die Augen des stark pubertierenden Sohnes und findet ein Happy-End, das auch den Projektionen und Enttäuschungen eines virtuellen Aufbruchs
und eines Kinos als Traumfabrik gerecht wird.
▶ Mittwoch, 17. Oktober 2012, 21.00 Uhr
PESCUIT SPORTIV (SPORTANGELN) – Rumänien
2007 – R+B: Adrian Sitaru, nach einer Vorlage von
Radu Jude – K: Adrian Silisteanu – M: Cornel Ilie – D:
Adrian Titieni, Ioana Flora, Maria Dinulescuu – 84 min,
OmeU – Zehn Drehtage im warmen Oktober, ein See
nah der Hauptstadt, eine handgeführte Digitalkamera,
keine Filmförderung: Sitaru dreht mit der Freiheit eines
»Dogma«-Films, entwirft eine mise en scène am vorgefundenen Ort, entwickelt eine Dramaturgie in Echtzeit –
und erzählt ausschließlich aus der jeweils subjektiven
Perspektive seiner drei Hauptfiguren. Die abgründige
Komödie um Schuld und Feigheit, Lüge und Begehren,
Verführung, Bosheit, Naivität und Eifersucht rührt ans
Phantastische. Ein Liebespaar fährt zu einem Picknick
ins Grüne. Sie überfahren eine junge Prostituierte, die
an ihrer Seite bleibt, mit zum See fährt, die »Büchse
der Pandora« öffnet und keine Ruhe gibt, bis das moderne »Déjeuner sur l’herbe« zum Vexierbild einer anderen Erzählung aus einem anderen Blickwinkel wird.
▶ Samstag, 20. Oktober 2012, 21.00 Uhr
DIN DRAGOSTE CU CELE MAI BUNE INTENTII (AUS
LIEBE MIT DEN BESTEN ABSICHTEN) – Rumänien
2011 – R+B: Adrian Sitaru – K: Adrian Silisteanu – D:
Bogdan Dumitrache, Natasa Raab, Marian Ralea, Alina
Grigore, Adrian Titieni – 105 min, OmeU – Ein Anruf,
die Mutter liege im Krankenhaus. Alex, der Endzwanziger, fährt sofort mit leichtem Gepäck und schweren
Gedanken in die Heimatstadt. Eine Lawine an Spekulationen und Optionen, Rekonstruktionen und Voraussagen erfasst ihn. Was genau ist vorgefallen? Ist der
Arzt kompetent, sagt er überhaupt die Wahrheit? Der
Mutter geht es zusehends besser, dem Sohn zunehmend schlechter in diesem tragikomischen Familiendrama; und jeder Beteiligte, Vater und Freundin, Ärzte
und das Lehrerkollegium der Mutter, Fremde allerorten
ohnehin, haben was dazu zu sagen. Autobiografisch
inspiriert, treibt Sitaru sowohl sein Thema aus SPORTANGELN, den Zweifel an den stattfindenden Ereignissen, als auch sein formales Experiment weiter.
▶ Sonntag, 21. Oktober 2012, 21.00 Uhr
über das Unterbewusste des sozialistischen Arbeiters
bevorsteht, sondern auch eine private Messerproduktion an der kollektiven Werkbank die Wachsamkeit der
Spitzel und Funktionäre umgehen muss.
▶ Mittwoch, 24. Oktober 2012, 21.00 Uhr
DUPA DEALURI (JENSEITS DER HÜGEL) – Rumänien
2012 – R+B: Cristian Mungiu, nach Tatiana Niculescu
Bran – K: Oleg Mutu – D: Cosmina Stratan, Cristina Flutur, Valeriu Andriuta, Dana Tapalaga, Luminita Gheorghiu – 150 min, OmeU – Ein säkulares Passionsspiel,
ein puristisches, in langen handgehaltenen Einstellungen sich abzeichnendes Melodram, ein tödliches Ringen zweier Frauen in farbreduzierten Tableaus, die die
calvinistische Reinheit altniederländischer Malerei atmen. Alina kehrt in den armen Landstrich der Moldau
zurück, um Voichita, die Jugendfreundin und spätere
Geliebte im Waisenhaus, nach Deutschland mitzunehmen, findet sie in einer entbehrungsreich lebenden
Klostergemeinschaft, kann sie nicht vom Ruf Gottes
losreißen und nimmt um ihretwillen mit der pathologi-
schen Verzweiflung Liebender den Kampf mit den Dogmen der Orthodoxie auf. Mungiu erzählt unparteiisch,
entfaltet das Weltverständnis der Nonnen in der Konzentration auf die Körperlichkeit einer spirituellen Praxis, deren buchstäbliches Heilsversprechen den humanen Horizont überschreitet.
▶ Freitag, 26. Oktober 2012, 21.00 Uhr
ALEXANDRA – Rumänien 2008 – R+B: Radu Jude –
K: Andrei Butica – D: Serban Pavlu, Alexandra Pascu,
Oana Ioachim – 27 min, OmeU – TOATA LUMEA DIN
FAMILIA NOASTRA (ALLE IN UNSERER FAMILIE) –
Rumänien 2012 – R+B: Radu Jude – K: Andrei Butica
– D: Serban Pavlu, Mihaela Sirbu, Gabriel Spahiu –
107 min, OmeU – Judes Figuren sind von unbändigem
Spieltrieb, und ihre Beziehungen zueinander sind ständiges hausgemachtes Theater. In ALEXANDRA streiten
Vater, Mutter und deren neuer Lebensgefährte um die
Deutungshoheit des Wortes »Papa« – der misstrauische Papa sieht sich aus dem Leben der Tochter
herausgedrängt. In ALLE IN UNSERER FAMILIE setzt
der Vater dann in derselben Sache zu anarchischer Gegengewalt an. Marius will sein gerichtlich zuerkanntes
Besuchsrecht wahrnehmen, Otilia, die Mutter, will das
vereiteln, der neue Freund und die Großmutter treiben
die rasant Volten schlagende Eskalation voran. Mit
Judes Film fällt ein Tabu für das rumänische Kino:
jenes des Klischees, der Geste aus zweiter Hand, der
grellen Farbe und des geschmacklosen Schlagabtauschs. Die Hysterie der Verhältnisse ist zugleich zenbuddhistische Fügung und schiere Lebenskraft.
▶ Samstag, 27. Oktober 2012, 21.00 Uhr
FILM PENTRU PRIETENI (EIN FILM FÜR FREUNDE) –
Rumänien 2011 – R+B: Radu Jude – K: Andrei Butica
– D: Gabriel Spahiu, Serban Pavlu, Lucia Maier –
60 min, OmeU – In einer tour de force ungeschnittener
30 Minuten nimmt der Schauspieler Gabriel Spahiu vor
dem geplanten Selbstmord eine Videobotschaft an
seine Freunde auf. Der Kinozuschauer ist nicht gemeint, bleibt auf Distanz. »Es ist tragisch, dass es so
komisch ist«, sagt Jude. Der Suizid misslingt, die Kamera läuft weiter, die Amateuraufnahme wird zum
Fenster in eine Welt, in der Nachbarn, dann Sanitäter
aus dem Off kommen und verzweifelt agieren. Mit
Freunden an zwei Tagen in Spahius Wohnung gedreht,
erreicht der Film eine seltene Einheit von Form und Inhalt. Jude sucht wieder – wie in ALLE IN UNSERER FAMILIE – das Extrem, das bislang Ungesehene, einen
Naturalismus des Ausnahmezustandes.
▶ Sonntag, 28. Oktober 2012, 21.00 Uhr
Rumänien
VISUL LUI ADALBERT (ADALBERTS TRAUM) – Rumänien 2011 – R: Gabriel Achim – K: George Chiper-Lillemark – D: Gabriel Spahiu, Ozana Oancea, Doru Ana,
Anca Androne – 98 min, OmeU – Im Geist der Tschechoslowakischen Neuen Welle, alte Dias zum Arbeitsschutz mit 8mm- und VHS-Texturen kombinierend, die
ideologische und materielle Ausstattung der 1980er
Jahre zusammentragend: Achims Debüt nimmt als
schwarze Komödie um den Ingenieur Iulica eine Nacht
und einen Tag im Mai 1986 in Augenschein. Steua Bucuresti gewinnt den UEFA-Pokal, die Gründung der
kommunistischen Partei jährt sich zum 65. Mal, und Iulica geht im täglichen Slalom der ausweichenden Rede
und der zuvorkommenden Gefälligkeiten dem Fabrikfest entgegen, bei dem nicht nur die Uraufführung seines experimentellen Stummfilms »Adalberts Traum«
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ANNIE HALL
Film und Psychoanalyse
Film und Psychoanalyse
Jetzt wird’s ernst! Die letzte Komödienstaffel und unser
hingebungsvolles Publikum haben uns ermutigt, der
leichten Muse noch etwas näher zu treten. Nach den
Titanen des Genres in der ersten Staffel, den Marx
Brothers, Ernst Lubitsch und Billy Wilder, hatte uns
Martin Scorseses KING OF COMEDY bereits einen Vorgeschmack auf die Metakomödie gegönnt, die davon
lebt, dass im Film das Filmkomische selbst aufs Korn
genommen wird. In unserer neuen Staffel geben sich
weitere Artisten der Selbstreferenz die Ehre: Woody
Allen, der die Psychoanalyse als Leinwand benutzt,
Crichton und Cleese, die aus einer Heist-Vorlage ein
unwiderstehliches Pointenpatchwork häkeln, Bill Murray, der sozusagen aus dem Film nicht mehr herauskommt, und zum Abschluss der Meister des Unauffälligen, Jacques Tati mit seiner Figur Monsieur Hulot. Was
die Psychoanalyse dazu zu sagen hat? Verraten wir
nicht.
Andreas Hamburger
geschichte. Aber wie Allen das Paar sich in ständigen,
hypomanischen Selbsterklärungen finden – und natürlich hauptsächlich verfehlen lässt, wie Alvy ständig von
autobiographischen Assoziationen heimgesucht wird,
die ihm helfen sollen, sich zu verstehen und ihn doch
nur verwirren und uns belustigen, das ist nicht nur einzigartig komisch, sondern Woody Allen hat mit seinem
Film einem Männertyp der 1970er Jahre ein ironisches
Denkmal gesetzt, den der deutsche Verleihtitel DER
STADTNEUROTIKER ausnahmsweise einmal gut erfasst. Wie virtuos der Film auch formal ist, mit seinen
locker ineinander geschachtelten Rückblenden, seinen
Doppelbelichtungen, dem direkten Ansprechen des Publikums und mit seinen Untertitelungen: Das kann man
mehr als drei Jahrzehnte nach der Entstehung fast
noch besser genießen als beim ersten Sehen.
ANNIE HALL (DER STADTNEUROTIKER) – USA 1977
– R: Woody Allen – B: Woody Allen, Marshall Brickman
– K: Gordon Willis – D: Woody Allen, Diane Keaton,
Tony Roberts, Carol Kane, Paul Simon – 93 min, OmU
– Der erfolgreiche Komiker Alvy Singer liebt und verliert
die Sängerin Annie Hall: Kein neues Thema in der Film-
A FISH CALLED WANDA (EIN FISCH NAMENS
WANDA) – USA 1988 – R: Charles Crichton – B: John
Cleese – K: Alan Hume – M: John Du Prez – D: John
Cleese, Jamie Lee Curtis, Kevin Kline, Michael Palin,
Maria Aitken – 108 min, OmU – Aus der Feder des
Monty Python-Stars John Cleese stammt diese briti-
▶ Sonntag, 21. Oktober 2012, 17.30 Uhr (Einführung:
Matthias Baumgart)
GROUNDHOG DAY (…UND TÄGLICH GRÜSST DAS
MURMELTIER) – USA 1993 – R: Harold Ramis – B:
Danny Rubin – K: John Bailey – M: George Fenton – D:
Bill Murray, Andie MacDowell, Chris Elliott, Steven Tobolowsky, Brian Doyle-Murray – 101 min, OmU – Phil
Connors ist ein zynischer TV-Wetteransager, der wie
jedes Jahr im Februar über ein Wetterritual in Illinois
berichten muss, bei dem ein erwachendes Murmeltier
das Frühjahr ankündigt. Zu seinem Schrecken muss er
erkennen, dass er in einer Zeitschleife festhängt, die
denselben Tag immer wieder aufs Neue in seinem Hotelzimmer beginnen lässt. Ob in der Filmtrilogie BACK
TO THE FUTURE, den TERMINATOR-Filmen oder eben
GROUNDHOG DAY – für den Film war es immer eine
faszinierende Möglichkeit, mit den Zeitebenen spielen
▶ Sonntag, 13. Januar 2013, 17.30 Uhr (Einführung:
Mathias Lohmer, Eva Friedrich)
LES VACANCES DE M. HULOT (DIE FERIEN DES
MONSIEUR HULOT) – Frankreich 1953 – R: Jacques
Tati – B: Jacques Tati, Henri Marquet – K: Jacques
Mercaton – M: Alain Romans – D: Jacques Tati, Nathalie Pascaud, Michele Rolla, André Dubois – 99 min,
OmeU – Jacques Tatis Abenteuer in einer kleinen Badestadt am Atlantik. Mit dem ihm ganz eigenen skurrilen, dem Stummfilm verwandten Humor schildert Tati
die Fährnisse eines Außenseiters, der von der heterogenen Gruppe der Urlauber wegen seines ungewollt
»asozialen« Verhaltens abgelehnt wird. Mit seinem
chaotischen Charme gewinnt er allerdings die Sympathie der allseits begehrten Martine. Die Komik entsteht
durch die körpersprachlichen Eigenheiten des Protagonisten, den Lärm und die Tumulte, die er in der Gruppe
produziert, und die Kettenreaktionen von Alltagskatastrophen, die er unabsichtlich auslöst. Gezeigt wird die
ungekürzte Urfassung des Films aus dem Jahr 1953.
Film und Psychoanalyse
▶ Sonntag, 18. November 2012, 17.30 Uhr (Einführung:
Heidi Spanl, Katharina Leube-Sonnleitner)
zu können, in Zeitlöcher oder -schleifen zu geraten, in
der Zukunft oder Vergangenheit festgehalten zu sein
und versuchen zu müssen, in die eigene, »richtige« Zeit
zurückkehren zu können.
▶ Sonntag, 17. Februar 2013, 17.30 Uhr (Einführung:
Corinna Wernz, Andreas Hamburger)
47
A FISH CALLED WANDA
sche Kult-Komödie von 1988. Der Plot um ein Gaunerquartett gibt den Autoren Gelegenheit, schwärzesten
britischen Humor mit einem lustvollen Angriff auf bürgerliche Moral- und Ehrvorstellungen zu verbinden.
Tabus werden im befreienden Lachen über Behinderung, Verklemmtheit, Tierliebe und über den Anspruch
auf Treue, Ehrlichkeit und Anstand außer Kraft gesetzt.
Lebensformen von »geordneter Sexualität« und Versuche sexueller Befreiung gehen ineinander über.
Olympia 1936
Foto: Leni Riefenstahl © International Olympic Committee / Leni Riefenstahl Medienarchiv
Olympia 1936
48
Leni Riefenstahls monumentaler, zweiteiliger Film
OLYMPIA gilt noch heute als einer der »besten Sportfilme«. Sein Ruf ist legendär, und zweifelsohne ist
schon seine Entstehungsgeschichte einzigartig: Der
Film wurde mit einem nicht nur für die damaligen Zeit
unglaublichen Budget gedreht, das ein Vielfaches über
den Herstellungskosten eines normalen Spielfilms lag,
und erst zwei Jahre nach dem Ereignis ins Kino gebracht, weil Riefenstahl allein anderthalb Jahre im
Schneideraum verbrachte. Sie sah in dem Projekt eine
Herausforderung, die ihr weltweite Beachtung und
Ruhm einbringen sollte. So erstellte Riefenstahl selber
leicht umgeschnittene und veränderte Sprachfassungen von OLYMPIA in Englisch, Französisch, Italienisch
und Japanisch, besuchte die Premieren in verschiedenen europäischen Ländern und nahm zahlreiche Auszeichnungen entgegen. Nur in Hollywood, wo man ihre
Nähe zu den Machthabern des NS-Regimes missbilligte, verweigerte man ihr die Anerkennung – als Riefenstahl im November 1938 in Los Angeles eintraf,
wurde sie von fast allen Vertretern der Filmwirtschaft
boykottiert. Joseph Goebbels hatte OLYMPIA in höchs-
ten Tönen gelobt: »Der hinreißende Rhythmus dieses
gewaltigen Sportepos verrät Geist vom Geiste unserer
Zeit. In einer modernen, aber dabei disziplinierten und
gründlichen Arbeit ist hier ein künstlerischer Film zustande gekommen, der alle Bewunderung verdient. Er
wird deutsche Geltung in der Welt vertreten und Zeugnis ablegen von der Größe unseres Volkes und unserer
Zeit.« Enttäuscht teilte Riefenstahl den amerikanischen
Pressevertretern mit: »Obwohl Amerika auf der Olympiade 1936 große Erfolge erzielt hat, wird der Film mit
seinen siegreichen Athleten hier nicht gezeigt, weil die
amerikanische Filmindustrie sowohl in der Produktion
als auch im Verleih von Leuten kontrolliert wird, die das
heutige Deutschland ablehnen. Und dies, obwohl es
sich bei den Olympischen Spielen um ein reines Sportereignis handelt und obwohl der Film überall sonst auf
der Welt gezeigt worden ist.«
Riefenstahls Film erfuhr von denjenigen, die ihn gesehen hatten, seinerzeit durchweg Bewunderung für
seine technische Perfektion und stilisierte Ästhetik.
Diese hat sich heute in Werbung, Sportberichterstattung und Fotografie längst durchgesetzt: »Riefenstahls
Olympia 1936
Fotos: Lothar Rübelt © International Olympic Committee
49
Leni Riefenstahl bei den Dreharbeiten zu OLYMPIA
Filme – und das ist ihr hervorstechendes Merkmal –
sind in einer besonders nachdrücklichen Weise auf das
Große, Bedeutende, Schöne aus und bar jeglicher wie
beiläufig oder nebenher gezeigten Begebenheiten. Sie
kennen folglich weder Ambivalenz noch gar Widersprüche, interessieren sich weder für das Alltägliche noch
das Absonderliche. Diese Filme suchen das ›Typische‹
oder genauer: das Typisierte. Riefenstahls Kunstbegriff
ist frei von Ironie und Humor, ihre Werke meiden reflexive Momente.« (Rainer Rother) Als Perfektionistin arbeitete Riefenstahl auch über die Premiere hinaus an
ihrem Film. Sie änderte immer wieder Kleinigkeiten und
ließ aus den 400.000 Metern Filmmaterial, die ihre
43 Kameramänner aufgenommen hatten, noch kurze
Sportlehrfilme herstellen. Als OLYMPIA 1958 in der
Bundesrepublik von einem Verleih noch einmal in die
Kinos gebracht wurde, musste sie, um eine Freigabe
der Freiwilligen Selbstkontrolle der deutschen Filmwirtschaft (FSK) zu erhalten, alle NS-Symbole und den Auftritt von Adolf Hitler entfernen. 1967 schnitt Riefenstahl
eine neue Fassung der englischen Version des Films,
die anlässlich der Olympischen Sommerspiele 1968 in
Mexiko laufen sollte. In der Bundesrepublik konnte der
Film zu Lebzeiten Leni Riefenstahls nur mit ihrer persönlichen Genehmigung aufgeführt werden, wobei sie
filmhistorische Einführungen oder Kommentierungen
jedweder Art verbot.
Das International Olympic Committee (IOC) in Lausanne
ist seit Jahren bemüht, die offiziellen Olympia-Filme,
die seit 1924 entstanden, zu restaurieren und zu archivieren. Die Arbeit an OLYMPIA dauerte vier Jahre.
Da nur noch umgeschnittene Versionen des Films existierten, wurden Filmmaterialien aus 23 Archiven zusammengetragen, darunter Teile des originalen NitroNegativmaterials, das Leni Riefenstahl im George Eastman House in Rochester eingelagert hatte. In mühevoller Kleinarbeit wurden die Filmkopien Bild für Bild verglichen und in 4K-Auflösung gescannt. Die Aufführung
im Filmmuseum München ist die erste öffentliche Präsentation der restaurierten Urfassung und wird von den
Filmrestauratoren Adrian Wood und Robert Jaquier eingeführt. Begleitend zu ihrem Vortrag über ihre Restaurierungsarbeit werden zwei weitere Raritäten gezeigt:
Ein von Riefenstahl 1937 produzierter Film über die
Fertigstellung des OLYMPIA-Films, der im Ausland zur
Vorabwerbung eingesetzt wurde, und der offizielle Film
zu den Olympischen Winterspielen 1936 in GarmischPartenkirchen JUGEND DER WELT von Carl Junghans.
Dieser weitgehend in Vergessenheit geratene Film ist
besonders interessant, weil Junghans ähnliche Stilmittel wie Riefenstahl einsetzte.
Olympia 1936
50
Rainer Rother verglich die beiden Filme: »JUGEND DER
WELT stellt keine Chronik dar, sondern geht in bewusster Abgrenzung von der Wochenschau so weit, die Sieger der Wettbewerbe namentlich nicht einmal zu nennen. Nur eingeblendete Fahnen geben dem Zuschauer
einen vagen Hinweis auf die Gewinner. Die souveräne
Distanz zur bloßen Reportage ist bei Junghans so weit
getrieben, dass einzelne Disziplinen nur noch als Stakkato einer extrem ›schnellen‹ Montage vorgestellt werden. Die Musik Walter Gronostays unterstützt das,
indem sie die Einstellungen zusätzlich dynamisiert. Das
›Avantgardistische‹ des Werks fand nicht jedermanns
Beifall, erschwerte sicherlich eine breite Rezeption. Riefenstahl hat die Extreme vermieden. Die Zuschauer, die
sich von JUGEND DER WELT überfordert fühlten, erhielten in OLYMPIA genügend Orientierungshilfe. Die einzelnen Wettkämpfe wurden möglichst so geschnitten,
dass klare Spannungsbögen erkennbar sind. Das
führte zu einer paradoxen Häufung von sportlichen Entscheidungen, die scheinbar erst im letzten Versuch fielen – was den realen Verläufen der Wettkämpfe (wie
zum Beispiel beim Weitsprung der Männer oder beim
Speerwerfen der Frauen) gar nicht entsprach. Die Zuschauer sollten vom Film durchgängig ›gefesselt‹ sein.
Auf diese Art bekommt selbst das Endspiel im Hockey
auf der Leinwand eine Dramatik, die es im Stadion nie
entfalten konnte, da Deutschland gegen Indien ohne
jede Chance war und mit 1:8 verlor – ein Ergebnis, das
der Film verschweigt.«
Stefan Drößler
JUGEND DER WELT. DER FILM VON DEN IV. OLYMPISCHEN WINTERSPIELEN IN GARMISCH-PARTENKIRCHEN 1936 – Deutschland 1936 – R: Carl Junghans – B: Carl Junghans, Hans Weidemann – K: Sepp
Allgeier, Hans Ertl, Hugo O. Schulte, Kurt Neubert, Walter Frentz, Heinz von Jaworsky, Erich Stoll, Paul Tesch,
Carl Heinrich Wenng, Heinz Kluth, Bernhard Juppe,
Hans Winterfeld – M: Walter Gronostay – 37 min –
Ursprünglich sollte Leni Riefenstahl auch einen Film
über die Olympischen Winterspiele 1936 drehen, doch
wegen anderweitiger Verpflichtungen verzichtete sie
auf diesen Auftrag. Der Film wurde von Riefenstahls
Kameraleuten gedreht und unter Hans Weidemanns
»künstlerischer Oberleitung« von Carl Junghans montiert. Er wurde als bester Dokumentarfilm bei der 4. Mostra internazionale d’arte cinematografica di Venezia
1936 ausgezeichnet und erhielt einen Grand Prix bei
der Internationalen Ausstellung in Paris 1937. – DER
OLYMPIA-FILM ENSTEHT / AUTOUR DES TRAVAUX
EFFECTUES POUR LE FILM DES JEUX OLYMPIQUES
1936 / BEHIND THE SCENES OF THE FILM ABOUT
THE OLYMPIC GAMES 1936 – Deutschland 1937 –
R+B: Rudolf Schaad – M: Walter Gronostay – 35 min,
englisch-französische OF – Da Leni Riefenstahl für den
Schnitt ihrer Olympia-Filme eineinhalb Jahre benötigte,
wurde von ihren Assistenten einen Vorabfilm zusammengestellt, der 1937 auf der Internationalen Ausstellung in Paris und auf der 5. Mostra internazionale
d’arte cinematografica di Venezia gezeigt wurde. Der
Film ist in Deutschland nie aufgeführt worden und liegt
deshalb nur in einer bilingualen fremdsprachigen Fassung vor.
▶ Dienstag, 30. Oktober 2012, 18.30 Uhr (Englischer
Einführungsvortrag über die Rekonstruktion von OLYMPIA: Robert Jaquier & Adrian Wood)
OLYMPIA. DER FILM VON DEN XI. OLYMPISCHEN
SPIELEN BERLIN 1936 – Deutschland 1938 – R+B:
Leni Riefenstahl – K: Hans Ertl, Walter Frentz, Guzzi
Lantschner, Kurt Neubert, Hans Scheib, Andor von
Barsy, Willy Zielke, Wilfried Basse, Josef Dietze, Edmund Epkins, Fritz von Friedl, Hans Karl Gottschalk,
Richard Groschopp, Willy Hameister, Wolf Hart, Hasso
Hartnagel, Walter Hege, Eberhard von der Heyden, Albert Höcht, Paul Holzki, Werner Hundhausen, Heinz von
Jaworsky, Hugo von Kaweczynski, Herbert Kebelmann,
Sepp Ketterer, Albert Kling, Ernst Kunstmann, Leo de
Laforgue, Alexander von Lagorio, Eduardo Lambertini,
Otto Lantschner, Waldemar Lembke, Georg Lemki,
C. A. Linke, Erich Nitzschmann, Albert Schattmann, Wilhelm Schmidt, Hugo O. Schulze, Leo Schwedler, Alfred
Siegert, Wilhelm Georg Siehm, Ernst Sorge, Hans von
Stwolinski, Karl Vass – M: Herbert Windt – 230 min –
Olympia wurde am 20. April 1938, an Adolf Hitlers
49. Geburtstag, in Berlin uraufgeführt. Anwesend war
die gesamte Berliner Prominenz aus Politik, Wirtschaft,
Militär, Industrie und Kultur. Der Film wurde später für
den Kinoeinsatz in zwei Teilen herausgebracht: FEST
DER VÖLKER und FEST DER SCHÖNHEIT. Erstmals ist
der Film wieder in seiner Uraufführungsfassung zu
sehen, die das International Olympic Committee aufwändig restauriert hat.
▶ Mittwoch, 31. Oktober 2012, 19.00 Uhr (Einführung:
Stefan Drößler)
1967 drehte er seinen ersten Film, da war Rosa von
Praunheim 25 – geboren als Holger Mischwitzky am
25. November 1942 in Riga, aufgewachsen in OstBerlin und später im Stadtteil Praunheim von Frankfurt
am Main. Drei Jahre später kam NICHT DER HOMOSEXUELLE IST PERVERS, SONDERN DIE SITUATION, IN
DER ER LEBT in die Kinos. 1969 war der in der von den
Nazis verschärften Form geltende § 175, der »Unzucht
zwischen Männern« unter Strafe stellte – und erst
1994 ganz abgeschafft wurde – auf Beziehungen von
über 18-jährigen mit noch nicht Volljährigen beschränkt worden. Am 31. Januar 1972 zeigte das
WDR-Fernsehen diesen bis heute auch in Schwulenkreisen umstrittenen Film, der Rest der ARD-Sender
schaltete ab. Heute hat jede TV-Serie ihren QuotenSchwulen, Spielfilme zeigen expliziten schwulen Sex
zur besten Sendezeit, Tabu-Themen wie Pädophilie erobern den TATORT.
Ein Leben lang hat Rosa über 70 Filme (nicht nur) mit
und über Schwule gedreht – und über ihre Idole: Spielfilme, Dokus, krude Mischungen aus beidem: ARMEE
DER LIEBENDEN (1979) dokumentiert die Schwulenbewegung in den USA, EIN VIRUS KENNT KEINE MORAL
(1985) ist eine bitterkomische, schrille Abrechung aus
den ersten Jahren nach Entdeckung des HIV-Virus,
ANITA – TÄNZE DES LASTERS (1987) porträtiert Anita
Berber, ÜBERLEBEN IN NEW YORK (1989) drei junge
deutsche Frauen in New York, AFFENGEIL (1990) Lotti
Huber. DER EINSTEIN DES SEX (1999) ist ein Spielfilm
über den Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld.
MÄNNER, HELDEN, SCHWULE NAZIS über die Faszination rechten Gedankenguts auf Homosexuelle kommt
2005 in die Kinos, MEINE MÜTTER erzählt 2007 die
Suche nach der Geschichte von Praunheims leiblicher
Mutter, von der er erst 2000 durch seine 94-jährige
(nun Adoptiv-)Mutter erfahren hatte. Zuletzt waren
ROSAS HÖLLENFAHRT (2009) auf den Spuren der Höllenvorstellungen verschiedener Religionen, DIE JUNGS
VOM BAHNHOF ZOO (2011) und KÖNIG DES COMICS
(2012) über den schwulen Zeichner Ralf König zu
sehen.
Und jetzt das ultimative, exzessive Projekt zum runden
Geburtstag: 70 neue Filme zu Rosas 70. oder auch
70 ROSA FILME. Diese zwischen 4 und 40 Minuten langen Werke mit einer Gesamtlänge von über 20 Stunden sind oft schon vor ein paar Jahren entstanden oder
wurden im Sommer noch gedreht. Sie bilden ein Kaleidoskop des Lebens in allen seinen Facetten, erzählen
von starken Frauen und starken Schwulen, von jüdischen Lebenswelten, aber auch von sensiblen Heteros.
Rosa leitet sie, bestückt mit immer anderen, schrillen,
oft paillettenbesetzten Hutkreationen vielfach ein mit:
»Würdest du dich bitte vorstellen!« Ganz alltägliche,
kleine, aber spannende Biographien kommen da zum
Vorschein, oder ein unglaublicher Lebensrückblick wie
im Falle der jüdischen Familie um den Filmmogul Atze
Rosa von Praunheim
ICH BIN EIN GEDICHT
70 Rosa Filme
51
EVA MATTES
Rosa von Praunheim
Brauner. Dies ist nicht ohne Grund Rosas Lieblingsfilm,
der seinen Höhepunkt in der Synagoge bei der Bar
Mitzwa der Zwillinge von Tochter Alice Brauner und
dem anschließenden rauschenden Fest hat. Auch das
Doppelporträt von Ulla und Karsten Klingbeil – er einst
erfolgreich im Baugewerbe und Bildhauer, sie heute
umtriebige Charity-Lady – ist unterhaltsam, informativ,
lustig und berührend: »Der, der geliebt wird, ist nie tot«,
lautet der letzte Satz und die sonst so taffe Frau bekommt Tränen in die Augen.
Manchmal wünscht man sich, dass ein Film wie der
über Eva Mattes länger dauert als 21 konzentrierte Minuten; manchmal reichen fünf Minuten voll und ganz,
um ein Thema anzureißen. Aber auch wenn Gerd und
Conny (MEINE NACHBARN) eine halbe Stunde vom Zusammenleben über Jahrzehnte und den am Down-Syndrom erkrankten Bruder Connys erzählen, kommt nie
Langeweile auf, erlebt man die Dokumentation einer
von Respekt, Liebe, Freiheit und feinem Spott getragenen Beziehung.
Schrilles und Schräges, Saftiges (KINGS OF PORN) und
Knallbuntes, ungemein Komisches (DER FRÖHLICHE
SERIENMÖRDER), aber auch Anrührendes und Leises
(EIN VATER STIRBT) findet sich unter den 70 Filmen.
KINGS OF PORN
52
Sensible Künstler kommen zu Wort und wilde Vögel, introvertierte Menschen, Krawalltunten und ein schwuler
Schornsteinfeger, der einen Beruf unter lauter Heteros
und Privatleben, in dem er ein S/M-Festival organisiert,
perfekt verbinden kann. Schauspieler und Sänger aller
Couleur sind dabei, wie ein im Technostil Seemannslieder singender, bärtiger, tätowierter Prackl oder eine
zarte Rumänin (Sanda Weigl), schwule Verlagsleiter wie
Michael Merschmeier und der mit HIV lebende Dichter
Mario Wirtz, der Schauspieler und Regisseur Peter
Kern (AXEL UND PETER) oder der Theologe David
Berger, der lange im Vatikan den »heiligen Schein«
bewahren musste, bevor er sich als schwuler Katholik
outete.
Allein ein Drittel der Filme ist Schwulen, Lesben, Transgender gewidmet: Strichern, Pornodarstellern, Dragqueens, einer lesbische Sexualwissenschaftlerin, die
lustvoll weibliche Genitalien zelebriert (MÖSENMONAT
MÄRZ), Edith alias Ades Zabel, dem berühmtesten homosexuellen Komiker Berlins und einem SPD-Politiker
wie Georg Härpfer, der sich lebenslang für schwule
Rechte einsetzt. Aber auch Tabu-Themen wie männliche Prostitution oder Schwule im Alter (GAY NOT GREY)
scheut Rosa von Praunheim nicht. Letzteres ist ein
Halbstunden-Film, in dem der 85-jährige Gottfried und
der 20-jährige Max samt ihrer Gemeinschaft in einem
Haus mit 20 Wohnungen für alte Schwule und Lesben
– eine Demenz-WG eingeschlossen – porträtiert werden. Und wenn Porno-Stars (PORNO PETO) ganz zärtlich eine Liebesszene spielen, dann widerspricht auch
das allen Klischees.
Meist hat Rosa die Gesichter der Menschen, mit denen
er spricht, im Blick der Kamera, oder er schneidet alte
Fotos dazwischen, Ausschnitte aus Theateraufführungen, mischt fließenden Verkehr darunter oder Architektur-Details. Oft filmt er die Interieurs, in denen die Gespräche stattfinden, aber auch mit Vorliebe Blumen –
auf dem Balkon, am Grab (der Berliner Ex-Senatorin
Anne Klein in EINE LESBISCHE WITWE) oder im verwunschenen Dachgarten von Eva Mattes. Das erzählt
manchmal mehr als alle Worte. Schöne, sprechende
Bilder ergeben sich da wie nebenbei und (fast) ohne
Absicht.
Der Großstadtdschungel Berlins, das Multikulturelle,
überhaupt die Atmosphäre der Metropole ist Hintergrund und Würze vieler, ja fast aller Filme. Dezidiert
»Berliner Luft« atmen so verschiedene Filme wie der
über einen Luxus-Zahnarzt am Ku’damm, MEIN
PREUSSENPARK, der in 30 Minuten den Mikrokosmos
eines Parks auffächert, in dem Ausländer auf Berliner,
Ordnungsmacht auf Laissez-Faire, Normalo auf Pa-
/ Ist unklar / Deshalb gebt Euch keine Mühe / Das
Leben ist so schön / Wie wir selbst.
Klaus Kalchschmid
Möpse und Menschen (Gesamtlänge: 139 min)
ICH LIEBE GROSSE HÜTE – ULLA UND CARSTEN
KLINGBEIL – 33 min – DER FALSCHE GRAF – 14 min
– MöPSE IN NOT (Co-Regie: Oliver Sechting) – 21 min
– BABETH – GELIEBTE GROSSER MÄNNER – 10 min
– EINE JÜDISCHE FAMILIE – MARIA UND ALICE
BRAUNER – 15 min – VALENTINA – EINE LETTISCHE
JÜDIN – 20 min – VON AUSCHWITZ NACH NEW
YORK – ESTHER BAUER – 5 min – AVE MARIA – DIE
GLÄUBIGE RACHELE – 4 min – RUMMELSNUFF –
SEEMANNSLIEDER TECHNO – 10 min – DER SATANIST – 7 min
▶ Freitag, 2. November 2012, 15.00 Uhr
Schauspieler und Dichter (Gesamtlänge: 117 min)
ICH BIN EIN GEDICHT – ELFI MIKESCH INSZENIERT
ROSA UND SEINE GEDICHTE – 19 min – EVA MATTES – 21 min – ICHGOLA ANDROGYN VOM O-TONART THEATER – 24 min – JUGENDTHEATER IN
BRANDENBURG – 19 min – DER KRANKE DICHTER –
MARIO WIRZ – 19 min – DICHTER UND REBELL –
GENNADI TRIFONOV (Co-Regie: Andreas Strohfeld) –
15 min
Rosa von Praunheim
radiesvogel trifft, oder GLOBALES LERNEN IN NEUKÖLLN, der mit Inge Marcus eine 70-jährige, ungemein jugendlich forsche, sympathische Frau porträtiert, deren Biografie sich über den ganzen Globus erstreckt, was eine immer wieder dazwischen geschnittene Weltkarte auf dem Tisch mit allerlei Fähnchen
wunderbar illustriert.
Ein Film stammt nicht von Rosa von Praunheim selbst:
Für ICH BIN EIN GEDICHT inszeniert Elfi Mikesch, Kamerafrau – nicht zuletzt Werner Schroeters – und Regisseurin, Rosa als Traum in rosa Tüll auf dem Rad.
Später wird er in dieser Verkleidung das erste Opfer
des FRÖHLICHEN SERIENMÖRDERS, einer herrlichen
Farce in den fantastischen Ruinen der Heilstätten von
Beelitz mit zwölf Schauspielschülern, die mal sich, mal
ein krudes Szenario spielen und das alles mit einem
großartigen Augenzwinkern. Quasi der Vorfilm dazu ist
DAVID KOKS, in dem der spätere Serienmörder sich
fünf schöne Frauen erträumt. Auch AXEL UND PETER
AXEL UND PETER
▶ Freitag, 2. November 2012, 18.30 Uhr
Schwul-lesbische Welten (Gesamtlänge: 160 min)
EINE LESBISCHE WITWE – 11 min – MöSENMONAT
MÄRZ – 18 min – BIN ICH DEIN ONKEL? – 18 min –
MEINE NACHBARN – GERD UND CONNY – 29 min –
MEINE NACHBARN
mit zwei wahrlich vollschlanken Schauspielern ist ein
solches Vexierspiel, bei dem man erst am Ende begreift, dass alle Gemeinheiten, aller Zwist nur Spiel
waren. MARTA UND HILDE stellt die Beziehung von
Marta Feuchtwanger und ihrer Sekretärin Hilde in
einem schrägen Film-Dialog in den Mittelpunkt. Und
schließlich überlagern sich in NEW YORK SISTERS die
Interviews mit sechs Schauspielerinnen über Arbeit
und Überleben in dieser Stadt mit der Fiktion, dass eine
Mutter ihre vier Töchter trifft, die allesamt nur Halbschwestern sind und sich nun das erste Mal sehen.
Von 1970 und NICHT DER HOMOSEXUELLE IST PERVERS …bis zu den 70 Filmen zum 70. hat Rosa einen
weiten Weg beschritten und ist doch immer sich selbst
treu geblieben, gemäß der Titel seiner autobiographischen (Film-)Bücher »Sex und Karriere« (1978), »Rosas
Rache« (2009) und dem Gedichtband »Mein Armloch«
(2002). Was immer war / Ist weg / Was immer kommt
53
DIE SCHWESTERN DER PERPETUELLEN INDULGENZ
– 11 min – BERLIN FROBENSTRASSE – BULGARISCHE TRANSEN IN BERLIN – 4 min – BUKAREST
NORDBAHNHOF – EIN RUMÄNISCHER STRICHER –
5 min – PÄDOS UND HILFE FÜR JUNGS – 15 min –
PORNO PETO – 25 min – KINGS OF PORN – 24 min
▶ Freitag, 2. November 2012, 21.00 Uhr
Berliner Luft (Gesamtlänge: 126 min)
DER LUXUS-ZAHNARZT AM KU’DAMM – 11 min –
EIN GRÜNER SACHSE IM WEDDING – 15 min – DER
HÄRTESTE TÜRSTEHER BERLINS – 12 min – BAPTISTEN IN BERLIN – 7 min – MEIN PREUSSENPARK
MEIN PREUSSENPARK
Rosa von Praunheim
▶ Sonntag, 4. November 2012, 15.00 Uhr
▶ Samstag, 3. November 2012, 15.00 Uhr
Gesang, Tanz, Kunst (Gesamtlänge: 105 min)
GIPSY QUEEN VON NEW YORK – SANDA WEIGL –
30 min – EIKE – EIN SCHöNER AKROBAT – 13 min –
EVA UND ADELE – EIN KUNSTPÄRCHEN – 16 min –
ANWALT UND KUNSTLIEBHABER – PETER RAUE –
10 min – KLATSCHREPORTER – ANDREAS KURTZ –
14 min – AUS LIEBE ZUM THEATER – MICHAEL
MERSCHMEIER – 10 min – OUTING GOETHE – 12 min
▶ Samstag, 3. November 2012, 18.30 Uhr
ANWALT UND KUNSTLIEBHABER
▶ Samstag, 3. November 2012, 21.00 Uhr
Leben, Lieben, Sterben (Gesamtlänge: 133 min)
AMELIE – DAS MÄDCHEN AUS DEM HINTERHAUS –
15 min – MISSBRAUCHT, POLIZIST UND MöRDER –
8 min – PROFESSORIN IN WEIMAR – CHRISTIANE
VOSS – 12 min – WAS IST DAS BöSE? – RICHTER
BAUER PACKT AUS – 7 min – EIN VATER STIRBT –
FRITZ MIKESCH UND LEANDER – 40 min – EIN HARTES LEBEN (Co-Regie: Oliver Adam Kusio) – 15 min –
SUZY – EINE FRAU AUF HARTZ 4 – 16 min – AUSLÄNDER RAUS – EIN FILM ÜBER MIGRATION – 20 min
– 30 min – GLOBALES LERNEN IN NEUKöLLN – 25
min – ICH BIN EIN ERFOLGREICHER TÜRKE – 9 min –
OBERBÜRGERMEISTER KLAUS SCHÜTZ – 17 min
54
Doku vs. Fiction (Gesamtlänge: 155 min)
DAVID KOKS – EIN PENNER TRÄUMT VON SCHöNEN FRAUEN – 9 min – DER FRöHLICHE SERIENMöRDER – 34 min – MARTA UND HILDE – 24 min –
AXEL UND PETER – TITTEN FÜR ARSCH – 40 min –
GERMANS TASTE THE BEST – EINE KANNIBALIN IN
NEW YORK – 18 min – NEW YORK SISTERS –
SECHS WUNDERBARE FRAUEN – 30 min
Film-Künstler (Gesamtlänge: 107 min)
MIT SPECK FÄNGT MAN FILME – WIELAND SPECK –
24 min – DAS ABATON UND SEIN BETREIBER –
WERNER GRASSMANN – 21 min – WERNER
SCHROETER – DAS LETZTE INTERVIEW – 20 min –
DAN TANG – EINE CHINESISCHE FILMEMACHERIN
IN DEUTSCHLAND – 15 min – THIS BRUNNER –
EINE SCHWEIZER FILMLEGENDE – 12 min – KNUT
IST GUT – KNUT ELSTERMANN – 15 min
▶ Sonntag, 4. November 2012, 18.30 Uhr
Schwules Leben (Gesamtlänge: 148 min)
EIN SCHWULER SCHORNSTEINFEGER – ALAIN
RAPPSILBER – 10 min – EIN JOURNALIST AUS NEW
YORK: BRANDON – SCHWUL, JÜDISCH, DEUTSCH –
20 min – ICH BIN EDITH AUS NEUKöLLN – ADES
ZABEL – 18 min – EINE DRAG QUEEN AUS AMSTERDAM – LADY GALORE – 14 min – HOUSE OF GALORE IN BERLIN – 20 min – EVA LOVE – BERLINER
TUNTE UND TRANSSEXUELLE IN NEW YORK –
15 min – DER HEILIGE SCHEIN – DER SCHWULE
THEOLOGE DAVID BERGER – 12 min – EIN LEBEN
FÜR SCHWULE RECHTE – GEORG HÄRPFER –
12 min – GAY NOT GREY – ANDERS ALTERN (CoRegie: Oliver Sechting) – 27 min
▶ Sonntag, 4. November 2012, 21.00 Uhr
Rosa von Praunheim wird an dem Wochenende bei
einigen Vorstellungen anwesend sein.
»Neapel, das sind tausend Farben, tausend Ängste,
aber auch die Stimmen der Kinder, die allmählich lauter werden und dir sagen, dass du nicht allein bist. Neapel ist eine bittere Sonne, ein Geruch von Meer, ein
schmutziger Papierfetzen, um den sich niemand kümmert. Jeder wartet auf das große Los. Neapel ist eine
große Entdeckungsreise, im Labyrinth seiner Gassen
warten auf dich Träume, aber nie die Wahrheit.« Dieser
Text des neapolitanischen Liedermachers Pino Daniele,
»Napule è«, drückt in wenigen Zeilen die Liebe zu einer
Stadt aus, die man nur poetisch umschreiben kann.
Keine andere Definition kann sie besser erfassen.
Der Film war für Neapel immer zentral, kein anderes
Medium kann diese Stadt besser einfangen, eine Stadt
zwischen den düsteren Lavabrocken, den täglichen
Tragödien einerseits, und dem porösen Licht des Tuffsteins und der überbordenden Lebensfreude andererseits, ein ständiges Schwanken zwischen Sicherheit
und Unsicherheit, zwischen Realität und Imagination.
Nirgendwo kann man die Härte des Lebens und die
traumhaften Gebilde der Phantasie besser erfahren. So
scheinen auch die Träume des kleinen Peppino in LA
KRYPTONITE NELLA BORSA (2011) von Ivan Cotroneo
in seiner Situation mehr als notwendig zu sein. Er lebt
in einer Familie, die ihm alles bietet außer liebender Zuwendung. Nur mit Hilfe seiner Traumwelt kann er sich
entwickeln.
Der Legende nach wurde Neapel von der Sirene Partenope gegründet und ist zugleich verführerisch und gefährlich. Eine Stadt, die dich verzaubert, eine Stadt, die
keine Kompromisse kennt. Neapel darf man nicht verstehen wollen, die Stadt ist wie eine Mutter, die trotz
ihrer tausend Fehler geliebt werden will. Diese Widersprüche finden ihren vollkommenen Ausdruck sowohl
in den Tragikomödien von Eduardo De Filippo als auch
in den Filmen von Totò und von Massimo Troisi. In unserer Filmreihe machen Sie mit dieser Mentalität Bekanntschaft in dem Film COSI PARLO BELLAVISTA
(1984) von Luciano De Crescenzo, der zugleich die
Mimik und Gestik der Neapolitaner vermittelt. Neapel
musste mit vielen Einwanderern fertig werden, und es
musste verschmerzen, nicht mehr Hauptstadt eines Königreiches zu sein. In all diesen Wechselfällen ist es
sich treu geblieben und hat zugleich seine Ideen in alle
Welt verbreitet. Neapel wird seiner Rolle als Hafenstadt
in mehr als einem Sinne gerecht. Hier kreuzen sich Kulturen, Rassen, Religionen und Mentalitäten. Neapel
nimmt diese Einflüsse auf, ohne sich selbst zu verlieren.
Neapel und der Film
INTO PARADISO
Neapel und der Film: Im Schatten des Vesuvs
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Neapel und der Film
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Wer nach Neapel kommt, der trifft dort Chinesen, Filipinos, Inder, Pakistani, Ukrainer, Rumänen, Polen, Senegalesen, Nordafrikaner. Sie sind Straßenhändler, sie
haben ihre kleinen Geschäfte, sie pflegen Alte und Behinderte, sie leben mehr oder weniger integriert in neapolitanischen Familien. Der Film INTO PARADISO
(2010) von Paola Randi gibt uns eine gute Vorstellung
von diesem Völker- und Kulturgemisch und seinen Belastungen wie Bereicherungen für jeden Beteiligten.
Der Dokumentarfilm NAPOLI PIAZZA MUNICIPIO (2008)
von Bruno Oliviero zeigt einen beeindruckenden Querschnitt durch das bei Tag und Nacht pulsierende Leben
der Metropole. John Turturro hat in seinem Dokumentarfilm PASSIONE (2010) den Weg über die Musik gewählt, um sich der Stadt zu nähern. Er durchstreift mit
uns die Gassen und historischen Plätze und lässt neapolitanische Klang- wie Bildwelten vor uns entstehen,
die ungewohnte Gefühle in uns auslösen. Mit Neapel
sind viele Filmschauspieler verbunden: Sophia Loren,
Valeria Golino, Silvio Orlando, Toni Servillo, Anna Bonaiuto, Licia Maglietta – unvergessliche Gesichter.
Unter den Regisseuren finden wir Vittorio de Sica aus
den Zeiten des neorealismo, aus den 1990er Jahren
Martone, Piscicelli, Corsicato, Marra, De Lillo, Capuano, Incerti und heute Paolo Sorrentino und Matteo
Garrone.
Natürlich kann unsere Filmreihe nur einen kleinen Ausschnitt aus dem vielseitigen Leben der Stadt Neapel
geben. Mit manchen Vorurteilen soll aufgeräumt werden. Engagierte Standpunkte der Filmemacher sind in
unserer Reihe ausdrücklich erwünscht. Ein Beispiel
dafür ist der erste Film von Francesco Rosi, LA SFIDA
(1958), der ein Ereignis der cronaca nera der 1950er
Jahre zum Gegenstand hat, des »dunklen Nachrichtenteils« der Zeitungen über Unfälle und Verbrechen.
Ambra Sorrentino Becker
NAPOLI PIAZZA MUNICIPIO (NEAPEL RATHAUSPLATZ) – Italien 2008 – R+B+K: Bruno Oliviero – M:
Riccardo Veno – 55 min, OmeU – Um Neapels Piazza
Municipio liegen viele bedeutsame Orte: das Rathaus,
das im 13. Jahrhundert von den Anjou erbaute Schloss,
die Baustelle der Metro, das Stadttheater Mercadante,
der Blumenmarkt. Die Menschen, die den Platz überqueren, erzählen ihre eigenen Geschichten von damals
und heute. – PASSIONE – Italien 2010 – R: John Turturro – B: John Turturro, Federico Vacalebre – K:
Marco Pontecorvo – D: John Turturro, Mina, Max Casella, Lina Sastri, Massimo Ranieri, Peppe Barra – 96
min, OmU – Das Multitalent John Turturro kehrt mit diesem Film zu seinen süditalienischen Wurzeln zurück
und präsentiert ein musikalisches Abenteuer: Neapel,
in der französische und arabische Einwanderer sowie
italienische Liedermacher schon immer die Vielfalt der
Musik geprägt haben. Turturros lebendige Dokumentation berichtet über Lieder und Sänger und den Einfluss
dieser Musik in der ganzen Welt.
▶ Donnerstag 29. November 2012, 19.00 Uhr
INTO PARADISO – Italien 2010 – R: Paola Randi – B:
Paola Randi, Michela Bozzini, Stefano Voltaggio – K:
Mario Amura – M: Fausto Mesolella – D: Gianfelice Imparato, Saman Anthony, Peppe Servillo, Eloma Ran
Janz, Gianni Ferreri, Shatzi Mosca – 144 min, OmU –
Drei Männer, der schüchterne, gerade arbeitslos gewordene Wissenschaftler Alfonso, der in korrupte
Machenschaften verwickelte Politiker Vincenzo und der
ehemalige Kricket-Champion Gayaan aus Sri Lanka,
der auf der Suche nach dem Paradies ausgerechnet in
Neapel gelandet ist, treffen sich in einer illegal errichteten Hütte auf einem Hausdach im Migrantenviertel. Es
entwickelt sich eine Freundschaft, die aus der Not geboren ist, da Auftragskiller der Camorra ihnen auf den
Fersen sind. INTO PARADISO ist eine witzige, abgedrehte und einfallsreiche Komödie über Freundschaft
und multikulturelle Solidarität.
▶ Freitag, 30. November 2012, 18.30 Uhr
LA SFIDA (DE HERAUSFORDERUNG) – Italien 1958 –
R: Francesco Rosi – B: Francesco Rosi, Suso Cecchi
D’Amico, Enzo Provenzale – K: Gianni Di Venanzo – M:
Roman Vlad – D: Rosanna Schiaffino, José Suarez,
Nino Vingelli, Rosita Pisano, Angela Luce – 93 min,
OmeU – Vito Polara, ein ehrgeiziger, skrupelloser junger Mann, will zu schnellem Geld und Erfolg kommen.
Vom Zigarettenschmuggel steigt er auf den Obst- und
Gemüsehandel um, der aber von der Camorra beherrscht wird. Francesco Rosis erster Spielfilm, der
sich auf einen authentischen Fall beruft, verbindet präzise Milieubeschreibungen neorealistischen Kinos mit
Elementen des amerikanischen sozialen Dramas und
Gangsterfilms. Er wurde bei den Filmfestspielen in Venedig 1958 mit mehreren Preisen ausgezeichnet,
nachdem er zuvor Proteste ausgelöst hatte und mit
einem Aufführungsverbot belegt worden war.
▶ Samstag, 1. Dezember 2012, 18.30 Uhr
GORBACIOF (GORBATSCHOW) – Italien 2010 – R:
Stefano Incerti – B: Stefano Incerti, Diego De Silva – K:
Pasquale Mari – M: Teho Teardo – D: Toni Servillo,
Geppy Gleijeses, Mi Yang, Gaetano Bruno, Hal Yamanouchi – 85 min, OmeU – Marino Pacileo, wegen eines
LA KRYPTONITE NELLA BORSA (KRYPTONIT IN DER
TASCHE) – Italien 2011 – R: Ivan Cotroneo – B: Ivan
Cotroneo, Monica Rametta, Ludovico Rampoldi, nach
dem Roman von Ivan Cotroneo – K: Luca Bigazzi – M:
Pasquale Catalano – D: Valeria Golino, Cristiana Capotondi, Luca Zingaretti, Libero de Rienzo, Luigi Catani –
98 min, OmeU – »Dies ist eine Geschichte über einen
Superhelden, eine Familie und ein Kind mit einer Brille,
aber es ist kein Kinderfilm. Es ist eine Geschichte über
Liebe.« Mit diesen Worten beginnt eine nostalgische
und melancholische Komödie über das Neapel der
1970er Jahre, in deren Mittelpunkt der neunjährige
▶ Dienstag, 4. Dezember 2012, 21.00 Uhr
COSI PARLO BELLAVISTA (ALSO SPRACH BELLAVISTA) – Italien 1984 – R: Luciano De Crescenzo – B:
Luciano De Crescenzo, Riccardo Pazzaglia, nach dem
Buch von De Crescenzo – K: Dante Spinotti – M: Claudio Mattone – D: Antonio Allocca, Lucio Allocca, Giovanni Attanasio, Marisa Confalone, Isa Danieli –
102 min, OmU – Gennaro Bellavista, ein fröhlicher,
lustvoller Mensch und Gymnasiallehrer im Ruhestand,
verkörpert die Weisheit Neapels. Wie einst Sokrates auf
der Agora von Athen, spricht und philosophiert er in
regelmäßigen Treffen mit seinen Freunden, Mitbürgern
und Hausbewohnern. Der neapolitanische Dialekt würzt
die Gespräche, die sich um Politik, Essen, Anarchie
und Muße drehen. Der rote Faden ist Bellavistas Theorie, dass sich die Menschen in auseinanderstrebende
»Freiheitsmenschen« und einander zugewandte »Liebesmenschen« unterteilen.
Neapel und der Film
▶ Sonntag, 2. Dezember 2012, 18.30 Uhr
Peppino steht, dessen einziger Halt sein verrückter
Cousin ist, der sich für Superman hält. Als der Cousin
plötzlich stirbt, erscheint er Peppino immer wieder und
hilft ihm, festen Boden unter den Füßen zu finden. Die
malerischen Gassen Neapels und viele »kleine Leute«
bilden den Rahmen dieses mit leichter Hand erzählten
Films mit surrealistischen Untertönen.
▶ Mittwoch, 5. Dezember 2012, 21.00 Uhr
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LA KRYPTONITE NELLA BORSA
großen Muttermals auf der Stirn Gorbaciòf genannt,
ist Buchhalter im Gefängnis Poggioreale in Neapel, ein
stiller zurückhaltender Mensch, dessen einzige Leidenschaften das Glücksspiel und seine Liebe zu Lila, einer
jungen Chinesin, sind. Auch deren Vater spielt um Geld.
Als Gorbaciòf beschließt, ihm zu helfen seine Schulden
zurückzuzahlen, gerät sein Leben außer Kontrolle.
Das psychologische, fast dialoglose Porträt von Incerti
erinnert an LE CONSEGUENZE DELL’AMORE (2004)
von Paolo Sorrentino. In beiden Filmen begegnen wir
Protagonisten, die kriminell handeln und dennoch eine
ungeahnte Zärtlichkeit und Poesie in ihrem Verhalten
zeigen.
Zuschauerkino
Zuschauerkino
?
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Zweimal im Jahr bietet das Zuschauerkino des Münchner Filmzentrums (MFZ) allen, die Filme machen, die
Gelegenheit, ihre Filme auf der Leinwand des Filmmuseums zu sehen und andere Filmemacher zu treffen.
Filme einreichen können alle, die einen Kurzfilm gedreht haben, egal ob Profi oder Amateur, unabhängig
vom Inhalt oder Format des Films, ob Spielfilm oder Dokumentation, Real- oder Animationsfilm. Es können nur
Filme gezeigt werden, die persönlich von Beteiligten
vorgestellt werden. Im Anschluss an die Vorführung
bietet das MFZ eine Begegnungsmöglichkeit, damit
Teilnehmer und Zuschauer noch leichter miteinander
ins Gespräch kommen können (für Erfrischungen ist gesorgt).
Dies sind die Spielregeln: Die Filme müssen bis zum
22. November 2012 im Filmmuseum eingereicht werden. Möglich sind die Formate 35mm, 16mm, DigiBeta, BetaSP, VHS, MiniDV, DVD und Blu-ray (keine
Download-Links). Zugelassen werden nur Filme bis zu
15 Minuten Länge. MFZ und Filmmuseum behalten
sich die Auswahl der Filme vor. Sollten mehr Filme an-
gemeldet werden als Vorführzeit zur Verfügung steht,
werden die Veranstalter eine Auswahl treffen, wobei
die Reihenfolge der Anmeldungen berücksichtigt wird.
Alle Filmemacher, deren Filme im Programm gezeigt
werden, können an der Kasse bis zu fünf Freikarten
für den Zuschauerkino-Filmabend erhalten. Darüber
hinaus bestehen keine weiteren Verpflichtungen des
Filmmuseums. Es wird vorausgesetzt, dass die Filmemacher über die Rechte an den von ihnen eingereichten Filmen verfügen und diese am Abend vor der Projektion kurz vorstellen.
Kontakt: E-Mail ([email protected]), Telefon
(089-233 20538), Fax (089-233 23931) oder Post
(Filmmuseum München, St.-Jakobs-Platz 1, 80331
München).
▶ Donnerstag, 6. Dezember 2012, 19.00 Uhr (Die Filme-
macher sind anwesend)
Hommage à Sonja Ziemann
schwere Sinnkrise. Die Produzenten fanden schnell die
Schuldigen für die finanzielle Schieflage – es waren die
Stars und ihre überzogenen Gagen.
Zu diesen Stars zählte Sonja Ziemann. Ziemann, 1926
in Eichwalde bei Berlin geboren, besuchte mit zehn
Jahren die renommierte Ballettschule von Tatjana
Gsvosky und trat schon im Alter von 15 Jahren in der
Berliner Plaza auf. 1941 spielte sie ihre erste Filmrolle
unter der Regie von Walter Felsenstein in dem TobisFilm EIN WINDSTOSS. Mit Hildegard Knef besuchte sie
die Schauspielschule der Ufa. Für ihre Rolle als Bärbele
im ersten Farbfilm der Nachkriegszeit, SCHWARZWALDMÄDEL (1950, Regie: Hans Deppe), erhielt sie den
Bambi als beliebteste Schauspielerin Deutschlands.
Die Film und Mode Revue kommentierte das Ergebnis
als einen »alarmierenden Vorgang«; statt seriöse
Schauspielerinnen zu wählen, habe man sich einfach
für die Jugend entschieden. SCHWARZWALDMÄDEL,
meist als Start der Heimatfilmwelle definiert, basiert auf
einer Operette des jüdischen Komponisten Leon Jessel,
der 1942 an den Folgen der Misshandlungen der
Gestapo starb. Der Film selbst ist eine hysterische
Sonja Ziemann
Zbigniew Cybulski, Sonja Ziemann, Aleksander Ford bei den Dreharbeiten zu DER ACHTE TAG
Ob Heimatfilm, Verwechslungskomödie, Operette, Problemfilm oder Angestelltenglück – im bundesdeutschen Film der 1950er Jahre geht es vor allem um Teilhabe, um ein Sahnestück vom Wohlstand, um die Einlösung des Versprechens auf ein sorgloses Leben. Der
Problemfilm stellte die Frage, ob man das Sahnestück
verdient hatte, der Unterhaltungsfilm bestand auf dem
Lottogewinn, den das Leben für jeden bereit hielt. Die
Filme der 1950er Jahre atmen schwer unter der Arbeit
der Verdrängung und dem Gerüstbau restaurativer
Ideologie. Aber die Wünsche und Ängste, die Projektionen des Publikums gab es ja wirklich, und sie wurden
vom deutschen Film ebenso wie von den Illustrierten
aufgenommen. Die Sucht nach Zerstreuung, nach dem
endlichen Glück im Kino, erwies sich kurzfristig als
Segen für die Filmindustrie. So viel Geld mit so wenig
künstlerischem Aufwand hatte man lange nicht gemacht. Als das Publikum merkte, dass es die Wünsche
der Filmindustrie um vieles mehr erfüllte als umgekehrt
und dass es im Fernsehen vielleicht nicht intelligenter,
aber anders und um vieles bequemer unterhalten
wurde als im Kino, geriet die Filmindustrie in eine
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Sonja Ziemann
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Mischung aus Revue, Singspiel und Komödie, lässt
Künstlervolk, Neureiche und Traditionalisten lärmend
aufeinanderprallen. Die Heimat ist hier schon eine Antiquität, hinter Glas in einem Museum untergebracht.
SCHWARZWALDMÄDEL spielte 14 Millionen Mark ein
und machte Rudolf Prack/Sonja Ziemann zum Traumpaar der frühen 1950er Jahre. Nach dem noch größeren Erfolg GRÜN IST DIE HEIDE (1951, Regie: Hans
Deppe) war Sonja Ziemann zunächst auf Heimatfilme
abonniert. In dem Remake DIE PRIVATSEKRETÄRIN
(1953), wieder mit Prack als Partner, wechselt sie mit
Tanz und Gesang zum »Kleinen Ladenmädchen«Genre, Unterabteilung Sekretärinnen-Milieu. Die unausgesprochene Handlungsmaxime für das weibliche Publikum lautete: Junge Mädchen lassen sich nicht auf
erotische Abenteuer ein, sondern folgen ihrem Herzen,
als Belohnung winkt ein Ehemann in Gestalt des Juniorchefs einer Bank oder des Chefs eines Modehauses. Sonja Ziemann verkörperte in den 1950er Jahren
den »Traum von Lieschen Müller«, als die Helmut Käutner sie 1961 in seinem gleichnamigen Film besetzte.
Die Reflektion des Sekretärinnen-Traums endete, so
Karsten Witte 1992, in einem »Absturz ins zynische
Nichts.« 1959 inszeniert Gottfried Reinhardt sie in seinem Remake von MENSCHEN IM HOTEL in der JoanCrawford-Rolle des Flämmchens. Ironischerweise war
das wieder eine Sekretärinnenrolle, aber auch ein Gegengewicht zu den Schicksals-, Schurken- und Selbstdarstellern Heinz Rühmann, Gert Fröbe und O. W. Fischer. NACHT FIEL ÜBER GOTENHAFEN (1960) zählt
zum Genre des Kriegsfilms, ist aber in großen Teilen
eine Studie über Mütter und Frauen im Zweiten Weltkrieg. Sonja Ziemann als verlassene Offiziersfrau kämpft
entschieden, aber aussichtslos gegen die Eifersucht
ihres Mannes, den Kontrollwahn ihrer Schwiegermutter
und die Zudringlichkeiten eines Heimaturlaubers.
Bereits 1952 drehte Sonja Ziemann mit MADE IN HEAVEN (Regie: John Paddy Carstairs) ihren ersten Film im
Ausland; das Engagement einer deutschen Schauspielerin in einem britischen Film provozierte in England erregte Diskussionen. Es folgten Filme in Frankreich und
Italien und 1958 DER ACHTE WOCHENTAG mit Zbigniew Cybulski unter der Regie von Aleksander Ford.
Die Studie eines Liebespaares, das keinen Ort für seine
Liebe findet, wurde in Polen nach einer Vorlage ihres
späteren Ehemanns, des Schriftstellers Marek Hlasko,
gedreht. In Polen wurde der Film zunächst verboten, in
Deutschland wurde er von der Öffentlichkeit nicht akzeptiert. Ihren einzigen amerikanischen Film drehte
Sonja Ziemann in Wien und Budapest. Richard Widmark produzierte THE SECRET WAYS (1960), eine fins-
tere Kalter-Krieg-Novelle über die Flucht eines ungarischen Wissenschaftlers in den Westen. Neben Widmark in der Hauptrolle spielte Charles Regnier, Sonja
Ziemanns dritter Ehemann.
Seit 1981 ist Sonja Ziemann Mitglied des Zürcher
Schauspielhauses. Sie lebt in München.
Werner Sudendorf
DIE PRIVATSEKRETÄRIN – BRD 1953 – R: Paul Martin – B: Just Scheu, Ernst Nebhut – K: Albert Benitz –
M: Paul Abraham, Driedrich Schröder – D: Sonja Ziemann, Rudolf Prack, Paul Hörbiger, Werner Fütterer,
Gerty Godden – 95 min – Wiederverfilmung eines Erfolgsfilms aus der frühen Tonfilmzeit, dessen Lied »Ich
bin ja heut so glücklich« zu einem Ohrwurm wurde.
»Sonja Ziemann spielt eine Heimatlose, eine junge Frau,
die von irgendwoher in eine fremde Stadt kommt, sich
umsieht nach einer Stelle als Sekretärin, vor allem aber
nach einem Mann, der reich genug zum Heiraten ist.
Sie findet diesen Mann: Rudolf Prack, der ihren Chef
spielt. Die Rolle der Privatsekretärin brachte alle
Qualitäten Sonja Ziemanns auf den Punkt: Sie war
schnippisch, spitz, zickig und eingebildet, will nach
oben um fast jeden Preis. Rudolf Prack heiratet sie
schließlich, und man weiß nicht genau, ob Furcht oder
Mitleid sein eigentlicher Beweggrund ist.« (Claudius
Seidl)
▶ Donnerstag, 13. Dezember 2012, 19.00 Uhr (Zu Gast:
Sonja Ziemann, Einführung: Werner Sudendorf)
DER ACHTE WOCHENTAG – BRD/Polen 1958 – R:
Aleksander Ford – B: Marek Hlasko, Aleksander Ford,
nach dem Roman von Marek Hlasko – K: Jerzy Lipman,
Igor Oberberg – M: Kasimierz Serocki – D: Sonja Ziemann, Zbigniew Cybulski, Ilse Steppat, Tadeusz Lomnicki, Bum Krüger – 84 min – Im Elend einer polnischen
Stadt der 1950er Jahre gedrehter Liebesfilm. »Zwei
junge Liebende suchen nur ein Bett in einer Welt voller
Lärm, Erbitterung, Elend, Unglück, Bosheit und Ungerechtigkeit. Die Frage, ob sich die Liebe in der grausamen, brutalen und ungesunden Welt, in der wir leben,
entfalten kann, wird sehr unerbittlich formuliert. Die Inszenierung Fords ist oft von einer Menschlichkeit und
einer Liebe gefärbt, die uns die Abenteuer von Peter
und Agnes nahebringen. Er zwar liebend, aber schnell
entmutigt, aufrichtig, aber zu Kompromissen neigend.
Sie hartnäckig, stolz, unbestechlich und wunderbar verkörpert durch Sonja Ziemann.« (Jacques Doniol-Valcroze)
MENSCHEN IM HOTEL – BRD 1959 – R: Gottfried
Reinhardt – B: Hans Jacoby, Ladislas Fodor, nach dem
Roman von Vicky Baum – K: Göran Strindberg – M:
Hans-Martin Majewski – D: O.W. Fischer, Michèle Morgan, Heinz Rühmann, Sonja Ziemann, Gert Fröbe, Wolfgang Wahl, Dorothea Wieck – 105 min – »Das Ringelspiel des Schicksals funktioniert und fasziniert. Das
große Plus dieser Verfilmung sind Gert Fröbe, der Generaldirektor, der mit gefälschter Bilanz seiner Firma
auf die Sprünge helfen will, Heinz Rühmann als biederer, ehrlicher Buchhalter, der seinen Chef auf diesen
›Fehler‹ aufmerksam machen will, und Sonja Ziemann
als Hotelsekretärin, die endlich bereit ist, dem Wink
des Generaldirektors mit einem 5.000-Mark-Scheck zu
folgen. Gottfried Reinhardts Regie entwirft die effektvollen Situationen mit sicherem Strich, Göran Strindbergs
Kamera registriert kühl und scharf: Ein Unterhaltungsfilm. Aber einer mit Stil.« (Film-Beobachter)
▶ Samstag, 15. Dezember 2012, 18.30 Uhr
THE SECRET WAYS (GEHEIME WEGE) – USA 1961 –
R: Phil Karlson – B: Jean Hazlewood, nach dem Roman
von Alistair MacLean – K: Max Greene – M: John Williams – D: Richard Widmark, Sonja Ziemann, Charles
Regnier, Walter Rilla, Senta Berger, Howard Vernon –
112 min, OF – Ein spannender Kalter-Krieg-Thriller aus
der Nachkriegszeit, produziert von Hauptdarsteller
Richard Widmark: Nach der Niederschlagung des
Volksaufstandes in Ungarn soll ein amerikanischer
Agent einen ungarischen Wissenschaftler über die
Grenze nach Wien schleusen – zusammen mit seiner
politisch engagierten Tochter Julia. »Die Phantasie des
Autors stieß sich an nichts, am wenigsten an der Wirklichkeit. Das nächtliche Wien macht er zu einer gefährlichen, Budapest zu einer gespenstisch-leeren Stadt.
Auch die Regie sucht die Sensation – und darin ist der
Film bemerkenswert effektvoll, nicht zuletzt mittels der
Fotografie.« (Film-Dienst)
▶ Sonntag, 16. Dezember 2012, 18.30 Uhr
DER TRAUM VON LIESCHEN MÜLLER – BRD 1961 –
R: Helmut Käutner – B: Helmut Käutner, Willibald Eser
– K: Günther Senftleben – M: Bernhard Eichhorn – D:
Sonja Ziemann, Martin Held, Cornelia Froboess, Helmut Griem, Peter Weck, Georg Thomalla, Wolfgang
Neuss – 92 min – »Eine filmische Aufhellung von Lieschen Müllers Wunschtraumdenken mit spöttischen Bemerkungen über bundesrepublikanische Zustände in
einem Farbfilm-Musical.« (Film-Beobachter) Käutners
ambitionierte Satire auf Kinoträume und deutsche Wirtschaftswunderklischees war seinerzeit trotz prominenter Besetzung mit Sonja Ziemann in der Titelrolle ein
Flop und wurde daraufhin vom Verleih überarbeitet: »Es
wurde nicht nur herumgeschnitten, er wurde auch um
dreihundert Meter gekürzt und sinnentstellend umsynchronisiert. Es war der Versuch, noch einen schnellen
Gebrauchsfilm aus diesem surrealistischen Märchen zu
retten.« (Helmut Käutner)
▶ Freitag, 21. Dezember 2012, 18.30 Uhr
Sonja Ziemann
▶ Freitag, 14. Dezember 2012, 18.30 Uhr
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Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, Rom 2003 – © Alberto Cristofari / Contrasto
Jean-Marie Straub zum 80. Geburtstag
Jean-Marie Straub
Auf einem Plakat, in den Programmen die Namen
Dreyer und Straub lesen – und nichts wie hin!
Marguerite Duras
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Jean-Marie Straub hat deutsche, französische und italienische Filme gemacht. Das gibt dieser Münchner Retrospektive eine europäische Bedeutung. Sie schenkt
uns in der Öde des monetären Europa die Möglichkeit,
im »Ach der Alkmene« (Heiner Müller) den Nachhall der
unglaublichen mythischen Geschehnisse zu hören, die
bis heute unsere, die europäische, Vergangenheit beleben und ohne deren Erinnerung unser Leben und unser
Fühlen versiegen würden. Cesare Pavese hat am
15. Oktober 1945 in seinem Tagebuch die Frage gestellt: »Was sagen, wenn die natürlichen Dinge – Quellen, Wälder, Weinberge, Land – eines Tages von der
Stadt aufgesogen und vergangen sein werden und man
ihnen in alten Sätzen aus der Vergangenheit begegnen
wird? Sie werden auf uns wirken wie die Theoi, die
Nymphen, das natürliche Heilige, das in manchen griechischen Versen zum Vorschein kommt. Dann wird der
einfache Satz Es war eine Quelle uns rühren«. Das
große Werk der Straubschen Filme gibt eine Antwort
auf diese Frage, seine ganze ästhetisch-politische
Energie richtet sich auf dieses Sagen.
Jean-Marie Straub ist ein Sonntagskind, geboren am
8. Januar 1933 in Metz, das die Deutschen der Eisengruben wegen 1871 und 1940 annektierten. Mit dem
Projekt einer Filmbiographie »Chronik der Anna Magdalena Bach« im Kopf geht Straub 1954 nach Paris. Er
begegnet Danièle Huillet, geboren am 1. Mai 1936, am
Feiertag des Wahlsiegs der französischen Volksfront:
An Feiertagen gehen / die braunen Frauen daselbst /
auf seidnen Boden. Vielleicht dachte Danièle an diesen
Vers Hölderlins, als sie schrieb: »Das Interessanteste
an mir ist mein Geburtsdatum«. Bis zu ihrem Tod am
9. Oktober 2006 war Danièle an allen Filmprojekten
Straubs maßgeblich beteiligt.
Statt zum Militärdienst nach Algerien geht Straub 1958
nach Deutschland auf der Suche nach Materialien, Orgeln und Handschriften für den Bachfilm. In Metz wird
er in Abwesenheit zu einem Jahr Gefängnis verurteilt
(und 1971 amnestiert). 1962 dreht er MACHORKAMUFF nach Heinrich Böll. Der 18-Minuten-Film hat bis
heute nichts von seiner ästhetischen und politischen
Sprengkraft verloren. Machorka-Muff, in der eben gegründeten Bundeswehr zum Leiter der »Akademie für
militärische Erinnerungen« ernannt, fragt sich, was
sein alter General zur Wiederbewaffnung gesagt hätte.
Straubs Urprojekt und dritter Film, die CHRONIK DER
ANNA MAGDALENA BACH (1967) wird nicht durch das
Thema zu einem deutschen Film, sondern durch die
Straubsche Wahrheit der Menschen, Häuser, Innenräume, Gegenstände, Worte und Töne. »Es ist ein Film,
den kein Deutscher hätte machen können, … so wie
kein Italiener die ›Kartause von Parma‹ hätte schreiben
können« (Straub). Als Motto vorangestellt ist ihm ein
Jean-Marie Straub
Vom extremen Anspruch der Straubs an die Wahrheit
von Bild und Ton berichtet Erich Kuby nach den Dreharbeiten von MACHORKA-MUFF. Bei einer Innenaufnahme in München fällt Straub auf, dass das Straßenbahngeräusch nicht stimmt, das auch in einer anderen
Szene in Bonn zu hören ist. »Und plötzlich sagt der
Straub: Wir müssen nochmal nach Bonn fahren. Das ist
nicht die Wahrheit«. Münchner oder Bonner Straßenbahn, für jeden anderen Filmemacher wäre das kein
Problem gewesen. Aber das Team fährt zurück nach
Bonn und Kuby kommentiert: »Jeder ist so verrückt wie
er will. Der Straub ist schon ein erstaunlicher Mann«.
Straub selbst zitiert gerne Godard, dem die ersten Tonfilme so gut gefielen, »weil es das erste Mal war, dass
man Leute sprechen hörte«. In diesem »ersten Mal« lag
eine große Wahrheit. Sie liegt auch darin, wie zum ersten Mal in der BRD in NICHT VERSÖHNT von der deutschen Vergangenheit gesprochen wird. Wer sich auf
die Straubsche Ästhetik einlässt, wer Pausen und Längen aushält, wer Atem genug hat, um dem durch Komprimierungen erzeugten, ungeheueren Tempo zu folgen, wer Naturschauspiele wie das Erscheinen eines
Berges oder den Einbruch eines Schmetterlings in eine
Einstellung mit Ehrfurcht aufnimmt, wird in diesen Filmen die Welt neu zu sehen und zu hören bekommen.
Das ist das Straubsche Versprechen, dessen Erfüllung
von der Mitarbeit des Zuschauers abhängt. Sie erfordert von ihm altertümliche, oder wie Straub sagen
würde, »kommunistische« Tugenden.
CHRONIK DER ANNA MAGDALENA BACH
»Diese Christen« hätte er gesagt, »wer hätte das von
ihnen erwarten können!« – »Und das in einer Demokratie.« »Eine Demokratie, in der wir die Mehrheit des Parlaments auf unserer Seite haben«. »Und die öffentliche
Meinung?« »Sie wird es schlucken. Sie schluckt alles.«
Jedes Wort wiegt schwer wie deutsche Vergangenheit.
Die »Aura selbstvergessener Ergriffenheit« (Helmut Färber), mit der Erich Kuby als Machorka die Sätze spricht,
beweist, dass der Sprung »vom Nazideutschen zum
Bundesbürger« (Böll) gelungen ist. Die Geschichte der
Bundesrepublik ist in diesen Film eingeschrieben und
arbeitet in ihm weiter. Die Bundeswehr ist groß geworden und verrichtet ihre Arbeit in der ganzen Welt. An
diese Tatsache stoßen die Köpfe der Zuschauer heute,
wenn der Film in ihnen weiterdenkt.
Der zweite deutsche Film NICHT VERSÖHNT ODER ES
HILFT NUR GEWALT WO GEWALT HERRSCHT (1965)
trägt einen Titel, der zum Programm einer ganzen Generation wurde. Heinrich Bölls Roman »Billard um halbzehn«, der ihm zu Grunde liegt, war 1959 erschienen,
gleichzeitig mit Günter Grass’ »Blechtrommel« und Uwe
Johnsons »Mutmaßungen über Jakob«. Eine Wende
der Nachkriegsliteratur, die sich auf eine neue Weise
mit der deutschen Geschichte beschäftigt. Wenige
Jahre später folgt der Junge Deutsche Film, wobei der
Beitrag der Straubs (»eine neue Elementargewalt«,
Peter Nau) eine entscheidende Rolle spielt. Das ist
längst Filmgeschichte wie auch die ästhetische Debatte, die die Straubs ausgelöst haben.
Das Vorgehen der Filmemacher Straub/Huillet ist
ebenso einfach wie ungewohnt. Sie behandeln den
Text, der sie interessiert, wie ein Dokument. Mit größter Sorgfalt legen sie eine der in ihm enthaltenen, möglichen Strukturen frei und machen sie durch die große
Kunst des Weglassens sichtbar. Die »Inkarnation des
Wortes« durch die Sprechenden macht Bild und Ton
zur Einheit. Die optische Seite des Films (von vielen Kritikern gepriesen) und die Sprechweise (die gewöhnlich
auf Irritation und Ablehnung stößt) sind komplementär,
bedingen einander, erzeugen die eigentliche Spannung. Dem Zuschauer wird jede Chance einer Identifikation mit dem Sprechenden genommen. Er kann sich
nicht einrichten »in einer in sich geschlossenen Geschichte bruchlos erfundener Figuren« (Frieda Grafe).
Er muss auf seine angelernte Vorstellung von »natürlichen« Betonungen verzichten und auf die Sprache achten, die sich in der einmaligen physischen Präsenz des
Sprechenden entfaltet. Man mag sich dem verweigern,
aber es wäre intellektuell unwürdig, diesen Filmen Dilettantismus und Kunstlosigkeit vorzuwerfen (gewöhnlich das Erste, was dem verletzten Kritiker einfällt).
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Jean-Marie Straub
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Wort von Charles Péguy: Die Revolution machen / bedeutet auch / sehr alte Dinge an ihren Platz stellen / die
vergessen sind. Solche ins Negativ geritzte Graffiti sind
wichtig zum Verständnis der Straubschen Filme. Die
Verrückung sehr alter Dinge wie Ernst – Ehre – Treue –
Ordnung wurde zum Code der deutschen Verbrechen.
Beim Bachfilm mag sich der Zuschauer an das Motto
erinnern, das Walter Benjamin 1936 seiner Folge von
Briefen »Deutsche Menschen« vorangestellt hat: Von
Ehre ohne Ruhm / Von Größe ohne Glanz / Von Würde
ohne Sold. Davon berichtet die Geschichte der CHRONIK. Jahrzehnte später sagt Straub: »Als wir drehten,
lag Hanoi unter den Bomben, wir dachten an den Vietcong und die Bauern im bayerischen Urwald«.
»Ausgangspunkt für unsere CHRONIK war die Idee,
einen Film zu versuchen, in dem man Musik nicht als
Begleitung, nicht als Kommentar, sondern als ästhetische Materie benutzt«. Am Anfang seines Werks stehen musikalische Projekte, für deren Realisierung
Straub 14 Jahre (CHRONIK) und 15 Jahre (MOSES UND
ARON) gekämpft hat. Arnold Schönbergs Oper »Moses
und Aron« ist eine sehr deutsche, eine sehr jüdische
Geschichte, die Straub in eine Landschaft Italiens legt,
die diese Erzählung fassen kann. Michael Gielen, der
die musikalische Leitung übernommen hat, schreibt:
»Schon das Wahnwitzige an dem Unternehmen hat
mich gereizt«. Heute wären diese Aufführung und diese
Aufnahme materiell gar nicht mehr möglich. Man fände
noch den Ort (das antike Theater von Alba Fucense),
aber nicht mehr den akustischen Raum, in dem sich
die Naturlaute einer alten Welt (Sommerstille, Grillengezirpe, Schafsgeblöke, Wasserfließen, rollende Steine)
in die Stimmen der Solisten und des Chors einmischen
könnten. Schon damals hatte es viel Mühe gekostet,
Maschinen und Flugzeuggeräusche fernzuhalten, die
das menschliche Ohr überhört und wegschiebt, die das
Mikrophon aber unerbittlich registriert. Umgekehrt hat
Straub in OTHON (1969) den rauschenden römischen
Verkehr wie einen Lavastrom in den Text von Corneille
einfließen lassen. Gesprochen auf dem Palatin, dem
Regierungsviertel des antiken Rom, war er dadurch
zum Entsetzen der Kritik nicht mehr »hörbar«. »Man
muss Corneille jetzt lesen oder gar nicht«, schrieb Marguerite Duras zu diesem Einbruch des Autolärms in die
schöne Literatur. Was bedeutet es für unsere Kultur,
dass heute Tausende, Millionen Menschen solche
extreme Experimente ohne weiteres im Kino oder im
Fernsehen sehen können – und dass diese Chance aus
Müdigkeit der Einen und Feigheit der Andern nicht genutzt wird? Sicherlich können wir ohne OTHON und
ohne MOSES UND ARON leben. Aber was wäre, wenn
wir mit diesen Werken und mit Hölderlin und mit Cézanne und mit Kafka leben würden?
Straub beharrt auf seinem »Nicht versöhnt« (nicht nur
in LOTHRINGEN!, 1994, und UN HERITIER, 2011) und
hat nie aufgehört, diese Negation produktiv umzukehren in die Frage: Unter welchen Bedingungen ist Versöhnung mit der Geschichte und mit der Natur möglich? Es ist die große Frage, auf die Hölderlin mit der
kommunistischen Utopie des Empedokles (»Wenn dann
der Erde Grün von neuem euch erglänzt«) eine Antwort
sucht und die Cézanne ekstatisch ausrufen lässt: »In
einem Grün wird mein ganzes Hirn fließen mit den Säften des Baumes«. Straub hat die Linie freigelegt, die
von Empedokles über Lukrez zu den Mystikern und bis
zu Hölderlin und Cézanne führt. Der junge Marx hat sie
so beschrieben: »Die Natur ist der unorganische Leib
des Menschen, nämlich die Natur, soweit sie nicht
selbst menschlicher Körper ist. Die Natur ist sein Leib,
mit dem er in beständigem Prozess bleiben muss, um
nicht zu sterben«. Seit sich die moderne Industrie mit
ihrer Gewalt in diesen Prozess eingemischt hat, wird
die Natur auf immer bedrohlichere Weise in die Taten
der Menschen verstrickt. Daher der Gedanke von der
Notwendigkeit einer Versöhnung und die Einsicht, dass
ohne sie auch keine Versöhnung unter den Menschen
möglich ist. In DALLA NUBE ALLA RESISTENZA (1978)
zeigt Straub das bäuerliche Italien mit seinen Mythen
an der Schwelle zur Industriekultur. Der Klassenkampf
der Bauern bekommt durch die Darstellung der Kämpfe
zwischen Göttern und Menschen eine mythische
Schicht. Schon in KLASSENVERHÄLTNISSE (1984)
sehen wir, wie tief sich die Hierarchien und Abhängigkeiten in die Lebensweisen der Menschen eingraben.
Klassenkämpfe werden zu mechanischen Machtspielen (OTHON; GESCHICHTSUNTERRICHT, 1972), wenn
sie nicht bis zu diesen Abgründen vordringen. Einer der
letzten, rätselhaften Filme SCHAKALE UND ARABER
(2011) demonstriert in 12 Minuten die Aporien dieser
Tiefen. In Kafkascher Komik, die vielen Straubfilmen
eigen ist.
Peter Kammerer
SCHAKALE UND ARABER – Schweiz 2011 – R+B:
Jean-Marie Straub, nach Franz Kafka – K: Christophe
Clavert – D: Barbara Ulrich, Giorgio Passerone, Jubarite Semaran – 12 min – MACHORKA-MUFF – BRD
1962 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub,
nach »Hauptstädtisches Journal« von Heinrich Böll – K:
Wendelin Sachtler – D: Erich Kuby, Renate Lang – 18
min – NICHT VERSöHNT ODER ES HILFT NUR GEWALT, WO GEWALT HERRSCHT – BRD 1965 – R+B:
Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, nach »Billard um
und Bertolt Brecht. Ihnen entspricht Kafkas gewitzter
Blick auf die Klassenverhältnisse: »Also endlich die
Schere und damit Schluss!«
▶ Dienstag, 18. Dezember 2012, 21.00 Uhr
CHRONIK DER ANNA MAGDALENA BACH – BRD
1967 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub,
nach dem Nekrolog von Philipp Emmanuel Bach und
Briefen von Johann Sebastian Bach – K: Ugo Piccone –
D: Gustav Leonhardt, Christiane Lang-Drewanz –
94 min – DER BRÄUTIGAM, DIE KOMöDIANTIN UND
DER ZUHÄLTER – BRD 1968 – R+B: Danièle Huillet &
Jean-Marie Straub, nach »Krankheit der Jugend« von
Ferdinand Bruckner und Gedichten von Juan de la Cruz
– K: Niklaus Schilling – D: Lilith Ungerer, Rainer Werner
Fassbinder, James Powell – 23 min – Die CHRONIK,
das jugendliche Meisterstück. Es hätte der erste
Straubfilm werden sollen, aber die Finanzierung war
kompliziert – einen Millionenfilm dagegen, mit Karajan,
hätte man ihm sofort produziert. Bach bei der Arbeit,
Musik als Tun. »Gebrauchsmusik ist die höchste Form
der Musik«, schrieb Helmut Färber, »Musik die nicht
nirgends ist, sondern benötigt und benutzt wird.« Benutzt wie das Theater im BRÄUTIGAM, Fassbinders antiteater. Finsterstes München, aber am Ende Wind,
Bäume, Regen. Und das höchste Licht: Mein Herz aus
Lehm, / wie jemals könnte es / brennen so sehr, dass
stiegen seine Funken / wie es möchte / bis zu den hohen Gipfeln / jenes ewigen Vaters der Lichter.
▶ Mittwoch, 19. Dezember 2012, 21.00 Uhr
LA MADRE (DIE MUTTER) – Schweiz 2012 – R+B:
Jean-Marie Straub, nach Cesare Pavese – K: Christophe Clavert – D: Giovanna Daddi, Dario Marconcini –
20 min, OmU – SCHAKALE UND ARABER – Schweiz
2011 – R+B: Jean-Marie Straub, nach Franz Kafka –
K: Christophe Clavert – D: Barbara Ulrich, Giorgio Passerone, Jubarite Semaran – 12 min – O SOMMA LUCE
(O HöCHSTES LICHT) – Italien 2010 – R+B: JeanMarie Straub, nach der »Divina Commedia« von Dante
Alighieri – K: Renato Berta – Mit Giorgio Passerone –
18 min, OmU – SICILIA ! – Italien 1998 – R+B: Danièle
Huillet & Jean-Marie Straub, nach »Conversazione in
Sicilia« von Elio Vittorini – K: William Lubtchansky – D:
Angela Nugara, Gianni Buscarino, Vittorio Vigneri –
66 min, OmU – Eine Reise ins Licht, die Straubs und
das Mediterrane: Pavese und Vittorini, Kafkas Beduinen und Dantes Emphase. Geschichte einer Sehnsucht,
eine Bewegung, die sich abbildet in der Folge der
Filme. Die letzten drei sind ohne Danièle entstanden.
Das Ausrufezeichen im Titel nach »Sicilia« ist wichtig,
es signalisiert Ankunft und Aufbruch, steht für Action.
Die Einfahrt eines Zuges in den Bahnhof von Syrakus.
▶ Sonntag, 6. Januar 2013, 18.30 Uhr
DANIELE HUILLET & JEAN-MARIE STRAUB, CINEASTES – OU GIT VOTRE SOURIRE ENFOUI? (WO LIEGT
EUER LÄCHELN BEGRABEN?) – Frankreich 2001 –
R+B+K: Pedro Costa – 104 min, OmeU – 6 BAGATELAS (6 BAGATELLEN) – Frankreich 2001 – R+B+K:
Pedro Costa – 18 min, OmeU – Die Straubs bei der
Arbeit, beim Schnitt der dritten Fassung von SICILIA !
Straub wird dabei programmatisch, brechtisch, das ist
manchmal sehr komisch: »Weil – wenn es eine lange
Geduld gibt, ist sie gleichzeitig geladen mit Gegensätzen. Andernfalls hat sie sich nicht die Zeit genommen,
sich zu laden. Die lange Geduld ist notwendigerweise
geladen mit Zärtlichkeit und Gewalt. Die ungeduldige
Geduld ist nur geladen mit Ungeduld. Der schöne
Herbst ist zurückgekehrt.«
▶ Sonntag, 6. Januar 2013, 21.00 Uhr
OTHON. LES YEUX NE VEULENT PAS EN TOUT
TEMPS SE FERMER OU PEUT-ETRE QU’UN JOUR
ROME SE PERMETTRA DE CHOISIR A SON TOUR
(DIE AUGEN WOLLEN SICH NICHT ALLZEIT SCHLIESSEN ODER VIELLEICHT EINES TAGES WIRD ROM
SICH ERLAUBEN SEINERSEITS ZU WÄHLEN) – Italien
Jean-Marie Straub
SCHAKALE UND ARABER
halbzehn« von Heinrich Böll – K: Wendelin Sachtler – D:
Henning Harmssen, Heinrich Hargesheimer, Martha
Ständner, Danièle Huillet, Ulrich von Thüna – 52 min –
Es war einmal, Mitte der Sechziger, in stupid old Germany, und endet bis heute nicht. Die gleiche Unversöhnlichkeit, es hilft immer noch nur Gewalt, wo Gewalt herrscht. Hart prallen Bölls Texte auf die Wirklichkeit der Körper, Blicke, Dialekte. Die Radikalität des
amerikanischen Gangsterfilms, Legs Diamond und Arturo Ui sind Paten der frühen Filme, Budd Boetticher
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1969 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub,
nach »Othon« von Pierre Corneille – K: Renato Berta –
D: Adriano Aprà, Olimpia Carlisi, Anthony Pensabene,
Jubarite Semaran – 88 min, OmU – TOUTE REVOLUTION EST UN COUP DE DES (JEDE REVOLUTION IST
EIN WÜRFELWURF) – Frankreich 1977 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, nach »Un coup de
dés« von Stéphane Mallarmé – K: William Lubtchansky
– Mit Helmut Färber, Michel Delahaye, Danièle Huillet,
Manfred Blank – 10 min, OmU – Städtetheater, Stadt
als Schau-Platz. Inszenierte Geschichte, mit Freunden,
an historischen Orten des Widerstands. Corneilles Polittrauerspiel, die Geschäfte des Herrn Othon, gefilmt auf
dem Palatin in Rom, vom Straßenlärm umbrandet. Und
Mallarmés Poem, das sich nicht auf Papier beschränken will. »Selbst die rein sinnliche Wirklichkeit des Raumes, den die Darsteller am Ende jedes Aktes leer lassen: wie süß wär’ sie ohne das Trauerspiel des Zynismus, der Unterdrückung, des Imperialismus, der Ausbeutung – unsere Erde, befreien wir sie!«
schek, Peter Nestler – 16 min – MOSES UND ARON –
Österreich 1974 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie
Straub, nach der Oper von Arnold Schönberg – K:
Renato Berta – D: Günter Reich, Louis Devos – 107
min – Schönbergs Musik, das machen die drei Filme
sichtbar, die die Straubs mit ihr machten, hat nach
dem Kino verlangt. Ein neues Verhältnis von Wort, Bild,
Jean-Marie Straub
▶ Dienstag, 8. Januar 2013, 21.00 Uhr
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CORNEILLE – BRECHT – Frankreich 2009 – R+B:
Jean-Marie Straub, nach »Horace« und »Othon« von
Pierre Corneille und »Das Verhör des Lukullus« von
Bertolt Brecht – K: Jean-Claude Rousseau, Christophe
Clavert – Mit Cornelia Geiser – 26 min, OmU – GESCHICHTSUNTERRICHT – BRD 1972 – R+B: Danièle
Huillet & Jean-Marie Straub, nach »Die Geschäfte des
Herrn Julius Caesar« von Bertolt Brecht – K: Renato
Berta – D: Gottfried Bold, Benedikt Zulauf – 88 min –
Kunstpragmatismus, die Straubs und ihre Gebrauchsfilme: Bach für Bauern in Bayern, Corneille für die Arbeiter von Renault. Und Brecht, der mit unermüdlicher
Gelassenheit vorführt, wie man mit den Instrumenten
der marxistischen Analyse hantiert. GESCHICHTSUNTERRICHT ist eine Recherche zum römischen Kapitalismus, einst und heute. Einer der heitersten Straubfilme,
mit KLASSENVERHÄLTNISSE und SICILIA ! bildet er
eine Art Trilogie der Travestie. Das Verhör des Lukullus
führt dann in die Unterwelt. »Wir suchen ständig das
›Harmonische‹, das ›An-und-für-sich-Schöne‹ zu gestalten«, schrieb Brecht, »anstatt realistisch den Kampf
für die Harmonie und die Schönheit.«
▶ Mittwoch, 9. Januar 2013, 21.00 Uhr
EINLEITUNG ZU ARNOLD SCHOENBERGS BEGLEITMUSIK ZU EINER LICHTSPIELSCENE – BRD 1973 –
R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, nach Briefen von Arnold Schönberg – K: Renato Berta – Mit
Jean-Marie Straub, Danièle Huillet, Günter Peter Stra-
Gedanke. »Du, dem das Wort mit dem Bild davonläuft,
du lebst selbst in den Bildern, die du vorgibst, fürs Volk
zu erzeugen«, so Moses zum Ideologen Aron, »dem
Ursprung, dem Gedanken entfremdet, genügt dir dann
weder das Wort noch das Bild.« Das antike Theater in
Alba Fucense ist als Schauplatz so irreal, so unmöglich
und utopisch wie der von Mallarmés neuer, das Buch
übersteigenden Poesie: »Die Praxis von Sprache ist
nicht reduzierbar auf Sinnproduktion. Gedichte von Mallarmé sind szenisch konzipiert. Nicht möglich auf dem
Theater, sagt er, aber das Theater verlangend. Diese
Unmöglichkeit realisiert der Film.« (Frieda Grafe)
▶ Dienstag, 15. Januar 2013, 21.00 Uhr
FORTINI / CANI (DIE HUNDE VOM SINAI) – Italien
1976 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub,
nach Franco Fortini – K: Renato Berta – Mit Franco Fortini – 83 min, OmU – ITINERAIRE DE JEAN BRICARD
(WEG VON JEAN BRICARD) – Frankreich 2008 – R+B:
Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, nach Jean-YvesPetiteau – K: William Lubtchansky – 40 min, OmU –
Zwei Kriegs- und Nachkriegserfahrungen, der Italiener
Franco Fortini, der Franzose Jean Bricard: vom Faschismus sprechen, also vom Kapitalismus, von Imperialismus, Neokolonialismus, Zionismus, Klassenkampf.
Keine Grenzen sind absolut im Denken und im Handeln,
kein Leben ist eine Insel. Alles ganz kafkaesk. »Den
Hund vom Sinai machen, Redensart der Nomaden, die
einst durch die Hochebene von El Tih zogen, im Norden
des Berges Sinai. Ihre Bedeutung schwankt zwischen:
▶ Mittwoch, 16. Januar 2013, 21.00 Uhr
DALLA NUBE ALLA RESISTENZA (VON DER WOLKE
ZUM WIDERSTAND) – Italien 1978 – R+B: Danièle
Huillet & Jean-Marie Straub, nach »Dialoghi con Leucò«
und »La luna e i falò« von Cesare Pavese – K: Saverio
Diamanti – D: Olimpia Carlisi, Guido Lombardi, Andrea
Bacci, Mauro Monni, Paolo Cinnani – 105 min, OmU –
Der neue Weggefährte Cesare Pavese, er wird die
Straubs nicht mehr verlassen auf ihrem Itinéraire. Dialoge mit mythologischen Figuren, die ums Unergründliche, Unaussprechliche kreisen, das Verhältnis der
Götter und der Menschen. Die Farben haben Pedro
Costa delirieren lassen, diese Gelbs, diese Grüns. Im
Anschluss an die Dialoge ein Heimkehrer ins Italien
nach Krieg und Widerstand. Ein Verschollener. Wie Gesellschaft Gewalt eindämmen will und selber dabei Gewalt entwickelt. »Die Menschen sprechen in einen leeren Raum, und während die Rede aufsteigt, versenkt
sich der Raum in die Erde.« (Gilles Deleuze)
▶ Dienstag, 22. Januar 2013, 21.00 Uhr
ZU FRÜH / ZU SPÄT – Frankreich 1982 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, nach einem Brief von
Friedrich Engels und »Luttes de classes en Égypte« von
Mahmoud Hussein – K: William Lubtchansky, Robert
Alazraki – 105 min – Bäuerliche Welt in Frankreich und
in Ägypten. Ökologisches kommt bei Straub immer mit
Utopischem. Muss Revolution nicht immer vom Land
ausgehen? Sollten Erfahrungen nicht immer aus
Schwenks entstehen? »Die Erfahrung nicht ertragen –
das geht. Das hat man gesehen. Sogar die Idee der
Erfahrung nicht mehr ertragen – das geht ebenfalls.
Das sieht man alle Tage. Man kann finden, den Wind
zu filmen, sei eine lächerliche Sache. Eben nur Wind.
Man kann auch am Kino vorbeigehen, wenn es aus
sich herausgeht und etwas riskiert.« (Serge Daney)
▶ Mittwoch, 23. Januar 2013, 21.00 Uhr
DER TOD DES EMPEDOKLES ODER WENN DANN
DER ERDE GRÜN VON NEUEM EUCH ERGLÄNZT –
BRD 1986 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub,
nach Friedrich Hölderlin – K: Renato Berta – D:
Andreas von Rauch, Vladimir Baratta, Ute Cremer, Howard Vernon, Peter Kammerer – 132 min – Hölderlin,
der Kommunist unter den deutschen Klassikern. Empedokles ist mit seiner eigenen Emphase voll beschäftigt
und versucht, vom Ätna aus die Welt aufzurütteln. »Er
möchte Flamme sein, wie Jeanne d’Arc, wie Cézannes
Mont Sainte-Victoire. Und wie John Fords scheinheiliger Ransom Stoddard (James Stewart in THE MAN
WHO SHOT LIBERTY VALANCE) redet er zu viel. Er
posiert wie eine Sonnenexplosion, aber mit geschlossenen Augen.« (Tag Gallagher)
▶ Dienstag, 29. Januar 2013, 21.00 Uhr
SCHWARZE SÜNDE – BRD 1988 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, nach »Empedokles auf dem
Ätna« (3. Fassung von »Der Tod des Empedokles«) von
Friedrich Hölderlin – K: William Lubtchansky – D:
Andreas von Rauch, Vladimir Baratta, Howard Vernon,
Danièle Huillet – 42 min – Empedokles zum zweiten.
Nach der Explosion nun die Implosion. Empedokles hat
keine Botschaft mehr, er ist allein wie es Gertrud war
am Ende von Dreyers letztem Film. Danièle Huillet
spielt noch einmal selber mit in diesem Film, die
Sphinx. – PROPOSTA IN QUATTRO PARTI (VORSCHLAG IN VIER TEILEN) – Italien 1985 – 40 min, OF
– Blut und Boden. Eine Videomontage von Jean-Marie
Straub: A CORNER IN WHEAT (1909) von David W. Griffith sowie Ausschnitte aus MOSES UND ARON, FORTINI / CANI und DALLA NUBE ALLA RESISTENZA.
▶ Mittwoch, 30. Januar 2013, 21.00 Uhr
KLASSENVERHÄLTNISSE – BRD 1984 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, nach »Der Verschollene« von Franz Kafka – K: William Lubtchansky – D:
Christian Heinisch, Mario Adorf, Laura Betti, Alfred
Edel, Harun Farocki, Manfred Blank – 127 min – Starkino von den Straubs, in glänzendem Schwarz/Weiß,
mit Adorf, Betti, Edel. Kafkas Neue Welt, gefilmt im
Geiste von Fritz Lang, dem alten Meister und Lehrer.
Ein jugendlicher Held, Kafkas Verschollener, aus seinem Land und seiner Familie gejagt wie die Kölner
Jungs in NICHT VERSÖHNT. In den Korridoren und Küchen, Aufzügen und Balkonen fangen Kafkas Sätze an
herumzuspuken. Deleuze über die Nähe von Straub
und Kafka: »Man kann den Sprechakt nicht von dem
lösen, was ihm widersteht, ohne ihn dabei selbst, gegen das ihn Bedrohende, widerständig zu machen. Er
selbst ist die Gewalt, die nur hilft, ›wo Gewalt herrscht‹.«
▶ Dienstag, 5. Februar 2013, 21.00 Uhr
PAUL CEZANNE IM GESPRÄCH MIT JOACHIM GASQUET – BRD 1989 – R+B: Danièle Huillet & JeanMarie Straub, nach »Cézanne – Ce qu’il m’a dit« von
Joachim Gasquet – K: Henri Alekan – 63 min – UNE
VISITE AU LOUVRE (EIN BESUCH IM LOUVRE) –
Frankreich 2004 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie
Jean-Marie Straub
dem Sieger zu Hilfe eilen, auf der Seite der Herren stehen, edle Gefühle zur Schau stellen. Auf dem Sinai gibt
es keine Hunde.«
67
Straub, nach »Cézanne – Ce qu’il m’a dit« von Joachim
Gasquet – K: William Lubtchansky, Renato Berta –
47 min, OmU – Nach dem Empedokles, der Arbeit mit
Hölderlin, nun das Mystère Cézanne. Gespräche so tief,
wie man sie heute nicht mehr kennt. Daniele Huillet:
»Wer redet noch mit offenem Herzen? Es ist, wie wenn
du plötzlich auf einem Berg reine Luft atmest.« Zwei
Bodenständige, Bergbesessene, Sonnentrunkene, wie
sie träumen, Natur und Geschichte zu versöhnen. »Die
Inkarnation der Sonne durch die Welt, wer wird das je
malen, wer es erzählen? Das wäre die physische Geschichte, die Psychologie der Erde.« Mittendrin eine
Szene aus der MADAME BOVARY, dem Film von Jean
Renoir, dem Sohn von Auguste.
Jean-Marie Straub
▶ Mittwoch, 6. Februar 2013, 21.00 Uhr
68
DIE ANTIGONE DES SOPHOKLES NACH DER HöLDERLINSCHEN ÜBERTRAGUNG FÜR DIE BÜHNE BEARBEITET VON BRECHT 1948 (SUHRKAMP VERLAG)
– Deutschland 1991 – R+B: Danièle Huillet & JeanMarie Straub – K: William Lubtchansky – D: Astrid
Ofner, Ursula Ofner, Libgart Schwarz, Werner Rehm –
99 min – Theaterferien in Berlin. An der Schaubühne
hatten die Straubs die »Antigone« inszeniert, nun sind
sie mit dem Stück und den Akteuren im antiken griechischen Theater in Segesta. »Das Straubsche Kino
und das alte griechische Drama«, schreibt Peter
Handke, »sind für mich geradezu seinesgleichen, formgleich: beide stehen, oder stocken, am Anfang und verharren da, beharren auf diesem.« Die Arbeit der
Straubs ist archäologisch, die Schichten der Geschichte aufblätternd: ein Stück von Sophokles, übersetzt von Hölderlin, bearbeitet von Brecht fürs Theater.
Im Kino gewinnt es neue Körperlichkeit, Wesen, die mythisch sind und doch ganz gegenwärtig. »Ungeheuer ist
viel. Doch nichts ungeheurer, als der Mensch.«
▶ Dienstag, 12. Februar 2013, 21.00 Uhr
VON HEUTE AUF MORGEN – Deutschland 1997 –
R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, nach der
Oper von Arnold Schönberg und Max Blonda – K: William Lubtchansky – D: Christine Whittlesey, Richard
Salter – 62 min – EN RACHACHANT – Frankreich
1982 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub,
nach »Oh ! Ernesto« von Marguerite Duras – K: Henri
Alekan – D: Olivier Straub, Nadette Thinus, Bernard
Thinus, Raymond Gérard – 7 min, OmU – LOTHRINGEN ! – Frankreich 1994 – R+B: Danièle Huillet &
Jean-Marie Straub, nach »Colette Baudoche« von Maurice Barrès – K: Christophe Pollock – D: Emmanuelle
Straub – 21 min, OmU – UN HERITIER (EIN ERBE) –
Frankreich 2011 – R+B: Jean-Marie Straub, nach »Au
service de l’Allemagne« von Maurice Barrès – K: Renato Berta, Christophe Clavert – D: Joseph Rottner, Jubarite Semaran, Barbara Ulrich – 21 min, OmU – Filme
über Erbschaft und Erziehung, Mode und Ideologien.
»Was sind das, moderne Menschen?« Zwei Filme spielen im Elsass, im deutsch-französischen Grenzland,
nach dem reaktionären Maurice Barrès. Wissen und
Gewissheiten, die sich entfestigen, nationale Gefühle,
die in den wilden Nationalismen ihre Wahrheit reklamieren, »die heute sichtbaren und hörbaren Geschichtsspuren«, schrieb Frieda Grafe, »und die vom
Kino aufgerufenen – nicht direkt darzustellenden – archaischen Schwingungen«. Der alte Straub, geboren in
Metz, tritt als Zeitzeuge selbst in Erscheinung.
▶ Mittwoch, 13. Februar 2013, 21.00 Uhr
OPERAI, CONTADINI (ARBEITER, BAUERN) – Italien
2001 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie Straub,
nach »Le donne di Messina« von Elio Vittorini – K: Renato Berta – D: Angela Nugara, Angela Durantini, Vittorio Vigneri, Aldo Fruttuosi, Rosalba Curatola – 123 min,
OmU – Die Straubs gehen in die Wälder, ihr spätes
Werk wurzelt in der Gegend um die toskanische Stadt
Buti – unser Monument Valley, sagt Straub. OPERAI,
CONTADINI ist ihr WAGONMASTER, ein western noir.
Politisches wächst zusammen mit Mythischem, Märchenhaftem. Die neue Historie. Überlebensszenen
unter unsäglichen Bedingungen, in einem Winter nach
Ende des Zweiten Weltkriegs. »Es geht um den Wahnsinn, eine Gemeinschaft zu bilden«, sagt Straub, »den
Wahnsinn des Schnees und des Eises.«
▶ Dienstag, 19. Februar 2013, 21.00 Uhr
IL RITORNO DEL FIGLIO PRODIGO / UMILIATI (DIE
RÜCKKEHR DES VERLORENEN SOHNES / GEDEMÜTIGT) – Italien 2003 – R+B: Danièle Huillet & JeanMarie Straub, nach »Le donne di Messina« von Elio Vittorini – K: Renato Berta – D: Vittorio Vigneri, Rosalba
Curatola, Aldo Fruttuosi, Romano Guelfi, Paolo Spaziani
– 64 min, OmU – Die Fortsetzung zu den OPERAI, CONTADINI. Die Gesellschaft formiert sich neu, Gericht wird
gehalten. Ein Reichtum von Sonne, Licht, Wasser,
Blattwerk, in den kleinsten Filmen noch, der den angeblichen Asketismus und Minimalismus der Straubs
ad absurdum führt. »Das hat mich so geärgert, dass
ich nachgesehen habe. Askese, etymologisch, bei den
Griechen, heißt: einen Beruf und ein Handwerk gut ausüben, die Dinge gut polieren, als Schreiber zum Beispiel oder als Töpfer. Also bedeutet es genau das Gegenteil von dem, was die Leute heute denken, wenn sie
QUEI LORO INCONTRI (JENE IHRE BEGEGNUNGEN) –
Italien 2006 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie
Straub, nach »Dialoghi con Leucò« von Cesare Pavese
– K: Renato Berta, Jean-Paul Toraille – D: Angela Nugara, Vittorio Vigneri, Grazia Orsi, Romano Guelfi, Giovanna Daddi, Dario Marconcini – 68 min, OmU – IL
GINOCCHIO DI ARTEMIDE (DAS KNIE DER ARTEMIDE) – Italien 2007 – R+B: Jean-Marie Straub, nach
»La Belva« von Cesare Pavese – K: Renato Berta, JeanPaul Toraille – D: Dario Marconcini, Andrea Bacci – 26
min, OmU – LE STREGHE – FEMMES ENTRE ELLES
(DIE HEXEN – FRAUEN UNTER SICH) – Italien 2009 –
R+B: Jean-Marie Straub, nach Cesare Pavese – K: Re-
▶ Donnerstag, 21. Februar 2013, 19.00 Uhr
Jean-Marie Straub
▶ Mittwoch, 20. Februar 2013, 21.00 Uhr
nato Berta, Jean-Paul Toraille – D: Giovanna Daddi,
Giovanna Giuliani – 26 min, OmU – L’INCONSOLABILE (DER UNTRöSTLICHE) – Italien 2011 – R+B:
Jean-Marie Straub, nach Cesare Pavese – K: Renato
Berta, Christophe Clavert – D: Giovanna Daddi, Andrea
Bacci – 15 min, OmU – LA MADRE (DIE MUTTER) –
Schweiz 2012 – R+B: Jean-Marie Straub, nach Cesare
Pavese – K: Christophe Clavert – D: Giovanna Daddi,
Dario Marconcini – 20 min, OmU – Mit Pavese haben
die Straubs ihren Frieden gefunden, einen immer noch
aufrührerischen Frieden. Neun filmische Dialoge mit
Leuko, zum Schluss der allerneueste: LA MADRE. Meleagros hat getötet und wird nun selbst getötet, von der
eigenen Mutter. »Wer schafft es denn je, sich von den
Müttern zu lösen?« fragt ihn, der zum Schatten wurde,
der vieldeutige Hermes. »Die Mischungen, die Monstren erzeugen, sind im Kino nicht nur erlaubt, sie sind,
wenn man es recht bedenkt, sein Gesetz. Solche Zwitter zu produzieren hat vor ihm kaum eine Kunst geschafft. Vor allem seitdem die Leinwand redet, wimmelt es von Chimären und Kentauren und Werwölfen.
Sogar Götter wandeln zuweilen wieder unter den Menschen.« (Frieda Grafe)
69
LA MADRE
meinen, ein Asket ist einer, der hat kein Blut. Das war
die Frömmigkeit vom 17. Jahrhundert, die das umgekippt hat. Die schlimme Frömmigkeit. Bis zur Peitsche
auf sich selbst.« – EUROPA 2005 – 27 OCTOBRE –
Frankreich 2006 – R+B: Danièle Huillet & Jean-Marie
Straub – K: Jean-Claude Rousseau, Christophe Clavert
– 11 min, kein Dialog – JOACHIM GATTI – Frankreich
2009 – R+B: Jean-Marie Straub, nach Jean-Jacques
Rousseau – K: Renato Berta – 2 min, OmU
Filmemigration
LIEBELEI
Filmemigration aus Nazi-Deutschland
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Eines der vordringlichsten Ziele des Nationalsozialismus nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933
war es, die Massenmedien unter seine Kontrolle zu
bringen. Dazu gehörte vor allem auch der Film. Ein wesentlicher Schritt dazu erfolgte bereits am 10. März, als
es gelang, in der Geschäftsleitung der Filmbörse, der
zentralen Vermittlungsstelle für alle Filmschaffenden,
einen Parteigänger zu installieren. Parallel dazu kam es
zur Bildung Nationalsozialistischer Betriebsorganisationen (NSBO) in sämtlichen Berufssparten der Filmindustrie, die nicht nur die Basis, sondern auch die Filmbörse zu kontrollieren begannen. Am 17. März, nur
sechs Tage nach der formellen Gründung des Propagandaministeriums, wurde dann eine eigene Filmabteilung innerhalb des Ministeriums installiert.
Goebbels’ erster Auftritt vor der Filmwirtschaft am
28. März fiel verhalten aus. Er gab sich konziliant,
sprach von der »Freiheit der Kunst« und verzichtete auf
antisemitische Hetze. Konkret zur Sache äußerte sich
Goebbels im Anschluss an seine Rede bei einem Treffen mit Ludwig Klitzsch, dem Generaldirektor der Ufa.
Die Ufa war der mächtigste europäische Filmkonzern
und politisch ein nationales, dem rechten Spektrum zuzurechnendes Unternehmen. Klaus Kreimeier nennt sie
»präfaschistisch«. Hier war zu erwarten, dass die Politik
des »neuen Deutschland« auf fruchtbaren Boden fallen
würde. Und in der Tat reagierte die Ufa schnell. Bereits
am folgenden Tag kam der Aufsichtsrat der Ufa überein, die bestehenden Verträge mit jüdischen Mitarbeitern und Angestellten aus »Rücksicht« auf die »nationalen Umwälzungen« nach Möglichkeit aufzulösen:
»Jedes Vorstandsmitglied soll die Entscheidung darüber treffen, welche Mitarbeiter und Angestellten in
seinem Ressort sofort zu entlassen und welche im
Wege eines langsamen Abbaues aus den Diensten der
Ufa auszuscheiden sind. Fälle, die Härten aufweisen,
sollen schonend behandelt werden. Gehaltszahlungen
sind mit Herrn Klitzsch zu besprechen.« Regisseur Erik
Charell und der Erfolgsproduzent Erich Pommer wurden in der Niederschrift der Vorstandssitzung als erste
genannt. Sie standen in den Vorbereitungen eines
Großfilms über den Odysseus-Stoff, der gewisse Verwertungsrisiken beinhaltete. In diesem Fall kam die jüdische Abstammung Charells offenbar gerade recht,
gen erheben werde. Heymann war – wie auch Rosy
Barsony – nicht zu halten, er emigrierte über Frankreich in die USA.
Der Ungar Viktor Gertler, Produktionsassistent und Cutter, schildert in seiner Autobiografie den Hergang seiner Entlassung aus der Ufa: »Im März 1933 wurde ich
in den Konferenzsaal der Direktion zitiert. Als ich den
Saal betreten wollte, trat gerade Pommer aus der Tür.
Nervös und kreidebleich hetzte er an mir vorbei. Ich
ging hinein. An einem langen Tisch sitzend sah ich
meine bis dahin immer lächelnden Vorgesetzten: Corell,
Meydam, Grieving, Gau, von Theobald und noch zwei
weitere leitende Herren. Keiner von ihnen lächelte
mehr. Im Raum herrschte eisige Kälte. Man bat mich
Platz zu nehmen und – fragte mich nach meiner Religionszugehörigkeit. Später fand ich auf dem Schreibtisch
in meinem Büro einen Brief vor. Ich las ihn. Die Ufa
hatte mich für unbestimmte Zeit beurlaubt. […] Am
nächsten Morgen erreichte mich ein Einschreiben der
Ufa. Man teilte mir mit, ich sei mit sofortiger Wirkung
entlassen. Als ich in der Personalabteilung noch mein
Gehalt abheben wollte, erfuhr ich, daß für mich keinerlei Anweisung vorlag.«
Einen ersten Höhepunkt erreichte die antisemitische
Hetze am 1. April 1933 beim genannten »Boykott-Tag«.
Von Goebbels veranlasst, zogen SA-Horden durch die
Straßen und skandierten »Deutsche wehrt euch, kauft
nicht bei Juden« und »Deutschland erwache, Juda verrecke«. Die Aktion richtete sich gegen jüdische Geschäfte und Anwaltskanzleien ebenso wie gegen Professoren, Lehrer, Studenten, Schüler, Künstler und
nicht zuletzt auch gegen Filmschaffende. Ulrich Liebe
gibt sehr einfühlsam eine der Aktionen in den Babelsberger Studios wieder. Der Produktionsleiter des UfaFilms KIND, ICH FREU’ MICH AUF DEIN KOMMEN betrat
am Boykott-Tag das Atelier und verkündete lapidar:
»Wer hier nicht reinarischen Blutes ist, verlässt sofort
das Studio.« Der Regisseur Kurt Gerron erstarrt, »er
schaut sich noch einmal hilflos um, dann wendet er
sich ab und geht langsam mit schweren Schritten zum
Ausgang; sein Körper bebt, er weint.« Nach den Ausschreitungen des Boykott-Tages kam es zur ersten großen Emigrationswelle – zahlreiche jüdische Künstler
verließen Deutschland.
Mit der Novellierung der Filmkontingentverordnung
vom 28. Juli 1933 wurde die Entfernung der Juden aus
der deutschen Filmbranche auf eine »gesetzliche
Basis« gestellt. Um – wie es hieß – die »deutsche Filmherstellung aus den Händen der Juden« zu befreien,
konnten Filme nur mehr dann als deutsche anerkannt
werden, wenn »alle Mitwirkenden Deutsche« waren.
Filmemigration
um das Projekt zu Fall zu bringen. Einig war man sich
in der Vorstandssitzung darüber, dass beider Verträge
so rasch wie möglich aufgelöst werden sollten. Ein weiterer Prominenter war Regisseur Ludwig Berger. Seinen in Planung befindlichen Film wollte die Ufa allerdings noch verwirklicht sehen. Anfang Juni durfte Berger mit WALZERKRIEG beginnen, allerdings ohne den
Produzenten Pommer. Seine Position wurde der Herstellungsgruppe Günther Stapenhorst übertragen.
Rasch aufgelöst werden sollten beispielsweise auch die
Verträge der Ufa-Autoren Robert Liebmann, Hans Müller und Friedrich Zeckendorf sowie einiger jüdischer
Verwaltungsangestellter.
Der Ufa-Konzern beschäftigte eine große Zahl der
bedeutendsten Filmschaffenden und Filmkünstler sowie erfolgversprechender Nachwuchskräfte aus dem
deutschsprachigen Raum; andere waren durch Subunternehmer indirekt in ihrem Einflussbereich. Viele
dieser Filmschaffenden waren jüdischer Abstammung,
und es konnten nicht alle von einem Tag auf den anderen gekündigt, geschweige denn ersetzt werden. Der
Ausschluss von Juden aus der deutschen Produktion
war somit ein Prozess, dessen Geschwindigkeit von
verschiedenen Faktoren bestimmt war: von der Möglichkeit des Zugriffs, vom bereits eingesetzten Kapital,
vom Grad der Zustimmung der Partei zu jüdischen Filmschaffenden oder filmwirtschaftlichen Interesse an
bestimmten Persönlichkeiten und/oder jüdischen Produktionsfirmen. Der Opportunismus in der Ufa zeigte
sich besonders anschaulich bei der ungarischen
Schauspielerin und Tänzerin Rosy Barsony, deren
weiteres Engagement mit »Rücksicht auf die Knappheit
an jugendlichen Darstellern« durchgesetzt werden
sollte. Auch den Komponisten und Leiter des UfaOrchesters, Werner Richard Heymann, wollte die Geschäftsleitung unbedingt halten: »Mit Rücksicht auf
den anständigen Charakter von Werner R. Heymann
und auf die Tatsache, dass er als Frontsoldat den Krieg
mitgemacht hat, beschließt der Vorstand, sich bei der
Regierung für seinen Weiterverbleib einzusetzen.« Als
eine günstige Voraussetzung erachteten die Verantwortlichen, dass Heymann getauft war und der evangelischen Glaubensgemeinschaft angehörte. Heymann
war einer der bedeutendsten Komponisten im deutschen Film, der u. a. die Musik zu den Ufa-Welterfolgen
DIE DREI VON DER TANKSTELLE (1930, Regie: Wilhelm
Thiele) und DER KONGRESS TANZT (1931, Regie: Erik
Charell) komponiert hatte. Sein Assistent Gérard Jacobson wurde jedoch sofort entlassen, wenngleich betont
wurde, dass die Ufa gegen eine private Weiterbeschäftigung Jacobsons durch Heymann keine Einwendun-
71
Filmemigration
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Dabei wurde der Begriff des »Deutschen« nicht mehr
ausschließlich über die Staatsangehörigkeit, sondern
auch durch die »Stammeszugehörigkeit« definiert. Personen jüdischer Abstammung, nach nationalsozialistischer Terminologie »Nichtarier«, wurden damit – unabhängig von der deutschen Staatsbürgerschaft – wie
Ausländer eingestuft. Sie benötigten jetzt eine Arbeitserlaubnis. Diese konnten sie nur über einen speziellen
Antrag beim Reichsministerium für Volksaufklärung
und Propaganda erhalten, wobei aber von vornherein
festgeschrieben war, dass ein Antrag nur aus »kulturellen oder künstlerischen Erwägungen« gewährt wurde.
Etwa gleichzeitig wurde die Filmkammer ins Leben gerufen, die im November 1933 als eine von sechs Einzelkammern der Reichskulturkammer eingegliedert
wurde. Die Reichsfilmkammer fungierte als ein Schnittpunkt aller mit Filmagenden betrauten Organisationen,
an deren Spitze das von Goebbels geleitete Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda stand.
Die Kammer erfasste alle an einem Film Beteiligten:
von der Produktionsgesellschaft und dem Filmstab zur
Zensur bis zur Distribution und Aufführung. Ab der
zweiten Jahreshälfte 1933 lief ohne diese Zentralstelle
überhaupt nichts mehr.
Nur wenigen jüdischen Personen gelang über Ausnahmegenehmigungen die Weiterbeschäftigung im Reich.
So konnte etwa der Produzent Gregor Rabinowitsch
über seine Cine-Allianz Tonfilm GmbH noch bis Anfang
1935 produzieren und der beliebte Komiker Otto Wallburg bis 1934 in Filmen mitwirken. Seine letzten beiden Filme, INGE UND DIE MILLIONEN (1933, Regie:
Erich Engel) sowie KONJUNKTURRITTER (1934, Regie:
Fritz Kampers), präsentierten Wallburg jedoch als zwielichtigen Devisenschieber und kriminellen Spekulanten.
Wie hieß es doch in einem gut gemeinten Rat deutscherseits an die österreichischen Produzenten? »Juden können in einer Filmrolle dann beschäftigt werden,
wenn dieselbe der Mentalität der Rasse entspricht«. Im
Vergleich zu 1933 nahmen deutschsprachige Filme mit
jüdischer Beteiligung 1934 rapide ab. Über einen längeren Zeitraum – zum Teil bis Ende 1937 – arbeiteten
Marta Eggerth, Jan Kiepura und Reinhold Schünzel. Ab
1938 waren im Filmbereich keine Juden mehr beschäftigt.
Armin Loacker
Die Filmreihe zeigt die letzten oder vorletzten Filme von Regisseuren, die aus Deutschland emigrieren mussten. Sie verdeutlicht den künstlerischen Verlust des deutschen Films, der
durch Hitlers Machtergreifung vor 80 Jahren, am 30. Januar
1933, einsetzte. Die Schicksale der Emigranten schildert Günter Peter Straschek in seiner selten gezeigten Dokumentation
FILMEMIGRATION AUS NAZI-DEUTSCHLAND.
MÄDCHEN IN UNIFORM – Deutschland 1931 – R:
Leontine Sagan – B: Christa Winsloe, nach ihrem Stück
»Gestern und Heute« – K: Reimar Kuntze, Franz Weihmayr – M: Hansom Milde-Meißner – D: Hertha Thiele,
Dorothea Wieck, Gertrud de Lalsky, Emilie Unda, Marte
Hein, Hedwig Schlichter – 87 min – In einem strengen
Erziehungsheim für preußische Offizierstöchter
schwärmt eine Schülerin für eine verständnisvolle,
junge Erzieherin. Der erste deutsche Tonfilm, bei dem
eine Frau Regie führte. Regisseurin Leontine Sagan
emigrierte bereits 1932 nach England, wo sie noch
einen zweiten Spielfilm drehte, bevor sie 1939 nach
Südafrika ging, wo sie als Kind aufgewachsen war.
Dort widmete sie sich dem Theater. Hertha Thiele war
in Deutschland als Schauspielerin so populär, dass sie
trotz ihrer oppositionellen Haltung zu den Nationalsozialisten erst 1936 aus der Reichstheaterkammer und
Reichsfilmkammer ausgeschlossen wurde. Im Januar
1937 emigrierte sie in die Schweiz und siedelte 1966
in die DDR über, wo sie wieder als Schauspielerin in Filmen auftrat.
▶ Dienstag, 8. Januar 2013, 18.30 Uhr
MADAME HAT AUSGANG – Deutschland 1931 – R:
Wilhelm Thiele – B: Franz Schulz, Wilhelm Thiele – K:
Nicolas Farkas, Ferenc Farkas – M: Ralph Erwin – D:
Liane Haid, Hans Brausewetter, Ernst Dumcke, Hilde
Hildebrand, Paul Biensfeldt – 82 min – Elegante musikalische Komödie um eine betrogene Ehefrau, die nun
auch einen Seitensprung wagt. Der als Meister der
frühen Tonfilmoperette ausgesprochen erfolgreiche
Wilhelm Thiele wurde als jüdischer Filmschaffender
aus der Reichsfilmkammer ausgeschlossen, floh über
Österreich und Großbritannien in die USA und landete
1934 in Hollywood, wo er als William Thiele zahlreiche
B-Pictures drehte. Ende der 1950er Jahre kehrte er in
die Bundesrepublik zurück. Der ebenfalls profilierte
KUHLE WAMPE ODER WEM GEHöRT DIE WELT? –
Deutschland 1932 – R: Slatan Dudow – B: Bertolt
Brecht, Ernst Ottwald – K: Günther Krampf – M: Hanns
Eisler – D: Hertha Thiele, Ernst Busch, Martha Wolter,
Adolf Fischer, Lilli Schoenborn, Erwin Geschonneck –
71 min – Die Geschichte einer Berliner Arbeiterfamilie,
die in Elend und Armut lebt, aber in der Arbeiterbewegung eine Möglichkeit sieht, die Welt zu verändern.
KUHLE WAMPE ist der einzige kommunistische Spielfilm der Weimarer Republik und wurde erst nach starken Kürzungen von der Zensur freigegeben. Nach der
Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er sofort wieder verboten. Slatan Dudow emigrierte 1933
über Frankreich in die Schweiz. Hanns Eisler löste im
Februar 1933 seine Berliner Wohnung auf, Bertolt
Brecht verließ Deutschland einen Tag nach dem
Reichstagsbrand, Ernst Busch konnte sich am 9. März
der Verhaftung durch die Gestapo entziehen. Eisler,
▶ Freitag, 11. Januar 2013, 18.30 Uhr
DER TRÄUMENDE MUND – Deutschland 1932 – R+B:
Paul Czinner, nach dem Stück »Mélo« von Henry Bernstein – K: Jules Krueger – D: Elisabeth Bergner, Anton
Edthofer, Rudolf Forster, Margarete Hruby, Jaro Fürth –
93 min – Die Frau eines Orchestermusikers wird die
Geliebte des Jugendfreundes ihres Mannes und gerät
in einen Gewissenskonflikt. »Es ist der KammerspielFilm von heute, den die eigene Art der Bergner schuf.
Flukturierendes Zwischenspiel der Seelen, das die Kamera reflektiert, das Worte zum Tönen bringt. Wieder
bezwingen die große Verinnerlichung, der Zauber einer
sensiblen Darstellungskunst.« (Lotte H. Eisner) Paul
Czinner emigrierte 1933 zusammen mit Elisabeth Bergner nach England, wo beide heirateten und ihre Karrieren fortsetzen konnten. 1940 reisten sie in die USA,
Filmemigration
▶ Mittwoch, 9. Januar 2013, 18.30 Uhr
Brecht und Busch arbeiteten in verschiedenen Ländern
in Europa, Brecht und Eisler auch in den USA. Busch
verbrachte die letzten Kriegsjahre im Zuchthaus Brandenburg, nachdem er 1942 in Frankreich verhaftet und
der Gestapo ausgeliefert worden war. Alle vier Künstler konnten ihre Karrieren in der DDR erfolgreich fortsetzen.
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KUHLE WAMPE ODER WEM GEHÖRT DIE WELT?
Drehbuchautor Franz Schulz verließ 1933 Deutschland
und emigrierte über Prag und London in die USA. Dort
arbeitete er unter dem Namen Franz Spencer. Ende der
1950er Jahre kehrte er nach Europa zurück.
konnten aber in Hollywood ihre erfolgreiche Zusammenarbeit nicht fortsetzen und kehrten 1951 wieder
nach England zurück.
▶ Samstag, 12. Januar 2013, 18.30 Uhr
Filmemigration
DER BRAVE SÜNDER – Deutschland 1931 – R: Fritz
Kortner – B: Alfred Polgar, Fritz Kortner, nach dem
Stück »Die Defraudanten« von Alfred Polgar – K: Günther Krampf – M: Nicholas Brodszky – D: Max Pallenberg, Heinz Rühmann, Dolly Haas, Josefine Dora, Fritz
Grünbaum – 92 min – Unterhaltsame Burleske über
die Abenteuer und Verwirrungen eines pedantischen
Oberkassierers, der unfreiwillig zum Betrüger wird.
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Fritz Kortner emigrierte 1933 über London und New
York nach Hollywood. »Was ich beruflich in Hollywood
zu leisten Gelegenheit hatte, war so wenig bemerkenswert, dass ich darüber zu erzählen gerne versäume.«
(Kortner) 1947 kehrte er zurück und setzte in der Bundesrepublik seine Karriere als Schauspieler und Regisseur fort. Dolly Haas verließ Deutschland 1936, emigrierte zusammen mit ihrem jüdischen Mann Hans Brahm
über England in die USA, wo sie mit einer Ausnahme
keine Filme mehr drehte, sondern am Broadway reüssierte. Max Pallenberg floh 1933 nach Wien und
kam 1934 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Fritz
Grünbaum versuchte 1938, aus Österreich zu fliehen,
wurde verhaftet und 1941 im KZ Dachau ermordet.
▶ Dienstag, 15. Januar 2013, 18.30 Uhr
ICH UND DIE KAISERIN – Deutschland 1933 – R:
Friedrich Hollaender – B: Walter Reisch, Robert Liebmann – K: Friedl Behn-Grund – M: Friedrich Hollaender, Franz Wachsmann – D: Lilian Harvey, Conrad
Veidt, Mady Christians, Heinz Rühmann, Friedel Schuster, Hubert von Meyerinck – 89 min – Eine musikalische Komödie: Die Lieblingsfriseuse der Kaiserin verliert deren Strumpfband bei einer Parforcejagd im Wald
und löst Hofklatsch, Eifersüchteleien und politische Intrigen aus. ICH UND DIE KAISERIN war für viele Mitarbeiter der letzte Film in Deutschland, sie mussten alle
1933 emigrieren. Nach seiner einzigen Regiearbeit
knüpfte Friedrich Hollaender als Komponist in Hollywood an seine Erfolge bei der Ufa an, ebenso wie sein
Co-Komponist Franz Wachsmann, der sich in Amerika
Franz Waxman nannte, sein Drehbuchautor Walter
Reisch und die Schauspielerin Mady Christians. Robert
Liebmann blieb in Frankreich, wo sich seine Spuren
verlieren. Conrad Veidt arbeitete zunächst in Großbritannien und ab 1940 in Hollywood, wo er 1943 starb.
▶ Mittwoch, 16. Januar 2013, 18.30 Uhr
LIEBELEI – Deutschland 1933 – R: Max Ophüls – B:
Hans Wilhelm, Curt Alexander, Max Ophüls, nach dem
Stück von Arthur Schnitzler – K: Franz Planer – M:
Theo Mackeben – D: Magda Schneider, Luise Ullrich,
Paul Hörbiger, Wolfgang Liebeneiner, Gustaf Gründgens, Olga Tschechowa – 88 min – Die ungewöhnlich
dichte Verfilmung von Arthur Schnitzlers Drama über
Liebschaften im Wien der k.u.k.-Monarchie gilt als
einer der schönsten deutschen Filme. Max Ophüls
schrieb: »Über LIEBELEI lag ein Glücksstern. Glückssterne scheinen besonders hell am Poetenhimmel, und
ich glaube, Arthur Schnitzler ist ein großer Poet.« Die
meisten Mitwirkenden des Films mussten unmittelbar
nach der Premiere emigrieren. Max Ophüls drehte
Filme in Frankreich, Italien, Holland, England und ab
1940 in den USA. 1949 kehrte er nach Europa zurück
und arbeitete in Frankreich und der Bundesrepublik.
Auch Hans Wilhelm und Curt Alexander arbeiteten im
europäischen Exil bis 1940 an weiteren Filmen von
Max Ophüls mit, Hans Wilhelm gelangte erst 1945
nach Hollywood, hatte dort aber nur wenig Erfolg.
▶ Freitag, 18. Januar 2013, 18.30 Uhr
BRENNENDES GEHEIMNIS – Deutschland 1933 – R:
Robert Siodmak – B: Friedrich Kohner, nach dem
Roman von Stefan Zweig – K: Robert Baberske, Richard Angst – M: Allan Gray – D: Willi Forst, Hans Joachim Schaufuß, Hilde Wagener, Alfred Abel, Lucie Höflich – 87 min – Ein 13jähriger Junge entdeckt, dass
seine Mutter in eine Liebschaft mit einem Rennfahrer
vertrickt ist. »Es geht hier nicht um eine große Handlung: Geschehnisse n der Welt seelischen Erlebens gewinnen Form; wie sie im Optischen eingefangen werden, wie sie ein sparsamer, durchfeilter Dialog aufdeckt – darin liegt der Verdienst dieses Filmwerks.«
(Lotte H. Eisner) BRENNENDES GEHEIMNIS lief nach
seiner Uraufführung am 20. März 1933 nur wenige
Tage in den deutschen Kinos ohne Nennung der Namen der jüdischen Mitarbeiter. Robert Siodmak bekam
keine Arbeitserlaubnis mehr und emigrierte über Frankreich und England 1939 nach Hollywood, wo er seine
Karriere als Regisseur fortsetzte. 1951 kehrte er nach
Europa zurück und drehte in der Bundesrepublik einige
preisgekrönte Filmklassiker. Friedrich Kohner gelangte
über die Schweiz und England bereits 1936 nach Hollywood, wo er sich als Filmautor, Dramatiker und Buchautor einen Namen machte und Frederick Kohner
nannte.
▶ Samstag, 19. Januar 2013, 18.30 Uhr
DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE – Deutschland
1933 – R: Fritz Lang – B: Thea von Harbou, Fritz Lang
– K: Fritz Arno Wagner, Karl Vass – M: Hans Erdmann –
D: Rudolf Klein-Rogge, Oskar Beregi, Theodor Loos,
Otto Wernicke, Klaus Pohl, Gustav Diessl – 122 min –
Fritz Langs Kriminalfilm um den in einer Nervenklinik
einsitzenden Dr. Mabuse, der mit Mord- und Terrorplänen eine »Herrschaft des Verbrechens« errichten will,
konnte durchaus als kritische Anspielung auf die Nationalsozialisten und das System von Terror und Unterdrückung in einer zu erwartenden Diktatur gelesen werden. Dementsprechend wurde DAS TESTAMENT DES
DR. MABUSE im März 1933 von der Filmprüfstelle ver-
96 min, OmeU – Die in Venedig angesiedelte Geschichte um einen unscheinbaren italienischen Tenor,
der auf das Mädchen verzichtet, das seine Liebe nicht
erwidert, um eine große Sängerkarriere zu machen, ist
ein Starvehikel für den populären jüdischen Tenor Joseph Schmidt. Während EIN LIED GEHT UM DIE WELT
der große Kinoerfolg des Sommers 1933 war, musste
Richard Oswald, einer der erfolgreichsten Regisseure
und Produzenten der 1920er Jahre, emigrieren. Er
drehte zunächst in den Niederlanden, Großbritannien,
Österreich und Frankreich, bevor er ab 1938 in Hollywood seine Regiekarriere fortzusetzen versuchte. Auch
Joseph Schmidt floh aus Deutschland und tourte im
europäischen Ausland sowie in Palästina und in New
York. 1940 wurde er in Frankreich interniert, konnte im
September 1942 in die Schweiz flüchten, wo er zwei
Monate später in einem Internierungslager starb.
boten und zur Aufführung in Deutschland gar nicht erst
zugelassen. Daraufhin verließ Star-Regisseur Fritz Lang
nach einer Unterredung mit Joseph Goebbels im April
1933 Deutschland. Über Frankreich gelangte er 1935
nach Hollywood, wo er seine Regiekarriere fortsetzte.
▶ Freitag, 1. Februar 2013, 18.30 Uhr
EIN LIED GEHT UM DIE WELT – Deutschland 1933 –
R: Richard Oswald – B: Heinz Goldberg – K: Reimar
Kuntze – M: Hans May – D: Joseph Schmidt, Viktor de
Kowa, Charlotte Ander, Fritz Kampers, Carl de Vogt –
DER TUNNEL – Deutschland 1933 – R: Kurt Bernhardt
– B: Kurt Bernhardt, Reinhart Steinbicker, nach dem
Roman von Bernhard Kellermann – K: Carl Hoffmann –
M: Walter Gronostay – D: Paul Hartmann, Olly von Flint,
Gustaf Gründgens, Attila Hörbiger, Otto Wernicke, Max
Schreck – 81 min – Utopische Vision: Ein transatlantischer Tunnel soll Europa mit Amerika verbinden. Doch
das gigantische Unternehmen wird durch unerwartete
Schwierigkeiten und Intrigen gefährdet. Kurt Bernhardt
war schon aus Deutschland emigriert, als er noch einmal zurückkehrte, um für eine französische Firma in
München die deutsche Version von LE TUNNEL zu drehen. Während der Dreharbeiten wurde er wegen regimekritischer Äußerungen denunziert und konnte sich
der Verhaftung durch die Gestapo durch Flucht entziehen. Er gelangte über Frankreich und England 1940
nach Hollywood, wo er als Curtis Bernhardt für verschiedene Major Studios Spielfilme drehte.
▶ Freitag, 8. Februar 2013, 18.30 Uhr
Filmemigration
▶ Samstag, 2. Februar 2013, 18.30 Uhr
75
Filmemigration
FÄHRMANN MARIA – Deutschland 1936 – R: Frank
Wysbar – B: Hans-Jürgen Nierentz, Frank Wysbar – K:
Franz Weihmayr – M: Herbert Windt – D: Sybille
Schmitz, Ariberg Mog, Peter Voss, Carl de Vogt, Karl
Platen – 83 min – »Dank großer atmosphärischer Stimmigkeit, dramaturgischer Präzision und einer starken
lyrischen Note gehört dieser Legendenfilm zu den besten deutschen Arbeiten im Genre des phantastischen
Films. Hohen Anteil daran hat auch die unbedingte
Glaubwürdigkeit, welche die faszinierende Sybille
Schmitz den metaphysischen Zügen der Titelfigur zu
verleihen vermag.« (Thomas Kramer) Frank Wysbar,
der eine jüdische Ehefrau hatte, wurde 1938 mit einem
Arbeitsverbot belegt und emigrierte über Rotterdam in
die USA, wo er als Frank Wisbar B-Pictures und Fernsehfilme drehte. 1956 setzte er seine Karriere als Regisseur in der Bundesrepublik fort.
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Reisepass erhalten hatte. Nach Filmarbeiten in der
Schweiz und den Niederlanden ging er 1940 nach
Hollywood und machte als Douglas Sirk mit seinen
Melodramen Karriere.
▶ Samstag, 9. Februar 2013, 18.30 Uhr
▶ Samstag, 16. Februar 2013, 18.30 Uhr
LAND DER LIEBE – Deutschland 1937 – R: Reinhold
Schünzel – B: Reinhold Schünzel, Eva Leidmann, Curt
Goetz, nach dem Stück »Die Hofloge« von Karl Farkas –
K: Werner Bohne – M: Alois Melichar – D: Albert Matterstock, Gusti Huber, Valerie von Martens, Wilhelm
Bendow, Oskar Sima, Erik Ode – 91 min – Eine musikalische Komödie um einen heiratswilligen König und
eine Prinzessin, die sich in einen vermeintlichen Attentäter verliebt. Curt Goetz schrieb die Dialoge. Die »Anarcho-Farce« (Hans-Christoph Blumenberg) war für Joseph Goebbels »eine typische Judenmache. Ganz unausstehlich.« Reinhold Schünzel, der als populärer Komödien-Regisseur mit Sondergenehmigung im »Dritten
Reich« weiterarbeiten durfte, konnte im Mai 1937 über
Wien, Budapest und Karlsbad nach Hollywood flüchten.
Dort war er nicht mehr erfolgreich, zumal ihm der Ruf
als Kollaborateur des NS-Regimes vorauseilte und er
von früher geflohenen Emigranten boykottiert wurde.
FILMEMIGRATION AUS NAZI-DEUTSCHLAND – BRD
1975 – R+B: Günter Peter Straschek – K: Charly
Böhm, Carlos Bustamante, Werner Dittmer – Mit Fritz
Lang, John Brahm, Lotte H. Eisner, Anatole Litvak, Rudi
Fehr, Camilla Spira, Lucie Mannheim, Harold Nebenzal,
Jan Lustig, Heinrich Fraenkel, George Froeschel, Bronislau Kaper, Harry Sokal, Gerd Oswald, Paul Falkenberg, Fritz Kortner, Bertolt Brecht, Gottfried Reinhardt,
Dolly Haas, Frederick Kohner, Hans Feld – 290 min –
Es kommt eine Vielzahl bekannter und weniger bekannter Persönlichkeiten zu Wort, die durch die Bedrohung
des Naziregimes ins Exil getrieben wurden. Man erfährt, was es tatsächlich bedeutet hat, die Heimat zu
verlassen, von vorne zu beginnen, und in manchen Fällen nach dem Krieg wieder zurückzukehren. Dies
wurde nie genauer, unmittelbarer und im politischen
Zusammenhang gesehen und erzählt als in den Episoden dieser Dokumentation, an deren Erstellung Günter
Peter Straschek viele Jahre gearbeitet hat. Filmexilforschung als konkrete Zeugenschaft, als Gedenken,
als ebenso spannende wie aufklärerische Geschichtsanalyse. Fünf Teile: »Wer klug war, ging schnell raus«,
»Wir waren aufgescheucht und vogelfrei«, »Aus Europa
draußen und in einer gewissen Sicherheit«, »Unter Palmen und blauem Himmel« und »Man wusste ja nie,
wem man die Hand geben konnte«.
▶ Freitag, 15. Februar 2013, 18.30 Uhr
LA HABANERA – Deutschland 1937 – R: Detlef Sierck
– B: Gerhard Menzel – K: Franz Weihmayr – M: Lothar
Brühne – D: Zarah Leander, Ferdinand Marian, Karl
Martell, Julia Serda, Paul Bildt – 98 min – Eines der
großen Melodramen mit Zarah Leander. Als junge
Schwedin, die sich in der Karibik in den falschen Mann
verliebt und nur eine kurze Zeit des Glücks erlebt, etablierte sie ihren Status als exotischer Ufa-Star und Sängerin: »Der Wind hat mir ein Lied erzählt.« Detlef Sierck,
der mit einer jüdischen Frau verheiratet war, verließ
Deutschland unmittelbar nach der Fertigstellung des
Films, für dessen Dreharbeiten auf Teneriffa er einen
▶ Sonntag, 3. Februar 2013, 17.00 Uhr
Das Kino des Denis Villeneuve
Denis Villeneuve
zum anderen die Salzwüste durchquert hat. Schon dieser verstörende Debütfilm stellt unmissverständlich
klar, dass Villeneuves Filme für das Kino gemacht sind.
Villeneuve ist, wie Ingmar Bergman, ein großer Frauenregisseur, der ihren ausdrucksstarken Gesichtern und
ihren Gefühlswelten Raum lässt und sie außerdem häufig in direkte Beziehung zur Landschaft setzt. Es sind
Heldinnen, deren Niedergang wie in der klassischen
Tragödie beginnt, nachdem sie einen Fehler begangen
haben. Doch ihr Leiden, ihre Suche nach dem Sinn des
Lebens, stärken die Frauen, anstatt sie am Ende zu zerstören.
MAELSTRÖM (2000) ist in jeder Hinsicht ein Wasserfilm, der von Fischen bevölkert wird – und der sogar
von einem Fisch erzählt wird. Die schöne, verletzliche
Bibiana (Marie-Josée Croze) wirkt selbst wie ein Fisch,
der durch das Schicksal an Land gespült wird: Der
prestigeträchtige Job wird ihr gekündigt, zudem kommt
durch einen von ihr verursachten Unfall ein norwegischer Fischer zu Tode. Bibiana begeht Fahrerflucht.
Oberflächlich befreiend wirken die Dusche, der Regen,
die Wassertropfen auf ihrer Haut. Auch den Freitod
wählt Bibiana im Wasser. Aber sie entkommt, gekrümmt, zuckend und sucht über Umwege den Kontakt
zum Sohn des Fischers, einem Froschmann, der als
Rettungstaucher arbeitet. Dabei kontrastiert Villeneuve
die Mythen Norwegens, die Musik, das raue Wasser
des Atlantiks mit der mondänen Welt der Straßen und
Boutiquen Montreals, schafft irritierende Bilder, spielt
leichte französische Chansons zu einer Trauerszene,
offenbart einen skurrilen Humor, so wie die sprechenden Fische, die vom Leben erzählen wollen, aber stets
vorher getötet werden.
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Denis Villeneuve
Denis Villeneuves Welt besteht aus Paradoxien und
ständigen Überraschungen: ein Fisch, der spricht, ein
32. August, ein harmlos wirkender Frauenhasser, der
gnadenlos Studentinnen niedermäht, ein namenloses
Land, in dem die ungeheuerlichsten Dinge passieren.
Die Heldinnen seiner Filme, kluge, intuitiv agierende
Frauen, bleiben sich auf wundersame Weise selbst treu
und wachsen an ihrem Dilemma. Dazu kommt eine unkonventionelle Erzählweise, durchkomponierte Bilder
seines Kameramanns André Turpin, der immer wieder
mit seinem Gespür für Farbe und Gestaltung verblüfft.
Die Filme erhalten so eine existenzialistische Tiefe, wie
sie nur selten im Kino zu sehen ist. Der frankokanadische Autorenfilmer Denis Villeneuve (geb. 1967) war
lange Zeit eher in Cineastenkreisen ein Begriff. Erst
2009 brachte sein berührendes Drama INCENDIES –
DIE FRAU, DIE SINGT den internationalen Durchbruch.
Mit nur vier Spielfilmen ist Villeneuve ein langsamer Filmemacher, der sich viel Zeit für seine Projekte nimmt.
Die aber haben es in sich.
Würde man seinen vier Filmen die vier Elementen zuordnen, so wäre EIN 32. AUGUST AUF ERDEN (1998),
Villeneuves erster langer Spielfilm, eindeutig »Luft«: die
ätherische Protagonistin Simone (Pascale Bussière),
die keinen Boden unter den Füßen zu haben scheint,
bevor sie in einen schweren Autounfall verwickelt wird
und dem Tode nahekommt, die flirrende Hitze in der
Salzwüste von Utah, in der sie mit ihrem besten Freund
Philippe ein Kind zeugen will, die unausgesprochenen
Gefühle von Philippe, der seine Liebe für Simone erst
auf der Rückseite des US-Einreiseformulars gestehen
kann. Die langen Einstellungen muss man aushalten
können. Es dauert, bis ein Auto von einem Bildrand
Denis Villeneuve
Feuer: POLYTECHNIQUE (2009) basiert auf Aussagen
von Überlebenden eines Anschlags in der polytechnischen Hochschule 1989 in Montreal, als ein frauenhassender Student, der für seine Überzeugung förmlich
brennt, seine Kommilitoninnen erschießt. »Die Feministinnen haben mein Leben ruiniert«, sagt der Täter. Valérie (Karine Vanasse) steht als einzige Überlebende im
Mittelpunkt des Geschehens. Villeneuve drehte diesen
Film in Schwarzweiß und CinemaScope, erzählt nichtlinear, was zunächst irritiert und distanziert. Täter und
Opfer sprechen einen Off-Kommentar, die Dialoge sind
reduziert, die Musik ist suggestiv, die Kamera manchmal verkantet, sie gleitet registrierend durch die Gänge
der Schule. Das Blut, das den toten Körpern entströmt,
ist nicht rot, sondern schwarz wie Öl. Die Schüsse sind
im Originalton zu hören, während die restliche Umgebung im Ton ausgeblendet wird. Villeneuve schließt
stilistisch jede Sentimentalität aus und erreicht dadurch
nur noch mehr Tiefe und Betroffenheit. »Er ist tot. Ich
lebe. Er ist frei. Ich bin es nicht.«, konstatiert die
schwangere Valérie am Ende des Films.
In INCENDIES – DIE FRAU, DIE SINGT (2010) begibt
sich ein Geschwisterpaar auf die Suche nach seinen
Wurzeln. Das Familiengeheimnis liegt in einem namenlosen Land im Nahen Osten verborgen, doch nur die
Frau (die Schwester, die Tochter) will die Wahrheit herausfinden. Je mehr Hass ihr auf der Reise entgegenschlägt, desto geerdeter scheint sie zu werden – worin
sie ihrer kämpferischen Mutter ähnelt. In der verworrenen, politisch und religiös vergifteten Situation fällt es
der Tochter schwer, einen moralischen Standpunkt zu
beziehen. Es scheint, als ob sie ihre Kraft aus dem
Bösen um sie herum zieht und sich und die Welt nicht
verloren geben will. INCENDIES ist ein erdenschwerer
Film, der zwischen zwei Welten und zwei Generationen
POLYTECHNIQUE
78
spielt und der erste Film, für dessen Erzählung Villeneuve mehr als 90 Minuten benötigt.
Denis Villeneuve gelingt das seltene Kunststück, einer
chaotischen und komplexen Welt komische oder absurde Momente abzugewinnen und seine Filme distanziert, aber immer mit Mitgefühl und ohne Sentimentalität zu inszenieren. Starke Geschichten, visuell experimentierfreudig erzählt, getragen von Schauspielerinnen, die wahre Entdeckungen sind: Denis Villeneuve
zählt zu den inspirierendsten Autorenfilmern der Gegenwart.
Claudia Engelhardt
REW-FFWD – Kanada 1994 – R+B: Denis Villeneuve –
K: Pierre Landry, Martin Leclerc – 31 min, OmeU – Ein
junger Fotograf erlebt in Kingston, Jamaica, einen Kulturschock. – LE TECHNETIUM – Kanada 1996 – R+B:
Denis Villeneuve – K: André Turpin – M: Sylvain Bellemare – D: Carl Alacchi, David La Haye, Audrey Benoit,
Simone Chevalot, Stephan Cloutier – 17 min, OmeU –
Ein Filmregisseur auf Koffeintrip wird in der HightechFernsehsendung »Le Technétium« interviewt. –
120 SECONDS TO GET ELECTED – Kanada 2006 –
R+B+K: Denis Villeneuve – D: Alexis Martin – 2 min,
OF – Ein Politiker versucht, seine Wähler von sich zu
überzeugen – NEXT FLOOR – Kanada 2008 – R: Denis
Villeneuve – B: Jacques Davidts – K: Nicolas Bolduc –
M: Warren Slim Williams – D: Simone Chevalot, LucMartial Dagenais, Kenneth Fernandez, Mathieu Handfield, Ariel Ifergan – 11 min, OF – Während eines opulenten und luxuriösen Banketts kommt es unter zwölf
Gästen zu einem makaber ritualisierten Gemetzel. –
UN 32 AOUT SUR TERRE (EIN 32. AUGUST AUF
ERDEN) – Kanada 1998 – R+B: Denis Villeneuve – K:
André Turpin – M: Pierre Desrochers – D: Pascale
INCENDIES
▶ Donnerstag, 10. Januar 2013, 19.00 Uhr
MAELSTRöM – Kanada 2000 – R+B: Denis Villeneuve
– K: André Turpin – M: Pierre Desrochers – D: MarieJosée Croze, Jean-Nicolas Verreault, Stephanie Morgenstern, Pierre Lebeau, Bobby Beshro – 88 min, OmU
– Das Leben der an Luxus gewöhnten Bibiane kann
über eine große emotionale Leere nicht hinwegtäuschen. Als sie ungewollt schwanger wird und auch ihre
berufliche Existenz gefährdet ist, verliert sie jeden Halt,
verschuldet einen tödlichen Verkehrsunfall und wird
von der Erinnerung daran immer wieder eingeholt. Bibianes Geschichte wird nicht linear erzählt, sondern
von einem Fisch, der sein Ende auf dem Hackklotz erwartet. Als ihn dies ereilt, nimmt ein anderer Fisch die
Erzählung auf, beginnt aber an anderer Stelle und aus
einer anderen Perspektive.
▶ Freitag, 11. Januar 2013, 21.00 Uhr
POLYTECHNIQUE – Kanada 2009 – R: Denis Villeneuve – B: Jacques Davidts, Eric Leca, Denis Ville-
neuve – K: Pierre Gill – M: Benoît Charest – D: Maxim
Gaudette, Sébastien Huberdeau, Karine Vanasse, Martin Vatier, Evelyne Brochu – 77 min, engl. OF – Am
6. Dezember 1989 tötete ein Amokläufer insgesamt
14 Frauen an der Ecole Polytechnique in Montreal.
Denis Villeneuve reflektiert die Tragödie aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Studenten Jean-François
und Valérie. Die wahre Begebenheit wird durch das
Schwarzweiß, die wechselnden Perspektiven und den
Off-Kommentar verfremdet und wirkt so beklemmender und realistischer als jeder linear erzählte Augenzeugenbericht.
▶ Samstag, 12. Januar 2013, 21.00 Uhr
INCENDIES (DIE FRAU, DIE SINGT) – Kanada 2010 –
R+B: Denis Villeneuve, nach dem Bühnenstrück von
Wajdi Mouabad – K: André Turpin – M: Grégoire Hetzel
– D: Lubna Azabal, Mélissa Désormeaux-Poulin, Maxim
Gaudette, Rémy Girard, Abdelghafour Elaaziz –
131 min, OmU – Die Geschichte zweier Frauen, deren
Wege sich über den Tod hinaus verschränken. »Man
muss schon sehr an die Menschen glauben, um zu begreifen, wie die nicht endende Kette von Gewalttätigkeit plötzlich dann doch reißt. Nicht durch Verstehen,
nicht durch Bekenntnis, sondern durch Verzeihen. Ob
wir das glauben? Vielleicht nicht. Aber Villeneuve
glaubt es, und das reicht, um uns zu bewegen – und
wenigstens die Möglichkeit in Betracht zu ziehen.«
(Verena Lueken)
▶ Sonntag, 13. Januar 2013, 21.00 Uhr
Denis Villeneuve
Bussières, Alexis Martin, Richard S. Hamilton, Serge
Thériault, Emmanuel Bilodeau – 88 min, OmU – »Denis
Villeneuves Spielfilmdebüt ist zugleich existentialistische Komödie und surreales Road Movie. Als Paar, das
sich die wechselseitige Zuneigung nicht eingestehen
will, drohen Simone und Philippe in einer Welt mit kosmischen Flughafenhotels, plötzlichen Leichenfunden –
und einem scheinbar nicht enden wollenden August –
verloren zu gehen.« (David Kleingers)
79
Henri-Georges Clouzot
Henri-Georges Clouzot und Romy Schneider bei den Dreharbeiten zu L’ENFER
Kino der Angst: Henri-Georges Clouzot
80
Menschen in der Zerreißprobe – physisch, moralisch,
charakterlich. Sie müssen höllisch schwitzen, angstvoll
zittern, innerlich und äußerlich zerbrechen, das heißt
sich offenbaren: in ihren hochfahrenden Ambitionen
und dem Scheitern, in ihren niederen Beweggründen,
den Obsessionen, auch in ihrer unantastbaren Schönheit. Sie müssen labyrinthische Räume durchirren, zumeist Anstaltsräume (Kliniken, Internate, Theater), oder
Wüsten durchqueren – lebensbedrohliche Sphären. Sie
führen, innerlich und äußerlich, explosives Material mit
sich, transportieren zum Beispiel Nitroglyzerin auf zwei
Lastwagen. Die nette Bombe in der Aktentasche genügt Clouzot nicht, er braucht die Steigerung ins Exzessive und Exzentrische. Wenn die Sonne scheint, dann
brennt sie herab und brütet Angstschweiß aus; wenn
es regnet – und es regnet oft in Clouzot-Filmen – dann
gleich in Strömen, sodass schon mal die Kleidung an
der Haut klebt. Kaum ein anderer hat das Kino der
Angst derart scharf und exzessiv ausgeprägt wie HenriGeorges Clouzot (1907–1977).
Existentialismus in Form des Thrillers. Dem Zeitgeist
immer eine Nasenlänge voraus. Hitchcock wies seine
Drehbuchautoren an, Clouzots Filme in ihrem Spannungsraffinement genau zu studieren, vor allem die
beiden, die zu phänomenalen Publikumserfolgen wur-
den: LE SALAIRE DE LA PEUR (1953) und LES DIABOLIQUES (1955). Schon die erste Einstellung seines ersten Spielfilms, L’ASSASSIN HABITE AU 21 (1942),
nimmt den Zuschauer direkt hinein in den Thrill: Aus
der Perspektive des Mörders erlebt man die nächtliche,
bedrohliche Schatten werfende Verfolgungsjagd des
Opfers. Clouzots Bilder, geformt mit detailversessener
Präzision, prägen sich der Netzhaut wie dem Unterbewusstsein tief ein: der gespenstische Leichnam in der
Badewanne (Paul Meurisse in LES DIABOLIQUES), der
wie ein Zombie aus dem Schlamm auftauchende LkwFahrer (Charles Vanel in LE SALAIRE DE LA PEUR). Kino
der radikalen Desillusionierung. Gut und Böse werden
niemals hübsch sortiert. Dem Zynismus der Machthaber entspricht die Skrupellosigkeit der Habenichtse.
So entsteht ein eigenwilliges, spektakulär imaginiertes
Universum. André Bazin, Frankreichs Starkritiker der
1950er Jahre, über Clouzot: »Von all den französischen
Filmemachern, die seit 1940 hervorgetreten sind, ist
Clouzot zweifellos derjenige, dem das Kinematographische – man verzeihe mir den Ausdruck – am tiefsten in
den Eingeweiden sitzt. Andere können, was die filmische Schöpfung angeht, mehr Intelligenz besitzen, wie
René Clément, oder über ein eindringlicheres und anspruchsvolleres Stilempfinden verfügen, wie Robert
Die relative Schmalheit von Clouzots Œuvre, 16 Langfilme in 38 Arbeitsjahren, ist vor allem seiner fragilen
Gesundheit geschuldet, die ihn mehrmals zu Kuraufenthalten und dem Abbruch von Filmprojekten zwang.
Clouzot begann als Drehbuchschreiber und Assistent,
pendelte in den 1930er Jahren zwischen Paris und Berlin, wo er die Herstellung französischer Spielfilmfassungen betreute. Wie Hitchcock faszinierte ihn das deutsche expressionistische Kino, er assistierte bei Dupont
und Litvak, kaprizierte sich bei seinen ersten eigenen
Regiearbeiten auf raffiniert gedrechselte whodunits.
Sein zweiter Spielfilm, LE CORBEAU, gilt bis heute als
»umstritten«, weil er 1942 für die von den deutschen
Besatzern installierte Filmfirma Continental produziert
wurde. Diesem Film gelang das Kunststück, zwischen
alle politischen Fronten zu geraten, er wurde nach
1945 als »unfranzösisch« klassifiziert, verboten, und
bescherte Clouzot sogar ein lebenslanges Arbeitsverbot, das erst dann auf zwei Jahre reduziert wurde, als
sich französische Intellektuelle und Filmemacher für
ihn einsetzten: Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir,
René Clair, Marcel Carné, Jacques Becker.
Jahrzehnte später verfasste François Truffaut eine erstaunliche Eloge auf das umstrittene Werk: »1943 gab
es dann LE CORBEAU von Clouzot, der mich noch mehr
begeisterte als Carnés LE VISITEURS DU SOIR. Ich
muss ihn von seinem Start im Mai 1943 bis zur Befreiung, als er verboten wurde, etwa sechs oder sieben
Mal gesehen haben. Als er dann wieder freigegeben
wurde, habe ich ihn jedes Jahr mehrmals wiedergesehen, bis ich den Dialog auswendig konnte – es war ein
sehr erwachsener Dialog, verglichen mit dem anderer
Filme, voller bedeutungsschwerer Sätze, deren Sinn
sich mir erst nach und nach erschloss. Die Handlung
des Films drehte sich ausschließlich um eine Epidemie
von anonymen Briefen, in denen Abtreibungen, Ehebrüche und alle möglichen anderen Verfehlungen denunziert wurden – so lieferte der Film eine ziemlich genaue
Illustration dessen, was ich in diesen Kriegs- und Nachkriegsjahren um mich herum sah, als Kollaboration, Denunziation und Zynismus, ›Organisieren‹ und Schwarzmarkt den Ton angaben«.
Einige Filme Clouzots erwiesen sich zu ihrer Zeit als
Flops, zeigen auch Schwächen in der Konstruktion,
offenbaren aber einen thematischen und artikulatorischen Reichtum, den die standardisierte Clouzot-Sicht
der Filmgeschichtslexika meist unterschlägt. Da ist
seine einzige Komödie, MIQUETTE ET SA MERE (1950):
ungemein temporeich und mit den scharfzüngigsten
Dialogen; oder LES ESPIONS, wo ein kleines Sanatorium zum Schauplatz eines kafkaesken Spionagekarus-
Henri-Georges Clouzot
Bresson – Clouzot aber schreibt sich in die Linie der
großen Filmemacher ein, die aus ihrem Temperament
schöpfen. Er gehört also zu jenen Regisseuren, die
einen direkten, beinahe physischen Sinn für die Wirksamkeit des kinematographischen Bildes haben – und
dazu den gleichsam aus dem Bauch hervorgehenden
Willen, auf der Leinwand ein autonomes, originelles
Universum zu erschaffen.« Andere Kritiker begegneten
Clouzots Mischung aus exzessivem Genrekino und rabiater Existenzphilosophie mit tiefem Misstrauen, nannten ihn einen »Manipulateur und misogynen Nihilisten«
(Gunter Groll). Ist sein Universum wirklich abgrundtief
nihilistisch? Ist sein Blick auf die condition humaine geradezu verächtlich?
Gewiss tummeln sich in seiner Welt zahllose korrupte
und opportunistische Charaktere, Menschen, die rücksichtslos auf ihren Vorteil bedacht sind und dafür alles
verraten: Freunde, Geliebte, Ideale. Aber dieser Pessimismus ist nur die halbe Wahrheit. Das Quartett der
Lkw-Fahrer in LE SALAIRE DE LA PEUR enthält zwei
durchweg sympathische Figuren: den Italiener, dessen
naive Einfalt niemals ins Lächerliche gezogen wird, und
den Deutschen, der gekonnt die Zündschnur mit dem
Fingernagel aufdröselt und genau darauf achtet, dass
er nur sich selbst in Gefahr bringt. Die Tugenden des
naiven Kumpels und des verlässlichen Profis sind in
Clouzots Männer-Universum höchste, unantastbare
Werte. Selbst die beiden Franzosen, verkörpert von
Charles Vanel und Yves Montand: der MöchtegernDandy und der feige Maulheld, werden durch die Hölle
der Demaskierung gejagt, um am Ende doch unsere
Sympathie zu gewinnen.
Clouzots Filme haben oft Eingangssequenzen, in denen
charakterliche Zwielichtigkeit mit einer atemberaubenden Direktheit ausgestellt wird. Fast schockierend wirkt
das für uns Heutige, die wir an Gutmensch- oder Betroffenheitsdramaturgien gewöhnt sind. Bisweilen erinnert es an den Röntgenblick, mit dem Stendhal seine
Emporkömmlinge, Ehebrecher und Machtsadisten
schilderte. Nach dem Intro dann der Parcours der Zerreißproben, der Demaskierungen, und schließlich diese
merkwürdige Dialektik, die – nicht immer, aber oft –
den seelisch Entblößten Anteilnahme und Sympathie
zuwachsen lässt. Es gibt auch immer wieder die eine –
wie eingeschmuggelt erscheinende – Frauenfigur, die
einfach nur schön und geheimnisvoll ist. Sie bleibt von
Demaskierungsstrategien verschont. Träumerische
Frauen (die Kellnerin in LE SALAIRE DE LA PEUR, die
blonde Fotografin in QUAI DES ORFEVRES, 1947, die
verrückte Patientin in LES ESPIONS, 1957), die gern in
Zigarettenrauch eingehüllt werden.
81
Henri-Georges Clouzot
LE MYSTERE PICASSO
sells wird; LA VERITE (1960) versucht den Zeitgeist der
frühen 1960er Jahre zu erhaschen und schickt Brigitte
Bardot ins Milieu der Pariser Bohème; bei LA PRISONNIERE (1968) wendet Clouzot seine Obsessionen (Fetischismus, Sadomasochismus) bisweilen ins Banale,
doch auch hier gelingen ihm faszinierende Passagen,
wenn er die Wahrnehmungsweise der Op-Art filmisch
zu erforschen versucht.
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L’ASSASSIN HABITE AU 21 (DER MöRDER WOHNT
IN NR. 21) – Frankreich 1942 – R: Henri-Georges
Clouzot – B: Henri-Georges Clouzot, Stanislas-André
Steeman, nach dem Roman von Stanislas-André Steeman – K: Armand Thirard – M: Maurice Yvain – D:
Pierre Fresnay, Suzy Delair, Jean Tissier, Pierre Larquey, Noël Roquevert, Louis Florencie – 84 min, OmeU
– Der Mörder hinterlässt seine Visitenkarte an den Tatorten. Sein Markenzeichen. Die Spur führt in eine Pension, in der eine Galerie bizarrer, exzentrischer Figuren
logiert. Dort sortiert Pierre Fresnay als gewitzter Kommissar die Verdächtigen. Clouzots Regiedebüt, das die
klassische Whodunit-Erzählform souverän variiert und
ihr seinen unverwechselbaren persönlichen Stempel
aufprägt: scharfer Blick für das realistische Detail, satirische Figurenzeichnung, raffinierte Konstruktion von
Krimispannung.
▶ Freitag, 18. Januar 2013, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,
22. Januar 2013, 18.30 Uhr
Clouzot der Pionier: nicht nur bei seinen Suspense-Exzessen, sogar im Genre der Künstler-Dokumentation.
In LE MYSTERE PICASSO (1956) holt er den exemplarischen Künstler des 20. Jahrhunderts ins Studio, setzt
ihn vor eine durchscheinende Leinwand und protokolliert – auch das ein Suspense-Szenario – den schöpferischen Prozess.
Es gibt Filmemacher, die jede Geste, jedes Bilddetail
perfektionistisch formen wollen und den Zufall als Katastrophe betrachten: Fritz Lang, Michelangelo Antonioni,
Clouzot. Den Gegensatz dazu markieren Regisseure
wie Roberto Rossellini oder Jean Renoir, die improvisatorisch arbeiten und den Zufall als Geschenk in die
Szene integrieren. Ein Gegensatz, der sich motivisch
fortsetzt. Für Renoir ist die Umarmung das zentrale
Motiv, für Clouzot das Ausgeschlossensein. Kein Zufall,
dass bei ihm die Eifersucht zum größten Gefühlsdrama
wird. Eifersucht: die Tragödie des ausgeschlossenen
Dritten, der darunter leidet, dass sich die Wirklichkeit
(die Frau) seinem Zugriff immerfort entziehen mag.
Schon bei QUAI DES ORFEVRES drehte sich alles um
Eifersucht, bei L’ENFER (1964) wollte Clouzot das
Thema mit Romy Schneider ganz groß auffächern. Er
erkrankte, das Projekt entglitt seiner Kontrolle und
musste abgebrochen werden. So erzählt auch sein
Œuvre von dem, was seine Filme meisterlich in Szene
setzen: das Drama der scheiternden Ambition, und die
Hoffnung, dass selbst das Scheitern noch als ein Gelingen gelesen werden kann.
Rainer Gansera
LE CORBEAU (DER RABE) – Frankreich 1943 – R:
Henri-Georges Clouzot – B: Louis Chavance, Henri-Georges Clouzot – K: Nicolas Hayer – M: Tony Aubin – D:
Pierre Fresnay, Ginette Leclerc, Héléna Manson, Pierre
Larquey, Noël Roquevert, Micheline Francey – 92 min,
OmeU – Clouzots legendär »umstrittener« Film, der
nach dem Krieg als »antifranzösische Propaganda« eingestuft wurde und beinahe seine Karriere ruiniert hätte.
Heute hat sich weitgehend die Sicht durchgesetzt, dass
der Film die Atmosphäre der Kollaboration und Denunziation im Frankreich der Vichy-Ära »ziemlich genau illustriert« (Truffaut). In einem Provinzstädtchen tauchen
anonyme Briefe auf, die vorgeben, dunkle Geheimnisse
der Einwohner (Ehebruch, Abtreibung, Korruption) zu
enthüllen und eine giftige Atmosphäre vom Misstrauen
und Hass erzeugen. Pierre Fresnay spielt einen ehebrecherischen Arzt, der sich auf die detektivische Suche
nach dem hinterhältigen Briefeschreiben begibt.
▶ Samstag, 19. Januar 2013, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch,
23. Januar 2013, 18.30 Uhr
QUAI DES ORFEVRES (UNTER FALSCHEM VERDACHT) – Frankreich 1947 – R: Henri-Georges Clouzot – B: Henri-Georges Clouzot, Jean Ferry, nach dem
Roman »Légitime Défense« von Stanislas-André Steeman – K: Armand Thirard – M: Francis López – D:
Louis Jouvet, Simone Renant, Bernard Blier, Suzy Delair, Pierre Larquey, Claudine Dupuis – 106 min, OmU
– »Du bist nur neidisch auf die Reichen, weil du nicht
weißt, wie man Geld macht!« Die karrieresüchtige
Chansonsängerin Jenny L’Amour (Suzy Delair, Clouzots
▶ Sonntag, 20. Januar 2013, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,
29. Januar 2013, 18.30 Uhr
LE RETOUR DE JEAN (RÜCKKEHR INS LEBEN) –
Frankreich 1949 – R: Henri-Georges Clouzot – B:
Henri-Georges Clouzot, Jean Ferry – K: Louis Page –
M: Paul Misraki – D: Louis Jouvet, Monette Dinay,
Jeanne Pérez, Noël Roquevert, Maurice Schutz –
28 min, OmeU – Der Überlebende eines Konzentrationslagers findet einen verwundeten Nazi-Verbrecher
in seinem Hotel und will alles über dessen Beweggründe herausfinden. – MANON – Frankreich 1949 –
R: Henri-Georges Clouzot – B: Henri-Georges Clouzot,
Jean Ferry, nach dem Roman »L’Histoire du Chevalier
des Grieux et de Manon Lescaut« von Abbé Prévost –
K: Armand Thirard – M: Paul Misraki – D: Cécile Aubry,
Serge Reggiani, Michel Auclair, Raymond Souplex, Héléna Manson – 100 min, OmeU – Juni 1944 in der Normandie: Der Résistance-Kämpfer Robert verfällt der
Lebedame Manon, der enge Beziehungen zu den Nazis
nachgesagt werden. Als sich die Lynchstimmung
gegen Manon verdichtet, fliehen die Liebenden. Clouzot zeichnet ein düsteres, gewalttätiges Bild vom Frankreich der Nachkriegszeit mit seiner Schattenwirtschaft
und der Verdrängung jeder Schuld.
▶ Freitag, 1. Februar 2013, 21.00 Uhr
MIQUETTE ET SA MERE (MIQUETTE UND IHRE MUTTER) – Frankreich 1950 – R: Henri-Georges Clouzot –
B: Henri-Georges Clouzot, Jean Ferry, nach dem Theaterstück von Gaston Armand de Caillavet und Robert de
Flers – K: Armand Thirard – M: Albert Lasry – D: Louis
Jouvet, Danièle Delorme, Mireille Perrey, Bourvil, Saturnin Fabre, Pauline Carton – 95 min, OmeU – Clouzots
einzige Komödie, auch sein einziger Film, der nicht in
der Gegenwart spielt. Angesiedelt in der belle époque
entrollt sich eine vorsätzlich überdrehte, theatralisch
aufgequirlte romantische Komödie, in der eine junge
Provinzlerin unbedingt zur Bühnendiva werden will. Gelegenheit für Bourvil und Jouvet, mächtig auf die komödiantische Pauke zu hauen. »Ein Unterhaltungsstück,
das vom Rest von Clouzots Werk aber weniger weit entfernt ist, als man ihm gern nachsagt. Es sind die sati-
rischen Elemente und manche Charaktere, die mit
andern Clouzot-Figuren durchaus verwandt sind.« (Jacques Chevalier)
▶ Freitag, 8. Februar 2013, 21.00 Uhr
LE SALAIRE DE LA PEUR (LOHN DER ANGST) –
Frankreich 1953 – R+B: Henri-Georges Clouzot, nach
dem Roman von Georges Arnaud – K: Armand Thirard
– M: Georges Auric – D: Yves Montand, Charles Vanel,
Folco Lulli, Peter van Eyck, Véra Clouzot, Jo Dest –
148 min, OmeU – »Es gibt andere Möglichkeiten zu beweisen, dass man ein ganzer Mann ist«, so heißt es im
Film spöttisch und selbstironisch. Doch für die vier in
einem gottverlassenen Kaff »irgendwo in Südamerika«
gestrandeten Männer gibt es nur diese Möglichkeit:
zwei Lkw, beladen mit hochexplosivem Nitroglyzerin,
durch unwegsames Gelände – teils Dschungel, teils
wüstenhafte Steppe – unter haarsträubenden Bedingungen im Auftrag eines Ölkonzerns zu chauffieren. Ein
höllischer Sisyphus-Trip, der den beiden Franzosen –
zwei eitle, feige Angeber – die Möglichkeit bietet, doch
noch einen Kern von Anstand und Selbstachtung zu
offenbaren. Clouzots größer Publikumserfolg.
▶ Mittwoch, 30. Januar 2013, 18.30 Uhr ▶▶ Samstag,
2. Februar 2013, 21.00 Uhr
LES DIABOLIQUES (DIE TEUFLISCHEN) – Frankreich
1955 – R: Henri-Georges Clouzot – B: Henri-Georges
Clouzot, Jérôme Géronimi, René Masson, Frédéric
Grendel, nach dem Roman »Celle qui n’était plus« von
Pierre Boileau, Thomas Narcejac – K: Armand Thirard –
M: Georges Van Parys – D: Simone Signoret, Véra
Clouzot, Paul Meurisse, Charles Vanel, Michel Serrault,
Noël Roquevert – 114 min, OmeU – Clouzots zweiter
phänomenaler Kassenerfolg. Der Suspense-Klassiker,
den Kritiker zum Anlass nahmen, Clouzot wegen seiner
vermeintlich grausamen Manipulation sowohl der Figu-
Henri-Georges Clouzot
erste Ehefrau) beschimpft ihren biederen Ehemann,
einen erfolglosen Pianisten. Sie will sich einem reichen,
alten Impresario an den Hals werfen und treibt den Gatten in ein Delirium der Eifersucht. Als der Impresario ermordet aufgefunden wird, springt die Szenerie von der
Music-Hall-Welt in die nüchternen Räume einer Polizeiwache, wo der altgediente Kommissar die Ermittlungen
aufnimmt.
83
LES DIABOLIQUES
Henri-Georges Clouzot
ren wie des Zuschauers anzuklagen. Der Vorwurf übersieht, dass bei Clouzot die Thriller-Regeln neu definiert
werden. Was an der Oberfläche so aussieht, als würde
der Zuschauer in einen gemeinen Hinterhalt gelockt, ist
im Kern die große Qualität der Erzählung, die einer
bezwingenden Alptraum-Logik folgt. Paul Meurisse als
sadistischer Internatsleiter, der nicht nur seine herzkranke Ehefrau demütigt, sondern auch seine Geliebte.
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▶ Dienstag, 5. Februar 2013, 18.30 Uhr ▶▶ Samstag,
9. Februar 2013, 21.00 Uhr
LE MYSTERE PICASSO (PICASSO) – Frankreich 1956
– R+B: Henri-Georges Clouzot – K: Claude Renoir – M:
Georges Auric – Mit Pablo Picasso, Henri-Georges
Clouzot, Claude Renoir – 78 min, OmU – Der Künstler
bei der Arbeit. Clouzot überredet seinen Freund Pablo
Picasso zu einem einzigartigen Experiment. Er lädt ihn
ein, auf eine transparente Leinwand zu malen, sodass
die Kamera die Bildgenese unmittelbar registrieren
kann. So entsteht eine »filmische Symbiose mit dem
Ereignis der Malerei« (André Bazin). Picassos Zauberhand entwirft, verwirft, konturiert neu, malt aus, übermalt, und seine Imagination durchquert in immer
neuen Annäherungen die typischen Picasso-Motive:
Minotaurus, Maler und Modell, der Clown auf der
Bühne, Badende. »Schöpferische Tätigkeit bedeutet
die totale Hingabe seiner selbst.« (Clouzot)
▶ Mittwoch, 6. Februar 2013, 18.30 Uhr ▶▶ Sonntag,
10. Februar 2013, 21.00 Uhr
LES ESPIONS (SPIONE AM WERK) – 1957 – R: HenriGeorges Clouzot – B: Henri-Georges Clouzot, Jérôme
Géronimi, nach dem Roman von »Le vertige de minuit«
von Egon Hostovsky – K: Christian Matras – M: Georges Auric – D: Curd Jürgens, Peter Ustinov, O.E. Hasse,
Véra Clouzot, Martita Hunt, Sam Jaffe – 125 min, OmU
– Kafkaesker Spionage-Thriller als bitterer, schwarzhumoriger Kommentar zum Stand der Dinge in Zeiten
des Kalten Krieges. Paranoia-Studie und absurdes
Theater. Schauplatz ist ein heruntergekommenes Sanatorium, dessen tölpelhafter Chefarzt ein kurioses Karussell von Intrigen und Verschwörungen in Gang setzt, als
er sich bereit erklärt, einem flüchtigen Atomwissenschaftler Unterschlupf zu gewähren. Die Besetzung mit
internationalen Stars brachte nicht den gewünschten
Appeal. Clouzots größter Flop an der Kinokasse.
▶ Dienstag, 12. Februar 2013, 18.30 Uhr ▶▶Freitag,
15. Februar 2013, 21.00 Uhr
LA TERREUR DES BATIGNOLLES (ANGST IN BATIGNOLLES) – Frankreich 1931 – R: Henri-Georges
Clouzot – B: Jacques de Baroncelli – D: Louis-Jacques
Boucot, Germaine Aussey, Jean Wall – 15 min, OmeU
– Eine expressionistische Komödie, die in der Pariser
Bohème angesiedelt ist. – L’ENFER D’HENRI-GEORGES CLOUZOT (DIE HöLLE VON HENRI-GEORGES
CLOUZOT) – Frankreich 2009 – R: Serge Bromberg,
Ruxandra Medrea – B: Serge Bromberg – K: Irina Lubtchansky, Jérôme Krumenacker – M: Bruno Alexieu –
102 min, OmeU – 1964 wagte sich Clouzot an ein großes, ambitioniertes, mit visionären Bildersequenzen
▶ Donnerstag, 31. Januar 2013, 19.00 Uhr (Zu Gast:
Serge Bromberg) ▶▶ Mittwoch, 19. Februar 2013,
18.30 Uhr
LA PRISONNIERE (SEINE GEFANGENE) – Frankreich
1968 – R+B: Henri-Georges Clouzot – K: Andréas Winding – D: Laurent Terzieff, Elisabeth Wiener, Bernard
Fresson, Dany Carrel, Michel Etcheverry, Claude Piéplu,
Noëlle Adam – 106 min, OmU – Das sado-masochistische Verhängnis der Liebe, Clouzots große Obsession,
in einer neuen, verstörenden Variante, die sich im Pariser Kunstambiente der späten 1960er Jahre abspielt,
in einer Atmosphäre vermeintlicher Permissivität. Ein
Dandy-Galerist frönt bizarren fetischistischen Leidenschaften und versucht, eine junge Frau in seine Welt zu
locken. Könnte die Konstellation von Beherrschung und
Unterwerfung nicht auch ein Spiel sein, ein lustvolles
gar? Clouzot wirft die Frage auf und belässt sie in einer
merkwürdigen Unentschiedenheit, schwankend zwischen voyeuristischer Aufheizung, Op-Art-Exkursionen
und Eifersuchtsdrama.
▶ Sonntag, 17. Februar 2013, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch,
20. Februar 2013, 18.30 Uhr
Henri-Georges Clouzot
▶ Mittwoch, 13. Februar 2013, 18.30 Uhr ▶▶ Samstag,
16. Februar 2013, 21.00 Uhr
ausgestattetes Eifersuchtsdrama. Schon die Vorbereitungen waren von Misshelligkeiten überschattet, uferten endlos aus. Als Clouzot eine Herzattacke erlitt, wurden die Dreharbeiten abgebrochen. Der Filmhistoriker
Serge Bromberg rekonstruierte aus Clouzots Rohmaterial die tragische Geschichte des gescheiterten Projekts.
85
LA PRISONNIERE
LA VERITE (DIE WAHRHEIT) – Frankreich 1960 – R:
Henri-Georges Clouzot – B: Henri-Georges Clouzot,
Véra Clouzot, Jérôme Géronimi, Simone Drieu, Christiane Rochefort, Michèle Perrein – K: Armand Thirard –
D: Brigitte Bardot, Sami Frey, Charles Vanel, Paul Meurisse, Claude Berri – 127 min, OmeU – »Die Sezierung
von Lebensweise und Amoralität der desillusionierten
Jugend in den späten fünfziger Jahren, mit Bardot in
ihrer besten Rolle als Mädchen, dessen überstürzte
Flucht aus einem bürgerlichen Elternhaus in eine Reihe
von frustrierenden Affären mit Pariser Intellektuellen
und schließlich zu einer Mordanklage führt. Clouzot ist
in seinen Beobachtungen der französischen Sitten so
kalt und heftig wie immer.« (Geoff Andrew)
WORK HARD PLAY HARD
FilmWeltWirtschaft
86
DIE AUSBILDUNG
FilmWeltWirtschaft
Freiheit statt Vollbeschäftigung? Wenn der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgeht, ist die Not groß und sind
die Maßnahmen oft erstaunlich. Kann sich der Mensch
mit seinen Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen,
auch wenn er keiner bezahlten Arbeit nachgeht? Die
Realität der Arbeit und die Vorstellungen davon klaffen
inzwischen immer weiter auseinander. Der Dokumentarfilm FREIGESTELLT (2012) von Claus Strigel geht der
Frage nach, was frei sein von Erwerbsarbeit persönlich
und gesellschaftlich bedeutet. Die nicht nachlassende
Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen steht auch hier im Mittelpunkt des Films, reale
Personen wie Goetz Werner werden befragt, animierte
Gäste wie Karl Marx, Hannah Arendt und Aristoteles mischen sich in die heutige Diskussion ein.
Die Arbeit bestimmt das Bewusstsein, und für den Arbeitsplatz gilt dies in besonderem Maße. In WORK
HARD PLAY HARD (2011) von Carmen Losmann wird
ausgefeilte moderne Architektur wie das Unilever-Gebäude in der Hamburger HafenCity vorgestellt, das
Räume bietet, in denen Arbeit und Auszeit fließend ineinander übergehen. Die Mitarbeiter müssen mit dem
Konzept des »mobilen Büros«, das keine persönlichen
Prägungen mehr zulässt, zurechtkommen. In anderen
Episoden werden Bewerbungsgespräche als stereotype
Veranstaltungen gezeigt, in denen die Bewerber die
Floskeln der Branche so sehr verinnerlicht haben, das
sich ihre Persönlichkeit förmlich aufzulösen scheint.
Die Kamera bei diesem klaren, kommentarlos beobachtenden Dokumentarfilm führte Dirk Lütter. Mit seinem
Spielfilm DIE AUSBILDUNG (2011) nimmt Lütter das
Ambiente der kalkulierenden Geschäftswelt wieder auf
und porträtiert einen 20jährigen Auszubildenden, der
an der Diskrepanz zwischen Anpassungsdruck und
Freiheitswillen innerlich kaputt geht.
Wie das Arbeitsleben die Menschen verändert, die
Jahre und Jahrzehnte in und mit demselben Job zubringen, zeigt Alexander Riedel in seiner Doku-Fiction
MORGEN DAS LEBEN (2010), der in München angesiedelt ist. Der Film porträtiert drei Menschen bei ihrem
Versuch, aus der ewigen Warteschleife ihres bisherigen Lebens zu entfliehen, einen Schritt in Richtung
Glück und Erfüllung weiterzugehen. Das Thema Arbeit
ist auch bei dieser Frage entscheidend: ob Kündigung,
Umschulung oder Totalverweigerung – Tatsache ist,
man nimmt sich immer selber mit.
Die achte Ausgabe von FilmWeltWirtschaft stellt sich
dem Themenkomplex Arbeit. Wie gewohnt wird das
Programm mit Kurzfilmen, Diskussionen und Gästen ergänzt.
Claudia Engelhardt
▶ Donnerstag, 24. Januar 2013, 19.00 Uhr bis Sonntag,
27. Januar 2013, 21.00 Uhr
münchen
Do, 30.8.
19.00 Stummfilmtage
KAFKA GEHT INS KINO (2002) / NICK WINTER ET LE VOL
DE LA JOCONDE – NICK WINTER UND DER RAUB DER
MONA LISA (1911) / DEN HIVDE SLAVEHANDELS SIDSTE
OFFER – DIE WEISSE SKLAVIN (1911) Am Flügel: Joachim
Bärenz, Filmerzähler: Norbert Alich, Einführung: Stefan Drößler 3
Fr, 31.8.
18.30 Stummfilmtage
HYAKUNENGO NO ARUHI – EIN TAG IN 100 JAHREN (1933)
/ TOKYO NO EIYU – DER HELD VON TOKYO (1935)
Am Flügel und an der Violine: Günter A. Buchwald
3
21.00 Stummfilmtage
THE WEDDING MARCH – HOCHZEITSMARSCH (1928)
Am Flügel: Joachim Bärenz
4
18.30 Stummfilmtage
3 BAD MEN – DREI EHRLICHE BANDITEN (1926)
Am Flügel und an der Violine: Günter A. Buchwald
4
21.00 Stummfilmtage
LE VOYAGE DANS LA LUNE – DIE PHANTASTISCHE REISE
NACH DEM MONDE (1902) / ROTAIE – SCHIENEN (1929)
Am Flügel: Joachim Bärenz
4
18.30 Stummfilmtage
L’INHUMAINE – DIE UNMENSCHLICHE (1923)
Am Flügel: Joachim Bärenz
4
21.00 Stummfilmtage
EAST SIDE, WEST SIDE – TITANIC (1927)
Am Flügel und an der Violine: Günter A. Buchwald
5
18.30 Stummfilmtage
DAS WEISSE STADION (1928)
Am Flügel und an der Violine: Günter A. Buchwald
5
21.00 Jean Rollin
LES PAYS LOINS – DAS WEITE LAND (1965) / LE VIOL DU
VAMPIRE – DIE VERGEWALTIGUNG DES VAMPIRS (1968)
Einführung: Hans Schmid
8
18.30 Stummfilmtage
OKTJABR – ZEHN TAGE, DIE DIE WELT ERSCHÜTTERTEN
5
(1927)
21.00 Nuri Bilge Ceylan
KOZA (1995) / KASABA – DIE KLEINSTADT (1997)
19.00 Open Scene
SA-MANN BRAND (1933)
Einführung: Thomas Weidner
So, 2.9.
Mo, 3.9.
Di, 4.9.
Mi, 5.9.
Do, 6.9.
Fr, 7.9.
Sa, 8.9.
So, 9.9.
Mo, 10.9.
Keine Vorstellung
13
18.30 Ulrike Ottinger
BILDNIS EINER TRINKERIN (1979)
16
21.00 Martin Scorsese
WHO’S THAT KNOCKING AT MY DOOR – WER KLOPFT
DENN DA AN MEINE TÜR? (1968)
21
18.30 Ulrike Ottinger
FREAK ORLANDO (1981)
16
21.00 Martin Scorsese
BOXCAR BERTHA – DIE FAUST DER REBELLEN (1972)
21
18.00 Ulrike Ottinger
DORIAN GRAY IM SPIEGEL DER BOULEVARDPRESSE
(1984)
17
21.00 Martin Scorsese
MEAN STREETS – HEXENKESSEL (1973)
21
19.00 MFZ
Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
Kalenderübersicht
Sa, 1.9.
87
münchen
Di, 11.9.
Mi, 12.9.
21.00 Jean Rollin
LES AMOURS JAUNES – DIE GELBEN LEIDENSCHAFEN (1958)
/ LA VAMPIRE NUE – DIE NACKTE VAMPIRIN (1970)
9
18.30 Martin Scorsese
MEAN STREETS – HEXENKESSEL (1973)
21
13
21.00 Nuri Bilge Ceylan
MAYIS SIKINTISI – BEDRÄNGNIS IM MAI (1999)
19.00 Open Scene
TO CATCH A THIEF – ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA
(1955) Zuvor: Buchpräsentation von Thilo Wydra
Fr, 14.9.
18.30 Ulrike Ottinger
PRATER (2007)
21.00 Martin Scorsese
WHAT’S A NICE GIRL LIKE YOU DOING IN A PLACE LIKE
THIS? (1963) / IT’S NOT JUST YOU, MURRAY! (1964) /
THE BIG SHAVE (1967) / ITALIANAMERICAN (1974) /
AMERICAN BOY (1978)
22
18.30 Ulrike Ottinger
DIE KOREANISCHE HOCHZEITSTRUHE (2009)
21.00 Martin Scorsese
ALICE DOESN’T LIVE HERE ANYMORE – ALICE LEBT HIER
NICHT MEHR (1974)
22
18.30 Ulrike Ottinger
UNTER SCHNEE (2011)
17
21.00 Martin Scorsese
TAXI DRIVER (1976)
22
So, 16.9.
Mo, 17.9.
17
17
Keine Vorstellung
18.30 Martin Scorsese
ALICE DOESN’T LIVE HERE ANYMORE – ALICE LEBT HIER
NICHT MEHR (1974)
22
21.00 Jean Rollin
JEAN ROLLIN, LE REVEUR EGARE – DER STREUNENDE
TRÄUMER (2011) Zu Gast: Yvan Pierre-Kaiser
Mi, 19.9.
18.30 Martin Scorsese
TAXI DRIVER (1976)
22
21.00 Nuri Bilge Ceylan
UZAK – WEIT (2002)
13
Do, 20.9.
19.00 Prager Frühling
KRIK – DER ERSTE SCHREI (1963) / EIN ANLASS ZUM
SPRECHEN (1966)
32
Fr, 21.9.
18.30 Prager Frühling
POSTAVA K PODPIRANI – JOSEF KILIAN (1963) / SBERNE
SUROVOSTI – GESAMMELTE ROHHEITEN (1965) / NEZVANY HOST – DER UNGEBETENE GAST (1969)
32
21.00 Martin Scorsese
NEW YORK, NEW YORK (1976)
18.30 Prager Frühling
PERLICKY NA DNE – PERLEN AUF DEM MEERESGRUND
(1965)
32
21.00 Martin Scorsese
THE LAST WALTZ – THE BAND (1978)
22
17.30 Das Erinnern
weitertragen
WAS BLEIBT (2008)
Zu Gast: Erna de Vries, Gesa Knolle, Birthe Templin
40
21.00 Martin Scorsese
RAGING BULL – WIE EIN WILDER STIER (1980)
23
Di, 18.9.
Kalenderübersicht
WHO’S THAT KNOCKING AT MY DOOR – WER KLOPFT
DENN DA AN MEINE TÜR? (1968)
Seite 21
Do, 13.9.
Sa, 15.9.
88
18.30 Martin Scorsese
Sa, 22.9.
So, 23.9.
9
22
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
münchen
Mo, 24.9.
Di, 25.9.
Mi, 26.9.
Do, 27.9.
Fr, 28.9.
Sa, 29.9.
So, 30.9.
Mo, 1.10.
Keine Vorstellung
19.00 Martin Scorsese
NEW YORK, NEW YORK (1976)
Seite 22
18.30 Martin Scorsese
RAGING BULL – WIE EIN WILDER STIER (1980)
23
21.00 Nuri Bilge Ceylan
IKLIMLER – JAHRESZEITEN (2006)
14
19.00 Open Scene
18.30 Prager Frühling
AZ PRIJDE KOCOUR – WENN DER KATER KOMMT (1963) 32
21.00 Martin Scorsese
THE KING OF COMEDY (1983)
23
18.30 Prager Frühling
O NECEM JINEM – VON ETWAS ANDEREM (1963)
33
21.00 Martin Scorsese
AFTER HOURS – DIE ZEIT NACH MITTERNACHT (1985) /
MIRROR, MIRROR (1985)
23
18.30 Prager Frühling
NEJVETSI PRANI – MEIN INNIGSTER WUNSCH (1964) /
KAZDY DEN ODVAHU – MUT FÜR DEN ALLTAG (1964) 33
21.00 Martin Scorsese
ROUND MIDNIGHT – UM MITTERNACHT (1986)
24
Keine Vorstellung
18.30 Prager Frühling
A PATY JEZDEC JE STRACH – DER FÜNFTE REITER IST DIE
ANGST (1964)
33
21.00 Jean Rollin
LE FRISSON DES VAMPIRES – DAS ERSCHAUDERN DER
VAMPIRE (1971)
9
18.30 Prager Frühling
OBCHOD NA KORZE – DAS GESCHÄFT IN DER HAUPTSTRASSE (1965)
33
21.00 Nuri Bilge Ceylan
ÜC MAYMUN – DREI AFFEN (2008)
14
Do, 4.10. bis So, 7.10.
Underdox. Festival für Dokument und Experiment
41
Mo, 8.10.
19.00 MFZ
Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus
Di, 2.10.
18.30 Prager Frühling
NIKDO SE NEBUDE SMAT – NIEMAND WIRD LACHEN (1966) 34
21.00 Jean Rollin
LA ROSE DE FER – DIE EISERNE ROSE (1973)
10
Mi, 10.10.
19.00 Nuri Bilge Ceylan
ONCE UPON A TIME IN ANATOLIA (2011)
14
Do, 11.10.
19.00 Rumänien
CHIPURI – GESICHTER (2002) / CRULIC - DRUMUL SPRE
DINCOLO – DER WEG INS JENSEITS (2011)
Zu Gast: Anca Damian
43
Fr, 12.10.
18.30 Prager Frühling
INTIMNI OSVETLENI – INTIME BELEUCHTUNG (1965)
34
21.00 Rumänien
MEANDRE – MÄANDER (1967)
Zu Gast: Dan Nutu
43
18.30 Prager Frühling
OSTRE SLEDOVANE VLAKY – LIEBE NACH FAHRPLAN
(1966)
Kalenderübersicht
Mi, 3.10.
34
89
21.00 Rumänien
100 DE LEI – DER 100 LEI-SCHEIN (1974)
Zu Gast: Dan Nutu
43
Di, 9.10.
Sa, 13.10.
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
münchen
So, 14.10.
Mo, 15.10.
Di, 16.10.
Mi, 17.10.
Do, 18.10.
Fr, 19.10.
Sa, 20.10.
So, 21.10.
Mo, 22.10.
Di, 23.10.
Mi, 24.10.
18.30 Prager Frühling
RUKA – DIE HAND (1965) / O SLAVNOSTI A HOSTECH –
VOM FEST UND DEN GÄSTEN (1966)
Seite 34
21.00 Martin Scorsese
BAD (1987) / THE COLOR OF MONEY – DIE FARBE DES
GELDES (1986)
24
Keine Vorstellung
18.30 Martin Scorsese
THE KING OF COMEDY (1983)
23
21.00 Jean Rollin
LES DEMONIAQUES – DIE DÄMONISCHEN (1974)
10
18.30 Martin Scorsese
AFTER HOURS – DIE ZEIT NACH MITTERNACHT (1985) /
MIRROR, MIRROR (1985)
23
21.00 Rumänien
BUNA! CE FACI? – HALLO! WIE GEHT’S? (2011)
44
35
19.00 Open Scene
18.30 Prager Frühling
SEDMIKRASKY – TAUSENDSCHÖNCHEN (1967)
21.00 Martin Scorsese
THE LAST TEMPTATION OF CHRIST – DIE LETZTE VERSUCHUNG CHRISTI (1988)
24
18.30 Prager Frühling
KONEC SRPNA V HOTELU OZON – ENDE AUGUST IM HOTEL
OZON (1967) Zu Gast: Jan Schmidt
35
21.00 Rumänien
PESCUIT SPORTIV – SPORTANGELN (2007)
44
17.30 Film und
Psychoanalyse
ANNIE HALL – DER STADTNEUROTIKER (1977)
Einführung: Matthias Baumgart
46
21.00 Rumänien
DIN DRAGOSTE CU CELE MAI BUNE INTENTII – AUS LIEBE
MIT DEN BESTEN ABSICHTEN (2011)
44
Keine Vorstellung
18.30 Prager Frühling
HORI, MA PANENKO – DER FEUERWEHRBALL (1967)
35
21.00 Jean Rollin
LEVRES DE SANG – BLUTIGE LIPPEN (1975)
10
18.30 Prager Frühling
HOTEL PRO CIZINCE – HOTEL FÜR FREMDE (1968)
36
21.00 Rumänien
VISUL LUI ADALBERT – ADALBERTS TRAUM (2011)
45
19.00 Open Scene
Fr, 26.10.
18.30 Prager Frühling
ZERT – DER SCHERZ (1968)
36
21.00 Rumänien
DUPA DEALURI – JENSEITS DER HÜGEL (2012)
45
18.30 Prager Frühling
SPALOVAC MRTVOL – DER LEICHENVERBRENNER (1968)
36
Zu Gast: Juraj Herz
21.00 Rumänien
ALEXANDRA (2008) / TOATA LUMEA DIN FAMILIA NOASTRA – ALLE IN UNSERER FAMILIE (2012)
45
17.30 Das Erinnern
weitertragen
2 ODER 3 DINGE, DIE ICH VON IHM WEISS (2005)
Zu Gast: Malte Ludin
21.00 Rumänien
FILM PENTRU PRIETENI – EIN FILM FÜR FREUNDE (2011) 45
Kalenderübersicht
Do, 25.10.
Sa, 27.10.
90
So, 28.10.
40
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
münchen
Keine Vorstellung
18.30 Olympia 1936
JUGEND DER WELT (1936) / DER OLYMPIA-FILM ENTSTEHT
(1937) Einführungsvortrag: Robert Jaquier & Adrian Wood 50
21.00 Jean Rollin
FASCINATION – FASZINATION (1979)
Mi, 31.10.
19.00 Olympia 1936
OLYMPIA. DER FILM VON DEN XI. OLYMPISCHEN SPIELEN
BERLIN 1936 (1938) Einführung: Stefan Drößler
50
Do, 1.11.
19.00 Open Scene
Fr, 2.11.
15.00 Rosa von Praunheim
Möpse und Menschen Zu Gast: Rosa von Praunheim
53
18.30 Rosa von Praunheim
Schauspieler und Dichter
53
21.00 Rosa von Praunheim
Schwul-lesbische Welten
53
15.00 Rosa von Praunheim
Berliner Luft
54
18.30 Rosa von Praunheim
Gesang, Tanz, Kunst
54
21.00 Rosa von Praunheim
Docu vs. Fiction
54
15.00 Rosa von Praunheim
Leben, Lieben, Sterben
54
18.30 Rosa von Praunheim
Film-Künstler
54
21.00 Rosa von Praunheim
Schwules Leben
54
Di, 30.10.
Sa, 3.11.
So, 4.11.
Mo, 5.11.
10
Keine Vorstellung
Di, 6.11.
19.00 Martin Scorsese
A PERSONAL JOURNEY WITH MARTIN SCORSESE
THROUGH AMERICAN MOVIES (1995)
26
Mi, 7.11.
19.00 Martin Scorsese
GOODFELLAS (1990)
Zu Gast: Michael Ballhaus
24
Do, 8.11.
19.00 Open Scene
Fr, 9.11.
Sa, 10.11.
So, 11.11.
18.30 Prager Frühling
FARARUV KONEC – DAS ENDE EINES PRIESTERS (1968) 36
21.00 Martin Scorsese
NEW YORK STORIES (1989)
18.30 Prager Frühling
SPRIZNENI VOLBOU – WAHLVERWANDTSCHAFTEN (1968)
Zu Gast: Karel Vachek & Michal Bregant
37
21.00 Martin Scorsese
GOODFELLAS (1990)
18.30 Prager Frühling
VTACKOVIA, SIROTY A BLAZNI – VÖGEL, WAISEN UND
37
NARREN (1969)
21.00 Martin Scorsese
DREAMS – AKIRA KUROSAWAS TRÄUME (1990)
24
24
25
Mo, 12.11. bis Sa, 17.11.
Internationales Festival der Filmhochschulen
So, 18.11.
17.30 Film und
Psychoanalyse
A FISH CALLED WANDA – EIN FISCH NAMENS WANDA
(1988) Einführung: Heidi Spanl, Katharina Leube-Sonnleitner 47
21.00 Martin Scorsese
THE KEY TO RESERVA – DER SCHLÜSSEL ZU RESERVA
(2007) / CAPE FEAR – KAP DER ANGST (1991)
25
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
Kalenderübersicht
Mo, 29.10.
91
münchen
Mo, 19.11.
Di, 20.11.
19.00 Martin Scorsese
IL MIO VIAGGIO IN ITALIA – MEINE ITALIENISCHE REISE
(2001)
Seite 27
Mi, 21.11.
18.30 Martin Scorsese
LOLA MONTEZ (1955)
Zu Gast: Michael Ballhaus
21.00 Martin Scorsese
THE AGE OF INNOCENCE – ZEIT DER UNSCHULD (1993)
Zu Gast: Michael Ballhaus
26
19.00 Open Scene
Fr, 23.11.
18.30 Prager Frühling
JAN 69 – JAN PALACH (1969) / SMUTECNI SLAVNOST –
WUT UND TRAUER (1969)
37
21.00 Martin Scorsese
THE AGE OF INNOCENCE – ZEIT DER UNSCHULD (1993) 26
So, 25.11.
Mo, 26.11.
18.30 Prager Frühling
BYT – DIE WOHNUNG (1968) / UCHO – DAS OHR (1969) 37
21.00 Martin Scorsese
CASINO (1995)
26
17.30 Das Erinnern
weitertragen
DAS WIRST DU NIE VERSTEHEN (2003)
Zu Gast: Anja Salomonowitz
40
21.00 Martin Scorsese
KUNDUN (1997)
26
Keine Vorstellung
Di, 27.11.
19.00 Martin Scorsese
CASINO (1995)
26
Mi, 28.11.
19.00 Martin Scorsese
GANGS OF NEW YORK (2002)
27
Do, 29.11.
19.00 Neapel
NAPOLI PIAZZA MUNICIPIO (2008) / PASSIONE (2010)
Einführung: Ambra Sorrentino Becker
56
Fr, 30.11.
Sa, 1.12.
So, 2.12.
Kalenderübersicht
25
Do, 22.11.
Sa, 24.11.
92
Keine Vorstellung
Mo, 3.12.
Di, 4.12.
Mi, 5.12.
18.30 Neapel
INTO PARADISO (2010)
56
21.00 Martin Scorsese
BRINGING OUT THE DEAD (1999)
27
18.30 Neapel
LA SFIDA – DIE HERAUSFORDERUNG (1958)
56
21.00 Martin Scorsese
GANGS OF NEW YORK (2002)
27
18.30 Neapel
GORBACIOF – GORBATSCHOW (2010)
56
21.00 Martin Scorsese
THE NEIGHBORHOOD (2001) / FEEL LIKE GOING HOME
(2003)
27
18.30 Prager Frühling
SKRIVANCI NA NITI – LERCHEN AM FADEN (1969)
Zu Gast: Jiří Menzel
38
21.00 Neapel
LA KRYPTONITE NELLA BORSA – KRYPTONIT IN DER
TASCHE (2011)
57
18.30 Martin Scorsese
BRINGING OUT THE DEAD (1999)
27
21.00 Neapel
COSI PARLO BELLAVISTA – ALSO SPRACH BELLAVISTA
(1984)
57
Keine Vorstellung
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
münchen
Do, 6.12.
19.00 Open Scene
Zuschauerkino
Fr, 7.12.
18.30 Prager Frühling
ZAHRADA – DER GARTEN (1968) / DEN SEDMY – OSMA
NOC – DER SIEBTE TAG, DIE ACHTE NACHT (1969)
38
21.00 Martin Scorsese
THE AVIATOR (2004)
18.30 Prager Frühling
ZMATEK – DIE KONFUSION (1968) / ZABITA NEDELE –
EIN TOTGESCHLAGENER SONNTAG (1969)
38
21.00 Martin Scorsese
THE DEPARTED – UNTER FEINDEN (2006)
28
19.00 Martin Scorsese
NO DIRECTION HOME: BOB DYLAN (2005)
28
Sa, 8.12.
So, 9.12.
Seite 58
28
Mo, 10.12. 19.00 MFZ
Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus
Di, 11.12.
19.00 Prager Frühling
MARKETA LAZAROVA (1967)
Zu Gast: Magda Vašáryová
38
Mi, 12.12.
19.00 Martin Scorsese
THE DEPARTED – UNTER FEINDEN (2006)
28
Do, 13.12.
19.00 Sonja Ziemann
DIE PRIVATSEKRETÄRIN (1953)
Zu Gast: Sonja Ziemann. Einführung: Werner Sudendorf
60
Fr, 14.12.
Sa, 15.12.
So, 16.12.
Mo, 17.12.
DER ACHTE WOCHENTAG (1958)
61
SHINE A LIGHT (2008)
28
18.30 Sonja Ziemann
MENSCHEN IM HOTEL (1959)
61
21.00 Martin Scorsese
SHUTTER ISLAND (2010)
29
18.30 Sonja Ziemann
THE SECRET WAYS – GEHEIME WEGE (1961)
61
21.00 Martin Scorsese
PUBLIC SPEAKING (2010)
29
18.30 Martin Scorsese
SHUTTER ISLAND (2010)
29
21.00 Jean-Marie Straub
SCHAKALE UND ARABER (2011) / MACHORKA-MUFF
(1963) / NICHT VERSÖHNT (1965)
64
29
Keine Vorstellung
18.30 Martin Scorsese
HUGO 3D – HUGO CABRET (2011)
21.00 Jean-Marie Straub
CHRONIK DER ANNA MAGDALENA BACH (1968) / DER
BRÄUTIGAM, DIE KOMÖDIANTIN UND DER ZUHÄLTER
65
(1968)
Do, 20.12.
19.00 Martin Scorsese
A LETTER TO ELIA – EIN BRIEF AN ELIA (2010) / AMERICA, AMERICA – DIE UNBEZWINGBAREN (1963)
29
Fr, 21.12.
18.30 Sonja Ziemann
DER TRAUM VON LIESCHEN MÜLLER (1961)
61
21.00 Martin Scorsese
HUGO 3D – HUGO CABRET (2011)
29
Kalenderübersicht
Di, 18.12.
18.30 Sonja Ziemann
21.00 Martin Scorsese
19.00 Martin Scorsese
GEORGE HARRISON: LIVING IN THE MATERIAL WORLD
29
(2011)
93
Mi, 19.12.
Sa, 22.12.
So, 23.12.2012 bis Sa, 5.1.2013
Weihnachtspause
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
münchen
So, 6.1.
Mo, 7.1.
21.00 Jean-Marie Straub
DANIELE HUILLET & JEAN-MARIE STRAUB, CINEASTES
– OU GIT VOTRE SOURIRE ENFOUI? – WO LIEGT EUER
LÄCHELN BEGRABEN? (2001) / 6 BAGATELAS (2001) 65
Keine Vorstellung
MÄDCHEN IN UNIFORM (1931)
21.00 Jean-Marie Straub
OTHON (1969) / TOUTE REVOLUTION EST UN COUP DE DES
– JEDE REVOLUTION IST EIN WÜRFELWURF (1977)
65
18.30 Filmemigration
MADAME HAT AUSGANG (1931)
21.00 Jean-Marie Straub
CORNEILLE – BRECHT (2009) / GESCHICHTSUNTERRICHT
(1972)
66
Do, 10.1.
19.00 Denis Villeneuve
REW-FFWD (1994) / LE TECHNETIUM (1996) /
120 SECONDS TO GET ELECTED (2006) / NEXT FLOOR
(2008) / UN 32 AOUT SUR TERRE – EIN 32. AUGUST AUF
ERDEN (1998)
78
Fr, 11.1.
18.30 Filmemigration
KUHLE WAMPE ODER WEM GEHÖRT DIE WELT? (1932) 73
21.00 Denis Villeneuve
MAELSTRÖM (2000)
79
18.30 Filmemigration
DER TRÄUMENDE MUND (1932)
73
21.00 Denis Villeneuve
POLYTECHNIQUE (2009)
79
17.30 Film und
Psychoanalyse
GROUNDHOG DAY – … UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER (1993)
Einführung: Mathias Lohmer, Eva Friedrich
47
21.00 Denis Villeneuve
INCENDIES – DIE FRAU, DIE SINGT (2010)
19.00 MFZ
Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus
Mi, 9.1.
Sa, 12.1.
So, 13.1.
Mo, 14.1.
Di, 15.1.
Kalenderübersicht
LA MADRE – DIE MUTTER (2012) / SCHAKALE UND ARABER (2011) / O SOMMA LUCE – O HÖCHSTES LICHT (2010)
/ SICILIA ! (1999)
Seite 65
18.30 Filmemigration
Di, 8.1.
94
18.30 Jean-Marie Straub
Mi, 16.1.
72
72
79
18.30 Filmemigration
DER BRAVE SÜNDER (1931)
21.00 Jean-Marie Straub
EINLEITUNG ZU ARNOLD SCHOENBERGS BEGLEITMUSIK
ZU EINER LICHTSPIELSCENE (1973) / MOSES UND ARON
(1975)
66
18.30 Filmemigration
ICH UND DIE KAISERIN (1933)
21.00 Jean-Marie Straub
FORTINI/CANI – DIE HUNDE VOM SINAI (1976) / ITINÉRAIRE
DE JEAN BRICARD – WEG VON JEAN BRICARD (2008) 66
Do, 17.1.
19.00 Open Scene
Fr, 18.1.
18.30 Filmemigration
LIEBELEI (1933)
74
74
74
21.00 Henri-Georges Clouzot L’ASSASSIN HABITE AU 21 – DER MÖRDER WOHNT IN
82
NR. 21 (1942)
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
münchen
Sa, 19.1.
So, 20.1.
BRENNENDES GEHEIMNIS (1933)
Seite 74
21.00 Henri-Georges Clouzot LE CORBEAU – DER RABE (1943)
82
18.30 Filmemigration
17.30 Das Erinnern
weitertragen
GERDAS SCHWEIGEN (2008)
Zu Gast: Knut Elstermann
40
21.00 Henri-Georges Clouzot QUAI DES ORFEVRES – UNTER FALSCHEM VERDACHT
(1947)
82
Mo, 21.1.
Di, 22.1.
Keine Vorstellung
18.30 Henri-Georges Clouzot L’ASSASSIN HABITE AU 21 – DER MÖRDER WOHNT IN
NR. 21 (1942)
82
21.00 Jean-Marie Straub
Mi, 23.1.
18.30 Henri-Georges Clouzot LE CORBEAU – DER RABE (1943)
21.00 Jean-Marie Straub
Do, 24.1. bis So, 27.1.
Mo, 28.1.
Di, 29.1.
82
ZU FRÜH, ZU SPÄT (1982)
67
FilmWeltWirtschaft
86
Keine Vorstellung
18.30 Henri-Georges Clouzot QUAI DES ORFEVRES – UNTER FALSCHEM VERDACHT
(1947)
82
21.00 Jean-Marie Straub
Mi, 30.1.
DALLA NUBE ALLA RESISTENZA – VON DER WOLKE ZUM
WIDERSTAND (1979)
67
DER TOD DES EMPEDOKLES (1987)
67
18.30 Henri-Georges Clouzot LE SALAIRE DE LA PEUR – LOHN DER ANGST (1953)
83
SCHWARZE SÜNDE (1989) / PROPOSTA IN QUATTRO
PARTI – VORSCHLAG IN VIER TEILEN (1985)
67
21.00 Jean-Marie Straub
Do, 31.1.
19.00 Henri-Georges Clouzot LA TERREUR DES BATIGNOLLES – DER TERROR VON BATIGNOLLES (1931) / L’ENFER D’HENRI-GEORGES CLOUZOT
(2009) Zu Gast: Serge Bromberg
85
Fr, 1.2.
18.30 Filmemigration
DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE (1933)
75
21.00 Henri-Georges Clouzot LE RETOUR DE JEAN – RÜCKKEHR INS LEBEN (1949) /
MANON (1949)
83
So, 3.2.
Mo, 4.2.
Di, 5.2.
18.30 Filmemigration
75
21.00 Henri-Georges Clouzot LE SALAIRE DE LA PEUR – LOHN DER ANGST (1953)
83
FILMEMIGRATION AUS NAZI-DEUTSCHLAND (1975)
76
17.00 Filmemigration
Keine Vorstellung
18.30 Henri-Georges Clouzot LES DIABOLIQUES – DIE TEUFLISCHEN (1955)
21.00 Jean-Marie Straub
Mi, 6.2.
EIN LIED GEHT UM DIE WELT (1933)
KLASSENVERHÄLTNISSE (1984)
18.30 Henri-Georges Clouzot LE MYSTERE PICASSO – PICASSO (1956)
21.00 Jean-Marie Straub
83
67
84
PAUL CEZANNE IM GESPRÄCH MIT JOACHIM GASQUET
(1989) / UNE VISITE AU LOUVRE (2004)
67
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
Kalenderübersicht
Sa, 2.2.
95
münchen
Do, 7.2.
19.00 Open Scene
Fr, 8.2.
18.30 Filmemigration
DER TUNNEL (1933)
Seite 75
21.00 Henri-Georges Clouzot MIQUETTE ET SA MERE – MIQUETTE UND IHRE MUTTER
(1950)
83
Sa, 9.2.
18.30 Filmemigration
FÄHRMANN MARIA (1936)
21.00 Henri-Georges Clouzot LES DIABOLIQUES – DIE TEUFLISCHEN (1955)
So, 10.2.
17.30 Das Erinnern
weitertragen
WINTERKINDER (2005)
Zu Gast: Jens Schanze
21.00 Henri-Georges Clouzot LE MYSTERE PICASSO – PICASSO (1956)
Mo, 11.2.
19.00 MFZ
Di, 12.2.
18.30 Henri-Georges Clouzot LES ESPIONS – SPIONE AM WERK (1957)
21.00 Jean-Marie Straub
Mi, 13.2.
Do, 14.2.
19.00 Open Scene
Fr, 15.2.
18.30 Filmemigration
ANTIGONE (1991)
18.30 Filmemigration
LAND DER LIEBE (1937)
LA HABANERA (1937)
21.00 Henri-Georges Clouzot LA VERITE – DIE WAHRHEIT (1960)
So, 17.2.
17.30 Film und
Psychoanalyse
LES VACANCES DE M. HULOT – DIE FERIEN DES
MONSIEUR HULOT (1953)
Einführung: Corinna Wernz, Andreas Hamburger
21.00 Henri-Georges Clouzot LA PRISONNIERE – SEINE GEFANGENE (1968)
Mo, 18.2.
Kalenderübersicht
Di, 19.2.
96
Do, 21.2.
68
85
76
84
76
85
47
85
Keine Vorstellung
18.30 Henri-Georges Clouzot LA TERREUR DES BATIGNOLLES – DER TERROR VON BATIGNOLLES (1931) / L’ENFER D’HENRI-GEORGES CLOUZOT
– DIE HÖLLE VON HENRI-GEORGES CLOUZOT (2009)
85
21.00 Jean-Marie Straub
Mi, 20.2.
84
VON HEUTE AUF MORGEN (1997) / EN RACHACHANT (1982)
/ LOTHRINGEN ! (1994) / UN HERITIER (2011)
68
21.00 Henri-Georges Clouzot LES ESPIONS – SPIONE AM WERK (1957)
Sa, 16.2.
40
84
Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus
18.30 Henri-Georges Clouzot LA VERITE – DIE WAHRHEIT (1960)
21.00 Jean-Marie Straub
76
83
OPERAI, CONTADINI – ARBEITER, BAUERN (2001)
18.30 Henri-Georges Clouzot LA PRISONNIERE – SEINE GEFANGENE (1968)
68
85
21.00 Jean-Marie Straub
IL RITORNO DEL FIGLIO PRODIGO – UMILIATI (2003) /
EUROPA 2005, 27 OCTOBRE (2006) / JOACHIM GATTI
(2009)
19.00 Jean-Marie Straub
QUEI LORO INCONTRI (2006) / IL GINOCCHIO DI ARTEMIDE
(2008) / LE STREGHE. FEMMES ENTRE ELLES (2009) /
L’INCONSOLABILE (2011) / LA MADRE (2012)
69
68
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
Für Unterstützung und Kooperation bei der Realisierung unseres Programms danken wir:
Stummfilm · Bonner Kinemathek (Franziska Kremser, Bernhard Gugsch, Sigrid Limprecht) · Centre National de la Cinématographie, Bois d’Arcy (Eric Le Roy) · Cinémathèque Française,
Paris (Emilie Cauquy) · Fondazione Cineteca Italiana, Milano
(Luisa Comencini) · Det Danske Filminstitutet, Kopenhagen
(Thomas Christensen) · International Olympic Committee,
Lausanne (Robert Jaquier) · Library of Congress, Washington
(Rob Stone) · Museum of Modern Art, New York (Anne Morra,
Mary Keene) · National Film Center / National Museum of
Modern Art, Tokyo (Akira Tochigi) · ZDF/ARTE, Maiz (Nina Goslar)
· Hanns Zischler, Berlin
Nuri Bilge Ceylan · Sanartfilm, Nürnberg (Sinem Ilterli) ·
Zeyno Film, Istanbul (Sezgi Üstün)
Martin Scorsese · Bonner Kinemathek (Bernhard Gugsch,
Sigrid Limprecht) · Cinémathèque de la ville de Luxembourg
(Claude Bertemes, Marc Scheffen) · Filmarchiv Austria, Wien
(Nikolaus Wostry) · Filmwelt Verleihagentur, München (Christian
Friedel) · Harvard Film Archive, Manchester (Haden Guest) ·
Österreichisches Filmmuseum, Wien (Regina Schlagnitweit,
Alexander Horwath) · Sikelia Productions, New York (Kent Jones,
Ashley Peter) · Svenska Filminstitutet, Stockholm (Jon Wengström) · UCLA Film and Television Archive, Los Angeles (Todd
Wiener) · Warner Bros, Hamburg (Richard Flynn) · WDR / 3sat
(Reinhard Wulf) · ZDF/ARTE, Mainz (Nina Goslar) · Mark
McElhatten, New York · Michael Ballhaus, Berlin
Prager Frühling · Národní filmový archiv, Prag (Michal
Bregant, Karel Zima) · Slovenský filmový ústav, Bratislava (Viera
Ďuriková) · Tschechisches Zentrum, München (Zuzana Jürgens,
Anett Browarzik) · Haro Senft, München
Das Erinnern weitertragen · KZ-Gedenkstätte Dachau
(Waltraud Burger) · Max-Mannheimer-Studienzentrum Dachau
(Felizitas Raith)
Rumänien · Centrul National al Cinematografiei, Bukarest
(Alina Salcudeanu) · Generalkonsulat von Rumänien, München
(Michael Fernbach) · Gesellschaft zur Förderung der
Rumänischen Kultur und Tradition, München (Brigitte Drodtloff)
· Kulturreferat der LH München (Christoph Schwarz, Christina
Eder) · Rumänisches Kulturinstitut »Titu Maiorescu«, Berlin
(Cristina Hoffman, Andreea Dinca) · TAROM, München · Anca
Damian, Bukarest · Radu Jude, Bukarest · Irene Rudolf, Berlin
Film und Psychoanalyse · Akademie für Psychoanalyse
und Psychotherapie, München (Matthias Baumgart, Eva
Friedrich, Andreas Hamburger, Katharina Leube-Sonnleitner,
Mathias Lohmer, Irmgard Nagel, Vivian Pramataroff-Hamburger,
Heidi Spanl, Corinna Wernz)
Olympia 1936 · International Olympic Committee, Lausanne
(Robert Jaquier) · Adrian Wood, London
Rosa von Praunheim · Klaus Kalchschmid, München · Rosa
von Praunheim, Berlin
Neapel und der Film · Circolo Cento Fiori, München (Ilaria
Furno Weise, Pierangela Hoffmann de Maron, Ambra Sorrentino
Becker) · Filmstadt München (Ursula Wessler)
Sonja Ziemann · CCC-Film, Berlin (Marleen Dyett) · Deutsche
Kinemathek, Berlin (Anke Hahn, Werner Sudendorf) · FriedrichWilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden (Gudrun Weiss)
Jean-Marie Straub · Cineteca di Bologna (Anna Fiaccarini,
Rinaldo Censi) · RAI Tre, Rom (Enrico Ghezzi, Roberto Turigliatto)
· Johannes Beringer, Berlin · Pedro Costa, Lissabon · Helmut
Färber, München · Fritz Göttler, München · Peter Kammerer,
Urbino · Peter Nau, Berlin · Jean-Marie Straub, Paris · Barbara
Ulrich, Paris
Filmemigration · Deutsche Kinemathek, Berlin (Anke Hahn,
Dirk Förstner) · Deutsches Filminstitut, Frankfurt (Brigitte
Capitain) · Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
(Gudrun Weiss)
Denis Villeneuve · Bundesverband kommunale Filmarbeit,
Frankfurt (Sabine Schöbel) · La Cinémathèque québécoise,
Montréal (Marie-Pierre Lessard) · Metropolis Hamburg (Rita
Baukrowitz)
Henri-Georges Clouzot · Bureau du Cinéma, Berlin (Anne
Vassevière) · Cinémathèque Française, Paris (Monique Faulhaber) · Cultures France, Paris · Insititut Français de Munich
(Pascal Filiu-Derleth) · Les Films du Jeudi, Paris (Laurence
Braunberger) · Lobster Films, Paris (Serge Bromberg) · Museum
of Modern Art, New York (Josh Siegel)
FilmWeltWirtschaft · Filmhaus Nürnberg (Christiane
Schleindl) · Initiative Grundeinkommen München · Münchner
Initiative CSR (Jobst Münderlein)
Fotos · Cinémathèque Suisse, Lausanne (Thomas Bissegger) · Deutsche Kinemathek, Berlin (Wolfgang Theis, Werner Sudendorf) ·
Filmmuseum München (Oleksandr Osherov, Gerhard Ullmann) · Fondazione Cineteca Italiana, Milano (Luisa Comencini) · Narodní
Filmovy Archiv, Prag (Karel Zima) · International Olympic Committee, Lausanne (Robert Jaquier) · Maschafilm (Jens Schanze) · Rosa
von Praunheim Filmproduktion, Berlin
Das Kino der Stadt
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München
Tel 089/233 96450 · Fax 089/233 23931 · http://www.filmmuseum-muenchen.de