AUSGABE #01 2013/14 Kitchen Concept / Concept Kitchen

Transcription

AUSGABE #01 2013/14 Kitchen Concept / Concept Kitchen
I N H A LT
C O N T E N T
A U S G A B E
#01 2013/14
DE
Kitchen
Concept
/
Concept
Kitchen
Arbeiten und Leben:
Transfer Küchenraum.
02 06
18
28 34
44
54
65
70
78
92 18
Wie Pfeffer und Salz.
Die Tolix-DNA:
sperrig, kantig, klug.
»Am Anfang stehen
Überlegungen zu der Struktur,
nach der wir leben.«
PERSPEKTIVEN.
Concept Garden.
Concept Home.
Concept Office.
Offen aus Prinzip.
Field Recording.
Office is where the kitchen is.
ZWISCHENRÄUME.
»Die Küche ist der Kosmos,
um den sich alles dreht.«
84
88
92
Mobil verwurzelt.
»Mini-Architekturen als
Ausdruck der Sehnsucht
nach Einfachheit.«
Impressum
96
EN
84
02 06
18
28 28
34
44
54
65
70
78
Working and living:
transferring the kitchen space.
Like salt and pepper.
The Tolix DNA:
bulky, angular, smart.
»The starting point:
considerations of the
structure of our lives.«
PERSPECTIVES.
Concept Garden.
Concept Home.
Concept Office.
The Openness Principle.
Field Recording.
Office is where the kitchen is.
S PA C E S I N-B E T W E E N .
88 06
84
»The kitchen is the cosmos
everything revolves around.«
88
Mobile with roots.
92
»Mini-architecture
expresses a longing for
simplicity.«
96
Imprint
I N H A LT
C O N T E N T
DE
02 Arbeiten und Leben:
Transfer Küchenraum.
06
Wie Pfeffer und Salz.
18
Die Tolix-DNA:
sperrig, kantig, klug.
28 »Am Anfang stehen
Überlegungen zu der Struktur,
nach der wir leben.«
PERSPEKTIVEN.
92 34
44
54
Concept Garden.
Concept Home.
Concept Office.
65
Offen aus Prinzip.
70
Field Recording.
78
Office is where the kitchen is.
ZWISCHENRÄUME.
18
84
»Die Küche ist der Kosmos,
um den sich alles dreht.«
88
Mobil verwurzelt.
92
»Mini-Architekturen als
Ausdruck der Sehnsucht
nach Einfachheit.«
96
Impressum
EN
88
02 Working and living:
transferring the kitchen space.
06
Like salt and pepper.
18
The Tolix DNA:
bulky, angular, smart.
28 »The starting point:
considerations of the
structure of our lives.«
PERSPECTIVES.
34
44
54
Concept Garden.
Concept Home.
Concept Office.
65
The Openness Principle.
70
Field Recording.
78
Office is where the kitchen is.
06
S PA C E S I N-B E T W E E N .
28 70
84
»The kitchen is the cosmos
everything revolves around.«
88
Mobile with roots.
92
»Mini-architecture
expresses a longing for
simplicity.«
96
Imprint
2
DE
Arbeiten und Leben:
Transfer Küchenraum.
Text: C h r i s t i n a I r r g a n g
Illustrationen: P i x e l g a r t e n
Das Format der feststehenden Zeilenküche, wie sie 1926 von Margarete SchütteLihotzky als sogenannte »Frankfurter
Küche« entwickelt wurde, bot den Nutzen,
im Haushalt ökonomisch wirtschaften zu
können. Das Bedürfnis nach einem optimierten Küchensystem bringt heute aber nicht
vordergründig Fragen nach Ökonomie im
Haushalt mit sich, sondern nach der kontextuellen Funktion des Raums Küche in
einem sich oft schnell wandelnden Lebensumfeld. Was erwarten wir von der Küche
als Ort und Möbel – ja, was sagen Küchen
über uns und unser Leben aus? Die heutige
Konnotation von »Küche« ist geprägt
von Individualität, durch eine spezifische
Definition von Bedürfnis und Gebrauch.
Im Verhältnis von Raum, Küchensystem
und Benutzer wird die Küche aber auch
als sozialer Raum gedacht. Sie dient nicht
bloß als Versorgungsstätte, sondern
öffnet das Feld Küche zu einem Raum für
eine Choreografie des Lebens, die sich
ihre eigenen Nischen sucht und fortlaufend
ausformuliert.
Die Vorstellung von einer in ihrem Prinzip
offen angelegten Küche war für den
Designer Kilian Schindler entscheidend
bei seinem Entwurf der Concept Kitchen:
ein Projekt, das von der Firma Naber
GmbH aus Nordhorn initiiert und in der Ausführung nun von Tolix, einem französischen
Traditionsunternehmen und Hersteller
mit Renommee für Metallmöbel, begleitet
wird. Schindler richtet den Fokus auf eine
Küche, deren Struktur er durch Module vorgibt, die aber von ihrem Benutzer durch
den sich darin vollziehenden Lebensprozess
als Agitationsraum mitgestaltet wird. Die
Form der Küche orientiert sich dabei an den
Möglichkeiten und Weisen ihrer Nutzung,
die sich frei nach Verständnis, Vorliebe und
Notwendigkeit als Küchenraum entfaltet.
Das Leitmotiv »Inspiration« der Firma
Naber, die als Spezialist für Küchenzubehör
mit Schindlers Concept Kitchen erstmals
ein Küchenmöbel anbietet, erfährt hier
eine neue und direkte Art der Gestaltung,
die mit dem tätigen Leben in der Küche
und den darin integrierten, ja sich stets in
Gebrauch und Verwertung befindenden
Gegenständen entsteht.
Die Entwicklung der Küche hin zu einem
Raum zwischen Funktionalität und Emotionalität hat in den vergangenen Jahren viele
konkrete wie theoretische Ausformulierungen erfahren. Die Küche wieder als einen
sinnlichen Ort, als Raum der Gemeinschaft und des kommunikativen Handelns
zu begreifen war ein Anliegen, das der
Gestalter Otl Aicher zu Beginn der
1980er-Jahre verfolgte und damit den Typus
der »offenen Küche« und das Prinzip
der Werkbank erneut ins Blickfeld rückte.
Die Küche als Organismus zu verstehen
wurde so auch im Jahr 2006 von Mike
Meiré zur Revision gebracht. Das ModellProjekt »The Farm Project« thematisierte
Küche als einen (mobilen) Lebensraum,
in dem Geräte, Utensilien, Lebensmittel,
Tiere, Menschen und deren Interaktion
beim Kochen und Essen im Zentrum stehen.
Kilian Schindler setzt bei diesen Gedanken an, dehnt jedoch die Überlegungen
über das Verhalten in der Küche auf unser
Verhalten zu ihr als Raum aus: Concept
Kitchen wird nicht nur als Stätte, sondern
selbst als Modul aus wechselnden räum-
lichen Bedürfnissen und Gegebenheiten
heraus gedacht. Der Raum, den wir heute
als Küche definieren, ereignet sich da,
wo wir ihn benötigen – im Büro, im Studio,
im Atelier, im Lebensraum, auf offener
Fläche oder im Winkel eines Raumes,
dem wir die Funktion »Küche« zukommen
lassen. Küche ereignet sich, schwirrt aus
und nimmt ihre Gestalt da, wo und wie sie
benötigt wird.
Die Struktur der Concept Kitchen geht auf
diese Anforderungen ein. Kilian Schindler
modifiziert die Küche zugleich als Forum
und Display: Die Gestaltung von Modulen
aus offenen Regalen und geschlossenen
Stauflächen – für eine Küche, die sich im
Zuge ihres täglichen Gebrauchs verändern
darf – stellt das Modell der »offenen
Küche« wie auch das Prozesshafte der Funktion und des Ästhetischen ins Zentrum.
Das durch Bausteine konstruktiv erweiterbare oder mit eigenen Küchengeräten,
Haushaltsgegenständen und Lebensmitteln
bereicherungsfähige Küchensystem wird
zu einem Möbel, dessen Gestaltung sich
zwischen Aufbewahrungsregal, Wohnraummöbel und Skulptur durch eine stete
Neuordnung definieren lässt. Das Modulare,
ja der flexible Umgang mit dem Möbel
bringt dabei vor allem den Gedanken des
Transfers des Ortes Küche zum Gegenstand. In Schindlers Gestaltung hat so die
Freiheit bei der Benutzung Priorität: Sie
gewinnt an Form überall dort, wo sich das
Leben des Benutzers entfaltet.
•
3
EN
Working and living:
transferring the kitchen
space.
Text: C h r i s t i n a I r r g a n g
Illustrations: P i x e l g a r t e n
The notion of the fixed unit kitchen as was
developed by Margarete Schütte-Lihotzky
in 1926 with her so-called »Frankfurt
kitchen« had the benefit of making housekeeping far more economically efficient.
The need for an optimized kitchen system
today no longer hinges on superficial
issues of home economics, but on the contextual function of the kitchen space
in an often fast changing living environment.
What do we expect of kitchens as a
place and in term of furnishings; indeed,
what do kitchens say about us and our lives?
Today, »kitchens« have the connotations
of individuality, are informed by a specific
definition of needs and uses. That said, the
kitchen is often construed as a social
space in terms of the relationship of space,
kitchen system and user. It serves not only
as a place for sustenance, but opens up the
kitchen as terrain for a choreography of
life that identifies its own special niches and
is forever fleshing these out.
The idea of an essentially open-plan kitchen
was what drove designer Kilian Schindler
when he started elaborating his notion
of the Concept Kitchen: a project initiated
by Naber GmbH, corporation based in
Nordhorn, and now being supported by Tolix,
a long-standing French company and
renowned manufacturer of metal furniture.
Schindler focused on a kitchen structured
by modules, but co-defined by the users, who
decide through how they live in the kitchen
how best to engage its space. The kitchen’s
shape derives from the opportunities for
its use, and the methods involved, meaning
the kitchen space evolves depending on
the users’ mindset, preferences and needs.
Naber took as the leitmotif »Inspiration«—
as a specialist for kitchen accessories the
Concept Kitchen was the first time it had
marketed kitchen furniture, and the design
chosen was new and direct by dint of
being inspired by active life in the kitchen
and the objects integrated into it such
as are forever being used or consumed.
In recent years, much theoretical and
practical work has gone into molding the
kitchen into a room influenced by both
functionality and emotions. It was designer
Otl Aicher who in the early 1980s first
grasped the kitchen as a sensual space,
as a communal place for communicative
action and it was he who emphasized
once again the idea of the »open plan kitchen« structured as if it were a work
bench. And in 2006 Mike Meiré revised
the notion of the kitchen as organism.
The model »The Farm Project« highlighted
the kitchen as a (mobile) living space
where things centered on appliances,
utensils, food, animals and people and their
interaction when cooking and eating.
Kilian Schindler takes this as his starting
point, but expands considerations on the
relationship in the kitchen to our behavior
toward it as a space: Concept Kitchen is
construed not just as a place, but in terms
of it constituting a module responding
to changing spatial needs and conditions.
The space we today define as a kitchen
occurs where we need it, be it in the
office, the studio, the living room, in an open
space or in a corner of the room that we
assign the function of »kitchen«. The kitchen
occurs, sallies forth and take shape where
and how it is needed.
The structure of the Concept Kitchen takes
up these requirements. Kilian Schindler
modified the kitchen both as a forum and
a display: The design of the modules,
which are made up of open shelves and
closed storage areas, squares up to
the idea of a kitchen that can change in the
course of its daily use and therefore revolves around the model of the »open-plan
kitchen« and the processual aspects of
function and aesthetics. This is a kitchen
system that can be expanded by adding
modules, or one’s own kitchen appliances,
household items and food, and it is a
form of furniture that can be categorized
as storage shelf, living room furniture
and sculpture, depending on one’s particular
whim at the time. This modular and
highly flexible approach to furniture highlights above all the idea of transferring
the kitchen as a space. Schindler’s design
accords priority to freedom of use:
It takes on form wherever the user’s life
take place.
•
6
Ingrid und Hans-Joachim Naber sind ein Unternehmerteam –
nicht nur in der Küche. Die begeisterten Sammler von Alltagskunst,
Schnitzereien aus dem Erzgebirge und Memphis Design führen
seit 1975 die Naber GmbH. Er als kreativer Kopf und Chefentwickler,
sie als Managerin, die alle organisatorischen Zügel in der Hand
hält. Beide sagen übereinstimmend: Ohne gute Organisation geht
nichts. Also überließen sie auch beim Besuch am Firmensitz in
Nordhorn nichts dem Zufall. Eine Begegnung.
Wie Pfeffer
und Salz.
Like salt and
pepper.
Ingrid and Hans-Joachim Naber are a highly enterprising team—and
not just in the kitchen. Since 1975, these two avid collectors of
everyday art and carvings from the Erz Mountains and Memphis
Design have been running Naber GmbH. Hans-Joachim is the chief
developer and creative brains behind the outfit, while Ingrid, as
manager, holds the organizational reins. Both are of the same
opinion that nothing can come to pass without good organization.
Small wonder that during a visit to the company headquarters
in Nordhorn, nothing is left to chance. An encounter.
Text: O l i v e r H e r w i g — Photos: M a r k u s B u r k e
DE
EN
Drahtig sieht er aus: Silberhaar, sorgfältig gestutzter
Bart, gebräunt wie ein Bergführer. Oder ein Skipper.
Hans-Joachim »Hajo« Naber setzt sich an den
Besprechungstisch und legt den Arm lässig über den
Nachbarstuhl. »Möchten Sie Wasser? Oder Kaffee?«,
fragt der Inhaber der Naber GmbH, dann schenkt er
sich selbst Tee ein. Auf dem Tisch der Stapel­geschirrKlassiker »TC 100« von Hans Roericht und KahlaSchälchen. Auf der Besucherseite steht ein Metallschild »Gast«. Bei Naber wird wenig dem Zufall
überlassen.
A wiry man with silver hair, a carefully-groomed
beard and the tanned skin of a mountain ranger or
skipper, Hans-Joachim »Hajo« Naber takes a seat at
the interview table, throwing a relaxed arm over the
chair next to him. The owner of Naber GmbH asks
me if I’d care for a glass of water or a cup of coffee
before pouring himself some tea. Dishes by Kahla
and the classic stacking china set »TC 100« designed
by Hans Roericht are set up on the table. On the side
of the table closest to me is a metal plate that reads
»guest«. Here at Naber, little is left up to chance.
7
Der Tee dampft, und Hans-Joachim Naber sprudelt
los, erzählt von seinem Leben, seiner Herkunft, Vater
und Großvater Schreiner und Unternehmer. Daheim
hieß es immer, das solle lieber sein Bruder reparieren, Hajo habe zwei linke Hände. Nun ist HansJoachim Naber selbst Produktentwickler, einer, der
Dingen auf den Grund geht. Und dafür jede Menge
Patente erhielt. »In der Schule war ich eher nicht
so gut«, schmunzelt Naber. Lieber machte er Sport:
Turnen, Fußball, Fechten, vor allem Laufen. 11,3
Sekunden auf 100 Meter. Seine Paradedisziplin war
der Langlauf. Naber ist ein Steher. Als er sich einmal
nach langer Wettkampfpause wieder an die 5000
Meter machte, brach er ein, es stach in der Seite, viele Läufer zogen an ihm vorbei. Doch Hans-Joachim
Naber gab nicht auf. Irgendwann merkte er: Da geht
noch was! »Tatsächlich konnte ich noch einige wieder überholen.«
Und das Unternehmen? Ist das auch so ein Langstreckenrennen? Naber lächelt. »Wir hatten eine stetige Entwicklung.« Das Wichtigste sei, den Markt zu
kennen. Und er sei ziemlich gut im Beobachten, sagt
Naber, gut darin, Lücken zu entdecken, Dinge, die
fehlen, die man anpacken könne. Dazu braucht der
Unternehmer Informationen. Systematisch wertet er
Zeitschriften aus, nicht nur die, die am Bahnhofskiosk liegen, sondern alles, was international erscheint.
Seine Leidenschaft: neue Magazine am Flughafen
entdecken und gleich abonnieren. Zum Beweis holt
Naber eine Mappe mit aktuellen Clippings hervor.
Die wenigsten Artikel befassen sich explizit mit Innovationen in der Küche. »Das«, meint der Chef,
»ist ja das Interessante: plötzlich auf Neues aus einer
ganz anderen Ecke zu stoßen.«
Ohne Vorzimmer direkt
zur Chefin
Im ersten Stock bespricht sich Ingrid Naber gerade
mit der Buchhaltung. Die gleichberechtigte Firmeninhaberin, zuständig für Personal, Organisation
und Finanzen, verzichtet auf ein Vorzimmer. »Hier
kann jeder kommen, jederzeit«, sagt sie. Sie kennt
die Wünsche und Sorgen ihrer Mitarbeiter. Bei
Ingrid Naber schütten viele ihr Herz aus. »Ich helfe
gern«, sagt die Managerin, »aber ich kann auch unangenehm werden.« Klare Worte sind ihre Sache.
»Ich übernehme auch die eher ungeliebten Entscheidungen im Unternehmen.« Selten verlassen
Mitarbeiter den Betrieb. Die Naber GmbH ist eine
große Familie. 180 Mitarbeiter machen die Firma
zu einem der größten Arbeitgeber in Nordhorn seit
dem Niedergang der hiesigen Textilindustrie. In
Steam rises from the tea and Hans-Joachim Naber begins to talk about his life, his background, his father
and grandfather, who were carpenters and entrepreneurs. At home he was told to leave any repair works
to his brother. He was the member of the family said
to be all thumbs. Now Hans-Joachim Naber is himself
a product developer: someone who gets down to the
nitty-gritty of things. Over the years he has acquired
a lot of patents. »At school, I wasn’t the best student,«
Naber smiles. He preferred sports: gymnastics, football, fencing and, most of all, running. He could run
100 meters in 11.3 seconds. His speciality was crosscountry. Naber never throws in the towel. When
he took part in a 5,000 metre race after a long break
from competitive sports, he got terrible side-stitch and
many competitors overtook him. Yet Hans-Joachim
Naber did not give up. After a while he realised he was
still in the game: »And in fact, I managed to get back
into things and pass quite a few of them again!«
And the company? Is that similar to long distance
running? Naber smiles, »Things have developed steadily.« The most important thing in his opinion is to
know your market. Naber says he’s always been a good
observer, good at finding holes in things, areas where
something is missing, things you can really grapple
with. In order to do so, the entrepreneur needed input.
He went through newspapers and magazines.
Not only the kind you find at the news agent, but international publications, too. He delights in discovering new magazines at the airport and signing up for a
subscription immediately. Naber fetches a folder with
recent clippings. Only few articles deal explicitly with
innovations in the kitchen. »This,« Naber tells me, »is
what’s really interesting: happening upon something
new from a completely different angle.«
A boss without a
waiting room
On the first floor, Ingrid Naber is in discussion with
the accounts department. Ingrid and Hans-Joachim
Naber own equal shares in the company. She is responsible for HR, organization and finance. She decided she didn’t need a waiting room. »Anybody can
come in, whenever they like,« she says. She knows
what her staff want and the issues that preoccupy
them. Many pour their hearts out to her. »I like to help
people,« the manager says, »But naturally I am not always a soft touch.« Getting to the point is her thing.
»I’m also responsible for dealing with the more unpleasant decisions within the company.« It’s not often
that staff leave the company; Naber GmbH is one big
family. The company’s 180 staffers make it one of the
9
10
12
einem dieser Unternehmen hat Ingrid Naber selbst
gelernt, die Begeisterung für Mode ist ihr geblieben.
Ingrid und Hans-Joachim Naber sind ein eingespieltes Team. Sie ergänzen einander. Wie Salz und
Pfeffer. Hier die zupackende Managerin (»Ich behalte
Dinge gern in der Hand«), dort der Entwickler, der
Dinge ganzheitlich voranbringt. »Nicht alles muss
man selbst erfinden«, meint Hans-Joachim Naber,
den vor allem eines antreibt: eine unglaubliche Neugier auf die Welt. »Ich möchte nie Meister sein«, sagt
er unvermittelt, »lieber Lehrling, jemand, der für die
Logistik in der Küche sorgt. Damit schafft man nämlich wirklich Erleichterung.« Und da ist im Laufe von
Jahrzehnten einiges entstanden.
largest employers in Nordhorn since the decline of the
local textile industry. Ingrid Naber started her career
in one of these companies and her passion for fashion
has never left her.
Ingrid and Hans-Joachim Naber are an experienced
team. Like salt and pepper, they complement one another. On the one hand there’s the hands-on executive
(»I like to keep my eye on things«), on the other the
developer, pushing things along holistically. »It’s not
necessary to invent everything yourself,« notes HansJoachim Naber, who is driven by one thing alone: an
unquenchable curiosity about the world. »I never want
to be a master,« he says abruptly, »I’d much rather
remain an apprentice, someone who takes care of lo-
»Ich bin für klare Regeln. Wer als Letzter den Raum verlässt,
schließt auch das Fenster.«
»I’m a fan of clear rules. Whoever leaves the room last should be
the one to close the windows.«
Ingrid Naber
1975 übernahmen Ingrid und Hans-Joachim Naber
den Großhandel für Tischlereibedarf und Möbelbeschläge, den Hermann Naber seit 1948 aufgebaut
hatte. Konsequent setzten sie nun auf Küchenzubehör. Und hatten Erfolg damit. Im selben
Jahr entsteht das Luftkanalsystem »Compair«,
1976 folgt »Dassa«, ein in die Arbeitsplatte eingepasster Abfallsammler, der noch heute im
Programm ist. Ausgefeilte technische Lösungen und vielfach mit Preisen ausgezeichnetes
Design machen Naber aus. Dazu kommen fast
40 Jahre Erfahrung mit Abluft- und Abfallsystemen.
»Ohne Bewährtes in Frage zu stellen, strebt Naber
kontinuierlich nach dem überraschend Neuen, dessen Wert im täglichen Gebrauch nachhaltig anhält«,
hieß es 2008 in der Broschüre zum 60-jährigen
Bestehen der Firma. Daran hat sich nichts geändert.
Im Archiv des passionierten
Sammlers
»Warten Sie, gleich hab ich’s«, beruhigt HansJoachim Naber seinen Gast und gräbt sich durch
Container mit Material. Der 68-Jährige wuchtet
Container für Container, entdeckt immer neue
Stücke. Die Wände seines Büros überzieht ein Teppich
aus Plakaten, Blechen, Schildern und Sprüchen. Es
wirkt wie das Archiv eines passionierten Sammlers.
gistics in the kitchen. You’d really be making people’s
lives easier.« And there have certainly been developments in this domain over the decades.
In 1975, the Nabers took over the wholesale company
for joinery supplies and furniture fitting that Hermann
Naber had first established in 1948. Determinedly,
they set to work on the domain of kitchen accessories.
They were successful. That same year »Compair«, a
ducted air extraction system, was introduced. In 1976,
»Dassa« was released: a waste collector, integrated into
the kitchen worktop, still listed in the catalogue today.
Polished technological solutions and prize-winning
designs are what makes Naber stand out. Additional,
the firm has almost 40 years’ experience with air extraction systems and waste disposal systems. According to the 2008 brochure, celebrating the company’s
60th anniversary, »Naber continually strives to create
the new and exciting, to come up with products whose
value will be felt in a lasting way during everyday use,
without calling into question that which has already
been proven.« This formula remains true today.
Into the archives of the
avid collector
»Hold on, I’ve nearly got it,« Hans-Joachim Naber
reassures his guest as he digs through containers of
13
Oder wie ein französisches Bistro, das wegen Überfüllung schließen musste. In diesem Gesamtkunstwerk à la Kurt Schwitters hat sich Naber einen Inspirationsraum gerettet, einen Ort geregelter Unordnung
in einem Verwaltungsgebäude, das sehr clean wirkt,
durchdacht bis ins Detail. Eigentlich, berichtet der
Chef, hatte er ein Eckbüro erhalten, doch da habe
er sich nicht wohlgefühlt, so abgeschnitten vom
Geschehen. Nun hat Sohn Lasse, seit 2003 Mitglied
der Geschäftsleitung, das betreffende Zimmer bezogen. Und Vater Hans-Joachim sitzt mittendrin,
in seinem Inspirationsraum mit Blick auf die Anlieferung und den flachen Forschungspavillon, halb
versteckt hinter Grün und einer Sammlung von
Objekten, Figuren und Aufstellern auf dem Fenstersims. Rechts im Eck steht eine Holzfigur mit Bart
und Brille, die an Kapitän Haddock aus dem Comic
»Tim und Struppi« erinnert, freilich ohne Kapitänsmütze. »Das bin ich selbst«, sagt Hans-Joachim
Naber, »ein Geschenk der Mitarbeiter. Die wussten, dass meine Frau und ich Holzfiguren aus dem
Erzgebirge sammeln.« Viel Platz ist nicht mehr auf
dem Schreibtisch, eine Phalanx von Zetteln hat sogar die Schreibunterlage erobert, das Powerbook
ist ganz an den Rand geschoben. Links daneben
liegen drei Hefte in Orange, Blau und Lila. »Ideas«,
»Concepts«, »Inspiration« steht auf ihnen. Allmählich versteht man, woher die vielen Ideen kommen
und wie Hans-Joachim Naber sie verbindet, sodass
irgendwann Produkte daraus werden – echte Dinge,
die verkaufbar sind.
material. The 68-year-old ferrets through container after container, continually discovering new items. The
walls of his office are covered by an array of posters,
sheets of metal, signboards and quotations, giving the
impression of some avid collector’s personal archive.
Or maybe a French bistro, forced to close due to overcrowding. This artistic synthesis à la Kurt Schwitters
forms a space of structured chaos within a building
that has primarily administrative functions. Naber
has preserved a space for inspiration. The effect is
clean, thought through to the smallest detail. Actually,
Naber tells me, he used to have a corner office, but he
never felt at ease there, so cut off from what was happening around him. The Nabers’ son, Lasse, a member
of the Management Board since 2003, now occupies
the aforementioned office. And Hans-Joachim sits in
the midst of it all, in his inspiration room with its view
over the delivery area and the shallow Research Pavilion, half-hidden behind the greenery and a collection
of objects, figures and mountings on the windowsill.
To the right, in the corner, stands a wooden figure
complete with beard and spectacles who looks somewhat like Captain Haddock from The Adventures of
Tintin, only without the captain’s hat. »That’s me,«
says Hans-Joachim Naber. »A gift from a colleague.
They knew that my wife and I collect wooden figures
from the Erz Mountains.« There’s not a lot of space
left on the desk: a flood of papers has taken over the
writing surface, the Powerbook has been pushed right
to the edge of the desk. To the left are three volumes
in orange, blue and lilac. Written upon them are the
»Beim Langstreckenlauf gilt wie im Leben:
Man darf nicht aufgeben.«
»The same is true of long distance running as of life:
you can never give up.«
Hans-Joachim Naber
Und wo entstehen all diese Gegenstände? Naber
leistet sich eine eigene Entwicklungsabteilung.
Gleich am Eingang des Labors warnt ein Schild vor
unbefugtem Betreten. Einige Schleusen später stehen
wir im Allerheiligsten, ein klinischer Raum, in dem
es klingt wie in einem Waschsalon. Die Geräusche
stammen jedoch nicht von gemächlich rotierenden
Trommeln, sondern von einer Versuchsanordnung,
die verschiedene Abluftsysteme testet. Ansaugen.
Stillstand. Ansaugen. Stillstand. Hans-Joachim
Naber weist auf den Zählerstand: Fast 70 000 Zyklen
words »Ideas«, »Concepts« and »Inspiration«. Gradually one comes to understand where the array of ideas
come from and how Hans-Joachim Naber manipulates them to eventually create products—real things
with real retail value.
And where are all these objects developed? Naber
boasts its own in-house development wing. Right at
the entrance of the laboratory, a sign warns the visitor
not to enter without authorization. A few air locks later we’re standing in the sacred temple, a clinical room
15
16
hat das Teil schon hinter sich. Im nüchternen Licht
der Abfallsystem-Testanlage zieht der Chefentwickler Schublade für Schublade auf. Auch Systeme von
Mitbewerbern sind darunter, auch sie werden genau
studiert. Es gilt, die Lücke zu finden – konstruktiv und gestalterisch. Naber hält über 200 Patente,
Gebrauchs- und Geschmacksmuster, eingetragene
Marken und Warenzeichen. Im Vordergrund stehen für ihn Nutzerkomfort, hohe Materialqualität,
gute Verarbeitung und Gestaltung. Dafür gab es ein
Dutzend Preise bis hin zum »Designpreis der
Bundesrepublik Deutschland«, der höchsten offiziellen deutschen Auszeichnung im Bereich Design.
Schätze, vom Keller
bis zum Dach
Hinter dem Logistikzentrum steht ein schmuckloses
Haus, es war das alte Büro, bevor 2008 das karminrote Verwaltungsgebäude entstand, das drinnen noch
heute so wirkt, als sei es gerade in Betrieb genommen
worden: kein Krümel in der Ecke, keine unaufgeräumte Teeküche, keine überquellenden Schreib­
tische. »Es ist mir einfach ein Anliegen, dass hier alles
perfekt aussieht«, hatte Ingrid Naber vorgegeben –
which by the sound of things could be a laundromat.
The noises originate not from the leisurely rotating
of washing machine drums, however, but from a test
assembly which tests various air extraction systems.
Suction. Stop. Suction. Stop. Hans-Joachim Naber
gestures towards the meter reading: the machinery
has almost 70,000 cycles behind it. In the pale light of
the test assembly for the waste disposal systems, the
chief developer opens drawer after drawer. Systems
created by rival companies are among them: these
too are studied closely. Finding fault is important, a
constructive and artistic activity. Naber has over 200
patents, among them utility and design patents,
registered trademarks and brand names. Emphasis is
placed upon user comfort, high quality of materials,
good manufacture and design. For this, Naber has
won a dozen prizes, including the German Design
Award, the highest official decoration in Germany in
the realm of design.
Cherish everything—from
cellar to rooftop
Behind the logistics center stands an unadorned building. This was the old office. It was used prior to the 2008
»Mein Vater hätte das nie gemacht – aber
einer muss ja den Mut aufbringen.«
»My father never would have done that—but someone
has to summon up the courage, don’t they?«
Hans-Joachim Naber
und recht behalten. Ordnung soll auch im alten Bürogebäude bald wieder herrschen. Bislang türmen sich
noch halb ausgepackte Schätze vom Keller bis unters
Dach: Tausende von Figuren aus dem Erzgebirge. Engel in Schachteln und Engel in Kindergröße, mannshohe Pyramiden und Miniaturausgaben von Weihnachtsschmuck. Das Erzgebirge, das ist die große
Leidenschaft von Ingrid Naber. Jedes Jahr gehen fast
2500 Räuchermänner als Weihnachtsgeschenke an
Freunde des Hauses und Geschäftspartner. Anfangs
hätten die Vertreter die Figuren eher erstaunt entgegengenommen, heute gibt es regelrechte Fans für das
außergewöhnliche Geschenk. Im Großen wie im
Kleinen gilt: Erst ist das Neue fremd, aber irgendwann möchte man es nicht mehr missen. Widerstände überwinden und Menschen ins Boot holen, das
kommt Ingrid und Hans-Joachim Naber bekannt vor.
Sie praktizieren es täglich.
completion of the deep red main building, where even
now you still get the feeling it was opened mere days
ago. There is no dust in the corners, no cluttered office
kitchenette, no overflowing desks. As Ingrid Naber
said, »It’s simply a concern of mine for everything here
to look perfect.« She’s been true to her word. Order
will soon rule again in the old office building. Until
recently, it’s been stuffed from the cellar to the eaves
with half-unpacked treasures, thousands of figurines
from the Erz Mountains. Angels in boxes, angels the
size of children, pyramids, tall as a grown man, miniature versions of Christmas decorations. The Erz Region is Ingrid Naber’s passion. Every year at Christmas,
almost 2500 carved wooden figures are sent to company friends and business partners. At the beginning,
these figurines were received with surprise, but now
there are many dyed-in-the-wool fans for this unusual
gift. As they say: at first what is new is strange, but at
17
Ins Erdgeschoss soll das Naber-Firmenmuseum
einziehen: Bilder des ersten Messestands auf der
interzum im Mai 1981 in Köln, die Ehrenurkunde des Großvaters Gerrit Naber zum 50-jährigen
Meister­jubiläum im November 1962, weiß-grüne
Naber-Fußballwimpel mit dem Motto »Wer sich
nicht bewegt, bewegt nichts«. Zugleich soll eine kleine Geschichte der Einbauküche lesbar werden. Von
der berühmten »Frankfurter Küche« Margarete
Schütte-Lihotzkys über Nachkriegseinbauten bis
hin zur Concept Kitchen von Kilian Schindler, mit
der die Firma Naber all jene erreichen will, die für
Einbauküchen inzwischen verloren gegangen sind.
Modular aufgebaut, streng weiß und metallisch
der Korpus, zeigt das mit dem »Designpreis der
Bundesrepublik Deutschland« bedachte Stück, was
Kochen für eine mobile Generation bedeuten
könnte: puristischer Fun.
In der Tradition
der »Frankfurter Küche«
Es ist spät geworden. Ingrid und Hans-Joachim
Naber sitzen unter der Pergola. Subtropisch fühlt
sich der Abend an, Federwolken verwirbeln im Restlicht. Eigentlich wollten sie essen gehen. Doch es gibt
immer etwas zu tun. Heute sind Fotografen im Haus.
Früher konnte er das eher, sinniert Hans-Joachim
Naber und steckt sich die Pfeife an: abschalten. Selbst
im Urlaub dauert es eine Woche, bis der begeisterte
Wanderer so richtig weg ist. Er sagt das einfach so,
ohne Klage. Ingrid Naber nickt wissend. Es gibt
Pizza und Wasser am langen Tisch. Der Gärtner ist
mit dabei, Fotograf Markus Burke aus München mit
Assistent und der Frankfurter Designer Adrian
Nießler. Hinter den übermannshohen Hainbuchenhecken arbeiten sie an Fotos der Concept Kitchen,
einem völlig neuen Ansatz des Unternehmens. Erstmals bietet der Zulieferer eine eigene Systemküche
an, eine, die durchaus in der Tradition der »Frankfurter Küche« steht, doch vor allem von dem Gedanken der Freiheit geprägt ist. Für Menschen, die sich
nicht mit einer fertigen Einbaulösung abfinden wollen, sondern ihr Stück in die nächste Wohnung mitnehmen und ständig verändern möchten. Ein greifbares Stück Flexibilität. Auch dafür galt es Widerstände zu überwinden. Ingrid Naber seufzt: »Erst
dachte ich: Na ja, was das wohl kosten mag?« Doch
längst hat die Concept Kitchen in der resoluten
Managerin ihre überzeugendste Anhängerin gefunden. »Vom Design her finde ich sie wunderschön«,
sagt Ingrid Naber und setzt hinzu: »Ich würde sie
mit anderen Teilen kombinieren.« Und darin ist sie
wahrlich meisterlich.
•
some point you realise you don’t want to live without it.
Winning people over and overcoming resistance is
nothing new to the Nabers. They do it daily.
The Naber Company Museum is to be located on the
ground floor. Images of the first stand at the interzum
trade fair in May 1981 in Cologne, the honorary certificate given to Hans-Joachim’s grandfather, Gerrit
Naber, at the 50-year jubilee of Master Craftsmen in
November 1962, a green-and-white Naber football
pennant with the motto »Wer sich nicht bewegt, bewegt nichts« (Those who do not move will move nothing) will be displayed. Furthermore, a small history of
the fitted kitchen will be installed for readers, detailing
the story from the famous so-called Frankfurt Kitchen by Margarete Schütte-Lihotzky to fitted kitchens
in the post-war period right up to Kilian Schindler’s
Concept Kitchen, with which Naber GmbH hopes to
achieve all that which has been lost from the fitted
kitchen concept over the years. This modular piece
with white and metal elements, honoured with the
German Design Price, demonstrates what cooking
could mean for a mobile generation: purist enjoyment.
In the tradition of the
»Frankfurt Kitchen«
It’s getting late. Ingrid and Hans-Joachim Naber are
sitting beneath the pergola. The evening feels subtropical, fluffy clouds hang in the dusk light. They’d had
plans for dinner, but there’s always something that
needs taking care of. Today photographers came to
visit. Naber lights his pipe and begins to unwind. Even
when on holiday, it takes a week before the avid hiker
really feels like he’s got away. He says it without complaint. Ingrid Naber nods in agreement. There is pizza
and water on the long table. The gardener has joined us,
as well as photographer Markus Burke from Munich,
his assistant and designer Adrian Nießler from Frankfurt. Behind the towering hawthorn hedges they work
on photos of the Concept Kitchen, a completely new
approach for the company. For the first time the supplier offers his own kitchen system, in the style of the
tra­ditional ����������������������������������������
»���������������������������������������
Frankfurt Kitchen����������������������
«���������������������
, but which nevertheless laid great emphasis on the concept of freedom. This
design is for people unwilling to put up with a readymade fitted solution and who instead want to take their
kitchen with them to their next apartment. People who
want to continually be able to make alterations. Ingrid
Naber sighs: »At first I really thought, goodness, what’ll
be the cost?!« Yet she has become the Concept Kitchen’s most committed fan. »I find the design absolutely
beautiful,« she says, »I’d love to combine it with other
pieces.« And on this front, she is a true master.
•
18
Warum die Naber Concept Kitchen von Kilian Schindler bei Tolix
gefertigt wird, dem französischen Spezialisten für Stahlmöbel.
Und warum diese Kombination besondere Gestaltung und Lang­
lebigkeit verspricht. Über die Leichtigkeit von Metall, authentischen
Materialeinsatz und Charakterbildung im Design.
Die Tolix-DNA:
sperrig,
kantig, klug.
The Tolix DNA:
bulky,
angular, smart.
Why is Kilian Schindler’s Naber Concept Kitchen manufactured
by Tolix, the French specialists for steel furniture? And why does this
team promise to deliver such a great design and longevity? On
the lightness of metal, the use of authentic materials, and character
formation in design.
Text: O l i v e r H e r w i g — Photos: J u l i a n B a u m a n n
DE
EN
Seit Generationen löst Xavier Pauchards »Chaise
A« ein, woran die Moderne meist scheiterte: einfache Entwürfe bezahlbar zu machen. Während das
Bauhaus Geschmack für alle predigte und doch nur
unbezahlbare Kleinserien schuf, ging der Handwerker Pauchard einen anderen Weg. 1927 gründet er die Firma Tolix, die sich auf die Herstellung
von Stühlen, Sesseln, Hockern und Metallmöbeln
spezialisierte. Pauchard dachte in Serien und hatte
eine Innovation zur Hand: Er verzinkte Möbel
aus Weißblech, um sie noch unempfindlicher zu
machen. »Chaise A« ist ein Kind des Industriezeitalters. Seine sperrige Eleganz erwächst aus der
Notwendigkeit, Blech so zu biegen, dass sich belastbare Strukturen ergeben.
For generations now Xavier Pauchard’s »Chaise A«
has come good where most of Modernism failed: with
making simple designs affordable. While the Bauhaus
advocated good taste for all and then only made unaffordable small series, craftsman Pauchard opted for a
different approach. In 1927 he founded the Tolix company which specialized in manufacturing chairs, armchairs, stools and metal furniture. Pauchard thought
in terms of mass production and was able to wield an
innovation here: He galvanized furniture made of
sheet steel in order to render it more impervious to
wear and tear. »Chaise A« is a child of the industrial
age. Its hard-edged elegance stems from the need to
bend sheet metal in a way that allow strong load-bearing structures to arise.
21
22
Pauchard bewies mit ausgestellten Beinen und klarer
Prägung, dass industrielle Logik, Konstruktion und
zeichenhaftes Aussehen einander bedingen. Oder, wie
der Designer Kilian Schindler es ausdrückt: »›Chaise
A‹ ist so erfolgreich, weil er es schafft, durch den stringenten Einsatz der technischen Details in der Metallverarbeitung dem Produkt eine derart starke Authentizität zu verleihen, dass der Betrachter gerade diese
With the visible legs and clear embossing, Pauchard
showed that industrial logic, construction techniques
and symbolic image were mutually decisive. Or, as
designer Kilian Schindler puts it: »›Chaise A‹ is so
successful because it manages by the stringent use of
technical details in the metalworking to give the
product such a strongly authentic feel that the viewer
inevitably regards the technical details as a striking
»›Chaise A‹ ist so erfolgreich, weil er es schafft, durch den stringenten
Einsatz der technischen Details in der Metallverarbeitung
dem Produkt eine derart starke Authentizität zu verleihen, dass der
Betrachter gerade diese technischen Details als markantes
Stilmittel empfinden muss.«
»›Chaise A‹ is so successful because it manages by the stringent use
of technical details in the metalworking to give the product such a
strongly authentic feel that the viewer inevitably regards the technical
details as a striking stylistic touch.«
Kilian Schindler
technische Details als markantes Stilmittel empfinden
muss.« Bezeichnenderweise entstand der Entwurf
nicht auf dem Papier, sondern direkt in der Werkstatt
des Praktikers Pauchard. Über die Jahre wuchs eine
ganze Modellfamilie heran, robust und stapelbar, gedacht für den Einsatz in Cafés und auf Terrassen unter
der Sonne Frankreichs.
stylistic touch.« Tellingly, the design was not the child
of a drawing board, but arose direct on Pauchard’s
work bench—he was nothing if not practical. Down
through the years, an entire product family emerged
of robust and stacking metal furniture, destined for
a life in cafés and on the terraces under France’s
blazing sun.
Selbst an Bord des Luxusliners »Normandie« taten
Pauchards Möbel ihren Dienst. Als Botschafter der
Industrienation Frankreich schipperten sie über den
Atlantik nach New York. Als Pauchard schließlich
beauftragt wurde, 1937 für die Pariser Weltausstellung 12 000 Stühle zu liefern, war dies der endgültige
Durchbruch für den Selfmademan. Mit einem Mal
stand der Tüftler auf einer Stufe mit den Großen der
Moderne, mit Mies van der Rohe und Le Corbusier.
Inzwischen gilt die Firma Tolix als herausragende
Vertreterin einer Industriemöbel-Bewegung, die den
rauen Charme der unverwüstlichen Objekte bewusst
gegen perfekt inszenierte Interieurs der Gegenwart
ausspielt.
Pauchard’s furniture even saw service on board the
luxury »Normandie« liner. As ambassadors of France
as a proud industrial nation they crossed the Atlantic
to New York. When Pauchard was then commissioned
to supply the Paris World Exhibition of 1937 with
12,000 chairs his breakthrough as a self-made man
was as good as guaranteed. Suddenly the inquisitive
engineer was being mentioned in the same breath as
the greats of Modernism, such as Mies van der Rohe
and Le Corbusier. Today, the Tolix company is an outstanding representative of a movement in industrial
furniture that consciously deploys the coarse charm
of indestructible objects as a foil to perfectly staged
contemporary interiors.
23
24
26
27
Wenn Kilian Schindlers Concept Kitchen sich also in
die Tradition jener Arbeitstische, Spinde und Werkzeugschränke aus Metall stellt, die als Inbegriff funktionaler Gestaltung das vergangene Industriezeitalter
prägten, so hat das System. Der frankophile Designer
aus Karlsruhe erklärt dazu ganz trocken: »Die DNA
von Tolix passte einfach am besten zur DNA der
Concept Kitchen. Beide sprechen eine sperrige, industriell geprägte Formensprache.«
If Kilian Schindler’s Concept Kitchen can be seen in
the lineage of those metal work benches, lockers and
tool cupboards that are the epitome of the functional
design that so shaped the face of the past industrial
age, then this is deliberate. The Francophile designer
from Karlsruhe explains it quite simply: »Tolix’ DNA
simply fits the Concept Kitchen DNA best. Both
speak a wiry formal language emphatically emphasized by industry.«
Einander blind
verstehen
Understanding each
other perfectly
Wie aber kam es überhaupt zu dem Projekt Concept
Kitchen? Hans-Joachim Naber berichtet von einem
jener Zufälle, die nach einem Roman klingen. Auf
der Koelnmesse 2010 stieß er auf Arbeiten von Kilian Schindler, der gerade nicht an seinem Stand war.
Der Unternehmer hakte nach. Ihm hatte die Drahtgarderobe gefallen, die Schindler präsentierte. »Herr
Naber rief mich nach der Messe an und bot mir an,
an der Concept Kitchen mitzuarbeiten«, erinnert
sich der Designer. Das eigentliche Briefing folgte
in Mailand, auf der Leitmesse der Möbelindustrie.
Juniorchef Lasse Naber und Marketingleiter / Produktentwickler Martin Staaks präzisierten das, was zuvor am Telefon besprochen worden war. Es ging um
die »Entwicklung eines mobilen Küchensystems im
Allotment-Style«. Nun fehlte nur noch ein Spezialist wie Tolix, der genug Know-how und Sensibilität
besitzt, um ein puristisches Küchen-Regalsystem
herzustellen. Die Franzosen erwiesen sich als idealer Partner, mit dem die Firma Naber das Konzept verfeinerte und zur Produktionsreife brachte.
»Sie haben Respekt vor dem kreativen Arbeitsprozess der Gestalter – und ich vor ihrem handwerklichen Können. Designer und Ingenieure müssen zwar
nicht die gleiche Sprache sprechen, einander aber
gut – blind – verstehen«, sagt Kilian Schindler. Das
funktioniert offenbar auf den unterschiedlichsten
Ebenen. »Wir haben verschiedene Lieferanten ausprobiert – aber nur Tolix erfüllte alle Voraussetzungen«,
ergänzt Hans-Joachim Naber.
So how did the Concept Kitchen project come about?
Hans-Joachim Naber tells of one of those coincidences
that are the stuff of novels. At the Koelnmesse 2010
trade fair he saw pieces designed by Kilian Schindler,
who was not on the booth at the time. The entrepreneur followed up, as he liked the wire wardrobe
Schindler had presented. »Mr. Naber rang me after
the fair and offered to collaborate on the Concept
Kitchen,« Schindler remembers. The actual briefing
took place in Milan, at the world’s key furniture
fair. Junior MD Lasse Naber and Marketing Director /product developer Martin Staaks developed the
terms for what had been outlined on the phone,
namely the »development of a mobile kitchen system
in an allotment style«. All that was now lacking was a
specialist like Tolix who had the requisite know-how
and sensitivity to manufacture a purist kitchen shelving system. The French firm proved to be an ideal
partner, joined Naber in refining the concept and
readying it for market. »They respected the designers’
creative process just like I really appreciated their
craftsmanship. While designers and engineers don’t
always speak the same language, in this instance they
understood each other perfectly,« recalls Kilian
Schindler. Evidently this functions on all sorts of levels. »We tried out different suppliers, but only Tolix
fulfilled all our requirements,« adds Hans-Joachim
Naber.
»Chaise A«, stählern und feuerverzinkt, steht längst
in den Kollektionen des MoMA und des Centre
Pompidou. Er ist ein echter Klassiker geworden, ein
Design-Statement. Gute Voraussetzungen eigentlich
für die Concept Kitchen von Hans-Joachim Naber und
Kilian Schindler, die von Anfang an mit Auszeichnungen und Designpreisen überschüttet wurde.
•
»Chaise A«, steel and galvanized, is long since included in the MoMA and Centre Pompidou design
collections. It has become a real classic and a design
statement. A good basis for the Concept Kitchen
created by Hans-Joachim Naber and Kilian Schindler,
which has from the word go won any number of
awards and design prizes.
•
28
»Am Anfang stehen
Überlegungen
zu der Struktur, nach
der wir leben.«
»The starting point:
considerations
of the structure of
our lives.«
Interview: S o p h i a M u c k l e — Photo: J u l i a n B a u m a n n
29
Gemeinsam mit der Firma Naber, dem auf Küchenzubehör spezialisierten
Familienunternehmen aus Nordhorn, entwickelte das Bureau Kilian Schindler
ein modulares Küchensystem. Mit ihrer flexiblen, offenen Gestaltung sorgte
die Concept Kitchen auf einschlägigen Messen für Aufsehen und wurde mit
den renommierten Designpreisen »Plus X Award 2011«, »Interior Innovation
Award 2012« und Gold in der Kategorie Home Interieur des »German Design
Award 2012« ausgezeichnet. Mit dem Produkt­
designer Kilian Schindler
sprach Sophia Muckle in seinem Karlsruher Büro.
Together with Naber, the Nordhorn-based family company specializing in
kitchen accessories, Bureau Kilian Schindler has developed a modular kitch­
en system. With its flexible, open design the Concept Kitchen is causing a stir
at specialist trade fairs and was awarded the renowned design prizes »Plus X Award 2011«, »Interior Innovation Award 2012« and Gold in the
Home Interior category of the »German Design Award 2012«. Sophia Muckle
spoke to product designer Kilian Schindler in his office in Karlsruhe.
DE
SM
KS
Ihr Entwurf der Concept Kitchen wirkt wie ein radikaler Gegenentwurf zur klassischen Einbauküche.
War diese Position von Anfang an geplant, Herr
Schindler?
Nein, dieser Gedanke stand nicht im Vordergrund.
Das Projekt begann viel besser – nämlich mit grundsätzlichen Überlegungen zum Leben, Arbeiten und
eben auch zum Kochen. Da ging es um die Frage,
wie oft man im Leben umzieht: Was nimmt man mit,
was bleibt zurück? Bei jedem Umzug ist die Küche
ein Problem. Als Besitzer einer Küchenzeile muss
man heilfroh sein, wenn der Nachmieter das Ding
abnimmt. Der Begriff »Einbauküche« verrät schon,
dass sich die Küche in die Architektur einfügt – und
die nächste Wohnung erfordert garantiert andere
Einbauten. Deswegen war uns wichtig, dass sich die
EN
SM
Your Concept Kitchen design is like a radical counter-design to the classic fitted kitchen. Was this your
intention from the start, Mr. Schindler?
KS
No, that idea was not at the front of my mind. The
project began much better—namely with a fundamental consideration of life, work and, indeed, cooking. We thought about how often we move house
during our lifetime. What do we take with us? What
do we leave behind? The kitchen always presents a
problem, in every move. Given that it is very common
in Germany to buy and install your own kitchen in a
rented apartment, as an owner of a fitted kitchen,
you can count yourself very lucky if, on moving out,
the tenant coming in after you is willing to buy the
kitchen units off you. The term »fitted kitchen« already makes it clear that the kitchen is integrated
30
Concept Kitchen an die Lebensumstände und die eigenen Vorlieben anpasst. Wir haben das System so
gestaltet, dass der Aufbau unkompliziert und ohne
Werkzeuge zu schaffen ist. Damit wird die Küche zum
Möbel, das man einfach mitnimmt. Eine andere Frage, die uns interessierte, war: Wo braucht man eine
Küche? Es wird doch nicht nur zu Hause gegessen
und gekocht, sondern im Büro, in der Werkstatt, bei
Ausstellungen oder im Schrebergarten. Für diese
Mahlzeiten be­nötigt man aber nicht die Ausstattung, die man zu Hause im Schrank hortet. Daher
ist die Concept Kitchen weniger eine Gegenposition
zur Einbauküche, sondern eher eine Alternative – die
praktische Lösung für eine Vielfalt von Situationen
und Bedürfnissen.
SM
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Naber, die so
viel Freiraum für grundsätzliche Überlegungen ließ?
KS
Die Zusammenarbeit mit Naber entstand aus einem
ganz anderen Projekt. Für den Entwurf einer Garderobe hatte ich mich mit Schrebergärten beschäftigt.
Mich faszinieren Schrebergartenhütten, die oft eine
Collage aus Fertigteilen und eigenen Lösungen der
Gartenbesitzer sind. Da entstehen Miniaturwelten –
mal rustikal, mal mediterran, aufgeräumt oder
chaotisch. Auf jeden Fall authentisch und lebendig.
into the architecture—and your new apartment is
guaranteed to have different dimensions. That is
why it was important to us that the Concept Kitchen
adapts to the user’s circumstances and personal
preferences. We have designed the system such that
it can be assembled easily and without the need
for tools. In this way the kitchen becomes furniture
you can simply pick up and take with you. Another
question that interested us was: Where do we need
a kitchen? For we don’t just eat and cook at home,
but also at the office, in the workshop, at exhibitions
or in the allotment garden. For these mealtimes however we don’t need all the equipment we pile up in
our cupboards at home. So the Concept Kitchen is
not so much a counter-design to the fitted kitchen,
but more an alternative—the practical solution for a
variety of situations and needs.
SM
How did your collaboration with Naber come about,
which left you so much space for fundamental
considerations?
KS
Our collaboration with Naber resulted from an entirely
different project. I had been looking into allotment
gardens when working on the design of a coatrack. I
am fascinated by the little huts you find in allotment
gardens, which are often a collage of prefabricated
»Der neue Ansatz besteht darin, dass die Küche nur ein Gerüst liefert,
das erst der Benutzer mit Leben füllt.«
»This new approach consists in deliberately supplying the kitchen
only as a frame, which the user fills with life.«
Kilian Schindler
Als Garderobe hatte ich deshalb einen Metallrahmen entworfen, angelehnt an die Rank- und Kletterhilfen, die man im Garten verwendet. Der Entwurf
liefert ein Gerüst, und der Besitzer entscheidet, wie
die Garderobe aussehen soll – ordentlich, reduziert und minimalistisch oder völlig zugehängt und
überbordend. Dieser Gestaltungsansatz hatte
Herrn Naber, den Seniorchef des Unternehmens,
neugierig gemacht, und deswegen kontaktierte
er mich.
elements and the owner’s own solutions. Miniature
worlds emerge—sometimes rustic, sometimes Mediterranean, tidy or chaotic. And always authentic and
lively. So my coatrack design featured a metal frame
based on the trellises you use in the garden. The
design provides a framework, and the owner decides
what the rack should look like—orderly, reduced and
minimalistic, or exuberant and completely overloaded. This design approach intrigued Mr. Naber, senior
chief of the company, upon which he contacted me.
31
Photo: F a b i a n F r i n z e l
Treading virgin territory—designer Kilian Schindler finalizes things along with
Managing Director Lasse Naber, who devised the business plan for the
Concept Kitchen project, and product developer Martin Staaks (from the l.)
Neuland betreten – Designer Kilian Schindler tüftelt mit Geschäftsführer
Lasse Naber, der den kaufmännischen Ansatz für das Projekt Concept
Kitchen erarbeitet hat, und Produktentwickler Martin Staaks (von links)
SM
Was zeichnet neben den zahlreichen Designpreisen
Ihrer Meinung nach das Projekt aus, Herr Schindler?
KS
Die Auszeichnungen sind natürlich eine tolle Bestätigung für den Entwurf. Was das Projekt für mich
aber so besonders macht, ist auf den ersten Blick
gar nicht sichtbar! Ich fand es zum Beispiel außer­
ge­wöhnlich, dass sich ein Unternehmen auf etwas
ganz Neues einlässt und erst mal in eine umfangreiche Recherche investiert. Naber ist ursprünglich ein
Spezialist für Küchenzubehör, der mit der Concept
Kitchen Neuland betritt. Das Projekt ist deswegen
für alle Beteiligten – bis hin zu den Mitarbeitern im
Außendienst – ein intensiver Lernprozess. Diese Bereitschaft zum gemeinsamen Lernen und die enge
Zusammenarbeit mit dem Produktentwickler Martin
Staaks, der mit mir an den Details tüftelte, machte
überhaupt erst die Entwicklung eines neuen Ansatzes möglich. Der neue Ansatz besteht darin, dass
die Küche ganz bewusst nur ein Gerüst liefert, das
erst der Benutzer mit Leben füllt. Die Modulstruktur ermöglicht außerdem, dass man sich nur das
anschafft, was man braucht. Wenn ich als junger
Mensch in meiner ersten Wohnung nur selten koche,
will ich keine ganze Küchenzeile kaufen. Trotzdem
möchte ich mein Geld nicht in zukünftigen Sperrmüll investieren, sondern suche eine Lösung, die sich
mitnehmen, erweitern oder umnutzen lässt und die
SM
In addition to the numerous design awards, what
in your opinion characterizes the project, Mr.
Schindler?
KS
The awards are naturally a great acknowledgement
of the design. But what makes the project so special
for me is not even visible at first glance! For instance,
I thought it extraordinary that a company was willing to try out something completely new and invest
in extensive research. Naber is actually a kitchen
accessories specialist and has thus entered virgin
territory with the Concept Kitchen. So for everyone
involved, including field sales staff, the project represents an intensive learning process. It was this willingness to learn together and our close collaboration
with product developer Martin Staaks, who hammered out the details with me, that made it possible
to develop a new approach in the first place. This
new approach consists in deliberately supplying the
kitchen only as a frame, which the user fills with life.
Moreover, the modular structure enables the user to
buy only those things he needs. If as a young man I
only cook rarely in my first apartment, I don’t want
to buy an entire kitchen. Nonetheless I don’t want
to invest my money in future refuse. I am looking for
a solution I can take with me when I move, extend
or convert and that is produced in Europe under
decent conditions. If I move to another place or my
32
in Europa zu vernünf­tigen Konditionen gefertigt wird.
Ändert sich die Stadt oder die Lebenslage, kann ich
mein Modul mitnehmen und ergänzen. Zum Beispiel
durch ein weiteres Modul oder doch durch die Einbauschränke, die meine Freundin mitbringt. Diese
Flexibilität versteckt der Entwurf nicht hinter Fronten, sondern er setzt sie in Szene. So eine Entwicklung ist nur möglich, wenn man am Anfang über die
Strukturen nachdenken kann und darüber diskutiert,
wie wir eigentlich mit den Dingen leben. Wenn man
beim Entwerfen solche Gedanken umsetzen kann,
dann ist das schon etwas Besonderes!
SM
KS
Das Innovative der Concept Kitchen besteht ja wohl
vor allem im gestalterischen Ansatz und der Struktur,
die ja auf den ersten Blick ganz einfach wirkt?!
Wenn etwas einfach oder selbstverständlich wirkt,
dann ist das ein echtes Kompliment. Aus Erfahrung
kann ich aber sagen, dass man dafür lange an
den Details tüftelt. Der Metallrahmen der Concept
Kitchen ist auf Schwerlasten ausgelegt – damit
man beispielsweise den Herd in der Höhe einbauen
kann, wo man ihn braucht. Damit die Böden trotzdem leicht wirken, haben wir Traversen in den Böden
entwickelt, die den Materialverbrauch senken und
die Stabilität sichern. Ähnlich viele Überlegungen
stecken in dem Clipsystem, das dafür sorgt, dass
man die Böden in der Höhe verstellen kann. Um
nur ein paar der technischen Feinheiten zu nennen.
Aber das ist so ein Moment, über den ich mich richtig freue: Man kauft sich etwas, weil es gut aussieht
oder weil es praktisch sein könnte – und dann entdeckt man beim Gebrauch, dass es auch noch
richtig clever ist.
•
circumstances change, I can take my module with
me and extend it, for example with another module
or even with my girlfriend’s fitted units. The design
does not hide this flexibility behind cupboard doors,
but highlights it. This kind of development is only possible if you can think about the structures at the start
and discuss how we actually live with these things. It
really is some­thing special if you can implement such
ideas in the design process!
SM
What is most innovative about the Concept Kitchen
is the formal approach and the structure, which at
first glance seems very simple. Would you agree?
KS
If something seems simple or self-evident, that is a
real compliment. Yet I can say from experience that
for that you need to spend a long time working on
the details. The metal frame of the Concept Kitchen
is designed for heavy loads—so that for example
you can install the oven at the required height. To
keep the bases light, we integrated crossbeams
into them to reduce the amount of material used
and ensure stability. A similar amount of thought
went into the clip system that enables users to adjust the height of the bases. And they are just two
of the technical details. But that is something that
makes me really happy: You buy something because
it looks good or could be practical—and then when
using it you discover that it is really ingenious into
the bargain.
•
33
Perspektiven.
Perspectives.
34
MARKUS BURKE
Concept Garden.
44
M A RC K R AU SE
Concept Home.
54
FA B IA N F R I N Z E L
Concept Office.
34
MARKUS BURKE
Concept Garden.
38
42
44
M A RC K R AU SE
Concept Home.
48
51
52
55
FA B IA N F R I N Z E L
Concept Office.
58
63
65
DE
Offen aus Prinzip.
Zu den Ideen von
Transparenz, Ehrlichkeit
und Offenheit als
Maximen der Moderne.
Text: M a r k u s F r e n z l
Illustration: J a n B u c h c z i k
Der Londoner Crystal Palace von 1851
nahm viele Themen der Moderne vorweg:
Aus Stahl und Glas gebaut, zeigte er
offen, wie er konstruiert und gebaut war –
er feierte die Schönheit der neuen Materialien und der Ingenieurskunst, stand für
eine neue Leichtigkeit und Transparenz.
Und dennoch versteckte der Historismus
die neuen Formen, Verbindungen und
Materialien noch für kommende Jahrzehnte
unter Krusten aus billig produzierten
Ornamenten, verbarg die Konstruktion oder
täuschte edle Materialien vor, um den
Menschen einen Zugang zu den Entwürfen
des Industriezeitalters zu ermöglichen.
Als Adolf Loos in seinem berühmten Aufsatz »Ornament und Verbrechen« von 1908
zum Ornamentverzicht aufrief, war dies
deshalb auch eine Forderung nach mehr
Ehrlichkeit in Architektur und Gestaltung.
Mit den Design-Bewegungen des frühen
20. Jahrhunderts wurden Transparenz,
Offenheit und Materialgerechtigkeit zu
Maximen der Moderne. Walter Benjamin
beschrieb dies so: »In der Signatur der
Zeitenwende steht, dass dem Wohnen im
alten Sinne, dem die Geborgenheit an
erster Stelle stand, die Stunde geschlagen
hat. Giedion, Mendelssohn, Corbusier
machen den Aufenthaltsort von Menschen
vor allem zum Durchgangsraum aller
erdenklichen Kräfte und Wellen von Licht
und Luft. Was kommt, steht im Zeichen
der Transparenz.« 1 Es ist eine Transparenz,
die formal und symbolisch dafür steht,
dass man nichts zu verbergen, vorzutäuschen oder zu beschönigen hat. Transparenz
macht das Innenleben sichtbar, zeigt
einstmals verborgene Abläufe, ja sie erlaubt
einen Einblick in den Lebensalltag, der
für den Menschen der Moderne nicht mehr
im Verborgenen, sondern im Öffentlichen
stattzufinden hat.
Die gewünschte Offenheit und Transparenz
offenbarte deshalb immer wieder ihre
Schattenseiten, wenn es um praktische
Fragen ging: Mies van der Rohes Farnsworth
House von 1950/51, das als eines der
radikalsten transparenten Gebäude des
International Style gilt, zog nicht nur den
Spott der Kritiker auf sich, sondern auch das
Missfallen der Bauherrin: Wer konnte in
einer solchen gläsernen Box wohnen, ohne
sich permanent beobachtet zu fühlen?
Darüber hinaus stand dem Prinzip des offenen Zeigens immer auch der Wunsch nach
einer Ästhetik der Aufgeräumtheit und Einfachheit gegenüber: Die leeren Räume der
Moderne, die White Cubes und asketischen
Lofts, die uns noch heute in den Wohnmagazinen gezeigt – und von Stylisten aufwendig inszeniert – werden, sind wohl nur
mit größter Disziplin so leer und aufgeräumt
zu halten. Einfachheit, das ist jedem
Designer bekannt, erfordert viel Arbeit.
Und leere Räume erfordern Einbauschränke
oder geschlossene Schrankwände, hinter
denen all der Kleinkram verschwindet, der zu
unserem Leben gehört, die Zeitschriften
und Bücher, die bei normalen Menschen im
Wohnzimmer herumliegen, die Sammlung
von Fernbedienungen auf dem Couchtisch,
unerledigter Papierkram auf dem Schreibtisch oder die tausend Geräte, Töpfe und
Kochlöffel in der Küche. Und so sind auch
die auf Hochglanz polierten Schrankwände
und die Einbauküchen mit ihren Hängeschränken, in denen alles verschwindet und
mit denen sich die Komplexität des Alltäglichen eliminieren lässt, Errungenschaften
des 20. Jahrhunderts. Sie stellen die formale Reduktion und Geschlossenheit oft
über praktische Aspekte und spiegeln in ihrer
glatten, geschlossenen Front alle Sehnsucht nach Ordnung, Aufgeräumtheit, Perfektion und Reinheit, die den Kritikern des
Funktionalismus zu Recht zum Ausdruck von
Dogmatismus und Emotionslosigkeit wurde.
In seinem Buch »Die Küche zum Kochen« von
1982 schrieb Otl Aicher: »Eine vor allem
in den USA verbreitete Schule der modernen
Architektur hat die Doktrin verfolgt, daß
Ästhetik ein Korrelat der Einfachheit sei. Also
hat man alles versteckt. Im Büro die Akten,
in der Küche Töpfe und Geschirr. Aber es gibt
auch eine Ästhetik der Komplexität. Wo
es vielfältige Vorgänge gibt, ist Vielfältigkeit
auch die entsprechende Information.« 2
66
67
68
Wie sich schon im Titel seines Textes zeigt,
galt es nun, der Küche wieder ihre eigentliche Aufgabe zurückzugeben, anstatt
sie einer aufgeräumten und hygienischen
Ästhetik zuliebe zu rationalisieren, wie
es die Moderne getan hatte, anstatt sie
zum reinen Statussymbol oder zum
bloßen Funktionsraum zu machen. Schon
vor 30 Jahren konstatierte Aicher deshalb, dass die Küchenfront für eine jüngere
Generation »ein Relikt aus einer vergangenen Welt« sei: »Ihre Küche muss nicht nur
aus Geldmangel offen sein.« 3
Digitale nicht länger in Schubladen oder
hinter Schranktüren verstecken wollen,
sondern offen zeigen. Und mit denen wir
immer auch signalisieren, dass wir stolz
sind auf die Produktkultur, dass wir um
die Qua­lität der Dinge wissen, dass in
einem Büro wirklich gearbeitet, in einem
Wohnzimmer gelebt und in einer Küche
wirklich gekocht wird.
Eine Küche, in der die Töpfe, Pfannen und
Messer, ja selbst die Zutaten, Vorräte,
Gewürze oder Kräuter sichtbar gezeigt und
nicht hinter Hängeschranktüren oder
Dennoch halten sich Einbauküchen, Hän­ge­ Regalfronten verborgen werden, feiert die
Schönheit von Komplexität und Vielfalt.
schränke und immer gleich aussehende
Sie kommt damit den Ideen der Moderne
Stauraummöbel hartnäckig in unseren
von Offenheit und Ehrlichkeit näher, als
Woh­nungen. Vielleicht sind wir, speziell in
der Küche, zu sehr von den jahrzehntelang manch einer aufgrund ihrer formalen
Komplexität denken würde. Die Küche wird
gesendeten Bildern der Werbung geprägt,
so zum Werkraum, in dem all die Werkzeudie uns eine spiegelglänzende Küche
als Wunsch jeder guten Hausfrau eingebläut ge gezeigt werden, auf die man stolz ist.
haben, in der jeder Fleck sofort »mit
Sie wird zum Tableau, auf dem die Lebens­
einem Wisch« beseitigt werden muss. Erst in mittel und ihre Zubereitung die Hauptrolle
jüngerer Zeit scheint ein neues Sehnsuchtsspielen. Sie ist nicht länger Fassade, die
motiv an die Stelle der glatten Perfektion zu sich bemüht, den bestmöglichen Eindruck
treten: Der Wunsch nach Vergangenheit,
von Perfektion, Sauberkeit und Hygiene
nach Tradition und handwerklichem Können zu vermitteln, sondern wird zur lebendigen,
war nie so groß wie in den vergangenen
fröhlichen Bühne, auf der sich das eigent­
zwei Jahrzehnten, da uns die Digitalisierung liche, manchmal chaotische Schauspiel
erfasst hat. So ist es kein Wunder, dass
des Kochens vollzieht. Sie stellt nicht länger
wir gerade jetzt auch das Kochen wiederdie aufgeräumte Sauberkeit in den Vorentdecken und in unzähligen Kochshows
dergrund, die nach jedem Kochen sorgsam
über die perfekte Zubereitung einfacher,
wiederhergestellt werden muss, sondern
ehrlicher Gerichte wie eines simplen
zelebriert den Akt der Essenszubereitung,
Kartoffelbreis philosophieren. Es ist eines der für den sie eigentlich da ist – selbst dann,
prägnantesten Zeichen unserer Zeit, dass
wenn in ihr gerade nicht gekocht wird. •
wir erst jetzt, wo sich viele Dinge ins Virtuelle
und Nichtgegenständliche verabschieden,
eine neue Begeisterung für die Komplexität
des realen Lebens und eine neue Liebe zu
den alltäglichen Dingen um uns herum ent­
decken: zu den ausdifferenzierten Küchenwerkzeugen, die über Jahrhunderte für
die verschiedensten Verrichtungen ersonnen
wurden, zu Gerätschaften, die fast schon
in Vergessenheit geraten sind, weil man sie
aufgrund ihrer Spezialisierung vielleicht
nur zweimal im Jahr braucht, zu geschmie­
1
Benjamin, Walter: »Die Wiederkehr des Flaneurs«. Gesammelte
deten Eisenpfannen, genial konstruierten
Schriften, Bd. III. Frankfurt am Main 1972 (1929), S. 196
Einmachgläsern oder schlichten Holz2
brettern, die von jahrelangem Gebrauch
Aicher, Otl: »Die Küche zum Kochen. Werkstatt einer neuen
Lebenskultur«. München 1982, S. 41
zeugen. Es sind Zeugnisse einer gegenständ3
lichen Welt, die wir im Zeitalter der
ebd.
EN
The Openness Principle.
On ideas of transparency,
honesty and openness as
Modernist maxims.
Text: M a r k u s F r e n z l
Illustration: J a n B u c h c z i k
London’s Crystal Palace of 1851 preempted many of Modernism’s themes:
Made of glass and steel it showed how
it was built for all to see; it celebrated the
beauty of new materials and the art of
engineering, and it stood for a new sense
of lightness and transparency. And yet
the historicism disguised what were for
the next few decades the new shapes,
connections and materials under a crust
of cheaply produced ornaments, hid the
structure or created the illusion of precious
materials in order to enable people to
accept the designs of the industrial age.
When Adolf Loos declared in his famous
1908 essay on »Ornament and Crime«
that people should avoid ornamentation,
it was likewise a call for more honesty in
architecture and design.
With the design movement of the early
20th century, Modernism made transparency, openness and an appropriate use
of materials its maxims. Walter Benjamin
described this thus: »The cult of ›dwelling‹
69
in the old sense, with the idea of security at
its core, has now received its death knell.
Giedion, Mendelssohn, and Le Corbusier
are converting human habitations into the
transitional spaces of every imaginable
force and wave of light and air. The coming
architecture is dominated by the idea of
transparency.«1 This transparency stands
formally and symbolically for the fact that
people have nothing to hide, to pretend
or to make more beautiful. Transparency
renders the life within visible, shows
once hidden processes and definitely allows
an insight into everyday life—which for
modern man no longer takes place in concealment but in the public domain.
The openness and transparency desired
thus frequently revealed its dark sides
when it came to being practical: Mies van
der Rohe’s Farnsworth House (1950 / 5 1),
which was considered one of the most
radically transparent buildings in the
International Style, was not only mocked
by critics, but scorned by the client:
Who could live in such a glass box without
permanently feeling they were being
watched? Moreover, the principle of open
revelation always contrasted with an
aesthetics of the uncluttered and of simplicity: Modernism’s empty rooms, the white
cubes and ascetic lofts that the interior
design mags still proudly present (and the
stylists elaborately stage for the pics)
can evidently only be kept so empty and
uncluttered by an immense amount of
discipline. Simplicity as any designer knows
is a matter of great effort. And empty
rooms call for unit cupboards or closed wall
cupboards, behind which all the small
stuff that is the essence of life then
disappears, the magazines and books that
in normal apartments lie here and there,
the set of remote controls on the couch
table, papers on a desk requiring attention,
or the thousands of appliances, pots
and ladles in a kitchen. Meaning that the
high-gloss unit cupboard doors and the
overhead units behind which it all disappear,
magicking away the complexity of everyday life, are 20th century achievements.
They often prioritize formal reduction and
smooth surfaces rather than practicality,
with their closed fronts mirroring the yearning for order, clear structure, perfection
for specialized kitchen tools that down
through the centuries have been devised
for the widest range of different meals, for
appliances that have almost been forgotten
In his 1982 book on »Die Küche zum Kochen« as they are so specialized you may only
use them twice a year, for wrought-iron pans,
Otl Aicher wrote: »A school of modern
architecture popular above all in the US has ingeniously constructed jars for preserves,
or simple wood cutting boards that attest to
pursued the doctrine that aesthetics is
a correlate of simplicity. So everything got many years of use. They are all testimony
to a world of objects that in the digital age
hidden away. The files in the office, the
pots and crockery in the kitchen. However, we prefer not to hide away any longer in
drawers or behind cupboard doors, and
there is also an aesthetics of complexity.
instead display openly. And with which we
Where there are diverse processes, there is
always also indicate that we are proud of
diversity and thus corresponding informa2
the product culture, that we know the quality
tion.« As the title of his book shows, the
idea was to restore to kitchens their actual of things, that we actually work in the
office, live in the living room and cook in the
task, cooking, instead of streamlining
kitchen.
them in favor of some clean and hygienic
aesthetics, as Modernism had done,
A kitchen in which pots, pans and knives,
reducing them to pure status symbols or
in fact even the ingredients, stores,
merely functional spaces. In fact, 30 years
spices and herbs are visible and not hidden
ago Aicher therefore insisted that the
line of clean kitchen cupboards was »a relic away behind fitted unit cupboard doors
or shelf fronts simply celebrates the beauty
of a past world« for a younger generation:
»Its kitchen must be open, and not just for a of complexity and diversity. It is thus
closer to Modernism’s ideas on openness
lack of money.« 3
and honesty than some might think given
its formal complexity. The kitchen thus
Yet, unit kitchens, overhead cupboards
becomes a workshop in which you make sure
and storage furniture that always look the
all the tools you are proud of are on
same stubbornly remain lodged in our
display. It becomes a tableau where food
apartments. Perhaps, specifically in the
kitchen, we are simply so strongly influenced and preparing food play the lead roles. It
is no longer a façade that aspires to convey
by the ad images of the last few decades,
the best possible impression as regards
that present a gleaming reflecting kitchen
top as every housewife’s true dream, where perfection, cleanliness and hygiene, and
instead becomes a lively, happy stage
every splash has to be eliminated immewhere the real and at times chaotic drama
diately. Only recently would a new theme of
of cooking occurs. It no longer foregrounds
yearning seem to be taking the place of
glossed perfection: The desire for a past, for some uncluttered clean image that you
have to painstakingly recreate each time
tradition and craftsmanship was never
as great as over the last 20 years in which you’ve cooked, but rather celebrates the act
of preparing the meal as what it really is,
digitalization has made such inroads into
our lives. It’s therefore hardly surprising that even when it’s not being used for cooking. •
we are now busy rediscovering cooking
and there are countless TV cooking shows
where people philosophize about perfect
preparations for a simple, honest meal, such
as plain old potato mash. One of the most
striking signs of the times is that only now are
1
we starting, when so many things are
Benjamin, Walter: »The Return of the Flaneur«. In Selected Writings,
vo. 2, part 1. Harvard Univ. Press, Camb./Mass., 1999, p. 264
heading fast into the domain of the virtual
2
and non-physical, to enthuse about the
Aicher, Otl: »Die Küche zum Kochen. Werkstatt einer neuen
Lebenskultur«. München 1982, S. 41
complexity of real life and a new preference
3
for everyday things: discovering that love
ibidem
and purity, which critics of functionalism
rightly said was an expression of dogmatism and a lack of emotion.
70
FIELD RECORDING.
Text: C h r i s t i n a I r r g a n g — Photos: D a v i d H e i t z
DE
EN
Schauplatz: ein offener Raum
des Lebens. Mehrere kubisch
geformte Boxen, die Platz für
Intimität bieten. Der Rest
spielt sich im Gemeinschaftsraum ab. Eine große offene
Fläche mit Dielenboden,
in deren Mittelpunkt ein langer
Holztisch zur Begegnung,
zum Zusammensein und zum
Wiederkommen einlädt.
Angrenzend: die Möglichkeit,
umsorgende Speisen, verführerische Getränke und
Behaglichkeit zuzubereiten.
Die alte Ziegelei wurde vor ein
paar Jahren zum Wohnraum
mit Deckenlicht umgebaut. Seither kommen und gehen
die Bewohner, die Gäste, die
Liebhaber.
Setting: an open room of life.
Several square boxes, offering
room for intimacy. The rest
takes place in the common room.
A large open space with wood
flooring, with a long wooden
table at its center—a place for
meeting people, spending
time together and coming back
again and again. Adjacent:
the possibility to prepare wholesome meals, seductive drinks
and coziness. The old brickworks were converted into a
living space with ceiling light
a few years ago. Since then
the residents, guests and lovers
come and go.
72
73
Die Küchensituation ist neu.
Einige Module stehen im
offenen Raum, einige sind an
der Wand platziert, umgeben
von Dingen, die schon da waren,
und gedacht für Dinge, die
noch hinzukommen mögen. Auf
einem fast quadratischen
Beistellelement steht die gläserne
Salatschale der Großmutter,
gefüllt mit einer halben Gurke,
Zitronen und Kräutern im
Wasserglas. Die Keramikschale
von der besten Freundin
steht für die Guacamole bereit –
Lieblingsessen für die
Gäste heute Abend. Das Messerset der Eltern liegt verstreut,
parat für die Arbeit. Die
Töpfe und Vorräte sind noch
teils unsichtbar in Boxen
auf einer der unteren Ablagen
verstaut. Eine selbst genähte
Küchenschürze hängt am
Haken nahe der Spüle. Alle
versammeln sich um den
Arbeitstisch, um den Salat vorzubereiten. Rot leuchten die
geschnittenen Tomaten auf dem
hellen Holz. Der aus der
Heimat mitgebrachte Kaffee
wurde gerade eben aufgebrüht,
er duftet – und der Blick fällt
auf einen Liebesbrief, der nahe
beim Gewürzbrett hängt.
The kitchen situation is new.
Some modules are placed in the
open space, others against
the wall, surrounded by things
that were already there, and
intended for things that may
be added in future. Grandma’s
glass salad bowl is standing
on an almost square side table,
containing half a cucumber,
lemons and herbs in a water glass.
The ceramic bowl from the
best friend is out ready for the
guacamole—favorite dish
for the guests tonight. The knife
set from the parents is strewn
about, ready for use. The pots and
74
supplies are partly still hidden
in boxes on one of the lower
shelves. A hand-sewn apron is
hanging on a hook near the
kitchen sink. Everyone gathers
around the worktop to make
the salad. The cut tomatoes
shine red on the light-colored
wood. The coffee brought
back from home has just been
brewed again, it smells delicious—and the gaze falls on a
love letter hanging nearby next
to the spice rack.
Neben dem Regal warten die
leeren Flaschen der letzten
Abende noch auf den Weg zum
Container. In der Nähe hängt
eine Postkarte mit Palmen …
sie erinnert an die Erzählungen
des Bruders, von der letzten
Reise nach Nairobi und seiner
Begegnung mit den afrikanischen Sängerinnen, die zu
jeder im Erdloch zubereiteten
Mahlzeit auch die Kleidung
wechselten, wofür sie kichernd
im Nebenzimmer verschwanden, dann zurückkamen und
gemeinsam sangen. Die Abendsonne streift nun den Boden,
die Speisen stehen bereit, der
Wasserkessel pfeift.
•
Next to the shelves the empty
bottles from the previous
evenings are waiting to be taken
to the recycling containers.
A postcard showing palm trees
is hanging nearby … it calls
to mind the brother’s stories,
his last trip to Nairobi and
his meeting with the African
singers, who changed their
clothes for every meal cooked
in a hole in the ground, for
which they disappeared giggling into the side room, then
came back and sang together.
The evening sun is now grazing
the floor, the food is ready, the
kettle is whistling.
•
75
77
78
79
DE
den digitalen, vernetzten, mobilen Büround Arbeitswelt ein extrem archaischer, echt
analoger Anker ist. Das zeigt auch das
Konzept für die neue Zentrale des SoftwareKonzerns Microsoft in Berlin. Der Technologievorreiter richtet dort in seinem »Microsoft Center« sein weltweit erstes Café
ein, das nicht nur für die eigenen Mitarbeiter
gedacht ist, sondern auch für die Öffentlichkeit. Hier wird der analoge Dialog mit
den Menschen gesucht, um Ideen für neue
Produkte zu gewinnen.
Office is where
the kitchen is.
Text: K a t h r i n S p o h r
Illustrationen: J a n B u c h c z i k
»Jede gute Party endet in der Küche«, sagt
man. Bezogen aufs Büro könnte es heute
heißen: »Jedes gute Businessgespräch startet
in der Küche.« Nein, gemeint ist nicht die
abseitig in einer kleinen Kammer gelegene
emotionslos funktional eingerichtete
Kaffee- oder Teeküche. Sondern die in das
Open-Space-Büro integrierte offene und
sympathisch gestaltete Küche, wo modernster Kaffeeautomat, angesagte Tees und
hübsches Geschirr, gepaart mit dem kreativen Chaos sich auftürmender Tassen
und Gläser, gern präsentiert werden. Noch
vor dem Meeting wird der Kunde zum
Cappuccino-Machen mitgenommen. Jenseits
der geschäftlichen Thematik startet Busi­ness hier mit entspanntem Kaffeegeplauder.
Passiert dann ein Fauxpas (und natürlich
passiert der!) – etwa, wenn die Tasse zu klein
oder nicht genau platziert ist oder versehentlich der falsche Knopf gedrückt wurde,
sodass alles überschäumt –, spätestens
dann ist man bei einer sehr menschlichen
Komponente angekommen. Einer Art
Clearing. Die Gesamtsituation verliert
an Ernst. Ein wunderbarer Ausgangspunkt
also für einen Business Talk.
Nie wurde im Arbeitsleben so viel Wert auf
Dialog und Interaktion gelegt wie heute.
Ja, Architekturkonzepte, Interior- und Büromöbel-Design machen sich Dialogfähigkeit
zum obersten Gebot. Future working – die
Antithese zu traditionellen Bürostrukturen:
inspirierende, hybride Bürolandschaften
mit Teamarbeitsplätzen, Projekträumen,
gemütlichen Chill-, Lese- und lustigen
Spiel­zonen, informellen Meetingpoints und
Separees. Darin die coole Küchenzeile
als Hotspot und sicherer Garant für Kommunikation – egal, ob Small Talk, Gedankenaustausch oder Klatsch und Tratsch.
Das Rumsumpfen vor dem Computer,
das einsame In-sich-Hineinfuttern von Müsli,
Sandwiches oder aufgewärmten Vorabendspeisen war in den 2000er-Jahren
akzeptabel. Jetzt geht man wieder gern
in Küche und Kantine, setzt sich gemeinsam
an den großen Tisch. Kein Wunder, denn
nicht nur das Design der Küchen und Kantinen, auch die Qualität des Essens und
die eigene Haltung zur Nahrung ganz allgemein haben sich gewandelt.
Essenzielle Gespräche haben schon immer
um die Feuerstelle herum stattgefunden,
dort, wo Nahrung zubereitet und verzehrt
wurde. Das ist nicht neu. In den Büros rückt
die Küche nicht nur deshalb wieder ins
Zentrum der Aufmerksamkeit, weil sie mit
ihren tollen Kaffeeautomaten & Co in
die Welt der Coffee Bars, sprich: Freizeitvergnügen, entführt, sondern auch weil
sie in der sich schnell und stetig wandeln-
Unternehmensküchen und Cafés eignen
sich nebenbei ja auch prima für Sozialstudien. Ein weiterer Aspekt der Kommunikation – denn hier offenbaren sich die
Charaktere der Mitarbeiter. Nach dem
Motto »Geh in die Büroküche und du
kennst deine Kollegen«. Manche räumen
ihr dreckiges Geschirr nie weg, hinterlassen
gern Essensreste und Flecken – andere
essen einfach alles, was ihnen zwischen die
Finger gerät, auch wenn es ihnen nicht
gehört, klauen den Lieblingsjoghurt eines
Kollegen aus dem Kühlschrank. Wiederum
andere lagern getupperte Mittagessen, bis
sie ihren Job wechseln, oder haben einen
Sauberkeitswahn. Wie gesagt: Küchen sind
der Dreh- und Angelpunkt eines jeden Büros.
Eine Studie des Jobportals StepStone hat
kürzlich ergeben, dass Bewerber die angenehme Büroumgebung wichtiger finden
als ein hohes Gehalt. Das bedeutet: Wer
das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen
stärken will, muss entsprechende Räumlichkeiten und Atmosphären schaffen. Das
kann man natürlich auch auf die Büroküche beziehen, wenn sie Platz für Emotion,
Haptik, Individualität, narrative Gestaltung zulässt. Insofern bietet die Concept
Kitchen, die modulare Systemküche, genau
das, was künftig in Büros gebraucht wird –
Mobilität, Inspiration und Anpassungsfähigkeit an immer wieder neue Raumsituationen
und Arbeitsbedürfnisse. Ob es das Kaffeezubereiten oder das Kräuter- und Sprossenzüchten ist, das Ad-hoc-Kochen mit ein
paar Kollegen, der gemeinsame BackEvent oder das Dinner in großer Mitarbeiterrunde – es kommt darauf an, flexible
Lösungen zu bieten, damit die Menschen
sich wohlfühlen.
•
80
EN
Berlin. At its Microsoft Center there, the
software pioneer is also opening its first
café worldwide intended not just for its staff
but also for public use. Here the emphasis
is on analog dialog, as the hope is this will
garner ideas for new products.
Office is where
the kitchen is.
Text: K a t h r i n S p o h r
Illustrations: J a n B u c h c z i k
The saying goes that »every good party ends
in the kitchen.« Applied to the office, that
could read today: »Every good business
conversation starts in the kitchen.« No, not
meaning somewhere in a dingy small
room containing a functional kitchenette
bereft of all emotion. But an open-plan
well-designed kitchen incorporated into an
open-space office, where an ultra-modern
coffee automat, en vogue tea variations
and appealing tableware make for pleasant
surroundings, along with the creative
chaos of stacked cups and glasses. Even
before the meeting kicks off, the client
can informally share the fun of making
cappuccinos. Business starts here not
with a formal meeting but with a chat over
coffee. If there is some faux-pas or other,
and there inevitably will be (such as
a cup being too small, or not positioned
correctly, or the wrong button gets pressed
and foam goes everywhere), then business
mingles with a very human touch. It clears
the air, stops the overall situation becoming overly serious, and provides a great
launchpad into the proper business talk.
Never before in working life was so much
importance attached to dialog and
interaction. Indeed, architectural concepts,
interior and office furniture design all
prioritize a frame for dialog. Future working
as the antithesis to traditional office
structures, spelling inspiring, hybrid office
settings with team work spaces, comfortable chill-out, reading and fun zones,
informal meeting points and private booths.
And here the cool kitchen top becomes a
hotspot and a surefire place for communication, be it small talk, swapping notes,
rumor or gossip. Simply slumped in front of
a screen, munching away some muesli,
sandwiches or last night‘s reheated dinner
may have been an acceptable behavior
in the Noughties. But people now like to
head for the kitchen or canteen, sit down
together at a large table. No surprise as
not only the design of these surroundings,
but also the quality of the food and people’s
outlook on it have changed as a whole.
Incidentally, company kitchens or cafés
are a great place for people-watching
sociological studies. Another aspect of
communication, as here staff reveal their
true characters. Along the lines of:
»Enter the office kitchen and then you’ll
really know your colleagues.« Some of
them never clean up their dirty dishes, like
to leave bits of food lying around, make
a mess. Others simply gobble up anything
they lay their hands on, even if it’s not
theirs, or steal your friend’s favorite yoghurt
from the fridge. Yet others store tupperwared leftovers for years at end—until they
change job. Or are cleanliness fanatics.
Put differently: The kitchen is the hub of
any office.
A recent study conducted by the StepStone
job portal showed that job applicants feel
a pleasant office setting is more important
than a high salary. Which means that
anyone wishing to strengthen identification
with a company should create the corresponding interiors and ambiance. And this
can apply equally to the office kitchen, if it
provides a venue for emotions, tactility,
individuality, and narrative design. To this
extent, the Concept Kitchen modular
system offers exactly what the future office
requires—mobility, inspiration and
adaptability to ever new spatial situations
and working requirements. Be it making
coffee or planting herbs and growing sprouts,
The first crucial meetings took place around ad-hoc cooking with a few colleagues, a
joint baking event or dinner with the whole
an open fire where food was prepared
and eaten. So that is not new. And in offices team—what counts is to be able to rely
on flexible solutions that ensure everybody
the kitchen is now returning to the center
feels good.
•
of things not only because with fantastic
coffee automats and similar accessories it
whisks us away into the world of coffee
bars, meaning leisure time fun, but also because it offers an extremely archaic,
analog anchor in the fast and constantly
changing digital networked mobile office
and working world. This can be seen from
the concept for the new Microsoft HQ in
81
83
Zwischenräume
Improvisation – Produktion
Reduktion
Spaces in-between
Improvisation—Production
Reduction
»Die Küche ist der
Kosmos, um den sich
alles dreht.«
»The kitchen is the
cosmos everything
revolves around.«
Die Bedeutung der
offenen Küche
The meaning of
open-plan kitchens
S 84
Mobil
verwurzelt.
Gartenbau zwischen Verkehrskreisel
und Betonwüste
Mobile
with roots.
S 88
»Mini-architecture
expresses
a longing for
simplicity.«
»Mini-Architekturen
als Ausdruck
der Sehnsucht nach
Einfachheit.«
Hütten für die
Großstadt
Creating gardens between roundabout
and concrete
S 92
Huts
for cities
84
»Die Küche ist der
Kosmos, um den sich
alles dreht.«
»The kitchen is the
cosmos everything
revolves around.«
Interview: M a r k u s F r e n z l — Photos: R a m o n H a i n d l
Athanassios »Ata« Macias, ist eine Institution im Frankfurter Clubleben.
Von der Ausbildung her ursprünglich Raumausstatter, betrieb der 45-Jährige
Platten- und Klamottenläden, leitete einen Concept Store und arbeitete
als DJ und Produzent. 1999 gründete er in Offenbach den Club »Robert
Johnson«, der weltweit als einer der besten Musikclubs gilt. Seit einigen
Jahren betreibt er im Frankfurter Bahnhofsviertel auch die Café-Bar »Plank«
und den »Club Michel«, in dem wöchentlich ein Menü für alle gekocht
wird. Markus Frenzl hat sich mit ihm über seinen Club und die Bedeutung
der offenen Küche unterhalten.
Athanassios »Ata« Macias, is an institution in Frankfurt’s club life. Though
actually trained as an interior decorator, the 45-year-old has run record
and clothing stores, managed a concept store and worked as a DJ and
producer. In 1999, he launched the »Robert Johnson« club in Offenbach,
which is considered one of the best music clubs worldwide. For several years
now he is also operating the café-cum-bar »Plank« in downtown Frankfurt,
not far from the main railway station, and »Club Michel«, in which every
week a meal is cooked for everyone. Markus Frenzl talked to him about
his club and the importance of the open-plan kitchen.
85
DE
EN
MF
Ata, wie kam es zur Idee eines Dinnerclubs?
MF
Ata, how did the idea of a dinner club come about?
AM
Die Idee entstand, als wir Freunde unseres Alters
wieder zusammenbringen wollten, die nachts nicht
mehr ins »Robert Johnson« kamen. Wir haben deshalb eine Bausatzküche auf die Tanzfläche gebaut,
Vorhänge aufgehängt, Klapptische aufgestellt und
zum Essen gerufen – und, bums, waren alle wieder da! Die lange Tafel, die offene Küche und die
Atmosphäre einer Wohnküche waren dabei wichtig.
Das hat gut funktioniert – es war aber ein Riesenaufwand, für zwei Nächte immer wieder alles aufund abzubauen. Als Tobias Rehberger mich dann
fragte, ob ich nicht mit meinem Büro in ein freies
Loft über seinem Atelier ziehen möchte, war für mich
klar, dass ich dort eine offene Küche einbauen und
einen Dinnerclub eröffnen werde. Innerhalb von
einem halben Jahr war der Club jeden Abend voll.
AM
The idea was born when we wanted to bring back
together friends the same age as us who no longer
came to »Robert Johnson« in the evenings. So we
built a modular kitchen on the dance floor, put
up curtains, set up folding tables and said »there’s
food going« —and, hey presto, they all came flocking again! The long table, open-plan kitchen and
the atmosphere of a kitchen-cum-living-room were
important factors. It worked well—but it was a huge
amount of work setting everything up for two nights,
then dismantling it again. When Tobias Rehberger
asked me if I felt like moving with my office into a vacant loft above his studio I knew that I would have
an open-plan kitchen fitted and open a dinner club.
Within six months the club was full every evening.
MF
What role does the kitchen play for you?
MF
Welche Rolle spielt für dich die Küche?
AM
AM
Als ich vor 20 Jahren zum ersten Mal in die Gegend der Frankfurter Elbestraße zog, hatte ich eine
Wohnung, bei der man die Tür öffnete und dann
When I first moved into a flat in the Elbestrasse in
Frankfurt 20 years ago, you opened the door and
walked straight into the kitchen. I really felt at home
there because the kitchen was the center of the
86
MF
AM
MF
AM
MF
AM
gleich in der Küche stand. Ich hab mich dort sehr
wohl gefühlt, weil die Küche das Zentrum der ganzen
Wohnung war. Für mich ist das Wohnzimmer zweitrangig – der Mittelpunkt der Wohnung ist die Küche.
Wenn ich heute in Frankreich ein Schloss besuche,
gucke ich mir als Erstes die Küche an. Auch auf jeder
Party ist ja die Küche das Epizentrum – sie ist der
Kosmos, um den sich alles dreht.
MF
Do you also want the kitchen in »Club Michel« to be
the cosmos around which everything revolves?
Soll auch die Küche im »Club Michel« der Kosmos
sein, um den sich alles dreht?
AM
Absolutely. Guests can cook with us. We wanted a
situation with no barriers between us and the guests.
In »Plank« we also have a bar, which is arranged
more like a large table. That means you don’t really
hide behind it but communicate more with other
people. Legal regulations don’t make it that easy—
we are talking of »sneeze guard« and all that jazz.
But hopefully that will be relaxed some time or other.
Transparency is important.
MF
As a concept open-plan kitchens have been around
for decades. Are they only just beginning to establish
themselves?
AM
Most modern apartments have an open-plan
kitchen—you rarely find closed rooms. It all began
with the revolutionary »Frankfurt kitchen«, some of
which also had a serving hatch to the dining room—
that was the first opening step. In large manor houses
the kitchen was still hidden away in the basement.
But even there the staff all sat around a large table.
The kitchen is a place for encounter—it is place
where information comes together and is exchanged.
That does not happen when you watch television,
and even around a dining table the conversation is
different. If you cook together the conversations are
more intensive, you gabble more.
MF
Is it different working in an open-plan kitchen of a
restaurant? Don’t you feel you’re being watched as
a cook?
AM
If you do then you mess around. If you enjoy cooking
then communicating with the guests is fun, too. And
guests get a different impression, as well: You see, the
people in the kitchen are working—that they are not
playing billiards but that it is exhausting what they do.
And to those who claim you can’t have an open-plan
kitchen because there’s so much shouting in a kitchen
I can only say: If there’s so much shouting the boss has
a problem, not the staff! Today, an open-plan kitchen
is simply standard—it’s like walking into your own
living room and not into rooms with serving hatches
or where waiters disappear behind closed doors.
Genau. Die Gäste können mitkochen. Wir wollten
eine Situation, die keine Barriere zu den Gästen
schafft. Im »Plank« haben wir auch eine Bar, die eher
wie ein großer Tisch angelegt ist. Das bedeutet, dass
man sich nicht dahinter verschanzt, sondern mehr
mit den Leuten kommuniziert. Vom Gesetzgeber
her ist das gar nicht so einfach – Stichwort »Spuckschutz« und der ganze Klimbim. Aber das wird sich
hoffentlich irgendwann lockern. Transparenz ist
wichtig.
Die Idee der offenen Küche ist ja schon jahrzehntealt. Setzt sie sich erst jetzt durch?
Die meisten modernen Wohnungen haben eine offene Küche – da gibt es kaum noch geschlossene
Räume. Das begann schon mit der revolutionären
»Frankfurter Küche«, die zum Teil auch eine Durchreiche zum Esszimmer hatte – das war die erste Stufe
der Öffnung. In großen Herrenhäusern war die Küche
noch unsichtbar im Keller. Aber auch dort hielt sich
das gesamte Personal immer an einem großen Tisch
auf. Die Küche ist ein Ort der Begegnung – sie ist der
Schmelzpunkt, an dem man sich gegenseitig informiert. Vor dem Fernseher passiert das nicht – selbst
am Esstisch ist die Konversation anders. Wenn man
zusammen kocht, sind die Gespräche intensiver,
man quasselt mehr.
Bedeutet eine offene Küche in Restaurants ein
anderes Arbeiten? Fühlt man sich als Koch nicht
beobachtet?
Wenn man sich beobachtet fühlt, dann macht man
Blödsinn. Wenn man Spaß am Kochen hat, macht
auch die Kommunikation mit den Gästen Spaß. Auch
der Eindruck, den der Gast bekommt, ist ein anderer:
Man sieht, dass die Leute in der Küche arbeiten –
dass sie kein Billard spielen, sondern dass es anstrengend ist. Wer sagt, dass man eine offene Küche
nicht realisieren könne, weil in einer Küche geschrien
wird, dem kann ich nur sagen: Wenn geschrien wird,
entire apartment. The living room is secondary for
me, the heart of a home is the kitchen. Today, when
I visit a castle in France the first thing I look at is the
kitchen. After all, the kitchen is the epicenter of every
party—it is the cosmos around which everything
revolves.
87
hat der Chef Probleme, nicht das Personal! Eine
offene Küche gehört heute einfach dazu – das ist,
wie ins eigene Wohnzimmer zu kommen, anstatt in
Räume, wo irgendwelche Essensluken aufgehen oder
Kellner in Türen verschwinden. Wer heute ein Restaurant mit einer geschlossenen Küche baut, hat echt
alles verschlafen.
MF
Viele möchten auch zu Hause keine klassische,
abgeschlossene Einbauküche mehr.
AM
Das Einzige, um das es den Leuten beim Küchenkauf
oft geht, ist die Frage, ob sie schmutzig wird. Mit
einer Einbauküche wollen sie alles zumachen – wie
bei einem Kleiderschrank. Jeder aus unserer Generation, der moderner denkt, baut sich keine Einbauküche mehr in die Wohnung. Einbauküchen verstecken die Lebensmittel. Ich finde es schade, wenn
alles weggepackt wird. In einer Küche muss man
alles sehen!
MF
Ist die neue Begeisterung fürs Kochen ein gesellschaftliches Phänomen, das Auswirkungen auf den Alltag
hat? Viele schaffen sich ja als Statussymbol eine teure
Küche an, ohne tatsächlich darin zu kochen.
AM
In den meisten Küchen in Ferrari-Ausstattung steht
nur ein Joghurt von Aldi. Viele kriegen noch nicht
mal Eier in die Pfanne gehauen. Der Besitz einer
teuren Küche ist eine Prestigefrage – wie der Besitz
eines teuren Autos. Andererseits gibt es immer mehr
Leute, die sich eine teure Küche kaufen, weil sie Lust
aufs Kochen haben. Mir gefällt, dass sich Freunde
am Samstagabend zum Kochen treffen, anstatt ins
Kino zu gehen: Man schnippelt, erlebt das Essen,
das Obst und Gemüse, kriegt noch was beigebracht.
Für mich ist Kochen keine Anstrengung, sondern
Entspannung. Es ist für mich noch immer eher ein
Hobby, das zum Beruf geworden ist.
MF
Wie sieht deine Küche zu Hause aus?
AM
Die ist sehr reduziert. Sie hat keinen Herd, sondern
nur eine große Arbeitsfläche und mobile Kochfelder,
die ich entnehmen und verschieden zusammenstellen kann – wie beim Camping. Ich habe aber einen
großen Tisch und kann für viele kochen. Die Küche
ist quasi das Wohnzimmer. Den Küchenblock habe
ich selbst entworfen, weil ich weiß, dass ich dort
noch zehn Jahre wohnen werde. Wenn ich mir irgendwann aber ein schönes Häuschen in der Provence
kaufen sollte, kommt auf jeden Fall eine mobile
Küche rein.
•
People that build restaurants with closed kitchens
today have not been paying attention.
MF
Lots of people today reject the idea of the classic
closed off fitted kitchen for their homes.
AM
Often the only thing that concerns people when they
buy a kitchen is whether it will get dirty or not. They
get a fitted kitchen so they tuck everything away like
you do inside a wardrobe. But people of our generation with a more modern outlook don’t install fitted
kitchens in their homes any more. Fitted kitchens hide
food away. I think it’s a pity if everything is out of
sight. You must be able to see everything in a kitchen!
MF
Is this new enthusiasm for cooking a social phenomenon that has repercussions for our everyday lives?
Many people buy an expensive kitchen as a kind of
status symbol without actually cooking in it.
AM
In most of the Ferrari-type kitchens you only find the
odd Aldi yoghurt. Many people can’t even manage
to fry a couple of eggs. Owning an expensive kitchen
is a question of prestige like owning an expensive car.
But there are increasing numbers of people who buy
an expensive kitchen because they enjoy cooking.
I like it when friends get together on Saturday evening to cook together instead of going to see a movie:
you chop and cut, experience the food, the fruit, the
vegetable, and learn something, too. I find cooking
relaxing, not tiring. For me it is still more of a hobby
that has become my job.
MF
What’s your kitchen at home like?
AM
It is very reduced. There is no oven, just a large
working surface and mobile hobs, which I can take
apart and reassemble differently—like for camping. But I have a large table and can cook for a
lot of people. The kitchen doubles as a living room.
I designed the kitchen area myself because I know
that I will live there another ten years. But should I
buy myself a beautiful little house in the Provence
some time or other, I will certainly install a mobile
kitchen in it.
•
www.clubmichel.de
88
Mobil
verwurzelt.
Mobile
with roots.
Text: S o p h i a M u c k l e — Photos: J ö r g B r ü g g e m a n n
89
2008 wunderte ich mich in Kreuzberg über Pflanzeimer, die zwischen dem
Sperrmüll am Moritzplatz standen. Anscheinend wollte an dieser Stelle
jemand gärtnern. Was bitte soll hier Wurzeln schlagen und wer kommt denn
auf die Idee, einen Garten ausgerechnet zwischen Verkehrskreisel und
Betonwüste anzulegen?
In 2008, I was surprised in Kreuzberg by plant pots that had been placed
between the garbage near Moritzplatz. Evidently someone wanted to
garden here. What was supposed to set roots here and who had the idea
of establishing a garden of all places between the roundabout and the
concrete jungle?
DE
EN
Seit 2009 ist diese Idee prächtig gediehen und hat das
Gelände am Moritzplatz im Berliner Bezirk Kreuzberg zu
einer Attraktion gemacht. Auf der 6000 Quadratmeter
großen Brachfläche ist der »Prinzessinnengarten« entstanden. Ein Gemüsegarten, der sozialer Treffpunkt,
Gartencafé, Veranstaltungs- und Lernort ist. Gegärtnert
wird gemeinsam, niemand beackert sein eigenes Beet.
Since 2009 the idea has blossomed marvelously and has
turned the area near Moritzplatz in Berlin’s Kreuzberg
district into a real attraction. Across the 6,000 square
meters of wasteland the »Prinzessinnengarten« has developed. A vegetable garden, which is a social meeting
point, a garden café, a venue for events and learning.
People garden together, no one plants a bed solely of
their own.
Die Initiatoren Marco Clausen und Robert Shaw, ein
Historiker und ein Filmemacher, wollten einen Nachbarschaftsgarten als Begegnungsstätte in der Stadt
entwickeln. Zusammen mit Helfern entrümpelten sie
das Gelände und gründeten die gemeinnützige GmbH
»Nomadisch Grün«. Seitdem verwandeln sie ungenutzte
urbane Flächen in kollektive Gärten und Lernorte.
In den Prinzessinnengarten geht es also nicht – wie in
mancher Gartenkolonie – um die größte Gurke, sondern
It was all initiated by Marco Clausen and Robert Shaw,
a historian and a film maker, who wanted to create a
neighborhood garden as a place where people could
meet—in the city. Together with helpers they cleared
the grounds and founded the not-for-profit limited
liability company »Nomadisch Grün«. Ever since they
have been busy transforming unused urban areas
into collective gardens and places of learning. In the
90
91
um Handlungsspielräume. Am Säen, Ernten und vom
Konservieren bis zum Kompostieren können sich alle
Interessierten beteiligen. Für Initiativen und Engagement
ist genügend Platz.
Was mir 2008 als lustige Spinnerei erschien, hat längst
einen Namen: »Urban Gardening«. Die Lust am Gärtnern
in der Stadt hat bereits fleißig Ableger produziert, und
die Presse bejubelt das kollektive Ackern als bürgerliche
Selbstbestimmung.
Mindestens so interessant wie die Ursachenforschung ist
allerdings die Frage, wie ein solcher Garten angelegt ist.
Denn die Prinzessinnengärten sind mobil. Die Kartoffeln,
der Sellerie und die Erdbeeren wachsen und gedeihen
in Bäckerkisten, Reissäcken und aufgeschnittenen PETFlaschen. Die Behälter sind mit Erde gefüllt und zu
Beeten arrangiert. Je armseliger das Gefäß, umso
üppiger wuchert es oben heraus.
Mobil müssen die Beete sein, weil der Mietvertrag mit
der Stadt befristet bleibt. Doch aus der Not haben die
Gärtner eine Tugend gemacht. Und diese Tugend sieht
neben vielen Vorteilen richtig gut aus. Einerseits ermöglichen die provisorischen Beete den Gemüseanbau auf
versiegelten Betonflächen, andererseits ist man nicht
auf das Erdreich vor Ort angewiesen und gärtnert statt­
dessen in Erde mit Bio-Zertifikat. Die Erdbeeren, die aus
aufgeschnittenen, umgedrehten Milchtüten senkrecht die
Wand hoch wachsen, zeigen: Hier geht es nicht um künstliche Landidylle. Zwar wird in den Gärten ausschließlich
nachhaltig und ökologisch verträglich geackert, doch
naturnahes Dekor sucht man vergeblich. Stattdessen
entstehen intelligente und kostengünstige Lösungen, die
beweisen, dass auch auf Asphalt kleine Paradiese gedeihen. »Umnutzung« lautet das Gebot der Stunde, und die
praktischen Ideen reichen vom Milchtütenbeet bis zur
Sitzbespannung mit alten Fahrradschläuchen. So entsteht eine lebendige Alltagsästhetik, die ausnahmsweise
mal nicht von den Parametern Bequemlichkeit, Rentabilität oder Effizienz bestimmt wird.
Zu gern hätte ich mal bei einem der Gärtner nachgefragt, wer eigentlich auf diese Idee mit den Hoch­beeten
aus Bäckerkisten gekommen ist. Wer hat die leeren
Reissäcke in ein Basilikumfeld verwandelt? Wieso, zum
Kuckuck, wachsen die Berliner Erdbeeren so proper gestapelt in Milchtüten, während meine auf dem Balkon
im gediegenen Terrakotta-Kübel faulen? Liegt es daran,
dass der nach unten hängende Milchtüten-Ausguss die
Staunässe an der Wurzel besser ableitet? Auf meine
Fragen antwortet eine Berliner Freundin per SMS direkt
aus dem Gartencafé: »… hier keimt der Gemeinschaftsgeist von morgen.«
•
Prinzessinnengarten the idea is not, as in many allotment gardens, to try and grow the largest cucumber, but
to generate new scope for people. To sow, to harvest,
to conserve and to compost—and everyone can take
part in it all. There’s sufficient space for initiatives and
commitment.
What I felt was fun nonsense back in 2008 has since got
its own name: »urban gardening«. The joy of gardening
in the city has produced may spin-offs, and the press
celebrates the collective tilling as citizens deciding their
own lives.
What is at least as interesting as studying the reasons
behind this is the layout that has been chosen for such
a garden. For the Prinzessinnengärten are mobile. The
potatoes, celery and strawberries grow and prosper in
bakery boxes, in rice bags or PET bottles cut open. The
containers are filled with earth and arranged to form
beds. The more basic the container, the more opulent the
outgrowth above.
The beds have to be mobile as the rental agreement
with the city is of limited duration. Yet the gardeners
have made a virtue of necessity. And that virtue not only
has many advantages, it looks pretty good, too. On the
one hand, the provisional beds mean vegetables can be
planted on ground that has been sealed by concrete.
On the other, the gardeners do not depend on the
local earth and can instead plant their seeds and seedlings in organic-quality soil. The strawberries that creep
up the walls out of milk cartons that have been cut open
and turned upside down go to show that this here is
not about creating an artificial rural idyll. While the
gardens are all sustainable and ecologically sound,
there is no sign of back-to-nature decor. The solutions
are rather intelligent and cost-effective, proving that
small paradises can bloom on the blacktop. The order of
the day is »re-dedicate« and the practical ideas range
from milk-carton seedbeds to seats spanned with old
bike inner tubes. Creating a vibrant everyday aesthetic
that is for once not defined by comfort, profitability
or efficiency.
I would have loved to have asked one of the gardeners who had the idea with the over-ground seedbeds in
bakers trays. Who turned the empty bags of rice into
a sea of basil? Why on earth do Berlin strawberries
grow so well when stacked in milk cartons, while on my
balcony they rot away in their upmarket terracotta
pot? Do the upended milk-garden spouts simply ensure
the roots drain better? A Berlin friend answered by text
message straight from the garden café: »… here, the
communal spirit of tomorrow is already sprouting.«
•
92
1
»Mini-Architekturen
als Ausdruck
der Sehnsucht nach
Einfachheit.«
2
»Mini-architecture
expresses
a longing for
simplicity.«
Interview: K r i s t i n a R a d e r s c h a d
93
Seit 2004 betreiben Nanni Grau und Frank Schönert ihr Architekturbüro
Hütten & Paläste in Berlin-Mitte. International für Aufsehen sorgten ihre
zeitgenössischen Interpretationen der klassischen Datsche oder Garten­
laube. Aktuell entwerfen Grau und Schönert gleich ein ganzes Hüttendorf
inmitten der Großstadt Berlin.
Nanni Grau and Frank Schönert have been running their architecture
studio Hütten & Paläste in the Mitte district of Berlin since 2004. Their
contemporary interpretations of the classic summerhouse have caused
an international sensation. At present Grau and Schönert are designing
an entire village of hut-like structures in the middle of the metropolis
that is Berlin.
DE
EN
KR
Sie planen und bauen in sehr kleinem wie in großem
Maßstab – vom Mini-Pavillon bis zum Mehrpar­
teien-Wohnhaus. Was ist das verbindende Element
dieser sehr unterschiedlichen Projekte?
KR
You plan and build structures on a very small as well
as on a large scale—from mini-pavilion to buildings
housing several apartments. What links these very
different projects?
H&P
Der gemeinsame Nenner sind die Themen Reduktion
und einfaches Bauen. Bei uns geht es immer um ein
dialektisches Verhältnis von Groß und Klein. Wir
machen viele Sachen, die räumlich sehr kondensiert sind, um dann an einer anderen Stelle Weite zu
schaffen. Außerdem geht es bei allen unseren Projekten um die aktive Verbindung von Wohnen und
Außenraum. Wir versuchen das Haus als ein offenes
System zu begreifen, das in ständigem Austausch mit
seiner Umwelt steht.
H&P
The common denominators are reduction and
simple construction. We always focus on forging a
dialectical relationship between large and small.
We build a lot of things that are spatially very compact, only to then think big elsewhere. Moreover, in
all our projects we address the active link between
living space and exterior space. We seek to see the
house as an open system in a process of constant
exchange with its environment.
KR
KR
Wie groß ist das kleinste Haus, das Sie bisher realisiert haben?
How big is the smallest house you have realized to
date?
H&P
The smallest living unit we have realized—albeit
only as a temporary dwelling—has a footprint of
16 square meters. It is called MiLa, the MiniLaube,
a yellow-and-white-striped miniature summerhouse.
There are a number of MiLas in various locations in
Berlin today. Theoretically the structure could also
be produced in series.
KR
These miniature buildings are getting incredibly
positive feedback, even though they are just tiny,
relatively simply constructed wooden houses. Why
is that?
H& P
KR
Die kleinste Wohneinheit – zumindest für temporäres
Wohnen –, die wir realisiert haben, hat eine Grundfläche von 16 Quadratmetern. Das ist MiLa, die
MiniLaube, eine gelb-weiß gestreifte Gartenlaube. Mehrere Exemplare der MiLa stehen heute an
verschiedenen Orten in Berlin. Die Laube könnte
theoretisch auch in Serie produziert werden.
Diese Mini-Architekturen bekommen ein unglaublich
positives Feedback, obwohl sie eben nur ganz kleine,
relativ einfach konstruierte Häuschen aus Holz sind.
Warum ist das so?
94
H&P
KR
H&P
Das liegt wahrscheinlich an einer Sehnsucht nach
Einfachheit. Unsere Umwelt wird immer komplexer
und ist immer schwieriger zu verstehen. Diese ein­
fache Art, zu bauen, hat dagegen etwas Versteh­
bares. Unsere Entwürfe vermitteln sich auf den
ersten Blick – sie sind so einfach wie prägnant und
von jedem entschlüsselbar. Wir möchten, dass man
unsere Architektur intuitiv versteht, sowohl was die
äußere Form angeht als auch die Benutzung. Die
Innenräume sind – durch die Bedingungen der räumlichen Reduktion – zwar oft sehr komplex, dabei
aber doch einfach zu verstehen. Dieser Dualismus
spielt in allen unseren Arbeiten eine wichtige Rolle.
Welche Konsequenzen hat diese Herangehensweise
für die Art und Weise, wie man Ihre Architektur nutzt,
wie man sich darin aufhält?
Die kleinen Häuser haben zum Beispiel keine Flure.
Dafür aber Möbel, die Teil der Architektur sind. Wir
versuchen, bestimmte Funktionen zusammenzuziehen, um andere groß wirken zu lassen. Ein kleines
Haus wirkt nicht klein, wenn bestimmte Dinge komprimiert und andere dafür sehr großzügig gemacht
sind.
KR
»Einfach bauen« – spiegelt sich dieses Prinzip auch
in der Materialwahl?
H&P
»Einfach bauen« bedeutet für uns auch die Verwendung einfacher Materialien. Natürlich liegt
Holz nahe, wenn es um eine Gartenlaube geht. Für
Wohnhäuser könnten es auch unbehandelter Beton,
Trapezbleche oder Stegplatten sein. Uns geht es außerdem nicht darum, dass die Entwürfe wahnsinnig
detailliert sind – wir wollen, dass Details eigentlich
nicht sichtbar sind, sondern das Ganze zählt.
KR
Für das »Holzmarkt-Projekt« in Berlin entwerfen Sie
aktuell ein ganzes Hüttendorf, mitten in der Großstadt.
H&P
Dass die Hütte als Typologie Einzug gefunden hat in
die Stadt, ist schon bemerkenswert. Wenn man ein
Wohnhaus baut, transformiert man die Idee des
einfachen Bauens in einen anderen Maßstab. Bei
diesem Projekt werden jedoch viele kleine Hütten
gestapelt – zu einer Agglomeration von Hütten mitten
in der Großstadt, in die eine Bar, ein Restaurant, ein
Club und später sogar ein Hotel einziehen sollen. •
H&P
It probably has to do with a longing for simplicity.
Our environment is getting ever more complex and
ever more difficult to understand. In contrast, this
simple construction method is easily understood.
Our designs are obvious at first glance—they are as
simple as they are concise and anyone can grasp
them. We want people to intuitively understand our
architecture, both regarding its exterior form and
its use. Although the interiors are often highly complex due to the conditions imposed by the spatial
reduction, they are nonetheless easy to comprehend.
This dualism plays a key role in all our works.
KR
How does this approach influence the way people
use your buildings, how they behave in them?
H&P
The small houses have no hallway, for instance. But
they have furniture, which is part of the architecture.
We try to concentrate certain functions so that
others can have a greater effect. A small house does
not seem small when some things are condensed
and others allowed a great deal of space.
KR
»Simple construction«—is this principle also reflected
in your choice of materials?
H&P
For us »simple construction« also means using simple
materials. Naturally wood is the obvious choice for a
summerhouse. For permanent dwellings we might use
untreated concrete, corrugated sheet metal or wall
sheets. Furthermore, we don’t want our designs to be
incredibly detailed—we actually want the details to
be hidden, so that the overall impression counts.
KR
For the »Holzmarkt Project« in Berlin you are current­ly
designing an entire village of huts, in the middle of
the city.
H&P
It is indeed remarkable that the »hut« as a typology
is being built in the city. When you build a home,
you transpose the idea of simple construction onto
a different scale. In this project however we are
stacking up numerous small buildings—creating an
agglomeration of huts in the middle of the city, in
which we also intend to have a bar, a restaurant,
a club and later even a hotel.
•
1
2
3
4
5
6
7
8
LANDHAUS IHLOW, Oberbarnim-Ihlow (Photo: O l i v e r S c h m i d t )
BLAUES HAUS, Königs Wusterhausen (Photo: H ü t t e n & P a l ä s t e )
SOMMERHAUS VALENTINSWERDER, Berlin (Photo: O l i v e r S c h m i d t )
PFLANZENGARAGE, Münchehofe (Photo: O l i v e r S c h m i d t )
LAUBENREDUKTION, Berlin (Photo: J a n S t a u f )
LANDHAUS IHLOW, Oberbarnim-Ihlow (Photo: O l i v e r S c h m i d t )
GARTENLAUBE MILA, Berlin (Photo: C l a u d i a A n g e l m e i e r )
SOMMERHAUS VALENTINSWERDER, Berlin (Photo: O l i v e r S c h m i d t )
95
3
4
5
6
7
8
I M P R E S S U M
I M P R I N T
Naber GmbH
Enschedestr. 24
48529 Nordhorn
Deutschland
Tel. 00 49 (0)59 21 704-0
Fax 00 49 (0)59 21 704-140
E-Mail:[email protected]
[email protected]
Internet:www.n-by-naber.com
www.naber.eu
Vertretungsberechtige Geschäftsführer:
Ingrid Naber, Hans-Joachim Naber, Lasse Naber
Registergericht: Amtsgericht Osnabrück
Registernummer: HRB 130146
USt-IdNr: DE 117037037
Inhaltlich Verantwortlicher:
Lasse Naber (Anschrift wie oben)
Konzeption: Adrian Nießler, Kilian Schindler
Texte: Markus Frenzl, Oliver Herwig, Christina Irrgang,
Sophia Muckle, Kristina Raderschad, Kathrin Spohr
Übersetzung: Dr. Jeremy Gaines, Frankfurt am Main
Englisches Korrektorat: Nele Byrne und Frauke Franckenstein
Photos: Julian Baumann, Jörg Brüggemann, Markus Burke,
Fabian Frinzel, Ramon Haindl, David Heitz, Marc Krause
Illustrationen: Jan Buchczik
Redaktion: Frauke Franckenstein, Hamburg
Schlussredaktion: Heike Buhrmann,
Frauke Franckenstein, Hamburg
Bildredaktion: Pixelgarten
Gestaltung: Pixelgarten, Catrin Altenbrandt, Adrian Nießler,
Timo Lenzen, Sebastian Pataki, Frankfurt am Main
Druck: E&B engelhardt und bauer, Karlsruhe
Schriften: Fugue von Radim Peško, RP Digital Type Foundry
Minion Pro von Robert Slimbach
Haftungshinweis: Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle
übernehmen wir keine Haftung für die Inhalte externer Links.
Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich
deren Betreiber verantwortlich.
Bitte beachten Sie, dass wir zugunsten einer besseren
Lesbarkeit auf den Gebrauch der »weiblichen Schreibweise«
verzichtet haben.
Copyright für alle Inhalte:
© 2013 Naber GmbH
www.n-by-naber.com — www.naber.eu