Modul Handelspolitik der EU_Text

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Die Handelspolitik der
Europäischen Union
Georg Koopmann
Universität Hamburg
Sommersemester 2007/2008
Vorlesung
Außenwirtschaftspolitik
Modul 13
1. Juli 2008
1
ZIELE, INSTRUMENTE UND ANWENDUNGSBEREICH
2
INSTITUTIONEN, KOMPETENZEN UND
ENTSCHEIDUNGSMECHANISMEN
11
3
UNILATERALE HANDELSPOLITIK
17
3.1
3.2
3.3
Die Gemeinsame Agrarpolitik
Schutz der Binnenmärkte und Öffnung von Auslandsmärkten
Marktöffnung für Entwicklungsländer
19
33
48
4
REGIONALE UND BILATERALE HANDELSPOLITIK
49
5
MULTILATERALE HANDELSPOLITIK
61
LITERATUR
3
63
1
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Handelspolitik der EU: Übersicht
• Ziele, Instrumente und
Anwendungsbereich
• Institutionen, Kompetenzen und
Entscheidungsmechanismen
• Unilaterale Handelspolitik
• Regionale und bilaterale Handelspolitik
• Multilaterale Handelspolitik
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1
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Ziele, Instrumente und Anwendungsbereich
Ziele, Instrumente und Anwendungsbereich
• Teleologische Perspektive
• Instrumentelle Perspektive
- border measures“
- „behind-the-border-measures“
• Anwendungsbereich
- Waren- und Dienstleistungssektor
- Handelsströme und Faktorwanderungen
Teleologische und instrumentelle Perspektive der Gemeinsamen Handelspolitik in der
Europäischen Union:
•
Teleologische Perspektive:
Betrachtung der Gemeinsamen Handelspolitik von ihrer Zielsetzung her.
In Artikel 131 des EG-Vertrages wird das Ziel der Gemeinsamen Handelspolitik wie
folgt beschrieben: „Durch die Schaffung einer Zollunion beabsichtigen die
Mitgliedstaaten, im gemeinsamen Interesse zur harmonischen Entwicklung des
Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen
Handelsverkehr und zum Abbau der Zollschranken beizutragen.“
Zur Handelspolitik der EU zählen demnach alle Maßnahmen, die der genannten
Zielsetzung dienen.
•
Instrumentelle Perspektive:
Hier stehen die Maßnahmen der Gemeinsamen Handelspolitik im Vordergrund.
Die Maßnahmen werden dabei an ihren direkten und indirekten Wirkungen auf den
internationalen Handel der EU gemessen. Zu diesem Maßnahmenkatalog gehören
nicht nur Maßnahmen, die beim Grenzübertritt von Produkten ansetzen („border
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measures“), insbesondere Zölle und nichttarifäre Handelsbeschränkungen wie
Quoten, sondern auch solche Maßnahmen, die im Inland bzw. „hinter der Grenze“
ergriffen werden, sofern sie sich signifikant und nachhaltig auf den internationalen
Handel auswirken („behind-the-border measures“). Hierzu gehören in erster Linie
Regulierungen unterschiedlichster Art. Man spricht deshalb auch von
regulatorischen Handelsschranken.
Die Gemeinsame Handelspolitik stellt neben der Gemeinsamen Agrarpolitik und der
Verkehrspolitik eine der drei ursprünglichen Gemeinschaftspolitiken des RomVertrages dar; die Handelspolitik gehört damit zu den Gemeinschaftspolitiken der ersten
Stunde. Sie schließt grundsätzlich alle Maßnahmen und Regelungen mit spezifischem
Bezug auf den internationalen Handelsverkehr ein.1 Als „Kind der Zollunion“, die sich
auf Waren (im Unterschied zu Dienstleistungen) erstreckt und deren Hauptinstrument
der Gemeinsame Zolltarif ist, war die gemeinsame Handelspolitik zunächst vor allem
auf den Warensektor und auf „border measures“ konzentriert. Der Dienstleistungs- und
Wissenssektor sowie die handelsrelevante Politik „hinter der Grenze“ („behind-theborder measures“) lagen damit außerhalb ihres eigentlichen Anwendungsbereichs.
Die Zollunion war zwischen den sechs Mitgliedern der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien und
Benelux-Staaten Belgien, Niederlande, Luxemburg) bereits im Jahre 1968 (und für die
1973 um das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark erweiterte
Neunergemeinschaft im Jahre 1977) etabliert. Bis zur Realisierung des EGBinnenmarktes im Jahre 1993 haben einzelne EG-Mitgliedstaaten allerdings auch im
Warensektor noch ein beträchtliches Ausmaß an handelspolitischer Autonomie
behauptet und auf nationaler Ebene z.B. mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen
(Quoten) gegenüber Drittländern praktiziert oder Selbstbeschränkungsabkommen
(Voluntary Export Restraints) und Marktordnungen (Orderly Marketing Arrangements)
mit Drittländern ausgehandelt. Erst mit dem Wegfall der Binnengrenzkontrollen zum
1.1.1993 waren derartige nationale Nischen in der Handelspolitik nicht mehr
durchsetzbar. Im Warensektor der EU ist Außenhandelspolitik daher inzwischen
praktisch alleinige Gemeinschaftssache.
1 Artikel 133 des EG-Vertrages nennt explizit „die Änderung von Zollsätzen, den Abschluss von Zollund Handelsabkommen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik
und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen, zum Beispiel im Fall von Dumping und Subventionen.“
Andere den internationalen Handel betreffende Maßnahmen und Regelungen sind damit aber nicht
ausgeschlossen.
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Analog zum Warensektor schrumpft auch bei Dienstleistungen der politische
Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten gegenüber Drittländern in dem Maße, wie die
Integration des Dienstleistungssektors in der Europäischen Gemeinschaft
voranschreitet und folglich Dienstleistungsregulierungen zwischen den Mitgliedstaaten
konvergieren oder gegenseitig anerkannt werden.
Ähnliches gilt auch für handelsrelevante Aspekte des geistigen Eigentumsschutzes und
damit für den Wissenssektor.
Im Vertrag von Nizza (2003) wird die Erweiterung der handelspolitischen
Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane vom Waren- auf den Dienstleistungs- und
Wissenssektor auch rechtlich festgeschrieben.
Die sektorale Expansion der Gemeinsamen Handelspolitik geht mit einer verstärkten
Fokussierung auf regulatorische – im Unterschied zu tarifären und nichttarifären –
Handelsschranken einher, die „hinter der Grenze“ bestehen („behind-the-border
measures“). In diesem Zusammenhang ist die von Baldwin und Wyplosz (2006, S. 110113) vorgeschlagene Unterscheidung der Handelsschranken nach dem Kriterium der bei
ihrer Errichtung anfallenden (oder nicht anfallenden) ökonomischen Renten und ihrer
Verteilung nützlich. Dabei repräsentiert die Rente den Gewinn, der sich aus der
Differenz zwischen Inlandspreis („domestic price“) und Grenz-Preis („border price“)
ergibt:
•
Domestically captured rent (DCR) barriers. Die typische DCR - Barriere ist der
Importzoll, bei dem die gesamte Rente der Regierung des Inlandes (in der Form von
Zolleinnahmen) zufließt. Aber auch mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen bzw.
Quoten können DCR - Barrieren sein. In diesem Fall vergibt die Regierung die
Einfuhrrechte in der Form von Lizenzen. Der Lizenzinhaber kann das betreffende
Produkt zum Grenz-Preis kaufen und zum Inlandspreis verkaufen, der um das
Zolläquivalent der Quote höher als der Grenz-Preis ist. Wenn die Regierung die
Lizenzen im Inland versteigert bzw. an Inländer vergibt, liegt eine DCR - Barriere
vor; wenn Ausländer die Lizenz erhalten, handelt es sich um eine FCR (foreigncaptured rent) - Barriere (s.u.).
•
Foreign-captured rent (FCR) barriers. Der einschlägige Fall einer FCR - Barriere
ist eine Preisverpflichtung („price undertaking”) oder eine freiwillige
Exportbeschränkung (“voluntary export restraint”) des Auslandes. Dabei fällt die
Rente in vollem Umfang beim Handelspartner an: die ausländische Regierung
kontrolliert die Exportmenge via Lizenzvergabe und vereinnahmt die Rente selber
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oder überlässt sie den Exporteuren. Als Beispiel nennen Baldwin und Wyplosz
(2006, S. 111) die Begrenzung der Bekleidungsexporte in die EU durch China im
Jahre 2005. Demgegenüber hätten die USA seinerzeit eine entsprechende Quote
selbst administriert und folglich auch die Rente kassiert.
•
Frictional barriers. Hier handelt es sich in erster Linie um technische
Handelshemmnisse wie z.B. unterschiedliche Produktstandards zwischen den
Handelspartnern. Dies kann zu erheblichen Friktionen im internationalen Handel
führen, aber im Unterschied zu DCR – und FCR - Barrieren entstehen keine Renten.
Das klassische Beispiel für eine friktionelle Handelsschranke ist unter dem Namen
„Cassis de Dijon“ bekannt. Dabei handelt es sich um einen französischen
Branntwein, der unter dieser Bezeichnung (wegen zu geringen Alkoholgehalts) nicht
nach Deutschland eingeführt werden durfte. Mit dem entsprechenden Urteil aus dem
Jahre 1979 etablierte der Europäische Gerichtshof insbesondere das Prinzip der
gegenseitigen Anerkennung - in Verbindung mit einem Mindestmaß an
Harmonisierung zwischen den Mitgliedstaaten -, demzufolge jedes in einem
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ordnungsgemäß in den Markt
eingeführte Produkt auch in jedem anderen Mitgliedstaat in dieser Form akzeptiert
werden muss, also auch „Cassis de Dijon“ in Deutschland.
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Die Wohlfahrtswirkungen dieser drei Arten von Handelsbarrieren lassen sich anhand
der folgenden Grafik ablesen:
Wohlfahrtswirkungen von Handelsbarrieren
Euro
Importangebot
P’
PFH
A
B
C
D
Importnachfrage
P’-Z
Im’ ImFH
Importe Inland
Bei Errichtung einer DCR-Barriere beläuft sich der Wohlfahrtseffekt im Inland auf B –
C, also Terms-of-trade-Gewinn (positiver Importpreiseffekt) abzgl. Verlust aus
Konsum- und Produktionsverzerrung (Importmengeneffekt). Das Ausland verliert B
(Exportpreiseffekt) + D (Exportmengeneffekt).
Eine FCR-Barriere führt im Inland zu einem Wohlfahrtsverlust in Höhe von A
(negativer Importpreiseffekt) plus C (Importmengeneffekt). Im Ausland beläuft sich der
Wohlfahrtseffekt auf A (Terms-of-trade-Gewinn) - D (Exportmengeneffekt).
Friktionelle Handelsbarrieren haben im Inland den gleichen Effekt wie eine FCRBarriere, da sie keine Rentengewinne (und damit auch keine Rentengewinne im Inland)
implizieren, und wirken auf die ausländische Wohlfahrt genau so wie eine DCRBarriere.
Der Abbau friktioneller Handelsschranken war ein Kernpunkt des in der Einheitlichen
Europäischen Akte von 1986 niedergelegten Programms zur Realisierung des
Europäischen Binnenmarktes, der bis 1992 vollendet sein sollte (und weitgehend
auch vollendet wurde). Die Auswirkungen einer solchen Liberalisierung werden in der
unten stehenden Grafik am Beispiel der Wohlfahrtseffekte dargestellt, die sich in einem
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Land (Inland) ergeben, wenn dieses Land friktionelle Handelsschranken gegenüber
einem anderen Land (Partnerland) abbaut und gegenüber dem Rest der Welt (Drittland)
beibehält. Dabei liegt folgende Handelsstruktur zu Grunde:
Handelsstruktur zwischen Inland, Partner- und Drittland
Gut 1
Partner
Gut 2
Inland
Gut 1
Gut 2
Gut 3
Gut 3
Drittland
Wohlfahrtswirkungen des Abbaus
friktioneller Handelsschranken
Euro
Euro
A
EA
P’
P”
D
P’-Z
IN
P”-Z
ExP’ ExP”
8
F
Exporte
Ausland
ExD” ExP’ Ex’
Importe
Inland
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Es zeigt sich, dass das Inland auf dem Markt für Gut 1 einen Wohlfahrtsgewinn in
Höhe von A + F und auf dem Markt für Gut 2 einen Wohlfahrtsgewinn in Höhe von D
erzielt und damit insgesamt A + F + D gewinnt.
Analoge Wirkungen ergeben sich für das Partnerland, wenn dieses Land seinerseits
friktionelle Handelsschranken gegenüber dem Inland abbaut.
Die Mitglieder der Integrationsgemeinschaft realisieren daher beim gegenseitigen
Abbau friktioneller Handelsschranken eindeutig einen Wohlfahrtszuwachs. Die
„klassische Ambiguität“ (Viner’s ambiguity) zwischen Wohlfahrtsgewinn durch
Handelsschaffung und Wohlfahrtsverlust durch Handelsumlenkung gilt bei dieser Art
präferentieller Liberalisierung nicht mehr, da der Abbau von Friktionen für das
liberalisierende Land keine Rentenverluste impliziert.
Das Drittland erleidet in diesem Fall – ebenso wie in den Fällen des präferentiellen
Abbaus von DCR – und FCR – Barrieren – eindeutig eine Wohlfahrtseinbuße.
Das Ziel, friktionelle Handelsschranken zu reduzieren, verfolgt die Europäische Union
auch in ihrer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Drittländern. Dies gilt sowohl auf
der regionalen und bilateralen Ebene in der Form von Präferenzhandelsabkommen
verschiedener Art als auch multilateral im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO.
Ein aktuelles Beispiel ist die Einführung Cassis-de-Dijon-Prinzips in der Schweiz.
Demnach sollen die in der EU bzw. im (auch die Mitglieder der Europäischen
Freihandelsassoziation (EFTA) außer der Schweiz einschließenden) Europäischen
Wirtschaftsraum insgesamt geltenden Produkt- und Produktionsvorschriften von der
Schweiz anerkannt werden. Die Schweiz verspricht sich hiervon Einsparungen in
Höhe von ca. 2 Mrd. Schweizer Franken pro Jahr. Betroffen seien vor allen Dingen
Lebensmittel, Textilien, Wohnungseinrichtungen und Kosmetika. Es wird geschätzt,
dass technische Handelshemmnisse heute gut die Hälfte der schweizerischen
Einfuhren aus der EU in Höhe von rd. 140 Mrd. Schweizer Franken behindern.
Durch „Cassis de Dijon“ würden 80% der Einfuhren von technischen
Handelshemmnissen befreit.1
Insgesamt nimmt die Gemeinsame Handelspolitik zeitlich versetzt im Dienstleistungsund Wissenssektor eine ähnliche Gestalt wie im Warensektor an. Zugleich sind
Handelsschranken binnenwirtschaftlichen Ursprungs („behind-the-border measures“)
gegenüber klassischen Grenz-Schranken („border measures“) in den Fokus der
Gemeinsamen Handelspolitik gerückt. Entscheidende Determinanten dieser
Entwicklung sind die Fortschritte bei der internen Integration und das Bestreben,
Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen der Mitgliedstaaten zu vermeiden.
1 Vgl. Neue Zürcher Zeitung v. 28.6.2008: „Mit ‚Cassis de Dijon’ zu tieferen Preisen“.
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Darüber hinaus versprechen sich die Mitgliedstaaten von einem gemeinsamen Vorgehen
gegen außen eine Stärkung ihrer internationalen Verhandlungsmacht im Vergleich zu
handelspolitischen Alleingängen.
The reach or scope of the EU’s external economic policies is largely determined by
the stage of the integration process among its member states. It has thus been growing
from the stage of the customs union over that of a common market and an economic and
monetary union to that of a full union:1
•
A customs union lays the basis for a common external policy by setting up a
common commercial policy. It generally covers both a common external tariff and
rules on the common use of non-tariff barriers to prevent members using such
instruments to obtain supplementary competition advantages for their industry.
•
A common market will entail common policies in the fields of labour and capital.
•
An economic and monetary union also brings a need for an extension of the scope
of external policy, for example including a common treatment of foreign companies
with regard to competition rules or financial support of technological innovation,
and a common exchange rate policy or a common (redistributional) policy on
development aid.
•
A full union will have an essential responsibility for matters such as security and
defence and many cultural aspects.
By and large, the development of the EU’s external economic policies and indeed of its
common commercial policy is a reflection of its internal policy integration.
“Since the end of the Uruguay Round … (the European Union) has been the most
persistent and vigorous advocate of a broad trade agenda, going beyond the ‘built-in
agenda’ on agriculture and services, to include non-agricultural products, competition
policy, investment, government procurement and trade facilitation (the ‘Singapore
issues’), as well as trade and the environment and trade and core labour standards”
(Young 2007, pp. 789-790).
1 Adaptiert von Molle (2006, S. 313-314).
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Institutionen, Kompetenzen und Entscheidungsmechanismen
Institutioneller Rahmen („Big Five“)
• Europäischer Rat (der Staats- und
Regierungschefs)
• Rat der Europäischen Union (früher
Ministerrat)
• Europäische Kommission
• Europäisches Parlament
• Europäischer Gerichtshof
Der institutionelle Rahmen für die Handelspolitik (und generell die Politik) der EU wird
durch die „Big 5“ definiert:1
1. Europäischer Rat (der Staats- und Regierungschefs).
The European Council (of heads of state and governments), founded in 1974,
through its status is the EU’s most influential institution. It provides broad
guidelines for EU policy and leads the way to final compromises among member
states in crucial areas like the budget, Treaty changes or enlargements of the
Community, typically in the form of “conclusions of the Presidency”. The European
Council operates on the basis of consensus.
2. Rat der Europäischen Union (bzw., in der alten Bezeichnung, Ministerrat), der das
zentrale Entscheidungsorgan der EU darstellt.
The Council of the European Union (or, by its old name, Council of Ministers),
which is the EU’s main decision-making body. It is composed of one representative
(i.e. the government minister responsible for the policy area at stake) from each
member state. Its main task is to adopt new EU law (regulations, directives, rules,
1 Adaptiert von Baldwin und Wyplosz (2006, S. 49-54).
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etc.) in the various policy areas. On most issues, the Council decides by qualified
majority voting.
3. Europäische Kommission
The European Commission, which effectively is at the heart of the EU’s institutional
structure. It has three main roles: (1) to propose legislation to the Council of
Ministers and to the European Parliament; (2) to administer and implement EU
policies; and (3) to provide surveillance and enforcement of EU law in coordination
with the European Court of Justice. In particular, it has the “power of initiative”, i.e.
a monopoly on the “right to initiate”, which makes the Commission the gatekeeper
of EU integration and allows it to occasionally become the driving force behind
deeper or broader integration. As noted by Baldwin and Wyplosz (2006, p. 52), this
was especially true under the two commissions, led by Jacques Delors, which during
1985 to 1994 launched and implemented the Single Market Programme. The
Commission makes almost all of its decisions on the basis of consensus, even
though in principle it decides on the basis of a simple majority.
4. Europäisches Parlament
The European Parliament, which is the core democratic control of the EU’s
activities. It shares legislative powers with the Council of Ministers and the
Commission. In addition to this, it oversees the other EU institutions, especially the
Commission.
5. Europäischer Gerichtshof.
The European Court of Justice, which is the highest authority on the application of
EU law. Its role is to settle EU internal disputes over laws and decisions, which by
their nature are open to interpretation, especially disputes between EU member
states, between the EU and member states, between EU institutions and between
individuals and the EU. The Court reaches its decisions by majority voting. As
noted by Baldwin and Wyplosz (2006, p. 54), in the late 1980s a Court of First
Instance was set up to help the ECJ with its ever growing workload.
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Kompetenzen und
Entscheidungsmechanismen
•
•
•
•
•
Europäische Kommission: Alleiniges Vorschlagsrecht; Durchführung
und Umsetzung der Handelspolitik; internationale
Verhandlungsführung; Entscheidung mit einfacher Mehrheit
Europäischer Ministerrat: Ort der definitiven Entscheidung;
grundsätzlich Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit; tatsächlich
eher Konsens- und „Paket“-Lösungen
133er Ausschuss: Entscheidungsvorbereitung für den Ministerrat;
Unterstützung der Kommission bei internationalen Verhandlungen
Europäisches Parlament: Mitspracherecht bei Handelsabkommen;
Zustimmungsrecht bei Assoziierungsabkommen und bei Abkommen,
die einen „besonderen institutionellen Rahmen“ schaffen
(Beispiel: WTO-Abkommen)
Europäischer Gerichtshof: Rechtsprüfung, z.B. Klärung der
Kompetenzverteilung in der Handelspolitik
Die zentrale Rolle in der Gemeinsamen Handelspolitik spielt die Europäische
Kommission.
Die Kommission verfügt in der Handelspolitik (wie in anderen Politikbereichen auch)
über das alleinige Vorschlagsrecht, sie ist für die Durchführung der gemeinsamen
Handelspolitik und die Umsetzung ihrer Ergebnisse zuständig, und sie vertritt die
Gemeinschaft in den relevanten Verhandlungen mit Drittländern. Die Kommission
entscheidet dabei in der Regel mit der einfachen Mehrheit ihrer Mitglieder.
Das letzte Wort in der Handelspolitik hat im Prinzip der jeweils zuständige
Europäische Ministerrat, der zugleich der Kommission jeweils das Mandat für
anstehende Verhandlungen erteilt.
Moreover, when it comes to very broad and very important trade negotiations, such
as in the multilateral Doha Round, an ad hoc coordination procedure allows the EU
member states to be involved in each stage of the Commission’s negotiations
(Baldwin and Wyplosz 2006, p. 281).
Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs hält sich in der Handelspolitik
weitgehend zurück und gibt von Zeit zu Zeit eher allgemein die Richtung der
Handelspolitik an.
Das Europäische Parlament besitzt ein Mitspracherecht beim Abschluss bilateraler
Handelsabkommen; Assoziierungsabkommen bedürfen seiner Zustimmung. Das
Gleiche gilt seit dem Vertrag von Maastricht für Abkommen, die einen „besonderen
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institutionellen Rahmen“ schaffen, wie z.B. das Abkommen zur Errichtung der
Welthandelsorganisation (WTO-Abkommen) vom 15.4.1994. Seit dem Vertrag von
Nizza ist das Parlament auch befugt, zur Prüfung der Vereinbarkeit eines internationalen
Abkommens mit dem EG-Vertrag den Europäischen Gerichtshof anzurufen.
Der Einfluss des Europäischen Gerichtshofs ist bei grundsätzlichen institutionellen
Aspekten der Handelspolitik beträchtlich, wie z.B. in der Frage der
Kompetenzverteilung zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorganen in der
Handelspolitik. In das „Tagesgeschäft“ der Handelspolitik dagegen greift der EuGH
kaum ein.
Die handelspolitischen Entscheidungen des EU-Ministerrates werden von Fachleuten
aus den Mitgliedstaaten vorbereitet und angesichts der hohen technischen Komplexität
der Materie häufig auch bereits vorweggenommen. Eine Schlüsselstellung nimmt dabei
der in Art. 133 Abs. 3 EGV vorgesehene „besondere Ausschuss“ ein, der zugleich die
Kommission bei internationalen Verhandlungen „unterstützt“.1 In diesem Ausschuss
sitzen außer den Vertretern der Mitgliedstaaten, die das nationale Interesse artikulieren
und die „Schmerzgrenzen“ ihrer jeweiligen Regierung (und auch der Regierungen
anderer Mitgliedstaaten) in handelspolitischen Fragen kennen bzw. repräsentieren,
ebenfalls – als Anwälte des gemeinschaftlichen Interesses – Mitglieder der
Europäischen Kommission (Generaldirektion „Handel“). Aufgrund ihrer Sachkenntnis
können die Kommissionsvertreter auch ohne formelles Stimmrecht erheblichen Einfluss
auf die Willensbildung im 133er Ausschuss ausüben. Für Mitglieder des Europäischen
Parlamentes bleibt dagegen der Zugang zu diesem Gremium versperrt.2
Soweit der 133er Ausschuss handelspolitische Positionsbestimmungen einvernehmlich
(durch Konsens bzw. Gentleman’s Agreement) trifft – wie in der großen Mehrzahl der
Fälle –, werden diese über den Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten
bei der EU (COREPER) an den zuständigen Ministerrat weitergeleitet und dort in der
Regel „abgesegnet“. Wenn kein Einvernehmen erzielt wird, entscheidet der Ministerrat
„originär“. Dabei gilt grundsätzlich die qualifizierte Mehrheit.
Bei Antidumping- (und Antisubventions-) Maßnahmen gilt die einfache Mehrheit.
Soweit die handelspolitischen Entscheidungen hingegen Materien betreffen, bei
1 Die vertraglich untermauerte Existenz des 133er Ausschusses unterstreicht die Schlüsselrolle der
Handelspolitik in der EU. In anderen gemeinschaftlichen Politikbereichen ist eine derartige Institution
vertraglich nicht vorgesehen.
2 Das Europäische Parlament hatte im Jahre 2001 mit großer Mehrheit (434 Pro-, 10 Gegenstimmen,
eine Enthaltung) eine Öffnung des 133er Ausschusses für Parlamentsmitglieder gefordert (European
Parliament 2001).
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denen im EG-Binnenmarkt Einstimmigkeit vorgeschrieben ist, gilt auch in der
Handelspolitik das Einstimmigkeitsgebot.
Tatsächlich sind (Kampf-) Abstimmungen eher die Ausnahme – und Konsenslösungen
die Regel –, zumal handelspolitische Entscheidungen häufig im Rahmen von „Paketen“
(„package deals“) miteinander – und mit Entscheidungen in anderen Politikbereichen –
verknüpft werden.
Als Beispiel für Paketlösungen wird die Zustimmung Frankreichs zu den
Ergebnissen der multilateralen Uruguay-Runde (1986-1994) unter dem General
Agreement on Tariffs and Trade (GATT) angeführt, die u.a. mit der Bedingung
verbunden war, dass den französischen Bauern zusätzliche Subventionen gewährt
würden (Messerlin 2001, S. 14). Frankreich machte in den 80er Jahren ebenfalls die
Zustimmung zu einigen Binnenmarktrichtlinien von der Verabschiedung des (mit
restriktiven Vollmachten ausgestatteten) „Neuen Handelspolitischen Instruments“
abhängig (Hayes 1993, S. 131).
In der gemeinsamen Handelspolitik der EU ist generell die Neigung zur
Konsensentscheidung anscheinend besonders stark ausgeprägt (Johnson 1998,
Woolcock 2000).
In this context, a North-South divide in the trade politics of the European Community
has often been pointed to, with the Northern member countries in favour of
liberalisation and the Southern members leaning towards a protectionist stance. In actual
fact, however, trade policy coalitions in the Council of Ministers increasingly tend to
change from issue to issue (Baldwin 2007). For instance, as observed by Dür (2007),
Spain was the main advocate of free trade agreements with Chile and Mexico, whereas
it took a much more defensive position in the case of the agreement with South Africa
(Frennhoff Larsén 2007).
Institutionally, a two-fold delegation of competences lies at the centre of trade policymaking in the EU: from Member States to the Council of Ministers and from the
Council of Ministers to the European Commission (Meunier and Nicolaidis 1999, p.
480). However, as noted by Dür and Zimmermann (2007, pp. 779-781), the relationship
between the European Commission and the Council of Ministers is quite controversial
in the literature. Drawing on the principal-agent metaphor, some authors stress member
state dominance.1 These authors call attention to the many tools available to the
1 See, e.g., Aggarwal and Fogarty 2004; De Bièvre and Dür 2005; Meunier 2005; and Van den Hoven
2004.
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principals (the member states) to monitor and control the agent (the Commission): the
member states appoint the Commissioner responsible for trade; they have to agree on a
mandate for the Commission; they control the Commission throughout trade
negotiations by way of the Article 133 Committee; and they have to ratify all
agreements reached. Other authors emphasise the relative autonomy of the Commission
pointing to (1) its information advantages resulting from the Commission’s engagement
in negotiations with third countries (Johnson 1998, p. 59; Zimmermann 2007, pp. 160161); (2) the Commission’s ability to use its right of initiative as part of a ‘divide and
conquer’ strategy, in which it buys off reluctant member states with issue linkages
(Schöppenthau 1999, p. 170); and (3) the Commission making use of “cognitive
framing”, i.e. stressing common interests rather than conflicting ones, in order to
engineer consensus among member states (Woll 2006). Overall, according to Dür and
Zimmermann (2007, p. 781), the European Commission’s autonomy in trade policy
may vary depending on the stage in the negotiation process, with limited autonomy in
setting the overall trade agenda and more autonomy in determining the negotiation
venue, as well as the size and number of negotiating partners, involving more autonomy
when negotiating with a relatively small country such as South Africa than when
negotiating with China or in the WTO.
16
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3
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Unilaterale Handelspolitik
Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten ist auch in der Europäischen Union die
Handelspolitik mehrgleisig angelegt. Die EU- Handelspolitik findet parallel auf
unilateraler, regionaler und bilateraler und auf multilateraler Ebene statt.1 Die drei
Ebenen der Handelspolitik sind dabei nicht unabhängig voneinander: Die multilaterale
Ebene definiert den Spielraum der Handelspolitik auf den beiden anderen Ebenen; die
Möglichkeiten unilateraler Handelspolitik werden darüber hinaus auf der regionalen und
bilateralen Ebene eingegrenzt.
Unilaterale Handelspolitik
• Definition
Einseitige Anwendung handelspolitischer
Instrumente mit defensiver oder offensiver
Zielsetzung
• Beispiele
- Gemeinsame Agrarpolitik: defensiv und
offensiv
- Maßnahmen zum Schutz der Binnenmärkte:
defensiv
- Maßnahmen zur Öffnung von
Auslandsmärkten: offensiv
- Öffnung der Binnemärkte für Produkte von
Entwicklungsländern: offensiv
Unilaterale Handelspolitik ist durch einseitige Anwendung handelspolitischer
Instrumente gekennzeichnet. Die dabei verfolgte Zielsetzung kann defensiver oder
offensiver Art sein. Beispiele unilateraler Handelspolitik der Europäischen Union sind
•
die Gemeinsame Agrarpolitik, mit defensiver und offensiver Zielsetzung;
•
(defensive) Maßnahmen zum Schutz der Binnenmärkte und (offensive) Maßnahmen
zur Öffnung ausländischer Märkte; und
1 Auf die in der Europäischen Kommission gebräuchliche Unterscheidung zwischen autonomer und
vertraglicher Handelspolitik angewendet, wäre die unilaterale Handelspolitik der autonomen und die
regionale, bilaterale und multilaterale Handelspolitik der vertraglichen „Abteilung“ zuzuordnen.
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•
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die (offensive) präferentielle Öffnung der Binnenmärkte für Produkte von
Entwicklungsländern.
In den folgenden Punkten wird auf diese drei Bereiche unilateraler Handelspolitik näher
eingegangen, insbesondere auf die Gemeinsame Agrarpolitik und auf den Schutz der
Binnenmärkte in der Form von Antidumpingmaßnahmen.
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3.1
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Die Gemeinsame Agrarpolitik
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist ein Beispiel für beide Varianten unilateraler
Handelspolitik der EU: Durch zum Teil exorbitant hohe Zölle und eine hohe
Subventionierung der heimischen Erzeugung werden ausländische Agrarprodukte vom
europäischen Inlandsmarkt ferngehalten (defensive Variante). Gleichzeitig werden
inländische Erzeugnisse mittels Exporterstattung auf den Weltmarkt gedrückt (offensive
Variante). Politökonomisch ist die GAP ein Beispiel für effektives Lobbying, bei dem
ein relativ kleiner Sektor sich relativ große wirtschaftliche Vorteile eingehandelt hat.
Der Anteil des Agrarsektors (einschließlich Jagd-, Forst- und Fischwirtschaft) an der
gesamten Bruttowertschöpfung in der EU 25 betrug 2005 lediglich 1,9%, sein Anteil
an der gesamten Beschäftigung 5%.1
Die Gemeinsame Agrarpolitik begann im Jahre 1962 mit der doppelten Zielsetzung, das
Einkommen der Landwirte zu sichern und eine geregelte Versorgung der Bevölkerung
mit Lebensmitteln zu gewährleisten. Zu diesem Zweck sollten die Preise für
Agrarprodukte hoch (und damit für die Landwirtschaft einträglich) und stabil (und
damit für die Bevölkerung kalkulierbar) sein. Das Hauptinstrument hierfür – der Drehund Angelpunkt der GAP – wurde die inländische Preisstützung und damit das
Einziehen eines Preisbodens in den Inlandsmarkt. Dabei wird der Absatzpreis im
Inland auf einem Niveau garantiert, das über dem entsprechenden Weltmarktpreisniveau
liegt. Dies geschieht, indem variable Zollsätze (im GAP-Jargon „variable
Abschöpfungen“) erhoben werden, die den Weltmarktpreis auf den inländischen
Garantiepreis hochschleusen.2
Solange der Garantiepreis unter dem Autarkiepreis liegt (die EU also Importeur des
Produktes ist), ergeben sich analoge (Wohlfahrts-)Wirkungen wie bei einem
Importzoll:
1 Zum Vergleich: Die entsprechenden Anteile des Dienstleistungssektors betrugen 78% bzw. 77% und
der verarbeitenden Industrie 20% bzw. 18% (WTO 2007, S. 2).
2 In den multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) – unter dem damaligen General
Agreement on Tariffs and Trade (GATT) - wurde das Instrument der variablen Abschöpfung für
künftig unzulässig erklärt und darf daher seit 1995 nicht mehr genutzt werden. Es wurde daraufhin
durch feste Zölle ersetzt.
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Wohlfahrtswirkungen eines Importzolls
Preis
A
PZ
PW
P*Z
a
b
d
c
e
N
Menge
Import (bei Zoll)
Nettoeffekt im Inland:
Verlust an Konsumentenrente (a+b+c+d) ·/. Gewinn an
Produzentenrente (a) ·/. Zolleinnahmen (c+e)
= Produktionsverzerrung (b) + Konsumverzerrung (d) ·/. Terms-oftrade-Gewinn (e)
In der folgenden Folie wird die Funktionsweise des Systems der „variablen
Abschöpfungen“ verdeutlicht (vgl. Baldwin/Wyplosz 2006, S. 205-207):
Ökonomik der “variablen Abschöpfungen”
Preis
Nachfrage
Inland
Angebot
Inland
Nachfrage
Inland
Preis
Angebot
Inland
paut
Z’
Preisboden
(Pw+Z, bzw.
Pw’+Z’)
Z
Preisboden
A
Pw’
Pw
Pw
B
C1
C2
Importe
(mit
“Boden”)
Z
Za
Ca C
Menge
Importe (ohne Preisboden)
20
Z
Za
Ca C
Menge
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Über die „klassischen“ Wirkungen eines Importzolls hinaus hat das System der
inländischen Preisstützung seine eigene Dynamik entwickelt. Es hat, im Verein mit
einem technologisch bedingten – und durch die hohen Preise zusätzlich geförderten –
starken Produktivitätsfortschritt („grüne Revolution“), dazu geführt, dass bei vielen
Agrarprodukten die inländische Produktion die inländische Nachfrage übersteigt. In
diesem Fall werden die Überschussmengen/die Überproduktion vom Staat bzw. von
der Gemeinschaft zum Garantiepreis aufgekauft und im Prinzip exportiert. Für die
exportierten Mengen ergibt sich dabei eine Subvention (pro exportierter Einheit) in
Höhe der Differenz zwischen Garantie- und Weltmarktpreis. Die (Wohlfahrts)Wirkungen dieser Subvention entsprechen den Wirkungen einer Exportsubvention:
Wohlfahrtswirkungen einer Exportsubvention
Preis
PS
PW
P*S
a b
c
e
f
d A
g
N
Menge
Export (bei Subvention)
Nettoeffekt im Inland:
Verlust an Konsumentenrente (a+b) ·/. Gewinn an Produzentenrente
(a+b+c) + Ausgaben für Subventionierung (b+c+d+e+f+g)
= Konsumverzerrung (b) + Produktionsverzerrung (d) + Terms-of-tradeVerlust (e+f+g)
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„Haushaltstechnisch“ gesehen wechselt die Europäische Gemeinschaft im Zuge dieser
Entwicklung aus der Position eines „Zolleinnehmers“ (grünes Feld in der folgenden
Folie) in die Position eines „Subventionsgebers“ (rotgestricheltes Feld):
Wandlung der EU vom Importeur zum
Exporteur von Agrarprodukten
Preis
PW = Weltmarktpreis
A
PINI = Inlandspreis bei Nettoimport
PINE
PA = Autarkiepreis
PA
PINE = Inlandspreis bei Nettoexport
PINI
= Zolleinnahmen
PW
= Subventionen
N
Export
Import
22
Menge
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In der folgenden Folie wird das Zusammenspiel zwischen inländischer Preisstützung
und Angebotsexpansion in der europäischen Landwirtschaft dargestellt ((vgl.
Baldwin/Wyplosz 2006, S. 211-212):
Preisstützung und Angebotsexpansion im EU-Agrarsektor
Preis
A1 A2 A3
A4
Preis
Nachfrage
Inland
Angebot
Inland
p1aut
p2aut
p3aut
a
p4aut
b
c d
e
Preisboden
A’
Preisboden
B
A
C1
C2
Pw
Aufkauf
durch EU
Nachfrage
Inland
Menge
Ca
Za
Menge
Von den 1960er zu den 1990er Jahren wurde die Europäische Gemeinschaft in der Tat
bei den meisten Agrarprodukten vom (Netto-) Importeur zum (Netto-) Exporteur. Dabei
stiegen die Kosten der GAP kräftig an: ihr Anteil am Budget der Gemeinschaft
erhöhte sich zwischen 1965 und 1969 explosionsartig von 8% auf 80%. Seither ist
dieser Anteil wieder zurückgegangen, die Agrarausgaben bestreiten aber noch immer
einen hohen Anteil (ca. 40%) des Gemeinschaftshaushaltes (Baldwin/Wyplosz 2006, S.
214).
Im Jahre 2002 wurden in der EU insgesamt 107 Mrd. US-$ entweder zur Preisstützung
für Agrarprodukte (61 Mrd. $) oder als Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe
(46 Mrd. $) ausgegeben. Dies ist annähernd die Hälfte der Summe (235 Mrd. $), die in
der gesamten OECD für Agrarsubventionen dieser Art (Producer Support
Estimate/PSE) aufgebracht wurde. Etwa drei Viertel der PSE-Leistungen sind in
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irgendeiner Form an die Höhe der Erzeugung gekoppelt und verzerren deshalb die
internationalen Handelsströme im Agrarsektor (Tangermann 2004).1
Wirkungen der GAP auf den Weltmarktpreis
Da die EU ein „großer Spieler“ in der Weltwirtschaft ist, wirken sich ihre Aktionen
nachhaltig auf den Weltmarkt und vor allem auf die Preisbildung am Weltmarkt aus.
Dies gilt natürlich in besonderem Maße bei Exportsubventionen, da in diesem Falle
Anbieter aus anderen Ländern unmittelbar betroffen sind. In der GAP-Terminologie
heißen Exportsubventionen Exportrestitution; sie sind das Pendant zu den erwähnten
variablen Abschöpfungen auf der Importseite. Da die subventionierten Exportpreise
deutlich niedriger sind als die inländischen Erzeugungskosten, liegt zugleich ein
klassischer Fall von Dumping vor. Beim Dumping wird zwischen Kosten- und
Preisdumping unterschieden. In der Gemeinsamen Agrarpolitik ist beides gegeben: Die
Verkaufspreise im Ausland liegen unter den inländischen Erzeugungskosten
(Kostendumping) und ebenfalls unter den Verkaufspreisen im Inland (Preisdumping).
1 PSE-Leistungen bilden den Großteil – und den für den internationalen Handel relevanten Teil – der für
2002 auf insgesamt 318 Mrd.$ pro Jahr veranschlagten Agrarsubventionen in der OECD (Tangermann
2004).
24
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In der folgenden Folie wird gezeigt, wie das Zusammenspiel von Schutz des
Inlandsmarktes und Dumping auf Exportmärkten sich auf den Weltmarktpreis auswirkt:
Wirkungen der GAP auf den Weltmarktpreis
IN
(mit
Preis Protektion)
EA
(ohne Dumping)
EA
(mit Dumping)
PWF
PWF = Weltmarktpreis bei
Freihandel
PW P = Weltmarktpreis bei
Protektion des
Inlandsmarktes
PWD = Weltmarktpreis bei
Dumping im Ausland
PW P
PWD
PWPD
IN
(ohne
Protektion)
MP MF MPD MD
PW PD = Weltmarktpreis bei
Protektion und
Dumping
IN
= Importnachfrage
EA
= Exportangebot
Menge
Ohne Schutz des Inlandsmarktes und ohne Dumping läge der Weltmarktpreis bei PwF,
d.h. er läge dort, wo die Exportangebotskurve EA (ohne Dumping) und die
Importnachfragekurve IN (ohne Protektion) sich schneiden. Durch Protektion des
Inlandsmarktes verschiebt sich die Importnachfragekurve nach links, d.h. bei einem
gegebenen Preis wird weniger nachgefragt. Der Weltmarktpreis fällt auf PwP; die
international gehandelte Menge sinkt auf MP. Durch Dumping verschiebt sich die
Exportangebotskurve nach rechts, d.h. zu einem gegebenen Preis wird mehr angeboten.
Der Weltmarktpreis fällt auf PwD; die international gehandelte Menge erhöht sich auf
MD. Wenn beides zusammenkommt – Protektion und Dumping -, fällt der
Weltmarktpreis auf PwPD; die international gehandelte Menge steigt oder fällt; bei der
hier gewählten Steigung und Lage der Kurven erhöht sie sich auf MPD.
Volkswirtschaftliche Kosten der GAP
Den Handelspartnern der EU entstehen durch die gemeinsame Agrarpolitik und die von
ihr bewirkte Reduktion der Weltmarktpreise hohe Kosten in der Form entgangener
Absätze und Erlöse in der EU, in Drittländern und im eigenen Land. Mehr als ein Drittel
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der gesamten volkswirtschaftlichen Kosten, die von der GAP verursacht werden, wird
von den Handelspartnern getragen.1 In relativ besonders hohem Maße sind
Entwicklungsländer betroffen, deren Agrarexportpotential durch die EU-Subventionen
in einem Ausmaß (etwa 50 Mrd. $ pro Jahr) gemindert wird, das etwa der Hälfte der
von den EU-Mitgliedstaaten insgesamt geleisteten Entwicklungshilfe entspricht (Ismail
2003, S. 569).
Reformschritte in der GAP
Eine wirksame Reform der GAP müsste bei der Preisstützung ansetzen, also bei der
Abkopplung des Inlandspreises vom Weltmarktpreis bzw. bei dem Keil, der zwischen
Inlands- und Weltmarktpreis getrieben wird. Dies hat jedoch eine politisch sehr
einflussreiche Agrarlobby lange Zeit verhindert. Deren Macht, die in keinem Verhältnis
zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Agrarsektors steht, resultiert zum Teil aus
einer Befürwortung der hohen Agrarsubventionen in der breiten Bevölkerung.
Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik:
Überblick
• Reform von 1988: Eindämmung der
Überproduktion
• Reform von 1992: Einstieg in die
Entkopplung von Produktion und
Subvention
• Reformen von 2003 und 2004:
Fortsetzung der Entkopplung
Um dem Dilemma zwischen fehlender politischer Akzeptanz eines Abbaus der
Preisstützung und den Kosten für den Aufkauf der Überproduktion zu entkommen,
1 Den Rest der auf insgesamt mindestens 75 Mrd. $ geschätzten Kosten teilen sich Verbraucher und
Steuerzahler in der Gemeinschaft selbst (Borrell/Hubbard 2000).
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wurde zunächst an der Produktionsschraube gedreht (und damit am Symptom
laboriert), d.h. zur Eindämmung der Überproduktion wurden Produktionsquoten
verhängt bzw. Höchstmengen zum garantierten Abnahmepreis festgelegt, zunächst bei
Zucker (1968), dann bei Milch (1986) und schließlich bei allen Haupterzeugnissen
außer Rindfleisch (1988). Das Problem der Überschussproduktion wurde so jedoch
nicht gelöst:
„The wheat and butter mountains continued to grow along with subsidized exports,
budget expenditures continued to rise, and, despite this, average farm incomes
continued to fall relative to the EU-wide average” (Baldwin/Wyplosz 2004, S. 230).
Die erste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, die an der Ursache des Problems
ansetzte, nämlich an den überhöhten Inlandspreisen bzw. der Abkopplung des
Inlandspreises vom Weltmarktpreis, kam 1992. Nach ihrem Initiator, dem damaligen
Agrarkommissar der Gemeinschaft, wurden diese Reformen MacSharry-Reformen
genannt. Die MacSharry-Reformen wurden maßgeblich von außen angestoßen, nämlich
durch die multilateralen Liberalisierungsverhandlungen im Rahmen des GATT
(Uruguay-Runde). Ein Hauptziel der 1986 begonnenen Uruguay-Runde war die
Revision protektionistischer/interventionistischer Agrarpolitik. Treibende Kraft bei der
Liberalisierung war die Cairns Group der Agrarexportländer (so benannt nach dem Ort
in Australien, an dem die Gruppe gebildet wurde). Die Europäische Gemeinschaft (im
Verein mit Japan) widersetzte sich dagegen hartnäckig einem substantiellen Abbau des
Agrarschutzes und brachte damit Ende 1990, als die multilateralen Verhandlungen
eigentlich hätten abgeschlossen werden sollen, die Uruguay-Runde an den Rand des
Scheiterns (und die Vertreter der Cairns Group zum Verlassen des
Verhandlungstisches):
„This crisis threatened the whole future of the world trading system – an outcome
that most EU exporters could not accept (over 80 per cent of EU exports involve
industrial goods). EU governments began to face very serious pressure from their
own industrialists and export-oriented service sectors. In the end, this pressure was
sufficient to force a reform of the CAP that was substantial enough to allow a
Uruguay Round agreement that was acceptable to the Cairns Group. The reform
package, which was called the MacSharry reforms after the EU Farm Commissioner
responsible for it, was adopted in mid-1992. The Uruguay Round deal was struck 18
months later“ (Baldwin/Wyplosz 2004: 231).
Die Essenz der MacSharry-Reformen war eine Senkung der Stützpreise und der Beginn
kompensatorischer Direktzahlungen an die Landwirte. Dies war zugleich der Start des
Prozesses der Entkopplung von Produktion und Subvention. D.h.: Das Ausmaß der
Subventionierung hing nicht länger (allein) von der erzeugten Menge (dem
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Flächenertrag), sondern auch von der für die Erzeugung genutzten Fläche (der
Flächengröße) ab.
Die MacSharry-Reformen machten den Weg zu einem Verhandlungsergebnis in der
Uruguay-Runde frei, das seinerseits bedeutende Auswirkungen auf die Gemeinsame
Agrarpolitik hatte:
•
Die variablen Importabgaben und mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen mussten
in feste Zölle umgewandelt (Tarifizierung) und zugleich gesenkt werden.
•
Die interne Subventionierung der Landwirtschaft musste reduziert werden.
•
Ähnliches galt für die Exportsubventionen.
In der Agenda 2000 (beschlossen auf dem Europäischen Rat 1999 in Berlin) wurden die
MacSharry-Reformen weiter geführt (d.h. die Stützpreise weiter abgesenkt und die
hieraus resultierenden Einbußen teilweise durch zusätzliche Direktzahlungen
kompensiert). Darüber hinaus wurde vereinbart, die (realen) Budgetausgaben für die
Gemeinsame Agrarpolitik zu „kappen“, d.h. eine Obergrenze festzusetzen. Im Jahre
2002 wurde diese Obergrenze mit 43 Mrd. € pro Jahr bis zum Jahre 2013 quantifiziert;
die Agrarausgaben sollten auf diesem Niveau „eingefroren“ werden.
Auch die große GAP-Reform von Juni 2003, deren Implementierung Anfang 2005
begonnen hat, knüpft an die MacSharry-Reformen an. Kernelemente dieser Reform
sind:
•
Entkopplung („decoupling“): Einführung einer Betriebsprämie bzw. Flächenprämie
(„single payment“) für Landwirte in der EU, deren Höhe von der Produktion
unabhängig ist. Entscheidend ist die Größe der landwirtschaftlich genutzten Fläche.
Dabei ist die Art der Nutzung unerheblich. Es muss also nicht mehr wie noch im
alten (MacSharry-) System z.B. eine bestimmte Getreidesorte angebaut werden.
•
Kreuzverpflichtung („cross-compliance“): Die Zahlung der Einheitsprämie ist an
die Einhaltung bestimmter Standards in den Bereichen Umwelt,
Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz geknüpft und mit der
Verpflichtung verbunden, das Land in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen
Zustand zu erhalten.
•
Modulation und ländliche Entwicklung: Die Zahlungen für größere Betriebe
werden während acht Jahren schrittweise (leicht) gekürzt, und die auf diese Weise
frei werdenden Mittel in die „zweite Säule“ der GAP (Projekte zur Entwicklung des
ländlichen Raums) umgeschichtet.
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Die Betriebsprämienregelung bzw. Flächenprämienregelung galt zunächst für die
wichtigsten Sektoren wie Getreide, Fleisch und Milch; seit 2006 sind auch Tabak,
Olivenöl und Baumwolle einbezogen.
Ein wesentlicher Impuls für die Reform kam von der WTO. So erklärte die EUAgrarkommissarin (Mariann Fischer Boel), dass die Reform die Chancen für einen
erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde erhöhe.1 Durch den Abbau
handelsverzerrender Subventionen in der EU sollten vor allem die Entwicklungsländer
für eine aktive Beteiligung an den multilateralen Liberalisierungsverhandlungen im
Rahmen der Doha-Runde gewonnen werden. Im Sommer 2004 erklärte sich die EU
insbesondere bereit, die Exportsubventionen im Agrarsektor vollständig abzubauen. Im
Gegenzug wird von (weiter fortgeschrittenen) Entwicklungsländern erwartet, dass sie
ihrerseits im Industriesektor Zölle abbauen.2
Die Subventions-„Boxen“ in der Doha-Runde
Orangefarbene Box: Abzubauende Subventionen, die an die Produktionsmenge oder
an den (Stütz-) Preis gebunden/gekoppelt sind und daher den internationalen Handel
verzerren. Beispiel: Staatliche Aufkäufe von Getreide oder Milchprodukten zum
Garantiepreis.
Blaue Box: Tolerierte bzw. begrenzt erlaubte Subventionen. Es handelt sich um
teilweise entkoppelte Subventionen. Sie knüpfen an der Produktion an, ohne aber den
tatsächlichen Umfang der Produktion widerzuspiegeln. Das typische Beispiel sind
Flächenprämien, die in Verbindung mit Produktionsbegrenzungsprogrammen bei einer
festen Anbaufläche und einem festen Ertrag ansetzen.
Grüne Box: Unbegrenzt erlaubte Subventionen. Hier wird davon ausgegangen, dass die
Subventionen vollständig entkoppelt und somit produktionsneutral sind. Dies gilt z.B.
für Umweltschutzsubventionen oder für Subventionen für Forschung, Entwicklung und
Ausbildung, und es wird von der Europäischen Kommission - zu 90% - auch für die in
der EU im Jahre 2005 eingeführte Betriebsprämie reklamiert, die an der Größe der
Nutzfläche, unabhängig von der Art der Nutzung, orientiert ist (s.o.).
1 Vgl. Neue Zürcher Zeitung v. 27.12.2004: „Paradigmawechsel in der EU-Agrarpolitik“.
2 Vgl. Financial Times v. 17.6.2005: „Mandelson gives pledge on cuts to agricultural export subsidies“.
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Die WTO hat auch wesentlich dazu beigetragen, dass die EU eine Liberalisierung ihres
hochgradig protektionistischen Protektions- und Handelsregimes im Zuckersektor in die
Wege geleitet hat. Dieser Sektor war von der Reform im Juni 2003 ausgenommen
worden.
Der Preis für Zucker auf dem EU-Markt liegt bei mehr als dem Dreifachen des
Weltmarktpreises. Dieser den Produzenten garantierte Preis wird durch
entsprechende Einfuhrzölle abgesichert und heizt die Inlandserzeugung in einem
Maße an, das die Nachfrage nach Zucker in der EU weit übersteigt. Die
Überschussmengen werden exportiert, obgleich sie international nicht
wettbewerbsfähig sind, indem für jeden Euro verkauften Zuckers 3 Euro und 30 Cent
Subvention gezahlt wird (Oxfam International 2004, S. 12). Auf diese Weise ist die
EU zum zweitgrößten Zuckerexporteur in der Welt aufgestiegen, nach Brasilien und
vor Thailand, Australien und Kuba.
Australien, Brasilien und Thailand haben einige Aspekte des WTO-Zuckerregimes im
Streitschlichtungsverfahren der WTO erfolgreich angefochten.
Es ist vorgesehen, den garantierten Mindestpreis für Zucker in der EU und damit den
Preisboden für dieses Erzeugnis auf dem Inlandsmarkt um etwa 40 Prozent zu senken.1
Wohlfahrtswirkungen einer Entkopplung von Produktion und Subvention in der GAP
1 Vgl. Financial Times v. 14.6.2005: „”Overhaul of EU sugar sector ‘could force Europe’s producers to
shut down’”.
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In der folgenden Folie werden die inländischen Wohlfahrtswirkungen der GAP für den
Fall einer vollständigen oder auch „reinen“ Entkopplung („pure decoupling“) bei
einem Produkt wie z.B. Weizen dargestellt. Dabei ist angenommen, dass die inländische
Preisstützung bei diesem Produkt beseitigt und damit der Preisboden weggezogen wird.
Es ist außerdem angenommen, dass die Produzenten für den hierdurch erlittenen
Einkommensverlust in vollem Umfang entschädigt werden. Der Einfachheit halber wird
schließlich unterstellt, dass der Weltmarktpreis von diesen Entwicklungen nicht
beeinflusst wird.
Wohlfahrtswirkungen einer Entkopplung
von Subvention und Produktion
Preis
Stützkäufe vor
Entkopplung
A
PS
c
a
d
b
e
PW
N
Menge
Importe nach
Entkopplung
Nettoeffekt im Inland:
Gewinn an Konsumentenrente (a+b+e) ·/. Verlust an Produzentenrente
(a+b+c) + Einsparung des Staates durch vermiedene Stützkäufe (b+c+d+e)
= Gewinn an Konsumentenrente (a+b+e) ·/. Nettobudgeteffekt (a-d-e)
Das Wegziehen des Preisbodens bedeutet, dass der Inlandspreis von PS auf Pw und
damit vom Stützpreisniveau auf das Weltmarktpreisniveau fällt. Dies führt dazu, dass
die inländische Erzeugung – das Angebot - sinkt und der inländische Konsum – die
Nachfrage – steigt. Das Land wird vom Exporteur zum Importeur des Produktes, da die
Exportsubventionen entfallen und beim Weltmarktpreis die inländische Nachfrage das
inländische Angebot übersteigt.
Aufgrund dieser Entwicklungen bei Produktion, Konsum und internationalem Handel
steigt die Konsumentenrente um die Summe der Felder a, b und e; die Produzentenrente
sinkt um a+b+c; und der Staat spart Ausgaben in Höhe von b+c+d+e aufgrund
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vermiedener Stützkäufe. Da der Staat den Verlust an Produzentenrente durch
Direktzahlungen annahmegemäß vollständig kompensiert, entspricht der gesamte
Wohlfahrtseffekt dem Gewinn an Konsumentenrente abzgl. der Nettoausgaben des
Staates (d.h. der Differenz zwischen den Kompensationszahlungen an die Produzenten
und der Einsparung aufgrund vermiedener Stützkäufe). Dieser Effekt ist in jedem Fall
positiv. Er entspricht der Summe aus den Feldern b, d und 2*e.
Es zeigt sich also, dass die inländische Preisstützung ein sehr ineffizientes politisches
Instrument ist. Die Ursache liegt darin, dass der Marktmechanismus unterbrochen wird.
Bei vollständigem Ersatz der Preisstützung durch Direktzahlungen wie z.B. die
erwähnten Betriebsprämien bliebe der Marktmechanismus dagegen intakt. Die
inländischen Konsumenten würden besser gestellt, ohne dass die inländischen
Produzenten Einbußen erlitten. Das Ergebnis wäre also pareto-optimal.
Auch die ausländischen Handelspartner der EU würden insgesamt profitieren: Die
Gewinne ausländischer Produzenten aufgrund höherer Preise wären höher als die mit
höheren Preisen verbundenen Verluste für ausländische Konsumenten.
Die Realität der Gemeinsamen Agrarpolitik ist aber trotz der eingeleiteten Reformen
von vollständiger/reiner Entkopplung und effizientem Marktmechanismus noch weit
entfernt. Deshalb wird in der WTO und konkret in der laufenden Doha-Runde weiter
über den Abbau von Subventionen und Importschutzzöllen im Agrarsektor
verhandelt.
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3.2
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Schutz der Binnenmärkte und Öffnung von Auslandsmärkten
Der handelspolitische Schutz der europäischen Binnenmärkte tritt vor allem in der Form
von Ad-hoc-Protektion („contingent protection“) in Erscheinung. Ad-hoc-Protektion
umfasst im Wesentlichen drei Politikbereiche: Antidumpingmaßnahmen,
Ausgleichsmaßnahmen gegen ausländische Subventionen und
Schutzklauselmaßnahmen. Derartige Maßnahmen haben gemeinsam, dass sie an
bestimmten „Ereignissen“ – Dumping, Subventionen, starker Importanstieg –
anknüpfen, die sich im Außenhandel niederschlagen, und auf Zeit angelegt sind, im
Unterschied zur regulären Protektion, die unabhängig von solchen Phänomenen
dauerhaft „installiert“ ist.
Die
untenstehenden
Folien
informieren
über
Entwicklungstendenzen
und
Länderschwerpunkte beim Einsatz dieser handelspolitischen Instrumente im Zeitraum
von 1995 bis 2004:
Ad-hoc-Protektion - Entwicklung seit 1995:
Antidumping - Schutzklausel - Antisubvention
400
350
300
250
Antidumping
Schutzklausel
Antisubvention
200
150
100
50
0
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
Anm.: Anzahl eingeleiteter Untersuchungen. Bei Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen Angaben für 2004 vom ersten Halbjahr hochgerechnet
Quelle: Global Trade Protection Report - Update 2004, London 2005
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Ad-hoc-Protektion - Hauptakteure (Top Ten)
1995-2004
Schutzklausel
USA
Chile
EU
Ungarn
Tschechien
Indien
Polen
China
Kanada
Bulgarien / Jordanien
Insgesamt: 276 (74%)
42
36
23
21
19
16
16
11
10
9
Antidumping
Indien
USA
EU
Argentinien
Südafrika
Australien
Kanada
Brasilien
China
Türkei
383
350
287
187
172
165
126
114
83
77
Insgesamt: 2285 (85%)
Antisubvention
USA
EU
Kanada
Südafrika
Australien
Neuseeland
Ägypten
Argentinien
Chile
Peru
69
42
15
11
6
6
4
4
4
3
Insgesamt: 174 (94%)
Anm.: Anzahl eingeleiteter Untersuchungen. Bei Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen
Angaben bis einschließlich Juni 2004. In Klammern Anteil der genannten an den gesamten
Untersuchungen.
Quelle: Global Trade Protection Report - Update 2004, London 2005
Zielländer von Antidumping- und
Antisubventionsmaßnahmen (Top Ten)
1995-2004
Antidumping
China
EU
Südkorea
USA
Taiwan
Japan
Indien
Indonesien
Thailand
Russland
Insgesamt: 2285 (76%)
386
361
194
146
138
113
105
103
96
92
Antisubvention
EU
Indien
Südkorea
Indonesien
Kanada
Thailand
Taiwan
Brasilien
Südafrika
Argentinien
43
40
13
9
8
8
7
6
6
4
Insgesamt: 174 (83%)
Anm.: Anzahl eingeleiteter Untersuchungen bis einschließlich Juni 2004. In Klammern Anteil der
genannten an den gesamten Untersuchungen.
Quelle: Global Trade Protection Report - Update 2004, London 2005
In den folgenden Ausführungen liegt der Schwerpunkt bei den Dumpingstrategien der
Unternehmen und der Antidumpingpolitik der Regierungen sowie bei ihrer
ökonomischen Beurteilung.
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Preis- und Kosten-Dumping
• Preis-Dumping: Der Exportpreis liegt unter dem
Inlandspreis des Herstellers oder unter dem
Exportpreis auf Drittmärkten.
• Kosten-Dumping: Der Exportpreis liegt unter den
Produktionsstückkosten oder den Grenzkosten
der Produktion (einschl. einer „angemessenen“
Gewinnspanne).
Dumping liegt vor, wenn ausländische Unternehmen ihre Ware – z.B. auf dem
europäischen Markt - zu Preisen anbieten, die entweder unter den Preisen auf dem
Inlandsmarkt des Exporteurs oder unter den Preisen auf anderen Exportmärkten
(Preisdumping) oder unter den Produktionsstückkosten bzw. den Grenzkosten der
Produktion (einschl. einer „angemessenen“ Gewinnspanne) des Exporteurs
(Kostendumping) liegen. Beide Definitionen von Dumping sind auch in der
Antidumpingregelung der WTO enthalten.
Preisdumping ist Ausdruck internationaler Preisdifferenzierung, bei der ein
ansonsten gleiches Produkt im Ausland zu einem niedrigeren (Ab-Werk)-Preis als im
Inland angeboten wird. In seiner grundlegenden Studie über Dumping definiert Jacob
Viner (1923, S.3) Dumping dementsprechend als „price discrimination between national
markets“.
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Dumpingstrategien von Unternehmen
Dumpingstrategien von Unternehmen
• Expansives
Dumping: Exportsteigerung
durch Preis- oder Kostendumping
• Zyklisches Dumping: Bessere
Kapazitätsauslastung durch preisinduzierte
Exportsteigerung
• Strategisches Dumping: Etablierung von
Marktmacht
im Ausland
• Räuberisches Dumping: Monopolisierung
ausländischer Märkte
Unternehmen, die im internationalen Handel zu Dumpingpreisen anbieten, können sich
dabei unterschiedlicher Strategien bedienen. Vier Hauptstrategien bzw. Kategorien des
Dumping sind zu unterscheiden:1
•
Expansives Dumping: Ziel der Unternehmen ist es in diesem Fall, durch Preisoder Kostendumping den Export zu steigern oder den Marktanteil im Ausland zu
erhöhen. Bei expansivem Preisdumping ist der im Vergleich zum Inlandspreis
niedrigere Exportpreis wegen einer höheren Preiselastizität der Nachfrage im
Ausland notwendig: Die ausländischen Käufer reagieren auf Preisänderungen
stärker als die inländischen Käufer. Ursachen dafür können weniger ausgeprägte
Käuferpräferenzen für das Produkt, eine größere Verfügbarkeit von
Substitutionsprodukten oder eine höhere Wettbewerbsintensität im Ausland als im
Inland sein. Bei expansivem Kostendumping nehmen die Exporteure kurzfristig
Verluste in Kauf, um z.B. Lerneffekte bzw. dynamische Skalenerträge zu erzielen,
die es erlauben, langfristig den Gewinn zu steigern („forward pricing).
•
Zyklisches Dumping: In diesem Fall ist es das Ziel der Unternehmen, vorhandene
Produktionskapazitäten in einer konjunkturellen Flaute besser auszulasten, indem
1 Die folgende Unterscheidung geht auf Robert Willig (1998, S. 61-66) zurück. Willig nennt als weitere
Kategorie noch Dumping durch staatseigene Unternehmen (state-trading dumping).
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der Export durch niedrigere Preise angekurbelt wird. Dies kann Preis- oder
Kostendumping beinhalten. Eine solche Strategie kann so lange lohnend sein, wie
der Absatzpreis nicht unter die Grenzkosten oder variablen Stückkosten fällt.
•
Strategisches Dumping: In diesem Fall erwächst den Exporteuren aus der Größe
und Abschottung ihres Heimatmarktes ein strategischer (Kosten-) Vorteil gegenüber
ausländischen Konkurrenten. Dieser Vorteil wird genutzt, indem die Unternehmen
den Exportpreis unter den Inlandspreis absenken und auf einem Niveau unterhalb
der gesamten (fixen plus variablen) Stückkosten festsetzen. Im Ausland kann dies
dazu führen, dass inländische Investoren abgeschreckt werden und die Käufer sich
der Marktmacht ausländischer Anbieter gegenüber sehen.
•
Räuberisches Dumping: In diesem Fall ist die Verdrängung ausländischer
Konkurrenten und damit die Monopolisierung ausländischer Märkte das Ziel der
Unternehmen. Das eingesetzte Mittel sind Preise, die vorübergehend unterhalb der
Grenzkosten oder variablen Stückkosten fixiert werden und daher zunächst Verluste
eintragen. Nachdem der Markt „bereinigt“ ist, werden die Preise jedoch auf
Monopolniveau erhöht, d.h. entsprechend dem Schnittpunkt von Grenzerlös- und
Grenzkostenkurve festgesetzt. Damit räuberisches Dumping sich lohnt, müssen die
Exporteure demnach in der Lage sein, den Wettbewerb im Ausland auszuschalten
sowie den Markteintritt neuer und Wiedereintritt verdrängter Konkurrenten zu
verhindern.
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Ökonomische Effekte von Dumping
Ökonomische Effekte von Dumping
• Expansives und zyklisches
Dumping sind gesamtwirtschaftlich
eher unschädlich.
• Strategisches Dumping kann
schädlich sein.
• Räuberisches Dumping ist
schädlich.
Die ökonomischen Wirkungen der vier beschriebenen Dumpingstrategien sind
durchaus unterschiedlich:
Gesamtwirtschaftlich bzw. volkswirtschaftlich oder weltwirtschaftlich gesehen sind
expansives und zyklisches Dumping normalerweise unschädlich bzw. vorteilhaft: Im
Ausfuhrland steigt die Produzentenrente, im Einfuhrland wird der Nutzengewinn für die
Käufer des Produktes i.d.R. den Verlust an Produzentenrente übertreffen, den die
heimische Industrie erleidet. Bei strategischem Dumping ist es dagegen möglich, dass
das Exportland sich auf Kosten des Importlandes bereichert und zugleich
weltwirtschaftlich ein (Wohlfahrts-) Verlust eintritt. Dies wäre der Fall, wenn der
Nachteil für das Importland stärker zu Buche schlüge als der Vorteil für das Exportland.
Bei räuberischem Dumping ist der negative gesamtwirtschaftliche Effekt eindeutig:
Das Importland verliert stärker als das Exportland gewinnt; die globale Wohlfahrt sinkt.
The decisive criterion for dumping to be economically harmful is whether dumping
strategies entail efforts to establish monopoly on foreign markets. With market-
expansion dumping (i.e. exporting at a lower price than in the home market for the
purpose of expanding export sales, which may be profitable if the demand conditions in
the home and foreign markets differ) and cyclical dumping (i.e. exporting at unusually
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low prices in periods of weak demand and excess production capacity), this is typically
not the case. In contrast, the two other categories of dumping typically involve efforts to
achieve or exploit monopoly power. Strategic dumping combines low export prices
with a protected home market to give exporters an advantage in industries with static or
dynamic economies of scale. This strategy may damage the importing country by
reducing the ability of domestic firms to take full advantage of scale economies and
limiting the export opportunities of domestic suppliers through home market protection
while domestic consumers too may over time be injured by the exercise of monopoly
power by importing firms. On the global level, the negative effects of strategic dumping
are likely to outweigh the benefits to the exporting country. Predatory dumping, i.e.
exporting at low prices to drive rivals out of business and obtain monopoly power,
would destroy home market competition and harm domestic consumers. In this case,
global welfare would also decline, as the negative domestic effects would be higher than
the monopoly rents accruing to the foreign company.
Antidumpingpolitik
Kriterien für Antidumpingmaßnahmen
• Dumping-Marge: Relation Exportpreis zu
Inlandspreis oder zu Stückkosten
• Ausmaß der Schädigung der heimischen
Industrie: Gewinn-, Absatz- oder
Beschäftigungseinbußen
• Kausalität zwischen Dumping und
Schädigung
• EU spezial: Gemeinschaftsinteresse
Kriterien für Antidumpingmaßnahmen:
Maßgeblich für die Verhängung von Antidumpingmaßnahmen sind (1) das Ausmaß des
Dumping, d.h. die Relation zwischen Export- und Inlandspreis bzw. Exportpreis und
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Stückkosten; (2) das Ausmaß der Schädigung heimischer Industrien, etwa in der Form
von Gewinn-, Absatz- oder Beschäftigungseinbußen, und (3) die Kausalität zwischen
Dumping und Schädigung. Demgegenüber sind die Wirkungen der Dumpingpraktiken
auf Konsumenten und Anwender-/Nutzer-Industrien, auf den Wettbewerb und auf die
Volkswirtschaft insgesamt bei der Antidumpingpolitik zweitrangig bis irrelevant. Aus
ökonomischer Sicht sind jedoch die gesamtwirtschaftlichen Implikationen
internationaler Dumpingpraktiken entscheidend.
In der Europäischen Union ist gemäß der Grundverordnung zum Schutz gegen
Dumpingeinfuhren aus Drittländern1 auch das „Gemeinschaftsinteresse“ ein Kriterium
in der Antidumpingpolitik. Demnach würden Antidumpingmaßnahmen nicht ergriffen,
„wenn die Behörden auf der Grundlage aller vorgelegten Informationen eindeutig zu
dem Ergebnis kommen können, dass die Anwendung dieser Maßnahmen nicht im
Interesse der Gemeinschaft liegt.“2 Lt. Grundverordnung schließt das
Gemeinschaftsinteresse dabei neben den Interessen der von Antidumpingmaßnahmen
begünstigten Hersteller explizit auch die Interessen der Konsumenten und Anwender/Nutzer-Industrien ein. Zum Gemeinschaftsinteresse gehört implizit auch die
Gewährleistung eines „wirksamen Wettbewerbs“ auf dem Gemeinschaftsmarkt.
Allerdings wird den Interessen der schutzsuchenden Branche in der Grundverordnung
Vorrang eingeräumt. In der Realität hat sich zudem das Konzept des
Gemeinschaftsinteresses eher als Leerformel ohne Wirkung erwiesen.
Verbraucherinteressen und Anwender-/Nutzer-Interessen haben in kaum einem Fall den
Ausgang eines Antidumpingverfahrens wesentlich beeinflusst. Wettbewerbspolitische
Überlegungen sind nur in unsystematischer Weise in Antidumpinguntersuchungen der
EU eingeflossen. Vorwürfe von Seiten der Nachfrager, die Hersteller nützten
Antidumpingmaßnahmen dazu, wettbewerbswidrige Praktiken abzusichern, fanden bei
der Europäischen Kommission geringe Resonanz, solange kein Wettbewerbsverfahren
anhängig war (Großmann und Koopmann et al. 1998, S. 200-204).
1 Vgl. Amtsblatt der EG L 56 v. 6.3.1996, S. 1ff.
2 Art. 21 Abs. 1 der Grundverordnung zum Schutz gegen Dumpingeinfuhren aus Drittländern.
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Wirkungen von Antidumpingmaßnahmen
Wirkungen von Antidumpingmaßnahmen
• Geringe Inzidenz von strategischem und
räuberischem Dumping
• Antidumpingpolitik führt häufig zu
- Preiserhöhungen für Verbraucher und
Anwender-/Nutzerindustrien und zur
- Minderung der Intensität des Wettbewerbs auf
dem heimischen Markt.
Empirische Analysen von Antidumpingmaßnahmen zeigen, dass nur bei einer sehr
geringen Anzahl der untersuchten Fälle strategisches oder räuberisches Dumping vorlag
und damit negative gesamtwirtschaftliche Auswirkungen zu befürchten waren. Negative
Effekte wurden umgekehrt vor allem durch die Antidumpingpolitik verursacht, die in
der großen Mehrzahl gegen das „falsche“ Objekt gerichtet war. Die negativen
Auswirkungen äußerten sich hauptsächlich in überhöhten Preisen für Konsumenten und
Anwender-/Nutzerindustrien und einer Reduzierung des Wettbewerbs (Großmann und
Koopmann et al. 1998, S. 127-139).
Evidence on economic impact of EU antidumping policy
Bourgeois and Messerlin (1998) discuss the reasons behind EC antidumping cases in
the 1980s and 1990s and whether they coincide with any of the categories of dumping
strategies identified above:
•
They find no correlation between the initiation of cases and the business cycle and
thus reject cyclical dumping as an important rationale.
•
They assess predatory behaviour as a motive for dumping on the basis of the
following four criteria: (1) the ability of foreign firms to expand to meet demand; (2)
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actual findings of dumping and injury; (3) the ability of foreign firms to collude and
engage in predation; and (4) the number of EC firms and their market shares.
From the analysis, it turned out that only 12 of 461 cases appeared to meet all four
criteria, and that even this result was uncertain because information was limited in
several cases and none of the 12 cases involved sophisticated products with high entry
barriers. The results of the analysis must also be considered to be conservative since the
authors considered only the ability to acquire a large market share and did not evaluate
the capacity to keep and exercise market power once it is obtained.
Beispiel der Antidumpingmaßnahmen der EU gegen Schuhimporte aus China und
Vietnam:
Argument: „Compelling evidence“ to demonstrate that shoe exporters have been selling
below domestic prices by relying on “clear state subsidies in this sector” (Financial
Times 20.2.2006: “Brussels to Curb Asian Shoes Exports”). Die Rede ist von
„ernsthaften staatlichen Interventionen“ zugunsten der Hersteller in den beiden Staaten,
in der Form von billiger Finanzierung, nicht marktgerechten Mieten,
Steuervergünstigungen und inkorrekter Vermögensbewertung, was zu Dumping führe
(Neue Zürcher Zeitung 21.2.2006: „EU hat Beweise für Dumping bei Schuhen“).
Allerdings wird der Nutzen, den inländische Hersteller aus einer solchen Maßnahme
zögen, auf nur ein Zehntel des Schadens geschätzt, der den Verbrauchern,
Weiterverarbeitern (im Wege des „outsourcing“) und Händlern entstünde.
Der Fall ist zugleich ein Beispiel für handelspolitische Interessenkonflikte zwischen
EU-Mitgliedstaaten:
“The issue has split the EU between more liberal northern European countries –
many of which have long outsourced shoe production to Asia – and Mediterranean
countries such as Italy, which are home to many traditional and upmarket European
shoemakers” (Financial Times 20.2.2006: “Brussels to Curb Asian Shoes Exports”).
„Internal EU battle between countries that are home to shoe producers and wanted
tougher sanctions, such as Italy, and those that claim such curbs would provide
further evidence of European protectionism, such as Sweden and other Nordic
countries“ (Financial Times 7.4.2006: “Retailers Hit at EU Tariffs on Shoes
Imported from Asia”).1
1 S. auch den Leserbrief von Bendt Bendtsen, dem dänischen Wirtschaftsminister seinerzeit, in der
Financial Times (Financial Times 20.2.2006: “Out of Step with EU Consumers’ Interests”).
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Die Einführung von (vorläufigen) Antidumpingzöllen – ab dem 7.4.2006, gestuft über
einen Zeitraum von fünf Monaten – in Höhe von (in der Endstufe) 19,4 Prozent auf
chinesische und 16,8 Prozent auf vietnamesische Lederschuhe (mit Ausnahme von
Kinderschuhen und „High-Tech-Sportschuhen“) wurde am 23.3.2006 von der
Europäischen Kommission beschlossen, nachdem es im Ministerrat keine Mehrheit
gegen einen entsprechenden Kommissionsvorschlag gegeben hatte. Die vorläufigen
Antidumpingzölle gelten für sechs Monate. Danach kann die EU für fünf Jahre
endgültige Maßnahmen beschließen (Nachrichten für Außenhandel v. 24.3.2006: „EU
verhängt Strafzölle auf Schuhimporte“; Neue Zürcher Zeitung v. 24.3.2006: “EU führt
Antidumping-Zölle auf Schuhe aus Asien ein“).
Das Beispiel illustriert zugleich die Änderung der Abstimmungsregeln, die seit März
2004 für die Antidumpingpolitik der EU gilt. Dadurch wird es den einzelnen
Mitgliedstaaten erschwert, von der Kommission vorgeschlagene
Antidumpingmaßnahmen zu blockieren. Antidumpingvorschläge der Kommission
gelten seither als automatisch angenommen, wenn sich keine einfache Mehrheit der
Mitgliedstaaten dagegen ausspricht. Enthaltungen zählen demnach wie Pro-Stimmen.
Vorher musste eine einfache Mehrheit der Maßnahme zustimmen. Dies bedeutete, dass
Enthaltungen wie Gegenstimmen wirkten.
Ein aktuelles Beispiel ist die Verlängerung der Antidumpingmaßnahmen gegen
energieeffiziente Glühbirnen aus China um ein weiteres Jahr am 14.9.2007: 15
Mitgliedstaaten enthielten sich der Stimme, 10 Länder votierten gegen den
Kommissionsvorschlag, zwei Länder waren unentschieden (Financial Times
15.9.2007: „China warns US over trade row“).
Vor dem Hintergrund des Schuh-Falles - und des vorangegangenen Textil-Falles (s.
weiter unten) - hat Peter Mandelson, der EU-Außenhandelskommissar, im Juni 2006 hat
eine Überprüfung der Antidumpingpolitik in die Wege geleitet:
„EU consumer organisations, retailers and manufacturers that produce goods in Asia
claim the union scored an own goal by punishing countries where Europe has a
growing manufacturing presence. ... The review could open the argument of last year
between more liberal trading nations such as Sweden, where retailers opposed higher
tariffs, and Italy, which still produces shoes and wanted its companies protected from
cheap imports. Liberals within the bloc want to widen the scope of the so-called
“community interest” clause, which gives the trade commissioner discretion not to
raise tariffs if anti-dumping measures would harm EU companies or consumers. An
attempt to widen this clause by Sir Leon Brittan, a previous trade commissioner,
foundered a decade ago on the objections of the more protectionist nations of
southern Europe. ... Mr. Mandelson hopes to unveil changes to the anti-dumping
system by the end of the year” (Financial Times, 8.6.2006: “Mandelson rethinks
EU’s stance on dumping regime”).
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Mandelson sieht in der Überprüfung der Antidumpingpolitik eine Fortsetzung der
bereits früher unternommenen Reformen in diesem Politikbereich in der Form der
„lesser duty rule“ und des „Community interest“:
“The EU has unilaterally tightened its anti-dumping rules in the past – our lesser duty
rule prevents the EU from applying duties that make an import more expensive than
a domestic product and the community interest rule requires that we weigh the
interests of all parts of the EU economy before acting” (Mandelson 2006).
Im Rahmen der im Herbst 2006 vorgestellten neuen Handelsstrategie (Global Europe –
Competing in the World) soll die Antidumping-Politik an die Realitäten der
Globalisierung angepasst werden, die das Spektrum der europäischen Interessen
erheblich erweitert habe:
“The Community interest, for example, has traditionally focussed mainly on the
balance between consumer/user interests and those of producers. We may need to
take other elements into consideration. These include the situation of Community
producers who have outsourced certain steps of the value chain – often the only way
to sustain fierce international competition and so help secure jobs and create growth
in Europe” (CEC 2006b, p. 23).
Schutzklauselpolitik und Selbstbeschränkungsmaßnahmen
Textilhandelspolitik der EU gegenüber China:
Beispiel für Selbstbeschränkung des Exportlandes als Alternative zu
Schutzklauselmaßnahmen des Importlandes.
Fakten zum Textil-Fall EU-China:
Starker Importanstieg: Es wird geschätzt, dass der chinesische Textilimportmarktanteil
in der EU auf über ein Drittel (und in den USA sogar auf etwa die Hälfte) steigen wird.
Beträchtliche Bedeutung der Textilindustrie in einigen (hauptsächlich südeuropäischen)
EU-Ländern (wie z.B. Griechenland, Portugal und Italien).
Insgesamt ist China der zweitgrößte Handelspartner der EU (nach den USA) und die EU
sogar der größte Handelspartner Chinas (noch vor den USA).
Einleitung einer Untersuchung (Ende April 2005) des Textilimports aus China (bei 9
Produktkategorien). Sollte die Untersuchung ergeben, dass die Voraussetzungen für
Schutzmaßnahmen erfüllt sind, würde die Kommission in Konsultationen mit den
zuständigen chinesischen Behörden eintreten. Von diesem Zeitpunkt an (bzw. mit einer
Karenz von 15 Tagen) müsste China gemäß WTO-Beitrittsprotokoll und der darin
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enthaltenen, bis Ende 2008 anwendbaren textilspezifischen Schutzklausel seine
Textilexporte bzw. das Wachstum dieser Exporte drosseln. Gemäß den in dieser
Schutzklausel vorgesehenen Fristen wäre dies Ende Juni/Anfang Juli der Fall. Im Falle
besonderer Dringlichkeit (bei Vorliegen ernster Marktstörungen) kann das Verfahren
verkürzt und unter Umgehung der Untersuchungsstufe unmittelbar die Konsultation
angerufen werden.
Nachdem Mitte Mai die USA im Dringlichkeitsverfahren beschlossen hatten, bei 3
Produktkategorien (Baumwollhosen, Baumwollhemden sowie Unterwäsche aus
Baumwolle und Synthetik) einseitig Importquoten gegenüber China zu verhängen,
wollte auch die Europäische Kommission (gedrängt durch einzelne Mitgliedstaaten wie
Frankreich, Italien oder Spanien und gegen den Widerstand von Mitgliedstaaten wie
insbesondere Schweden) bei zwei Produktkategorien (T-Shirts und Leinengarne)
vorzeitig die Dringlichkeitsstufe einschalten und ebenfalls einseitig Importquoten bei
diesen Produkten einführen.
Am 10. Juni 2005 erzielten die EU und China jedoch eine Handelsvereinbarung – ein
über drei Jahre (und damit bis 2008) laufendes „transitional arrangement“ -, der zufolge
China sich bereit erklärt, bei 10 Produktkategorien das Exportwachstum auf etwa 10
Prozent pro Jahr zu begrenzen.
Dies ist ein Beispiel für die „Wiederauferstehung“ von „freiwilligen“
Selbstbeschränkungsabkommen (Voluntary Export Restraints/VERs). Dieses
handelspolitische Instrument, das in den 1970er und 1980er Jahren weit verbreitet war,
war in der multilateralen Uruguay-Runde (im Rahmen des neuen
Schutzklauselabkommens) grundsätzlich „verbannt“ worden. Es wurde als eine
intransparente Grauzonenmaßnahme angesehen.
Die textilspezifische Schutzklausel ist ein zusätzlicher, bis Ende 2008 befristeter
Schutzmechanismus über die allgemeine, im Schutzklauselabkommen niedergelegte
WTO-Schutzklausel hinaus. Die Europäische Kommission sieht darin eine ultima ratio
(„last resort“), die es den betroffenen inländische Branchen ermöglichen soll, sich neu
zu strukturieren und an das neue Niveau des Wettbewerbs anzupassen. Die EU sieht
sich in dieser Sache auch als Anwalt von Exporteuren in „verletzlichen“
Entwicklungsländern und speziell von Produzenten in der euromediterranen Region, die
vielfach vom EU-Markt abhängig und in Gefahr seien, von chinesischen Anbietern
verdrängt zu werden.
Voraussetzung für die Anrufung der Schutzklausel ist eine von den chinesischen
Exporteuren verursachte „Marktzerrüttung“. Gemäß Absatz 16 (Ziffer 4) des
45
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Vorlage:Nomos5_D.Dot 07.07.2008 17:50:00
chinesischen Beitrittsprotokolls zur WTO liegt „market disruption“ immer dann vor,
wenn „imports of an article, like or directly competitive with an article produced by the
domestic industry, are increasing rapidly, either absolutely or relatively, so as to be a
significant cause of material injury, or threat of material injury to the domestic
industry.”
Der Textil-Fall China veranschaulicht die politische Ökonomie der Protektion: Die
Textil- und Bekleidungsindustrie in der EU verfügt über eine starke Lobby und ist gut
organisiert, während dies für die Verbraucher sowie Händler und Importeure nicht gilt.
Letztere sind stark fragmentiert und wenig erfahren im Lobbying, obgleich die
Beschäftigtenzahl in diesem Sektor doppelt so hoch liegt wie in der Produktion.
Importrestriktionen gegenüber China würden deshalb im Handelssektor der EU mehr
Arbeitsplätze kosten, als sie in der Produktion erhalten würden.
Marktöffnungsstrategie im Ausland
Der Zugang europäischer Unternehmen zu Exportmärkten wird durch die seit 1995
geltende Handelshemmnis-Verordnung (HHV) geregelt. Sie bildet den rechtlichen
Anker für die im Februar 1996 eingeleitete „neue“ Marktöffnungsstrategie der EU.1 Die
HHV ersetzt das Neue Handelspolitische Instrument (NHI) der Gemeinschaft (EWG
1984), das im Jahre 1984 als europäisches Pendant zur Section 301 des USHandelsgesetzes von 1974 geschaffen wurde. Analog zu dem Richtungswechsel in der
amerikanischen Handelspolitik der 1980er Jahre vom Binnenmarktschutz zum
„Aufbrechen“ ausländischer Märkte wird die HHV als Ausdruck einer „Neuorientierung
der Handelspolitik der Gemeinschaft weg von einer defensiven, vornehmlich den
Gemeinschaftsmarkt vor Importen schützenden, hin zu einer offensiven, Drittmärkte
öffnenden Politik“ angesehen (Berrisch/Kamann 1999, S. 101).
Der Anwendungsbereich der HHV erstreckt sich auf alle Handelspraktiken in
Drittländern, die von internationalen Handelsregeln erfasst werden. Seit dem Übergang
vom GATT zur WTO schließt dies außer Praktiken im Warensektor auch solche im
Dienstleistungssektor und neben außenwirtschaftlicher verstärkt auch (handelsrelevante)
binnenwirtschaftliche Politik ein. Eventuelle Strafmaßnahmen wie Zölle oder Quoten
müssen außerdem im Einklang mit den bestehenden internationalen Verpflichtungen der
1 Im Rahmen der neuen Marktöffnungsstrategie hat die Europäische Kommission u.a. eine Datenbank
mit den „schwerwiegendsten“ Marktzugangshindernissen für europäische Unternehmen in Drittländern
angelegt.
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EU und den internationalen Verfahren stehen, wie etwa dem Streitbeilegungsverfahren
der WTO. Hierin wird ein wesentlicher Unterschied der HHV zur US-Section 301
gesehen, die auch nach Abschluss der Uruguay-Runde weiterhin „Möglichkeit zu
willkürlichem und möglicherweise sogar GATT-widrigem Verhalten“ eröffnet
(Berrisch/Kamann 1999, S. 104). Die Handelshemmnis-Verordnung ist insoweit Beleg
für die Einbindung unilateraler EU-Handelspolitik in multilaterale Disziplinen.
Im Unterschied zum NHI ermöglicht es die HHV nunmehr auch einzelnen
Unternehmen (im Unterschied zu ganzen Wirtschaftszweigen), auf der
Gemeinschaftsebene ein Untersuchungsverfahren einzuleiten, um Drittlandverstöße
gegen Handelsabkommen mit der EU zu ahnden. Es verschafft damit privaten Akteuren
indirekt Zugang zur WTO-Streitschlichtung, auch wenn auf der WTO-Ebene das
Verfahren wieder zu einer rein (zwischen)staatlichen Angelegenheit wird. Es wird
damit gerechnet, dass von dieser Möglichkeit in Zukunft verstärkt Gebrauch gemacht
wird und so die (aktive) Beteiligung der EU an der multilateralen Streitschlichtung
zunehmend über die HHV-Schiene (und weniger über informelle Kanäle) läuft
(Bronckers/McNelis 2001).
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3.3
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Marktöffnung für Entwicklungsländer
Für Produkte aus Entwicklungsländern wird der Zugang zum EU-Inlandsmarkt durch
einseitige Gewährung von Handelspräferenzen erleichtert.
The EU was the first to implement a GSP (Generalised System of Tariff Preferences)
in 1971 and it now grants GSP preferences to almost every developing nation in the
world (Baldwin and Wyplosz 2006, p. 286).
Im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems räumt die EU grundsätzlich allen
Entwicklungsländern Zollvorteile ein. Deren Ausmaß hängt von verschiedenen
Faktoren ab, wie z.B. von der „Sensibilität“ der jeweiligen Produkte, der Beachtung von
Sozial- und Umweltstandards oder vom Verzicht auf Drogenanbau. Daneben bestehen
spezielle Präferenzregelungen für bestimmte Gruppen von Entwicklungsländern, wie
z.B. für die 78 AKP (Afrikanisch-Karibisch-Pazifischen) – Staaten (im Rahmen des
Cotonou-Abkommens) oder die 49 am wenigsten entwickelten Länder (im Rahmen der
„Alles-außer-Waffen“ – Initiative), die eine weitergehende Öffnung des EU-Marktes
beinhalten. Die Wirksamkeit dieser Präferenzsysteme ist jedoch aus mehreren Gründen
begrenzt. Insbesondere führen komplizierte Anwendungsmodalitäten, etwa bei der
Bestimmung des Warenursprungs, dazu, dass die Präferenzen häufig gar nicht in
Anspruch genommen werden (Brenton/Manchin 2003). Außerdem wird der freie
Marktzugang durch Schutzklauseln relativiert, die es der EU in bestimmten Situationen
(z.B. bei einem starken Importanstieg) erlauben, die Präferenzgewährung auszusetzen.
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Regionale und bilaterale Handelspolitik
Die regionale und bilaterale
Handelsstrategie der EU
• Paradigmenwechsel bei Präferenzhandelsabkommen
der EU: Reziproke Präferenzhandelsabkommen auch
mit außereuropäischen Ländern
• Schichten/Hierarchie der Integration:
(1) EG-Binnenmarkt: Vollintegration
(2) Europäischer Wirtschaftsraum: Freihandelszone mit
tiefer Integration
(3) Europäische Nachbarschaft: Assoziierung
(4) Europa und die Welt: Abkommen der „neuen Generation“
• Kriterien für den Abschluss neuer
Präferenzhandelsabkommen
- Wettbewerbskriterium: Mithalten mit Konkurrenten
- WTO-plus-Kriterium: Vertiefte Integration
Die regionale und bilaterale Handelspolitik bildet zusammen mit der multilateralen
Handelspolitik den Bereich der vertraglichen (im Unterschied zur autonomen)
Handelspolitik der EU. Dabei unterscheiden sich die bilaterale und plurilaterale Politik
einerseits und die multilaterale Politik andererseits vor allem darin, dass bei regionaler
und bilateraler Handelspolitik schon im Ansatz zwischen Handelspartnern diskriminiert
wird, wohingegen multilaterale Handelspolitik grundsätzlich nichtdiskriminierend
angelegt ist.
Die Europäische Gemeinschaft ist die Verkörperung des Regionalismus schlechthin und
der Vertrag von Rom „the most noted economic integration agreement of modern
times“ (Baier et al. 2008, p. 462):
The place of the European Union (EU) on the regionalism map is historical. The first
RTA (Regional Trade Agreement) notified to the WTO was the Treaty of Rome, and
the EU is the most advanced and sophisticated of the existing RTAs. More important,
the role of the EU is also pivotal because of the number of RTAs it has initiated. In
the web of RTAs notified to the WTO, about 40 directly involve the EU, and a
similar number involve pairs of countries with which the EU has an agreement (Maur
2005, p. 1566).
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Europe still is the region with the largest number of preferential trade agreements,
accounting for about half of the agreements notified to the WTO and in force. Its core
sub-regional country grouping is, of course, the European Union (EU). Second comes
the European Free Trade Association (EFTA), which is itself closely tied to the EU. A
third “tier” is formed by countries in South-Eastern Europe.1 As noted by Fiorentino et
al. (2007, p. 13), this sub-region is consolidating into a third trading group in Europe in
the form of a plurilateral free trade agreement.
Europe, and more specifically the European Community, has been depicted a “superhub” in the sense of it being a hub country or customs territory that is both one of the
world’s super-traders and a member of many PTAs, with the super-hub and its spokes
forming a network of agreements (Lloyd and MacLaren 2006, p. 428).
Zwei Dimensionen der Erweiterung des Wirtschaftsraums/der Einflusssphäre der EU
(Baier/Bergstrand 2004):
•
Erhöhung der Mitgliederzahl.
•
Vermehrung der Präferenzhandelsabkommen (PHA).
Die bi- und plurilaterale Handelspolitik der EU wird durch
Präferenzhandelsabkommen (PHA) auf der Basis gegenseitiger Liberalisierung
geprägt. PHA implizieren „positive Diskriminierung: Bestimmte Handelspartner werden
gegenüber anderen Handelspartnern bevorzugt und letztere damit indirekt benachteiligt.
Bei „negativer Diskriminierung“, wie z.B. Antidumpingmaßnahmen, werden die
betroffenen Handelspartner dagegen unmittelbar schlechter gestellt.2
Die Strategie der wechselseitigen Marktöffnung im Rahmen präferentieller
Handelsabkommen war in der EU lange Zeit auf europäische Nachbarländer
konzentriert. PHA waren dabei häufig eine Vorstufe zum Beitritt dieser Staaten zur EU.
1 Albania, Bosnia-Herzegovina, Bulgaria, Croatia, Macedonia,, Moldova, Romania, Serbia&Montenegro
and UNMIK (United Nations Mission In Kosovo/Kosovo).
2 Wenn derartige Restriktionen, wie im Falle des Antidumpings, selektiv gegen einzelne Handelspartner
gerichtet sind, liegt eine doppelte negative Diskriminierung vor, da Unternehmen aus den betroffenen
Ländern sowohl gegenüber inländischen als auch gegenüber (nicht diskriminierten) ausländischen
Anbietern benachteiligt werden. Bei handelspolitischen Restriktionen erga omnes, wie z.B.
„flächendeckenden“ Importschutzmaßnahmen, wäre dagegen einfache (ausschließlich gegen
inländische Anbieter gerichtete) negative Diskriminierung gegeben.
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Mittlerweile werden Präferenzhandelsabkommen immer öfter auch mit
nichteuropäischen Ländern und Ländergemeinschaften ohne Beitrittsperspektive
geschlossen. Einseitige Präferenzregelungen zugunsten dieser Handelspartner werden
durch Abkommen ersetzt, bei denen die Gegenseite ihrerseits EU-Anbietern
Präferenzen einräumt. Beispiele sind die Assoziierungsabkommen (Euro-Med-
Abkommen) mit nichteuropäischen Mittelmeerländern, das geplante
Freihandelsabkommen mit den arabischen Golf-Staaten, die geplanten
Partnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements) mit AKP (AfrikaKaribik-Pazifik) - Staaten, die Freihandelsabkommen mit Südafrika, Mexiko und
Chile und das geplante Abkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien,
Paraguay, Uruguay und Venezuela. Im vermehrten Abschluss reziproker
Handelsabkommen auch mit außereuropäischen Ländern, die für einen EU-Beitritt nicht
in Frage kommen, wird ein neues Paradigma der EU-Handelspolitik gesehen (Sapir
2000).
In Aussicht genommen ist ebenfalls ein umfassendes Handelsabkommen mit den
ASEAN-Staaten, zur geographischen Abrundung der Handelsvertragspolitik und „as a
response to a widening web of bilateral deals being negotiated in the region by the US,
China, Japan and Korea that threaten to sideline European economic interests“
(Financial Times 17.5.2006: „EU-Asia Trade Pact in Prospect“).
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Es lassen sich mehrere Schichten der EU-Verflechtung mit Drittländern (externe
Integration) durch Präferenzhandelsabkommen unterscheiden. Dies wird aus den
beiden folgenden Graphiken deutlich. Aufgrund ihres unterschiedlichen Stichtages –
Mai 2004 bzw. Februar 2004 – veranschaulichen die beiden Folien zugleich den tiefen
Einschnitt, den die erste Osterweiterung der EU (Mai 2004) für das Netzwerk der
Präferenzhandelsabkommen in und mit Europa mit sich gebracht hat.
Präferenzhandelsabkommen
der EU und EFTA
Singapur
EFTA
Kanada
Schweiz
Mexiko
Liechtenstein
Chile
Island
AKP:
Afrikanisch-KaribischPazifische Länder
EFTA:
European Free Trade
Association
EWR:
Europäischer
Wirtschaftsraum
GCC:
Gulf Cooperation Council
(Bahrain, Katar, Kuwait,
Oman, Saudi-Arabien,
Vereinigte Arabische
Emirate
Mercosur:
Mercado Común del Sur
(Argentinien, Brasilien,
Paraguay, Uruguay)
ÜLG:
Überseeische Länder
und Gebiete
Norwegen
Mercosur
Faroer-Inseln
ÜLG
AKP
EWR
Kroatien
Südafrika
BosnienHerzegowina
Marokko
Algerien
Tunesien
SerbienMontenegro
EU
Russland
Ägypten
Israel
Mazedonien
Bulgarien
Andorra
Palästina
San Marino
Libanon
Türkei
Rumänien
Syrien
Jordanien
Zollunion
Freihandelszone
EG-Binnenmarkt
GCC
Quelle: WTO; Europäische Kommission; HWWA-Pressearchiv; eigene Darstellung
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Stand Mai 2004
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Präferenzhandelsabkommen
in und mit Europa
EFTA
Kanada
Mexiko
Singapur
Israel
CEFTA
B PR S ST UE L L F MK BSM U
Bulgarien
Schweiz
Liechtenstein
Island
Norwegen
Palästina
AKP:
Afrikanisch-KaribischPazifische Länder
Rumänien
BAFTA:
Baltic Free-Trade Area
Slowenien
CEFTA:
Central European Free
Trade Agreement
EFTA:
European Free Trade
Association
EWR:
Europäischer
Wirtschaftsraum
GCC:
Gulf Cooperation
Council (Bahrain,
Katar, Kuwait, Oman,
Saudi-Arabien,
Vereinigte Arabische
Emirate
Polen
Slowakei
Tschechien
Marokko
Ungarn
Tunesien
EWR
BAFTA
Jordanien
Estland
Chile
Lettland
Südafrika
Litauen
ÜLG
Ägypten
Mazedonien
Mercosur: Mercado Común del
Sur (Argentinien,
Brasilien, Paraguay,
Uruguay)
Andorra
Kroatien
ÜLG:
Malta
BosnienHerzegowina
EU
Algerien
Libanon
Syrien
AKP
San Marino
GCC
Türkei
Mercosur
Zypern
Faroer-Inseln
(Dänemark)
SerbienMontenegro
Überseeische Länder
und Gebiete
Zollunion
Freihandelszone
Moldau
EG-Binnenmarkt
Ukraine
Quelle: WTO; Inter-American Development Bank; HWWA-Pressearchiv; eigene Darstellung
Stand Februar 2004
Während der EG-Binnenmarkt (interne Integration) die höchste Integrationsstufe in
der europäischen Präferenzhierarchie insgesamt repräsentiert, bildet der gemeinsame
Europäische Wirtschaftsraum (EWR) der EU mit Island, Liechtenstein und
Norwegen aus EU-Sicht die oberste externe Integrationsstufe. Der EWR unterscheidet
sich integrationstypisch von der in seinem Inneren angesiedelten EU hauptsächlich
darin, dass er keine Zollunion (mit einheitlichem Außentarif), sondern eine
Freihandelszone (mit individuellen Außentarifen) darstellt; außerdem wurde die
gemeinsame Agrarpolitik der EU nicht übernommen.
Die nächsten Stufen der externen EU-Integration bilden das Freihandelsabkommen
mit der Schweiz (aus dem Jahre 1972), die Zollunionen mit der Türkei, Andorra und
San Marino, die Assoziierungsabkommen (Europa-Abkommen) mit Bulgarien und
Rumänien (als Vorstufe zum inzwischen erfolgten EU-Beitritt dieser Länder),
Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (ebenfalls mit Beitrittsperspektive) mit
den Balkanländern (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien,
Montenegro und Serbien)1 und die Euro-Med-Abkommen (mit Ägypten, Algerien,
Israel, Jordanien, Libanon, Marokko und Tunesien), die gemäß dem 1995
1 Ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen der EU mit Serbien wurde am 29.4.2008
unterzeichnet. Mit Bosnien-Herzegowina steht ein solches Abkommen noch aus. Vgl. Financial
Times v. 29.4.2008: „EU Signs Deal on Ties with Serbia“.
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eingeleiteten „Barcelona-Prozess“ bis 2010 in eine euro-mediterrane Freihandelszone
einmünden sollen (einschließlich Palästinas, Syriens und der Türkei). Die Euro-MedAbkommen enthalten außer Handelsregelungen starke Elemente wirtschaftlicher
Kooperation sowie politische Klauseln.1 Ähnliches gilt für die Partnerschaftsabkommen
mit den AKP-Staaten.
Das intra-europäische PHA-Netzwerk der EU befindet sich gegenwärtig in einer Phase
der Konsolidierung und Abrundung im Rahmen einer Politik der europäischen
Nachbarschaft.
The EU also has concluded Partnership and Cooperation Agreements (PCAs) with
the nations of the Commonwealth of Independent States (Russia, Ukraine, Georgia,
Belarus, Armenia, Azerbaijan, Kazakhstan, Kyrgyzstan, Moldova and Uzbekistan)
under which it grants trade preferences to these countries. These deals are asymmetric,
since the EU has lowered its tariffs on most exports from the CIS countries without
requiring that these countries lower theirs.
Eine weitere Schicht bilden die Abkommen der „neuen Generation“ mit Chile,
Mexiko, Südafrika sowie (in Aushandlung) den Mercosur-Staaten und den Staaten
des Golf-Kooperationsrates (Golf-Staaten). Im Sinne des neuen Regionalismus’
enthalten diese Präferenzhandelsabkommen vertiefte Integrationsschritte zwischen den
Vertragspartnern. Außer einem (konventionellen) Abbau bilateraler Handelsschranken
im Industriesektor („flache Integration“) ist insbesondere vorgesehen, den
Marktzugang bei Agrarprodukten zu erleichtern, den Dienstleistungssektor zu
liberalisieren und handelsrelevante Aspekte der Wirtschaftspolitik zu „harmonisieren“
(„tiefe Integration“).2
Insgesamt hat die Präferenzhandelspolitik der EU dazu geführt, dass nur für eine
geringe Anzahl ihrer Handelspartner (darunter allerdings so bedeutende wie die USA
und Japan sowie Kanada, Australien, Neuseeland, Hongkong, Singapur und Südkorea)
1 Mit der Palästinensischen Autonomiebehörde besteht ein Interimsabkommen, das Euro-MedAbkommen mit Syrien befindet sich noch im Aushandlungsstadium. Dieses Abkommen wäre zugleich
das erste, das eine Klausel zum Verzicht auf Massenvernichtungswaffen enthielte. An dieser „neuen
Konditionalität“, die nach Ansicht einiger EU-Mitgliedstaaten (Deutschland, Großbritannien und die
Niederlande) noch zu weich formuliert ist, haben sich indes die Verhandlungen festgefahren (Financial
Times v. 18.5.2004).
2 Zu den Begriffen flache und tiefe Integration vgl. Lawrence (1995).
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die im Rahmen des GATT vereinbarten Meistbegünstigungszölle (und damit faktisch
Meist“benachteiligungs“zölle) gelten.
The EU market can also be thought of as a ‘hub’ in a regional hub and spoke system of
trade deals involving a high degree of asymmetry between the EU and its trading
partners, with exporters in these countries depending heavily on the EU market, whereas
the respective markets are rather negligible for EU exporters. This kind of “hub-andspoke bilateralism” is demonstrated in Baldwin and Wyplosz (2006, pp. 283-285) for the
European Mediterranean trade area. In this case, the Mediterranean partner countries,
i.e. the ‘spoke’ economies, typically still maintain relatively high barriers against each
other’s exports.
EU External Trade Policy
It is also shown that the European Free Trade Association (EFTA)
“shadows”/”mimics”/“mirrors” the EU’s FTA policy – “whenever the EU signs a free
trade agreement with a new partner, the EFTA nations sign a similar agreement”
(Baldwin and Wyplosz 2006, p. 284) -, which effectively makes EFTA part of the EU’s
hub. A similar strategy is followed by Turkey. In this case, Turkey’s customs union
with the EU forces it to have the same external trade policy as the EU does.
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The bilateral track of the EU’s trade policy features prominently in its new trade
strategy a central part of which is the announcement of a “new generation of Free Trade
Agreements” (CEC 2006a and 2006b). With this announcement, the moratorium on
initiating new FTA negotiations, on which the European Council of Ministers
effectively agreed in 1997, stating that “the fundamental architecture of the EU’s policy
on preferential agreements has been put in place and should be preserved” (WTO 1997,
p. 23), has officially been abandoned.
Two major criteria for the conclusion of such agreements:
1. Competition criterion, i.e. to avoid falling behind major competitors in cutting
bilateral trade deals.
2. WTO plus criterion, i.e. agreements designed to exceed the scope of the existing
WTO through the opening of new areas and/or the deepening of existing areas or
strengthening of disciplines in these areas. Specific mention is made of liberalisation
and de-regulation of the services sector, investment policies, government
procurement policies and the enforcement of intellectual property rights.
For the selection of partner countries, or “priority countries”, the two key economic
criteria are:
1. The market potential, expressed by economic size and growth, of the prospective
partner country.
2. The level of protection (tariffs and non-tariff barriers) against EU exports.
A principal motive underlying the EU’s new trade strategy is to avoid falling behind
major competitors in cutting bilateral trade deals. In this context, the European
Commission points to „a growing risk of trade diversion detrimental to the EU in the
most dynamic countries“ (CEC 2006a, p. 14) as „the rapid development of third
countries concluding FTAs with the EU’s main competitors such as the US or Japan
carries risks of marginalizing the EU“ (CEC 2006b, p. 17). The EU would therefore put
itself at a disadvantage „if we did not seek to improve investment conditions in our
bilateral negotiations“ (CEC 2006a, p. 14). Accordingly, the EU “should … take
account of potential partners’ negotiations with EU competitors, (and) the likely impact
of this on EU markets and economies, and, with regard to the content or depth of
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integration, “where our partners have signed FTAs with other countries that are
competitors to the EU, we should seek full parity at least” (CEC 2006b, p. 11).
Based on this “competition” criterion, i.e. potential partners’ negotiations with EU
competitors, in conjunction with two other criteria, i.e. the size and growth prospects of
potential partners’ markets and the extent of restrictions impeding access of EU firms to
these markets, the European Commission has identified ASEAN, South Korea and
MERCOSUR as highest-priority countries/country groups, followed by India, Russia
and the Gulf Co-operation Council, while “China also meets many of these criteria, but
requires special attention because of the opportunities and risks it presents” (CEC
2006b, p. 16).
Limited scope of existing PTAs involving the EU:
The content of these agreements ... remains limited: they may deliver on market
access commitments but even an advanced agreement like the EU-Chile FTA does
not present major progress in areas such as IPR, subsidies, SPS or TBT (CEC
2006b, p. 14).
In consequence,
“new EU FTAs must ... aim above all at deep integration, i.e. (be) WTO-plus in
terms of width and depth, in order to maximise the mutual and long-term benefits
from regionalism” (CEC 2006b, p. 19).
Wirkungen der europäischen Integration auf den internationalen Handel
Economic impact of EU preferential trade agreements (PTAs):
•
In many cases, the PTAs fall substantially short of creating free trade between the
EU and its partner countries, which is mainly due to the exceptions agreed for
agricultural and fishery products. Francois et al. (2005, pp. 1550-1554) demonstrate
this for PTAs which the EU has concluded with a number of developing countries
(DCs):
“The European Union routinely excludes or strictly limits concessions on products
such as beef, sugar, a range of dairy products, some cereals and cereal products,
rice, some fresh fruits and vegetables, some cut flowers, and fishery products. The
partner developing country also excludes a range of agricultural products, not least
to protect their agriculture from imports of subsidised agricultural goods from the
European Union such as, beef, sugar, dairy products, and cereals. As a result, in the
case of the agreement with Mexico, only 62% of bilateral trade in agricultural
products is fully liberalized, while in the case of the agreement with South Africa
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62% of EU imports are liberalized while South Africa fully liberalizes 82% of its
imports from the European Union.”
Moreover, restrictive rules of origin adversely affect trade in labour-intensive
manufactures.
•
With regard to the EU-DC PTAs analysed, Francois et al. (2005, p. 1556) also find
that “non-traditional” economic gains, arising from deeper forms of integration than
provided for in the WTO context, appear to be rather limited in the case of these
agreements:
“Only the agreements with Mexico and Chile provide for a substantial liberalization
of services, while the Euro-Med Agreements and the FTA with South Africa merely
state that this is an objective for negotiation at an unspecified time in the future.”
“Only the agreements with Mexico and Chile make specific provisions for the
liberalization of certain public procurement markets.”
Impact of customs union formation
EEC -6
O ther 6 Europe
R est of W orld
$100
100%
$ billion (current prices)
$90
80%
60%
40%
$80
$70
E EC
T otal im p ort s
$60
$50
$40
$30
$20
20%
$10
0%
$0
1970
1969
1968
1967
1966
1965
1964
1963
1962
1961
1960
1959
1958
1970
1969
1968
1967
1966
1965
1964
1963
1962
1961
1960
1959
1958
Note: Left pan el shows share of E EC6’s im port from the three regions. Oth er Euro-6 are the 6 countries that
joined the EU by the mid 1980s, UK, Ireland, Denm ark, Spain, Portugal and Greece.
Source: Table 5, External Trade and Balance of Paym ents, Statistical Yearbook, Recapitulation, 1958-1991,
The above figure shows the trade volume effects that occurred when the EEC6 removed
their internal tariffs between 1958 and 1968. In the left-hand panel, the columns show
the import shares broken down into intra-EEC imports, imports from six other European
nations (the ones who joined in the EU’s first three enlargements), and the rest of the
world.
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As pointed out in Baldwin and Wyplosz (2006, p. 122), since the EEC6 share of exports
to itself rose from about 30 per cent in 1958 to about 45 per cent in 1968, the share of
EEC imports from other nations had to fall. Part of the displacement occurred with
respect to imports from other non-EEC European nations. As the blue bars show, the
import share from six other western European nations (UK, Ireland, Portugal, Spain,
Denmark and Greece) fell during this period by a small amount, from around 9 per cent
to 7 per cent. The main displacement came from the rest of the world, mainly imports
from the USA. The right-hand panel, however, shows that imports from all sources were
in fact growing rapidly. This indicates a limited extent of trade diversion or, as Baldwin
and Wyplosz (2006, p. 122) put it,
We have to interpret the ‘supply switching’ as a relative phenomenon. That is, if the
customs union had not been formed, imports from non-EEC6 members would have
risen even faster.
Die beiden abschließenden Folien liefern für ein längeren Zeitraum (1960-2002)
Anhaltspunkte für die Einbindung der Europäischen Gemeinschaft in den
internationalen Handel und ihre Offenheit gegenüber Drittländern:
Internationale Handelsverflechtung der
Europäischen Gemeinschaft
30
25
Intrahandel in % des Welthandels
Extrahandel in % des Welthandels (a)
Extra- zu Intrahandel (rechte Achse)
2,0
1,5
20
15
1,0
10
0,5
5
0
0,0
1960 1963 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002
(a) Welthandel ohne Intrahandel der EG.
Anm.: Die senkrechten Linien markieren die Stufen der EG-Erweiterung. Entsprechend gelten die
Indikatoren für die EG in jeweiliger Größe.
Quelle: IMF - Direction of Trade Statistics; WTO - International Trade Statistics; eigene Berechnung
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Offenheit der Europäischen Gemeinschaft im
internationalen Handel
35
EG-BIP in % des Welt-BIP
Extrahandel in % des BIP
30
Intrahandel in % des BIP
25
20
15
10
5
0
1960 1963 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002
Anm.: Die senkrechten Linien markieren die Stufen der EG-Erweiterung. Entsprechend gelten
die Indikatoren für die EG in jeweiliger Größe. BIP = Bruttoinlandsprodukt
Quelle: IMF - Direction of Trade Statistics; WTO - International Trade Statistics; eigene Berechnung
Es wird deutlich, dass über den gesamten Zeitraum hinweg vor allem der
gemeinschaftsinterne Handel die Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung
geprägt hat und seit Mitte der 1990er Jahre Intra- und Extra-Handel der Europäischen
Gemeinschaft etwa in gleichem Maße expandiert sind und dabei insgesamt schneller
zugenommen haben als die gesamte inländische Produktion und als der gesamte
Welthandel.
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Multilaterale Handelspolitik
Bis zum Abschluss der Uruguay-Runde – und damit bis zur Gründung der WTO –
dominierte die Europäische Gemeinschaft zusammen mit den USA in einer Art
„Doppelspitze“ die multilaterale Handelspolitik.
The conclusion of the Uruguay Round which, in addition to cutting tariffs on
merchandise trade further, brought agriculture, services, and intellectual property
rights into the ambit of international trade rules, created a binding system of dispute
settlement, and established the WTO, represented the high point in the influence of
the transatlantic powers on the world trading system. During the Uruguay Round, for
the large part, the European Community and the United States set the multilateral
trading system's agenda, advanced their own interests, negotiated compromises, and
eventually secured the agreement of the GATT membership. For sure the Uruguay
Round took a long time to negotiate, experienced a few "near death" experiences
along the way, and certainly involved the assent of other nations, but still the broad
thrust of this initiative was guided by the two leading powers (Evenett 2007, pp. 144145).
Die EU wird ebenfalls als treibende Kraft beim Zustandekommen der Doha-Runde und
der Doha-Entwicklungsagenda angesehen (Dür und Zimmermann 2007, S. 772).
Spätestens auf der vierten WTO-Ministerkonferenz in Cancún (September 2003), als die
ad hoc gegründete G 20 der Schwellenländer den gemeinsamen EU-US-Vorschlag zum
weiteren Vorgehen in den Agrarverhandlungen zurückwies und die G 90 der armen
Entwicklungsländer die hauptsächlich von der EU propagierte „Singapur“-Agenda
(Wettbewerbspolitik, Politik gegenüber ausländischen Direktinvestitionen, Transparenz
im öffentlichen Auftragswesen, Erleichterungen bei der Handelsabwicklung) zu Fall
brachte, wurde klar, dass das EU-US-Kartell beim Festlegen der multilateralen Agenda
und beim Schmieden von Kompromissen nicht mehr funktioniert und das bipolare
Handelssystem der Vergangenheit einer multipolaren Konstellation Platz gemacht hat.
Zu dieser Konstellation werden außer der EU und den USA insbesondere Brasilien,
China und Indien gezählt (Evenett 2007, S.147-153).
Der Wandel des multilateralen Handelssystems von einer bipolaren zu einer
multipolaren/pluripolaren Machtstruktur dürfte seinerseits die zukünftige multilaterale –
und auch die bilaterale - Handelspolitik der EU wesentlich beeinflussen. Der Spielraum
für bilaterale Handelsliberalisierung mit den drei neuen Polen des multilateralen
Handelssystems - Brasilien, China und Indien – wird eher eng gesehen. Dabei sind
interne Widerstände in der EU gegen eine weitere Marktöffnung (insbesondere im
Agrarsektor und beim Zugang zu den Arbeitsmärkten) ebenso von Bedeutung wie
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konträre Positionen zwischen den Verhandlungspartnern. Auch auf der multilateralen
Ebene wird das Potential für weitere Verbesserungen beim Marktzugang eher gering
eingeschätzt. Erfolg versprechende Perspektiven werden eher bei einer
Weiterentwicklung des Regelwerks vermutet, insbesondere hinsichtlich der
Nichtdiskriminierung bzw. Inlandsbehandlung („national treatment“) ausländischer
Unternehmen in ihren Gastländern (Evenett 2007, S. 153-154).
Auf der multilateralen Ebene verfolgt die EU die Strategie, den Regelungsbereich der
WTO immer weiter auszudehnen. Dies entspricht der inneren Logik europäischer
Handelspolitik als Reflex der Binnenmarktpolitik. Die WTO würde auf diese Weise
jedoch zunehmend mit Aufgaben befrachtet, die außerhalb ihres eigentlichen Mandats
liegen. Dieses besteht darin, den internationalen Handel zu liberalisieren und die
Handelspolitik der Mitgliedsländer zu disziplinieren, zu überwachen, zu fördern und im
Streitfall Recht zu sprechen. Eine Konzentration auf diese Kernaufgaben würde die
Legitimation und Akzeptanz der WTO-Regelungen erhöhen (Hefeker/Koopmann 2003).
In der laufenden Doha-Runde der WTO käme es daher in erster Linie darauf an, das
bestehende multilaterale Regelwerk zu stärken, protektionistische Handlungsspielräume
der Regierungen weiter einzuschränken, die Liberalisierung der Märkte voranzutreiben
und speziell im Agrarsektor den Marktzugang deutlich zu verbessern.
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