ein land in stichworten - Brandenburgische Landeszentrale für

Transcription

ein land in stichworten - Brandenburgische Landeszentrale für

DAS
BRANDENBUCH.
EIN LAND
IN STICHWORTEN
Herausgegeben von der
Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung
INHALT
Von A bis Z
10
31
47
Vorwort
Blaues Blut
Doppelleben
Der märkische Adel
Provinz und Metropole
A
35
Brandenburch
14
Grausame Wahrheiten
Aar
zur Regionalsprache
E
51
Wappentier
Engagement
und Landeshymne
Freiwilligenarbeit und Ehrenamt
C
17
55
Adern
38
Enquete
Flusslandschaften
Cartuffel
Die kleine »größte DDR«
Vom Kartoffelbefehl
aller Zeiten
und Wasserstraßen
zum Grundnahrungsmittel
22
F
Auf Sendung
41
Film, Funk
Charakterköpfe
und Fernsehen
Bedeutende Landeskinder
59
im Portrait
Façon
B
Aufklärung und Zuwanderung
D
26
in Preußen
64
Bekenntnis
43
Forschergeist
Eine kurze Geschichte
Domownja
Eine Reise durch
des märkischen Glaubens
Sorbisch /wendisch / brandenburgisch
die Wissenschaftslandschaft
Inhalt
67
89
Fragezeichen
Homo brandenburgensis
Drei Hauptschwierigkeiten
Menschen
beim Verstehen Brandenburgs
in Brandenburg
L
115
Labor
Der Grenzraum als Chance
70
Fritz
I
Der streitbare König
Landluft
96
G
119
Tourismus und Gastwirtschaft
Inszenierungen
Theater und Bühne
122
Lange Leitungen
74
Gesundschrumpfen
Von der Kohle
K
zu Wind und Sonne
100
125
Die Kunst des Stadtumbaus
77
Klangkörper
Lichtspiele
Gewinn
Brandenburgische
Ausflüge ins Filmland
Zuwanderung gestern und heute
Konzerte
130
103
H
Lost Places
Kontamination
Der Reiz vergessener Orte
81
des Nationalsozialismus
Hinterlassenschaften
Hausmannskost
M
Zwischen Jägerschnitzel
107
und Teltower Rübchen
Körperkultur
Der Aufstieg zum
Marchia
Anekdote
Land des Leistungssports
Mittelalterliche
Wurzeln
Das kulinarische Wunder
von Wittenberge
133
111
Kulturscheunen
137
86
Die Kunst
Mark
Herrschaftszeiten
im Dorf lassen
Zur Bedeutung der Grenze
Eine ganz kurze Geschichte
Preußens

141
P
S
163
189
På gjennomreise
Schall und Rauch
Der Blick von außen
Orts- und
Märkerinnen
Die starken Töchter
Brandenburgs
145
Familiennamen
Mies
166
Die Urvilla
Pampa
193
Brandenburg
Schlossherrin
in den Hauptstadtmedien
Der Landtag
moderner Architektur
148
und seine Präsidentin
Modern Art
170
Die Sammlungen
Profilbildung
200
Bildender Kunst
Der Aufbau
Selbstbedienung?
einer Hochschullandschaft
Die offene Grenze
N
und ihre Gegner
R
151
203
Souverän
Nagelprobe
174
Besonderheiten der
Schöner leben ohne Nazis
Raumpioniere
Landesverfassung
Neuentdeckung
O
ländlicher Regionen
T
177
156
Regionalexpress
207
Oasen
Von Pendlern
Theodor
Von Alleen
und Stoßzeiten
Und immer wieder Fontane
und Aussteigern
181
159
Reviergänge
Ocker
Das Jagdgebiet Schorfheide
210
Geschundene
und bewegte Landschaften
U
186
Übergesamtkunstwerk
Rosskur
Die Welt
Landwirtschaft im Wandel der Zeit
der Landschaftsgärten
Inhalt
216
239
Überlebenskünstler
Wandlungen
Management für Vögel,
Naturschutzgebiete und
Biber und Wölfe
ihre militärische Vorgeschichte
219
243
Über Väter
Wilde Ehe
Brandenburger
Die besondere
Ministerpräsidenten
Nachbarschaft zu Berlin
222
248
Utopie
Wortkunst
Das Erbe sozialistischen
Brandenburgische Literatur
Städtebaus
V
Z
251
225
Zapraszamy
Verwallung
Die neuen Polen der Uckermark
Märkische Landschaft
zwischen
254
Mensch und Natur
Ziemlich beste Freunde
Wie Deutsche und Polen
W
zueinander finden
257
229
Zweitausenddreißig
Wachstumskerne
Demografischer Wandel
Industrie und
als Chance
Wirtschaft
236
Wachstumsschmerzen
Die Zukunft
des Speckgürtels

Zahlen & Fakten
Wussten Sie schon …?
12
24
Geografie
Weihnachtsmannfiliale
Brandenburg ist
in Himmelpfort
»Waldmopszentrum«
29
228
Mutter aller
Luxus
märkischen Kirchen
aus Brandenburg
44
240
217
20
Gewässer
62
Wissenschaft &
Innovation
92
Serbski – Sorben oder Wenden?
Naturschutz
Slawen in der Lausitz
made in Brandenburg
Geschichte
50
128
Kernkraftwerk
Wald
in Rheinsberg
Anhang
154
98
Historische Orte
Allee Allee
184
110
Landwirtschaft
Turbinen
196
114
Politik
Giraffe im Storchennest
214
169
Naturschutz
Sonne satt
232
188
Demografie
Obst und Wein aus Werder
246
204
Kultur und Sport
Besonderheiten der Verfassung
262
Autorenverzeichnis
267
Stichwortregister
270
Bild- & Quellenverzeichnis
272
Impressum
VORWORT
Gebrauchsanleitung für
das Brandenbuch
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
zusammen mit der Staatskanzlei hat die Brandenburgische Landeszentrale für politische
Bildung an der Entwicklung einer neuen Landeskunde gearbeitet. Zwei Jahre der intensiven
Planung und Vorbereitung gingen diesem Projekt voraus. Das Format stand schnell fest: Ein
Buch sollte es sein, ein »Brandenbuch« eben. Das war ein Ergebnis der Umfrage unter den
Menschen im Land, die mitentscheiden sollten, was sie von einer modernen Landeskunde
erwarten. Die Geschichte des Landes und die Identität seiner Bewohnerinnen und Bewohner
sollten frei von Klischees, aber nicht frei von Humor abgebildet werden. Das Buch sollte verständlich geschrieben sein, dabei unterhaltsam wirken, thematisch abwechslungsreich mit
Ausflügen in die Kunst, Kultur und Medien bestückt sein, Beziehungen zu den Nachbarn des
Landes und den demographischen Wandel behandeln. Ein Lesebuch sollte es werden, das
fundierte Informationen enthält, die abwechslungsreich präsentiert werden.
Das waren berechtigte, aber auch hohe Ansprüche an eine einzelne Publikation. Die Auswahl der Autorinnen und Autoren wurde umso wichtiger. Wir haben uns für eine Mischung
aus Journalisten, Wissenschaftlern, Mitarbeitern der Landesregierung und Privatpersonen
entschieden, die jeweils eine Facette von Brandenburg unter die Lupe genommen haben. Wir
danken recht herzlich allen, die mit viel Ideenreichtum und Enthusiasmus zum Gelingen des
Projekts beigetragen haben. Herausgekommen ist ein kurzweiliges, abwechslungsreiches
Buch mit einer Mischung aus über 60 Texten von 45 Autorinnen und Autoren, die fast alle Bereiche des Landes abdecken. Häufig mit Augenzwinkern, aber immer mit Kenntnis und Liebe
zum Land. Aufgebaut im Lexikonstil weckt ein Schlagwort das Interesse für einen Artikel. Wo
die Schlagwörter noch zum Teil um die Ecke gedacht sind, wird durch die Überschrift schnell
klar, welches Thema Gegenstand des Textes ist. So kann das Buch am Stück, aber eben auch
leicht kreuz und quer gelesen werden.
Von Aar bis Zweitausenddreißig entsteht so ein Bild von Brandenburg – wie es lebt, wie
es spricht, wie es wächst und sich verändert. Unter jedem Artikel finden sich Verweise zu
thematisch verwandten Artikeln, die auf dem eben Gelesenen aufbauen. Zusammen mit den
Infokästen zu Besonderheiten in der Mark und Grafiken sowie Illustrationen ergibt sich das
Bild eines außerordentlich vielfältigen Landes. Auch wenn man meint, das Land zu kennen,
verblüffen doch immer wieder neue Fakten und machen Brandenburg umso liebenswerter.
Oder wussten Sie auf Anhieb, dass Brandenburg offizielles Waldmopszentrum ist? Dass der
Erfinder von Ohropax seinen Firmensitz in Potsdam hatte? Dass auf jeden Einwohner und
jede Einwohnerin statistisch gesehen 4.500 Quadratmeter Waldfläche kommen? Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und Entdecken!
Ihre Landeszentrale
Ihre Staatskanzlei
11
Geografie
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(Uckermark)
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234 km
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max. Ausdehnung Brandenburgs
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Zahlen & Fakten
Brandenburg ist das Größte
der neuen Bundesländer …
Brandenburg hat eine
Landesfläche von 29.654 km².
… und das fünftgrößte
Bundesland Deutschlands.
Staatsgrenze zur Republik Polen
279 km
Landesgrenze gesamt
1.366 km
Höhe in m
200
150
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Höchste Erhebungen
100
50
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1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Stand 2014
13
A
AAR
Wappentier
und
Landeshymne
Marika Bent
D
er ein Meter achtzig große Stahlvogel hatte kaum seine
Plenarsaals abheben. »Weißer Adler auf weißem Grund? War
Schwingen ausgebreitet, da blies ihn ein kräftiger Ge-
das nicht die ostfriesische Landesfahne?«, witzelte manch
genwind auch schon nieder. Im Sommer 2013 präsentierte
Märker und vermutete einen Scherz des sächsischen Archi-
der Architekt des neuen Landtags in Potsdam, Peter Kulka,
tekten auf Kosten der Brandenburger. Viele aber kamen ins
seinen Entwurf für das Wappentier. Kulka hatte sich etwas
Grübeln. Ließen nicht Heimatchöre im ganzen Land stets ei-
Besonderes einfallen lassen: Brandenburgs Adler war weiß!
nen roten Adler über Sumpf, Sand und dunkle Kiefernwäl-
Nach dem Willen des Architekten sollte er sich wie ein blasser
der hochsteigen? Und war der Aar hierzulande nicht schon
Schatten von den ebenfalls weißen Wänden des modernen
immer rot?
14
Aar
Ja, der Brandenburgische Adler ist ein roter. Nicht aus po-
tender Wirkung. Ändert man seine Farbe, ändert man auch
litischer Gesinnung, sondern weil es einst die Askanier im
seine Bedeutung.
Mittelalter so wollten und auch die späteren Herrscherhäu-
Das wussten bereits die Markgrafen im Mittelalter. Die
ser bis hin zu den Hohenzollern der Farbe die Treue hielten
Wappenkunde vermutet, dass der Brandenburger Adler schon
– schwarzer Adler für Preußen, roter Adler für die Provinz
einmal einen Farbwechsel erlebt hat – von schwarz nach rot.
Mark Brandenburg. In seinem Hoheitszeichengesetz vom 30.
Um 1170 zeigte sich das Tier, das für Mut, Kraft und Weitblick
Januar 1991 besann sich das frischgebackene Bundesland auf
steht, erstmals nachweislich im Siegel des Askaniers Otto I .
dieses Erbe und legte fest: »Das Landeswappen zeigt auf ei-
Das aus dem Ostharz stammende Adelsgeschlecht regierte die
nem Schild in Weiß (Silber) einen nach rechts blickenden,
Mark seit 1157. Die Forschung nimmt an, dass die Markgrafen
mit goldenen Kleestengeln auf den Flügeln gezierten und
als königliche beziehungsweise kaiserliche Amtsträger den
gold bewehrten roten Adler.«
Reichsadler von ihrem Lehnsherrn übernommen hatten. Die-
Das Dresdener Kriegskind Kulka allerdings fremdelte
ser war schwarz. Darüber, ob und wie sich der Wechsel zum
mit dem Wappentier und dessen Traditionen. Im roten Ad-
Rot des Märkischen Adlers vollzog, sind sich die Heraldiker
ler sah er wahlweise einen Blutfleck oder bezeichnete ihn als
jedoch uneins. Verbreitet ist die These, dass der Federwechsel
dünne rote Henne. Im Januar 2014 bekannte Kulka auf der
die Unabhängigkeit vom Lehnsherrn demonstrieren sollte.
ersten feierlichen Sitzung des neuen Landtags noch einmal
Unverkennbar rot prangt schließlich das Wappentier auf
seine Abneigung gegenüber dem für ihn kriegerischen Sym-
einer der 138 Miniaturen der berühmten Manessischen Lie-
bol. »Ich hätte auch lieber die weiße Taube von Picasso dahin
derhandschrift. Das Bild aus dem 14. Jahrhundert zeigt Mark-
gehängt als euren weißen Adler«, sagte er mit Blick auf die
graf Otto I V. mit seiner Gemahlin beim Schachspiel sitzend.
gefiederte Supraporte an der Stirnseite des Plenarsaals. Zu
Es ist eine friedliche Szene. Der rote Miniatur-Adler wird
dem Zeitpunkt war der Widerstand gegen den Weißen aller-
Zeuge eines Kampfes, der hier nur auf dem Spielbrett aus-
dings schon mächtig angewachsen. Der Streit um die richtige
getragen wird. Noch ist das Tier frei von allen späteren Insig-
Färbung wurde längst in aller Öffentlichkeit ausgetragen und
nien. Kurhut, Schwert, Zepter und Brustschild mit Kämme-
war für Spötter ein gefundenes Fressen.
rerstab fügten die nachfolgenden Wittelsbacher, böhmischen
Luxemburger und Hohenzollern hinzu. Mit all jenem Zierrat
Auf der einen Seite der politische Ästhet Kulka, der seinen Entwurf mit Klauen und Zähnen verteidigte, sich auf
versehen, behielt der Adler bis 1945 seine gültige Gestalt.
sein künstlerisches Urheberrecht berief und Abgeordnete
Im Laufe der Jahrhunderte horstete das Tier zudem in
aus den Reihen der Linken und Grünen sowie jüngere Bran-
den Wappen vieler Städte und Gemeinden. Potsdam, Frank-
denburger hinter sich wusste. Auf der anderen Seite tradi-
furt (Oder), Templin, Wittenberge, Beelitz oder Schwedt tra-
tionsbewusste Märker in- und außerhalb des Landtags, die
gen das Tier ergänzt um lokale Attribute wie Stadtmauer,
mit Emails, Anrufen, Briefen, Online-Petitionen und par-
Schwert, Bootshaken, Jäger oder Hahn im Wappen. Auch in
lamentarischen Anträgen dem neuen Vogel zu Leibe rückten.
Landstrichen, die einstmals zur Mark Brandenburg gehör-
Der Weiße sollte weg! Das Fernsehen sendete Aprilscherze
ten, findet sich der rote Adler bis heute. Stendal und Tanger-
über den Streit. Im Radio verglich man ihn mit dem Zoff,
münde in der Altmark oder Gorzów (Landsberg an der War-
den frisch Vermählte beim Einrichten ihrer neuen Wohnung
the) und Kostrzyn (Küstrin) in der Neumark haben ihn als
haben. Doch jenseits aller Scherze offenbarte die Auseinan-
Wappentier behalten.
dersetzung, wie es um die Beziehung der Brandenburger
Wie allerdings der rote Adler nach Tirol kam, ist bis heute
zu ihrem Wappentier stand: Piepegal war ihnen der Vogel
ein beliebtes Streitthema zwischen patriotischen Heraldikern
nämlich nicht. Im Gegenteil. Ein Symbol, das es aus den Tie-
beider Länder. Auch das Bundesland Tirol schmückt sich mit
fen der Zeit bis ins Heute geschafft hat, ließ sich nicht ein-
einem ganz ähnlichen Vogel. Die Tiroler halten jedoch die
fach umdeuten. Der Adler im Landtag war eben gerade kein
Vermutung, dass ihr Tier Brandenburgischen Ursprungs sei,
­Dekostück, sondern ein Hoheitszeichen mit identitätsstif-
für völlig »unhaltbar«. Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe
15
A
diskutierte einst sogar mit dem Tiroler Landeshauptmann­
»Die rechte Begeisterung beim Volksmusik-Konzert im Frei-
darüber. Von der These, dass der Adler dank Heirat einer as-
zeitzentrum von Bernsdorf, Bezirk Cottbus, kam erst auf, als
kanischen Prinzessin in die Alpen gelangte, konnte aber auch
die ›Oderländer Musikanten‹ das brandenburgische Wappen-
Stolpe sein Tiroler Pendant nicht überzeugen.
tier besangen: ›Steige hoch, du roter Adler.‹ Die rund 600 Be-
Auf musikalischem Gebiet hinterließ der rote Adler eben-
sucher hielt es nicht länger auf den Sitzen, lauthals schmet-
falls seine Spur. So verlieh er der Komposition des passionier-
terten sie das Heimatlied mit. Solche regionalen Hymnen
ten Wandervogels Gustav Büchsenschütz Flügel. Unter wel-
und landsmannschaftlichen Embleme gewinnen überall in
chen Umständen Büchsenschütz sein Lied »Märkische Heide,
der DDR an Bedeutung. Nach dem Zerfall der sozialistischen
märkischer Sand« schrieb, ist nicht eindeutig zu belegen. Mal
Identität – wenn es denn je eine gab – sehen sich viele DDR-
soll der damals 21-Jährige in der Nacht vor Himmelfahrt 1923
Bürger vor allem als Brandenburger, Sachsen, Thüringer, An-
in der Jugendherberge Vehlefanz zur Feder gegriffen und die
haltiner oder Mecklenburger.« Dass der Adler und auch das
Zeilen »Steige hoch, du roter Adler, hoch über Sumpf und
Märkerlied mehr sein könnten als »landsmannschaftliche«
Sand …« zu Papier und anschließend seiner Wandergruppe
Erinnerungen, sorgte ebenso für Erstaunen wie die Tatsache,
zu Gehör gebracht haben. In einer anderen Version soll Büch-
dass die Identitätsstiftung rasant voranschritt. Ab August
senschütz lediglich die Melodie beigesteuert haben. Das Lied
1990 bereitete eine Arbeitsgruppe einen Gesetzentwurf über
gewann schnell an Popularität, auch unter den Nationalso-
Wappen, Flagge und Siegel des zu gründenden Landes vor
zialisten, die es um eine sogenannte Hakenkreuz-Strophe
und griff dabei auf den schlichten askanischen Adler zurück.
erweitern ließen und damit sein Schicksal für die Zeit nach
Der Verzicht auf die alten Machtinsignien sollte ein Zeichen
Kriegsende besiegelten: In der DDR war »Märkische Heide«
der Friedfertigkeit sein.
verpönt und unerwünscht. Nach der Wende machte der dama-
Der Schlüssel zum Kompromiss im jüngsten Adlerstreit
lige Ministerpräsident Manfred Stolpe das Stück wieder sa-
lag ebenfalls im Vereinfachen, Stilisieren und Verkleinern.
lonfähig. Es sei identitätsstiftend, so Stolpe seinerzeit. In den
Von einem Meter achtzig schrumpfte das neue Tier auf
Rang einer offiziellen Landeshymne hat es das Lied jedoch
A4‑Größe und passt nun genau auf das Rednerpult. Dafür ist
nie geschafft. Zu groß war die Last seiner musikalischen Ver-
es völlig rot, auch an Klauen, Schnabel und Kleestängeln. Der
gangenheit. 1994 scheiterte ein entsprechender Antrag der
Platz über der Tür, wo Kulkas Adler hing, ist verwaist. Wer
SPD im Landtag. So bleibt ein Schatten über der beliebten
den Weißen sucht, findet ihn im Keller des Landtagsschlos-
und vielgesungenen »Märkischen Heide«.
ses. So wollte es der Architekt. Lieber einen weißen Adler im
Nicht viel besser erging es nach Kriegsende dem roten
Schrank als einen roten an der Wand. Mit der Version am
Adler, gleichwohl er viel älter war und auf anderer Tradition
Rednerpult war Kulka jedoch einverstanden. Er könne mit
fußte. Ihm wurde die enge Beziehung zur preußischen Ge-
diesem demokratischen Kompromiss leben, ließ er wissen.
schichte zum Verhängnis. An seiner statt zierte nach Kriegs-
Manch Besucher hat zwar Mühe, den neuen Wappenvogel
ende zunächst ein Eichenbaum vor aufgehender Sonne das
zu entdecken, bekommt dafür aber die große Geschichte vom
Wappen des Landes Brandenburg, in das zusätzlich die Zahl
kleinen roten Adler erzählt.
1945 als Beginn einer neuen Ära eingetragen war. Tiefe Wurzeln konnte die junge Eiche jedoch nicht schlagen. Als 1952
das Land Brandenburg aufgelöst und die Bezirke Potsdam,
Frankfurt /Oder und Cottbus gegründet wurden, war auch das
— Lesetipp —
neue Wappen hinfällig. Nach der Wende wurden Eiche und
aufgehende Sonne von niemandem vermisst.
↗↗ Schlossherrin S. 193 Der rote Adler dagegen war nicht vergessen. Augenrei-
↗↗ Marchia S. 133
bend registrierte ein SPIEGEL -Reporter im Juli 1990 die wachsende Begeisterung der Noch-DDR-Bürger für alte Symbole:
16
Adern
ADERN
Flusslandschaften
und
Wasserstraßen
Uwe Rada
»
W
er dem Motto folgt und sich von Dom zu Dom auf den
die Rede ist – neben dem von Brandenburg – ist der in Havel-
Weg macht, wer das blaue Band als Einladung ver-
berg, das bekanntlich in Sachsen-Anhalt liegt. Weil aber beide
steht, Land und Leute kennenzulernen, der wird feststellen,
Städte an der Havel liegen und Havelberg bis 1952 zu Bran-
wie unvergleichlich schön die Havelregion ist – und wie an-
denburg gehörte, verbindet dieser vielleicht schönste Fluss
ziehend.« Der das stolz und feierlich verkündete, war nicht
der Mark die Wiege des Landes mit der Altmark.
Theodor Fontane, der Wanderer durch das Havelland, son-
Brandenburg ist ein Land der Flüsse. Dabei spielen Elbe
dern Joachim Gauck. Am 18. April 2015 eröffnete der deut-
und Oder alleine schon geografisch eine eher untergeordnete
sche Bundespräsident die Bundesgartenschau, die diesmal
Rolle. Die Elbe markiert auf einer Strecke von insgesamt 84,3
in keiner Stadt zu Hause ist, sondern in einer ganzen Fluss-
Kilometern die Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen,
region – dem Havelland. »Von Dom zu Dom. Das blaue Band
beziehungsweise zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt
der Havel«, lautete das Motto, und das zeigte einmal mehr,
und zu Niedersachsen. Auch die Oder ist ein brandenburgi-
dass das 21. Jahrhundert das Zeug hat, zum Jahrhundert der
scher Grenzfluss, der auf einer Länge von 179 Kilometern die
Flüsse zu werden. Und warum sollte man da in Brandenburg,
Grenze zu Polen bildet. Weit mehr Gewicht hat da schon die
dem Land der Flüsse, nicht besonders stolz darauf sein.
Havel. 285 ihrer 334 Flusskilometer verbringt sie in Bran-
Die Havel als Band, das ist eine sympathische Metapher
denburg. Bereits Fontane dichtete in seinen Wanderungen
für das, was Flüsse können: verbinden. In der Vergangenheit
über das Havelland: »Grüß Gott dich Tag, du Preußen­wiege, /
hatte man sich nämlich angewöhnt, die andere Eigenschaft
Geburtstag und Ahnherr unsrer Siege, Und Gruß dir, wo die
der Flüsse, die des Trennens, in den Vordergrund zu stel-
Wiege stand, / Geliebte Heimat, Havelland!« Der Dichter
len. Auch der Leitgedanke von Brandenburg als dem Land
schrieb diese Verse unmittelbar nach dem Sieg gegen Frank-
zwischen Elbe und Oder folgt noch diesem Gedanken an die
reich und der Gründung des Deutschen Reiches 1871. Die
Flüsse als »natürliche Grenzen«. Warum nicht also nach der
Havel lässt also nicht nur die Herzen der Naturfreunde hö-
Bundesgartenschau künftig von einem Land rechts und links
her schlagen, sie bringt mitunter auch das patriotische Blut
der Havel sprechen? Das wäre eine hübsche Hinterlassen-
in Wallung.
schaft eines solchen Ereignisses – und es würde der Havel
Brandenburgs zweiter Binnenfluss ist die Spree. Wie lang
gerecht. Denn der zweite Dom, von dem im Motto der Buga
sie ist, hängt davon ab, welche Quelle man ihr zugesteht. Da
17
A
die aber auf jeden Fall in Sachsen liegt, ist der Brandenburger
der nach einem Fluss benannt ist, der in Brandenburg Ucker
Lauf eine eindeutige Sache. Auf einer Länge von 218 Kilo-
heißt, und die gleichnamige Mark begründet hat. Buga, Fon-
metern durchmisst sie die Mark, wie das Landesamt für Um-
tane, Landkreise: Deutlicher kann die Rolle der Flüsse für
welt, Gesundheit und Verbraucherschutz weiß. Vielgestaltig
die Hervorbringung der Kulturlandschaften und auch der re-
ist er, dieser Fluss, der Brandenburg mit Sachsen und mit
gionalen Identitäten nicht hervortreten. Mehr noch als ein
Berlin verbindet und – als Zufluss der Havel, die wiederum
Land der Seen und Wälder ist die Mark ein Land der Flüsse.
in die Elbe entwässert, als größter Fluss dritter Ordnung in
Natürlich hat auch der Mensch seinen Teil dazu beige-
Deutschland gilt. Auf Brandenburger Gebiet fließt sie zu-
tragen. Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde mit dem
nächst durch die Tagebaugebiete der Lausitz, erreicht unter-
Bau des Finowkanals begonnen. Kurfürst Joachim Friedrich
halb von Cottbus den Spreewald, macht dann einen großen
hatte 1603 die Order erteilt, und so wurde zwischen 1605
Bogen, um Beeskow mitzunehmen und mäandert als Müg-
und 1620 die erste künstliche Wasserstraße der Mark gegra-
gelspree schließlich Richtung Berlin. Natürlich gibt es noch
ben, die zugleich die zweite in Deutschland war. Namentlich
weitere Flüsse, die Dahme zum Beispiel, der Rhin, die Ran-
Eberswalde galt damals, wegen des Kupferhammers, des Ei-
dow. Alle haben sie sich in den Kulturlandschaften der Mark
senhammers und des Messingwerks, als Wiege der Industrie
verewigt. Und alle tragen sie zu einem Superlativ bei. 32.000
in Brandenburg und als ein »märkisches Wuppertal«. Zwar
Kilometer Fließgewässer kann das Land Brandenburg auf-
wurde der Kanal in Folge des Dreißigjährigen Krieges zer-
weisen, so viel wie kein anderes Bundesland in Deutschland.
stört, doch 1743 gab Friedrich II . den Startschuss für den
Fontanes Loblied auf die Havel ist eine Ausnahme, denn
Neubau des Finowkanals zwischen Oder und Havel. Nicht
normalerweise bringen Brandenburgs Ströme weniger na-
nur mit Breslau sollte Berlin nun verbunden sein, sondern
tionale Identitäten als regionale hervor. Auch dafür ist der
auch mit Stettin, das schon seit 1720 zu Preußen gehörte.
märkische und Berliner Dichter Zeuge. In seinen Wanderun-
Mit einer Schleusenbreite von zwölf Metern und einer Länge
gen durch die Mark Brandenburg hat Fontane das Land vorwie-
von 41 Metern war zugleich die Entscheidung für ein neues
gend nach seinen Wasserläufen gegliedert: Oderland, Havel-
Oderschiff gefallen, den Finowmaß- oder Finowkahn.
land, Spreeland. Namentlich das Letztere geht sogar auf seine
Eine erste Berliner Verbindung zur Oder, der Oder-Spree-
­eigene Feder zurück. Um dem drittgrößten der brandenburgi-
Kanal, war bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg fertig-
schen Flüsse zu seinem Recht zu verhelfen (lässt man die Elbe
gestellt worden. 1662 hatte der Große Kurfürst Friedrich
einmal links liegen), erfand ihm der Dichter kurzerhand eine
Wilhelm mit dem Bau eines Kanals zwischen dem Müllroser
Kultur- und Geschichtslandschaft – eben jenes »Spreeland«.
See an der Spree und der Oder bei Fürstenberg begonnen.
Neben den drei Flüssen darf sich in den »Wanderungen« al-
Bis 1668 waren 14 Schleusen aus Eichenholz gebaut, der In-
lenfalls die Grafschaft Ruppin behaupten. Sie ist zwar keinem
betriebnahme des »Friedrich-Wilhelm-Kanals« stand nichts
Fluss zuzuordnen, aber immerhin: In Neuruppin wurde der
mehr im Weg. Dieser Kanal, für den die Wasserbauer 4.200
Dichter 1819 geboren. Und Gewässer gibt es dort auch – den
Eichen fällen mussten, war aber bald zu klein. Zwischen
Ruppiner und vor allem den Stechlinsee, dem Fontane seinen
1696 und 1716 ließ Kurfürst Friedrich III., seit seiner Krö-
letzten Roman widmete.
nung in Königsberg 1701 Preußens erster König, den Kanal
Diese Gliederung der Brandenburger Landschaften nach
zwischen Oder und Spree deshalb ausbauen. Die Schleusen-
Flüssen hat eine Tradition gebildet, die bis heute gilt. Von den
kammern wurden gemauert, die Zahl der Schleusen verrin-
14 Landkreisen tragen im Jahr 2015 neun einen oder mehrere
gerte sich auf elf.
Flüsse im Namen: Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-
Der Bau dieses »Großen Grabens« war ein Riesenerfolg.
Neiße, Oder-Spree, Dahme-Spreewald, Märkisch-Oderland,
Nicht nur für Berlin, sondern auch für den Breslauer Oder-
Uckermark, Oberhavel, Havelland. Sachsen hat dagegen kei-
handel. Bereits 1714 spricht der schlesische Kaufmann P. J.
nen einzigen Landkreis nach einem Fluss benannt, und Meck-
Marperger vom »unaussprechlichen Nutzen des Grabens
lenburg-Vorpommern nur einen, den Kreis Uecker-Randow,
für die Breslauer Kaufmannschaft«. Der neue Kanal, so Mar-
18
Adern
perger, habe nicht nur den schlesischen Handel mit Berlin
tenfluss. Immer häufiger sind auf ihr Hausboote unterwegs,
belebt, sondern auch einen neuen Wasserweg für den Han-
und ihre Hobbykapitäne, die nur einen »Charterschein« benö-
del mit Hamburg, Holland, England, Spanien und Portugal
tigen, entdecken die Schönheit einer Flusslandschaft, die bei
geschaffen: »Aus Hamburg empfing Schlesien vor allem Speze-
der Verfilmung von Tom Sawyer von Hermine Huntgeburth
reien, Zucker, Hering, Stockfisch, brasilischen und virginischen
2011 sogar kurzerhand den Amazonas ersetzen musste. Bran-
Tabak, Seiden-, Wollen- und Baumwollen-, Farb- und Drogerie-
denburg und Amazonas. Eigentlich ein tolles Thema für die
waren, Fischbein, Thran, spanische Früchte und Weine etc. Es
Tourismuswerbung. Aber Brandenburgs Flüsse kommen, in
exportierte auf diesem Wege besonders Garn, rohe und gebleichte
diesem Jahrhundert der Flüsse, auch ohne PR aus.
Leinwand. Das erstere ging meist nach Holland, wo es weiter verarbeitet wurde.«
Die märkischen Flüsse und Kanäle waren also zu Wasserstraßen geworden. Die vorerst leistungsstärkste entstand
mit dem Bau des Hohenzollernkanals, der nach dem Ersten
Weltkrieg begonnen wurde und parallel zum Finowkanal
verlief. Ihm folgte 1934 das Schiffshebewerk in Niederfinow,
mit dem der Höhenunterschied von 36 Metern zwischen der
­Havel und der Oder schneller überwunden werden konnte
als zuvor mit vier Schleusen. Mit dem Bau des Hohenzol-
— Lesetipp —
lernkanals geriet der Finowkanal ein zweites Mal in seiner
Geschichte in Vergessenheit. Doch 2002 wurde er zu neuem
↗↗ Landluft S. 119
Leben erweckt. »Blumenträume am Finowkanal« hieß die
↗↗ Schall und Rauch S. 189
Landesgartenschau, die in diesem Jahr in Eberswalde aus-
↗↗ Verwallung S. 225
getragen wurde, doch in Wirklichkeit war es viel mehr. Für 15
Millionen Euro wurden entlang des Finowkanals Rastplätze
angelegt und zahlreiche Schleusen instandgesetzt, so dass
der Kanal zum Paradies von Freizeitsportlern wurde. Aus dem
Besucherzentrum auf dem Gelände des Alten Walzwerkes ist
der Familiengarten Eberswalde geworden. Damit das »märkische Wuppertal« tatsächlich zukunftsfähig wird, sind allerdings weitere kostenintensive Maßnahmen nötig.
Weil die Binnenschifffahrt schwächelt, heißt Tourismus
auch die Devise an den anderen Gewässern im Flüsseland
Brandenburg. Die Oder, lange Zeit nur als Grenzfluss zu
Polen im Bewusstsein vieler Deutscher, ist nach dem Wegfall der Grenzkontrollen offen für Sportboote und Paddler.
Auf dem Oder-Neiße-Radweg kann man die Schönheit ihrer
Auen genießen. Damit das so bleibt, ist es aber nötig die Oder
als frei fließenden Strom zu erhalten. Der Spreewald ist seit
Jahren Brandenburgs beliebtestes Touristengebiet. Kahnfahrten, Radfahren, Wellness. Alles ist möglich zwischen Burg im
Oberspreewald und Schlepzig im Unterspreewald. Auch die
Havel, das blaue Band der Bundesgartenschau, ist ein Touris-
19
Gewässer
3
4
5
2
1
13% der Wasserfläche in
Deutschland entfallen auf
Brandenburg.
Zahlen & Fakten
Hauptflüsse
(davon in Brandenburg)
Havel 325 km 258 km
Spree 382 km 218 km
Oder 860 km 179 km
Neiße 252 km 74,6 km
Elbe 1.091 km
71 km
Wasserstraßen
32.000 km
Tiefster & klarster See
entspricht der Entfernung von Berlin nach Sidney
(hin und zurück)
70 m
Stechlinsee
Größte natürliche Seen
Schwielochsee
13,3 km²
Scharmützelsee
12,1 km²
Unteruckersee
10,3 km²
Parsteiner See
10,1 km²
Ruppiner See
8,1 km²
1
2
3
4
5
Seen
über 3.000
• 1 See
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Stand 2014
21
A
AUF SENDUNG
Film, Funk
und
Fernsehen
Marika Bent
R
otlackiertes Holz gehört nicht zu den bevorzugten Ma-
zeichnet wurde, knallten beim hiesigen Art Department die
terialien des Architekten Shin Takamatsu. Der Japaner
Sektkorken. Die »Grand-Budapest«-Rezeption im fx.Center
baut lieber mit Stahl, Glas und Beton. Seine Gebäude sind
ist so etwas wie der Triumphbogen der Tischlerei.
futuristisch. Zwischen einem kantig-luftigen Atrium des
Zugleich ist die Existenz des liebevoll geschreinerten
Stararchitekten und einer holzig-verspielten Empfangshalle
Retrostücks in dem modernen Gebäude ein treffendes Sym-
aus der Gründerzeit liegt also ein Graben so abgründig wie
bol für das Wesen der heutigen »Medienstadt Babelsberg«.
die Tiefseerinne vor Japan. Dennoch trifft im Babelsberger
Sie ist sowohl die Wiege des deutschen Films als auch ein
fx.Center derzeit mitteleuropäischer Kurbad-Stil auf asiati-
Fenster in die digitale Zukunft. Etwa 120 Firmen mit rund
schen Minimalismus. Im Foyer des 1999 von Takamatsu in
3.500 Mitarbeitern sind auf dem 46 Hektar großen Gelände
Potsdam-Babelsberg errichteten Medienzentrums steht eine
unweit des Griebnitzsees beheimatet. Neben dem Studio
feuerrote Hotelrezeption, antike Messinglampen und plü-
Babelsberg finden sich hier der öffentlich-rechtliche Rund-
schiger Teppichläufer inklusive. Fehlt nur noch der Concierge
funk Berlin-Brandenburg (rbb), das Medienboard, die Film-
mit Menjou-Bärtchen.
universität »Konrad Wolf«, das Erich-Pommer-Institut für
Statt seiner liefert eine mannshohe Oscar-Statue in un-
Medienrecht, Medienwirtschaft und Medienforschung, das
mittelbarer Nachbarschaft die Erklärung für den seltsamen
Deutsche Filmorchester, der Filmpark Babelsberg, das Deut-
Stilbruch: Im Februar 2015 erhielt Wes Andersons »Grand
sche Rundfunkarchiv, die Ufa Film- und TV-Produktion, die
Budapest Hotel« vier Oscars. Die Tragikomödie über einen
Electronic-Media-School (ems), der Mediencampus mit dem
parfum- und hormongeschwängerten Concierge, der in der
Filmgymnasium und der Medienschule sowie die privaten
Zwischenkriegszeit seinen Dienst in einem berühmten euro-
Hörfunkstationen des BB-Radios und von Radio Teddy. Nur
päischen Hotel versieht, wurde von Studio Babelsberg kopro-
einen Katzensprung vom eigentlichen Studiogelände entfernt
duziert. Viele Innenaufnahmen mit Stars wie Ralph ­Fiennes,
befindet sich zudem das Hasso-Plattner-Institut für Software-
Tilda Swinton, Adrien Brody oder Bill Murray drehte die Crew
systemtechnik. Eine beeindruckende Fülle von Unternehmen,
auf dem Studiogelände. Als der Film schließlich für bestes
Lehr- und Forschungseinrichtungen ist hier in den vergan-
Kostümdesign und bestes Szenenbild in Hollywood ausge­
genen Jahren entstanden. Samenkorn für diese Entwicklung
22
Auf Sendung
waren die ältesten und größten Filmstudios Europas. Seit
duktion, Dramaturgie und Schauspiel ausgebildet werden.
mehr als 100 Jahren liefert Babelsberg den Stoff für Träume,
Hinzugekommen ist eine ganze Reihe von Studiengängen,
sei er nun aus Pixeln oder aus rotlackiertem Sperrholz.
die sich mit digitaler Medienkultur, Animationstechniken,
Begonnen hat alles im Jahr 1911 mit einer schnöden
aber auch dem Filmkulturerbe befassen.
Brandschutzverordnung. Weil der Berliner Polizei Filmauf­
Bis zur Wende waren die Wege für Absolventen klar vor-
nahmen mit glühenden Scheinwerfern und leicht entflamm-
gegeben. Sie führten entweder zur DEFA oder zum Fernsehen
barem Zelluloid mitten in der Großstadt zu »heiß« wurden,
der DDR . Mit der Abwicklung beider Institutionen und dem
musste sich die Firma Bioscop nach einem neuen Atelier
Verkauf des damals 40 Hektar großen Studiogeländes durch
umsehen. In einem Glashaus in Nowawes (1938 mit Neuba-
die Treuhand an den französischen Mischkonzern Compa-
belsberg zu Babelsberg zusammengelegt) fiel 1912 die erste
gnie Générale des Eaux (Vivendi) begann in Babelsberg aber-
Klappe für »Totentanz« mit Stummfilmstar Asta Nielsen.
mals eine Zeit der Metamorphosen. Sie ging zusätzlich ein-
Nach der Fusion der Bioscop und der Universum Film AG,
her mit dem digitalen Umbruch. Bis zu seinem Rückzug 2003
kurz UFA , begann Anfang der 1920er Jahre die Blütezeit des
investierte Vivendi rund 300 Millionen Euro in die Medien-
deutschen Stummfilms. Unter dem Produzenten Erich Pom-
stadt. Zu deren ersten Bewohnern gehörte der Ostdeutsche
mer entstanden Klassiker wie »Metropolis«, »Die Nibelun-
Rundfunk Brandenburg (ORB). Am 1. Januar 1992 nahm die
gen« oder »Faust«. 1930 brach mit dem »Blauen Engel« die
öffentlich-rechtliche Anstalt ihren Sendebetrieb unter recht
Tonfilmära an. Die Filmstudios waren die modernsten der
provisorischen Bedingungen auf. Die TV-Sendungen für das
Welt und eine direkte Konkurrenz für Hollywood. Einst hos-
neue dritte Programm der ARD wurden bis zur Fertigstellung
pitierte hier der junge Alfred Hitchcock und schwärmte spä-
des Sendezentrums noch in Baracken produziert. Der ORB
ter: »Alles, was ich über das Filmemachen wissen musste,
übernahm auch den in der Aufbruchsstimmung 1990 neu ge-
habe ich in Babelsberg gelernt.« Währen der NS -Zeit pro-
gründeten Radiosender »Antenne Brandenburg«, der es auf
duzierte die nunmehr staatliche UFA bis zum bitteren Ende
dem hart umkämpften Radiomarkt Berlin-Brandenburg zum
kriegswichtiges Gut: Unterhaltungsfilme, Propaganda und
Marktführer gebracht hat. Seit Jahren verteidigt »Antenne«
Durchhaltestreifen. Das Kriegsende bedeutete auch für den
die Spitzenposition als meistgehörter Sender. Dicht gefolgt
Filmstandort eine Zäsur.
vom privaten »BB Radio«, welches 1993 in einer Babelsberger
1946 wurde in der sowjetischen Besatzungszone die Deut-
Kellerwohnung startete und heute ein eigenes Funkhaus am
sche Film-AG (DEFA) gegründet. 1.240 Kino- und Fernsehpro-
Mediencampus betreibt. Vor dem Eingang der ARD -Anstalt an
duktionen entstanden bis zum Ende der DDR , darunter ost-
der Marlene-Dietrich-Allee wehen inzwischen die rot-weißen
deutsche Klassiker wie »Die Geschichte vom kleinen Muck«,
Fahnen mit dem rbb-Logo. Im Mai 2003 fusionierten ORB
»Jakob, der Lügner«, »Die Legende von Paul und Paula«,
und der Sender Freies Berlin (SFB) zum gemeinsamen Rund-
»Spur der Steine« oder »Solo Sunny«. Mit der DEFA untrenn-
funk Berlin-Brandenburg. An der Spitze steht seitdem Inten-
bar verbunden ist die 1954 gegründete Hochschule für Film
dantin Dagmar Reim. In Babelsberg produziert der Sender
und Fernsehen »Konrad Wolf« (HFF). Mehr als 5.000 Absol-
die Programme von »Radioeins«, der Jugendwelle »Fritz«,
venten hat die angesehene Einrichtung in sechs Jahrzehnten
»Antenne Brandenburg«, die TV-Sendungen »zibb« und
hervorgebracht. Regisseurinnen und Regisseure wie Helke
»Brandenburg aktuell«. Zudem werden im »Play-Out-Center«
Misselwitz, Rainer Simon, Herrmann Zschoche, Thomas
sämtliche Digitalprogramme für die ARD koordiniert. Regio-
Heise, Winfried Junge oder Andreas Dresen waren prägend
nalstudios und -büros unterhält der rbb in Frankfurt (Oder),
für die ostdeutsche Kinolandschaft, die vor allem auf dem Ge-
Cottbus, Prenzlau und Perleberg.
biet des Dokumentar- und Kinderfilms vielgestaltig war. 2014
»Zwei Länder, ein Sender«, heißt es in der Selbstbeschrei-
wurde die HFF in den Rang einer Universität erhoben. Heute
bung des rbb. Zwei Länder, eine Medienlandschaft könnte
zählt die »Filmuni« mehr als 600 Studierende, die nicht mehr
man für die gesamte Region formulieren. »Berlin-Branden-
nur in den klassischen Fächern Regie, Kamera, Schnitt, Pro-
burg ist vielleicht die einzige Region in Deutschland, in der
23
A
Wussten Sie schon … ?
die Wiedervereinigung tatsächlich stattgefunden hat«, sagt
Weihnachtsmannfiliale
der Potsdamer Regisseur Andreas Dresen in Hinblick auf die
in Himmelpfort
kulturelle Verflechtung beider Länder. Babelsberg, wo ohnehin gern bis nach Hollywood geschaut wird, versteht sich als
Teil eines Medienstandortes, bei dem die Ländergrenzen ins
Hintertreffen geraten. Kleinstaaterei wäre hier fehl am Platze.
Gegen die inländische Konkurrenz in Köln, München oder
Hamburg kann sich die Region nur gemeinsam behaupten.
Noch stärkerer Druck kommt aus dem Ausland, wo weltweit
Himmelpfort ist nicht nur ein staatlich anerkannter Erholung­sort
viele neue Studios entstanden sind, die von nationalen För-
im Norden von Brandenburg. Das kleine Örtchen in der Ucker­
derprogrammen profitieren. Den größten Anteil am Erfolg
mark hat auch ein eigenes Weihnachtspostamt – eins von neun
Babelsbergs haben drei Institutionen, die eng miteinander
in Deutschland und das einzige in den neuen Bundesländern. Im
kooperieren: die Filmstudios, das Medienboard Berlin-Bran-
Jahr 1984 trafen in Himmelpfort erstmals zwei Briefe von Kin­
denburg und nicht zuletzt der Filmpark, dessen investitions-
dern aus Berlin und Sachsen an den Weihnachtsmann ein. Eine
freudiger Chef Friedhelm Schatz mit immer neuen Projekten
Mitarbeiterin wollte sie nicht einfach wieder zurück schicken
dafür sorgt, dass aus der Medienstadt kein Dorf wird.
und beantwortete sie. Der direkte Draht zum Weihnachtsmann
Der einstige Bavaria-Manager war 1993 vom damaligen
sprach sich rum. Seither nimmt die Zahl der Briefe stetig zu.
Studiochef Volker Schlöndorff nach Brandenburg geholt
worden. Schatz kümmerte sich zunächst erfolgreich um die
Studiotour, die 1999 eine Rekordzahl von einer halben Million Besucher verbuchen konnte. Die Menschen kamen, um
berühmte Kulissen, Stunt-Shows in einem Vulkankrater, eben
einen Hauch Hollywood an der Havel zu erleben. Zur gleichen Zeit stoppte jedoch Vivendi sämtliche Investitionen in
Babelsberg. 2003 schließlich kaufte Schatz zusammen mit
dem Berliner Hotelier Ekkehard Streletzki (Estrel) den Fran-
1995 stellte die Deutsche Post AG sogar Mitarbeiterinnen
zosen den Filmpark sowie mehr als die Hälfte des ehemaligen
und Mitarbeiter speziell für die Beantwortung dieser Briefe ein.
DEFA-Geländes ab. Die verlustreichen Filmstudios gingen
Seit 2005 wird die Weihnachtspost in der »Schreibstube des
2004 für einen symbolischen Euro an die Filmbetriebe Berlin-
Weihnachtsmanns« beantwortet, die jedes Jahr im November
Brandenburg (FBB) mit Carl L. Woebcken und Christoph Fis-
eröffnet wird und in der rund 20 Helferinnen und Helfer des
ser als Gesellschafter. Dank des 2007 geschaffenen Deutschen
Weihnachtsmanns arbeiten. 2014 kamen über 312.000 Wunsch­
Filmförderfonds konnte das Studio-Duo einige große Holly-
zettel aus 69 Ländern in Himmelpfort an. Alle Briefe, die bis
wood-Produktionen in die Region holen, darunter Quentin
spätestens zehn Tage vor Heiligabend eingehen, werden garan­
Tarantinos »Inglourious Basterds«, »Operation Walküre« mit
tiert be­antwortet – in Deutsch wie auch in 17 anderen Sprachen.
Tom Cruise, die Schlink-Verfilmung »Der Vorleser«, George
Der Weihnachtsmann arbeitet schließlich weltweit.
Clooneys »Monuments Men« und »Grand Budapest Hotel«.
Für Cineasten schnell identifizierbar tauchte in vielen dieser Filme eine Kulisse immer wieder auf. 15 Jahre lang war
die »Berliner Straße« ein Markenzeichen von Studio Babelsberg. 1998 wurde sie als Sonnenallee für Leander Haußmanns
gleichnamigen Film errichtet. Roman Polanski verwandelte
sie für »Der Pianist« in einen Straßenzug im Warschauer
24
Auf Sendung
Ghetto. Bei Tarantino war sie Paris und in »Beyond the
Orten wie etwa dem Boitzenburger Land, wo mit Blick auf
Sea« mit Kevin Spacey Manhattan. Insgesamt 350 Spiel-,
seerosenbewachsene Weiher gearbeitet wird. So haben ein
Dokumentar- und Werbefilme wurden in der »Mutter aller
Komponist und ein DJ in der beschaulichen Uckermark ein
Kulissen« gedreht. 2013 musste das Studio sie abreißen, weil
neues Musikspiel hervorgebracht, bei dem Tanzbewegungen
auf dem zum Filmpark gehörigen Areal ein neues Viertel mit
Rhythmus und Klänge erzeugen. Ihren »Nagual Dance« ent-
Wohnungen, Geschäften und Gastronomie entstehen soll.
wickeln die beiden Tüftler nun für die Microsoft-Spielkonsole
Doch das Studio wird eine neue »Berliner Straße« errichten.
»Xbox« weiter. Die Liste der Auszeichnungen und Förderer
Der Grundstein für die moderne Hybridkulisse, in der Green-
des audiovisuellen Projekts ist lang, auch das Medienboard
und Bluescreen-Aufnahmen besser integriert werden können,
gab Geld dazu. Mit Fleiß und Können, den richtigen Kon-
ist schon gelegt. Nun müssen die Eigenmittel für den Weiter-
takten und ein bisschen Glück erarbeitet sich die junge Firma
bau erwirtschaftet werden. 2014 war ein schwieriges Jahr für
einen Platz in der globalisierten Kreativwirtschaft – und das
das Studio. Weil zwei wichtige Produktionen kurzfristig ab-
an einem stillen Fleckchen in Brandenburg.
sprangen, machte es 2,5 Millionen Euro Verlust. 2015 haben
die Babelsberger jedoch wieder einen großen Coup landen
können. Die fünfte Staffel der erfolgreichen US-Fernsehserie
»Homeland« wird komplett in den Studios und in Berlin gedreht. Mitbewerber Zagreb wurde in letzter Minute aus dem
Feld geschlagen.
— Lesetipp —
Weltweit fließen millionenschwere Subventionen in große
Blockbuster-Produktionen. Ohne staatliche Unterstützung
↗↗ Pampa S. 166
wie etwa dem Deutschen Filmförderfonds (DFFF) wäre auch
↗↗ Lichtspiele S. 125
Deutschland aus dem Rennen. Das Beispiel »Homeland« il-
↗↗ Wilde Ehe S. 243
lustriert deutlich, wie hart der Kampf zwischen den Produktionsstätten geworden ist. Förderinstanzen wie das Medienboard Berlin-Brandenburg werben nicht nur intensiv um
Film- und Fernsehmacher, sondern auch um die Ansiedlung
junger Unternehmen oder neue Festivals und Branchentreffen. Das Zauberwort lautet dabei »Regionaleffekt«. Es
bezeichnet die Vervielfachung von investiertem Geld in der
Region. 2014 betrug der Regionaleffekt laut Medienboard
463 Prozent bei der Filmförderung, das heißt die knapp 26
Millionen Euro Fördergeld lösten ihrerseits 120 Millionen
Euro Ausgaben in der Region aus. Insgesamt gab das Medienboard 2014 30,5 Millionen Euro für die Förderung internationaler sowie nationaler Film- und Fernsehproduktionen,
von Nachwuchsprojekten, Verleihen und Vertrieben, Festivals, der K
­ inodigitalisierung und von neuen Unternehmen
in der Digitalbranche aus.
Junge, hoffnungsvolle Startup-Firmen entstehen mittlerweile nicht mehr zwangsläufig in den herkömmlichen digitalen Ballungsräumen. Sofern die Netzabdeckung es zulässt,
gedeiht der Mediennachwuchs auch an einsam gelegenen
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