The Great Gatsby - SPOX EURO 2016 Special

Transcription

The Great Gatsby - SPOX EURO 2016 Special
04-2015 I www.spox.com
Farewell Steve Nash
The Great Gatsby
BASLER
BULLEN
BERTOMEU
Das andere Leipzig
Super Mario ist
jetzt Chef bei Lok
Drohgebärden
Was wäre, wenn
Red Bull aussteigt?
Die Königsklasse
Der EuroleagueBoss im Interview
SPOX eMAG
Steve Nash
Mit 41 ging‘s dann
doch nicht mehr.
Nowitzki-Freund
Steve Nash hat
Schluss gemacht.
David Digili lässt
einen der coolsten Typen, den
die NBA je hatte,
hochleben.
01
Mario Basler
Nach seinem Aus als Trainer von RWO war er zwei
Jahre ohne Job. Jetzt ist er
Geschäftsführer Sport bei
Lok Leipzig in der Oberliga. Mit Jochen Tittmar
sprach Basler über sein
unbekanntes Jobprofil, die
Traditionsdebatte und den
großen Stadtrivalen.
02
Red Bull
03
Helmut Marko hat mit der Androhung eines Abschieds von Red Bull
aus der Formel 1 für großen Wirbel
gesorgt. Alexander Maack beantwortet die drängendsten Fragen zum
Aufreger der noch jungen Saison,
erklärt die Hintergründe und wagt
einen Blick in die Zukunft.
04
Maurizio Sarri
Was für ein Typ! Wie
der FC Empoli Italiens
Fußball revolutioniert...
05
Jordi Bertomeu
Der Euroleague-Chef über die
Partnerschaft mit SPOX, die
NBA und innovative Konzepte.
04-2015 I 02
SPOX eMAG
Zum Karriereende von Steve Nash
The Great Gatsby
von David Digili
Aus einer kanadischen Fußballerfamilie zum zweimaligen MVP der NBA:
Wie Steve Nash einer der besten Passgeber der Liga-Geschichte wurde,
zum perfekten Spieler des Uptempo-Basketballs - und zum Beispiel des
mündigen, engagierten Sportlers. Dieser Tage gab er im Alter von 41
Jahren sein Karriereende bekannt.
Am Ende haben sie doch mehr gemeinsam als auf den ersten Blick angenommen. Steve Nash, dieser filigrane Point Guard, dieser Virtuose am
Ball und die elegante Titelfigur des Romans von F. Scott Fitzgerald.
Soziales Gewissen. Leidenschaft. Das Überkommen widrigster Umstände. Und so beschreiben Namen die Karriere von Steve Nash am besten.
Jermaine O‘Neal. Stephon Marbury. Allen Iverson. Antoine Walker. Ray
Allen. Kobe Bryant. Alle mit Nash zusammen in die NBA gekommen, in
einem der besten Drafts der Ligageschichte 1996. Alle mit besten Veranlagungen gesegnet, unendlich viel Athletik, Schnelligkeit. Doch dieser
Steve Nash hat fast alle von ihnen übertroffen. Kobe Bryant spielt seit
jeher in einer eigenen Klasse, Ray Allen ist noch heute, im gehobenen
Alter von 38 Jahren, gefürchteter Dreierschütze. Während aber O‘Neal,
„The Answer“, Marbury oder auch Walker mittlerweile entweder ihrer
einstigen Form hinterherlaufen, im Ruhestand weilen oder im Basketball-Exil ihre letzten Körbe werfen, hat Nash sie alle überdauert. Er, dessen späterer Karriereverlauf an jenem 26. Juni 1996 von allen Draftees,
die sich auf das Bild mit Liga-Boss David Stern zwängen durften, wohl
am unwahrscheinlichsten schien.
Dieser Steven John Nash wächst im kanadischen Victoria in British Columbia auf, im Commonwealth-Staat kommt er fast zwangsläufig erst
zu Fußball und Eishockey, übt sich mit seinem jüngeren Bruder Martin.
„Natürlich war Wayne Gretzky eines meiner ersten Idole“ sagt er später, „ich habe Diego Maradona geliebt und alle Spieler meines Lieblingsklubs Tottenham Hotspur.“ Im Teenageralter erst findet Nash zum
Basketball. „Ich war sofort fasziniert von Magic Johnson, von Isiah Thomas, und ich habe versucht, mich an ihnen zu orientieren.“ Besonders
Vater John, selbst Profi-Fußballer, hat in dieser Zeit großen Einfluss auf
den jungen Steve, der im südafrikanischen Johannesburg auf die Welt
kommt, wo Papa gerade spielt. Er gibt ihm wichtige Ratschläge, hilft
seinem Sprössling auf den Weg, ohne ihn in eine Richtung zu drängen.
„Ich wusste auch selbst, dass ich nicht der größte, schnellste, sprungkräf04-2015 I 04
tigste Spieler werden würde“, erinnert sich Nash.
„Mein Vater wusste genau, wie man aus den gegebenen Möglichkeiten das Beste machen kann:
Ein Trick hier, ein Kniff dort - er hatte als Sportler
den Blick, Situationen zu antizipieren, das war ein
großer Vorteil für mich und auch für meinen Bruder. Er hat uns nicht für tolle Tore gelobt, sondern
für feine Pässe. Nicht viele Kinder haben dieses
Glück.“
Letztlich tritt aber Martin in die Fußstapfen des
Vaters, absolviert bis 2010 sogar 38 Länderspiele
für Kanadas Fußballnationalmannschaft. Steve
dagegen - trotz diverser Schulauszeichnungen im
Fußball - entscheidet sich gegen den Rasensport,
die Liebe zum neu gefundenen Basketball ist einfach zu groß. Er arbeitet wie ein Besessener, wird
zum Star an der St. Michaels University School, im
in Kanada unpopulären Basketball. Als klar wird,
dass der Weg des Talents in der Heimat am Ende
ist, kommt 1992 der Schritt an die kleine Santa Clara University im Herzen Kaliforniens. Der damalige Head Coach der Broncos, Dick Davey, sah als
einziger das Potenzial im 18-Jährigen. „Ich hatte
furchtbare Angst, dass uns noch eine der großen
Unis diesen Rohdiamanten wegschnappen würde“, erinnert sich Davey. Doch Santa Clara blieb
einziger Interessent. Er feiert Achtungserfolge
mit dem Team, zeichnet sich als Scorer und Passer
aus. Spiele mit der kanadischen Nationalmannschaft und Workouts mit späteren Kollegen wie
Jason Kidd formen den „Rohdiamanten“ weiter.
1996 meldet er sich zum Draft, als Santa Claras AllTime-Leader in Assists, Freiwurfquote und getroffenen Dreiern.
Die Phoenix Suns wählen ihn an 15. Stelle. Was ein
vorläufiger Höhepunkt der jungen Karriere sein
sollte, wird von den Suns-Fans zum Spießrutenlauf umgewandelt. Ein Kanadier, noch dazu von
einem relativ unbekannten College, ohne große
Meriten? Schon bei der Draft-Veranstaltung prasseln Buhrufe und Pfiffe auf den bemitleidenswerten Youngster ein. Der Neuling bekommt auch in
der Folge kein Bein auf den Boden, spielt hinter
Kevin Johnson, Sam Cassell und später Kidd bestenfalls eine Nebenrolle. Namen, die er Jahre später übertreffen sollte. 3,3 Punkte und 2,1 Assists in
nur 10,5 Minuten in Jahr eins, im zweiten steigern
sich die Zahlen auf immerhin 9,1 Punkte und 3,4
Vorlagen, Nash steht nun schon knapp 22 Minuten im Schnitt auf dem Feld. Trotzdem: Phoenix
scheint eine Sackgasse. Ein Tapetenwechsel soll
die Karriere wieder auf Kurs bringen. 1998 wird
Nash nach Dallas getradet - und hier startet er
durch. Bei den Dallas Mavericks trifft Nash auf
einen weiteren Namen, der seine Laufbahn prägen sollte. Ein junger deutscher Forward namens
Dirk Nowitzki wurde gerade gedraftet - die enge
Freundschaft der beiden hält bis heute. Gern und
viel zitiert ist Nowitzkis Beschreibung der Bande:
„Es passt einfach zwischen uns, wir hätten uns
auch angefreundet, wenn wir uns in einem Supermarkt kennengelernt hätten.“
Auch in Texas lässt der ganz große Auftritt jedoch
zunächst auf sich warten, das Team verpasst in
seinen ersten zwei Jahren die Playoffs. Nashs Leistungen stagnieren, böse Erinnerungen an Phoenix
werden wach, als auch die Mavs-Fans beginnen,
den „stets bemühten“ Playmaker auszubuhen.
Doch dann zeigt sich: Nash ist zur richtigen Zeit
am richtigen Ort. Die Mavs, mit ihrem neuen Besitzer Mark Cuban, dem immer besser werdenden
Dirk, dem starken Michael Finley und Nash sind
die perfekte Erfolgskonstellation. Dazu steht mit
Don Nelson ein alter Trainerfuchs an der Seitenlinie, dessen Philosophie dem stürmischen Aufbau
optimal entgegenkommt. Nash blüht in der Saison
2000/2001 auf, startet in allen seinen 70 Spielen,
SPOX eMAG
steigert seinen Punkteschnitt auf 15,6 und verteilt
dazu 7,3 Assists - unzählige davon auf seinen Lieblingsmitspieler mit der Nummer 41, Dirk Nowitzki.
Lohn der merklichen Steigerung: die erste PlayoffTeilnahme für Dallas seit 1990. Zwar ist dann in
den Conference Semifinals gegen die San Antonio
Spurs Schluss (1-4 in der Serie), doch das Ausrufezeichen war gesetzt, auch für die kommenden
Jahre. Das Trio begeistert nicht nur deutsche Fans,
die sich die Nächte um die Ohren schlagen.
Plötzlich zählt Dallas zu den besten Teams der
Liga, offensivstark, tief besetzt, unterhaltsam,
spektakulär. Nash wächst spielerisch immer weiter über sich hinaus, ist gleichzeitig umsichtiger
Dirigent und Turbomotor der Offense. Schon im
Folgejahr gibt es ein großes Lob: die Nominierung
zum All-Star Game - die erste von insgesamt acht.
Nash, der Starspieler, setzt zunehmend Zeichen
- auch außerhalb des Platzes.Der Politikinteressierte nutzt über die Jahre seine Popularität für
soziale und karitative Zwecke. „Steve ist einfach
nur ein ganz normaler Typ, der eben sehr, sehr
gut in seinem Job ist,“ sagte Mavs-Assistant-Coach
Del Harris einmal - und verkannte mit seinem Lob
für den Charakter des 1,91-Meter-Mannes aber
den Steve Nash hinter dem Basketballer.Er enga-
giert sich für Umweltschutz und plant mit seinem
Schuhsponsor einen ökologisch nachhaltigen Basketballschuh zu einem günstigen Preis. Er bildet
den Gegenentwurf zum juwelenbehangenen,
gesellschaftspolitisch unbedarften Stereotyp des
NBA-Spielers. Nash erlaubt sich Meinungen. 2003
trägt er während des All-Star Weekends in Atlanta
ein T-Shirt mit dem Aufdruck „No War. Shoot for
Peace!“ Der Irak-Krieg hatte gerade begonnen.
„Es ist beschämend, dass wir auch im 21. Jahrhundert noch immer mit Waffengewalt Konflikte lösen,“ erklärt er.
In den nächsten Jahren hält er seine Stats bei mindestens 14,5 Punkten und 7,3 Assists pro Spiel, die
Mavs hatten sich in der Liga-Elite etabliert, zum
ganz großen Wurf sollte es aber nicht reichen.
Spätestens in den Conference Finals ist jedes Jahr
Schluss für alle Titelträume, ob gegen die Spurs
oder die starken Sacramento Kings. 2004 kommt,
unerwartet für Fans und Beobachter, das Aus in
Dallas. Nash wird Free Agent, Cuban zögert, dem
damals 30-Jährigen einen hoch dotierten Langzeitvertrag anzubieten. Nowitzki, nicht Nash, ist
das Gesicht der Franchise. Ausgerechnet bei den
Phoenix Suns, diesem Albtraum seiner Rookie-Zeit,
sieht man die Chance gekommen und verpflichtet
04-2015 I 06
den verlorenen Sohn für sechs Jahre. Noch heute
ein unbefriedigendes Ende. „Damals haben wir
die Situation völlig falsch eingeschätzt,“ sagt Cuban. „Besonders seine gesundheitliche Situation
haben wir falsch bewertet und heute weiß ich,
dass es ein Fehler war.“ Zwar hat Nash schon zu
Dallas-Zeiten mit den Rückenproblemen zu kämpfen, die Jahre später letztlich das Karriereende
einläuten. Nach Auswechslungen sitzt Nash nicht
auf der Bank, sondern liegt auf dem Hallenboden,
um Verspannungen zu vermeiden.
Doch der Zenit seiner Karriere sollte noch kommen: Der zweite Anlauf in Arizona katapultiert
den Rückkehrer endgültig zum großen Star, zu
einem dieser Spieler, die nicht nur eine Randnotiz der NBA-Historie bleiben. Nash spielt den besten Basketball seiner Karriere. Auch hier ist es ein
Name, der maßgeblich am spielerischen Höhepunkt beteiligt ist: Head Coach Mike D‘Antoni, Offensivguru und Uptempo-Fanatiker. Sein schnelles
System ist wie geschaffen für Nash, der Amar‘e
Stoudemire und Shawn Marion immer wieder fliegen lässt und - wie zuvor in Dallas - zum Denker
und Lenker des attraktivsten Balls der Liga wird.
Attraktiv und erfolgreich: Die reguläre Saison
beenden die Suns mit der ligaweit besten Bilanz
von 62-20 Siegen. 110,4 Punkte produziert die
Offense-Maschine pro Spiel, seit zehn Jahren hat
kein Team einen ähnlichen Wert erreicht. Nash
verteilt 11,5 Assists pro Spiel, trifft aus dem Feld
und von der Linie fast automatisch und wird Regular Season MVP 2005. Nur Bob Cousy und Magic
Johnson hatten bisher als Point Guards diese Auszeichnung erhalten.
In der darauffolgenden Spielzeit steigert er sich erneut, scort mit 18,8 Punkten so viel wie nie zuvor,
die 10,5 Assists in jenem Jahr gehen nicht an Stoudemire, der verletzt ist, auch nicht an Joe Johnson,
der getradet wurde, sondern an eine Rumpftruppe, die mit 54-28 Siegen trotzdem zur Ligaspitze
gehört. Erneut wird Nash MVP, hat damit mehr
Maurice-Podoloff-Trophäen im Schränkchen stehen als Kobe Bryant, Shaquille O‘Neal oder Allen
Iverson. Dass es das Team erneut bis in die Conference Finals schafft und dort ausgerechnet gegen
die Dallas Mavericks verliert, ist Ironie des Schicksals. Näher sollte Nash einer Championship nicht
mehr kommen. Auch 2010 ist an gleicher Stelle
Schluss, dieses Mal gegen die Los Angeles Lakers.
So getrieben Nash jedoch vom Wunsch nach Titeln
ist, so sehr ist er sich auch der Verhältnismäßigkeit
des Sports bewusst. Sind andere Stars seines Kalibers unnahbar, macht sich der unprätentiöse Nash
einen Spaß daraus, während der WM 2010 in einem Straßenfußballspiel mitzumischen, mitten in
Berlin.
„Ich hätte auch Fußballer werden können“, scherzt
er oft, und man will es ihm glauben. Immer wieder organisiert Nash Benefizspiele mit Freunden
aus der Sportwelt, drängt seine NBA-Kollegen,
mitzuziehen. Es gibt auch noch wichtigere Dinge
auf der Welt als Punkte oder Assists und Nash ist
sich dessen bewusst. Im Jahr 2010 bezieht er Stellung gegen ein umstrittenes „Gesetz zum Kampf
gegen illegale Immigranten“, das in Arizona auf
den Weg gebracht wurde und Einwanderer quasi
der Polizeiwillkür aussetzt. „Damit wird dem Racial Profiling Tür und Tor geöffnet. Freiheit und
Bürgerrechte sind unser höchstes Gut und es ist
ein fatales Signal an die Jugend.“ 2012 wurde das
Gesetz in vielen Punkten wieder gekippt.
Basketball wirkt bei Nash nicht wie einziger Lebensinhalt, sondern wie eine seiner vielen Leidenschaften. Spenden an Krankenhäuser weltweit,
das intensive Engagement für Kinder, Ehrendoktorwürden und Auszeichnungen für soziale Verdienste, sie waren und sind keine Imagepflege,
ausgedacht von Agenten und PR-Beratern. Jeder
Schritt, ob auf dem Court oder in der Öffentlichkeit, scheint nicht wohl kalkuliert, sondern getrieben von Leidenschaft, Emotion, Freude. Am Rande eines Werbetermins in China verkleidete sich
Nash einmal mit Pudelmütze und Taucherbrille
und spielte bei einem Pick-up-Game mitten in der
Stadt mit. Nash genießt Anonymität und Privatsphäre, am liebsten bei einfachen Burgern und
gepflegten Getränken. Mit Dirk ist er jahrelang
Stammgast im „The Loon“ in Dallas, weil das Bier
dort noch in Dosen serviert wird.
Al Whitley, Freund aus Kindertagen in Kanada
und langjähriger Mavs-Betreuer, erinnerte sich in
„Sports Illustrated“ an eine besondere Anekdote:
„Kurz vor der Saison 2003 wollten ich und ein weiterer Freund zusammen mit Steve ein paar Bars
in Dallas besuchen. Natürlich haben wir ihn dauernd gedrängelt, doch endlich mal wenigstens ein
Bier mitzutrinken. Er sagte zu, unter zwei Bedingungen: Nur ein Bier pro Laden - und wir müssten mit ihm von Bar zu Bar sprinten, durch die
Straßen von Dallas. Er rannte uns immer davon,
war immer mit seinem Bier schon fertig, wenn wir
SPOX eMAG
gerade erst durch die Tür stolperten, rief uns den
Namen der nächsten Bar zu und lief weiter. Eine
Bar hatte einen Außenpool, und als wir dort ankamen, schwamm Steve dort schon seine Runden in
Straßenklamotten.“
Trotz des „Trainings“ macht Nash der malade Rücken über die Jahre immer mehr zu schaffen, er
quält sich, bringt weiter Topleistungen in einem
längst nicht mehr konkurrenzfähigen Suns-Team.
Im Sommer 2012, mit nunmehr 38 Jahren, geht er
zu den Los Angeles Lakers, mit Kobe, Pau Gasol
und Dwight Howard soll eine Meistermannschaft
her - es bleibt beim Wunschdenken. Zu den Rückenproblemen kommt ein Knochenbruch am
Wadenbein hinzu, er läuft in 50 Partien auf, wirkt
oft wie ein Fremdkörper. „Es ist jeden Tag ein
Kampf, aber zur gleichen Zeit führe ich mir vor
Augen, wie sehr ich dieses Spiel liebe. Ich kämpfe,
auch wenn es manchmal wirklich hart ist“, sagt er
nach erneuten Verletzungsproblemen 2013.
sich beim Koffertragen, die Nervenverletzung im
Rücken ist zurück. Zum Wohle seiner Gesundheit
entscheidet er sich für eine Operation und damit
auch für das Karriereende. Nach 1217 Spielen,
fünf Mal war er bester Vorlagengeber der Liga,
drei Mal im All-NBA First Team. Am Ende hat er
10.335 Assists verteilt. Mehr als Magic Johnson.
Oscar Robertson. Kevin Johnson. Tim Hardaway.
Isiah Thomas. Gary Payton.
Da sind sie wieder, die Namen. Steve Nash bekommt kurz vor Karriereende auch einen. NeuTeamkollege Kobe Bryant nennt ihn nach kurzer
Zeit bei den Lakers nur noch wie eben jene Romanfigur von F. Scott Fitzgerald, die wie er nach
Höherem strebte.
Die sich Chancen nicht entgehen ließ, für die Erfolg nur Mittel zum Zweck der eigenen Leidenschaft war. Auf der Suche nach Erfüllung, Herausforderung und Veränderung zugleich. Gatsby.
15 Mal steht er in der abgelaufenen Saison noch
auf den Parkett. Die neue Spielzeit sollte der versöhnliche Abschluss einer einzigartigen Karriere
werden. Doch bei einer alltäglichen Bewegung
bricht die Verletzung wieder auf. Nash verhebt
04-2015 I 08
Mario Basler im Interview
„Am Ende geht es
nicht um den Fan“
Mario Basler war nach seinem Aus als Trainer von Rot-Weiß Oberhausen
über zwei Jahre lang ohne Job. Im Januar 2015 wurde er Geschäftsführer
Sport beim Oberligisten 1. FC Lokomotive Leipzig. Im Gespräch mit Jochen Tittmar erzählt der 46-Jährige von seinem unbekannten Jobprofil,
seinen Ambitionen als Trainer, der Traditionsdebatte im Fußball und dem
Stadtrivalen RB Leipzig.
SPOX: Herr Basler, Sie sind seit etwas über einem Monat als Geschäftsführer Sport beim Oberligisten 1. FC Lokomotive Leipzig tätig. Hätten
Sie nach Ihrem Aus bei Rot-Weiß Oberhausen gedacht, dass Sie einmal
eine solche Aufgabe annehmen werden?
Mario Basler: Vorstellbar war so etwas immer. Die Frage war eher, ob
ein Verein Interesse haben würde, dass ich diese Aufgabe bei ihm übernehme. Ich war daher froh über die Anfrage. Mir ging es nie um die
Ligazugehörigkeit. Wenn ich merke, dass ein Verein ein konkretes Konzept umsetzen möchte und mich damit begeistern kann, dann ist es mir
wurscht, in welcher Liga ich arbeite.
SPOX: Sie waren zuletzt über zwei Jahre lang ohne Job. Wie haben Sie
diese Zeit verbracht?
Basler: Ich habe viel fürs Fernsehen gearbeitet, war einige Male auf dem
Golfplatz unterwegs und habe mir zahlreiche Fußballspiele in verschiedenen Ligen angeschaut. Und nebenbei wie jeder arbeitsuchende Trainer darauf gewartet, dass mich eine Anfrage erreicht. Diese Zeit war
zäh und kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor.
SPOX: Wie viele Anfragen kamen denn rein?
Basler: Es gab die eine oder andere, auch deutsche Zweitligisten und
Vereine aus dem Ausland waren dabei. Es kam auch zu ein paar Verhandlungen, die aber meist am Geld gescheitert sind. Vielleicht habe
ich auch mal zu viel verlangt, die genauen Gründe kennt man dann am
Ende ja oftmals auch nicht. Manches Mal waren es auch einfach nur
Kleinigkeiten, die nicht zusammenpassten.
SPOX: Bruno Labbadia erzählte im SPOX-Interview davon, dass er auch
das Ausland bereist hat, um sich die dortigen Begebenheiten genauer
anzuschauen. Haben Sie das auch gemacht?
Basler: Nein. Jeder Trainer geht da anders vor, glaube ich. Natürlich kann
man mal eine Woche beim selben Verein das Training beobachten, um
neue Eindrücke zu gewinnen. Dafür muss ich jetzt aber nicht extra ins
Ausland fahren, das kann ich in Deutschland genauso gut. Ich war beispielsweise beim VfL Osnabrück und dem 1. FC Kaiserslautern.
SPOX eMAG
04-2015 I 10
SPOX: Bereits zu Ihrer Zeit bei Eintracht Trier fungierten Sie nebenbei als Sportlicher Leiter, Jahre
zuvor waren Sie bei Jahn Regensburg Teammanager. Haben Sie damals bereits ein gewisses Faible
für diese Position entwickelt?
Basler: Nein, ich habe mich danach eigentlich nie
mehr intensiv damit beschäftigt. Ich habe den
Fußballlehrer gemacht, um als Trainer und nicht
als Sportdirektor zu arbeiten. Ich möchte das daher nach wie vor nicht aus den Augen verlieren.
Wenn jetzt ein Erst- oder Zweitligist aus dem Inoder Ausland kommen würde, würde ich schon
grundsätzliches Interesse signalisieren. Das weiß
man bei Lok auch.
SPOX: Sie besitzen also eine Ausstiegsklausel?
Basler: Genau. Es ist aber natürlich nicht so, dass
ich jetzt hier bin und darauf hoffe, baldmöglichst
wieder als Trainer arbeiten zu können. Sonst hätte
ich die Aufgabe ja gar nicht erst antreten müssen.
SPOX: Inwiefern befinden Sie sich somit in einer
Art Lernphase, um das Geschäft aus dem neuen
Blickwinkel zu verstehen?
Basler: Das trifft schon zu, da mein aktuelles Jobprofil für mich ja neu ist. Das war auch der Grund,
weshalb ich zunächst nur für eineinhalb Jahre
unterschrieben habe. Der Verein hätte sich gleich
einen längerfristigen Vertrag vorstellen können.
Ich möchte jetzt aber erst einmal hinein schnuppern und schauen, ob ich diesem Job auch in den
nächsten Jahren nachgehen will. Von daher geht
es nun vorerst um die Frage: Macht mir dieser Job
überhaupt Spaß?
SPOX: Wann denken Sie wird ein Zwischenfazit
möglich sein?
Basler: Nach sechs bis zwölf Monaten werde ich
ein Gefühl dafür bekommen haben, ob mich die
Aufgabe ausfüllt oder ob ich doch lieber an der
Seitenlinie stehen und nach jedem Spiel darum
zittern möchte, wieder rauszufliegen (lacht).
SPOX: Sie haben einmal gesagt, viele Vereine hätten Angst, prominenten Namen wie Lothar Matthäus, Stefan Effenberg oder Ihnen eine Chance
zu geben. Wieso?
Basler: Ich glaube einfach, dass viele Präsidenten und Sportdirektoren ein großes Problem mit
ehemaligen Spielern haben, deren Persönlichkeit
möglicherweise die eigene überstrahlen könnte.
Anders ist es ja kaum zu erklären, dass Lothar und
Stefan noch nie in der 1. oder 2. Liga trainiert haben. Die Spirale, in der sich Trainer befinden, ist
SPOX eMAG
nommen und hatte keine finanzielle Möglichkeit,
personell nachzurüsten. Der Klassenerhalt wäre
jeweils möglich gewesen, aber es hat unter dem
Strich die Qualität gefehlt. Und am Ende ist dann
eben immer der Trainer schuld. Abgestiegen sind
schon viele.
SPOX: Thorsten Fink meinte, er wollte nicht arg
viel länger als zwei Jahre ohne Job sein. Spielte es
bei Ihnen auch eine Rolle, nun endlich mal wieder
irgendwo einsteigen zu können?
Basler: Nein, das ist mir vollkommen egal gewesen. Ansonsten hätte ich ja schon früher ein Angebot annehmen können. Hätte Lok mir kein
schlüssiges Konzept vorlegen können, dann hätte
ich auch nicht zugesagt. Die Ambition, bis 2020
in die 3. Liga aufzusteigen, halte ich zusammen
mit der Kompetenz des neuen Präsidiums für sehr
durchdacht.
seit längerer Zeit dieselbe - wenn auch in den letzten zwei, drei Jahren etwas frisches Blut hineingekommen ist: Der eine fliegt hier oder dort raus
und heuert dann an anderer Stelle wieder an.
SPOX: Ist das nur ein Gefühl oder haben Sie das
auch schon am eigenen Leibe erfahren?
Basler: Wenn man nicht auf dieses sich ständig
drehende Karussell aufspringen kann, hat man es
schwer, neue Angebote zu bekommen. Schauen
Sie sich Robin Dutt an: Er hatte mit Bremen keinen
Erfolg, kann aber wenig später beim VfB Stuttgart
einsteigen. Das sehe als problematisch an, weil ich
der Überzeugung bin: Lothar Matthäus ist ein super Trainer. Das hat er im Ausland bewiesen, deshalb überrascht es mich, dass er in Deutschland
noch nie eine Chance bekommen hat.
SPOX: Glauben Sie, dass Sie zuletzt nicht in diesem Karussell auftauchten, weil Sie bei Ihren beiden letzten Stationen bei Wacker Burghausen
und Rot-Weiß Oberhausen jeweils aus der 3. Liga
abgestiegen sind?
Basler: Es mag sein, dass das viele so sehen. Man
muss in den konkreten Fällen auch die Hintergründe kennen. Burghausen und Oberhausen
habe ich jeweils auf dem vorletzten Platz über-
SPOX: Lok-Präsident Heiko Spauke hat Sie über
einen gemeinsamen Bekannten aus Regensburg
kennengelernt. Hat er Sie mehrere Wochen bearbeitet, bis Sie zugesagt haben?
Basler: Nein, das ging alles relativ zügig. Wir haben uns einmal gesehen und bei einem Bierchen
über den möglichen Job philosophiert. 14 Tage
später haben wir uns offiziell getroffen und über
meine konkreten Aufgaben sowie das Finanzielle
gesprochen. Ich bin dann von Leipzig in Richtung
meiner Osnabrücker Heimat aufgebrochen. Auf
Höhe Kassel war‘s für mich entschieden. Da war
mir klar, dass ich das Angebot gerne annehmen
würde.
SPOX: Was haben Sie denn mit dem 1. FC Lokomotive Leipzig bis zuletzt verbunden?
Basler: Ich habe 1993 in Bremen mein erstes Bundesligator geschossen, als der Verein noch VfB
Leipzig hieß - und im Rückspiel meine erste Rote
Karte gegen sie gesehen (lacht). Die Zeit der Insolvenz und Neugründung habe ich aber genauso
mitverfolgt wie die Episode 2005, als Lothar Matthäus im Stadtpokal-Halbfinale gegen den SV Ost
Leipzig für Lok auflief. In meinen Augen war Lok
schon immer ein Thema im Fußball, unabhängig
von der Ligazugehörigkeit. Leipzig ist eine tolle
Stadt mit großer Fußballbegeisterung, die ich hier
bei Lok in den ersten Wochen auch sofort zu spüren bekam. Das ist definitiv ein geiler Verein.
SPOX: Ihr Job bei der Lok‘sche ist es, den maroden Klub mit Hilfe von Sponsoren kontinuierlich
04-2015 I 12
zurück in den bezahlten Fußball zu bringen. Doch
wer investiert jetzt, wo in der Stadt alle RB Leipzig
die Bude einrennen, ausgerechnet in den Stadtrivalen aus der fünften Liga?
Basler: Die Frage ist, ob die mittelständischen Unternehmen, die sich momentan bei RB engagieren,
auch weiterhin zu ihren Zahlungen in der Lage
sind, wenn der Verein erst einmal in die Bundesliga aufgestiegen ist. Dort wird der Klub die Preise
unweigerlich anziehen müssen, um seine ambitionierten Ziele zu untermauern. Selbst Audi hat als
langjähriger RB-Partner seinen Platz für Porsche
und VW räumen müssen. Diesen Weg wird daher
nicht jeder Sponsor mitgehen können.
SPOX: Und stattdessen dann bei Lok Leipzig aufschlagen?
Basler: RB Leipzig soll schnell aufsteigen, da hätte
ich nichts dagegen. Zumal die Stadt einen Bundesligisten einfach verdient hätte. Unsere Chancen
bei der hiesigen Wirtschaft würde das sicherlich
auch erhöhen. Darauf müssen wir momentan ein
bisschen bauen. Ich bekomme bei Gesprächen mit
diversen Firmen zumindest Signale, dass sie diese
Entwicklung bei RB ähnlich prognostizieren und
wir uns deshalb noch etwas in Geduld üben müssen. Theoretisch bräuchte RB diese ganzen Sponsoren ja gar nicht, da sie bereits einen Gönner haben, der nicht weiß wohin mit seinem Geld.
SPOX: Wenn Sie derzeit zum Telefon greifen oder
persönlich vorstellig werden, mit welchen Argumenten für ein Investment bei Lok locken Sie
dann?
Basler: Wir wollen bei Gesprächen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass zusammen mit dem neuen Präsidium und mir eine neue Zeitrechnung
begonnen hat. Wir haben einen klar definierten
Weg, um bis 2020 ans Ziel zu kommen und wieder
in den Profifußball zurück zu kehren. In der Vergangenheit ist sicherlich einiges schief gelaufen,
doch all diese unschönen Vorgeschichten zählen
nun nicht mehr. Wir haben die Krawallmacher
erfolgreich ausgegrenzt, es gab seit einem Jahr
keine Ausschreitungen mehr. Das neue Lok Leipzig muss potentiellen Sponsoren jetzt vernünftig
kommuniziert und schmackhaft gemacht werden.
SPOX: Greifen Sie in diesen Gesprächen momentan auf Ihr eigenes Netzwerk zurück?
Basler: Nein. Ich stelle mich bei Firmen vor, die ich
nicht näher kenne. Da sitzt man dann zusammen
im Büro oder trifft sich zu einem Kaffee. Es gibt
auch einige Anfragen an den Verein, dass man
sich gerne einmal mit mir an einen Tisch setzen
möchte, um über ein mögliches Sponsoring zu diskutieren. Ich bin positiv davon überrascht, wie die
Gespräche bislang vonstattengehen.
SPOX: Der Gedanke, mit RB Leipzig in irgendeiner Art zu kooperieren, liegt ja auf der Hand. Sie
sagten, Sie werden sich sicherlich einmal mit Ralf
Rangnick unterhalten. Ist das bereits geschehen?
Basler: Nein, wir sind uns noch nicht über den Weg
gelaufen. Ich würde mich aber sofort mit ihm austauschen und mir gerne Ratschläge einholen, da
er auf diesem Gebiet ja bereits große Erfahrung
besitzt.
SPOX: Rangnick sagte uns, er könne sich nicht
vorstellen, dass eine Zusammenarbeit zwischen
RB und Lok den Menschen vermittelbar sei. Wie
könnte man in Ihren Augen dennoch voneinander profitieren?
Basler: Auf offiziellem Wege ist es in der Tat unvorstellbar. Da würden sicherlich beide Fanlager
durchdrehen. Aber man könnte ja auch einen inoffiziellen Weg einschlagen. Man muss ja als Fan
auch nicht immer alles wissen. Am Ende geht es
nämlich immer um den Verein und nicht um den
Fan. Wenn der Fan sieht, dass es dem Verein gut
geht und er einen Spieler bekommt, der sportlich
weiterhilft, dann würde er sich auch nicht beschweren.
SPOX: Während Lok vor Fußballromantik nur so
strotzt, personifiziert Rivale RB für viele Fußballfans regelrecht das Böse. Können Sie das nachvollziehen?
Basler: Es gibt vom DFB klare Richtlinien für die
Lizenzunterlagen und -erteilung. Wenn man der
Prüfung des DFB standhält, dann sehe ich da keinerlei Problematik. Ich finde es positiv, dass es
Menschen gibt, die ihr Geld in deutsche Fußballvereine investieren. Ich sehe keine Bedrohung für
diesen Sport, sondern durch RB Leipzig eher eine
Bedrohung für Vereine wie den FC Bayern oder
den VfL Wolfsburg.
SPOX: Können Sie Verständnis für diejenigen aufbringen, die die Ursprünglichkeit ihres Sports von
konzerngesteuerten Vereinen bedroht sehen?
Basler: Nein, überhaupt nicht. Das muss jeder Verein und Fan letztlich auch irgendwo für sich selbst
entscheiden. Ein Dietmar Hopp stört mich nicht,
er hilft ja beispielsweise auch nebenbei kleineren
SPOX eMAG
Vereinen. Ob ein Verein besonders stark subventioniert wird oder nicht - sportlich muss er erst
einmal die entsprechende Leistung bringen. Man
sieht es ja in Hoffenheim: Dort hat man noch kein
einziges Mal international gespielt und dürfte
aller Voraussicht nach auch in den nächsten Jahren nicht Meister werden. Auch RB Leipzig hat im
Winter noch einmal Millionen ausgegeben und
kommt derzeit auf keinen grünen Zweig.
SPOX: Der Fußball hat sich mittlerweile zu einem
globalen Milliardengeschäft entwickelt, die Spirale dreht sich unaufhörlich weiter. Glauben Sie,
dass man sich dem Gang der Dinge einfach anzupassen hat oder sehen Sie bald die Grenzen des
Zumutbaren erreicht?
Basler: Es kommt darauf an, in welche Richtung
man sich bewegen möchte. Bayern bekommt als
Meister weniger Fernsehgeld als der Letzte der
Premier League. Da ist es irgendwo verständlich, dass man die Kommerzspirale weiterdrehen
möchte, um international gut da zu stehen. Allerdings sollte man darauf achten, sie nicht überzustrapazieren. Wenn das Ziel ist, von Montag bis
Sonntag nur Fußball im Fernsehen zu zeigen, sollte man eventuell einmal darüber nachdenken, ob
man die Leute damit nicht überfüttert.
SPOX: Im Zuge der Fernsehgeld-Debatte wird momentan über veränderte Anstoßzeiten diskutiert,
weil man Gefahr zu laufen scheint, der Entwicklung nicht mehr Schritt halten zu können. Auch
die Sportschau könnte ihren Status als heilige Kuh
verlieren. Würden Sie solche Veränderungen begrüßen?
Basler: Man hat leider kaum Einfluss auf die Entscheidungsträger und ist praktisch gezwungen,
die Entwicklung abzuwarten. Für viele ist die
Sportschau der Zeitpunkt am Wochenende, um
gemütlich auf der Couch zu liegen und Fußball zu
schauen. Andererseits hat sich auch das 18.30-UhrSpiel bereits etabliert. Man müsste möglicherweise darüber nachdenken, auch Samstag um 22 Uhr
zu spielen. Oder die Winterpause abzuschaffen,
da es die heutigen Stadien einfach hergeben und
man dann in den Sommerferien eine längere Pause hätte. Wir sind an einem Punkt angekommen,
an dem letztlich mehrere Szenarien möglich sind.
Man darf jedoch das Publikum bei allen neuen
Überlegungen nicht vollkommen außen vor lassen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das sollte
man nicht vergessen.
04-2015 I 14
SPOX eMAG
Red Bull droht mit Formel-1-Ausstieg
Audi verleiht Flügel
von Alexander Maack
Helmut Marko sorgte kürzlich mit der Androhung eines Abschieds von
Red Bull aus der Formel 1 für Wirbel. Alexander Maack beantwortet die
fünf wichtigsten Fragen zum Aufreger des Saisonstarts in der Königsklasse, erklärt die Hintergründe und wagt einen Blick in die Zukunft.
Warum droht Red Bull mit dem Ausstieg?
Kein Verantwortlicher eines Formel-1-Teams stellt sich heutzutage vor
die Kameras der TV-Sender und Mikrofone der schreibenden Journalisten und rastet ungeplant aus. Was Motorsportberater Helmut Marko
äußert, mag zwar österreichisch unverblümt erscheinen. Es steckt aber
ein Plan dahinter. Red Bull betreibt seine Formel-1-Teams nicht ohne
Grund. Mit 1,3 Milliarden Euro gab Besitzer Dietrich Mateschitz gegenüber der NZZ schon 2011 das Marketingbudget seines Konzerns an, rund
600 Millionen flossen in Event- und Sportmarketing. Die Autokonzerne
betreiben Imagetransfer von der Rennstrecke zur Straße, Red Bull von
der Rennstrecke zur Dose.
„Für ein Waschpulver, das Omo heißt, ist ein Rennstall kaum sinnvoll.
Das muss schon passen. Red Bull ist ein Energydrink, damit sind wir für
den Sport und die Formel 1 prädestiniert. Der Vorteil, den wir marketingmäßig haben, besteht darin, dass wir einen anderen Ansatz haben“,
so Mateschitz: „Wir kaufen uns nicht einfach für einen Koffer voller
Geld einen Kotflügel, um ihn mit unserem Logo zu bekleben, wir betreiben unseren eigenen Rennstall, wir übernehmen selbst die Verantwortung.“ Das Engagement muss sich für den Selfmade-Milliardär rechnen.
„Es geht ja auch um die Qualität einer Markenpräsenz und um Imagetransfer. Wenn wir Eishockey oder Fußball spielen und dabei gewinnen,
wenn wir Formel 1 fahren und Weltmeister werden, dann ist der Effekt
viel größer“, erklärte das Marketinggenie, das früher Zahnpasta vertrieb: „Die Medien berichten im redaktionellen Teil darüber, wir sind
es selber, die den Erfolg feiern. Diesen Ansatz haben wir über zwanzig
Jahre durchgezogen.“
Es sind diese zwei Punkte, die derzeit durch das Investment in Red Bull
Racing und Toro Rosso nicht erfüllt werden: Die eigene Verantwortung
bringt keinen Erfolg, weil die Formel 1 der neuen Hybridära von der
Leistungsstärke der Powerunits bestimmt wird, Red Bull als RenaultKundenteam aber nur das Chassis baut. Die Berichterstattung über ein
Mittelklasseteam verringert sich aber sukzessive.
04-2015 I 16
Den fehlenden Werbewert sportlicher Misserfolge musste zuletzt Sauber feststellen. Die Schweizer verloren vor der Saison 2015 gleich mehrere
Sponsoren an Force India. Dasselbe Schicksal ereilte Lotus, die ihre Geldgeber an Williams abtreten
durften. Red Bull Racings Vorpreschen ist daher
verständlich. Verliert Mateschitz die Lust an seinem teuren Mäzenatentum, sind die Arbeitsplätze von rund 650 Mitarbeitern in Milton Keynes
gefährdet. Schon jetzt verhandelt Red Bull mit
Renault über einen Verkauf von Toro Rosso. Allerdings führen die Franzosen auch bestätigte Gespräche mit Force India. Sauber bestätigt Kontakt,
der seit längerer Zeit existiert. Zudem soll auch bei
Lotus zwecks einer Übernahme angefragt worden
sein.
Welche Folgen hätte das für den Sport?
Die Motorsport-Welt bricht nicht zusammen - zumindest wird sie sich jedoch deutlich verändern.
Ein kleines Rechenspiel gefällig? 27,7 Prozent der
in Melbourne startberechtigten Fahrer kamen mit
Red-Bull-Unterstützung in die Formel 1. Einer von
zwei Champions der Langstrecken-WM WEC ist
Sebastien Buemi, früherer Toro-Rosso-Pilot und
heutiger Red-Bull-Test- und Ersatzfahrer. Steigt
Red Bull aus der Formel 1, hätte auch das eigene Juniorteam keine Daseinsberechtigung mehr.
Warum sollte der Konzern junge Talente aufbauen, die für andere Teams die Erfolge einfahren,
die im schlechtesten Fall wie Mercedes für einen
direkten Marktkonkurrenten werben? Zieht sich
Red Bull aus der Nachwuchsförderung zurück, ist
das eine Hiobsbotschaft für große, aber weniger
gut betuchte Talente.
Offiziell beschäftigt Red Bull derzeit nur Pierre
Gasly, Callum Ilott und Dean Stoneman in den
Nachwuchsklassen. Allein für die GP2-, GP3- und
Formel3-Euroseries-Cockpits der drei Fahrer werden bei vorsichtiger Schätzung 3,2 Millionen Euro
fällig. Im Vergleich zur Formel 1 sind das Peanuts.
Wer sich aber vor Augen führt, dass die letzten
drei GP2-Champions allesamt aufgrund fehlender
Fördergelder kein Einsatzcockpit fanden, erkennt
das Problem. Selbst eine Saison mit Manor dürfte
mittlerweile nicht weniger als fünf Millionen Euro
kosten. Zudem geht die Unterstützung junger
Rennfahrer seitens Red Bull über die Lackierung
ganzer Autos hinaus. Den Simulator in Milton
Keynes nutzen auch Talente, die ohne Bullen-Aufkleber herumfahren. So jettet etwa das 14-jährige
Karttalent Sophia Flörsch aus München schon vor
ihrem für 2016 geplanten Aufstieg in die neue Formel 4 regelmäßig ins Werk des Formel-1-Teams.
Wie kann das Problem gelöst werden?
Red Bull fordert Reglementänderungen, die FIA
soll eingreifen. Der öffentlichkeitswirksame Ausraster Markos war nur der letzte Tropfen einer
Reihe von Äußerungen, die die Führungsspitze
in den letzten Wochen platzierte. Die Forderungen nach der Wiedereinführung des V8-Verbrennungsmotors haben Marko und Mitstreiter mittlerweile eingestellt. Stattdessen fordert das Team
nun ein Eingreifen des Automobilweltverbands.
Ex-Technikdirektor Adrian Newey und Teamchef
Christian Horner erinnerten unabhängig voneinander in Melbourne einstimmig an die Verbote
von Doppeldiffusor, Coanda-Auspuff, flexiblen
Flügeln und Motorensoftware. Die Botschaft: Wir
waren nie so überlegen, wie Mercedes aktuell
ist. „Die FIA hat innerhalb der Regeln einen Ausgleichsmechanismus. Ich denke, dass sie sich das
angucken sollten“, forderte Horner ein Eingreifen
zur Angleichung der Leistungsfähigkeit: „Nehmt
Mercedes nichts weg, sie haben einen super Job
gemacht. Sie haben ein gutes Auto, einen fan-
SPOX eMAG
tastischen Motor und zwei sehr gute Fahrer. Das
Problem ist: Die Lücke ist so groß, dass wir dreigeteilte Rennen bekommen. Das ist nicht gesund für
die Formel 1.“ Was also ist gesund? Wenn alle Motorenhersteller an der Spitze um Siege kämpfen.
So wie es zu Zeiten der V8-Motoren war, als die
anfänglichen Leistungsunterschiede über Jahre
durch eine Hintertür im Reglement fast vollständig ausgeglichen wurden. In der Formel 1 darf
jedes Teil des Antriebs verbessert werden, wenn
die Änderung der verbesserten Haltbarkeit dient.
Gleichzeitig kann so Leistung gewonnen werden.
Da Red Bull nach der Insolvenz von Caterham und
dem Wechsel von Lotus zu Mercedes der einzige
verbliebene Kunde von Renault ist, wäre zu erwarten gewesen, dass die Franzosen sich komplett auf
ihr Beinahe-Werksteam konzentrieren und jeden
Wunsch erfüllen. Das ist aber nicht geschehen.
Warum attackiert Red Bull weiter Renault?
Red Bull fuhr neben der Ausstiegsdrohung und
der Forderung nach einem Balancing of Power
deutliche Kritik an Renault, forderte einen Umbau der Organisation. Wer den eigenen Partner,
mit dem man vier Jahre lang Weltmeister wurde, derart heftig über einen Zeitraum von mehr
als zwölf Monaten öffentlich diffamiert und ihm
die alleinige Schuld zuspricht, muss mehr wollen. Würde Renault zusichern, jeden Wunsch aus
Milton Keynes zu realisieren, wäre schnell Ruhe.
Doch das machen sie nicht. Die brennende Frage:
Wo bleibt Red Bull, wenn Renault wieder ein eigenes Werksteam hat? Die öffentlichen Aussagen
von Motorsportdirektor Cyril Abiteboul mögen
verhalten klingen - Renault prüfe, ob sie den Etat
erhöhen oder verringern.
Die Franzosen zeigen aber sehr eindeutig, dass sie
starkes Interesse an einem werksseitigen Comeback haben. Sie besuchten in den letzten Wochen die Werke mehrerer Teams und Force India
berichtete offen über die Gespräche betreffend
einer Übernahme. Zudem hat Renault Bob Bell
verpflichtet, der bis Ende 2014 als technischer Direktor den Aufstieg von Mercedes verantwortete.
Der Vorteil daran: Das Budget steigt. Das Formel1-Engagement jedes Automobilkonzerns setzt
sich aus den Töpfen für Motorsport und Marketing zusammen. Fährt ein Auto komplett in der
Lackierung des eigenen Konzerns, erhöht sich
die Geldsumme, die die Controller bereitstellen.
Red Bull Racing wäre plötzlich ein ganz normales
Kundenteam wie Williams. Die Franzosen würden
04-2015 I 18
SPOX eMAG
komplett für ihren eigenen Rennstall entwickeln,
Red Bull müsste das eigene Auto für das Konzept
anpassen wie Williams und Force India bei Mercedes oder Sauber und Manor bei Ferrari. Reicht
das den erfolgsverwöhnten Österreichern? Wohl
kaum. Der einzige Ausweg aus der Abhängigkeit?
Einen eigenen Motor bei Red Bull Engineering
entwickeln. Dann würde der Markenclaim „Red
Bull verleiht Flügel“ wirklich zutreffen. Das will
das Team aber nicht. Logisch: Es fehlt das technische Fachwissen. Das könnte sich das Team zwar
teuer zukaufen. Aber Erfolg ist nicht garantiert.
Da der eigene Vertrag mit Renault Ende der Saison 2016 ausläuft, ist interessant, wie Red Bull sich
weiter verhält. Das Tischtuch zu Renault scheint
mittlerweile kurz vor dem Reißen. Abiteboul
forderte in Melbourne mehr Respekt. Hofft das
Team aus Milton Keynes, dass Honda, Mercedes
oder Ferrari es beliefern? Bis eine Entscheidung
getroffen werden kann, ist Druck auf die Regelhüter nur logisch. Bekommen die Verfolger mehr
Freiheiten bei der Weiterentwicklung der Powerunits, wird die Aerodynamik wieder wichtiger,
bis sie bei gleicher Leistung aller Motoren wieder
allein über den Sieger entscheidet. Dann schlägt
Red Bulls Stunde. Weitere Alternativen könnten
nur der Aufbau einer eigenen Rennserie oder das
Sponsoring der Formel 1 als Namensgeber sein.
Dabei würde aber die Mateschitz-Vorstellung der
Eigenverantwortung mit einem teilnehmenden
Team nicht erfüllt werden. Ein Einstieg in die WEC
und damit die Teilnahme an den 24 Stunden von
Le Mans würde ebenfalls die Entwicklung eines eigenen Hybridmotors bedingen, ist also ebenfalls
sehr unwahrscheinlich.
Steckt hinter der Drohung ein Masterplan?
Red Bull braucht zunächst einen Abnehmer für
sein Team. Die investierten Unsummen wird selbst
Dietrich Mateschitz nicht vernichten wollen, ohne
eine Ablöse mitzunehmen. Wer allerdings sollte
das hochgezüchtete Team übernehmen? Volkswagen will nicht, weshalb Audi nicht darf. Ist ein
Ausstieg deshalb ausgeschlossen? Mitnichten. Mateschitz stieß 2001 auch seine Zwei-Drittel-Beteiligung an Sauber ab, weil das Team nur hinterherfuhr. Die Königslösung für Red Bull Racing wäre
trotzdem ein Einstieg der Ingolstädter - eventuell
als Motorenlieferant nach Vorbild von McLarenHonda. Die Voraussetzungen dafür sind nicht
schlecht. Das derzeitige Engagement von Audi in
der WEC sollte kein Hindernis darstellen, Volkswagen hat mit Porsche schließlich eine weitere Marke
an den Start gebracht. Der Zeitplan passt perfekt:
Aufbau in den Jahren 2014 und 2015, spätestens
in der Saison 2016 muss der Titel das Ziel sein.
Dann wäre Audi für die Markenpräsenz in Le Mans
nicht mehr nötig. Zufälligerweise läuft Red Bulls
Vertrag mit Renault zeitgleich aus. Und: Das derzeitige Motorenreglement ist in der Saison 2017
nicht mehr gültig. Ein Einstieg wäre bei grundlegenden Änderungen oder mehr Entwicklungsfreiheit der Hersteller attraktiv, weil jeder Neuling
mit der aktuellen Regelung Schwierigkeiten hat,
den Vorsprung von Mercedes, Ferrari und Renault
aufzuholen. McLaren-Honda drängte nicht umsonst darauf, sein Aggregat während der Saison
weiterentwickeln zu dürfen. Den Finanzkontrolleuren von VW dürften die derzeitigen Ausgaben
für zwei Langstreckenprojekte ohnehin ein Dorn
im Auge sein. Dass Ex-Ferrari-Teamchef Stefano
Domenicali nach seiner Einstellung bei Audi lange
in der Abteilung für Dienstleistungen und Mobilität arbeitet, glaubt niemand. Zumal der frühere
Rennleiter seit Dezember 2014 Chef der FIA-Single-Seater-Kommission ist. Offiziell in seiner Freizeit, doch Gerhard Berger gab das Amt ab, weil
es zu zeitintensiv war. Laut BBC und Auto, Motor
und Sport führte Domenicali in den vergangenen
Monaten eine Machbarkeitsstudie durch, die dem
Vorstand im Dezember vorgestellt wurde. Das Fazit soll positiv ausgefallen sein.
Es gibt aber ein Hindernis: Bernie Ecclestone. Der
VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piech legte bei jedem geplanten Formel-1-Einstieg sein
Veto ein. Er arbeitet seit 1993 bei Volkswagen.
Schon 2008 waren Red Bull und der niedersächsische Automobilkonzern in weit fortgeschrittenen Gesprächen. Angeblich traut Piech dem Chefpromoter nicht über den Weg, seit der Mitte der
70er mit Porsche über einen Motorenlieferung für
sein Brabham-Team verhandelte. Solange Ecclestone nicht seinen Hut nimmt, wird der mächtige
Piech kaum einem Einstieg zustimmen. Der Engländer wirtschaftet allerdings nicht mehr in die
eigene Tasche, ist Angestellter des Finanzinvestors
CVC, der die Rechte an der Formel 1 im Jahr 2005
übernommen hat. Das Unternehmen ist dafür
bekannt, Anteile weiterzuverkaufen, sobald sich
eine lukrative Möglichkeit ergibt. Und: Ecclestone
ist mittlerweile 84 Jahre alt.
04-2015 I 20
SPOX eMAG
Empoli-Trainer Maurizio Sarri im Porträt
Der qualmende
Visionär
von Andreas Inama
Einst war er ein kettenrauchender Bankangestellter. Nun revolutioniert Maurizio Sarri mit dem FC Empoli den italienischen Fußball - mit Hilfe von Polemik,
Wissenschaft und seinem Aschenbecher.
Zdenek Zeman ist in Italien ein Mythos. „Il boemo“, der Böhmer, wie er
genannt wird, steht im Land des Catenaccios für HimmelfahrtskommandoFußball. Zwei, drei, vier Gegentore? Egal, Hauptsache man hat eines mehr
geschossen als der Gegner. Die Revolution, die der Kettenraucher in der Serie
A umsetzen wollte, gilt schon lange als gescheitert und Zeman eher als Maskottchen denn als ernstzunehmender Trainer. Ein auf Offensive ausgerichtetes System kann laut dem gemeinen italienischen Fußballromantiker einfach
nicht mit einer guten Defensive vereinbart werden. Diese fragwürdige Erkenntnis hat man eben besagten Zeman zu verdanken.
In einem kleinen Städtchen in Mittelitalien scheinen Ansätze dieser revolutionären Gedanken dennoch einen neuen Chefideologen gefunden zu haben: Maurizio Sarri, Coach des Aufsteigers FC Empoli. Und dabei war der
56-Jährige vor nicht allzu langer Zeit noch Angestellter einer Bank. Der in
Neapel geborene und in der Toskana aufgewachsene Sarri ist in den Tiefen
des italienischen Amateurfußballs gestartet: „Ich war ein rustikaler, respekteinflößender Innenverteidiger mit wenig fußballerischem Talent.“ Ein Spieler, der zwischen Ball und Schienbeinen selten einen Unterschied machte. Es
kursiert die Legende, dass einige Stürmer sich nur deswegen krank gemeldet
haben, damit man nicht gegen ihn spielen müsse. Dass ausgerechnet eine
eigene Verletzung den Schrecken der italienischen Offensivreihen schlussendlich zum Karriereende zwang, war wohl Schicksal.
Es folgte der Wechsel an die Seitenlinie, zuerst 1990 bei U.S. Stia, einem Dorfverein, der in der zweitniedrigsten Spielklasse Italiens (9. Liga) kickte. Damals war Sarri nur Hobby-Trainer und tagsüber in führender Funktion bei
der Bank Montepaschi angestellt, um sich dort seine Brötchen zu verdienen.
Es sollte elf Jahre dauern, bis der ambitionierte Coach aus Figline Valdarno
schließlich den Entschluss fasste, seinem großen Traum endgültig zu folgen.
Nach dem Aufstieg in die fünfte italienische Spielklasse mit dem AC Sansovino kündigte Sarri seinen „normalen“ Job und setzte sich hauptberuflich auf
die Trainerbank. „Ich wusste, dass wir den nötigen Qualitätssprung nur dann
schaffen, wenn ich mein Hobby zum Beruf mache. Meine Familie hat mich
darin unterstützt. Ich habe schließlich den Beruf gewählt, den ich auch ohne
Bezahlung machen würde.“ Der Qualitätssprung folgte in der Tat, innerhalb
von zwei Jahren stieg man von der fünften in die vierte und niedrigste der
Profiligen Italiens auf. Danach zog es den Wandervogel weiter: Neun Stati04-2015 I 22
onen waren es - unter anderem Arezzo, wo er 2006
einen gewissen Antonio Conte ablöste - bis er schließlich 2012 bei Empoli anheuerte. Als Sarri die Mannschaft damals übernahm, startete man die Saison mit
gerade mal vier Punkten aus neun Spielen, um dann
einen fulminanten Lauf einzulegen. Schließlich ergatterte man einen Platz in den Playoffs um den Aufstieg in die Serie A, scheiterte dort jedoch an Livorno.
In der nächsten Saison folgte dann das Undenkbare:
Maurizio Sarri, der ehemalige Bankangestellte und
Amateurtrainer, stieg mit Empoli nach einem 2:0-Erfolg über Delfino Pescara am letzten Spieltag in die
höchste italienische Spielklasse auf.
„Er ist seit 15 Jahren Trainer, in der neunten Liga mit
viel Leidenschaft gestartet. Jetzt ist er in der Serie A.
Er soll sie genießen, niemand verdient es sich so wie
er“, waren die Worte des Präsidenten Fabrizio Corsi.
Für Sarri hatte die Serie A aber nie wirklich Priorität.
Es ist das Spiel selbst, das es ihm so angetan hat: „Die
Serie A ist für mich nur eine Ergänzung zu meiner
restlichen Karriere. Sie ist mir nicht so wichtig. Mein
Wunsch war es, meine Leidenschaft zur Arbeit zu machen, und das hatte ich schon davor geschafft. Der
Fußball verändert sich zwar, je höher man aufsteigt.
Es ist aber nicht gesagt, dass die Emotionen und die
Genugtuung größer werden.“ „L‘impiegato“ - den
Angestellten nennen sie ihn. „Als ob ich mich dafür
schämen müsste. Mir geht das ganze Gerede um mein
Privatleben auf die Nerven, nur um mich irgendwie
abzustempeln.“ Er gilt in der Trainerszene als Homo
Novus, ein Emporkömmling in der exklusiven Kaste
der Profi-Fußballehrer - eine Schublade, aus der er
sich nicht mehr herauszwängen kann. Immer wieder
wird er auf seine berufliche Vergangenheit angesprochen. Gleiches gilt für seinen Zigarettenkonsum:
„Ich zähle nicht, wie viele Zigaretten ich rauche. Auf
der Bank darf ich sowieso nicht. Manchmal lässt mich
ein Fan im Stadion in Empoli einen Zug nehmen. Außerdem werde ich so oft auf die Tribüne geschickt,
dass ich nicht lange ohne auskommen muss.“ In der
Tat gilt Sarri als mürrisch, direkt und impulsiv. Eine
weiteres Etikett, das ihm an die Stirn geheftet wurde. Seine Rechtfertigung: „Ich bin Toskaner. Wir sind
aufrichtig, polemisch, aber wenigstens authentisch.“
Aber Sarri passt gut in dieses professionelle Umfeld.
Er gilt als akribisch, analysiert am PC Gegner und die
eigene Mannschaft bis ins letzte Detail. Zu jedem
einzelnen Spieler wird jede Woche ein Bericht angefertigt: Wo liegen seine technischen Schwächen,
gibt es taktischen Defizite, wie steht es um seine Psyche. Seine Methoden werden in Italien als „wissenschaftlicher Fußball“ bezeichnet. Bis zu 13 Stunden
täglich verbringt Sarri mit Fußball. Nichts wird dem
Zufall überlassen. Jeder Laufweg, jeder Schritt, jede
Bewegung - alles hat seinen Zweck. Es gibt kaum einen Trainer in Italien, dem man seine Handschrift in
den Spielen so ansieht wie Sarri. Das liegt auch daran,
dass nur wenige so eine klare Vorstellung von ihrem
System haben: „Ich mochte früher die Dreierkette. Bis
mir klar wurde, dass man mit vier Verteidigern offensiver spielen kann, da die Flügelspieler nicht gezwungen sind, sofort auf Defensive umzuschalten. Der Ball
soll so kurz wie möglich in einem Bereich des Spielfeldes sein. Daher müssen meine Spieler das Spiel
schnell vertikal gestalten oder nach hinten abspielen.
Die Außen sollten gemieden werden. Die Flügel müssen in die Räume laufen, während hinter dem Mittelstürmer ein Spieler sein muss, der sowohl Zehner als
auch hängende Spitze ist.“
War diese Aussage noch auf ein 4-2-3-1 bezogen, hat
der Toskaner sein System mittlerweile auf 4-3-1-2 umgestellt und Flügelspieler total aus seiner Spielidee
gestrichen. Durch hohes Pressing, einem dominanten Dreiermittelfeld rund um den „Pirlo aus der Provinz“, Mirko Valdifiori, und einem enorm schnellen
Umschaltspiel erinnert die Spielweise von Empoli an
Mannschaften wie Red Bull Salzburg oder nun Bayer
Leverkusen unter Roger Schmidt. Der Punkt, in dem
er sich von seinem Vorbild Zeman unterscheidet, liegt
in der Ausrichtung der Viererkette, die nach alter italienischer Schule taktisch bestens aufgestellt ist und
SPOX eMAG
sich so gut wie gar nicht in die Offensive mit einschaltet. Die Innenverteidiger dienen nur als erste Station nach dem Torwart und letzte Station, bevor der
Ball ins Mittelfeld, meist zu Valdifiori, weitergegeben
wird. Die Außenverteidiger haben bei Ballbesitz rein
entlastende Aufgaben als dritte mögliche Anspielstation. In der Rückwärtsbewegung muss so nur der
Sechser sofort zurückkommen, um das von Sarri geforderte stabile 4+1-Defensivmodell zu bilden.
So hat man Mannschaften wie die Roma, Lazio, Fiorentina, Milan oder Inter besiegt oder an den Rand
einer Niederlage gebracht. Dabei verlangt diese
Ausrichtung den Spielern ein ungeheures taktisches
Verständnis und Laufbereitschaft ab. Sarri verbindet
damit den Kampf und die Aufopferung des Provinzfußballs mit der Professionalität und Disziplin der
Profis. Seine Spieler folgen ihrem Coach überall hin,
sein Wort ist Gesetz. Große Wertschätzung erfährt
Sarri auch dadurch, dass nur rund 35 Prozent seines
Kaders aus Legionären besteht. Er ist einer von den
wenigen Trainern in Italien, der Spieler vornehmlich
aus der eigenen Jugend einsetzt und Empoli so zu einem Sprungbrett für viele junge Kicker aus der Region macht. Sein erfrischender Fußball begeistert und
weckt die Hoffnung, dass es in Italien langsam ein
Umdenken bezüglich der Spielweise und vor allem
der Förderung der Jugend gibt: „Bei uns spielen viele
Toskaner. Wenn man sich mit seinem Umfeld identifizieren kann, funktioniert das auch bei der Mannschaft. Legionäre sollte man nur holen, wenn sie den
Unterschied ausmachen.“
Mittelfeldspieler Riccardo Saponara war schon beim
AC Milan und ist vorerst auf Leihbasis diesen Winter
zurückgekehrt, der erst 20-jährige Innenverteidiger
Daniele Rugani wurde von Juventus Turin ausgeliehen. Durch seine hervorstechenden Leistungen in
Sarris System soll Massimiliano Allegri nach dessen
Rückkehr fest mit ihm planen und ihn an die Stammelf heranführen. Die nötige Erfahrung bringen mit
Massimo Maccarone und Francesco Tavano zwei altbekannte Haudegen in die Mannschaft.
Sarri selbst sagt man trotz seines Alters noch eine
große Karriere voraus. Noch hat er nie angedeutet,
Empoli verlassen zu wollen, doch der AC Milan soll
ihn schon als Nachfolger von Pippo Inzaghi für die
nächste Saison holen wollen. Bis dahin gilt es aber,
Empoli weiter erfolgreich von den Abstiegsrängen
fernzuhalten und die italienische Fußballlandschaft
weiterhin mit seiner Mannschaft zu begeistern. Denn
eine Schublade wird er sich wohl noch gefallen lassen
müssen: Sein Fußball ist das Beste, was Italien in den
letzten Jahren erleben durfte.
04-2015 I 22
SPOX eMAG
Jordi Bertomeu im Interview
„Ryder Cup im Basketball
ist eine Idee“
Europas Königsklasse des Basketballs und SPOX sind ab jetzt ein Team
- und Euroleague-CEO Jordi Bertomeu erklärt im Gespräch mit Chefredakteur Haruka Gruber die Hintergründe für die Premium Media Partnership
und die Bedeutung Deutschlands für den gesamten Basketball in Europa.
Außerdem: Sein Traum vom Open-Air-Highlight und ein Duell gegen die
NBA.
SPOX: Herr Bertomeu, an diesem Montag geben die Turkish Airlines Euroleague und SPOX eine weitreichende Premium Partnerschaft bekannt: Ab
jetzt begleitet SPOX als offizielle deutsche Destination die europäische
Königsklasse des Basketballs. Was erhoffen Sie sich von der Kooperation?
Jordi Bertomeu: Die höchste Priorität bei unserer Gesamtstrategie ist es,
mehr Fans für die Turkish Airlines Euroleague und den Basketball an sich
zu gewinnen. Früher war das Fernsehen das wichtigste Instrument dafür,
doch heutzutage gibt es dank der digitalen Medien neue Plattformen,
die sich genauso wie wir für die Sportart engagieren und viele potenzielle Fans ansprechen. Deswegen analysierten wir in Europa die einzelnen
Märkte und machten ein oder zwei Medien aus, die zu uns passen, eine signifikante Reichweite besitzen und vor allem für Qualität bürgen. Dieser
Weg hat sich in Ländern wie Frankreich mit „L‘Equipe“ oder in Italien mit
„La Gazzetta dello sport“ als sehr erfolgreich erwiesen. Für Deutschland
hätten wir mit SPOX keinen besseren Partner finden können, um die Ziele
gemeinsam anzugehen.
SPOX: Es fällt auf, wie die Turkish Airlines Euroleague die Möglichkeiten der neuen Medien bestmöglich nutzen möchte. Neben euroleague.
livebasketball.tv und den digitalen Partnern statten Sie während einer
Partie bereits Schiedsrichter mit Trikot-Kameras aus, in Bälde sollen Fans
sogar aus Spieler-Perspektive das Geschehen verfolgen können. Was
steckt dahinter?
Bertomeu: Die Zukunft wird digital. Es heißt immer, dass die Leute weniger
Zeitungen lesen und weniger Fernsehen schauen, trotzdem konsumieren
wir immer mehr Medien als jemals zuvor. Daher wollen wir uns wie die
junge Generation zu hundert Prozent zu Digital bekennen und vielleicht
sogar diesen Trend mitgestalten. Jeder Basketball-Fan weiß, dass man im
Internet alle erdenklichen Infos bekommt. Jetzt geht es darum, darüber
hinaus Inhalte zu liefern, die die User von heute erwarten. Das gilt einerseits für Qualität und Hintergründe, die die Premium Partner wie SPOX
gewährleisten. Andererseits wollen wir im Bewegtbild-Bereich vorne dabei sein. Daher experimentierten wir letztes Jahr mit den Google Glasses
und dieses Jahr mit den Jersey-Cams. Und das soll nur der Beginn sein.
SPOX: Immer mit dem Ziel, dass der Basketball vor Handball oder Eishockey zur Nummer-zwei-Sportart in Europa wird?
04-2015 I 24
Bertomeu: Bei allem Respekt für die anderen Sportarten: Die Frage stellt sich nicht, weil der Basketball
bereits die Nummer zwei auf dem Kontinent ist. In
einigen Ländern ist der Basketball vielleicht nicht
an Nummer eins oder zwei, aber zumindest an drei
oder vier. Welche Sportart hat so eine Verbreitung
abgesehen vom Fußball?
SPOX: Deutschland ist der wichtigste europäische
Markt, wobei es anders als im Handball oder Eishockey nach wie vor keine Konstanz in der Live-Übertragung gibt. Mal läuft ein Spiel im Free-TV, mal
im Pay-TV, mal nur für ein Entgelt von fünf Euro
im Internet. Wie hinderlich ist die TV-Situation in
Deutschland für ein weiteres Wachstum?
Bertomeu: Vorweg: Wenn wir uns an die Lage vor
zehn Jahren erinnern, ist die TV-Situation deutlich besser. Deutschland war schon immer ein sehr
schwieriger Markt, was die Live-Übertragungen
anbelangt. Natürlich würden wir eine ausgewogenere Mischung aus Free und Pay bevorzugen, das
ist das Paradies für jede Sportliga, doch welche
Sportart abgesehen von Fußball ist in so einer Position? Wir sind davon weit entfernt und wir versuchen, bestmöglich mit der Realität umzugehen.
Und gemessen an den Umständen haben wir für
die Gegenwart die beste Kombination gefunden.
Wir glauben ohnehin, dass sich Live-Übertragungen immer mehr Richtung Pay-Angebote bewegen
werden. In Spanien war es lange Religion, dass Formel 1 und MotoGP frei empfänglich sind, und selbst
diese Sportarten wanderten in den Pay-Bereich.
Daher richten wir uns schon jetzt darauf ein, dass
Free-TV zunehmend an Bedeutung verliert und wir
die wegfallende Reichweite durch neue Kooperationen kompensieren oder überkompensieren.
SPOX: Um den deutschen Markt zu stützen, vergab
die Euroleague in den letzten drei Jahren jeweils
eine Wild Card an einen BBL-Klub. Wird Deutschland weiter von der Turkish Airlines Euroleague
protegiert?
Bertomeu: Protegieren klingt mir zu negativ. Es
wirkt, als ob die BBL schwach wäre und beschützt
werden müsste. Dabei ist das Gegenteil der Fall.
Alba Berlin bekam zweimal und der FC Bayern einmal die Wild Card - und in allen drei Fällen qualifizierten sie sich für die Top 16. Daher möchte ich
es anders ausdrücken: Deutschland ist einer der
größten Märkte überhaupt und wenn der gesamte
europäische Basketball als Wirtschaftssystem wachsen soll, benötigen wir Hilfe. Daher boten wir der
BBL unsere Unterstützung an, damit die deutschen
Klubs wiederum uns unterstützen. Das ist die Idee
hinter den Wild Cards und unsere Intention ist es,
dies in den nächsten Jahren weiter fortzuführen.
SPOX: Wie groß sind die Chancen, dass die BBL
stattdessen einen zweiten fixen Startplatz erhält,
so dass nicht nur der Deutsche Meister sicher qualifiziert ist?
Bertomeu: Damit ein zweiter Startplatz möglich ist,
müsste ein BBL-Klub die A-Lizenz erhalten. Allerdings basiert das auf unterschiedlichsten Kriterien.
Daher ist das eher unwahrscheinlich. Am bestehenden System wird sich kurzfristig nichts ändern und
was mittelfristig sein wird, werden wir schauen.
SPOX: Das bedeutet umgekehrt: Wenn die Brose
Baskets Bamberg an der Turkish Airlines Euroleague
teilnehmen möchten, gibt es nur einen Weg: Meister werden. Denn die Wild Card dürfte ansonsten
immer für Berlin oder München reserviert sein.
Bertomeu: Bevor ein falscher Eindruck aufkommt:
Alle deutschen Teams sollten wissen, dass sie nur
sicher teilnehmen können, wenn sie Meister werden. Es ist nicht automatisch eine Wild Card verfügbar, weil es in bestimmten Konstellationen sein
kann, dass Teams aus anderen Ländern berücksichtigt werden. Speziell zu Bamberg: Die Baskets sind
eine der professionellsten Organisationen in Europa und wir haben es genossen, dass sie viele Jahre ein Teil der Turkish Airlines Euroleague waren.
Aber wir haben Kriterien wie Einwohnerzahl und
Arenagröße, die immer berücksichtigt werden.
SPOX eMAG
SPOX: Unter den deutschen Basketball-Fans wird
spätestens seit dem deutlichen Ausscheiden von
Bamberg und den Bayern im Achtelfinale des Eurocups, vergleichbar der Fußball-Europa-League,
kontrovers diskutiert, wie wettbewerbsfähig die
BBL-Klubs in Europa sind. Wie bewerten Sie die
Leistungsfähigkeit?
Bertomeu: Absolut positiv - und darüber kann es
keine zwei Meinungen geben! Natürlich ist der
letzte Eindruck am meisten präsent, nehmen wir
nur die Bayern: Sie wurden in eine unglaublich
schwierige Euroleague-Gruppe ausgelost, dann kamen viele Verletzungen hinzu und im Eurocup erwischte man gegen Valencia zwei schwache Abende. Doch das darf nicht das Gesamtbild verfälschen
- und das besagt: In den letzten drei Jahren, von
2012/13 bis 2014/15, erreichten vier deutsche Teams
das Top 16! Und jetzt hat Alba sogar noch Chancen auf das Viertelfinale! Das war vor fünf Jahren
undenkbar. Zum Vergleich: In den drei Jahren zwischen 2009/10 und 2011/12 gab es keinen einzigen
Top-16-Klub aus der BBL. Die Leistungen der deutschen Teams haben sich dramatisch verbessert.
SPOX: Um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen,
sind neben Erfolgen auch bekannte Namen unabdingbar. Glauben Sie, dass es mehr Superstars nach
Deutschland ziehen wird, nachdem den Bayern mit
Bo McCalebb eine der prominentesten Verpflichtungen der BBL-Geschichte gelungen war?
Bertomeu: Die BBL ist nach dem Wachstum der letzten Jahre definitiv wettbewerbsfähiger und ich bin
sicher, dass in naher Zukunft mehr Spieler von der
Kategorie eines Bo McCalebb nach Deutschland
kommen werden. Und was noch wichtiger ist: Ich
glaube, dass es den BBL-Klubs immer besser gelingen wird, die Stars und die größten Talente in der
Liga zu halten. Vor dieser Saison mussten das einige europäische Klubs schon erfahren.
SPOX: Um das Wachstum des Basketballs zu fördern, möchten Sie das Final Four 2016 oder 2017 in
Deutschland austragen. In Frage dürften nur Berlin, Köln oder Hamburg kommen.
Bertomeu: Das stimmt, theoretisch sind diese drei
Städte möglich - wobei Berlin und Köln in der besten Position sind. Sie besitzen tolle Arenen und verfügen über Erfahrung für ein solch großes Event.
SPOX: München würde wohl gerne das Final Four
austragen, nur wird die von Red Bull geplante neue
Arena frühestens 2018 fertiggestellt sein. Was ist
mit der Idee von Bayerns Geschäftsführer Marko
Pesic, in der Allianz Arena ein Basketball-Event zu
veranstalten?
Bertomeu: Ich teile Markos Idee und wir prüfen die
04-2015 I 26
Möglichkeit, das Final Four in einer Fußball-Arena
auszutragen. Wir unterhielten uns beispielsweise
mit den Verantwortlichen der Amsterdam Arena.
Eine Voraussetzung muss allerdings immer gewährleistet sein: Das Stadion ist inklusive des Spielfelds komplett überdacht, damit die Witterung keine Rolle spielt. Das ist in Amsterdam, aber nicht in
München gegeben. Daher begrüßen wir die Initiative von Red Bull sehr. Wenn die neue Arena steht,
wird München ein großartiger Kandidat für das Final Four sein.
und rechtlich, sondern vor allem kulturell eine gigantische Umstellung. Wir möchten eine Kultur der
Transparenz und eine Kultur des nachhaltigen Managements einführen. Dass das Financial Fair Play
in Deutschland oder Frankreich leichter eingeführt
werden kann, ist klar. Das ist in anderen Ländern
nicht von heute auf morgen machbar und wir müssen auf lokale Gewohnheiten Rücksicht nehmen.
Dennoch werden ab 2015/16 die Regelungen verbindlich eingeführt, indem die Sanktionen Schritt
für Schritt implementiert werden.
SPOX: Es gibt seit Jahren unbestätigte Gerüchte,
wonach Red Bull im Basketball ein ähnliches Projekt umsetzen möchte wie jetzt mit Leipzig im Fußball. Wissen Sie etwas darüber?
Bertomeu: Nein, davon habe ich noch nie gehört.
SPOX: Ein weiteres großes Thema im europäischen
Basketball ist der Konflikt zwischen der Turkish
Airlines Euroelague und dem Weltverband FIBA.
Die FIBA hatte beschlossen, dass ab 2017 ein neuer Rahmenspielplan gilt, wonach mitten in der
Klub-Saison im November und Februar Qualifikationsspiele ausgetragen werden. Zuletzt war von
der sehr emotional geführten Diskussion wenig zu
vernehmen. Wie geht es weiter? Steht der europäische Basketball vor einer Zerreißprobe?
Bertomeu: Dass die FIBA einen neuen Rahmenterminkalender möchte, ist verständlich. Nur über die
Zeitfenster sind wir uns komplett uneinig. Daher
ließen wir der FIBA einen Gegenvorschlag zukommen, bei der die Länderspiel-Termine kompatibel
wären zu unserem Kalender. Im Juni wird die FIBA
ihr nächstes Executive Committee Meeting abhalten und ich glaube, dass eine Einigung gefunden
wird.
SPOX: BBL-Geschäftsführer Jan Pommer hatte vor
zwei Jahren Gespräche mit Schalke und Dortmund
geführt, um sie wie die Bayern von einem Engagement im Spitzenbasketball zu überzeugen. Was
halten Sie davon? Besteht die Gefahr, dass der Basketball durch die Fußball-Marken an Identität verliert?
Bertomeu: Nein, im Gegenteil: Es könnte die Zukunft des Basketballs sein. Denn ein großartiger
Brand ist und bleibt ein großartiger Brand. In der
Turkish Airlines Euroleague beweisen wir seit Jahren, wie fruchtbar eine gesunde Mischung aus
Brands mit unterschiedlichen Gewichtungen sein
kann. Maccabi Tel Aviv oder Alba sind eine klare Basketball-Marke, ZSKA Moskau und die griechischen Klubs werden ebenfalls mehr über den
Basketball als über den Fußball wahrgenommen.
Barca, Real Madrid, die Bayern und die türkischen
Klubs wiederum sind mehr für den Fußball bekannt. So werden gegenseitig neue Zielgruppen
erschlossen.
SPOX: Um die Wettbewerbsfähigkeit von wirtschaftlich gesund geführten Klubs aus Ligen wie
Deutschland und Frankreich zu fördern, will die
Turkish Airlines Euroleague nach dem Vorbild der
UEFA das Financial Fair Play einführen. Anders als
im Fußball ist davon noch nicht viel bemerkbar.
Wie ist der Status?
Bertomeu: Man darf nie vergessen, dass die UEFA
viele Jahre gebraucht hat, um auf dem heutigen
Stand zu sein und das Financial Fair Play effektiv
einzuführen. Das hat nichts mit dem Willen der
UEFA zu tun, sondern vielmehr mit den weitreichenden Konsequenzen einer solchen Regelung.
Daher haben wir ebenfalls eine Übergangsphase
vereinbart, die nach dieser Saison endet. Wir dürfen nicht vergessen: Es ist nicht nur organisatorisch
SPOX: Wenn nicht: Ist das Szenario realistisch, wonach die Länderspiele ohne die Spieler der Euroleague-Teams stattfinden? Dass kein NBA-Profi abgestellt wird, steht bereits fest.
Bertomeu: Ich möchte nichts verkünden, solange
ich an einen Kompromiss glaube. Sollte das misslingen, sprechen wir über Konsequenzen - so sehr
uns das missfällt. Wenn wir Basketball promoten
wollen, sollten bei Länderspielen die größten Stars
spielen und ihr Land repräsentieren. Alles andere
macht keinen Sinn. Daher bin ich zuversichtlich,
dass wir eine Lösung finden, bei der alle Interessen
berücksichtigt werden.
SPOX: Ob deren Gebarens verglichen Sie die FIBA
mit der FIFA. Sind Sie etwas versöhnt?
Bertomeu: Zu dem Vergleich stehe ich weiterhin.
Die FIBA plant Projekte, ohne daran zu denken,
wer die wahren Katalysatoren des Basketballs sind:
die Klubs. Es hat etwas mit fehlendem Respekt zu
tun. Die Klubs sind alles und es kann nie funktionieren, wenn ein Verband nicht auf die Klubs achtet. Warum auch immer klappt es im Fußball und
die FIFA kann sich benehmen, wie sie möchte. Aber
SPOX eMAG
wer weiß, wie lange noch? Die Kontroverse um die
WM-Vergabe könnte dazu führen, dass sich die
FIFA grundsätzlich überdenken muss. Die FIBA sollte den gleichen Fehler nicht begehen.
SPOX: Wie ist es wiederum mit dem Verhältnis zwischen der Turkish Airlines Euroleague und der NBA
bestellt, seit deren neuer Commissioner Adam Silver in Amt ist?
Bertomeu: Viel hat sich nicht verändert, Adam war
etliche Jahre David Sterns rechte Hand und wir
kennen uns sehr gut. Ich glaube, dass beide Ligen
sogar enger zusammenrücken. Adam war schon
früher interessiert daran, bestehende Kooperationen zu stärken und es gibt deutliche Indizien dafür, dass Adam dem Basketball als Ganzes weltweit
helfen möchte. Das wäre ein signifikanter Wechsel
der Policy.
nisatorischen Hindernisse sollten nicht unterschätzt
werden. Wenn wir wirklich ein Spiel wollen, das
sportlich etwas bedeutet, darf es nicht Anfang Oktober stattfinden, wenn das europäische Team erst
in die Saison gestartet und das NBA-Team mitten in
der Vorbereitung ist.
SPOX: Eine weitere Idee, obwohl da die Verbandsund Klubebenen kooperieren müssten: Im Sommer
könnte man einen Ryder Cup einführen, bei dem
wie im Golf die besten europäischen Spieler gegen
die besten amerikanischen Spieler antreten.
Bertomeu: Diese Idee haben wir seit vielen Jahren
im Hinterkopf, jedoch ist es schwer umzusetzen.
Wir sehen, was die Zeit bringt.
SPOX: Was ist mit den Überlegungen, eine Art Supercup zwischen dem amtierenden NBA- und Euroleague-Champion zu institutionalisieren?
Bertomeu: Wir sind immer gesprächsbereit, das Interesse der NBA ist hingegen überschaubar.
SPOX: Weil die NBA aus Image-Gründen keine Niederlage riskieren möchte?
Bertomeu: Das kann ein Grund sein. Und die orga04-2015 I 28
Impressum Perform Media Deutschland GmbH
ADRESSE:
AUTOREN:
Perform Media Deutschland GmbH
Beta-Straße 9a
85774 Unterföhring
Deutschland
Haruka Gruber, David Digili, Alexander Maack, Jochen Tittmar, Andreas Inama
GRAFIK:
Helena Leitner
Telefon: +49 (89) 200014 - 3290
allgemeine eMail-Adresse: [email protected]
Registergericht: Amtsgericht München
Handelsregisternummer: München HRB 167683
Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE254496447
Steuer-Nr: 143/170/10800
Vertretungsberechtigte Geschäftsführer:
Dirk Ifsen (Verantwortlich i.S.d. § 5 TMG)
REDAKTION:
Haruka Gruber (Content Director, verantwortlich
für den Inhalt i.S.d. § 55 II RStV)
Oliver Wittenburg (Mitglied der Chefredaktion)
Benjamin Wahlen
Alexander Maack
QUELLENHINWEIS:
Die Perform Media Deutschland GmbH verwendet
Bild und Textmaterial der Agenturen, Nachrichtendienste & Fotoagenturen:
SID Sport-Informations-Dienst GmbH & Co. KG
Ursulaplatz 1, 50668 Köln
Getty Images Deutschland GmbH
Auenstraße 5, 80469 München
Imago Sportfotodienst GmbH
Berliner Straße 16, 13127 Berlin