Bad Gastein war mal Österreichs Antwort auf St. Moritz. Dann wurde

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Bad Gastein war mal Österreichs Antwort auf St. Moritz. Dann wurde
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AUFSCHWUNG IM GASTEINER TAL
TEXT: ACHIM BECKER
Bad Gastein war mal Österreichs Antwort auf St. Moritz. Dann
wurde es still um die Kurstadt. Jetzt beginnt ihr Comeback. Dafür
sorgen junge Künstler, kreative Hoteliers und naturbewusste
Köche – und im Winter die schneesicheren Pisten, versteht sich
für den
er erste Eindruck ist gewaltig. Zunächst sind wir
durch ein Tal wie viele
Alpentäler gefahren. Aufgeräumt und adrett mit
bewaldeten Bergen, gesprenkelt mit schindelgedeckten Bauernhäusern und Hütten,
grünen Weiden, auf denen Kühe kauen,
Supermarkt-Einheitsbauten mit großen Parkplätzen. Schließlich, es dämmert schon, erheben sich an steilen Felswänden hohe
Häuser, bis zu zehn Stockwerke, dicht gedrängt, ein Gewebe aus kleinen Lichtern
scheint über Bad Gastein ausgebreitet.
Das Monte Carlo der Alpen? So falsch
ist das Etikett nicht, eins von vielen, die
dem Kurstädtchen in den Tauern in seiner
langen Geschichte aufgeklebt wurden.
Die war illuster. War. Wir stehen in der
Mitte des Ortes auf einem kleinen Platz,
zwischen einem lichtlosen Betonbau der
1970er-Jahre und weiteren lichtlosen
Häusern von der vorletzten Jahrhundertwende. Viele Verhandlungen und Pläne
gab es für neue Nutzungen. Bislang ohne
Ergebnis. Die Fassaden bröckeln, die Gasteiner sind frustriert.
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Es donnert. Ein tiefes Grollen, das fast
drohend klingt. Wir nähern uns ihm, immer
den Ohren nach, die schmale Gasse entlang,
vorbei am Laden für Blumen und Souvenirs. Ein kalter Wind lässt uns frösteln, als
wir eine Brücke betreten. Gischtweißes
Wasser fällt von steilem Felshang, es tost,
dass die Trommelfelle vibrieren: der berühmte Wasserfall von Bad Gastein. Über
ihm leuchtet ein fahler Mond, Wolkenschleier bedecken ihn sekundenweise. Ein
Bild wie von Caspar David Friedrich.
Wo wärmen wir uns auf? Sieben Uhr
abends, und kaum ein Mensch auf der Straße. Wir gehen zurück, vorbei an der gelben
Fassade mit der verblassten Aufschrift
„Hotel Europe“, und sehen eine Villa in
warmem Gelb. „Solitude“ steht an der Stirnseite, „Einsamkeit“. 1838 wurde sie erbaut;
als sie der preußischen Gräfin Lehndorff
gehörte, war sie ein Treffpunkt besserer
Berliner Kreise. Nun gehört sie Josef Laggner, Multigastronom in Berlin („Lutter &
Wegner“) und gebürtiger Gasteiner. Neun
Suiten mit Stilmöbeln und Antiquitäten
wurden eingerichtet und im Souterrain des
Anbaus eine rustikale Weinstube mit dunklen Holzregalen, die auch „Lutter & Weg-
ner“ heißt. Hier kocht Wolfgang Nagler, für
uns ein guter Bekannter seit seinen Engagements in Berlin („Die Quadriga“ im Hotel „Brandenburger Hof“) und München
(„Bistro Terrine“). Er serviert Ur-Österreichisches wie Schnitzel und Backhendl oder
mediterrane Klassiker wie Rindertatar mit
Rucola nach dem Rezept aus „Harry’s Bar“
in Venedig und ossobuco – die beste Küche
in der Gasteiner Ortsmitte.
Auch bei Sonnenschein am nächsten
Morgen macht der Wasserfall einen gewaltigen Eindruck. Zum alten Kraftwerk an
seinem Fuß führt ein schmaler Weg steil
hinab; teilweise musste er neu angelegt werden, im Sommer war eine Mure abgegangen. Das Industriedenkmal wurde 1914 gebaut, um Strom zu gewinnen. Heute dient
es im Sommer als Atelierhaus für Künstler:
mit Kultur gegen den Stillstand im Ort. In
der Turbinenhalle des Kraftwerks hängen
Werbeplakate für Bad Gastein aus vergangener Zeit – in den 1950er- und 60er-Jahren warb man mal mit dem Slogan „radioaktivstes Bad Europas“. Der spielte auf den
Radongehalt der Quellen an, deren Heilkraft bei diversen Gebrechen auch heute
Q
wissenschaftlich belegt ist.
F O T O S : C AT H R I N E S T U C K H A R D T ( 2 )
Muße hat im Hotel „Haus Hirt“ immer Saison, ob auf der Terrasse (linke Seite) oder drinnen (u. r.). In der „Villa Solitude“
von 1838 (u. l.) gibt es schöne Suiten und eine gemütliche Weinstube. Fast am Ende des Tals liegt Bad Gastein (u. M.)
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Die kulturelle Belebung Gasteins wird
von Hoteliers gefördert, allen voran das Ehepaar Ike und Eveline Ikrath, Besitzer des
„Hauses Hirt“. Im Hotel am Rand des historischen Ortskerns sorgen sie für die entspannende Atmosphäre eines „Alles kann,
nichts muss“. Sitzgelegenheiten überall in
den öffentlichen Bereichen, Zeitschriften,
Bücher, verspielte Accessoires beflügeln die
Kommunikation zwischen den Gästen, von
denen viele ebenso gern reden wie zuhören
mögen – eine Art Salon, aber mit allen Annehmlichkeiten eines Wellnesshotels (Pool,
Sauna, Bäder, Anwendungen).
benso kommunikativ und
kunstsinnig ist die Atmosphäre im Schwesterhotel
„Miramonte“. Türen und
Treppengeländer zeugen von
den 50er-Jahren, die Räumlichkeiten auf den vier Etagen wurden im Retrodesign gestaltet, die
unterschiedlich großen Zimmer sind wohltuend reduziert möbliert, viele blicken über
den Ort und das Tal. Die Spa-Abteilung lädt
zu Thermalbädern.
Richtig hip ist die Bar im Hotel „Das Regina“: Retro- und Shabby-Chic, eine kongeniale Mischung an einem Ort wie Gastein.
Olaf Krohne, einst Macher der „Bar Hamburg“ und anderer Großstadt-hang-outs, hat
dem abgetakelten Hotel vor drei Jahren urbanen Zeitgeist eingehaucht.
Außerhalb Bad Gasteins breitet sich eine
alpenländische Bilderbuchlandschaft aus.
Rund zehn Minuten laufen wir vom Skizentrum Angertal zum „Waldgasthof“ mit
„Hirschenhütte“, im Winter Ort zünftiger
E
Après-Ski-Partys – aber mit Geschmack!
Der Pistenverbund „Amadé“ hat eine Kooperation mit österreichischen Spitzenköchen angeregt, jeweils einer entwickelt zwei
Gerichte für eine Hütte. Für den „Waldgasthof“ hat sich Jörg Wörther vorige Saison
Schwarzbrottoast mit Räucherlachs und
Hüttenkäse sowie Schwammerlkroketten
mit Schinken in Kräutersauce ausgedacht.
Derweil setzen einfache Wirtshäuser im
Tal auf Bioprodukte. Der urige „Schmaranzbräu“ bei Hofgastein etwa versorgt sich aus
der eigenen Landwirtschaft. Die Gäste
rücken zusammen an den langen Tischen
zwischen Holzwänden, die Späße und das
Gelächter sind so deftig wie die Würstlpfanne mit hausgemachten Käsekrainern,
Brat- und Siedwürsten oder der Rostbraten
mit Semmelknödel.
Hofgastein im Tal ist ein aufgeräumter
Ort mit vorherrschend alpenländischer Architektur in seiner Mitte. Das „Grand Park
Hotel“ aber zeigt sich nobel im englischen
Stil, Purismus und Minimaldesign haben
Hausverbot. „Wir sind klassisch und stehen
dazu“, sagt die Direktorin Claudia Wachter.
Beim „Unterbergerwirt“ erwartet uns
Patron Hans-Peter Berti mit einer „Küche
der fünf Elemente“ und meint damit FengShui-Prinzipien, die einleuchtend klingen:
Lebensmittel, die in der heimischen Klimazone gedeihen, vertrage der Mensch am
besten. Die Verträglichkeit verbindet sich
bei Berti mit Genuss. Die Kürbissuppe begleitet ein fein-knuspriger Blaukrautstrudel,
die schmelzende Wildpastete würzen Aroniabeeren, der gebratene Saibling trägt eine
wunderbar krosse Haut.
Wir erinnern uns an eine Empfehlung des
Gasteiners Eckart Witzigmann: „Kosten Sie
die luftige Cremeschnitte beim Auer Bertl.
Ein Traum!“ Das Restaurant-Café „Gamskar“ liegt am Höhenweg hoch über dem Tal.
Die Cremeschnitte ist in der Tat ein Traum,
mit knusprigem Deckel und flaumiger Füllung, die leicht im Mund liegt, aber schnell
den Magen füllt.
„Happy Birthday!“, schallt es durch den
Frühstückssaal im Hoteldorf „Grüner
Baum“. Seniorchef Hannes Blumschein intoniert ein Geburtstagsständchen für den
Gast am Nebentisch. Das Hotel, verteilt auf
fünf Chalets in splendider Lage im Seitental der Kötschach über Bad Gastein, ist
bekannt für die herzliche Betreuung seiner
Gäste. Ein Hauch vergangener Sommerfrischezeit weht durch das Anwesen, dabei
ist es up to date, was die Ausstattung der
gemütlichen Zimmer, der Wellnessabteilung
und der Gastronomie angeht.
„Hotelier in beratender & unterhaltender
Funktion“ steht auf Hannes Blumscheins
Visitenkarte. Ein klein bisschen Wehmut
schwingt in seinen Erzählungen über die
Vergangenheit mit, als die Damen im Urlaub Häkelkurse belegten und die Männer
nachts an der Bar knobelten und soffen.
Nur das Feinste, versteht sich. Von heute aus
betrachtet, war es wohl eine ahnungslose
Zeit, ohne Political Correctness, Work-outs
und body shaping. Stattdessen leistete man
sich das Menschenrecht auf Unvernunft. Ist
schon klar: Sie macht das Leben nicht länger. Aber unterhaltsamer. Vielleicht kommt
so was mal wieder in Mode. Gastein wäre
ein guter Ort dafür.
r
FOTOS: G. ROSKE, G. WOLKERSDORFER
Eins der originellen Zimmer im Szenehotel „Das Regina“ (l.). Die Küche des „Grand Park Hotel“ in Bad Hofgastein überzeugt auch mit luftig-leichten Terrinen (M.). Im stillen Kötschachtal über Bad Gastein steht das Hoteldorf „Grüner Baum“ (r.)
48 D ER F EINSCHMECKER 1/2013
Adressen und Bewertungen finden Sie im Info-Guide auf Seite 131