Georg Büchner, Pflanzung neu Linde am Grab

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Georg Büchner, Pflanzung neu Linde am Grab
Georg Büchner, Pflanzung neu Linde am Grab
Theater Rigiblick Zürich, 21. Oktober 2013
Ansprache Stadtpräsidentin
Sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Otto Lampe
Sehr geehrter Herr Prof. Peter von Matt
Lieber Daniel Rohr
Sehr geehrte Damen und Herren
Zürich hat die Ehre, sich zu den Städten zählen zu dürfen, die in Georg Büchners Leben eine
Rolle gespielt haben. Es war zwar nur ein kurzer Auftritt, und ob er wirklich einen Applaus
verdient hat, bleibe dahingestellt. Ziemlich sicher hatte Zürich in der Folge mehr von Büchner
als dieser von Zürich. Immerhin: Es waren Mitglieder der obersten Zürcher Gesellschaft, die
Büchner 1836 nach Zürich holten, wo er mit seiner Schrift über die Schädelnerven der Barben promoviert wurde und am 5. November erfolgreich eine Probevorlesung mit „Zootomischen Demonstrationen“ hielt. Am 24. Oktober mietete Büchner ein Zimmer im Haus von
Regierungsrat Hans Ulrich Zehnder an der heutigen Spiegelgasse 12. Nach kurzer Dozententätigkeit erkrankte er an Typhus und starb am 19. Februar 1837. Begraben wurde er im
Friedhof zum Krautgarten, etwa dort, wo heute das Kunsthaus steht.
Wer hatte in Zürich Anlass, des toten Dichters zu gedenken? Der Name Büchner war damals
nur einem kleinen Kreis bekannt, vom schmalen literarischen Werk des 24-Jährigen war zu
Lebzeiten nur das Drama „Danton’s Tod“ veröffentlicht worden. Dennoch sollen dem Begräbnis laut dem Zeugnis eines Freundes an die hundert Personen beigewohnt haben, „die
beiden Bürgermeister und andere der angesehensten Einwohner der Stadt an der Spitze“.
1841 hielt der deutsche Dichter Georg Herwegh an der Universität Zürich Vorlesungen über
die neueste deutsche Literatur, in deren Rahmen er zu Büchners Todestag am 19. Februar
sein Gedicht „Zum Gedenken an Georg Büchner“ vortrug. Dann verliert sich die Spur, bis
1875 die Stadt den Friedhof zum Krautgarten aufhebt. Die „Gesellschaft deutscher Studierender“ ersucht darauf die Stadt um Erlaubnis, Büchners Gebeine aus dem Friedhof zum
Krautgarten auf den Geissberg zu verlegen, wo die deutschen Studenten seit 1865 ihren
Versammlungsplatz bei einer Linde hatten. In der Folge wurde die zum Geissberg führende
Strasse dann „Germaniastrasse“ genannt. Dort wiederum brauchten die deutschen Studenten die Bewilligung des Gemeinderates von Oberstrass, das damals noch eine selbständige
Gemeinde war. Am 26. Juni 1875 wurden die Gebeine exhumiert, am 4. Juli fand die Einweihung des neuen Grabes statt, im Beisein von Geschwistern Büchners und zahlreichen Ehrengästen. Der älteste Bruder Georgs, der Fabrikant Wilhelm Büchner, hat der Gemeinde
Oberstrass eine Summe von 100 Franken zugunsten des neuen Grabsteines zukommen
lassen. Die im Stein eingelassene Metallplatte verzeichnet Darmstadt als Geburtsort Büchners, was nicht ganz richtig ist, denn Büchner wurde in Goddelau, einem kleinen Ort in der
Nähe von Darmstadt geboren. Deshalb wird immer wieder die Forderung nach einer Korrektur laut. Aber diese Inschrift bzw. der Grabstein sind selber ein historisches Zeugnis geworden, das unter Denkmalschutz steht und das man nicht willkürlich abändern kann.
Die Gedenkfeier von 1875 war nicht einfach ein lokales Ereignis, das nur die Zürcher interessierte. Sie löste ein neues Interesse an Georg Büchners Werk aus und führte dazu, dass
vier Jahre später die von Karl Emil Franzos betreute Ausgabe der „Sämmtlichen Werke“ erschien. Darin war übrigens das Zürcher Büchner-Grab in einem Stahlstich abgebildet. Auf
ihm sieht man eine noch junge Linde. Wir können also die Hoffnung haben, dass die heute
gepflanzte Linde wieder ein so stattlicher Baum wird, wie derjenige, der das Auge der Zürcherinnen und Zürcher während fast hundertfünfzig Jahren erfreute.
Die von den deutschen Studenten wahrscheinlich 1865 gepflanzte Linde ist im Sommer 2012
einem Sturm zum Opfer gefallen. Die Pflanzung einer neuen Linde wurde etwas hinausgezögert, um den 200. Geburtstag Georg Büchners zu markieren, der am 17. Oktober gefeiert
werden konnte. Wir möchten aber nicht nur einen Tag an Büchner denken. Ich bin deshalb
froh und dankbar, dass viele Zürcher Kulturinstitute Büchners Werk wieder in Erinnerung
rufen. Man darf annehmen, dass es zu einem guten Teil in Zürich entstanden ist, so dass wir
uns zu Recht eine „Büchner-Stadt“ nennen dürfen. Büchner war nicht der erste und nicht der
letzte deutsche Schriftsteller, dessen Namen sich mit Zürich verbindet, denken wir nur an
Klopstock, Wieland, Goethe, Brecht oder Thomas Mann. Deshalb ist es mir eine besondere
Freude, Herrn Dr. Otto Lampe, den neuen Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, bei
uns begrüssen zu können, der nun seinerseits das Wort an Sie richten wird, bevor Prof. Peter von Matt die Bedeutung von Büchners literarischem Werk kurz umreissen wird.
(Es gilt das gesprochene Wort.)