- Arno Schmidt: "Die Umsiedler"
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- Arno Schmidt: "Die Umsiedler"
10 C M AT E R I A L I E N Abschrift Der Landrat des Landkreises Alzey. Alzey, den 18. Februar 1950 Betreffend: Wohnraum für die im Kreis Alzey aufzunehmenden Heimatvertriebenen. I. Frau Lina Boller, Gau-Bickelheim. 167 Benachrichtigung. Die Unterbringung der Heimatvertriebenen macht es erforderlich, auch in Ihrem Wohnhaus in der Bahnhofstr. 167 3/10 zwei Räume nebst Zubehör und Gemeinschaftseinrichtungen (Kelleranteil, Toilette, Wasserentnahmestelle und dergl.) für diesen Zweck vorzusehen. Ich bitte Sie, diese Maßnahme nicht als unbillige Härte aufzufassen. Die Not der Heimatvertriebenen ist so groß, daß alles getan werden muß, um sie zu lindern. Denken Sie daran, daß so manche von denen, die jetzt an unsere Tür klopfen, selbst Haus und Hof besessen haben, woraus sie vertrieben wurden und daß uns das gleiche Schicksal hätte treffen können. Ich bin davon überzeugt, daß Sie für das schwere Los der Heimatvertriebenen Verständnis haben und ihnen einen entsprechenden Empfang bereiten werden. Diese Benachrichtigung ergeht, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, sich rechtzeitig darauf einzustellen. Falls der Wohnraum tatsächlich in Anspruch genommen werden muß, wird Ihnen zu gegebener Zeit eine Beschlagnahmeverfügung zugestellt, gegen die ein Rechtsmittel eingelegt werden kann. Leitfragen/Arbeitsaufträge (zu M 2.1 und M 2.2) A Geben Sie aus den vorliegenden Materialien die für das Verständnis der Erzählung wesentlichen Informationen wieder. Ergänzen Sie diese wenn möglich aus Ihnen zugänglichen Quellen (Geschichtsbücher, Internet etc.). B Vergleichen Sie das, was Arno Schmidt über die Umsiedlung erzählt, mit Ihren Hintergrundinformationen. C Schreiben Sie aus der Sicht Katrins nach ihrer Ankunft in Gau-Bockenheim einen Brief an Bekannte, die in ihrem vorherigen Wohnort geblieben sind. Alle vier Dokumente aus: Fischer, Susanne (Hrsg.): „Umgängliche Nachbarn erwarten euch“. Zu Arno Schmidts „Die Umsiedler“, Arno Schmidt Stiftung (Hefte zur Forschung 3), Bargfeld 1995, S. 36 f., 46 f., 54, 55 ff. © Arno Schmidt Stiftung gez: Dr. Klee D […] Wenn es bisher gelungen ist, die Heimatvertriebenen schon 2 Tage nach der Ankunft des Transportes in die bereitgestellten Wohnungen einzuweisen, so dürfte es bei den kommenden Transporten schon wesentlich schwieriger werden, weil einmal nicht mehr genügend Wohnungen vorhanden sind und zum anderen weil sich die ablehnende Haltung der Hausbesitzer in steigendem Maße bemerkbar macht. Ein weiterer wesentlicher Grund ist noch, daß die Orte zum großen Teil belegt sind. Lediglich die Orte GauBickelheim und Sulzheim sind noch mit größeren Kontingenten zu belegen. Eine Belegung konnte bisher nicht erfolgen, da die Heimatvertriebenen der bisherigen Transporte fast ausschließlich der ev. Konfession angehörten. Um auch diese Orte entsprechend zu belegen, wurde das Sozialministerium gebeten, entweder die Genehmigung zur Belegung mit Angehörigen der ev. Konfession zu erteilen oder aber 1 – 2 Transporte mit Angehörigen der kath. Konfession zu überweisen. Das Sozialministerium hat nunmehr mitgeteilt, daß künftig Transporte mit überwiegend Angehörigen der kath. Konfession kommen. Am 2. Dezember 1950 trifft der 1. Transport mit 112 Katholiken ein, so daß auch diese Orte restlos belegt werden können.1) Im allgemeinen darf erwähnt werden, daß die bisher eingetroffenen Heimatvertriebenen wohnungsmäßig gut untergebracht werden konnten. Wir haben schon vor Beginn der Einweisungen den Standpunkt vertreten, daß auch den kleinsten Familien 2 Räume – Küche und Schlafzimmer – D Deutsch b e t r i fft u n s 5 • 2 0 0 7 zuzuweisen sind. Nach den gemachten Erfahrungen war in anderen Kreisen diese Zuweisung nicht möglich bezw. ist diese nicht erfolgt. Auch für größere Familien ist die Unterbringung dort nicht so erfolgt, wie es bisher bei uns noch möglich war bezw. möglich gemacht wurde. Es soll hierbei aber keinesfalls gesagt sein, daß es sich hier um IdealMietswohnungen handelt. Auch hier wurde schon vor Beginn der Einweisungen höheren Ortes darauf hingewiesen, daß der weitaus größte Teil der Heimatvertriebenen in Bauernhäusern auf dem Lande untergebracht werden muß. […] Die Versorgung der Heimatvertriebenen mit dem notwendigsten Hausrat ist als gut anzusprechen und Klagen wurden lediglich wegen der Einheitsherde geführt. Dagegen wurden die verausgabten Möbel (Betten, Schränke, Tische, Stühle) als gut bezeichnet. Das Kernproblem ist und bleibt die Frage der arbeitsmäßigen Unterbringung der vielen Familienväter der Heimatvertriebenen. Trotz aller Bemühungen der hierfür zuständigen Stellen dürfte nur ein verhältnismäßig kleiner Teil in fester Arbeit stehen. Alle übrigen fallen daher auch weiterhin der öffentlichen Fürsorge zur Last. […] Bericht des Sachbearbeiters Schreiber über die Einweisung der Heimatvertriebenen auf der Sitzung des Kreisflüchtlingsausschusses Alzey am 14.11.1950 [Auszüge] 1) Mit diesem Transport kamen auch Alice und Arno Schmidt, die beide nicht katholisch waren, nach Rheinland-Pfalz. Arno Schmidt: „Die Umsiedler“ – Suche nach einer neuen Heimat