"Mit schlagenden Eltern und ihren Kindern arbeiten: zwischen

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"Mit schlagenden Eltern und ihren Kindern arbeiten: zwischen
Susanna Stauber lic.phil. Fachpsychologin für Psychotherapie FSP
Mit schlagenden Eltern und
ihren Kindern arbeiten
Zwischen Erziehungsberatung,
Therapie und
Kinderschutzmassnahmen
Referat im Rahmen Veranstaltung Fachstelle Kinderschutz SO zu Körperstrafen
27.11.2012
Übersicht
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Zitate aus der Praxis
Bestrafungsverhalten
Ursachen und Hintergründe
Klinische Folgen von Körperstrafen
Erfahrungen aus der Praxis des KJPD
Behandlung von Eltern und Kindern
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
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Zitate aus der Praxis
Was sagen die Eltern?
• „ich musste früher der Tochter den Arsch versohlen oder
sie an den Haaren reissen… aber heute darf man das ja
nicht mehr, sonst hat man die Sozialbehörde am Hals…“
• „ ich habe ihr schon Schläge auf den Mund oder auf den
Hintern gegeben, dies ist manchmal nötig, aber ich möchte
dies nicht mehr tun“
• „Ohrfeigen haben noch niemandem geschadet, ich wurde
auch mit Schlägen erzogen und mir hat dies jedenfalls nicht
geschadet“
• „dann hat sie so geschrien und wir mussten sie unter die
kalte Dusche stellen, damit sie aufgehört hat“
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Zitate aus der Praxis
Was sagen die Kinder?
• „die Mutter hat mich auf den Mund geschlagen, weil
ich „Idiot“ zu meinem Bruder gesagt habe“
• „dann bin ich wütend geworden, ich habe
widersprochen und geschrien, dann hat mich mein
Vater eingesperrt, auf den Po gehauen und am Ohr
gezogen“
• „ich gebe mir ständig Mühe und mache der Mutter
Geschenke, aber es nützt nichts, sie schimpft trotzdem
immer mit mir“
• „ sie hat mir gesagt ich dürfe ihr nicht mehr „Mami“
sagen, erst wieder, wenn ich sie besser respektiere“
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Was sagen die Kinder?
• „ich bin für die Mutter und den Stiefvater
eine Witzfigur, sie lachen mich jeden Tag aus“
• „mein Stiefvater hat mich mit dem Gurt
geschlagen und dann im Zimmer eingesperrt“
• „der Vater haut mich, wenn ich nicht
gehorche, und die Mutter tröstet mich“
• “ich bin jedesmal zu Recht geschlagen
worden, und ich habe dadurch etwas begriffen
und werde meinen Eltern dankbar sein“
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Bestrafungsverhalten
• Was sagt die Forschung?
Vergleichende Analyse des
Bestrafungsverhaltens von
Erziehungsberechtigten in der Schweiz 1990
und 2004 unter der Leitung von
Prof.Meinrad Perrez, Universität Fribourg
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Wichtigste Ergebnisse
• Jüngere Kinder sind besonders gefährdet Körperstrafen
zu erhalten
• Knaben erhalten eher Körperstrafen als Mädchen
• Gründe für Bestrafung bei den jüngsten beruhen auf
entwicklungspsychologisch inadäquaten Erwartungen
(häufigster Anlass für Körperstrafe: “Ungehorsam“)
• Eltern mit einer defensiven Haltung und mit einer
geringen Toleranz gegenüber abweichendem Verhalten
von Kindern neigen eher zu Bestrafung
• Eltern bestrafen im Jahr 2004 häufiger mit Verboten
und Liebesentzug und weniger häufig mit
Körperstrafen als 1990
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Bestrafungsarten
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Körperstrafen
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Der Anteil der Eltern die angeben ihre Kinder nie körperlich
bestraft zu haben ist 2004 doppelt so hoch wie 1990.
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Welches Verhalten wird bestraft?
• Es zeigt sich, dass v.a. dissoziale
Verhaltensweisen, Aggressivität und Angriffe
auf die elterliche Autorität sanktioniert
werden.
Beispiele: Geld stehlen, lügen, zurückschlagen,
frech sein, grundlos zu spät kommen, schlechte
Schulnoten oder schlechte Tischmanieren
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Ursachen und Hintergründe
• Als Begründung für Körperstrafen werden vier
Gründe favorisiert:
1.
2.
3.
4.
«das Kind hat mich geärgert/genervt» bei 40.8%
«das Kind war gemein zu Bruder/Schwester» bei 35.1%
«das Kind wollte nicht gehorchen» bei 31.0%
«ich war gereizt» bei 31.0%
Schöbi/Perrez 2004
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Ursachen und Hintergründe
Risiken bei den Eltern
Die am meisten körperlich strafende Elterngruppe sind
junge Eltern die
• als Kind selbst körperlich bestraft wurden,
• einen hohen Belastungsgrad durch die Erziehung und
die Lebenssituation aufweisen,
• relativ abweichungsintolerant sind,
• deren Partner im Alltag ein besseres, sie selbst jedoch
ein schlechteres emotionales Befinden aufweisen
• und in geringerem Ausmass berufstätig sind,
besonders wenn die Kinder Knaben und jüngeren Alters
sind.
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Ursachen und Hintergründe
Risiken bei den Eltern
Aus der Erfahrung in der Praxis des KJPD spielen folgende
weitere Faktoren mit, das Risiko für Körperstrafen zu erhöhen:
•
•
•
•
•
•
•
Psychische Erkrankungen, Persönlichkeitsstörungen
Traumatische Belastungen in der Biografie
Ungenügende Vorbereitung auf Elternrolle
Armut, Arbeitslosigkeit, Migration
Kriminalität und Suchterkrankungen
Paarkonflikte, Trennung
Grosse Kinderzahl
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Es gibt belastete Eltern…
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…und schwierige Kinder…
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Zum Beispiel Max
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oder Anna
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Ursachen und Hintergründe
Risiken bei den Kindern
Kinder, die häufiger Problemverhalten zeigen
bieten vermehrt Anlass zur Bestrafung und
können eine höhere Belastung für die Eltern
darstellen. Gleichzeitig ist davon auszugehen,
dass Kinder, welche inadäquat bestraft werden,
auch wieder vermehrt Problemverhalten zeigen.
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Ursachen und Hintergründe
Risiken bei den Kindern
• Kinder mit einer Behinderung
• Kinder mit Entwicklungsstörungen
• Kinder mit Hyperkinetischen Störungen, ADHS
und Störungen des Sozialverhaltens
• Kinder in komplex belasteten
Familienstrukturen
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Klinische Folgen von Körperstrafen
Kognitive Beeinträchtigungen
• Beeinträchtigung von Konzentration, Lernfähigkeit,
Interessen und Intelligenz
Emotionale Beeinträchtigungen
• Erhöhte Werte in den Bereichen Angst, Depression und
Aggression
• Erhöhte Alarmbereitschaft, emotionale Anspannungsund Erregungszustände, Irritierbarkeit, Schreckhaftigkeit
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Klinische Folgen von Körperstrafen
Somatische Probleme
• Gehäuft Schmerzen und Unfälle, diffuse
Körpersymptome
Soziale Beeinträchtigungen
• negative Beziehungs- und Selbstbilder
• erhöhte Gewaltbereitschaft
• vermehrt Verhaltensauffälligkeiten, Störungen des
Sozialverhaltens und geringe Fähigkeit zu
sozialem Problemlöseverhalten
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Kreislauf
Körperstrafen
in der
Erziehung
Gewalt in
Beziehungen
Dissoziales
Verhalten
Mobbing
Misserfolge
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Erfahrungen aus dem KJPD
•
•
•
•
•
•
Vorkommen und Art von Körperstrafen
Anamnese
Welche Art von psychischen Störungen
Welche Art von Behandlung
Erfahrungen mit der Thematik
Grenzen der Behandlung
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Beratung mit Eltern
• 3 Elterngruppen bei Körperstrafen:
Kritisch reflektieren, rechtfertigen und ignorieren
• Faktor Erziehungsfähigkeit
«Unter einer allgemeinen Erziehungsfähigkeit wird die grundlegende
Fähigkeit eines Elternteils verstanden, die emotionalen und
körperlichen Bedürfnisse eines Kindes zu erkennen, sein Kind
angemessen zu versorgen, zu betreuen und entsprechend erzieherisch
auf die vom Kind signalisierten (oder altersentsprechend anstehenden)
Bedürfnisse einzugehen. Unter der speziellen Erziehungsfähigkeit
versteht man die Fähigkeit eines Elternteils in der konkret vorliegenden
Lebenssituation die Bedürfnisse des Kindes realitätsgerecht
wahrzunehmen und zu beantworten.» (Salzgeber:
Familienpsychologische Gutachten, 2011)
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Beratung mit Eltern
• Verständnis und Interesse entgegenbringen, jedoch klare
Grenzsetzung und Haltung in Bezug auf Kindeswohl, d.h.
Stellungnahme betreffend Schädlichkeit der Auswirkung von
Körperstrafen
• Psychoedukation (entwicklungspsychologisch, pädagogisch)
• Reflexion des Elternverhaltens und Verhaltensänderung
(Ressourcenorientierte, lösungsorientierte Therapie)
• Mit den Eltern und dem Kind eine Verhaltens- und
Beziehungsanalyse machen, um Muster zu erkennen z.B. mit
Mentalisierungen arbeiten: «was denken Sie, geht in Ihrem
Kind vor, wenn es geschlagen wird» etc.
• Arbeit an Empathie und Vertrauen
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Beratung mit Eltern
• Verständnis für allfällige Besonderheiten des Kindes
(psychische Störung, Behinderung, besondere Entwicklung)
erarbeiten
• Stärkung der elterlichen Kompetenz mit Fokus auf
Erfolgserlebnissen
• Erziehungsberatung: positive Werte, Grundsätze TripleP,
gewaltfreies Modell von Kindererziehung
• Elterntrainig oder sozialpäd. Familienbegleitung vermitteln
• Entlastungen auf verschiedenen Ebenen, Überforderung
reduzieren
• Hometreatment
• Bei psychisch erkrankten Eltern Behandlung erwirken
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Erfolgversprechend für die therapeutische und
erziehungsberaterische Arbeit
• wenn Eltern froh sind, dass es angesprochen wird
• interessiert sind, herauszufinden wie sie die
Beziehung anders gestalten könnten
• offen sind für Erziehung ohne Schläge
• eigene Geschichte reflektieren können (selbst
erlebte Gewalt in Zusammenhang mit eigenem
Handeln stellen)
• wenn Eltern differenziert kommunizieren können
• ihr Verhalten ändern wollen
• in der Lage sind, Erkenntnisse umzusetzen
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Therapie mit Kindern
• Beziehungsgestaltung: Vertrauen, Echtheit,
Akzeptanz und Wertschätzung
• Schutz und Sicherheit
• Transparenz und Einbezug in Entscheidungen
• Benennen von Belastung und Unrecht
• Umgang mit Ohnmacht und Hilflosigkeit
• Schuldgefühle und Loyalitäten berücksichtigen
• Gezielte Behandlung von Folgen wie Angst,
Depression, ausgeprägt aggressives Verhalten
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• «wenn Interaktionen unecht oder manipulativ
gestaltet werden, egal ob bei Kindern oder
Erwachsenen, dann reduziert dies die
Wahrscheinlichkeit für positive
Veränderungenund dauerhaftes integriertes
Lernen erheblich»
Dierkes 2012 / Fachzeitschrift : CH Hypnose
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Therapie mit Kindern
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•
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•
Stärkung des Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens
Stärkung und Aktivierung der Ressourcen des Kindes
Erfolgserlebnisse verschaffen
Akzeptanz von Schwächen und Unzulänglichkeiten
Kreative Ausdrucksformen finden für das Erlebte
Soziale Kompetenzen stärken
Alternativen zu Gewalt als Lösungsstrategie bei
Konflikten
• Wege aus der Opferrolle ohne Täterverhalten zu
übernehmen
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Interdisziplinäre Zusammenarbeit
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Fachstelle Kinderschutz
Behörde wie Vormundschaft (Beistände)
Sozialpäd. Familienbegleitung
Bei Fremdplatzierung (Pflegefamilie, Heime)
Bei Hospitalisation (Kinderschutzgruppe)
Justiz (Polizei, Gericht, Anwälte)
Opferhilfe
Schule (Lehrkräfte, Schulleitung, Schulsozialarbeit, SPD)
Einrichtungen im Früherziehungsbereich, Heilpädagogik,
Mütter- und Väterberatungsstelle
Integrationsfachstellen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Erwachsenenpsychiatrie
Kinderärzte
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Take home message
• bei einer begrenzten Gruppe kann auf einer
guten Vertrauensbasis und Kooperation aller
Beteiligten eine gewisse Unterstützung
gelingen und der Schutz des Kindes erreicht
werden
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Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit
und viel Mut sich zu engagieren!
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