Rostiger Virus - Oldtimerfreunde Lebach

Transcription

Rostiger Virus - Oldtimerfreunde Lebach
Rostiger Virus
So, dann stell ich mich doch einfach mal vor….. Ich, Andreas K., zugezogener Lebacher, knoddel nun
schon seit 20 Jahren an Oldis rum. Mehr über mich will ich hier nicht Preis geben…. Wer mich kennt,
weiß wie ich bin ;-)
Dann mal viel Spaß beim lesen…………
Im zarten Alter von 15 Jahren, ich hatte gerade die ersten pubertären Phasen hinter mir, entdeckte ich
in der Garage meiner Eltern die Velo Solex von 1959 meines Vaters. Diese hatte er während der
Bauphase gekauft.
Nachdem sie, aus unerklärlichen Gründen, nicht mehr wollte und ihn somit zur Anwendung von
Muskelkraft zwang, wurde sie zur Strafe an die Wand gehängt
Sie sollte nun mein erstes Opfer werden.
Da ich noch keine Ahnung von Motoren hatte, außer dem Funktionsprinzip des 2-Takters, wurde dieser
erst mal vom Rahmen genommen und zur Seite gelegt. Der Rahmen wurde mit Akopads entrostet.
Bevor jetzt manch einer die Hände über dem Kopf zusammen schlägt und sich sagt: "Oh Gott, wat ein
Laie"; Kinnas, ich kannte nix anderes. Danach wurde dieser mit Tiefschwarzer Baumarktfarbe
gestrichen, Felgen und Lenker mit Chromefektlack aus der Dose lackiert. Den nächsten Spaß hatte ich
mit den Bremsen. Wozu braucht man die eigentlich? Ich wollte doch fahren und nicht stehen. Egal, sie
gehören dazu und heute weiß ich, sie sind das wichtigste Bauteil überhaupt. Also ab ins nächste
Fahrradzubehörgeschäft und geguckt, was es da so gibt.
Als der Rahmen dann soweit wieder als Fahrrad zu benutzen war, kam der kleine Stinker, auch Motor
genannt dran.
So, wie war das? Ansaugen, Verdichten, Arbeiten in Form eines Knalls, auch Explosion genannt und
wieder raus mit dem Dreck, mehr kannte ich vom Motor nicht. Ach ja ein Vergaser und eine Zündung
gehörte auch noch dazu.
In einer Anwandlung von Schrauberwahn und Übermut wurde alles erst mal bis zur kleinsten Schraube
zerlegt und begutachtet. "Moaja" dachte ich mir: "Ist zwar alles ein bisschen dreckig, aber bewegt sich
noch, kann also nicht so schlimm sein." Also erst mal alles gereinigt, dies Mal nicht mit Akopads
sonder mit Benzin.
Dann wieder alles zusammengebaut, Zylinder und Vergaser drauf, Sprit in den Tank und….nix!
Der Vergaser bekam kein Benzin. Ich wunderte mich eh schon, wie das Zeuch da hin kommen sollte,
da der Vergaser ja "höher" lag, wie der Tank.
Also lernte ich die Benzinpumpe kennen. Ja, ne Solex hat so was. Nach kurzer Inspektion der
selbigen, lag die Diagnose schnell auf der Hand: Membran defekt. Im Sammelsurium diverser Teile
fand ich sogar eine neue, eingebaut, ausprobiert, Sprit kam an, aber…nix!
Was braucht denn so ein Motor noch? Zündfunke! Zündkerze raus, in den Stecker gesteckt, am Berg
postiert, Motor nach unten, damit die Reibrolle das ganze in Schwung bringt, ein kleiner Schups… ich
merkte ihn!!!
Der Funke war zwar nicht an der Kerze zu sehen, aber er war deutlich spürbar. Ich hatte vergessen,
das die Kerze Masse braucht, die hat sie dann über meinen Arm gefunden…..aua! Hmmmm…..alles
war da, Motor bewegt sich, Sprit stinkt im Zylinder, Funke merkt man…aber….nix!
Mein Vater kam dann irgendwann an und drückte mir eine Bedienungsanleitung von dem alten Diener
in die Hand. Diese wurde von mir dann gleich mal links gemacht und siehe da, da stand was von
Zündung einstellen drin. Ich wusste zwar nicht genau, wozu das gut war, aber ich machte mal alles,
was da drin stand.
Nach dem ganzen Zinnober ging's dann mal wieder auf die Straße. Ich dachte zwar nicht, das es
diesmal klappte, trotzdem spielte ich mal wieder alle Checks, wie bei einem Flugzeugstart durch.
Benzin, checkt! Zündung, checkt! Motor Kontakt zum Reifen, checkt! Vergaser auf Kalt gestellt, checkt!
Decompressionshebel ganz durchgezogen, checkt!
Ich trat in die Pedale, ließ den Hebel los, merkte mal wieder, wie der Motor mich abbremste nur dieses
mal war es anders. Die Bremsung war nicht so lange, stattdessen fing es vor mir an zu Rumpeln,
Poltern und Stinken, der Motor lief!
Mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit von gefühlten 85 km/h, die in Wirklichkeit ca. 25 km/h waren,
ging´s ab. Es lief!
Das zweite Opfer...
Das nächste Fahrzeug, das dann irgendwann folgte, war ne REX Como von 1959. Im Einzelnen will
ich hier aber nicht auf die Restaurierung eingehen, hatte ich das Fahrzeug eh nicht fertig gestellt. Aber
eines möchte ich erwähnen. Tankentrostung. Viele kennen ja das leidige Thema eines rostigen Tanks.
Auch ich wurde nicht davon verschont. Aber was macht man, wenn man keinen Zementmischer hat?
Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Ich hatte zu dieser Zeit noch einen Mercedes W123 200 D,
dieser hat Heckantrieb, also hatte ich ihn hinten hochgebockt, so dass beide Reifen frei waren. Nun
den Tank mit Splitt, Schrauben und sonstigem gefüllt, an einem Rad mit mächtig viel Klebeband
festgemacht, auf der anderen Seite das Rad mit eine Stein blockiert und das ganze bei Standgas mal
schön 30 Minuten drehen lassen. Okay mein Differenzial machte danach ein paar Geräusche, aber der
Tank war sauber. Ach übrigens, hier benutzte ich zur Entrostung kein Akopads, ne Flex mit Bürste ist
viel effektiver.
Im laufe der nächsten Jahre kam dann noch eine
Herkules 220L von 1960, eine Göricke T38 B von
1938, Panther KS 175 S von 1959, zwischendurch
half ich meinen Vater bei einer NSU Quickly T von
1959. Es folgten eine Manurhin (französischer
Lizenzbau des DKW Hobby Rollers) von 1959,
eine komplett zerlegte ACMA Vespa von 1959,
noch eine Velo Solex von 1955 und eine nervige
Schwalbe von 1983.
Wenn ich nun mal so kurz drüber blicke,
das Jahr 1959 taucht schon sehr oft auf.
Ob das wohl ein Zeichen ist?
Komme ich später noch drauf,
sonst verlier ich hier den Faden.
Ja, schaut nur hin, das bin ICH !
Doch kommen wir zu den nächsten Opfern, den Autos....
Hoppla, fast hätte ich meinen ersten 4-rädrigen Oldie vergessen, einen Mercedes W110 190 DC von
1965, auch Heckflosse genannt. Ihn hatte ich mir von einem sehr zuverlässigen Oldtimerkollegen
meines Großonkels gekauft. Ein Top restauriertes Fahrzeug, mit Fotodokumentation und originalem
Pappbrief.
Alleine der Pappbrief ist sooooooooo viel wert. Die Pappe hätte ich dem Typen damals besser sonst
wo hin gehauen. Ich war voll auf einen Blender reingefallen, ich hatte ja noch keine Ahnung und hatte
mich auf jemanden verlassen, der im Nachhinein betrachtet auch nur ein "Gipser" war und kein
Fachmann. Egal! abgehakt unter Erfahrungen. Ich hatte ja doch viel Spaß mit ihr. So musste sie 3
Jahre später, zusammen mit 1,5 Teileträgern wieder gehen, ich brauchte eine Küche.
Dann war erst mal 'ne Zeit lang Ruhe, aber wie gesagt, einmal von dem Virus infiziert, kommt man so
schnell nicht mehr los.
Es kam, wie es kommen musste.
Ein Sonntagmorgen, 10 Uhr, das Ritual beginnt. Raus aus dem Bett, am Rechner vorbei und
einschalten, danach in die Küche, brauche einen Kaffee, ohne Sprit läuft der beste Motor nicht. Ich
schalte die Maschine ein, drück' den Knopf und das Ding füllt meine Tasse mit einer schwarzen,
wohlriechenden, aromatisch anmutenden Brühe. Ups, Halt, Stopp, ich will ja hier keine Kaffeewerbung
machen. Die Brühe wird noch mit etwas Zucker und Milch verfeinert, nehme einen Schluck und
schlurfe zurück zum Rechner. Erst mal E-Mails checken und dann ab zu Ebay, um da mal wieder die
Amerikanischen Oldtimer zu beäugeln.
Und da, was entdecken meine verschlafenen Augen, einen Ford F1 Pickup von 1948. Nicht nur dass
ich die Kiste ziemlich genial finde, die steht quasi direkt um die Ecke, in 20 km Entfernung. Also:
Telefon geschnappt Verkäufer kontaktiert, für 14 Uhr Termin gemacht. Als ich mittags da ankam und
mir ein netter junger Mann das Garage Tor öffnete, war ich doch sehr nervös.
Vor mir stand ein schwarzes Ungetüm. Breit, Hoch, Lang und doch knuffig. Eine angefangene,
abgebrochene Restauration.
Der Rahmen war verzinkt,
die Bremsen schon gemacht,
ebenso die Achsen. Er war
zu 95 % komplett, der Motor
falsch, die restliche Substanz
auf den ersten Blick gut. Nun
musste ich das Platzproblem
lösen. Ein Plan war schnell
gemacht: Der Wagen sollte
auf einer Pferdekoppel, in einem
Hauszelt zerlegt und
zwischengelagert werden,
Blecharbeiten würde ich bei
meinen Eltern in der Garage
erledigen, danach wieder
alles ins Hauszelt, zusammenschrauben und ab zum
Lackierer. Guter Plan! Gesagt,
getan, ich kauft das Ding,
machte alles wie geplant und es
kam anders. Die Entlackung
der Kabine ging noch, aber an
den Kotflügeln zeigte sich
die ganze Kunst der amerikanischen Karroserie-Instandsetzungs-Kunst. Beim ansetzten
der Flex kam mächtig viel
weißes Pulver zum Vorschein.
Da bis heute kein Drogenschnüffelhund bei meinen Eltern
angeschlagen hat, gehe ich davon aus, dass es sich um Spachtel handelte. Entweder war der Pickup
mal einer Verputzerfirma oder einer der Vorbesitzer wollte einen Trabbi nachbauen. Reine gefühlte 580
kg Spachtel wurden auf 2 Kotflügeln von mir abgetragen und darunter… das Grauen. Egal, Blech lebt,
also Bleche gebaut und reingeschweißt. An den hinteren Kotflügeln, und der Pritsche durfte dann ein
fachmännischer Entlacker ran.
Nachdem das besagte Hauszelt, also das provisorische Zwischenlager durch Witterungseinflüsse
zusammengebrochen war, musste etwas Richtiges her. Ich mietete mit 2 Kollegen eine Werkstatt, das
war aber auch nix, der Vermieter hatte dort immer noch selbst geschraubt und somit war ständig kein
Platz da. Also wieder umziehen. Dieses mal in einen Nachbarort, nur 2 km entfernt, 90qm, herrlich.
Und dann kam es wieder anders.
In der Zwischenzeit hatte ich absolut die Lust am Schrauben verloren. Ständig kam was anderes
dazwischen und es war noch lange keine Ende in Sicht. Also entschloss ich mich: " der Alte muss
gehen!" Ein wirklich netter Herr aus Luxembourg erbarmte sich Seiner.
Nun war der weg frei für was Neues.
Es sollte wieder ein Ami sein, wieder Schnörkel aus den 50´S und natürlich ein Fahrzeug der Ford
Motor Company. Wir arbeiten bei Ford, wir fahren Ford! Aber irgendwie war es wie verhext.
Kaum war mein Pickup weg und ich hatte Geld für was neues, waren auch irgendwie alles
angebotenen interessanten Fahrzeuge im gesamten Internet weg. Das grenzte schon fast an
Verschwörung.
Irgendwann wurde ich aber auf einen EDSEL aufmerksam. Die Marke gehörte zu Ford, war Schnörkel
pur, hat 'ne Geschichte, auch wenn diese kein Happy End hat und... 1959…da war doch was?
Also den Anbieter mal Telefonisch kontaktiert. Das Fahrzeug stand in Regensburg. Der Verkäufer war
zuerst mal erstaunt, dass ich den Namen der Marke
richtig aussprach, jeder andere der ihn vorher anrief
nannte das Fahrzeug immer Esel. Er schickte mir
weitere Bilder des Wagens und schilderte mir alle ihm
bekannten Schwachstellen. Da Regensburg ja vom
Saarland aus nicht gerade ein Katzensprung ist wurde
der Wagen noch von einem Bekannten eines Kollegen
aus Ingolstadt unter die Lupe genommen. Da ist auch
wieder der Beweis, Saarländische Verhältnisse, ich
kenne einen, der kennt einen, der einen kennt.
Dieser Bekannt schickte mir auch Bilder zu und
bestätigte mir alle Schwachstellen. Ich war Feuer und
Flamme.
Als ich den Verkäufer anrief um einen persönlichen Termin zu machen, erzählte mir dieser, dass er am
Wochenende seine Mutter in Saarbrücken besuchen wolle, aber noch keine Mitfahrgelegenheit
gefunden habe.
Moment, Saarbrücken? Ich machte ihm sofort den Vorschlag, dass ich die rote Nummer und den Sprit
von Regensburg bis nach Saarbrücken zahle, sollte mir das Fahrzeug zusagen, zahle ich ihm den Zug
zurück, wenn nicht, dann das Benzin.
Gesagt getan, sonntags drauf sollte es dann soweit sein.
Als ich den Wagen sah, war mir schon klar: "der fährt mit dem Zug nach Hause!"
Vor mir stand ein unverbastelter, unrestaurierter, original Edsel. 5.40m lang und 2 m breit.
Schnuckeliger 3,7 Liter Reihensechzylinder, Chromschnörkel pur….Genial!
In den darauffolgenden Tagen wurde er noch TÜV fertig gemacht und zugelassen. Seitdem Cruist er
mit meiner Freundin und mir durch die Lande, wenn nicht mal wieder ein kleines Technisches
Zipperlein ansteht.
Aber die Technik ist ja das, was an unserem Hobby so begeistert. Ich werde das Schrauben wohl nie
aufgeben können, es ist wie ne Sucht. Man erlebt zwar viele Tiefschläge aber auch viele schöne
Momente, wie z.b. der erste Laut eines alten Motors.
So verbleibe ich mit schrauberfreundlichen Grüßen
Euer Andreas K.
Let the good times roll.