Ameisen - Biologische Station Östliches Ruhrgebiet

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Ameisen - Biologische Station Östliches Ruhrgebiet
BIOLOGISCHE STATION ÖSTLICHES RUHRGEBIET
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44623 Herne
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Ameisen
Eine große WG in der Insektenwelt
Was sind Ameisen
eigentlich?
Ameisen (Formicidae) sind Insekten und
gehören wie Bienen, Wespen und
Hummeln zur biologischen Ordnung der
Hautflügler. Mit Ausnahme der
geschlechtsreifen Männchen und Weibchen sind sie jedoch flügellos. Ameisen sind
erdgeschichtlich sehr alte Lebewesten: Es gab sie schon vor 130 Millionen Jahren!
Wie leben Ameisen?
Weltweit gibt es rund 12000 Ameisenartenarten, von denen in Europa 200
vorkommen. Die häufigste Art in Deutschland ist die Schwarze Wegameise (Lasius
niger), die gern auch in unseren Gärten unter Terrassen oder Gehwegen lebt.
Ebenfalls häuftig verbreitet ist die rote Waldameise (Formica rufa). Ihre markant
großen Hügelnester findet man in unseren heimischen Wäldern.
Alle Ameisenarten bilden Staaten von mehreren Hundert bis Millionen Tieren. Die
meisten Gattungen bauen feste Nester aus Holz und Pflanzenteilen, in denen
zahlreiche Wohnräume durch Gänge miteinander verbunden sind. Es ist
interessant, sich den Trubel in einem großen Nest einmal aus der Nähe
anzuschauen. Allerdings sollten man bei solchen Beobachtungen vorsichtig sein:
Auch wenn die Tiere klein sind, wissen sie sich zu wehren. Ameisen sind schneller
als man denkt und perfekte Kletterer. Im Nu haben sie einen Schuh oder gar ein
ganzes Hosenbein erobert. Sie können bei Gefahr beißen und Ameisensäure
versprühen. Bei Hautkontakt verursacht diese ein brennendes Gefühl. Und die
Rote Gartenameise kann sogar stechen.
Es gibt auch Ameisenarten, die keine festen Nester haben, also nomadisch leben,
und in Raubzügen durch das Land streifen. Alle Ameisenarten aber leben sozial,
wie in einer großen Wohngemeinschaft, und teilen sich die Arbeit, die im
Ameisenstaat anliegt.
Es gibt dabei in jedem Staat drei Kasten von Ameisen: Die fruchtbaren
Königinnen, unfruchtbare Arbeiterinnen und die Männchen. Die Königinnen legen
Eier. Die „Aufgabe“ der Männchen ist es, ihren Samen beim Hochzeitsflug an eine
Jungkönigin weiterzugeben. Die Arbeiterinnen , die den größten Teil des Staates
ausmachen, können anhand ihres „Berufes“ wiederum in drei Gruppen eingeteilt
werden: Die Ammen, die Soldatinnen und die Außenarbeit. Die Ammen kümmern
sich um die Aufzucht und Ernährung der Brut, die Soldatinnen verteidigen das
Nest, und die Außenarbeiter besorgen Futter und Baumaterial für das Nest.
Was fressen Ameisen?
Die meisten Ameisenarten, darunter alle heimischen, sind Allesfresser. Sie ernähren
sich hauptsächlich von Insekten wie Raupen oder Heuschrecken, verspeisen jedoch
außerdem Früchte, Pollen und Samen von Pflanzen. Auch die Ausscheidung von
Blattläusen, der so genannte Honigtau, steht auf ihrem Speiseplan. Deshalb werden
Blattläuse häufig von Ameisen vor Fraßfeinden wie dem Marienkäfer beschützt und
können sich dann fast ungehindert auf den Pflanzen „austoben“.
Eine besondere Ernährungsstrategie zeigen die Blattschneideameisen der Tropen
und Subtropen. Sie zerteilen Pflanzen nicht, um sie selbst zu fressen, sondern um
damit einen besonderen Pilz in ihrem Nest mit Nährstoffen zu versorgen. Die
Ameise selbst ernährt sich dann wiederum nur von diesem eigens gezüchteten Pilz!
Fortpflanzung und Staatenbildung
Es gibt zwei Arten von Ameisenstaaten-Staaten: Mit einer Königin (monogyn) oder
mit mehreren Königinnen (polygyn).
Monogyne Staaten, wie die der Schwarzen Wegameise, sind verhältnismäßig klein
und existieren meist nur so langem wie ihre Königin lebt. Diese kann allerdings je
nach Art bis zu 29 Jahren alt werden. Arbeiterinnen werden hingegen nur 6 Jahre
alt.
Polygyne Staaten, wie der heimischen Roten Gartenameise (Myrmica rubra), können
je nach Art bis zu 5000 Königinnen haben, wodurch die Gesamtbevölkerung in die
Millionen geht. Daher können solche Nester auch 50-80 Jahre bestehen.
Die Paarung (Hochzeitsflug)
Im Juni und Juli begeben sich die geschlechtsreifen Tiere unserer einheimischen
Arten zu einem bestimmten Zeitpunkt auf den sogenannten Hochzeitsflug: Sie
fliegen aus den verschiedenen Nestern auf und finden durch Signalduftstoffe
zueinander. Durch diesen Mechanismus wird der Inzucht entgegengewirkt. Der
Hochzeitsflug dauert einige Stunden, wobei eine Königin von bis zu 40 Männchen
begattet wird. Die bei diesem Flug aufgenommenen Spermien reichen für ihr
ganzes Leben. Nach der Paarung sterben die Männchen. Die Königinnen beißen
hingegen ihre eigenen Flügel ab, suchen sich einen Nistplatz oder kehren, im Falle
eines polygynen Staates, zu ihrem Nest zurück.
Die Gründung eines neuen Staates
Nachdem die befruchtete Königin einen Nistplatz gefunden hat, legt sie die ersten
Kammern an und beginnt mit ihrer einzigen Aufgabe für den Rest ihres Lebens:
Das unablässige Eierlegen. Sie selbst entscheidet dabei, ob aus dem Ei ein
Männchen oder ein Weibchen schlüpft: Männliche Eier werden nicht befruchtet,
weibliche hingegen doch. Bis genügend Arbeiterinnen geboren sind, muss sie sich
selbst um die Versorgung der Brut kümmern. Bei den meisten Arten muss die
Königin das Nest währen der Brutpflege zur Nahrungsaufnahme nicht verlassen:
Sie selbst hat genügend Reserven angefressen und gibt diese dem Nachwuchs von
Mund zu Mund weiter.
Kinderstube
Nach der Eiablage bringen die Ammen die Eier vorsichtig in Brutkammern. Hier
herrscht ein besonderes, feuchtwarmes Klima. Damit die Eier immer sauber
bleiben und nicht austrocknen, lecken die Ammen die Brut ständig ab. Nach ein bis
vier Wochen schlüpfen dann die kleinen Ameisenlarven.
Diese werden weiterhin von den Arbeiterinnen geputzt und nun auch gefüttert,
wobei die männlichen und die weiblichen Larven eine unterschiedliche Kost
bekommen. Nach ca. einer Woche verpuppen sich die Larven.
Die Puppenruhe dauert z.B. bei der Roten Waldameise 14 Tage, sie kann je nach
Art aber auch deutlich länger sein. Während dieser Zeit nehmen die Puppen keine
Nahrung zu sich. Da sie sich während dieser Phase durch ihren Kokon nicht selbst
bewegen können, werden sie im Falle von Gefahr - z.B. starke Sonneneinstrahlung
oder angreifende Räuber - von den Ammen an einen sicheren Ort im Nest
gebracht. Im Voksmund werden diese weißen Puppen oft fälschlich als „AmeisenEier“ bezeichnet.Auch beim Schlüpfen der Puppen stehen ihnen die Ammen zur
Seite: Sie helfen beim Öffnen der derben Puppenhülle. Außerdem beschützten sie
die jungen Ameisen, bis ihr Außenskelett ausgehärtet ist.
Wie weiß jeder, was er zu tun hat?
Die Kommunikation von Ameisen erfolgt hauptsächlich über Duftstoffe. Es gibt
davon verschiedene für unterschiedliche Mitteilungen. So können Ameisen z.B.
eine neue Futterquelle bekannt machen (Ameisenstraße) oder vor Feinden warnen.
Eine weitere Art der Informationsweitergabe erfolgt über Berührung mit den
Antennen. Dieses muss man sich wie einen Morse-Code vorstellen: Je nachdem,
wie oft, wie stark und wo eine Ameise die Antennen einer anderen streift, teilt sie
ihr etwas anderes mit.
Entgegen einer weitläufigen Vorstellung sprechen sich Ameisen beim gemeinsamen
Transport größerer Beute keinesfalls ab. Sie versuchen lediglich, jede für sich, z.B.
gefundene Nahrung zum Nest zu bringen. Die Anzahl der mithelfenden Ameisen
und der konkret eingeschlagene Transportweg zum Nest sind dann jeweils zufällig.
Ameisen zu Hause
Ameisen sind zwar sehr interessante Tiere, jedoch kommen sie manchmal auch
dort vor, wo sie nicht direkt erwünsch sind: In unseren Wohnungen!
Es gibt verschiedenen Möglichkeiten, die kleinen Störenfriede auf natürliche Art
zum Auszug zu bewegen.
Falls die Tiere unbemerkt in Ihrer Wohung obdach gesucht haben, könnten Sie
zum Beispiel einen Blumentopf mit Holzwolle neben das Nest stellen.
Möglicherweise ziehen die Ameisen dann in diesen Topf um und können so im
Garten ausgesetzt werden. Da Ameisen ihrer Reviere gut markieren, sollte der
bewohnte Blumentopf mindestens 10-20 Meter vom alten Nest verfrachtet werden.
Weitere Möglichkeiten bieten sich durch eine Blockade der Duftspur, anhand
welcher sich die Ameisen orientieren. Die Ameisenstraße kann durch ein EssigWasser-Gemisch oder Zimt gestört werden. Auch ein in Zuckerlösung getauchtes
Schwämmchen kann als „Falle“ genutzt werden. Die fressenden Ameisen können
dann als „Päckchen“ z.B. auf den Kompost umgesiedelt werden. Von der Nutzung
von Giften ist abzuraten, da diese auch anderen Tieren, Pflanzen oder gar uns
Menschen schaden können. Am besten versucht man jedoch, den Einzug der
Ameisen ins Heim zu verhindern: Es hilft, den Boden immer sauberzuhalten.
Außerdem sollten keine Lebensmittel offen in der Wohnung liegen. Vor allem
überreifes Obst und Süßigkeiten sind wahre Ameisenmagneten.
Für Ameisenfreunde hier ein Tip:
Heutzutage halten sich viele Menschen Ameisenstaaten in der Wohnung. Und zwar
nicht freilaufend, sondern in Terrarien. So können diese Insekten und ihr
interessantes Verhalten täglich beobachtet werden. Alle Arten haben natürlich
eigene Ansprüche und Anforderungen. Vor der Anschaffung eines solchen
eigenen, kleinen Ameisenstaates muss man sich jedoch bestens über deren Haltung
informieren. Keinesfalls dürfen im Wald oder im heimischen Garten Tiere
entnommen oder gar Königinnen ausgraben werdne, um sie im Terrarium zu
halten. Für die Anschaffung von Königin und Terrarium sowie zur Haltung eines
eigenen Staates gibt es bereits zahlreiche Medien.
Autor: B. Sc. Marc Jens Schmidt (stud. Praktikant)
BIOLOGISCHE STATION ÖSTLICHES RUHRGEBIET, Bochum/Herne 2011