Präsidentschaftswahl in Kroatien (12. Januar 2015) - Hanns
Transcription
Präsidentschaftswahl in Kroatien (12. Januar 2015) - Hanns
POLITISCHER HINTERGRUNDBERICHT Projektland: Kroatien Datum: 12. Januar 2015 Präsidentschaftswahl in Kroatien Bei der Stichwahl am 12. Januar 2015 setzte sich Kolinda Grabar-Kitarovic gegen den amtierenden Staatspräsidenten Ivo Josipovic durch. Die Kandidatin der konservativen HDZ (Kroatische Demokratische Union) kam auf 50,40 Prozent, der sozialdemokratische Kandidat Josipovic auf 49,60 Prozent der Stimmen. Grabar-Kitarovic konnte in 14 von insgesamt 21 Komitaten besser abschneiden, Josipovic nur in sechs. Darüber hinaus unterstützten mehr als 80 Prozent der Auslandskroaten Grabar Kitarovic. In ihrer Rede nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse durch die Wahlkommission bedankte sich die Wahlsiegerin bei allen Wählern und bei ihrer Partei: Sie werde Präsidentin aller Bürger sein, aber weiterhin die konservativen Werte bei ihrer Arbeit verfolgen. Sie betonte die Kernbotschaften ihres Wahlprogramms – den Kampf um den Rechtsstaat und gegen Korruption, eine bessere internationale Stellung Kroatiens, die Erneuerung der partnerschaftlichen Beziehungen mit Ländern wie Deutschland, eine Lösung der offenen Fragen mit Nachbarstaaten, ihre Sorge für die Auslandskroaten. Grabar-Kitarovic war als erfolgreiche Europaministerin bekannt, sie war Außenund Europaministerin, Botschafterin in Washington und stellvertretende NATOGeneralsekretärin für öffentliche Diplomatie. Ihre sonst sanfte Rhethorik ersetzte sie im Wahlkampf durch scharfe, kritische Töne gegen die amtierende Regierung. Die Angriffe des Rivalen Josipovic konnte Grabar-Kitarovic selbstbewusst kontern und ihm als überzeugende, fähige Politikerin begegnen. Dies brachte sie nicht nur in die Stichwahl, sondern auch ins Amt der Staatspräsidentin. Sie wird als Staatspräsidentin am 19. Februar 2015 vereidigt werden, am selben Tag, an dem Josipovic nach genau fünf Jahren aus dem Amt scheiden wird.1 Josipovic gratulierte seiner Rivalin ebenso wie der Ministerpräsident und SDP(Sozialdemokratische Partei Kroatiens) Parteivorsitzende Zoran Milanovic. 1 Quellen: izbori.hr; vecernji.hr; jutarnji.hr; dnevno.hr; novilist.hr; index.hr Hanns-Seidel-Stiftung_Politischer Hintergrundbericht_Kroatien_12. Januar 2015 1 Milanovic meinte, er habe sich geirrt, als er eine höhere Wahlbeteiligung mit einem sicheren Sieg von Josipovic prognostiziert hatte. Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl2 in Kroatien am 28. Dezember 2014 lag der aktuelle Amtsinhaber und SDP-Kandidat Josipovic knapp vor seiner konservativen Rivalin: Ivo Josipovic konnte 38,4 Prozent und die HDZ-Kandidatin Kolinda Grabar-Kitarovic 37,2 Prozent der Wählerstimmen gewinnen. Dies waren die sechsten Präsidentschaftswahlen seit der Unabhängigkeit Kroatiens3. Für das Präsidentenamt kandidierten vier Politiker: die Kandidatin der oppositionellen HDZ, Kolinda Grabar Kitarovic, der SDP-Kandidat und aktuelle Amtsinhaber Ivo Josipovic, der Kandidat des Bundes für Kroatien, Milan Kujundzic, und der Student und Aktivist Ivan Sincic. Die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang lag bei 47,14 Prozent, drei Prozent mehr als 2009. In den zwei Wochen bis zur Stichwahl gelang es beiden Lagern, die Wähler zu mobilisieren, sodass die Wahlbeteiligung am 12. Januar 2015 um gut zehn Prozent höher lag, nämlich bei 58,90 Prozent. Von insgesamt 3.792.638 Wählern machten demnach 2.244.601 Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Der Komponist und Jura-Professor Ivo Josipovic lag in Meinungsumfragen während des Wahlkampfs mit einem deutlichen Vorsprung von über 42 Prozent vor den anderen Kandidaten. Die erfahrene NATO-Diplomatin und ehemalige Botschafterin in Washington, Grabar-Kitarovic, kam auf 28 Prozent der Stimmen. Im Laufe des Wahlkampfs sank die Unterstützung für den Arzt Milan Kujundzic deutlich, der nach seiner Niederlage gegen Tomislav Karamarko (Amt des HDZParteivorsitzenden) im Jahr 2012 die HDZ verlassen hatte. Er konnte nur 6,30 Prozent der Wähler überzeugen. Eine unerwartet hohe Unterstützung bekam der junge Student und Bürgeraktivist Ivan Sincic. Laut Umfragen konnte er mit einer Unterstützung von 11 Prozent rechnen, doch bei der Wahl kam er auf 16,42 Prozent der Wählerstimmen. Obwohl das Präsidentenamt eher die Erfüllung formaler und repräsentativer Aufgaben4 erfordert, boten die Wahlkampfprogramme der Kandidaten verschiedene Lösungsansätze – in erster Linie für die anhaltende Wirtschaftskrise. So setzte sich Josipovic für eine territoriale Neugliederung Kroatiens mit entsprechenden Verfassungsänderungen ein. Statt in Komitate will er das Land in fünf bis acht Regionen mit großer Selbstständigkeit einteilen. Dazu soll der 2 Der Staatspräsident in Kroatien wird bei einer Direktwahl für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Der Präsident kann höchstens zweimal gewählt werden. Er wird durch die Mehrheit aller Wähler, die ihre Stimme abgegeben haben, gewählt. Sollte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen, soll in zwei Wochen eine Stichwahl stattfinden, bei der die zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang zur Wahl stehen. Nach der Wahl legt der Präsident seine Parteimitgliedschaft nieder. Jeder Kandidat muss der Staatlichen Wahlkommission eine offizielle Kandidatur mit mindestens 10.000 Wählerunterschriften übergeben. 3 Zu Zeiten des ersten Staatspräsidenten Tudjman in den 90er Jahren, der zweimal gewählt wurde, hatte Kroatien ein halbpräsidiales System. Die Befugnisse des Staatspräsidenten wurden mit der Verfassungsänderung 2000 eingeschränkt. Stjepan Mesic wurde 2000 und 2005 gewählt, Ivo Josipovic wurde 2010 zum Präsidenten gewählt. 4 Die Befugnisse des Staatspräsidenten liegen im Bereich Verteidigung, innere Sicherheit und Außenpolitik, diese Politik gestaltet er mit dem Ministerpräsidenten zusammen . Hanns-Seidel-Stiftung_Politischer Hintergrundbericht_Kroatien_12. Januar 2015 2 Staatsapparat schrumpfen. Dies alles hat das Ziel, einen Wirtschaftsaufschwung im Lande anzuregen. Grabar-Kitarovic will sich für eine wirtschaftliche Wiederbelebung des Landes einsetzen, in dem sie als Staatspräsidentin eine aktive Rolle und einen permanenten Dialog mit der Regierung anstrebt. Der politisch eher unbekannte Bürgeraktivist Sincic übte Kritik an den Banken, die zahlreiche Bürger in die Schuldenfalle getrieben hätten. Darüber hinaus setzte er sich für den Austritt Kroatiens aus der EU und der NATO ein. In erster Linie konnte er mit dem sozialen Teil seines Programms 16 Prozent der Wähler mobilisieren. Der angesehene Arzt Kujundzic berief sich in seinem Wahlprogramm auf die Gründungszeit Kroatiens in den 90er Jahren und appellierte an die Nationalgefühle. Dazu befürwortete er unter anderem umfangreiche Verfassungsänderungen, die Verwaltungsreform, die Abschaffung des Zwangsvollstreckungsgesetzes. Er schonte im Wahlkampf verbal seine Gegenkandidaten nicht, was die Bürger nicht honorierten: Er konnte lediglich 6 Prozent der Wähler überzeugen. Das Wahlergebnis war eine Überraschung für den Amtsinhaber, da er mit einem Sieg im ersten Wahlgang gerechnet hatte. Dafür sprachen auch die Meinungsumfragen. Als SDP-Kandidat musste er aber die Unzufriedenheit der Bürger mit ihrem niedrigen Lebenstandard als Folge der Wirtschaftskrise auf sich nehmen. Den Konflikt im Wahlkampf mit Ministerpräsident Milanovic, der sein Wahlkampfprogramm kritisiert hatte, konnte Josipovic nicht lösen. Milanovic versuchte seit 2013 eine indirekte Wahl des Präsidenten einzuführen, wogegen sich Josipovic wehrte. Josipovic hingegen kritisierte die Regierung aufgrund des Versagens bei der Wirtschaftspolitik. Ebenso wurde Josipovic zum Teil das Scheitern seines Wahlprogramms „Neue Gerechtigkeit“ aus dem Wahlkampf 2009 zur Last gelegt. Zudem haben zahlreiche Korruptionsskandale die SDP und ihre Koalitionspartner HNS erschüttert. Zahlreiche Politiker dieser Parteien müssen sich vor Gericht gegen Korruptionsvorwürfe wehren und sich dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs stellen. Die allgemeine Politikverdrossenheit kam dem jungen Aktivisten zugute, der sich nun als neue politische Kraft für die nächsten Parlamentswahlen, voraussichtlich Ende des Jahres, zu etablieren versucht. Aleksandra Markic Boban Die Autorin ist Büroleiterin der Hanns-Seidel-Stiftung in Zagreb, Kroatien IMPRESSUM Erstellt: 12. Januar 2015 Herausgeber: Hanns-Seidel-Stiftung e.V., Copyright 2015 Lazarettstr. 33, 80636 München Vorsitzende: Prof. Ursula Männle, Staatsministerin a.D. Hauptgeschäftsführer: Dr. Peter Witterauf Verantwortlich: Dr. Susanne Luther, Leiterin des Instituts für Internationale Zusammenarbeit Tel. +49 (0)89 1258-0 | Fax -359 E-Mail: [email protected], www.hss.de Hanns-Seidel-Stiftung_Politischer Hintergrundbericht_Kroatien_12. Januar 2015 3