Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin
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Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin
Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Jiri Kandeler E-Mail: [email protected] WS 2014/2015 Matrikelnummer 08142022 der ASH Berlin Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades eines Masters in Sozialmanagement an der Alice Salomon Hochschule Berlin Thema der Arbeit: „Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin“ Erstleser: Prof. Dr. David Kramer Zweitleser: Dr. Friedrich Haunert Berlin, den 26.2.2015 1 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung................................................................................................................ 3 2. Forschungsstand....................................................................................................5 3. Was ist Korruption?.................................................................................................6 3.1. Wie gefährlich ist Korruption?........................................................................10 3.2. Wachsende Gefahr durch Korruption?...........................................................13 3.3. Korruption als Rahmenbedingung der Sozialen Arbeit...................................14 3.4. Wer ist korrupt?..............................................................................................19 4. Korruptionsbekämpfung seit 1990.........................................................................21 4.1. Korruption und Korruptionsbekämpfung in Berlin...........................................22 5. Empirischer Teil.....................................................................................................24 5.1. Methode der Untersuchung............................................................................24 5.2. Berlin und seine Bezirke.................................................................................27 5.3. Themenblock 1: Korruption............................................................................28 5.4. Themenblock 2: Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung............................34 5.4.1. Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung.................................................35 5.4.2. Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung......................................................40 5.4.3. Ombudsperson......................................................................................44 5.4.4. Gefährdungsatlas..................................................................................52 5.4.5. Personalrotation....................................................................................53 5.4.6. Schulungen und Fortbildungen..............................................................55 5.4.7. Antikorruptionsbeauftragter...................................................................57 5.4.8. Verhaltenskodex....................................................................................59 5.4.9. Weitere Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung...............................60 5.5. Themenblock 3: Die BVV und Korruptionsbekämpfung..................................67 5.6. Themenblock 4: Meinungen und Einschätzungen der Befragten...................76 6. Fallbeispiel: Korruptionsbekämpfung in Reinickendorf..........................................80 7. Zusammenfassung und Diskussion......................................................................86 7.1. Zusammenfassung.........................................................................................86 7.2. Diskussion......................................................................................................87 8. Literaturverzeichnis..............................................................................................94 9. Erklärung über das selbständige verfassen der Arbeit.......................................100 2 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Anhang 1: Abbildungen.............................................................................................Seite Abb. 1: Funktion der Nehmer bei Korruptionsdelikten.........................................................1 Abb. 2: Empfohlene Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung..........................................1 Abb. 3: Verbreitung von Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung in Behörden................2 Abb. 4: Branchenzugehörigkeit der Nehmer bei Korruptionsdelikten..................................3 Abb. 5: Anteil der intransparenten Parteispenden 2011 nach Parteien...............................3 Abb. 6 u. 7. Korruptionsindikatoren und Prüfansätze..........................................................4 Anhang 2: Tabelle Antikorruptions-Maßnahmen in den Berliner Bezirken Anhang 3: Muster-Fragebogen Korruptionsbeauftragte Anmerkung: Durch neue Erkenntnisse sah ich mich genötigt, mehrere Nachträge und Korrekturen als Fußnoten in diese Arbeit nachträglich einzufügen. Diese sind: Fußnote 81 auf Seite 31, Fußnote 156 auf Seite 66, Fußnote 183 auf Seite 80, Fußnote 187 auf Seite 83, Fußnote 188 auf Seite 84 und Fußnote 191 auf Seite 85 (der Autor, 16.4.2015). 3 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 1. Einleitung „Wir sind gut, wollen aber noch besser werden!“ Dies verkündete Berlins Justizsenator Thomas Heilmann stolz in einer Pressemitteilung am 3.12.2014 zum Thema Korruptionsbekämpfung in Berlin.1 Diese selbstbewusste Mitteilung bezog sich vermutlich auf die Korruptionsbekämpfung in Berlin auf Landesebene. Ob Herr Heilmann mit seiner Feststellung richtig liegt, sei dahingestellt. Fest steht aber, dass er die Korruptionsbekämpfung in Berlin auf Bezirksebene von seinem Urteil ausgeklammert haben muss. Sonst wäre er sehr wahrscheinlich zu einem anderen Urteil gekommen. Wie gut die Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken funktioniert, soll im Rahmen dieser Arbeit überprüft werden. Korruption hat in Berlin eine lange Tradition, der sogenannte „Berliner Filz“ (West-)Berlins war schon in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts weit über Berlin hinaus berüchtigt. Dagegen ist die Berliner Korruptionsbekämpfung in ihrer heutigen Form erst vor rund zwanzig Jahren entstanden, als eine Arbeitsgruppe der Berliner Senatsverwaltung erstmals eine Richtlinie zur Korruptionsbekämpfung für Berlin ausarbeitete.2 Diese Richtlinie zur Korruptionsbekämpfung galt zum Zeitpunkt ihrer Einführung als besonders fortschrittlich, und man setzte große Hoffnung in ihre Wirksamkeit. Eine Bilanz für die letzten zwanzig Jahre möchte ich im Rahmen dieser Arbeit nicht ziehen. Vielmehr möchte ich untersuchen, welche Maßnahmen und Instrumente der Korruptionsbekämpfung auf Bezirksebene sich bewährt haben und welche nicht. Und ich möchte in Erfahrung bringen, wie sich die bezirkliche Korruptionsbekämpfung in Berlin seitdem weiterentwickelt hat. Im Fokus dieser Arbeit steht die Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene, in den zwölf Berliner Bezirken. Diesen Schwerpunkt setze ich aus zwei Gründen: Zum einen ist die kommunale Ebene in der Korruptionsforschung ein vergleichsweise wenig erforschtes Gebiet. Und zum anderen gibt es – paradoxerweise – nach Meinung vieler Korruptionsforscher und Sachverständiger in der Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene die größten Defizite, verglichen mit Bundes- und Landesebene. „In deutschen Kommunen ist das Korruptionspotential besonders groß, weil hier das Schwergewicht der Verwaltung und der größte Teil der öffentlichen Institutionen (einschließlich Bautätigkeit) 1 Senatsverwaltung für Justiz, Pressemitteilung Nr. 46/2014 vom 3.12.2014, http://www.berlin.de/sen/justiz/presse/archiv/20141203.1045.400476.html, Zugriff am 2.2.2015 2 Senat von Berlin: Richtlinien für die Einrichtung einer Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung in der Hauptverwaltung, Senatsbeschluss Nr. 1618/98 vom 18.8.1998, http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/justiz/richtlinien_korruptionspraeve ntion.pdf?start&ts=1129811984&file=richtlinien_korruptionspraevention.pdf, Zugriff am 2.2.2015 4 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin liegt. Die Kleinteiligkeit und Übersichtlichkeit der Kommune, die Nähe von Verwaltung und Wirtschaft bilden zudem einen geeigneten 'Nährboden' für dauerhafte Netzwerke zwischen Politik, Wirtschaft und Medien, die auch korrupten Praktiken Vorschub leisten. Andererseits sind hier die Kontrollen besonders schwach ausgeprägt.“3 Da ich meine Masterarbeit im Studiengang Sozialmanagement schreibe, möchte ich an dieser Stelle den Bezug zur Sozialen Arbeit erklären. Die Kommunen sind wichtige Auftraggeber und Partner für freie Träger und private Unternehmen der Sozialen Arbeit. Im Sozialen Sektor gibt es ebenso wie im Baugewerbe bundesweit Aufträge, Vergaben und Subventionen in Milliardenhöhe. Mit der Auslagerung vormals staatlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge, mit Privatisierungen und der Einführung von Wettbewerb und Marktwirtschaft im Sozialen Sektor hat es zudem einen beispiellosen Wandel im Sozialen Bereich gegeben, der zweifellos auch Auswirkungen auf die Entwicklung von Korruption haben musste. Diverse Korruptionsskandale in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass Korruption in der Sozialen Arbeit ein möglicherweise wachsendes Problem darstellt. Insbesondere auf kommunaler Ebene gibt es eine Vielzahl von Schnittstellen zwischen Ämtern und freien Trägern der sozialen Arbeit. Korruption und Korruptionsbekämpfung zählen damit zu Korruptionsforschung den Rahmenbedingungen großen Nachholbedarf. sozialer Mit Arbeit. meiner Hier hat Arbeit die zur Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken möchte ich einen Beitrag dazu leisten, diese Forschungslücke zu schließen. Diese Arbeit hat einen theoretischen und einen empirischen Teil. Im theoretischen Teil möchte ich einen kurzen Überblick geben über die Themen Korruption und Korruptionsbekämpfung in Deutschland. Dabei gehe ich auch auf den Bezug zur Sozialen Arbeit ein. Im empirischen Teil möchte ich die Ergebnisse einer Umfrage unter Korruptionsbeauftragten in den Berliner Bezirken vorstellen, die ich für diese Arbeit gemacht habe. Das Thema Korruptionsbekämpfung habe ich mir nicht zufällig ausgewählt. Im Rahmen meiner Tätigkeit bei einem freien Träger der Jugendhilfe in Berlin bin ich wiederholt mit dem Thema Korruption konfrontiert worden. Einen Fall habe ich dieser Arbeit als Fallbeispiel hinzugefügt. In meinen persönlichen Erfahrungen mit Korruption ist auch mein wissenschaftlicher Ansatz begründet: Wissenschaft dient nicht nur dem Schaffen von Wissen. Die Wissenschaften – und die Gesellschaftswissenschaften im Besonderen haben immer auch die Funktion, Mittel und Wege zu finden, um die Lebensbedingungen 3 Arnim, Hans Herbert von (HG): Korruption. Begriff, Bekämpfungs- und Forschungslücken. FÖV Discussion Paper 33, 2. Auflage, Speyer: Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, 2006, S. 41 5 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin der Menschen zu verbessern. In diesem Sinne betrachte ich es als meine Aufgabe, im Rahmen dieser Arbeit nicht nur rein deskriptiv einen Sachverhalt zu schildern sondern auch Realitäten kritisch zu hinterfragen, Stellung zu beziehen und Lösungsvorschläge zu machen. 2. Forschungsstand „Über politische Korruption wird viel geschrieben, aber nicht allzu oft von deutschen Politikwissenschaftlern. Zwar hat sich die genuin politikwissenschaftliche Korruptionsforschung in den letzten ca. 20 Jahren … wesentlich intensiviert, doch sie ist immer noch ein eher randständiger Forschungsbereich, zumindest in der Bundesrepublik.“4 Die Korruptionsforschung ist ein wachsender Forschungszweig. Aber sie ist eine junge Disziplin mit immer noch großen Forschungslücken. Die meisten Arbeiten in Deutschland zum Thema Korruption bis in die neunziger Jahre letzten Jahrhunderts entstanden im Kontext der Entwicklungshilfe. Erst in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts rückte auch die Korruption in Deutschland in größerem Maße in den Fokus der Korruptionsforschung. - nachdem immer häufiger Korruptionsfälle in deutschen Behörden aufgedeckt wurden.5 1995 wurde die erste große empirische Studie zu Korruption in Deutschland gemacht. 6 Bis heute gibt es in Deutschland nur eine überschaubare Zahl von Korruptionsforschern an deutschen Hochschulen. Vorangetrieben wird die Korruptionsforschung insbesondere vom Wissenschaftlichen Arbeitskreis von Transparency International Deutschland.7 Vergleichsweise unerforscht ist das Thema Korruption und Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene. Empirische Untersuchungen dazu sind Mangelware. Zum Thema Korruption in Berlin gibt es einige journalistische Publikationen, die sich mit den verschiedenen Korruptionsskandalen der Berliner Politik befassen. Wissenschaftliche Arbeiten zu Korruption oder Korruptionsbekämpfung in Berlin konnte ich im Rahmen meiner Recherche nicht finden, auch nicht an den Berliner Universitäten. Die einzige empirische Arbeit zum Thema Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken, die ich finden konnte, ist ein achtseitiger Bericht von Transparency International aus dem Jahr 4 Wolf, Sebastian: Politikwissenschaftliche Korruptionsforschung. In: Graeff, Peter; Grieger, Jürgen (HG): Was ist Korruption? Nomos Verlagsgesellschaft. Baden-Baden 2012. S. 113. 5 Vgl. Der Spiegel Nr. 27/1988: Wer etwas geschickt ist, fällt nicht auf. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13528026.html, Zugriff 22.2.2015 6 Vahlenkamp, Werner; Knauß, Ina: Korruption - hinnehmen oder handeln? BKA-Forschungsreihe Band 33. Bundeskriminalamt Wiesbaden, Wiesbaden 1995. 7 s. http://www.transparency.de/Korruptionsforschung.1051.0.html, Zugriff 12.2.2015 6 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 2008, in welcher die Instrumente und Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken abgefragt werden.8 Die Themen Effizienz oder Wirksamkeit von Korruptionsbekämpfung und -prävention sind – zumindest in Deutschland – scheinbar kaum erforscht. Inwiefern einzelne Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung und -prävention in Deutschland greifen und wirken, dazu konnte ich bei meiner Recherche keine empirischen Studien finden. 3. Was ist Korruption? "Stiehlt einer ein Geldstück, dann hängt man ihn. Wer öffentliche Gelder unterschlägt, wer durch Monopole, Wucher und tausenderlei Machenschaften und Betrügereien noch so viel zusammenstiehlt, wird unter die vornehmen Leute gerechnet" (Erasmus von Rotterdam).9 Gemäß Transparency International ist „Korruption … der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“10 Das hört sich zunächst einfach an, ist aber natürlich viel komplexer als diese wenigen Worte es ausdrücken können. Tatsächlich ist Korruption so vielseitig und der Begriff so schwer zu fassen, dass es keine genaue Definition des Korruptionsbegriffes geben kann.11 Die zunächst wichtigste Feststellung ist vermutlich, dass Korruption nicht notwendigerweise eine verbotene Handlung beschreibt. „Ein Kennzeichen dieses Begriffes (der Korruption, Anm. d. Autors) ist, dass er nicht auf eine bestimmte Gesetzeslage abhebt, also auch dann erfüllt sein kann, wenn die Handlung … 'ganz legal', also gesetzlich nicht verboten ist.“12 Bis vor kurzem noch war beispielsweise die Bestechung von Abgeordneten legal. Diese wurde erst 2014 verboten (mit einem Gesetz, dass übrigens weiterhin Spenden an Abgeordnete erlaubt).13 Vor gar nicht allzu langer Zeit war es ferner noch möglich, Bestechungsgelder für Bestechungen im Ausland in Deutschland steuerlich geltend zu machen. Das Strafrecht betrachtet nur eine Reihe von Handlungen als „Korruption“ (v.a. §331 StGB 8 Transparency International e.V.: Bericht von Transparency International Deutschland zur Korruptionsprävention in den Berliner Bezirken. Berlin, 2008. http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Verwaltung/Korruptionspraevention_Bln_Bezirk e_2008-02-29.pdf, Zugriff 12.2.2015 9 Zit. nach Leyendecker, Hans: Korruption. Spiegel der politischen Kultur. In: Politik und Zeitgeschichte, Nr. 03/2009. Berlin: Bundeszentrale für politische Bildung, 2009. http://www.bpb.de/apuz/32240/korruption-spiegel-der-politischen-kultur-essay?p=all, Zugriff 12.2.2015. 10 http://www.transparency.de/was-ist-korruption.2176.0.html , Zugriff 12.2.2015 11 Vgl.Graeff,Peter;Grieger,Jürgen: Was ist Korruption? Nomos Verlag,Baden-Baden 2012. S. 4-11 12 Arnim, Hans Herbert von: Begriff und systemische Defizite in der Korruptionsbekämpfung: In: Defizite in der Korruptionsbekämpfung. Duncker und Humblodt. Berlin 2009. S. 10 13 http://www.transparency.de/Bestechung-von-Abgeordneten.734.0.html , Zugriff 18.12.2014. 7 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Vorteilsannahme, §333 StGB Vorteilsgewährung, §332 StGB Bestechlichkeit, §334 StGB Bestechung und § 108e StGB Abgeordnetenbestechung). Damit eng verbunden sind weitere, „verwandte“ Delikte, beispielsweise §263 die nicht direkt unter den Korruptionsbegriff fallen wie StGB Betrug, §266 StGB Untreue und §298 StGB Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen. Es ist also festzuhalten, dass nicht „Korruption“ an sich verboten ist sondern lediglich bestimmte korrupte Handlungen. Dazu kommt, dass nicht das gleiche Recht für alle gilt: Das Recht unterscheidet unter anderem zwischen Amtsträgern und Mandatsträgern. Einiges, was einem Amtsträger streng verboten ist, ist dem Mandatsträger erlaubt.14 Ein anderes Problem bei der Definition des Korruptionsbegriffes ist, dass sich durch neue Gesetze die Grenze zwischen legal und illegal immer wieder verschiebt. Zwischen „legaler“ und illegaler Korruption gibt es ferner eine große Grauzone von Handlungen, die sich der Definition entziehen, weil sich die korrupte Handlung im Geheimen vollzieht und nicht beweisbar ist. Als Beispiel sei hier die weit verbreitete Praxis der „Vortragshonorare“ und „Beraterhonorare“ genannt. Unternehmen zahlen Politkern mitunter unverhältnismäßig hohe Honorare für Vorträge zu offiziellen Anlässen oder „Beraterhonorare“ für undefinierte Beratungsleistungen. Ob inoffiziell doch eine Gegenleistung erfolgt, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. So zahlte beispielsweise der Medienunternehmer Leo Kirch an den ehemaligen Bundeskanzler Kohl ein Beraterhonorar in Höhe von 600.000,00 DM, die Beratungsleistung erschöpfte sich dabei in mehreren Gesprächen unter vier Augen.15 Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück bekam 2011 für eine Rede beim "Atriumtalk" der Stadtwerke Bochum 25.000,00 € Honorar.16 Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder wechselte nach seiner Amtszeit zum russischen Gaslieferanten Gazprom für ein Jahresgehalt von 250.000,00 €.17 Zuvor hatte er sich als Kanzler für den Bau der Ostseepipeline für den Transport von russischem Erdgas nach Deutschland stark gemacht. Den russischen Präsidenten Putin lobte er damals wiederholt 14 Vgl. Niehaus, Holger: Annäherung an einen Korruptionsbegriff des (deutschen) Strafrechts. In: Graeff, Peter; Grieger, Jürgen (HG): Was ist Korruption? Nomos Verlagsgesellschaft, BadenBaden, 2012. S. 64-65 15 Frankfurter Allgemeine, 31.7.2003. http://www.faz.net/aktuell/politik/panorama-ardveroeffentlicht-kohls-beratervertrag-bei-kirch-1114474.html, Zugriff 12.2.2015 16 Spiegel Online, 26.6.2014. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/steinbrueck-ex-spdkanzlerkandidat-haelt-weiter-vortraege-gegen-honorar-a-977555.html, Zugriff am 18.12.2014. 17 Die Welt, 30.3.2006. http://www.welt.de/wirtschaft/article207771/Gazprom-Job-250-000-EuroJahresgehalt-fuer-Gerhard-Schroeder.html, Zugriff 12.2.2015 8 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin als „lupenreinen Demokraten“.18 Der frühere FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel soll mehr als 40 Parteifreunde in seinem Ministerium mit Posten versorgt haben.19 Im Volksempfinden werden diese Beispiele als Korruption wahrgenommen, strenggenommen sind sie es nicht, da kein unmittelbarer Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung nachweisbar ist. Da gemäß Unschuldsvermutung jedermann unschuldig ist, bis das Gegenteil bewiesen ist, darf man in diesen Fällen also von Korruption sprechen? Man darf. Strafbarkeit kann – wie bereits festgestellt – keine Voraussetzung für den Korruptionsbegriff sein. In diesen Fällen ist der mögliche oder wahrscheinliche Gewissenskonflikt der bestimmende Faktor. Der Korruptionsforscher Hans Herbert von Arnim spricht auch von „Legalkorruption“.20 Legal und Illegal sind aber nicht die einzigen Unterscheidungen beim Korruptionsbegriff. Die Korruptionsforschung unterteilt in eine Vielzahl verschiedener Formen von Korruption, von denen exemplarisch hier nur einige genannt seien. Die oben angeführten Beispiele zählen zur politischen Korruption. Dazu zählen auch Ämterpatronage und Nepotismus (Vetternwirtschaft). Durch politische Korruption wird der demokratische Entscheidungsfindungsprozess ausgehebelt, das macht sie besonders gefährlich. Politische Korruption ist weit verbreitet und wird selten bestraft, unter anderem weil Mandatsträger im Gegensatz zu Amtsträgern vieles dürfen. Das Bundeskriminalamt unterscheidet zwischen situativer und struktureller Korruption. Nicht geplante, korrupte Handlungen werden als situative Korruption bezeichnet. Dabei handelt es sich meist um Einzelfälle, die sich aus einer Situation heraus ergeben, wie beispielsweise der spontane Bestechungsversuch eines Polizeibeamten bei einer Fahrzeugkontrolle.21 Statistisch spielen diese Fälle eine untergeordnete Rolle. Der Begriff strukturelle Korruption beschreibt eine über einen längeren Zeitraum gewachsene, teilweise über Jahrzehnte aufrechterhaltene, korrupte Beziehung zwischen zwei oder mehr, gelegentlich weit über 100, Personen. Dies wäre beispielsweise eine längerfristige Beziehung zwischen einem Sachbearbeiter in der Bauverwaltung und einem Bauunternehmer mit dem Zweck, dem Bauunternehmer gegen Schmiergeldzahlung 18 Frankfurter Allgemeine, 7.3.2012. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nach-der-wahl-inrussland-schroeder-putin-weiter-lupenreiner-demokrat-11675278.html, Zugriff 12.2.2015 19 Die Taz, 3.5.2013. http://www.taz.de/!115702/, Zugriff 15.2.2015 20 Arnim, Hans Herbert von: Korruption: Begriff und systemische Defizite in der Korruptionsbekämpfung. In: Arnim, Hans Herbert von (HG): Defizite in der Korruptionsbekämpfung und der Korruptionsforschung. Berlin: Duncker&Humblot, 2009. S. 11 21 Bannenberg, Britta; Schaupensteier, Wolfgang: Korruption in Deutschland. Portrait einer Wachstumsbranche. Verlag C.H. Beck. München 2004. S. 31. Vgl. a. Bundeskriminalamt: Korruption Bundeslagebild 2013, Bundeskriminalamt, Wiesbaden 2014, S. 5. 9 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin öffentliche Aufträge zu verschaffen. Dazu zählen aber auch größere, korrupte Netzwerke von mehreren Unternehmen und mehreren Verwaltungsangestellten, in denen über Kartellabsprachen die Preise für öffentliche Aufträge künstlich hoch getrieben werden und andere Unternehmen von der Auftragsvergabe systematisch ausgeschlossen werden. “Rund 86 % der Verfahren fallen in den Bereich der strukturellen Korruption mit längerfristig angelegten korruptiven Beziehungen. Der Anteil der Verfahren aus dem Bereich der situativen Korruption liegt mit einem Anteil von rund 14 % innerhalb der Bandbreite der Vorjahre (zwischen 11 und 15 %)“.22 Für Mandatsträger gibt es keine klare Grenze, wo Korruption anfängt und wo sie aufhört. Lobbyismus ist ein akzeptierter Bestandteil unseres politischen Systems. Aber Lobbyismus bewegt sich oft im Grenzbereich zu Korruption – wo Handlungen noch legal sind aber ethisch von zweifelhaftem Charakter wie beispielsweise lukrative Nebentätigkeiten oder großzügige Geschenke. So erhielt beispielsweise bis 2004 der Bürgermeister von Wolfsburg ganz legal vom dort ansässigen Unternehmen Volkswagen ein monatliches Gehalt sowie einen Dienstwagen.23 Nebentätigkeiten sind Politikern bis heute erlaubt. Zu genauen Angaben über Vergütung oder Arbeitgeber sind sie nicht verpflichtet. Für Amtsträger ist die Grenze klarer geregelt: Nebentätigkeiten müssen genehmigt werden, teilweise sind sie verboten. Geschenke, Blumensträuße oder Einladungen zu Essen zählen zum gesellschaftlich üblichen, freundlichen Miteinander. Solange die Geschenke „angemessen“ sind, nimmt niemand daran Anstoß. Was angemessen ist, darüber lässt sich natürlich trefflich streiten. Der Gesetzgeber behilft sich mit festgelegten Bagatellgrenzen, die sich in allen Verwaltungsrichtlinien zur Annahme von Geschenken wiederfinden. Im vergangenen Jahr wurde beispielsweise eine Berliner Lehrerin wegen Korruption (Vorteilsannahme) zu 4.000,00 € Strafe verurteilt, weil sie von ihrer Schulklasse ein Geschenk im Wert von 198,00 € angenommen hatte. Gemäß Richtlinien über die Annahme von Geschenken wäre ein Geschenkwert von 15 € angemessen gewesen.24 Wegen eines Geschenks im Wert von 198,00 € ist noch nie ein Abgeordneter belangt worden. Soviel zum Korruptionsbegriff. Im Rahmen dieser Arbeit geht es in erster Linie um die strafrechtlich relevante, illegale Korruption in der Verwaltung und ihre Bekämpfung. Die 22 Bundeskriminalamt: Korruption Bundeslagebild 2013,Bundeskriminalamt,Wiesbaden 2014, S. 5. 23 Spiegel Online, 6.1.2005. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gehaelteraffaeren-das-whois-who-der-doppelverdiener-a-335724.html, Zugriff 18.2.2015 24 Spiegel Online, 7.1.2015. http://www.spiegel.de/schulspiegel/berlin-lehrerin-unterkorruptionsverdacht-wegen-schuelergeschenk-a-1011666.html, Zugriff 15.2.2015 10 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Auseinandersetzung mit dem Korruptionsbegriff offenbart allerdings bereits an dieser Stelle, dass eine derart beschränkte Korruptionsbekämpfung eigentlich unzureichend ist, weil damit viele korrupte Handlungen – insbesondere die politische Korruption – von der Korruptionsbekämpfung ausgespart werden. „Korruption funktioniert, wenn die Beteiligten wie in einem Ameisenhaufen zusammenwirken: Es gibt keine (schriftlichen) Befehle, Hierarchieebenen sind nicht festgelegt – und dennoch funktioniert alles so, wie die Beteiligten es sich vorstellen. Widerstände oder auch Eindringlinge – etwa aus den Reihen der Prüfungsämter – werden gemeinsam bekämpft und nach Möglichkeit gebrochen bzw. vernichtet, damit das Gesamtwerk nicht gefährdet wird.“25 3.1. Wie gefährlich ist Korruption? Zunächst ist festzustellen, Korruption ist kein ausschließlich negativ besetzter Begriff. Bestechungsgelder für Entscheidungsträger im Ausland konnten vor nicht allzu langer Zeit als „nützliche Aufwendungen“ von der Steuer abgesetzt werden. Daraus lässt sich ablesen, dass Korruption sogar ein Nutzen zugesprochen wurde. Korruption wird mitunter auch damit gerechtfertigt, dass sie politische oder administrative Entscheidungen und Prozesse beschleunigt und dadurch positive wirtschaftliche Entwicklungen in Fahrt bringt – nach dem Motto, „Maschinen müssen geschmiert werden, damit sie laufen“. Diese Rechtfertigung ist aber sachlich falsch. Korruption kostet Volkswirtschaften Milliarden, sie bremst wirtschaftliches Wachstum. Das gilt nicht nur für sogenannte Entwicklungsländer, wo korrupte Eliten vielerorts ihr Land bis zur völligen Verarmung ausbluten ließen bzw. lassen, sondern es gilt auch für die sogenannten entwickelten, reichen Länder. Ich habe auch schon das Argument gehört, dass Überregulierung und übermäßige Kontrolle von Unternehmen negative Standortfaktoren seien. Darum soll es im Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen ökonomisch sinnvoll sei, ein gewisses Maß an Korruption zuzulassen. Auch das ist nicht korrekt. Tatsächlich ist Rechtssicherheit für Unternehmen ein wesentlich wichtigerer Standortfaktor. Von einem Kontrolldefizit profitieren nur die korrupten Unternehmen, die ehrlichen werden geschädigt, die Verwaltung und die Steuerzahler sowieso. Es wird gelegentlich auch behauptet, die Kosten für Korruptionsbekämpfung wären in keinem Verhältnis zum Ausmaß des Schadens durch Korruption. Diese Behauptung ist ebenfalls nicht haltbar. In einer Studie von PricewaterhouseCoopers und der Martin25 Fiebig, Helmut; Junker, Heinrich: Korruption und Untreue im öffentlichen Dienst. Erkennen – Bekämpfen – Vorbeugen. 2. Auflage, Berlin: Erich-Schmidt Verlag, 2004. S. 18 11 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Luther-Universität Halle-Wittenberg aus dem Jahr 2010 wird der direkte finanzielle Schaden für die Verwaltung durch Korruption in Deutschland auf über zwei Milliarden Euro jährlich geschätzt.26 Aber das ist noch nicht alles. Korruption ist ein Verbrechen, strukturelle Korruption gleicht organisierter Kriminalität. Korruption untergräbt das gesellschaftliche Wertesystem, die Rechtsstaatlichkeit und die demokratische Entscheidungsfindung im politischen System. Wenn immer mehr Menschen im Lande nicht mehr wählen gehen oder sich obskuren Bewegungen anschließen, dann liegt das unter anderem auch daran, dass diese Menschen unser politisches System für korrupt halten. Die Sicherheit und die Gesundheit von Menschen werden durch Korruption auf vielfältige Weise bedroht: Wenn Gutachter oder Kontrolleure bei Sicherheitskontrollen wegsehen, wenn Sicherheitsstandars nicht eingehalten werden, wenn am Bau gepfuscht wird, und dennoch eine Bauabnahme erfolgt, oder wenn Führerscheine an fahruntüchtige Fahranfänger verhökert werden oder TÜV-Plaketten für fahruntaugliche Fahrzeuge. Korruption kann Korruptionsskandal Menschenleben am Berliner kosten. Kürzlich Herzzentrum durch ging die beispielsweise Medien. Dort ein wurden Organspender-Wartelisten gegen Schmiergeldzahlungen manipuliert. Ob möglicherweise Kranke auf diesen Wartelisten gestorben sind, weil sie aufgrund der Manipulation der Wartelisten nicht rechtzeitig ein neues Organ erhalten haben, wird derzeit untersucht.27 Korruption bedroht aber nicht nur jeden Einzelnen, sie gefährdet auch die Souveränität und die Sicherheit eines Landes insgesamt, auch in Deutschland: Unter anderem sind diverse Fälle von Bestechung von Bundestagsabgeordneten durch die StaSi 28 dokumentiert. In Berlin stand beispielsweise der Polizist, der am 2.6.1969 den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hat, auf der Gehaltsliste der StaSi.29 Wenn ein Bundeskanzler nach seinem Ausscheiden aus dem Amt einen lukrativen Posten bei einem russischen Gaskonzern antritt, kann man nur hoffen, dass der erklärte PutinFreund als Bundeskanzler ausschließlich deutsche Interessen vertreten hat. Im Nachbarland Frankreich wird über die mögliche Einflussnahme fremder Mächte auf die 26 PricewaterhouseCoopers AG, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (HG): Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010. Auf der Spur von Korruption & Co. Halle-Wittenberg 2010. S. 21 27 Spiegel Online, 30.9.2014. http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/transplantationmanipulationen-am-deutschen-herzzentrum-berlin-a-994517.html, Zugriff 18.12.2014. 28 Die Welt, 8.10.2010. http://www.welt.de/politik/deutschland/article10155727/Bundestag-willeigene-Stasi-Vergangenheit-pruefen.html, Zugriff 18.12.2014. vgl. auch Darge, Ekkehard: Korruption in der Bundesrepublik Deutschland. BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 2009, Oldenburg. S. 55 29 Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010. http://www.sueddeutsche.de/politik/karl-heinz-kurras-stasiagent-toetete-ohnesorg-1.466964, Zugriff 18.12.2014. 12 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin nationale Politik diskutiert, weil die rechtspopulistische Partei Front National Kredite aus Russland bekommt.30 Bei vielen internationalen Waffengeschäften ist Korruption im Spiel, auch bei Waffengeschäften mit deutscher Beteiligung, wie beispielsweise bei Waffengeschäften von Rheinmetall in Griechenland.31 Transparency International verweist darüber hinaus auf einen direkten Zusammenhang von Korruption und Krieg. 32 Wenn man sich die Lage in der Ukraine betrachtet, erscheint einem das nicht abwegig. Die Ukraine war 2014 im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International auf Platz 142 von 175 Staaten, sie zählt zu den korruptesten Staaten der Welt.33 Aktuell ist in Irak und Syrien außerdem ein Zusammenhang von Korruption und Terror zu beobachten: Die Terrororganisation Islamischer Staat/ISIS finanziert ihren Terror unter anderem mit Millioneneinnahmen durch den Export von Öl. Das ist nur durch Korruption möglich.34 Übergänge zu anderen Bereichen von Kriminalität sind in der Mehrheit der Korruptionsfälle in Deutschland zwar nicht gegeben35, aber natürlich gibt es das auch: Waffen- und Drogengeschäfte, Menschenhandel, Prostitution – überall werden Beamte und Politiker bestochen, damit die Geschäfte ungestört laufen. Nicht nur Personen, auch Unternehmen und Organisationen können korrupt sein. Die FIFA ist wohl die bekannteste korrupte Organisation. Wo die Fußball-Weltmeisterschaften stattfinden, wird nicht in einem transparenten demokratischen Prozess entschieden. Den Zuschlag erhält, wer die meisten Stimmen kaufen kann.36 Für manche Wissenschaftler ist Korruption systemisch bedingt, ein unvermeidbarer Bestandteil des kapitalistischen Systems. Der Politikwissenschaftler Elmar Altvater nennt Korruption auf globaler Ebene „Mega-Korruption“, ein Mittel formeller Politik, ein systemisches Produkt, welches auch von Staaten gezielt eingesetzt wird zur Durchsetzung hegemonialer Interessen.37 30 Spiegel Online, 27.11.2014. http://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-front-national-sollmillionen-kredit-von-putin-bekommen-a-1005356.html, Zugriff 18.12.2014. 31 Süddeutsche Zeitung, 15.1.2015. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ruestungs-deals-mitgriechenland-prozente-von-rheinmetall-1.2300181, Zugriff 15.2.2015 32 http://www.transparency.de/index.php?id=559&tx_ttnews[cat]=32 , Zugriff 18.12.2014. 33 http://www.transparency.org/cpi2014/results, Zugriff 18.2.2015 34 Die taz, 4.2.2014. http://www.taz.de/!132303/, Zugriff 18.12.2014. 35 Bannenberg, Britta; Schaupensteier, Wolfgang: Korruption in Deutschland. Portrait einer Wachstumsbranche. Verlag C.H. Beck. München 2004. S. 31-32 36 Spiegel Online, 8.6.2014. http://www.spiegel.de/sport/fussball/wm-in-katar-fifa-sponsor-sonywill-untersuchung-von-korruption-a-974043.html, Zugriff 15.2.2015 37 Altvater, Elmar: Globalisierung und Korruption. In: Altvater, Elmar u.a.: Privatisierung und Korruption: Zur Kriminologie von Globalisierung, Neoliberalismus und Finanzkrise. Anders Verlag, Hamburg 2009. S. 6-7 13 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Im Extremfall kann Korruption wesentlich zum Zerfall von Gesellschaften und zum völligen Zusammenbruch staatlicher Ordnung beitragen wie beispielsweise in Somalia oder Afghanistan, zwei der korruptesten Staaten der Welt.38 Korruption zersetzt ein politisches System von Innen heraus wie ein Geschwür, bis es zusammenbricht. Die Risiken durch Korruption sollten also keinesfalls unterschätzt werden. 3.2. Wachsende Gefahr durch Korruption? Die Dringlichkeit zur Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung steigt möglicherweise. Die Verwaltungsmodernisierung und die Verschlankung des Staates haben die Bedrohung durch Korruption möglicherweise noch größer gemacht. Dazu erzeugt die globale Wirtschaftskrise seit Jahren einen zunehmenden wirtschaftlichen Druck auf Staaten, Unternehmen und Individuen. Erfahrungsgemäß nimmt die Bereitschaft zu regelkonformen Verhalten ab, je weniger man sich Misserfolge leisten kann. „Im öffentlichen Sektor hat, wie wir wissen, in den letzten 10-20 Jahren ein erheblicher Wandel stattgefunden. Die staatlichen Strukturen haben sich immer mehr ausdifferenziert und öffentliche Leistungen werden in sehr unterschiedlichen Erledigungsformen erbracht. Ein beachtlicher Teil der Leistungen ist auf private Dritte ausgelagert oder ganz privatisiert worden. Zudem haben sich verschiedene Muster von öffentlich-privaten Kooperationen herausgebildet. Verwaltungen und öffentliche Unternehmen wurden unter verstärkten Leistungsdruck und Wettbewerb gesetzt. All das führte zu einer weithin wahrnehmbaren Ökonomisierung und 'Managerialisierung' des öffentlichen Sektors, die verständlicherweise auch Werte und Verhaltensweisen der öffentlich Beschäftigten beeinflusst hat. Daraus ergeben sich ohne Zweifel erhebliche Konsequenzen für die Integrität der Akteure im öffentlichen Sektor sowie für deren Korruptionsanfälligkeit.“39 Neue Steuerungsmodelle, New Public Management, Public Private Partnerships, Privatisierungen – die Zahl der Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Verwaltung sowie die Zahl öffentlicher Auftragsvergaben und anderer Transaktionen haben sich in den vergangenen Jahren erhöht. Zwischen Wirtschaft und Politik ist zudem eine wachsende Grauzone mit halbstaatlichen Organisationen und Unternehmen entstanden, die sich zunehmend staatlicher Kontrolle entziehen. Die Möglichkeiten für Korruption nehmen zu, 38 http://www.transparency.de/Pressemitteilung-Transparency.2576.0.html , Zugriff 15.2.2105 39 Maravic, Patrik von; Reichard, Christoph (HG): Ethik, Integrität und Korruption - Neue Herausforderungen im sich wandelnden öffentlichen Sektor? Universitätsverlag Potsdam, Potsdam 2005. S. 1-2 14 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin die Kontrollmöglichkeiten nehmen ab. „Weltweit ist die Schwäche der Regulierungs- und Kontrollbehörden die Archillesverse der Privatisierung. Das gilt in vollem Umfang auch für die deutschen Kommunen. Die mit Korruptionsprävention betrauten kommunalen Stellen beklagen, dass durch die galoppierende 'Privatisierung' alle Fortschritte der Korruptionsbekämpfung rückgängig gemacht werden.“40 Für Elmar Altvater sind Privatisierung und Korruption zwei Seiten derselben Medaille: Die Aneignung öffentlichen Eigentums durch Einzelne. Er sieht darin auch eine Gefahr für die Demokratie: „Mit der Privatisierung öffentlicher Güter schwindet ... die res publica, der Raum der politischen Artikulation von Staatsbürgern in einer Demokratie. … Demokratische Rechte, Teilhabemöglichkeiten von Bürgern werden so beseitigt bzw. auf den Markt umgelenkt, wo sie sich in der … 'Dollarstimmzetteldemokratie' wiederfinden.“41 3.3. Korruption als Rahmenbedingung für freie Träger der Sozialen Arbeit In der Fachliteratur zu Korruption werden praktisch überall die mit dem Baugewerbe verbundenen Verwaltungsabteilungen als der korruptionsanfälligste Bereich der Verwaltung aufgeführt.42 Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Straßen, öffentliche Gebäude, Kanalisationen und mehr – Bau, Modernisierung und Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur kosten viel Geld. Vergabestellen bei Bund, Ländern und Kommunen vergeben jährlich Bauaufträge an private Unternehmen in Milliardenhöhe. Der Wettbewerb ist hart. Einer der Hauptgründe für korruptes Verhalten ist das Erlangen öffentlicher Aufträge.43 Aber auch wenn es in der Tat besonders viel Korruption im Baugewerbe geben sollte, wäre es fahrlässig, den Fokus ausschließlich auf den Baubereich zu richten. Es gibt auch andere Bereiche in der öffentlichen Verwaltung, wo Vergaben stattfinden. Ein nicht gerade kleiner Bereich ist die Sozialwirtschaft. Der Anteil der Sozialausgaben ist der größte Posten im gesamten Bundeshaushalt. Der Staat tätigt Ausgaben für Familienhilfe, Kinderund Jugendhilfe, Flüchtlingshilfe, Behindertenhilfe, Obdachlosenhilfe, Integration, 40 Elshorst Hansjörg: ergänzende Gedankern aus der Sicht von Transparency Internatzional TI. In: Maravic, Patrik von; Reichard, Christoph (HG): Ethik, Integrität und Korruption. Neue Herausforderungen im sich wandelnden öffentlichen Sektor? Potsdam: Universitätsverlag Potsdam, 2005. S.190 41 Altvater, Elmar: Globalisierung und Korruption. In: Altvater, Elmar u.a.: Privatisierung und Korruption: Zur Kriminologie von Globalisierung, Neoliberalismus und Finanzkrise. Anders Verlag, Hamburg 2009. S. 7 42 Vgl. Bannenberg, Britta; Schaupensteier, Wolfgang: Korruption in Deutschland. Portrait einer Wachstumsbranche. Verlag C.H. Beck. München 2004. S. 50-52 43 Bundeskriminalamt: Korruption Bundeslagebild 2013,Bundeskriminalamt,Wiesbaden 2014.S.13 15 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Bildung, Wiedereingliederung von Arbeitslosen, Gesundheit, Pflege und vieles mehr. Die meisten dieser sozialen Dienstleistungen werden nach Jahrzehnten von Auslagerungen und Privatisierungen mittlerweile von freien Trägern (Vereine, gemeinnützige GmbH´s o.ä.) oder von privaten Unternehmen angeboten. Die Soziale Arbeit hat sich zu einem riesigen Markt entwickelt, auf dem genauso wie im Baubereich Milliarden von der öffentlichen Hand an freie Träger und Unternehmen vergeben werden. Die zunehmende Kommerzialisierung der Daseinsvorsorge und der stetige wirtschaftliche Druck auf die Akteure der Sozialwirtschaft bleiben nicht ohne Folgen. Im Gesundheitswesen, in der Pflege, in der Obdachlosenhilfe, in der stationären Jugendhilfe und anderswo – überall hat es schon Korruptionsskandale gegeben. „Fälle wie UNICEF, die Maserati-Affäre in Berlin oder Untreue-Vorwürfe gegen das Deutsche Rote Kreuz in Aachen, Humana und die Deutsche Kinderhilfe bergen nun die Gefahr, dass ein ganzer Sektor in Misskredit gerät...“44 Nichtsdestotrotz ist gerade der soziale Bereich der Bereich mit der geringsten Kontrolldichte. Hier werden öffentliche Mittel in Milliardenhöhe vergeben und die Verwendung dieser Mittel wird kaum kontrolliert. Den Möglichkeiten für Korruption in der Sozialwirtschaft sind im Großen wie im Kleinen kaum Grenzen gesetzt. Korruption wird außerdem geradezu heraufbeschworen durch bestimmte Praktiken wie beispielsweise Sponsoring. Ich möchte das mit einem Beispiel illustrieren: Ich habe von einem Lehrer gehört, eine namhafte Computerfirma hätte seiner Schule den Computerraum ausgestattet, weil der Sohn des Chefs auf die Schule geht. Damit war aus Sicht des Lehrers klar, dieser Schüler würde garantiert nicht sitzenbleiben, auch wenn die Ausstattung des Computerraums überhaupt nicht an Bedingungen geknüpft war. Ähnliches kenne ich aus dem Bereich der Kindertagesbetreuung. Der Kitaplatzmangel erzeugt einen teilweise grotesken Wettbewerb zwischen Eltern um Kitaplätze. Eltern, die in der Lage sind, den Förderverein einer Kita finanziell großzügig zu unterstützen, sind da oft im Vorteil. Am Rande sei hier festgestellt, dass diese Beispiele die These stützen, dass Privatisierungen und Public Private Partnerships Korruption fördern. Erstaunlicherweise gibt es zur Korruption in der Sozialwirtschaft kaum empirische Erhebungen. Im Bundeslagebild Korruption des Bundeskriminalamts für 2013 werden 44 Transparency International e.V. (HG): Scheinwerfer Ausgabe 48 – Transparenz im Dritten Sektor, Berlin 2010. http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Rundbriefe/Scheinwerfer_48_III_2010_Dritter_Sektor. pdf, Zugriff 7.2.2015, S. 4 16 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Straftaten der Korruption im Sozialwesen nicht gesondert ausgewiesen. 45 Die Zahl der aufgedeckten Fälle ist wohl zu gering. Es ist anzunehmen, dass die fehlende Kontrolle eine wesentliche Rolle dabei spielt. Regulierungsbedarf wird bis dato am ehesten noch im Gesundheitswesen und in der Pflege gesehen.46 Hier sind korrupte Machenschaften von Pharmakonzernen, Ärzten und anderen Dienstleistern im Gesundheitswesen inzwischen einigermaßen gut dokumentiert. Zu den Kosten, die Korruption in Gesundheitswesen und Pflege verursacht, schreibt Transparency International 2013 Folgendes: „Amerikanische und britische Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass drei bis zehn Prozent der Ausgaben im Gesundheitssektor durch Betrug, Missbrauch und Korruption verschleudert werden. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass dieser Anteil in Deutschland geringer ausfällt. Das bedeutet: Wir müssen bei uns von korruptionsbedingten Fehlsteuerungen in einer Größenordnung von sechs bis 20 Milliarden Euro jährlich ausgehen.“47 Bei den schwachen Kontrollen und bei den Summen, die öffentliche Stellen jährlich im Sozialwesen ausgeben, ist denkbar, dass dort ähnlich viel Geld versickert, wie im Gesundheitswesen. Dass es ein Kontrolldefizit gibt, wird von vielen gemeinnützigen Akteuren selbst so gesehen. Im Jahr 2010 hat sich deswegen die „Initiative transparente Zivilgesellschaft“ gegründet. Auf freiwilliger Basis veröffentlichen teilnehmende Organisationen und Unternehmen ihre Satzungen, Tätigkeits- und Geschäftsberichte und mehr.48 Das Kontrolldefizit gibt es auch in Berlin. So bemängelte zum Beispiel der Landesrechnungshof von Berlin in seinem Jahresbericht 2014, dass es bei der Übertragung von Aufgaben der Vollzeitpflege im Rahmen der §§ 33 ff. SGB VIII an freie Träger in den Berliner Bezirken überhaupt keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gegeben hat. Ferner gibt es in dem Bereich überhaupt keine Kostentransparenz. Die Vollzeitpflegekosten werden von den verschiedenen Jugendämtern der Bezirke gänzlich unterschiedlich berechnet. „Im Ergebnis werden die Träger der freien Jugendhilfe im Land Berlin für ihre Leistungen sehr unterschiedlich vergütet. Die Gründe für die 45 Bundeskriminalamt: Korruption Bundeslagebild 2013,Bundeskriminalamt,Wiesbaden 2014.S.11 46 Vgl. Transparency International e.V.: Transparenzmängel, Korruption und Betrug im deutschen Gesundheitswesen - Kontrolle und Prävention als gesellschaftliche Aufgabe Grundsatzpapier von Transparency Deutschland. Transparency International, Berlin, 2008. http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Gesundheitspapier_Stand_2008_Auflage_5 _08-08-18.pdf, Zugriff 16.2.2015 47 Martiny, Anke; Stolterfoth, Barbara: Transparenzmängel, Betrug und Korruption im Bereich der Pflege und Betreuung. Berlin, 2013. http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Gesundheitswesen/Studie_Pflegegrundsaet ze_Auflage3_web.pdf, Zugriff 7.2.2015, S. 5 48 http://www.transparency.de/Initiative-Transparente-Zivilg.1612.0.html , Zugriff 18.2.2015 17 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin unterschiedlichen Vergütungen sind weder nachvollziehbar noch vergleichbar.“49 Es gibt außerdem weder einheitlichen Qualitäts- und Erfolgskontrollen für die Aufgabenerfüllung durch die freien Träger, noch gibt es Vorgaben der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft zur Personalausstattung. Diese Mangelsituation herrscht in Berlin seit über zehn Jahren, obgleich der Rechnungshof sie bereits zweimal beanstandet hat.50 Im Jahresbericht des Berliner Rechnungshofes von 2013 wird bemängelt, dass freie Träger der Jugendhilfe beinahe nach Belieben den vorgeschriebenen Personalschlüssel bei der Kinderbetreuung unterschreiten können, weil es überhaupt keine Kontrollen gibt. Die Personalstandsmeldungen der freien Träger an die Senatsverwaltung werden laut Rechnungshof unkontrolliert abgerechnet. „Die Senatsverwaltung fordert keine Nachweise - nicht einmal stichprobenweise- zu den Angaben der Träger über das beschäftigte Personal.“51 Dadurch entsteht der Senatsverwaltung nach Schätzung des Rechnungshofes ein jährlicher Schaden von sechs Millionen Euro. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft erklärt dazu lediglich: „Eine unterhalb des gesetzlichen Standards liegende Personalausstattung sei ... nicht gleichbedeutend mit der Nichterbringung von Leistungen (Kindertagesbetreuung).“52 Im Kontext dieser Arbeit ist bedeutend, dass speziell die Kommunen wichtige Auftraggeber, Kontrollinstanzen und Partner für freie Träger der Sozialen Arbeit sind. Zwischen freien Trägern auf kommunaler Ebene gibt es mittlerweile einen ähnlichen Wettbewerb um öffentliche Aufträge wie zwischen Unternehmen im Bauwesen. Da der Staat als Kostenträger zudem meist der einzige Auftraggeber für die freien Träger und Unternehmen der Sozialwirtschaft ist, können diese kaum auf andere Auftraggeber ausweichen. Und nicht zuletzt gilt hier noch mehr als anderswo, dass Geschädigte (Kranke, Obdachlose, Flüchtlinge, Kinder, Jugendliche usw.) in der Regel nicht merken, dass oder von wem sie geschädigt wurden. So eine Situation würde ich einen guten Nährboden für Korruption nennen. Damit ist die Korruption und ihre Bekämpfung auf kommunaler Ebene zweifelsfrei zu den Rahmenbedingungen sozialer Arbeit zu zählen. Es ist außerdem festzustellen, dass es auf dem Gebiet der Korruption in der Sozialwirtschaft erheblichen Forschungsbedarf sowie Regulierungsbedarf gibt. 49 Rechnungshof von Berlin: Jahresbericht 2014. Berlin: Rechnungshof von Berlin, 2014. S. 93. 50 ebenda. S. 90-97 51 Rechnungshof von Berlin: Jahresbericht 2013. Berlin: Rechnungshof von Berlin, 2013. S. 103 52 ebenda S. 106 18 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 3.4. Wer ist korrupt? Korruption in der Verwaltung ist überall dort möglich, wo Verwaltungsmitarbeiter und Unternehmen oder Bürger in Kontakt miteinander kommen. Gegenstand korrupter Handlungen ist alles, was eine Behörde zu vergeben hat: Fördergelder, Aufträge, Genehmigungen, Zertifikate oder Information. Wie Information zur kostbaren Ware werden kann, beschreibt zum Beispiel Mathew D. Rose in einem Text über die Planung des Flughafen Schönefeld. Dort sickerten frühzeitig Informationen über den geplanten Standort des Flughafens durch. Als Folge kauften Immobilienspekulanten genau dort Grundstücke auf, die dann für den Flughafenbau teuer zurückgekauft werden mussten.53 Gefährdet sind also sämtliche Vergabe- und Planungsbereiche und dort insbesondere die Entscheidungsträger. Korruption ist ein „Leitungsdelikt“. Das Bundeslagebild Korruption des BKA zeigt deutlich, dass Korruptionsdelikte zum größten Teil auf Sachbearbeiter- und Leitungsebene zu verorten sind (s. Anhang 1, Abb. 1). 54 Da dem Amtsleiter die Dienstaufsicht und Kontrolle seiner Sachbearbeiter obliegt, ist anzunehmen, dass der Amtsleiter bei Korruptionsdelikten seiner Sachbearbeiter oft Bescheid weiß oder beteiligt ist. Dass Korruption ein „Leitungsdelikt“ ist, ist bei der Korruptionsbekämpfung natürlich von besonderer Bedeutung. Es bedarf wirksamer Methoden, die Leitung eines Amtes zu kontrollieren. Auf kommunaler Ebene gibt es an dieser Stelle ein erhebliches Kontrolldefizit. Amtsleitungen sind in der Regel selbst zuständig für die Korruptionsbekämpfung und werden selbst gar nicht oder nur unzureichend kontrolliert. Werden sie bei einem Verstoß ertappt, werden diese oft kaum sanktioniert: „Auch in der Rechtspraxis hat sich gezeigt, dass nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Anzeige mit steigendem hierarchischem Status des Täters sinkt, sondern auch die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung. Selbst im Falle einer Verurteilung fällt das Strafmaß mit steigendem sozialen Status vergleichsweise niedriger aus.“55 Viele Korruptionsdelikte erfordern die Beteiligung mehrerer Personen. Und so ist es nicht selten, dass Korruptionsermittler von einem konkreten Fall ausgehend auf langjährig bestehende korrupte Netzwerke und strukturelle Korruption stoßen. Das geschieht besonders häufig auf kommunaler Ebene. Hier, auf regional begrenztem Raum, treffen im Rathaus Menschen aufeinander, die sich 53 Rose, Mathew D.: Berlin – Hauptstadt von Filz und Korruption, Knaur Verlag, München 1997. S. 246-248 54 Bundeskriminalamt: Korruption Bundeslagebild 2013, Bundeskriminalamt,Wiesbaden 2014.S.11 55 Thiel, Stephanie: Korruption als Forschungsthema der Kriminologie. In: Graeff, Peter; Grieger, Jürgen (HG): Was ist Korruption? Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2012. S. 178 19 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin privat oder beruflich oft gut kennen, die vielleicht sogar gemeinsam zur Schule gegangen sind, oder die in denselben Sportverein gehen. Man kennt sich, oder man hat gemeinsame Bekannte oder mindestens denselben sozialen Hintergrund und „Stallgeruch“. Da ist der eine oder andere Freundschaftsdienst eine ganz normale Sache und dient womöglich nebenbei sogar noch der regionalen Wirtschaftsförderung. Das Unrechtsbewusstsein ist darum gering ausgeprägt. Über die Jahre entstehen auf diese Weise ganze Netzwerke zwischen Verwaltung, Politik und Wirtschaft der Kommune mit langfristigen korrupten Beziehungen. Diese korrupten Netzwerke sind ohne externe Kontrollen oder interne Hinweisgeber kaum zu entlarven. Die Korruptionsforschung hat verschiedene Täterprofile entwickelt. Der typische korrupte Beamte ist demnach anzutreffen auf Sachbearbeiter- oder Leitungsebene, er ist bereits seit mehreren Jahren in seiner Stellung tätig, meistens mehr als sechs Jahre. „Die typischen Täter sind ganz überwiegend männlich ... (97,2 % in Verfahren der Struktur 2 und 3).56 … Die Täter sind fast ausschließlich deutsch, … . Weit überwiegend lag das Alter der Täter über 40 Jahren, ein erheblicher Anteil war zur Zeit der Ermittlungen bereits über 60 Jahre alt. In den meisten Fällen waren die Täter nicht vorbestraft. Ganz überwiegend hatten sie keine Schulden … . Oft waren die Täter verheiratet und lebten... 'in geordneten Verhältnissen'. Ihre Ausbildung war überwiegend gut bis sehr gut. Sie verfügten meistens über gute Fachkenntnisse und hatten bestimmte Einflussebenen als Unternehmer oder Selbständige, in Unternehmen oder in Verwaltungspositionen erreicht. Es ist auffällig, dass sie beruflich als sehr ehrgeizig beschrieben wurden und viel Zeit in ihren Beruf investierten. Sie zeichnen sich also deutlich durch Fachkompetenz und Engagement aus und werden von Kollegen und Bekannten als erfahren, 'korrekt' und eher penibel beschrieben. Sie sind Personen, die in Vorgesetztenpositionen streng und 'pingelig' Unkorrektheiten und Nachlässigkeiten anderer kritisieren ... und nach außen sehr angepasst wirken. Man traut ihnen unkorrektes Handeln mehrheitlich nicht zu. Häufig findet man eher 'Aufsteiger', die sehr ehrgeizig Priorität auf die berufliche Entwicklung legen.“57 Natürlich gibt es auch davon abweichende Tätertypen, aber diese kommen bei weitem nicht so häufig vor, wie der hier beschriebene. Dieses typische Täterprofil wird überraschenderweise nur sehr eingeschränkt bei der 56 Nach Bannenberg: Struktur 1: Bagatell- und Gelegenheitskorruption, Struktur 2: Gewachsene Beziehungen, Struktur 3: Netzwerke. Vgl. Bannenberg, Britta: Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle. In: Petra Kelly Stiftung (HG): Auf dem Weg zur „Bananenrepublik?“Korruption und Korruptionsbekämpfung in den Kommunen. Dokumentation der Tagung am 22. Februar 2003 in Würzburg. München, 2003. http://www.petrakellystiftung.de/fileadmin/user_upload/newsartikel/PDF_Dokus/Korruption_Dok u.pdf, Zugriff 7.2.2015, S. 2-3 57 Ebenda S.7 20 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Korruptionsbekämpfung berücksichtigt. Unter anderem findet es Beachtung bei der Maßnahme Jobrotation, welche auf korruptionsgefährdeten Stellen alle fünf Jahre empfohlen wird. Der typische Täter von Korruptionsdelikten weicht stark ab von den Täterprofilen anderer krimineller Handlungen. Er ist kein „gewöhnlicher“ Krimineller. Für ihn gilt das Sprichwort „Gelegenheit macht Diebe“. Er wird nur zum Täter, weil diverse Faktoren ihn zum Täter werden lassen: Die Versuchung ist groß, korrupte Handlungen können schließlich sehr lukrativ sein. Moralische Hemmungen sind vergleichsweise gering, da es bei Korruption meistens kein direkt geschädigtes Opfer gibt (außer den Steuerzahler). Vorstellbar ist ferner, dass sein soziales oder berufliches Umfeld (Freunde, Kollegen oder Chef) korrupte Handlungen dulden oder sogar selbst korrupt sind, was moralische Skrupel weiter vermindert. Man tut ja nur, was alle machen. Das Wichtigste aber ist: Die Entdeckungswahrscheinlichkeit ist sehr gering. Insbesondere die letzten beiden Faktoren sind bedeutend: Wenn die gesellschaftliche Ächtung korrupter Handlungen stärker ausgeprägt wäre, wäre es für den Einzelnen weitaus schwieriger, seine moralischen Skrupel beiseite zu schieben. Das gilt sowohl für das engere soziale und berufliche Umfeld als auch allgemein. Wenn alle bei Rot über die Ampel gehen, warum soll ich dann stehenbleiben? Kleine Regelüberschreitungen begeht fast jeder einmal, ob es die rote Ampel ist, zu schnell fahren oder falsch parken. Genau besehen sind wir also alle ein wenig korrupt – wenn wir uns einen Vorteil verschaffen auf Kosten der Allgemeinheit. Es gibt nur Unterschiede in der Qualität: Es ist nicht dasselbe, wenn jemand mal das Tempolimit um zehn km/h überschreitet und ein anderer fährt mit hundert Sachen durch die Spielstraße. Denselben Qualitätsunterschied gibt es auch bei Korruption: Wenn eine Lehrerin ein Geschenk über dem Wert von 15,00 € annimmt ist das nicht dasselbe, wie wenn ein Politiker Hunderttausende annimmt. Weil niemand ernsthaft bestreitet, dass keiner vor gelegentlichem Regelübertritt gefeit ist, sind die meisten Menschen mit Kontrollen einverstanden. Man ärgert sich zwar im Einzelfall über ein Knöllchen, akzeptiert aber grundsätzlich die Notwendigkeit von Kontrollen. Von Politikern und Beamten dagegen wird die Notwendigkeit von Korruptionskontrolle immer wieder in Frage gestellt. Dass viele korrupte Handlungen nach wie vor legal sind, trägt natürlich zur moralischen Verunsicherung bei. Es erleichtert die Rechtfertigung korrupter Handlungen und das Beiseiteschieben moralischer Zweifel. Wenn die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, groß wäre, würden die meisten Korruptionsdelikte vermutlich unterlassen werden. Fehlende Kontrolle verführt zur 21 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin kriminellen Handlung genauso wie beim schwarz Fahren in der Bahn. Korruption ist nicht nur ein „Leitungs-“ sondern auch ein „Kontrolldelikt“. 4. Korruptionsbekämpfung seit 1990 Die Entwicklung der Korruptionsbekämpfung in Deutschland vollzieht sich insgesamt sehr langsam. Bis in die Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war beispielsweise in Berlin die Annahme von Geschenken für Amtsträger üblich. Erst eine Verwaltungsvorschrift von 1986 setzte diesem Grenzen, eine Richtlinie gibt es seit 1990.58 In einer Konferenz zum Thema Korruption von der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahr 1994 wurden für Deutschland von Korruptions-Experten Empfehlungen zu einer wirksamen Korruptionsbekämpfung zusammengetragen und veröffentlicht (s. Anhang 1, Abb. 2). 59 Diese Konferenz war ein Meilenstein in der Entwicklung der Korruptionsbekämpfung in Deutschland. Darin enthalten sind unter anderem Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung, die zuvor bereits der Staatsanwalt und Korruptionsforscher Schaupensteiner in seinen vielzitierten „10 Geboten der Korruptionsbekämpfung“ empfohlen hat.60 Etliche der wegweisenden Empfehlungen der Konferenz finden sich heute wieder in diversen Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung für verschiedene Bereiche der öffentlichen Verwaltung, wie beispielsweise des BMI (Bundesministerium des Inneren).61 Bis heute sind jedoch längst nicht alle dieser Empfehlungen realisiert worden. (Einen Überblick über die gängigsten Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung in deutsche Behörden bietet Abb.3 in Anhang 1). Gelegentlich erfolgt eine weitere Umsetzung. Beispielsweise fand sich das Verbot der Abgeordnetenbestechung bereits 1994 auf der Liste der Empfehlungen der Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Jahr 2014, also genau zwanzig Jahre später, hat die Bundesregierung endlich ein Gesetz verabschiedet, dass die Bestechung von Abgeordneten unter Strafe stellt. Kritiker befürchten allerdings, dass dieses Gesetz nur wenig Wirkung entfalten kann, da „so genannte Dankeschön58 Senatsverwaltung für Justiz: Rundschreiben über die Annahme von Belohnungen und Geschenken durch Dienstkräfte des Landes Berlin vom 17. Dezember 1986 (DBl. I/1987 Nr. 1) . http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/kg/ausbildung/jur-vorb/vorbdienst/dienstrecht_belohnungen.html, Zugriff 18.2.2015 59 Friedrich-Ebert-Stiftung (HG): Korruption in Deutschland. Ursachen, Erscheinungsformen, Bekämpfungsstrategien. Dokumentation einer Tagung am 16. und 17. Februar 1995. FriedrichEbert-Stiftung, 2. Aufl., Berlin 1997. S. 14-15 60 Vgl. Bannenberg, Britta; Schaupensteier, Wolfgang: Korruption in Deutschland. Portrait einer Wachstumsbranche. Verlag C.H. Beck. München 2004. S. 206-215 61 Bundesministerium des Inneren: Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 17.6.1998. http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Verwaltung/040702_Richtlinie1_BMI.pdf, (Fassung von 2004), Zugriff 16.2.2015 22 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Spenden“ weiterhin erlaubt sind.62 Zurzeit wird ein Gesetz zur Einführung von Karenzzeiten für aus der Politik ausscheidende Politiker vorbereitet, auch das eine jahrzehntealte Forderung. 4.1. Korruption und Korruptionsbekämpfung in Berlin „Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Berlin erfolgte 1244, bereits schon in der Schreibung Berlin. Ein weiterer Beleg von 1288 zeigt den Ort 1288 als Berlyn. Da der Ort in slawischem Siedlungsgebiet erwuchs, lässt sich auch der Ortsname aus einer slawischen Sprache, genauer aus dem Altpolabischen, erklären. Zugrunde liegt die Wurzel *brl-, die als 'Morast, Sumpf' verstanden werden kann, mit einem in Ortsnamen typischen Suffix -(i)n. Dem Namen nach ist Berlin also der 'Ort im Sumpf'.“63 Blättert man sich in der Fachliteratur durch die Berliner Korruptionsskandale der vergangenen Jahrzehnte, möchte man meinen, Nomen est Omen. Der Berliner Filz, in Anlehnung an die Wortbedeutung Berlins auch gerne „Berliner Sumpf“ genannt, sucht seinesgleichen. Die kleinen und großen Korruptionsskandale und -affären der vergangenen Jahrzehnte sind ohne Zahl. Von Prozessen wegen Korruption hört man dagegen weniger und von Verurteilungen wegen Korruption noch weniger. Gerade erst wurde Herr Klaus-Rüdiger Landowsky, einst einflussreicher Berliner CDU-Politiker und Schlüsselfigur in der Affäre um die Berliner Bankgesellschaft64 in den neunziger Jahren, nach mehreren langjährigen Prozessen freigesprochen. Der Vorwurf der Untreue ließ sich nicht nachweisen. Dem Land Berlin ist im Zuge der Affäre ein Vermögensschaden von rund fünf Milliarden Euro entstanden.65 In Folge der Korruptionsaffären der achtziger und neunziger Jahre entstand in Berlin auf Landesebene eine Antikorruptions-Arbeitsgruppe der Senatsverwaltung, für die Verwaltung gab es erstmals eine Antikorruptions-Richtlinie, die bundesweit als vorbildlich galt. Allerdings gab es damals schon skeptische Stimmen, die die Erfolgschancen der Korruptionsbekämpfung in Berlin von Beginn an bezweifelten: „Es wirkt wie Ironie … , dass Berlin 1996 die strengsten Anti-Korruptionsgesetze der Bundesrepublik 62 Vgl. Lobbycontrol e.V.: Pressemitteilung zum Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung vom 21.2.2014. https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/Pressemitteilung-Verabschiedung108e.pdf, Zugriff 16.2.2015 63 http://www.onomastik.com/on_geschichte_berlin.php , Zugriff am 9.12.2014. 64 s. Schönball, Ralf: Berliner Verhältnisse. In: Netzwerk Recherche e.V., Transparency International (HG): Korruption – Schatten der demokratischen Gesellschaft. Wiesbaden 2002. http://bisher.netzwerkrecherche.de/files/nr-korruptionsbroschuere.pdf, Zugriff 7.2.2015, S. 63-68 65 Berliner Zeitung, 5.1.2015. http://www.berliner-zeitung.de/berlin/berliner-bankenskandallandowsky-sieht-sich—juristisch-rehabilitiert-,10809148,29485742.html, Zugriff 16.2.2015 23 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin verabschiedet hat. Dazu gehört eine siebzehn Mitarbeiter zählende 'AntikorruptionsArbeitsgruppe der Berliner Verwaltung', die aus Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft, des Landeskriminalamts, der Kartellbehörde, der Steuerfahndung, des Wirtschafts- und Bausenats besteht. Da unter den Augen dieser Institutionen die Berliner Seilschaften in den letzten zehn Jahren gut gediehen sind, bleibt die Frage, was ein solches gemeinsames Gremium erreichen will?“66 Ob die Zweifler mit ihrer Skepsis nach über 15 Jahren Recht behalten haben, möchte ich wenigstens für die bezirkliche Ebene mit meiner Untersuchung klären.67 66 Rose , Mathew D.: Berlin Hauptstadt von Filz und Korruption. München: Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachfahren. 1998. S. 268 67 Zur Ausstattung der Korruptionsbekämpfung Berlins auf Landesebene vgl. Transparency International e.V.: Korruptionsbekämpfung in Deutschland: Institutionelle Ressourcen der Bundesländer im Vergleich. Berlin, 2012. http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Justiz/Korruptionsbekaempfung_in_Deutschl and_Institutionelle_Ressourcen_2012_aktualisiert.pdf, Zugriff 7.2.2015, Seite 9-10. 24 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 5. Empirischer Teil Nachdem ich mich im Vorangegangenen kurz und vorwiegend theoretisch mit Korruption und Korruptionsbekämpfung auseinandergesetzt habe, möchte ich in diesem Teil die Ergebnisse meiner eigenen Umfrage vorstellen. In meiner Arbeit untersuche ich die Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken. Ein Teil dieser Arbeit ist eine Bestandsaufnahme: Welche Instrumente und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung gibt es in den Berliner Bezirken? Entspricht das vorhandene Instrumentarium den eigenen Ansprüchen (gemessen an den Berliner AntikorruptionsRichtlinien)? Darüber hinaus gehe ich aber auch der Fragestellung nach, ob und wie die implementierten Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung wirken. Sind die getroffenen Maßnahmen ausreichend? Ist das vorhandene Instrumentarium geeignet, der Korruption angemessen zu begegnen? Wo gibt es eventuell Defizite in der Korruptionsbekämpfung? Zum Inhaltlichen ist noch Folgendes anzumerken: Die Korruptionsprävention ist ein Aspekt der Korruptionsbekämpfung und auch Teil dieser Untersuchung. Aber wie gut die Prävention funktioniert, das konnte ich im Rahmen meiner Untersuchung nur in Einzelfällen ansatzweise klären. Dazu fehlten mir sowohl Daten als auch Indikatoren. Auf der Grundlage der von mir erhobenen Informationen konnte ich am Ende immerhin ein paar Schlüsse in Bezug auf die Wirksamkeit der Prävention ziehen. Und nun noch eine zweite Einschränkung: Die Innenrevision als Instrument der Korruptionsbekämpfung habe ich nur am Rande berücksichtigt. Aus meiner Untersuchung geht dennoch hervor, dass die Innenrevisionen aller Berliner Bezirke in den vergangenen fünf Jahren keinen einzigen Korruptionsfall aufdecken konnten. Insofern haben sie vermutlich auch nur bedingt dazu beigetragen, präventiv das Entdeckungsrisiko für dolose Handlungen zu erhöhen. Aber das wäre in einer weiteren Untersuchung zu prüfen. 5.1. Methode der Untersuchung Für meine Untersuchung habe ich folgende Recherchemethoden verwendet: Literaturrecherche, Dokumentenrecherche, Internetrecherche, Presserecherche und Expertenbefragung mittels Fragebogen. Dabei hat sich die Literaturrecherche in Bezug auf empirische Daten als wenig ergiebig erwiesen. Der Forschungsgegenstand, die Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken, ist bisher offenbar wissenschaftlich nicht untersucht. Zumindest gibt es dazu nach meinem Erkenntnisstand keine Veröffentlichungen. Recherchiert habe ich unter anderem in den öffentlichen Bibliotheken Berlins, in den Bibliotheken der Berliner 25 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Universitäten und im Online-Verzeichnis der Präsenzbibliothek der Geschäftsstelle von Transparency Deutschland. Ergiebiger dagegen war die Dokumentenrecherche. Ich konnte für meine Untersuchung auf eine Vielzahl von Originaldokumenten wie Tätigkeitsberichte, Bezirksamtsbeschlüsse, Richtlinien, Drucksachen von Bezirksverordnetenversammlungen und Abgeordnetenhaus und mehr zurückgreifen. Vieles davon ist im Internet veröffentlicht. Im Rahmen meiner Internetrecherche habe ich unter anderem die Online-Archive der Berliner Tageszeitungen ausgewertet sowie die Webseiten der Berliner Bezirksämter und des Landes Berlin. Die meisten Informationen konnte ich durch meine Expertenbefragung gewinnen. Mir war bekannt, dass es gemäß der Antikorruptionsrichtlinie in jedem Berliner Bezirk einen Korruptionsbeauftragten, einen Ansprechpartner Antikorruption oder eine Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung geben musste. Über Anfragen per E-Mail und Telefon in den Berliner Bezirksämtern konnte ich darum für jeden Bezirk einen Ansprechpartner ermitteln, der fachlich Korruptionsbekämpfung in in der Lage seinem sein Bezirk musste, zu mir meine beantworten. Von Fragen zur diesen 12 Ansprechpartnern erklärten sich neun bereit, einen Fragebogen von mir auszufüllen. Diese Ansprechpartner waren nicht alle Korruptionsbeauftragte sondern in unterschiedlichen Funktionen in der Korruptionsbekämpfung in ihren Bezirken tätig. Diesen neun Sachverständigen habe ich einen von mir entworfenen Fragebogen geschickt. Alle neun Sachverständigen erklärten sich ferner bereit, mir für Rückfragen für ein Experteninterview zur Verfügung zu stehen. In meinem Fragebogen habe ich mit gebundenen und freien Antwortformaten gearbeitet. Der Regelfall war eine Mischform beider Antwortformate: Zu einer Frage mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten (z.B. Ja/Nein) habe ich immer die Möglichkeit zu weiteren, detaillierteren Ergänzungen und Erklärungen gegeben. Bei meiner Fragebogenkonstruktion habe ich mich auf einfach zu beantwortende Fragen beschränkt. Ich ging davon aus, dass sich im Laufe der Auswertung der Fragebögen aus den gewonnenen Informationen neue Fragestellungen ergeben würden. Diese neuen Fragestellungen sowie eventuelle Widersprüche oder Ungereimtheiten wollte ich dann im Nachgang im Rahmen von Experteninterviews klären. Tatsächlich konnte ich am Ende auf die Durchführung von Experteninterviews verzichten. Die sich aus der Auswertung der Fragebögen ergebenden offenen Fragen waren nicht so zahlreich. Es war mir deswegen möglich, diese überwiegend per E-Mail und Telefon zu klären. Nur einige wenige Fragen konnte ich aufgrund von Zeitmangel am Ende leider 26 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin nicht mehr klären. Ergänzend zur Befragung der Sachverständigen aus den Bezirken habe ich auch die beiden Ombudspersonen im Land Berlin mit einem eigenen Fragebogen befragt. Außerdem habe ich ein Interview geführt mit Herrn Johann Bäumel von Transparency International, der die Untersuchung für den Transparency-Bericht zur Korruptionsprävention in den Berliner Bezirken von 2008 durchgeführt hatte. Insgesamt hat sich die Vorgehensweise Fragebögen mit Nachfragen im Nachgang als praktikabel erwiesen. Nur in einzelnen Fällen ergaben sich methodische Probleme. Bei wenigen Ausnahmen erhielt ich über meine Fragen widersprüchliche oder verwirrende Informationen. Zum Teil gab es begriffliche Irritationen, beispielsweise beim Begriff „Zuwendungsregister“, der in den Bezirken offenbar unterschiedlich verwendet wurde (Register für Zuwendungen an den Bezirk bzw. Register für Zuwendungen des Bezirks an Auftragnehmer des Bezirks). Oder einzelne Fragen wurden unterschiedlich beantwortet, obwohl dasselbe gemeint war. Zum Beispiel bei der Frage: „Hat ihr Bezirk eigene Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung?“ Die Antwortmöglichkeiten waren Ja/Nein mit der Möglichkeit, ergänzende Erklärungen abzugeben. In einem Fragebogen erhielt ich diese Antwort: „Nein, bei uns gelten die landesweiten Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung.“ In einem anderen Fragebogen erhielt ich folgende Antwort: „Ja, wir haben die landesweiten Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung übernommen.“ In diesen Fällen hat sich die Möglichkeit, im Nachgang offene Fragen zu klären, bewährt. Ich konnte einige Unklarheiten beseitigen. Bei meiner Befragung Kooperationsbereitschaft musste der ich mich auf Sachverständigen das Fachwissen verlassen. Ich setze und in die meiner Untersuchung voraus, dass die Befragten ihr Handwerk verstehen. Immerhin sind alle Befragten Mitarbeiter der bezirklichen Verwaltungen und mit Aufgaben der Korruptionsbekämpfung betraut. Dennoch aufgetretene, offensichtliche Widersprüche konnte ich größtenteils im Nachgang klären. Aber ich konnte nicht jede Antwort auf ihre Richtigkeit überprüfen. Viele im Rahmen meiner Arbeit gewonnenen Erkenntnisse unterliegen darum dem Vorbehalt der Nachprüfung. Trotzt größter Bemühungen kann ich aus o.g. Gründen nicht ausschließen, dass in meiner Auswertung im Detail noch der eine oder andere Fehler enthalten sein kann. Außerdem habe ich einige Informationen gar nicht erhalten. Immerhin drei Sachverständige aus drei Berliner Bezirken (Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf und Neukölln) haben es abgelehnt, an dieser Untersuchung teilzunehmen. Sie waren auch 27 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin nicht bereit, mir einen anderen Ansprechpartner aus ihrem Bezirk zu nennen. Im Gegenteil, auf wiederholte Anfragen wurde überhaupt nicht mehr reagiert. Der Korruptionsbeauftragte von Neukölln ließ mir ausrichten, er „habe keine Zeit“. Im Bezirk Reinickendorf scheiterte die Kooperation wahrscheinlich an fehlender Vertrauensbasis (s. Fallbeispiel Reinickendorf). Von den teilnehmenden Sachverständigen wurden manche Fragen in den Fragebögen nicht oder nur zum Teil beantwortet. Für die Darstellung meiner Ergebnisse habe ich mich zu folgendem Vorgehen entschieden: 1. Beschreibung und Begründung der Frage bzw. Fragen, 2. Auswertung der Antworten und Darstellung der gewonnenen Informationen, 3. Diskussion der Antworten Analyse der Informationen, Abgleich mit Informationen aus anderen Quellen. Thematisch zusammengehörende Fragen habe ich in Themenblöcken gebündelt. Teilweise habe ich ergänzend tabellarische Darstellungen hinzugefügt. Fragen nach der persönlichen Meinung der Befragten habe ich (auf Wunsch) anonymisiert. 5.2. Berlin und seine Bezirke Berlin hat etwas mehr als 3,4 Millionen Einwohner. 68 Die Stadt ist aufgeteilt in 12 Bezirke. Die Einwohnerzahl der Berliner Bezirke reicht von 254.000 (Reinickendorf) bis hin zu 384.000 (Pankow).69 Jeder Bezirk hat eine Bezirksverordnetenversammlung, einen Bezirksbürgermeister und vier Stadträte (bei fünf Ressorts, ein Schlüsselressort leitet der Bezirksbürgermeister). Die Bezirkshaushalte (Doppelhaushalt 2014/2015) umfassen Budgets von 468 Millionen € (Treptow-Köpenick) bis zu 845 Millionen € (Mitte). Die mit Abstand größten Posten in allen bezirklichen Budgets sind die Mittel für Sozialamt und Jugendamt. In allen Bezirken machen diese Posten zusammen etwa 70% des Gesamtetats aus.70 In ganz Berlin einschließlich der Bezirke gibt es derzeit insgesamt 499 Vergabestellen, die beim Berliner Korruptionsregister als abfragepflichtig registriert sind (Abfragepflichtig sind alle Vergaben ab einem Auftragswert von 15.000,00 €). 71 Senatsund Bezirksverwaltungen haben gemeinsam über 100.000 Vollzeitbeschäftigte, davon sind rund 22.000 bei den Bezirken beschäftigt.72 68 Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, https://www.statistik-berlinbrandenburg.de/Statistiken/inhalt-statistiken.asp, Zugriff 17.2.2015 69 Berliner Zeitung, 13.2.2015 70 Senatsverwaltung für Finanzen, http://www.berlin.de/sen/finanzen/haushalt/haushaltsplan/artikel.5697.php, Zugriff 17.2.2015 71 Auskunft vom Berliner Korruptionsregister auf meine Anfrage vom 15.12.2014, s.a. http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/korruptionsregister/, Zugriff 17.2.2015 72 Berliner Zeitung, 18.7.2914. http://www.berliner-zeitung.de/berlin/verwaltung-in-berlin-bezirkeverlangen-stopp-des-personalabbaus,10809148,27886224.html, Zugriff 17.2.2015 28 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 5.3. Themenblock 1: Korruption FrageNr. Frage Ja in % Nein in % k. A. in % 1.1. Glauben Sie, dass die Korruptionsanfälligkeit der Verwaltung in Ihrem Bezirk seit 2000 zugenommen hat? 22,2 66,71 11,1 1.2. Hat es in den vergangenen fünf Jahren Korruptionsfälle in der Verwaltung Ihres Bezirks gegeben? 22,2 77,8 - 1.3. Glauben Sie, dass in Ihrem Bezirk von Politik und Verwaltung genug gegen Korruption unternommen wird? 77,8 22,2 - 1 : 33.3 % waren der Ansicht, die Korruption in Ihrem Bezirk hätte eher abgenommen. Beschreibung und Begründung der Fragen zu Korruption In der Korruptionsforschung wird seit einigen Jahren diskutiert, ob Ökonomisierung, Privatisierungen, New Public Management und die Verschlankung der Verwaltung zu mehr Korruption führen. Eine ganze Reihe von Indizien sprechen jedenfalls dafür. 73 Beispielsweise wird durch Privatisierung die staatliche Kontrolle geschwächt. Auch in den Verwaltungen der Berliner Bezirke hat sich in den vergangenen Jahren durch Verwaltungsreformen und Modernisierungen viel verändert. Dazu kommt die Zusammenlegung vieler Bezirke zu größeren Verwaltungseinheiten im Jahr 2001 (Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Treptow-Köpenick, Marzahn- Hellersdorf, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg, Mitte, Tiergarten und Wedding zu Mitte, Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee zu Pankow). Ressorts wurden neu geordnet und die Zahl der Stadträte auf vier im Bezirk begrenzt. Und nicht zuletzt wurde in den Berliner Bezirksverwaltungen erheblich Personal abgebaut. Es ist wahrscheinlich, dass die genannten Faktoren sich auch auf das Korruptionsrisiko in den Bezirksverwaltungen auswirken. Daher wollte ich von den befragten Sachverständigen erfahren, ob sie die Annahme eines erhöhten Korruptionsrisikos bestätigen können. Auswertung der Antworten zu Korruption Die befragten Sachverständigen waren zu zwei Dritteln der Ansicht, dass die Korruption in 73 Vgl. Reichard, Christoph: Ökonomisierung von Staat und Verwaltung – Vorschub für Korruption? In: von Arnim, Hans Herbert von (HG): Defizite in der Korruptionsbekämpfung und der Korruptionsforschung. Berlin, Duncker&Humblot, 2009. S.95-104. 29 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin ihren Bezirken nicht zugenommen hat. Ein Drittel war sogar der Meinung, die Korruption hätte eher abgenommen. Nur zwei der befragten Sachverständigen nahmen an, dass die Korruption zugenommen hat. Sieben von neun der befragten Sachverständigen gaben ferner an, dass es in der Verwaltung ihres Bezirks in den vergangenen fünf Jahren überhaupt keine Korruptionsfälle gegeben hat. Nur zwei Sachverständige gaben an, dass es in ihren Bezirken Korruptionsfälle gegeben hat. In einem Bezirk gab es im Jahr 2010 einen Bagatellfall, bei dem es sich um die Annahme eines 50-Euro-Gutscheines für Kosmetik handelte. Die in diesem Fall Verdächtigte ist inzwischen freigesprochen und vollständig rehabilitiert worden.74 In dem anderen Bezirk gab es dafür gleich sieben voneinander unabhängige Fälle von Korruption. Die Ermittlungen ergaben sich in vier Fällen aufgrund interner Hinweise und in drei Fällen aufgrund externer Hinweise (durch Staatsanwaltschaft, Agentur für Arbeit und einer Privatperson). Drei Viertel der befragten Sachverständigen waren der Ansicht, dass in ihrem Bezirk genug gegen Korruption unternommen wird. Diskussion der Antworten zu Korruption Zusammengefasst ergeben die Antworten der befragten Sachverständigen folgendes Bild: Es scheint fast keine Korruption in den Verwaltungen der Berliner Bezirke zu geben und gegen Korruption wird genug unternommen. Die Jahresbilanzen der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung des nicht an der Befragung teilnehmenden Bezirks Reinickendorf sagen Ähnliches: Von 2008 bis heute hat es einen einzigen Betrugsfall im Bezirksamt gegeben, und zwar im Jahr 2010.75 Die Annahme, dass das Korruptionsrisiko zugenommen hat, wird von den Sachverständigen nicht bestätigt. Dies steht auch im krassen Gegensatz zu der These, dass gerade die kommunale Ebene besonders korruptionsanfällig ist: „Auf kommunaler Ebene ist einerseits das Korruptionspotential besonders groß, weil hier das Schwergewicht der Verwaltung liegt. Zudem wird der größte Teil der öffentlichen Investitionen auf kommunaler Ebene getätigt, und die führen regelmäßig zu millionenschweren Aufträgen an Unternehmen. Die räumliche Nähe begünstigt in den 74 RBB Online, 21.5.2014. http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2014/05/exhauptpersonalratsvorsitzende-hanke-freispruch-bestechlichkeit.html, Zugriff 15.2.2015 75 Bezirksamt Reinickendorf: BVV-Drucksache 0583/XVIII vom 17.09.2014, http://www.berlin.de/ba-reinickendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036858568262/8585682 62/00038004/04-Anlagen/05/6_Version_vom_17_09_2014.pdf, Zugriff am 8.1.2015 30 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Kommunen das Entstehen von Netzwerken, die ihrerseits einen günstigen Nährboden für Korruption darstellen können.“76 Dieses Ergebnis wirft einige Fragen auf: Ist die Situation bezüglich Korruption und Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken tatsächlich so rosig? Warum wird die bezirkliche Korruptionsbekämpfung von der Mehrheit der Sachverständigen so positiv eingeschätzt, obwohl es gar keine Ermittlungserfolge zu verzeichnen gibt? Zur Beantwortung dieser Fragen möchte ich einige andere verfügbare Zahlen zum Vergleich heranziehen: Die Einwohnerzahl der Berliner Bezirke reicht von 254.000 (Reinickendorf) bis hin zu 384.000 (Pankow).77 Damit haben die Berliner Bezirke ähnlich viele Einwohner wie beispielsweise die Städte Chemnitz (248.000 Einwohner), Wiesbaden (274.000 Einwohner), Mannheim (307.000 Einwohner) oder Wuppertal (366.000 Einwohner). 78 Alle diese Städte und viele andere in vergleichbarer Größe hatten in den vergangenen Jahren Korruptionsaffären und -skandale von teilweise spektakulären Ausmaßen zu bewältigen.79 Bei Verwaltungseinheiten dieser Größe ist es schier unvorstellbar, dass es dort keine Korruption geben soll. Auf Landesebene sieht es in Berlin anders aus als auf Bezirksebene: Im Berliner Korruptionsregister waren am 15.12.2014 genau 174 Unternehmen und Einzelpersonen registriert. Im Schnitt sind dort jährlich 150-250 Unternehmen und Einzelpersonen registriert. Seit Einführung des Korruptionsregisters im Jahr 2006 gab es dort insgesamt 2.037 Einträge.80 81 Der Berliner Vertrauensanwalt Christoph Partsch, der offizielle Ansprechpartner Berlins für anonyme Hinweisgeber, hat im Jahr 2014 insgesamt 15 mögliche Verdachtsfälle gemeldet.82 Der Tätigkeitsbericht der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin zählt auf Landesebene für das Jahr 2011 insgesamt 126 76 Arnim, Hans Herbert von: Korruption: Begriff und systemische Defizite in der Korruptionsbekämpfung. In: Arnim, Hans Herbert von (HG): Defizite in der Korruptionsbekämpfung und der Korruptionsforschung. Berlin: Duncker&Humblot, 2009. S. 17. 77 Berliner Zeitung, 13.2.2015 78 https://www.orte-in-deutschland.de/groesste-staedte-in-deutschland.html , Zugriff 5.2.2015 79 Vgl. Hippe, Wolfgang: Lokaltermin. Kassen, Konten & Karrieren. Korruption und Modernisierung in der Kommunalpolitik. Klartext Verlag, Essen 2004. S. 9-32 80 Antwort der Zentralen Informationsstelle Korruptionsregister bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt auf meine Anfrage am 15.12.14 81 Korrektur: Im Korruptionsregister gab es am 15.12.14 insgesamt 2037 Einträge, davon 174 juristische Personen. (Nachtrag vom 16.4.2012). s.a. http://www.berlinerzeitung.de/wirtschaft/negativliste-fuer-berliner-unternehmen-immer-mehr-firmen-stehen-inberlins-korruptionsregister,10808230,30380044.html, Zugriff am 16.4.2015 31 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Verfahren mit Korruptionsbezug mit 228 Beschuldigten. 83 Im Jahr 2012 waren bei der Generalstaatsanwaltschaft 120 Verfahren mit Korruptionsbezug mit 203 Beschuldigten eingegangen. Und im Jahr 2013 waren es 126 Verfahren mit 228 Beschuldigten.84 Es ist mit Blick auf die Zahlen von der Landesebene also – wenig überraschend – festzustellen, dass es durchaus Korruption in der Stadt Berlin gibt. Über das Ausmaß der Korruption lässt sich nur spekulieren. Die Zahlen der Ermittlungsverfahren und der nachgewiesenen Korruptionsfälle ist dazu nur bedingt aussagekräftig, weil diese Zahlen ja nur die Spitze eines Eisberges unbekannter Größe darstellen, wie Korruptionsforscher nicht müde werden zu betonen. Zu rechnen wäre gemäß der Erkenntnisse der Korruptionsforschung mit mindestens dem zehnfachen an Korruptionsdelikten. Die Korruptionsforscherin Britta Bannenberg Korruptionsdelikte aufgedeckt wird. schätzt sogar, dass nur 1% aller 85 Dass es trotzt fehlender Ermittlungserfolge Korruption auf bezirklicher Ebene geben muss, legt nicht nur der Vergleich mit den Zahlen der Berliner Landesebene nahe. Auch ein Blick auf die Korruptionsstatistik des Nachbarbundeslandes Brandenburg offenbart, wie korruptionsanfällig die kommunale Ebene tatsächlich ist. In den Lagebildern Korruptionskriminalität Brandenburg aus den Jahren 2011 und 2013 sind die Fallzahlen von Korruptionsdelikten von 2009 bis 2013 nach Tätigkeitsbereichen der korrumpierten Nehmer erfasst. Die mit großem Abstand höchsten Fallzahlen über alle Jahre hinweg sind in den Kommunalbehörden zu verzeichnen.86 Das Bundesland Brandenburg ist kein Einzelfall, was Korruption auf kommunaler Ebene betrifft: In den Bundeslagebildern Bundeskriminalamtes schwankt Korruption der Anteil der von Jahre 2007 bundesweit bis 2013 des aufgedeckten 82 Berliner Morgenpost, 3.12.2014, http://www.morgenpost.de/berlin/article134975726/113Verfahren-wegen-Korruption-in-Berlin.html, Zugriff 20.2.2015 83 Generalstaatsanwaltschaft Berlin: Tätigkeitsbericht der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung für das Jahr 2011, Seite 1 84 Generalstaatsanwaltschaft Berlin: Tätigkeitsbericht der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung im Jahr 2013, http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/justiz/jahresbericht_korruptionsbek aempfung_geschw__rzt.pdf? start&ts=1417512855&file=jahresbericht_korruptionsbekaempfung_geschw__rzt.pdf, Zugriff 15.2.2015. S. 1 85 PricewaterhouseCoopers AG, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (HG): Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010. Auf der Spur von Korruption & Co. Halle-Wittenberg 2010. S. 21 86 Polizeipräsidium Fachdirektion Landeskriminalamt Brandenburg: Lagebild Korruptionskriminalität Brandenburg 2011, Eberswalde 2011. Abb. 4.8, S.16, https://www.internetwache.brandenburg.de/fm/141/Lagebild%20Korruptionskriminalit%C3%A4t %202011%20.pdf, Zugriff am 5.2.2015. Und: Polizeipräsidium Fachdirektion Landeskriminalamt Brandenburg: Lagebild Korruptionskriminalität Brandenburg 2013. Abb. 1, S.16. https://www.internetwache.brandenburg.de/fm/86/Korruptionskriminalit%C3%A4t%20%20Lagebild%202013.pdf, Zugriff am 5.2.2015. 32 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Korruptionsdelikten auf kommunaler Ebene zwischen 10% und 27% von allen erfassten Korruptionsdelikten (s. Anhang 1, Abb. 4).87 Wenn also in den Berliner Bezirken über fünf Jahre nicht ein einziger Korruptionsfall aufgedeckt wird (ein Bezirk ausgenommen), kann das unmöglich bedeuten, dass es in den Berliner Bezirken keine Korruption gibt. Blickt man vergleichend auf die bundesweiten Zahlen, die Zahlen des benachbarten Bundeslandes Brandenburg und der Berliner Landesebene, dann stellt sich die Frage, ob hier nicht ein Totalversagen der Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken vorliegt – mit Ausnahme eines Bezirks. Ob in diesem einen Bezirk die Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung die Ermittlungserfolge bewirkt haben, oder ob dieser statistische Ausreißer nur Zufall ist, ist eine genauere Untersuchung wert. Ich werde im Folgenden darauf zurückkommen. Eine Überprüfung der Wirksamkeit der Instrumente und Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung auf bezirklicher Ebene ist in allen Bezirken angebracht. Denn: „Wo immer nachgebohrt wird, wo Hinweisen konsequent nachgegangen wird, wo Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, dort stößt man stets auf eine ganze Kette von Korruptionsdelikten, einen Sumpf von Gefälligkeiten, Vergünstigungen, Ermessensüberschreitungen, Pflichtwidrigkeiten, Rechtsbrüchen, die für mehr oder weniger bedeutende Gegenleistungen erbracht worden sind.“88 Es bleibt die Frage, warum drei Viertel der befragten Sachverständigen aus den Bezirken dennoch der Ansicht sind, dass von Politik und Verwaltung genug gegen Korruption unternommen wird. Darüber kann ich nur Vermutungen anstellen: Korruption und Korruptionsprävention sind politisch brisante Themen. Kritik ist möglicherweise unerwünscht. Ferner wäre Kritik in diesem Kontext gleichzeitig auch Kritik an der eigenen Arbeit. Ebenfalls vorstellbar wäre, dass es einzelnen Sachverständigen trotzt ihrer Position und ihres dienstlichen Auftrags an Fachwissen mangelt, und sie deswegen zu fragwürdigen Einschätzungen kommen. Etliche der Befragten übten die Korruptionsbekämpfung immerhin nur als Nebentätigkeit neben anderen Aufgaben aus. Wir dürfen ferner nicht die Möglichkeit ausschließen, dass auch eine Amtsleitung korrupt sein kann. Laut Bundeslagebild des BKA von 2013 waren in diesem Jahr in fast 40% aller 87 Bundeskriminalamt: Bundeslagebilder Korruption 2007-2013, http://www.bka.de/nn_193360/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Korruption/korrup tion__node.html?__nnn=true, Zugriff 5.2.2014 88 Zachert, Hans-Ludwig: Korruption und Korruptionsbekämpfung – Zehn Thesen. In: FriedrichEbert-Stiftung: Korruption in Deutschland. Ursachen, Erscheinungsformen, Bekämpfungsstrategien, Dokumentation einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 16. und 17. Februar 1995 in Berlin. Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin.1995. S. 87. 33 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Korruptionsdelikte Amtsleitungen oder gar verwickelt. 89 Bürgermeister Es ist wahrscheinlich, dass es solche Fälle auch in den Berliner Bezirken gibt. Würde man die bundesweite Statistik auf Berlin übertragen, müssten es sogar mehrere Bezirke sein. Eine korrumpierte Amtsleitung würde dem Korruptionsbeauftragten des Bezirks die Arbeit schwer machen. Oder sie würde gleich selbst einen Korruptionsbeauftragten einsetzen, der seine Arbeit nicht zu gründlich macht. Dass die politische Brisanz des Themas Korruptionsbekämpfung für die Befragten eine Rolle bei der Befragung gespielt hat, geht aus den Fragebögen indirekt hervor. Viele Fragen nach der eigenen Meinung blieben unbeantwortet oder Antworten wurden nur sehr vage formuliert. Manche der Befragten wollten bestimmte Aussagen nur anonym machen. Und gleich drei Korruptionsbeauftragte aus drei Bezirken haben von vorneherein die Teilnahme an der Befragung abgelehnt, ausgerechnet aus den Bezirken, die schon 2008 bei der Untersuchung von Transparency International nicht besonders gut abgeschnitten hatten. Mit ihrer Fehleinschätzung der Situation sind die befragten Sachverständigen übrigens nicht allein. Der Effekt, die eigene Lage zu rosig zu beurteilen, zeigt sich häufiger in Befragungen. Er ist ein typisches Phänomen in der Sozialforschung.90 5.4. Themenblock 2: Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung In ersten Abschnitt dieses Themenblocks befasse ich mich zunächst mit den Instrumenten und Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung, die gemäß den Berliner Antikorruptionsrichtlinien in ganz Berlin verbindlich umgesetzt werden müssen. Im zweiten Abschnitt behandle ich Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung, die nicht Teil der Richtlinien sind, die aber allgemein zu den gängigen Mitteln der Korruptionsbekämpfung91 zählen und die in vielen Behörden Deutschlands Standard sind (s. Anhang 1, Abb.3).92 89 Bundeskriminalamt: Bundeslagebild Korruption 2013, Bundeskriminalamt, Wiesbaden, 2014. S. 11 90 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (HG): Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010. Auf der Spur von Korruption & Co. Halle-Wittenberg 2010. S. 16-17 91 Vgl. 10-Punkte-Katalog des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Deutscher Städte- und Gemeindebund (HG): Korruptionsprävention bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Manipulation verhindern, Korruption bekämpfen. Berlin: Deutscher Städte- und Gemeindebund, 2003. http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Verwaltung/Handreichung_Kommune/DStG B_-_Dok.__No._31_-_Korruptionspraevention_bei_der_oeffentlichen_Auftragsvergabe.pdf, Zugriff 19.2.2015. S. 16-17 92 PricewaterhouseCoopers AG, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (HG): Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010. Auf der Spur von Korruption & Co. Halle-Wittenberg 2010. S. 42 34 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 5.4.1. Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung Beschreibung und Begründung der Fragen zu den Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung Das Land Berlin hat am 16.12.2008 zuletzt seine Richtlinie zur Korruptionsbekämpfung aktualisiert.93 „Diese Richtlinie gilt für alle Behörden und Einrichtungen des Landes sowie für Landesbetriebe.“94 Damit gilt sie seit 1.9.2009 auch für die Bezirksverwaltungen. Im Jahr 2012 hat der Senat von Berlin ferner die Richtlinie für die Arbeit der Prüfgruppen zur Korruptionsbekämpfung in der Hauptverwaltung aus dem Jahr 1998 aktualisiert. 95 Diese Verwaltungsvorschrift bezieht sich auf die Prüfgruppen in der Hauptverwaltung. Bezirke sind meines Wissens immer noch nicht verpflichtet, Prüfgruppen zu haben.96 Die Frage nach bezirkseigenen Richtlinien stellt sich trotzt landesweit geltender Richtlinien, da die Bezirke ja eigene Korruptionsbekämpfungskonzepte haben können mit möglicherweise weiterreichenden und schärferen Richtlinien. Ferner könnte es ja eigene Richtlinien für die Arbeit von Prüfgruppen geben. Beispielsweise sieht ein Beschluss des Bezirksamts Reinickendorf zur Korruptionsbekämpfung aus dem Jahr 2010 vor, dass die Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung Reinickendorf einen jährlichen Bericht über ihre Tätigkeit verfasst, und dass dieser im Internet veröffentlicht werden soll. 97 Im Gegensatz dazu sieht die landesweite Richtlinie für die Arbeit der Prüfgruppen lediglich vor, dass es Berichte der Prüfgruppe zu den einzelnen Prüfvorgängen geben soll, die aber nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sind.98 Auswertung der Antworten zu den Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung Nur eine befragte Sachverständige gab an, dass ihr Bezirk eigene Richtlinien zur 93 Richtlinie zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung in der Landesverwaltung (Antikorruptionsrichtlinie), siehe auch Bericht von Transparency International zur Korruptionsprävention in den Berliner Bezirken 2008, http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Verwaltung/Korruptionspraevention_Bln_Bez irke_2008-02-29.pdf, Zugriff 6.2.2015 94 Ebenda, Seite 1, Abs. 1.2. 95 Senat von Berlin: Richtlinien für die Arbeit der Prüfgruppen in der Hauptverwaltung, http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/justiz/aktuell/richtlinien_zur_korrupt ionsbekaempfung.pdf?start&ts=1420729485&file=richtlinien_zur_korruptionsbekaempfung.pdf, Zugriff 6.2.2015 96 Ebenda, Seite 1, Abs. 1.1. 97 Bezirksamt Reinickendorf: BVV-Drucksacke 0583/XVIII vom 12.10.2010, http://www.berlin.de/ba-reinickendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036606557193/6065571 93/00038004/04-Anlagen/04/5_Version_vom_13_10_2010.pdf, Zugriff am 6.2.2015 98 Senat von Berlin: Richtlinien für die Arbeit der Prüfgruppen in der Hauptverwaltung, 35 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Korruptionsbekämpfung hat. Dieser Bezirk war der einzige, in dem es auch Korruptionsfälle gegeben hat. In allen anderen Bezirken gibt es über die landesweiten Antikorruptionsrichtlinien hinaus keine weitergehenden Richtlinien. Diskussion der Antworten zu den Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung Die Berliner Antikorruptions-Richtlinie gilt in allen Bezirken. Nur ein Bezirk verfügt darüber hinaus noch über eine eigene Richtlinie. Das bedeutet, dass die in den Richtlinien gemachten Vorgaben für die Korruptionsbekämpfung in allen Bezirken umgesetzt sein sollten. Noch 2008 rügte Transparency International im bereits genannten Bericht, dass die bis dahin empfohlene Umsetzung der Berliner Richtlinien von 1998 in etlichen Bezirken noch längst nicht erfolgt war. „Berlins Bezirke sind nur unzureichend vor Korruption geschützt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Antikorruptionswächter von Transparency International. Die Nichtregierungsorganisation hat die 'Korruptionsprävention in den Berliner Bezirken' untersucht. Das Ergebnis: Von den zwölf Bezirken weisen vier (Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinickendorf, Mitte, Steglitz- 99 Zehlendorf) erhebliche Mängel auf“. Wie im Vorangegangenen bereits festgestellt, werden auf Landesebene relativ regelmäßig Korruptionsfälle aufgedeckt. Auf Bezirksebene geschieht das nicht. Ob das daran liegt, dass es auf Bezirksebene mit der Umsetzung der Antikorruptions-Richtlinie nach wie vor Probleme gibt, soll im Folgenden überprüft werden. Dass es mit der Umsetzung von Richtlinien und Beschlüssen Schwierigkeiten geben kann, zeigt folgendes Beispiel: Im Jahr 2008 hatte das Bezirksamt Reinickendorf sich selbst verpflichtet, die jährlichen Berichte der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung im Internet zu veröffentlichen. Knapp sechs Jahre später gab es noch nicht einmal die Berichte. Erst eine Anfrage durch mich bei einem BVV-Abgeordneten und eine sich daraus ergebende BVV-Anfrage führte dazu, dass das Bezirksamt die Berichte der vergangenen Jahre zusammengefasst nachreichte und veröffentlichte. Dieser Sammelbericht über rund fünf Jahre Tätigkeit der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung ist allerdings für einen normalen Bürger im Internet kaum zu finden – er befindet sich auf der Bezirksamtswebseite versteckt unter den BVV-Drucksachen unter der Bezeichnung BVVDrucksache 0583/XVIII vom 16.9.2014.100 http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/justiz/aktuell/richtlinien_zur_korrupt ionsbekaempfung.pdf?start&ts=1420729485&file=richtlinien_zur_korruptionsbekaempfung.pdf, Zugriff 6.2.2015, Seite 3, Abs. 8 99 Berliner Tagesspiegel, 13.3.2008, http://www.tagesspiegel.de/berlin/korruption-transparencyruegt-fehlenden-schutz/1187332.html, Zugriff am 6.2.2015 100Bezirksamt Reinickendorf: BVV-Drucksacke 0583/XVIII vom 17.9.2014 http://www.berlin.de/ba- 36 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Das Auffallendste an diesem Sammelbericht ist, dass fast nichts drinsteht. Die Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung Reinickendorf war seit ihrer Gründung offensichtlich weitestgehend inaktiv. Pro Jahr gab es jeweils nur einen einzigen Prüfvorgang (!) genauso wie in den beiden vorangegangenen Jahren 2008 und 2009. 101 Fast alle dieser Prüfvorgänge endeten mit einer Einstellung des Verfahrens. Geprüft wurde außerdem immer nur dann, wenn externe Hinweise eine Prüfung unvermeidbar machten. Die Berichte der Prüfgruppe geben nicht den geringsten Hinweis darauf, dass die Prüfgruppe darüber hinaus irgendwelche anderen wichtigen Akzente bei der Korruptionsbekämpfung im Bezirk gesetzt hätte. Insbesondere steht in den Berichten nichts über nichtanlassbezogene Stichproben, obwohl diese in dem Bezirksamts-Beschluss sowie in der Berliner Richtlinie für die Prüfgruppen ausdrücklich vorgesehen sind (BVV-Drucksacke 0583/XVIII vom 12.10.2010, Absatz 4 a: „Die Prüfgruppe führt sowohl nichtanlassbezogene Routineprüfungen als auch anlassbezogene Prüfungen durch.“).102 Es ist daher festzustellen: Mit der Einführung einer Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung hat der Bezirk Reinickendorf eine Antikorruptions-Maßnahme zwar formal umgesetzt, von einer ernstzunehmenden, wirksamen Korruptionsbekämpfung durch die Prüfgruppe kann aber keine Rede sein. Eine zentrale Aufgabe einer Prüfgruppe gemäß den Richtlinien, nämlich nichtanlassbezogen Vergaben und andere Transaktionen zu prüfen, um Verdächtiges und Auffälliges überhaupt erst zu finden, wird nicht erfüllt. Das Beispiel von Reinickendorf zeigt, dass die Umsetzung der Berliner Antikorruptionsrichtlinie in den Berliner Bezirken der genauen Überprüfung bedarf. Die einfache Abfrage formaler Kriterien, wie in dem Bericht von Transparency International von 2008, genügt nicht. Die Antikorruptionsrichtlinie kann als umgesetzt betrachtet werden, wenn die in ihr aufgezählten Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in den Bezirken angewendet werden. In der Berliner Antikorruptionsrichtlinie von 2008 sind verschiedene Instrumente und Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung gelistet. Das sind im Einzelnen • die Erstellung eines Korruptions-Gefährdungsatlas' mit Risikoanalyse (Abs. 4.1.4.3.), reinickendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036606557207/6065572 07/00038004/04-Anlagen/05/6_Version_vom_17_09_2014.pdf, , Zugriff am 6.2.2015 101Bezirksamt Reinickendorf: BV-Drucksache 0583/XVIII vom 13.10.2010, http://www.berlin.de/bareinickendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036606557207/6065572 07/00038004/04-Anlagen/04/5_Version_vom_13_10_2010.pdf, Zugriff am 6.2.2015 102Ebenda, Seite 2 37 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin • die Personalrotation auf besonders korruptionsanfälligen Stellen (Abs. 4.4.), • die Einführung eines Verhaltenskodex für die Mitarbeiter (Abs. 5.1. und Anlage 1) • die regelmäßige Belehrung von Mitarbeitern (Abs. 5.2.), • die vertragliche Verpflichtung von privaten Unternehmen, die für die Verwaltung tätig sind, auf die gewissenhafte Ausführung ihrer Obliegenheiten bzw. die formale strafrechtliche Gleichstellung dieser Personen mit Amtsträgern (Abs. 5.3.), • die Aus- und Fortbildung in Bezug auf Korruption (Abs. 5.4.), • die Bestellung von Ansprechpartnern in der Verwaltung für die Korruptionsbekämpfung (Abs. 6.1.), Ergänzt werden diese Maßnahmen durch Regelungen für Werbung und Sponsoring (Abs. 8 und Anlage 2). Die „Berliner Richtlinie für die Einrichtung von Prüfgruppen Korruptionsbekämpfung in der Hauptverwaltung“ von 1998, aktualisiert 2012, sieht weitere Maßnahmen vor, deren Umsetzung nachzuprüfen wäre: • die Einrichtung von Prüfgruppen zur Korruptionsbekämpfung, • die Durchführung von Routineprüfungen und anlassbezogenen Prüfungen durch die Prüfgruppe. Dabei sollen die Routineprüfung auch unterstützende und beratende Funktion haben, • die Erarbeitung interner Kontrollsysteme (IKS). In einem Rundschreiben der Antikorruptions-Arbeitsgruppe der Berliner Senatsverwaltung vom 7.9.1998 werden weitere unverbindliche Empfehlungen aufgelistet, die in den späteren Fassungen der Richtlinien nicht mehr vorkommen,103 wie beispielsweise „Einschränkung von Nebentätigkeitsgenehmigungen und striktes Verbot von Nebentätigkeiten von Bediensteten im Zusammenhang mit ihrem Aufgabenbereich (Pflichtenkollision)“.104 Im Rahmen meiner Befragung werde ich auch untersuchen, ob von diesen Empfehlungen in den Berliner Bezirken etwas umgesetzt wurde. Auf Landesebene wurden Korruptionsbekämpfung noch ergriffen: 2006 folgende wurde weitere in Berlin Maßnahmen ein der landesweites Korruptionsregister eingeführt.105 Im Jahr 2010 wurde das Berliner AntikorruptionsKonzept erweitert um die Einführung eines Vertrauensanwalts als externen 103Senatsverwaltung für Justiz, Antikorruptions-Arbeitsgruppe der Berliner Verwaltung: Rundschreiben zu den Richtlinien zur Korruptionsprävention vom 7.9.1998, http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/justiz/richtlinien_korruptionspraeve ntion.pdf?start&ts=1129811984&file=richtlinien_korruptionspraevention.pdf, Zugriff am 6.2.2015 104Ebenda, Seite 2, Nr. 10 105http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/korruptionsregister/ , Zugriff 6.2.2015 38 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Ansprechpartner für Hinweisgeber. Die 2010 beschlossene Einführung eines landesweiten elektronischen Hinweisgebersystems wurde erst kürzlich – im Februar 2015 – umgesetzt.106 Ob es Ähnliches auf Bezirksebene gibt, möchte ich untersuchen. Transparency International listet in dem Bericht von 2008 folgende Maßnahmen als erforderlich für eine effiziente bezirkliche Korruptionsbekämpfung auf: • „In jedem Bezirk sollte es einen Arbeitskreis Antikorruption geben, dessen Aufgaben die Beratung bei der Korruptionsprävention und dem Monitoring der Prüfgruppe sein sollten. • Jeder Bezirk sollte über eine zentrale Prüfgruppe verfügen, in die die einzelnen Innenrevisionen der Abteilungen zumindest lose eingebunden sind. Die zentrale Prüfgruppe sowie die einzelnen Revisionen sollten dem Antikorruptionsbeauftragten unterstellt sein, der seinerseits nur dem Bürgermeister verantwortlich sein sollte. • Es sollte einen jährlichen Bericht des Bürgermeisters vor der BVV geben, um gerade im Bereich der Korruptionsbekämpfung Prävention, Transparenz und Verantwortung zu unterstreichen. • Erforderlich ist die Einrichtung von zentralen Vergabestellen, um eine Trennung von Planungs-, Ausschreibungs-, Vergabe-, Bauleitungs- und Abrechnungsfunktionen zu erreichen. • Es sollte in jedem Bezirk einen Gefährdungsatlas geben, um Gefährdungen und Risiken besser abschätzen zu können. • Auf besonders korruptionsgefährdeten Stellen sollte spätestens nach fünf Jahren ein Personalwechsel vorgenommen werden. • Es sollte in jedem Bezirk eine Sponsoring-Richtlinie geben, die Sponsoring in Bereichen mit hoheitlichem Handeln ausschließt und Transparenz herstellt, wer zu welchem Zweck welche Mittel zur Verfügung stellt und worin die Gegenleistung besteht. Die Einrichtung eines Zuwendungsregisters ist wünschenswert. • Wichtig ist die Einführung eines Hinweisgebersystems oder eines Ombudsmannes mit entsprechenden Hinweisen auf den Homepages der Bezirke.“107 Festzustellen ist, das Land Berlin ist mit seinen Richtlinien nah dran an den Empfehlungen von Transparency International. Man könnte also sagen, hier ist auf der 106Abgeordnetenhaus Berlin: Drucksache 16/3361 vom 1.7.2010, http://www.parlamentberlin.de/ados/16/IIIPlen/vorgang/d16-3361.pdf, Zugriff am 6.2.2015 und Berliner Zeitung, 10.2.2015 107http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Verwaltung/Korruptionspraevention_Bln_Be zirke_2008-02-29.pdf, S. 7, Zugriff 6.2.2015 39 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin formalen Ebene Einiges erreicht worden. Interessant wäre natürlich die Antikorruptionsrichtlinie des einen Bezirks mit einer eigenen Richtlinie. Diese „Organisations- und Handlungsrichtlinien der Zentralen Revision zur Korruptionsbekämpfung“ aus dem Jahr 2000 lag mir leider nicht vor. Sie wird derzeit überarbeitet. Daher kann ich dazu leider nichts sagen. 5.4.2. Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung Beschreibung und Begründung der Fragen zur Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung Prüfgruppen zur Korruptionsbekämpfung sind ein zentrales Element der Korruptionsbekämpfung in Berlin auf Landesebene. Ihre Aufgabe ist es, anlassbezogene und nichtanlassbezogene Prüfungen durchzuführen. Ferner sollte eine Prüfgruppe die verschiedenen Abstimmung Antikorruptionsmaßnahmen verschiedener einer Verwaltung Verwaltungseinheiten steuern untereinander bzw. (z.B. die der Innenrevisionen) organisieren und interne Kontrollsysteme erarbeiten. Neben den Prüfgruppen gibt es gemäß den Richtlinien keine anderen Organe, die in ähnlichem Umfang Aufgaben der Korruptionsbekämpfung wahrnehmen. Die Tätigkeit der Prüfgruppen – als zentrale Organe der Korruptionsbekämpfung – ist damit von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit der Korruptionsbekämpfung. Auswertung der Antworten zur Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung Vier der neun befragten Bezirke verfügen über eine Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung. Der nicht an der Befragung teilnehmende Bezirk Reinickendorf hat ebenfalls eine Prüfgruppe.108 Der Bezirk Neukölln verfügt gemäß BVV-Drucksache 1418/XVIII vom 28.4.2010 über eine Prüfgruppe und einen Arbeitskreis Antikorruption.109 Von SteglitzZehlendorf habe ich nur gehört (leider unbestätigt), dass es dort keine Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung geben soll. Drei der befragten Bezirke haben lediglich eine Arbeitsgruppe Antikorruption, die selbst keine Prüfungen durchführt. Ein Bezirk hat an Stelle einer Prüfgruppe eine „ständige Organisationseinheit Zentrale Revision zur Korruptionsbekämpfung (ZRK)“. In diesem Bezirk gab es die einzigen 108s. Bezirksamt Reinickendorf: BVV-Drucksache 0583/XVIII vom 13.10.2010. http://www.berlin.de/ba-reinickendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036606557207/6065572 07/00038004/04-Anlagen/04/5_Version_vom_13_10_2010.pdf, Zugriff am 6.2.2015 109Bezirksamt Neukölln: BVV-Drucksache 1418/XVIII vom 28.4.2010. http://www.berlin.de/baneukoelln/bvv-online/___tmp/tmp/45081036999503043/999503043/00026325/25Anlagen/02/18-1418.pdf, Zugriff am 6.2.2015 40 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Korruptionsfälle. Es ist festzustellen, dass die Prüfgruppen der Bezirke ihre Aufgaben völlig unterschiedlich wahrnehmen: • Zwei Bezirke gaben an, die Prüfgruppe tage nur anlassbezogen. In einem dieser Bezirke hat sich die Prüfgruppe im vergangenen Jahr darum keinmal getroffen. Drei weitere Bezirke gaben an, die Prüfgruppe tage weniger als fünfmal im Jahr. Nur zwei Bezirke gaben an, die Prüfgruppe würde sich häufig („laufend“) oder gar täglich treffen. Allerdings besteht in einem Fall die Prüfgruppe lediglich aus zwei Mitarbeitern der zentralen Innenrevision, die ohnehin ständig zusammenarbeiten. Im anderen Fall besteht die Prüfgruppe aus drei Mitgliedern in einer ständigen Einheit. • Die Mitgliederzahl der Prüfgruppen variiert zwischen zehn und zwei. • Nur vier Bezirke gaben an, die Prüfgruppe würde auch nichtanlassbezogene Prüfungen durchführen. Davon gaben allerdings zwei Bezirke an, Prüfungen würden nur einmal (!) im Jahr durchgeführt. Ein einziger Bezirk gab an, immerhin 88 nichtanlassbezogene Prüfverfahren in einem Jahr durchgeführt zu haben. • In nur zwei Bezirken werden auch Freihand-Vergaben in Stichproben geprüft. Davon in einem aber nur einmal im Jahr. • Nur in drei Bezirken gibt es einen jährlichen Bericht über die Tätigkeit der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung bzw. des Arbeitskreises Antikorruption. Nur ein Bezirk veröffentlicht diesen Bericht, ein Bezirk publiziert ihn immerhin in seinem Intranet und gibt ihn der BVV zur Kenntnisnahme, im dritten Bezirk wird der Bericht dem Bezirksamt zur Kenntnis gegeben. Ein Bezirk hat die Berichte abgeschafft „wegen Mangel an berichtenswerten Erkenntnissen“. • Kein einziger Bezirk hat für Prüfverfahren der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung ein standardisiertes Prüfverfahren bei Korruptionsverdachtsfällen (abgesehen von der Berliner Richtlinie für die Arbeit der Prüfgruppen in der Hauptverwaltung, in denen das Vorgehen bei Prüfverfahren nur sehr vage geregelt ist). • Ebenfalls in keinem Bezirk werden die verschiedenen Abteilungen der Innenrevision durch die Prüfgruppe zentral koordiniert. Im nicht an der Befragung teilnehmenden Bezirk Reinickendorf tagt die Prüfgruppe ebenfalls nur anlassbezogen. Stichprobenprüfungen werden nicht durchgeführt. Ein standardisiertes Prüfverfahren gibt es nicht, dafür aber seit 2014 einen jährlichen Bericht. 41 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Diskussion der Antworten zur Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung Schon 1998 wurde den Bezirksverwaltungen die Einführung von Prüfgruppen zur Korruptionsbekämpfung empfohlen. Die Tätigkeit dieser Prüfgruppen wurde in der Richtlinie für die Prüfgruppen hinreichend beschrieben. Heute ist festzustellen, dass es mindestens drei Bezirke gibt, die immer noch keine Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung haben. Vier von neun der befragten Bezirke sowie Reinickendorf und Neukölln verfügen immerhin formal über eine Prüfgruppe. Die Tätigkeit dieser Prüfgruppen gestaltet sich von Bezirk zu Bezirk völlig uneinheitlich. In fast allen Bezirken entspricht die Arbeit der Prüfgruppen nicht den Richtlinien, es finden beispielsweise in den meisten Bezirken überhaupt keine nichtanlassbezogenen Prüfungen statt. In keinem Bezirk werden die Aktivitäten der Innenrevision koordiniert. Von der Erarbeitung interner Kontrollsysteme ist man damit also in allen Bezirken weit entfernt. Für Prüfverfahren in Korruptionsverdachtsfällen gibt es in keinem Bezirk ein standardisiertes Prüfverfahren, weder eigene, festgelegte Standards noch nationale oder international definierte Standards wie beispielsweise vom Deutschen Institut für interne Revision DIIR. Ein ordentlicher Prüfungsablauf ist damit nicht gewährleistet. Ob und wie geprüft wird, und wie bei entdeckten Unregelmäßigkeiten verfahren wird, ist völlig unzureichend geregelt. Über die Tätigkeit der Prüfgruppen wird weitgehend Stillschweigen bewahrt, ein Berichtswesen und jährliche Berichte über die Tätigkeit der Prüfgruppen gibt es nur in drei der befragten Bezirke. Bezirksverordnete nehmen in keinem Bezirk an Sitzungen der Prüfgruppe teil. In fünf der neun an der Befragung teilnehmenden Bezirke tagt die Prüfgruppe weniger als fünfmal im Jahr. Wie oft ein Gremium tagt, sagt zwar nur bedingt etwas über seine Wirkung aus, doch kann man davon ausgehen, dass Prüfgruppen, die sich kein- bis dreimal im Jahr treffen wohl kaum eine besondere Dynamik entfalten können bei der Korruptionsbekämpfung. Das formale Vorhandensein von Prüfgruppen zur Korruptionsbekämpfung ist keine Garantie dafür, dass Korruptionsbekämpfung auch stattfindet. Tatsächlich ist die Tätigkeit der Prüfgruppen der meisten Bezirke völlig unzureichend und größtenteils wirkungslos. Sie entspricht nicht dem Stellenwert, den die Prüfgruppen theoretisch für die Korruptionsbekämpfung haben. Sie entspricht vielerorts nicht der Berliner Richtlinie für Prüfgruppen. „Gezieltes Korruptions-Controlling verlangt eine höhere Kontroll-Dichte in der Verwaltung, 42 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin die auf Abwehr und Entdeckung von dolosen Handlungen angelegt ist. Wesentlich hierfür sind die Steigerung der Prüfungsdichte, eine technisch qualifizierte Prüfungskompetenz und die Unabhängigkeit der Prüfinstanzen. Die Kontrollen haben sich entlang einer Indikatoren-Liste für doloses Verhalten zu orientieren.“110 Dass es auf bezirklicher Ebene keine Ermittlungserfolge bei der Korruptionsbekämpfung gibt, ist kein Wunder. Wer nicht suchet, der nicht findet. Abgesehen von der Leistung der Prüfgruppen Korruptionsbekämpfung in den Bezirken wäre noch ein anderer Aspekt zu diskutieren: Sofern eine Prüfgruppe nur anlassbezogene Prüfungen vornimmt, wenn es demnach einen Anfangsverdacht gibt, dann übernimmt sie damit eine Aufgabe, die eigentlich der Staatsanwaltschaft zufallen sollte. Nur darf die Staatsanwaltschaft ohne hinreichende Belege für einen Anfangsverdacht nicht ermitteln. Die Prüfgruppe muss also erst einen solchen Beleg finden und dann die Staatsanwaltschaft einschalten. Eine wie auch immer geartete Vorprüfung durch eine Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung ist aber riskant. Immerhin geht bei einer Prüfung durch eine Prüfgruppe Zeit verloren, und verdächtigte Personen werden durch die Prüfung eventuell gewarnt und können Beweise vernichten. Und wenn die Amtsleitung oder Mitglieder der Prüfgruppe selbst Teil korrupter Netzwerke sein sollten, ist eine Prüfung durch eine solche Prüfgruppe eher das Ende von Ermittlungen als der Anfang. Um Prüfungen so durchzuführen, dass Verdächtige dadurch nicht vorzeitig gewarnt werden, bedarf es strengster Vertraulichkeit, viel Fingerspitzengefühls und kriminologischer Fachkenntnis. Ich bezweifle, dass Prüfgruppen, die nur einmal im Jahr ein Prüfverfahren durchführen, über die notwendige Erfahrung verfügen. Außerdem ist die Vertraulichkeit durch die Menge der zwangsläufig eingeweihten Mitglieder der Prüfgruppe bereits nicht mehr gegeben. Ombudspersonen und Hinweisgeber sollten die ihnen gegebene Hinweise deswegen keinesfalls erst an die Prüfgruppe im Bezirk weiterleiten sondern direkt an die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft muss dann selbst entscheiden, ob es einen hinreichenden begründeten Anfangsverdacht gibt, der Ermittlungen rechtfertigt. Sollte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen eines fehlenden Anfangsverdachts ablehnen, kann gegebenenfalls immer noch die Prüfgruppe eingeschaltet werden. Es spricht allerdings vieles dafür, anlassbezogene Prüfungen gar nicht mehr durch 110 Wolfgang J. Schaupensteiner: Korruption in Deutschland. In: Friedrich-Ebert-Stiftung: Korruption in Deutschland. Ursachen, Erscheinungsformen, Bekämpfungsstrategien, Dokumentation. Eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 16. und 17. Februar 1995 in Berlin. Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin.1995. S. 100. 43 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin bezirkliche Prüfgruppen durchführen zu lassen sondern besser von einer externen, spezialisierten Behörde. In dem Bezirk mit den sieben Korruptionsfällen wurden alle Ermittlungsverfahren aufgrund von Hinweisen (interne wie externe) eingeleitet. Nichtanlassbezogene Prüfungen und andere Kontrollmaßnahmen wirken hier vielleicht präventiv, aber zur Aufdeckung von Korruptionsfällen haben sie nicht beigetragen. Eine Überprüfung des internen Kontrollsystems wäre darum sinnvoll. Das Geben von Hinweisen sollte weiter erleichtert werden. Die Aufgabe der bezirklichen Prüfgruppen sollte es eher sein, nichtanlassbezogene Prüfungen, Stichproben und andere Kontrollmaßnahmen durchzuführen und die Antikorruptions-Aktivitäten in der Verwaltung zu steuern. 5.4.3. Ombudsperson Beschreibung und Begründung der Fragen zur Ombudsperson Ombudspersonen oder Vertrauensanwälte werden allgemein als wirksames Instrument zur Korruptionsbekämpfung betrachtet.111 Eine Ombudsperson ist ein verwaltungsexterner Ansprechpartner für Hinweisgeber, in der Regel ein Rechtsanwalt. Er garantiert den Hinweisgebern Anonymität und anwaltliche Schweigepflicht. Über die Ombudsperson sind Rückfragen an den Hinweisgeber möglich, ohne dass dieser seine Anonymität aufgeben muss. Ernstzunehmende Hinweise gibt die Ombudsperson zur Prüfung weiter an die Verwaltung, gegebenenfalls auch direkt an die Staatsanwaltschaft. Anonyme und nichtanonyme Hinweise Dritter sind wichtige Quellen für die Verfolgung von Korruptionsdelikten. Das Lagebild Korruption 2013 des Landeskriminalamts NRW beispielsweise gibt an, dass 31% aller Ermittlungsverfahren wegen Korruption durch Hinweise Dritter ins Rollen gebracht wurden, dazu kommen fast sechs Prozent Ermittlungsverfahren aufgrund anonymer Hinweise.112 Ansprechpartner für Hinweisgeber sind also von großer Bedeutung für die Korruptionsbekämpfung. Die Gestaltung von Angeboten für Hinweisgeber ist daher von besonderer Wichtigkeit. Das Land Berlin hat die Funktion der Ombudsperson – hier Vertrauensanwalt genannt – zu einem zentralen Element der Korruptionsbekämpfung gemacht. Im 111 Vgl. Bannenberg, Britta; Schaupensteiner, Wolfgang: Korruption in Deutschland. Portrait einer Wachstumsbranche. Verlag C.H.Beck, München 2004. S. 214 112 Landeskriminalamt NRW: Lagebild Korruption NRW 2013, Düsseldorf 2014, http://www.mik.nrw.de/fileadmin/user_upload/Redakteure/Verfassungsschutz/Dokumente/2013_ LagebildKorruption.pdf, Zugriff 7.2.2015, S. 4-5 44 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Antikorruptionskonzept des Landes Berlin gilt der Vertrauensanwalt als die „vierte Säule der Korruptionsbekämpfung“.113 Auch der Bezirk Spandau setzt in der Korruptionsbekämpfung seit Jahren auf eine Ombudsperson. Hier gilt sie als die „dritte Säule der Korruptionsbekämpfung“.114 Auswertung der Antworten zur Ombudsperson Nur zwei Bezirke gaben an, eine Ombudsperson zu haben. Die nicht an der Befragung teilnehmenden Bezirke Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf habe eine Ombudsperson, dieselbe übrigens, wie die anderen Bezirke.115 Der Bezirk Mitte hat keine eigene Ombudsperson, verweist aber auf seiner Webseite immerhin auf den Vertrauensanwalt des Landes Berlin als Ansprechpartner für Hinweisgeber.116 Der Vertrauensanwalt des Landes Berlin steht Hinweisgebern offiziell sonst eigentlich nur für Hinweise in Bezug auf die Hauptverwaltungen des Landes Berlin zur Verfügung.117 In der Summe gibt es in Berlin also genau zwei externe Ansprechpartner für anonyme Hinweisgeber. Der nicht an der Befragung teilnehmende Bezirk Neukölln lehnt die Einführung einer Ombudsperson ab: „Die Einsetzung eines Ombudsmannes ist eine Möglichkeit, Korruption präventiv anzugehen. Eine andere ist es, mit bezirkseigenen, fachlich versierten Mitarbeitern diese Leistung zur Verfügung zustellen. Dies ist durch den Anti-Korruptionsbeauftragten als Volljuristen der Fall.“118 Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat sich 2008 gegen das Einführen einer Ombudsperson entschieden in Erwartung der Einführung eines elektronischen Hinweisgebersystems auf Landesebene.119 Das heißt, nur vier bzw. fünf von zwölf Berliner Bezirken nutzen aktiv die Funktion der Ombudsperson zur Korruptionsbekämpfung. Für potentielle Hinweisgeber gibt es in den 113 http://www.berlin.de/sen/justiz/aktuell/korruption.html, Zugriff 7.2.2015 114http://www.berlin.de/ba-spandau/verwaltung/antikorruption.html , Zugriff 7.2.2015 115 Berliner Woche, 28.7.2014. http://www.berliner-woche.de/nachrichten/bezirk-tempelhofschoeneberg/artikel/47261-anwaeltin-stefanie-lejeune-ueberprueft-verwaltungen-hinsichtlichkorruption/, Zugriff 6.2.2015 116http://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/service-undorganisationseinheiten/rechtsamt/, Zugriff 6.2.2015 117http://www.berlin.de/sen/kultur/service/vertrauensanwalt/artikel.38477.php , Zugriff 6.2.2014 118Bezirksamt Neukölln: BVV-Drucksache 1418/XVIII, 28.04.2010, http://www.berlin.de/baneukoelln/bvv-online/___tmp/tmp/45081036668103449/668103449/00026325/25Anlagen/02/18-1418.pdf, Zugriff 6.2.2015 119Bezirksamt Friedrichshain: BVV-Drucksache 0702/III vom 24.9.2008, http://www.berlin.de/bafriedrichshain-kreuzberg/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp, Zugriff 6.2.2015 45 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin übrigen Bezirken nur verwaltungsinterne Ansprechpartner oder den Gang zu Staatsanwaltschaft oder Polizei, von garantierter Anonymität kann dabei keine Rede sein. Diskussion der Antworten zur Ombudsperson Angesichts des allgemein angenommenen, hohen Wertes einer Ombudsperson für die Korruptionsbekämpfung ist das Ergebnis erstaunlich. Während es in ganz Deutschland kaum mehr eine Stadt zwischen 250.000 und 400.000 Einwohnern zu geben scheint, die nicht über eine Ombudsperson verfügt, sind es in Berlin gleich sieben bzw. acht Bezirke. Man meint offenbar, auf einen externen Ansprechpartner für Hinweisgeber verzichten zu können und setzt dafür auf interne Ansprechpartner ohne Gewährleistung von Anonymität. Diese Entscheidung ist wohl keine reine Kosten-Nutzen-Abwägung. Zum einen halten sich die Kosten für eine Ombudsperson in einem überschaubaren Rahmen. Zu den Kosten hat sich die ehemalige Justizsenatorin Frau Gisela von der Aue 2010 geäußert. Danach beliefen sich die Kosten für die Vertrauensanwältin des Bezirks Spandau auf 2.000 – 4.000 Euro im Jahr.120 Zum anderen sind die monetären und ideellen Kosten der durch Korruption verursachten Schäden ungleich höher als die Kosten der Korruptionsbekämpfung. Es bleibt die Frage nach dem Nutzen. Ob Ombudspersonen einen zusätzlichen Nutzen bringen, oder ob interne Ansprechpartner für Hinweisgeber die Aufgabe genauso gut erfüllen können, ist natürlich eine berechtigte Frage. Die Unabhängigkeit eines externen Ansprechpartners und die garantierte Anonymität für Hinweisgeber sprechen allerdings für eine bessere Aufgabenerfüllung. Tatsächlich wird Anonymität von vielen Hinweisgebern geschätzt. Im Land Brandenburg gibt es schon länger die Möglichkeit für Hinweisgeber, ihre Hinweise anonym über das Internet zu vermitteln.121 Gemäß Landeskriminalamt Brandenburg haben im Jahr 2013 in Brandenburg 13 Hinweisgeber über das Internet anonyme Hinweise gegeben, die zur Einleitung von Ermittlungsverfahren geführt haben.122 Es ist fraglich, ob die anonymen Hinweisgeber ihre Hinweise auch ohne Anonymität gemacht hätten. Es ist darum nicht davon auszugehen, dass das System bezirklicher, interner 120Abgeordnetenhaus Berlin: Abgeordnetenhaus-Drucksache 16/3768 vom 3.1.2011, http://www.parlament-berlin.de/ados/16/IIIPlen/vorgang/d16-3768.pdf, Zugriff 6.2.2015, Seite 3 121https://www.internetwache.brandenburg.de/interaktiv/index.php?app=vorgang_public&i_form %5Bp_vorgang_waehlen%5D%5Bsachverhalt%5D%5Bek_art %5D=korruption&e2=vorgang_waehlen&i_form%5Bprev_page %5D=none&start=1&x=43aedb1b3155319b352d9c0859a8ff89, Zugriff 6.2.2015 122Fachdirektion Landeskriminalamt Brandenburg: Lagebild Korruption 2013, Eberswalde 2014, https://www.internetwache.brandenburg.de/fm/86/Korruptionskriminalit%C3%A4t%20%20Lagebild%202013.pdf, Zugriff 6.2.2015, Seite 9, Abs. 2.4. 46 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Ansprechpartner für Hinweisgeber besser funktioniert. Dass es in den Berliner Bezirken in den vergangenen fünf Jahren keine aufgedeckten Korruptionsfälle gegeben hat, spricht auch nicht gerade dafür. Eine Ausnahme ist auch hier der Bezirk mit den sieben Korruptionsfällen: Hier gab es immerhin vier interne Hinweise an die Zentrale Revision zur Korruptionsbekämpfung – vielleicht, weil die Korruptionsbekämpfung hier eine eigenständige, ausgelagerte Abteilung ist mit festen Mitarbeitern. In Zahlen lässt sich für die Ombudspersonen in Berlin Folgendes notieren: In meiner Befragung gab der Vertrauensanwalt Herr Christoph Partsch an, er habe 2013 ganze 37 Hinweise auf Korruption erhalten, davon habe er zwei zur weiteren Prüfung an die zuständige Verwaltungsabteilung oder an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. 2012 waren es 50 Hinweise, davon wurden sechs weitergeleitet. 2011 waren es 19 Hinweise, von denen einer weitergeleitet wurde. Der RBB berichtet am 3.12.2014, dass im Jahr 2014 ganze 15 Hinweise strafrechtlich relevant gewesen sind.123 Die Berliner Zeitung berichtete am 14.6.2014 in Bezug auf den Vertrauensanwalt des Landes Berlin: „Berliner Vertrauensanwalt bekommt kaum Hinweise auf Korruption“, leider ohne Angabe genauerer Zahlen.124 Was aus den weitergeleiteten Fällen geworden ist, dazu gibt es meines Wissens keine öffentlichen Informationen. Erfahrungsgemäß wird von der Staatsanwaltschaft die Mehrzahl der Korruptionsverfahren eingestellt.125 Insofern ist davon auszugehen, dass auch die vom Vertrauensanwalt weitergeleiteten Hinweise nicht alle zu einer Verurteilung führten sondern zum Teil auch zu Verfahrenseinstellungen. In der Summe kann es auf Landesebene also nach vier Jahren Tätigkeit ungefähr eine knappe Handvoll erfolgreicher Korruptionsermittlungsverfahren mit Verurteilungen aufgrund von Hinweisen über den Vertrauensanwalt des Landes Berlin gegeben haben. Die Ombudsfrau der Bezirke Spandau, Steglitz-Zehlendorf, Reinickendorf und TempelhofSchöneberg, Frau Dr. Lejeune, konnte mir leider keine Zahlen nennen aufgrund ihrer mit den Bezirksverwaltungen vereinbarten Schweigepflicht. Für Reinickendorf gibt es immerhin diese Information: Der Bericht der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung Reinickendorf gibt für 2012 einen von der Ombudsfrau gemeldeten Fall an, 2013 waren es zwei Fälle. Alle drei Fälle wurden intern geprüft, zwei Verfahren wurden eingestellt, eines wurde wegen mangelnder Zuständigkeit an eine 123http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2014/12/Berliner-Vertrauensanwalt-KorruptionPartsch.html, Zugriff 6.2.2015 124Berliner Zeitung 14.6.14 125Vgl. Tätigkeitsberichte der Generalstaatsanwaltschaft Berlin 2011 und 2013 47 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin andere Behörde weitergeleitet.126 Diese Bilanz ist, Vertrauensanwalts gemessen für die an dem hohen Stellenwert Korruptionsbekämpfung der („vierte Ombudsfrau/des Säule der Korruptionsbekämpfung“), ziemlich dürftig. Einen gravierenden Nachteil beim Einsatz externer Ombudspersonen für Hinweisgeber sehe ich außerdem hierin: Die Ombudspersonen haben die Funktion, eingehende Hinweise bezüglich ihrer strafrechtlichen Relevanz zu filtern. Nur potentiell strafrechtlich relevante Hinweise werden an die zuständige Verwaltungsabteilung zur Prüfung weitergeleitet. Diese Prüfung erfolgt intern, Inhalt und Ausgang der Prüfung sind vertraulich. Das bedeutet, Hinweise bezüglich „legaler“ Korruption oder nicht beweisbarer Korruption werden möglicherweise durch die Ombudspersonen unterdrückt, da sie ja strafrechtlich nicht relevant sind. Hinweisgeber werden eventuell entmutigt, wenn ihnen erklärt wird, in ihrem Fall bestehen ohnehin keine Aussichten auf Erfolg. Man stelle sich vor, der Whistleblower Herr Edward Snowden hätte sich seinerzeit mit seinen Enthüllungen an eine Ombudsperson gewandt. Niemand hätte jemals irgendetwas von den Machenschaften der US-Geheimdienste erfahren. Genau so kann es auch Hinweise an die Berliner Ombudspersonen geben, die nach interner Prüfung ohne Konsequenzen ad acta gelegt werden, ohne dass jemals jemand etwas davon erfährt. Transparenz und Öffentlichkeit sind ein wirksames Mittel gegen Korruption. Außerdem hat die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Information, und zwar auch dann, wenn korrupte Vorgänge strafrechtlich nicht relevant sind. Wenn beispielsweise Ex-Bundeskanzler Schröder während seiner Amtszeit einen Gaspipeline-Bau einfädelt und anschließend eine lukrative Beratertätigkeit bei einem beteiligten Gaslieferanten übernimmt, dann hat die Öffentlichkeit das Recht, dies zu erfahren. Auch wenn dieser Vorgang völlig legal sein mag, der Bürger muss sich sein eigenes Bild von dem Vorgang machen und selbst darüber entscheiden können, ob er das korrupt findet oder nicht. Außerdem ist fraglich, ob an den Hinweisen tatsächlich nichts dran ist, wenn die Prüfverfahren eingestellt werden. Kaum einer macht sich grundlos die Mühe, Hinweise zu geben. „Aus der Praxis der Korruptionsbekämpfung ist bekannt, dass sich anonym übermittelte Hinweise auf Korruptionsdelikte zu einem hohen Prozentsatz in der Folge entweder als begründet erweisen oder aber zumindest einen wahren Kern haben, der 126Bezirksamt Reinickendorf: BVV-Drucksacke 0583/XVIII vom 17.9.2014 http://www.berlin.de/bareinickendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036606557207/6065572 07/00038004/04-Anlagen/05/6_Version_vom_17_09_2014.pdf, , Zugriff am 6.2.2015 48 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin andere Konsequenzen auslösen kann, z. B. dienst- oder arbeitsrechtlicher Art.“127 Dass dennoch die meisten Prüfverfahren von Prüfgruppen zur Korruptionsbekämpfung eingestellt werden, kann einen stutzig machen. Eine Ursache für viele Verfahrenseinstellungen ist wohl das Problem der Beweisbarkeit. Eine deutschlandweite Studie der PricewaterhouseCoopers AG in Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg von 2010 stellt dasselbe fest: „Insbesondere bei den beiden Korruptionsformen (Vorteilsannahme und Bestechung, Anm. d. Autors) und den wettbewerbswidrigen Absprachen übersteigt bei allen Behörden die Anzahl der Verdachtsfälle erheblich die Zahl der eindeutigen Fälle. Dies lässt darauf schließen, dass alle Behörden gerade bei diesen Delikten ein überdurchschnittliches Dunkelfeld aufweisen. Vor allem Beweisprobleme dürften die Aufklärung derartiger Straftaten erheblich erschweren.“128 Dass die Beweisführung immer schwierig ist, solange niemand ein Geständnis ablegt und keine Unterlagen zu einer korrupten Handlung existieren, liegt auf der Hand. Dass das bundesweit ein Problem ist, wird durch die genannte Studie einmal mehr belegt. Der einzige Weg, dieses Dilemma zu lösen, wäre eine Umkehrung der Beweispflicht beziehungsweise die „Vorverlegung rechtlicher Barrieren gegen Korruption“129: Es muss durch lückenlose Dokumentation von Verwaltungsprozessen in den Akten eindeutig nachvollziehbar sein, wie eine Verwaltungsentscheidung zustande gekommen ist. Ist ein Verwaltungsprozess nicht ausreichend dokumentiert, oder geht aus den Akten hervor, das der reguläre Dienstweg nicht eingehalten worden ist, muss der Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden – genauso wie jemand bei Vorteilsannahme zur Rechenschaft gezogen wird ohne dass ein Nachweis der Vorteilsgewährung dafür erforderlich ist. Die beiden von mir befragten Ombudspersonen gaben übereinstimmend an, dass die Zahl ihrer verwaltungsinternen Hinweisgeber nach ihrer Schätzung bei 30% läge. Das sind zwar nur Schätzungen, und die Stichprobe ist nicht besonders groß, aber da beide Ombudspersonen unabhängig voneinander auf denselben Wert kommen, ist dieser Wert vielleicht doch ein wichtiger Hinweis: Externe Hinweisgeber haben keinen Zugriff auf Verwaltungsunterlagen, sie sind in der 127 Bekemann, Uwe: Kommunale Korruptionsbekämpfung. Kohlhammer/Deutscher Gemeindeverlag, Stuttgart 2007. S. 16 128 PricewaterhouseCoopers AG, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (HG): Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010. Auf der Spur von Korruption & Co. Halle-Wittenberg 2010. S. 15 129 Arnim, Hans Herbert von: Korruption: Begriff und systemische Defizite in der Korruptionsbekämpfung. In: Arnim, Hans Herbert von (HG): Defizite in der Korruptionsbekämpfung und der Korruptionsforschung. Berlin: Duncker&Humblot, 2009. S. 15 49 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Regel nicht in Verwaltungsinterna eingeweiht. Sie können über korrupte Vorgänge daher überwiegend nur Vermutungen anstellen ohne Beweise zu haben. Dass mehr als zwei Drittel aller Hinweise von außerhalb der Verwaltung kommen, erklärt möglicherweise, dass nur relativ wenige der Hinweise von den Ombudspersonen zur weiteren Prüfung weitergeleitet werden. Diese Hinweise sind vielleicht einfach nicht konkret genug. Hinweise von verwaltungsinternen Hinweisgebern sind für die Korruptionsbekämpfung wahrscheinlich ergiebiger, da interne Hinweisgeber an administrativen Prozessen unmittelbar beteiligt Ermittlungsverfahren sind und wichtige Zugriff zu Prozessunterlagen Beweismittel sein können. haben, Zudem die in verfügen Verwaltungsmitarbeiter über das erforderliche Fachwissen, um beurteilen zu können, ob es bei Verwaltungsvorgängen mit rechten Dingen zugeht oder nicht. Sie können darum auch fundiertere Hinweise geben. „Ein Musterbeispiel ist der Korruptionsfall Siemens: Ohne Reinhard Siekaczek, der fast 40 Ordner an belastendem Material an die Behörden übergeben hat, wäre es nicht möglich gewesen, die dort über Jahre praktizierte Korruption so zügig und umfassend aufzuklären, wie es geschehen ist. Interne Hinweisgeber sind im Kampf gegen Korruption elementar wichtig.“130 Wenn nur ein knappes Drittel aller Hinweise an die Ombudspersonen von internen Hinweisgebern kommt, dann gibt es für Verwaltungsangehörige offenbar eine größere Hemmschwelle als für externe Hinweisgeber. Der Haupt-Hinderungsgrund dürfte die Gewährleistung der Anonymität sein. Gerade in kleineren Verwaltungseinheiten, so auch auf kommunaler Ebene, ist es mitunter schwierig, Hinweise anonym zu geben. Je kleiner der Kreis beteiligter Personen ist, desto einfacher ist es, einen anonymen Hinweisgeber zu enttarnen. Viele potentielle Hinweisgeber verzichten darum vielleicht vorsichtshalber darauf, sich an die Ombudsperson zu wenden. Um die Funktion der Ombudsperson zu optimieren, bedarf es nicht nur einer Verbesserung des Schutzes von Hinweisgebern. Es bedarf eines anderen Umgangs mit Hinweisgebern insgesamt. Um potentielle Hinweisgeber zu motivieren, bedarf es einer Null-Toleranz-Organisationskultur. Hinweisgeber gelten immer noch als Nestbeschmutzer. Mitarbeiter der Verwaltung sollten regelmäßig ermutigt werden, gegebenenfalls Hinweise zu geben. Gemäß (Antikorruptionsrichtlinie der Antikorruptions-Richtlinie Abs.7 und Anlage1, sind Abs.6). sie Das dazu verpflichtet Aufdecken von Korruptionsdelikten sollte belohnt werden. Die Berliner BVG belohnt schließlich auch 130 Beck, Lotte; Nagel, Volker: Korruption aus ökonomischer Perspektive. In: Peter Graeff, Jürgen Gieger (HG): Was ist Korruption? Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2012. S. 37 50 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Hinweise, die zur Aufdeckung von Vandalismusdelikten in Bussen und Bahnen führen. Zusammengenommen spricht alles für einen erheblichen Optimierungsbedarf in Bezug auf die Funktion der Ombudsperson. Es wäre dringend zu untersuchen, ob das Korruptionsbekämpfungs-Organ Ombudsperson in seiner aktuellen Form nicht zum Teil dysfunktional ist, und wie man dies gegebenenfalls ändern könnte. Eine Abschaffung dieses Amtes ist mit den Ergebnissen dieser Arbeit allerdings nicht zu rechtfertigen. Im Gegenteil, das Geben von Hinweisen muss weiter erleichtert werden. Man müsste untersuchen, ob und warum Ombudspersonen in anderen Städten und Ländern wie beispielsweise in den USA erfolgreicher tätig sind. Bis dahin könnten die beiden Berliner Ombudspersonen auch Ansprechpartner für diejenigen Bezirke werden, die bisher keine eigene Ombudsperson haben. Das ist bei allen Defiziten vermutlich immer noch besser, als überhaupt keinen externen Ansprechpartner zu haben. Das System interner Ansprechpartner dagegen halte ich (bis auf eine Ausnahme) für in allen Bezirken gescheitert. Auch wenn der Auftraggeber der Ombudspersonen die öffentliche Hand ist, sollten Ombudspersonen ihr Amt mehr im Interesse des Bürgers als im Sinne der Verwaltung ausüben können. So ähnlich war es auch einmal gedacht: „Der Ombudsmann soll auf Landesebene vom Landesparlament berufen werden und als Anlaufstelle für Hinweisgeber, Bürger und Selbststeller dienen. Er ist schweigepflichtig und kann bei staatlichen Dienststellen Akteneinsicht verlangen. Zusammen mit dem Hinweisgeber kann er selbständig entscheiden, ob er die Strafverfolgungsbehörden einschaltet.“131 Vielleicht müsste es ja der Ombudsperson außerdem freigestellt sein, Hinweise an die Medien oder an Transparency International weiterzugeben, vorausgesetzt, die Anonymität des Hinweisgebers ließe sich dabei gewährleisten. Ein weiterer Verbesserungsvorschlag wäre, dass Ombudspersonen in den Bezirksämtern mehr präsent sind. Ombudspersonen Zurzeit selber müssen finden. Man Hinweisgeber könnte noch den Hinweisgebern Weg auch zu ein den Stück entgegengehen, indem sich Ombudspersonen bei den Mitarbeitern der Bezirksämter persönlich bekannt machen, über ihre Funktion aufklären und eine Vertrauensbasis herstellen. In besonders korruptionsgefährdeten Bereichen könnte man Mitarbeiter verpflichten, regelmäßig vertrauliche Gespräche mit einer Ombudsperson zu führen. 131 Schaupensteiner, Wolfgang: Korruption in Deutschland – Lagebild, Maßnahmen und Gefahren. In: Schilling, Akatashi; Dolata, Uwe (HG): Korruption im Wirtschaftssystem Deutschland – Jeder Mensch hat seinen Preis. 2. Auflage, Mankau Verlag, Murnau am Staffelsee, 2004. S. 86 51 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 5.4.4. Gefährdungsatlas Beschreibung und Begründung der Fragen zum Gefährdungsatlas Gemäß der Berliner Antikorruptionsrichtlinie sind die Bezirksverwaltungen angehalten, einen Korruptions-Gefährdungsatlas zu erstellen. In einem Gefährdungsatlas werden die verschiedenen Verwaltungsabteilungen kategorisiert nach ihrem Gefährdungsgrad für Korruption. Unstrittig besteht beispielsweise ein größeres Korruptionsrisiko in Ämtern, die Aufträge und öffentliche Mittel an private Unternehmen vergeben als in Behörden, die keine Mittel zu vergeben haben. Der Gefährdungsatlas bildet die Grundlage für die Korruptionsprävention. Die als besonders korruptionsanfällig identifizierten Abteilungen und Arbeitsplätze müssen einer genauen Risikoanalyse unterzogen werden. Gegebenenfalls können hier besondere Maßnahmen, wie zum Beispiel Personalrotation oder Vier-Augen-Prinzip ergriffen werden (vgl. Antikorruptionsrichtlinie, Abs. 4.3.e,f). Der Gefährdungsatlas sollte „regelmäßig“ aktualisiert werden. Auswertung der Antworten zum Gefährdungsatlas Alle Bezirke haben einen Gefährdungsatlas. Aber nur einige haben ihn veröffentlicht. Nur fünf von neun der befragten Sachverständigen machten Angaben, inwiefern ein im Gefährdungsatlas festgestelltes erhöhtes Korruptionsrisiko in der Korruptionsbekämpfung berücksichtigt wird. Davon gaben vier an, dass es an Arbeitsplätzen mit erhöhtem Korruptionsrisiko mehr Stichprobenkontrollen durch die Innenrevision gäbe. Ein Sachverständiger gab an, Vorgesetzte würden besonders geschult werden und einer schrieb, die Mitarbeiter würden besonders sensibilisiert werden. Diskussion der Antworten zum Gefährdungsatlas Positiv festzustellen ist, dass alle Bezirke einen Gefährdungsatlas erstellt haben. Somit ist die Antikorruptionsrichtlinie in diesem Punkt formal erfüllt. Teilweise ist die Erstellung des Gefährdungsatlas schon etliche Jahre her. Der Gefährdungsatlas des Bezirksamts Lichtenberg beispielsweise, welcher auf der Webseite des Bezirksamts veröffentlicht wurde, ist aus Gefährdungsatlas von Reinickendorf ist von 2008. 133 dem Jahr 2008.132 Auch der Ob eine „regelmäßige“ Aktualisierung 132http://www.berlin.de/imperia/md/content/balichtenberghohenschoenhausen/behoerde/gefaehrdu ngsatlas2008.pdf?start&ts=1421139317&file=gefaehrdungsatlas2008.pdf, Zugriff 7.2.2015 133 Bezirksamt Reinickendorf: Gefährdungsatlas 2008, http://www.berlin.de/bareinickendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036826921036/8269210 36/00080384/84-Anlagen/02/HA_16102014_Anlage2_Gefaehrdungsatlas.pdf, Zugriff 7.2.2015 52 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin stattfindet, wäre darum zu prüfen. Die Gefährdungsatlanten der Bezirke sind nicht einheitlich. So kategorisiert beispielsweise der Bezirk Lichtenberg das Korruptionsrisiko in vier Klassen A,B,C und D, während der Bezirk Reinickendorf in drei Klassen 1, 2, und 3 einteilt. Die Kriterien für die Einteilung sind teilweise fragwürdig. So gelten in der Korruptionsforschung sämtliche Verwaltungsabteilungen, die Aufträge jeglicher Art vergeben, als hoch gefährdet. „Die 'Erlangung von Aufträgen' ist ... seit Jahren mit Abstand das bevorzugte Ziel korruptiven Handelns.“134 Dennoch ist beispielsweise im Gefährdungsatlas des Bezirks Reinickendorf „die Vergabe von Aufträgen an freie Berufe, für die feste Honorar- und Gebührenordnungen bestehen“, in der Kategorie 2 mit mittlerer Gefährdungsbeurteilung eingeordnet.135 Zu den in der Berliner Antikorruptions-Richtlinie exemplarisch genannten möglichen Sicherungsmaßnahmen – Vier-Augen-Prinzip, getrennte Aufgabenwahrnehmung, Mitzeichnung, Berichtspflicht, vollständige Dokumentation, Rotation, verstärkte Dienstund Fachaufsicht136 – hat keiner der befragten Sachverständigen Angaben gemacht. Die von den befragten Sachverständigen gemachten Angaben lassen vermuten, dass es in den Bezirken überhaupt keine durchdachten Konzepte und keine Systematik gibt, wie mit erhöhtem Korruptionsrisiko umzugehen ist. Vermehrte Stichprobenkontrollen durch die Innenrevision (wenn es sie denn gibt, was zu überprüfen wäre), Schulung und Sensibilisierung sind unzureichende Maßnahmen. Kontrollen durch die Innenrevision können zwar zur Aufdeckung von Korruption beitragen, aber als einziges Mittel der Korruptionskontrolle sind Stichproben durch die Innenrevision zu wenig. Es hat den Anschein, als hätten Gefährdungsatlas und Risikoanalyse keine nennenswerten Konsequenzen für die Korruptionsbekämpfung in den Bezirken gehabt. 5.4.5. Personalrotation Beschreibung und Begründung der Fragen zur Personalrotation Die Berliner Antikorruptionsrichtlinie sieht vor: „In gesteigert korruptionsgefährdeten 134Henzler, Peter: Korruption – Lage und Bekämpfungsaspekte aus Sicht des Bundeskriminalamtes. In: Friedrich Ebert Stiftung: Strafverfolgung der Korruption 2012, Korruptionsbekämpfung und Unternehmensstrafrecht, Die Internationalisierung der Strafverfolgung, Dokumentation einer Tagung von Transparency International Deutschland e.V. und der Friedrich-Ebert-Stiftung am 4. und 5. Dezember 2012 in Berlin. Berlin, 2013. S.93 135 Bezirksamt Reinickendorf: Gefährdungsatlas 2008, http://www.berlin.de/bareinickendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036826921036/8269210 36/00080384/84-Anlagen/02/HA_16102014_Anlage2_Gefaehrdungsatlas.pdf, Zugriff 7.2.2015, S. 2 136 vgl. Antikorruptionsrichtlinie, Abs. 4.3.e 53 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Arbeitsbereichen soll ein Arbeitsplatzwechsel in bestimmten Zeitabständen vorgesehen werden. Dies gilt auch für Arbeitsplätze, bei denen Aufsichts- oder Kontrollfunktionen für gesteigert korruptionsgefährdete Arbeitsplätze wahrgenommen werden. … Von einer Rotation darf nur in besonders begründeten Ausnahmen …. abgesehen werden. Die Gründe und erforderliche Zusatzmaßnahmen … sind zu dokumentieren.“ (Antikorruptionsrichtlinie, Abs. 4.4.). Die Personalrotation gilt als sinnvoll, weil nach Erkenntnissen der Korruptionsforschung die Mehrzahl korrupter Mitarbeiter mehr als fünf Jahre auf ihrem Arbeitsplatz tätig ist. Durch einen Personalwechsel bei den Zuständigkeiten würde vermieden werden, dass jemand länger als fünf Jahre auf einem Arbeitsplatz verbleibt. Er wäre dann nicht mehr in der Lage, langjährige korrupte Beziehungen oder korrupte Netzwerke aufzubauen. Auswertung der Antworten zur Personalrotation In keinem der neun Bezirke, die an der Befragung teilgenommen haben, gibt es die Personalrotation als Mittel der Korruptionsbekämpfung. Vier der befragten Sachverständigen hielten die Maßnahme der Personalrotation wegen Personalmangels und des Fehlens qualifizierter Mitarbeiter für nicht umsetzbar. Diskussion der Antworten zur Personalrotation In keinem der Berliner Bezirke gibt es die Personalrotation. Die Berliner Antikorruptionsrichtlinie wird in diesem Punkt in keinem Bezirk erfüllt, ausgerechnet bei einer Antikorruptionsmaßnahme, die mutmaßlich besonders wirksam ist. Die Begründung, dass die Personalrotation wegen fehlenden Personals nicht umsetzbar ist, ist zwar allgemein nachvollziehbar, aber sie legitimiert nicht dazu, die verbindliche Antikorruptionsrichtlinie vollständig zu ignorieren. In vielen Einzelfällen ist es sicher durchaus möglich, Personalwechsel vorzunehmen. Ferner wäre es theoretisch möglich, durch Umstrukturierungen und Qualifizierungsmaßnahmen Voraussetzungen zu schaffen, dass Personalrotationen umzusetzen wären. Da es auch aus anderen Gründen immer wieder personelle Wechsel gibt – beispielsweise wegen Krankheit, Schwangerschaft, Ruhestand oder Umzug – sollte die Verwaltung flexibel genug sein, alle fünf Jahre einen personellen Wechsel mehr zu verkraften. Zudem werden Mitarbeiter durch einen Wechsel auf eine andere Position zusätzlich qualifiziert. Sie lernen auf jedem neuen Posten dazu. Und es entsteht ein Wissenstransfer von einer Abteilung zu einer anderen. Personalrotationen haben also auch einen Nutzen. Wenn Personalrotation im Einzelfall tatsächlich nicht möglich sein sollte, dann bedarf es 54 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin gemäß Antikorruptionsrichtlinie einer plausiblen fachlichen Begründung und zweckmäßiger Ersatzmaßnahmen zur besonderen Kontrolle. Beides muss dokumentiert werden. Es macht nicht den Eindruck, dass dies in den Berliner Bezirken so gehandhabt wird. Wenn das auf Landesebene funktioniert (was zu prüfen wäre), sollten die Bezirke auch dazu in der Lage sein. Es ist notwendig, die Berliner Antikorruptionsrichtlinie auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen und gegebenenfalls unrealistische Maßnahmen durch geeignetere zu ersetzen. Oder besser: Man befähigt die Bezirksverwaltungen zur Umsetzung durch zusätzliches Personal und Qualifizierungsmaßnahmen. Die Umsetzung muss zudem kontrolliert werden, Mängel in der Umsetzung müssen Konsequenzen haben. Die Richtlinie gibt es seit 1998, die Bezirke haben genug Zeit gehabt, sie umzusetzen. Wenn die Umsetzung ohne Druckmittel nicht funktioniert, müssen Druckmittel eingeführt werden, um die Umsetzung zu gewährleisten. Dazu ist die Maßnahme Personalrotation weiter wissenschaftlich zu untersuchen. Bestätigt sich die Effizienz dieser Maßnahme, sollte sie zwingend umgesetzt werden. 5.4.6. Schulungen und Fortbildungen Beschreibung und Begründung der Fragen zu Schulungen und Fortbildungen „Beschäftigte in gesteigert korruptionsgefährdeten Bereichen und Führungskräfte sollen an Fortbildungsveranstaltungen zur Korruptionsbekämpfung teilnehmen.“ (Antikorruptionsrichtlinie, Abs.5.4.). Um Korruption erkennen und wirksam begegnen zu können bedarf es besonderer Fachkenntnisse. Man braucht zum einen Klarheit darüber, was erlaubt ist und was nicht – darf man beispielsweise ein Geschenk oder eine Einladung zum Essen annehmen oder nicht. Zum anderen braucht man detailliertes, teilweise kriminologisches Wissen über Korruption, um sie aufspüren zu können. Mitarbeiter müssen darum regelmäßig über ihre Rechte und über Verbote belehrt werden. Führungskräfte und Mitarbeiter mit Aufsichtsund Kontrollpflichten müssen angemessen qualifiziert werden, um Korruption aufspüren zu können. Belehrungen, Schulungen und Fortbildungen sind daher unverzichtbar für die Korruptionsbekämpfung und -prävention. Auswertung der Antworten zu Schulungen und Fortbildungen In keinem der an der Befragung teilnehmenden Bezirke gibt es selbstorganisierte Fortbildungen oder Schulungen. Ein befragter Sachverständiger verwies auf 55 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Schulungsangebote der Generalstaatsanwaltschaft. Zwei gaben an, die Ombudsperson würde für ihren Bezirk Schulungen anbieten bzw. diese seien in Planung, und wieder zwei verwiesen auf das Fortbildungsangebot der Verwaltungsakademie Berlin. Im Jahresbericht der Generalstaatsanwaltschaft von 2011 ist als Fortbildungsangebot genau ein Vortrag im Bezirksamt Mitte zum Thema Sponsoring aufgeführt. 137 Im Jahr 2013 hat der Generalstaatsanwalt einen Vortrag im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf über die Vermeidung von Korruption bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gehalten.138 Das Fortbildungsprogramm der Verwaltungsakademie für 2015 bietet genau ein Schulungsangebot zum Thema Korruption, allerdings nur bei Bedarf („Korruptionsvorbeugung als besondere Führungsaufgabe“, Kursnr. IVM/15-O-1141, „Termin wird nach Bedarf eingerichtet“).139 Innensenator Henkel verweist in der Beantwortung einer schriftlichen Anfrage im Abgeordnetenhaus im April 2014 ferner auf das Fortbildungsangebot der Bundesfinanzakademie. Die Dienstkräfte werden „regelmäßig“ auf diese Veranstaltungen aufmerksam gemacht. „Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Teilnahme an solchen Fortbildungsveranstaltungen besteht nicht.“140 Im September 2014 verweist er bei der Beantwortung einer anderen Anfrage auf Fortbildungen, die vom Leiter der Antikorruptions-Arbeitsgruppe der Berliner Senatsverwaltungen angeboten werden.141 Die Bundesfinanzakademie bietet in ihrem Jahresprogramm 2015 genau ein Fortbildungsangebot zum Thema Korruption – für Teilnehmer aus ganz Deutschland.142 Drei befragte Sachverständige gaben an, ihre letzte Schulung sei 2011 gewesen, einer hatte seine letzte Schulung 2009. Die Übrigen machten keine Angaben dazu. Diskussion der Antworten zu Schulungen und Fortbildungen Eine angemessene Schulung von Mitarbeitern und Führungskräften in den Berliner Bezirksverwaltungen zum Thema Korruptionsbekämpfung findet nicht statt. Das vorhandene Fortbildungsangebot ist völlig unzureichend für einen Verwaltungsapparat mit 137 Tätigkeitsbericht der Zentralstelle “Korruptionsbekämpfung“ bei der Generalstaatsanwaltschaft für das Jahr 2011. 138 Tätigkeitsbericht der Zentralstelle “Korruptionsbekämpfung“ bei der Generalstaatsanwaltschaft für das Jahr 2013, http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/justiz/strafverfolgung/generalstaats anwaltschaft/aktuelles/mitteilungen_veranstaltungen/jahresbericht_korruptionsbekaempfung.pdf ?start&ts=1415018763&file=jahresbericht_korruptionsbekaempfung.pdf, Zugriff 8.2.2015 139 http://www.berlin.de/vak/, zugriff 8.2.2015 140 http://dirk-behrendt.net/wp-content/uploads/2014/10/ka_korruption.pdf, Seite 3, Zugriff 8.2.2015 141 http://dirk-behrendt.net/wp-content/uploads/2014/10/S17-14518.pdf, Zugriff 8.2.2015 142http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Ministerium/Geschaeftsber eich/Bundesfinanzakademie/jahresprogramm-2015.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Seite 234, Zugriff 8.2.2015 56 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin über 100.000 Mitarbeitern. Die Teilnahme an Fortbildungsangeboten ist zudem offenbar freiwillig. Anreize für oder Verpflichtung zu Fortbildungen gibt es nicht. Es ist nicht dokumentiert, wie viele Mitarbeiter aus den Verwaltungen Fortbildungsveranstaltungen zum Thema der Berliner Korruptionsbekämpfung Bezirke jährlich besuchen. Aber angesichts des vorhandenen, bescheidenen, freiwilligen Angebots ist zu befürchten, dass es sehr, sehr wenige sind. Das Fortbildungsangebot der öffentlichen Hand scheint sich im Übrigen stark auf Belehrungen über Regelungen zur Annahme von Geschenken oder Sponsoring zu beschränken. Schulungen zum systematischen Erkennen und Bekämpfen von Korruption, scheint es kaum zu geben. In diesem Punkt wird die Berliner Antikorruptionsrichtlinie von den Bezirksverwaltungen und vom Land Berlin nicht erfüllt. 5.4.7. Antikorruptionsbeauftragter Beschreibung und Begründung der Fragen zum Antikorruptionsbeauftragten „Für die Dienststellen sind Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Korruptionsbekämpfung zu bestellen.“ (Antikorruptionsrichtlinie, Abs. 6.1.). Auf Bezirksebene sind die Ansprechpartner in der Regel die Antikorruptionsbeauftragten. Sie sind Ansprechpartner für interne und externe Hinweisgeber, sie beraten und sensibilisieren die Beschäftigten, sie unternehmen erste Schritte der Ermittlung bei Verdachtsfällen und informieren gegebenenfalls die Strafverfolgungsbehörden. Auswertung der Antworten zu den Antikorruptionsbeauftragten Alle neun an der Antikorruptionsbeauftragten Befragung oder teilnehmenden einen anders Bezirke benannten haben einen Ansprechpartner. Charlottenburg-Wilmersdorf hat zwei „zentrale Ansprechpartner Antikorruption“. Auch die nicht an der Befragung teilnehmenden Bezirke Reinickendorf und Neukölln verfügen über einen Antikorruptionsbeauftragte Antikorruptionsbeauftragten. der Bezirksamtsdirektor, In Reinickendorf gleichzeitig auch ist der Leiter der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung. In Steglitz-Zehlendorf gibt es keinen Antikorruptionsbeauftragten mehr, die Funktion übernimmt seit 2013 der Leiter des Rechtsamts.143 143 Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf: BVV-Drucksache 0759/IV vom 11.11.2013, http://www.berlin.de/ba-steglitz-zehlendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/4508103639672640/39672640/ 57 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Die Antikorruptionsbeauftragten/Ansprechpartner Antikorruption aller Bezirke sind hauptamtlich in anderen Funktionen im Bezirksamt tätig (z.B. im Rechtsamt, in der Innenrevision oder als Datenschutzbeauftragter) und üben die Tätigkeit als Ansprechpartner nebenbei aus. Diskussion der Antworten zu den Antikorruptionsbeauftragten In allen Bezirken gibt es Ansprechpartner Antikorruption/Antikorruptionsbeauftragte. Damit sind die Berliner Antikorruptionsrichtlinien formal erfüllt. Jedoch scheint das Amt des Antikorruptionsbeauftragten nicht die erforderliche Gewichtung zu haben. Vielmehr macht es den Eindruck, als hätte das Amt einen Ähnlichen Stellenwert, wie das Amt des Sicherheits- oder Brandschutzbeauftragten – zusätzliche Tätigkeiten mit sehr geringer Mehrbelastung, die von Mitarbeitern in der Regel freiwillig und ehrenamtlich übernommen werden. Alle Antikorruptionsbeauftragten üben ihre Tätigkeit nebenbei aus (ausgenommen ein Bezirk). Für die Korruptionsbekämpfung haben sie daher nur begrenzt Zeit zur Verfügung, sie hat keine Priorität. Dass dies keine gute Lösung ist, ist allgemein bekannt: „Das einfache Erklären einer vorhandenen Dienststelle, z. B. des Rechnungsprüfungsamtes zur Antikorruptionsstelle ist unzureichend. Die Korruptionsbekämpfung wird dann nur eine zusätzliche Aufgabe bleiben. Es fehlt für die Beschäftigten die persönliche und auf die Korruptionsbekämpfung konkretisierte Verantwortung. Ebenso wird es an der Motivation wie auch an der zeitlichen Gelegenheit mangeln, die Arbeit zur Korruptionsbekämpfung zu professionalisieren.“144 (Dies gilt übrigens auch für die Prüfgruppen.) Als Ansprechpartner für Hinweisgeber scheinen sie keine große Rolle zu spielen. Möglicherweise ist in einigen Bezirksverwaltungen bereits eingetreten, was die Korruptionsforscherin Britta Bannenberg beschreibt: „Als negativ hat sich in lange andauernden Korruptionsgeschehen immer wieder gezeigt, dass vorhandene Hinweise und Verdachtsmomente, die von Mitarbeitern geäußert worden waren, nicht ernst genommen wurden und diese Mitarbeiter, die versuchten, Kontrollen auszulösen, häufig noch negativen Reaktionen ausgesetzt waren. Dies schwächt nicht nur auf Dauer die Motivation der ehrlichen Mitarbeiter in der Verwaltung, sondern ermöglicht den Tätern, ihre Selbstbereicherung über Jahre zu verschleiern und das Recht zu missachten. Die Täter sind gerade die leistungsstarken Amtsträger, die Vertrauen genießen und Macht 00062197/97-Anlagen/02/2_Version_vom_21_11_2013.pdf, Zugriff 7.2.2015 144 Bekemann, Uwe: Kommunale Korruptionsbekämpfung. Kohlhammer/Deutscher Gemeindeverlag, Stuttgart 2007. S. 105 58 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin haben, Vorgänge abzuschotten.“145 Insgesamt erscheint die Funktion der Korruptionsbeauftragten nicht ausreichend durchdacht. Aufgaben und Kompetenzen sind unzureichend geregelt. Es ist zu überlegen, ob die Aufgabe der Korruptionsbeauftragten in den Berliner Bezirken nicht gänzlich neu definiert werden sollte, nämlich so, wie sie vielfach in anderen Kommunen definiert ist: „Korruptionsbeauftragte sollten bestellte Rechnungsprüfer sein und mit Rechten und Pflichten eines Rechnungsprüfers ausgestattet sein.“146 5.4.8. Verhaltenskodex Beschreibung und Begründung der Fragen zum Verhaltenskodex Der Berliner Antikorruptionsrichtlinie ist ein Verhaltenskodex für alle Mitarbeiter der Landesverwaltung angehängt (Anlage1 der Antikorruptionsrichtlinie). Dieser ist verbindlicher Bestandteil der Richtlinie (Antikorruptionsrichtlinie Abs. 5.1.). Leitbilder, Compliance-Richtlinien und Ehren- und Verhaltenskodizes dienen Mitarbeitern in ihrer Amtsausübung zur Orientierung. Der Kodex gibt Auskunft über die Grundeinstellung der Organisation, er soll die Identifikation der Mitarbeiter mit den Zielen der Organisation fördern und zu korrektem Verhalten anhalten. Compliance wird in der Korruptionsforschung ein hoher Stellenwert eingeräumt. Mitarbeiter, die die Werte und Zielvorstellungen einer Organisation teilen, sind loyal und von sich aus bemüht, die gemeinsamen Verhaltensregeln einzuhalten. Korruption wird dadurch präventiv bekämpft. Auswertung der Antworten zum Verhaltenskodex Nur zwei Sachverständige gaben an, ihr Bezirk habe einen eigenen Verhaltenskodex oder ein eigenes Leitbild. Diskussion der Antworten zum Verhaltenskodex Der Verhaltenskodex der Berliner Landesverwaltung ist als Bestandteil der Berliner Korruptionsrichtlinie Bezirksverwaltungen auch sind für die aber Berliner so Bezirke große und verbindlich. in sich Die Berliner geschlossene Organisationseinheiten, dass ein eigener Verhaltenskodex oder ein eigenes Leitbild 145 Bannenberg, Britta: Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle. In: Netzwerk Recherche e.V. (HG): nr-Werkstatt: Dunkelfeld Korruption Herausforderungen für den Recherche Journalismus. Wiesbaden, 2006, http://bisher.netzwerkrecherche.de/files/nrwerkstatt-03-dunkelfeld-korruption.pdf, Zugriff 7.2.2015, S.38 146 Bekemann, Uwe: Kommunale Korruptionsbekämpfung. Kohlhammer/Deutscher Gemeindeverlag, Stuttgart 2007. S. 104-105 59 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin angemessen wäre. Eigene Regeln für Mitarbeiter bezüglich Korruption unterstreichen die Null-Toleranz-Haltung der Organisation. Eine Beteiligung der Mitarbeiter beim Verfassen des Kodex würde die Akzeptanz fördern. Eine Diskussion über Regeln und Ziele der Organisation zwecks Verfassen des Kodex würde vielleicht einen Selbstreinigungsprozess einleiten. Dass nur zwei Bezirke über eigene Verhaltenskodizes verfügen, sagt möglicherweise etwas über den Stellenwert aus, den die Korruptionsbekämpfung in den Bezirken hat: Eigene Impulse, eigene Akzente kommen nur vereinzelt aus den Bezirken. Ansonsten wird von der Landesebene übernommen was übernommen werden muss, aber nicht mehr. 5.4.9. Weitere Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung Beschreibung und Begründung der Fragen zu weiteren Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung Neben den in der Antikorruptionsrichtlinie aufgeführten Maßnahmen gibt es noch eine ganze Reihe möglicher weiterer Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung. In meiner Befragung habe ich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – nach folgenden Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung gefragt: • Richtlinie für die Annahme von Geschenken: Die Annahme von Geschenken durch Amts- oder Mandatsträger bedarf einer einheitlichen und strengen Regelung. Auch kleine Geschenke sind als Bestechungsversuch bzw. Vorteilsannahme zu bewerten. • Sponsoring-Richtlinie und Sponsoring-Bericht: Das Sponsoring von Aktivitäten und Maßnahmen der Verwaltung durch private Unternehmen nimmt immer mehr zu. Sponsoring ist ein potentielles Einfallstor für Korruption. Wenn Unternehmen sponsoren, um an lukrative Aufträge heranzukommen, ist die Grenze des Erlaubten überschritten. Darum sind beim Sponsoring klare Regeln und Transparenz besonders wichtig. Eine Sponsoring-Richtlinie und ein jährlicher, zu veröffentlichender Sponsoring-Bericht sind daher unverzichtbar. Die Berliner Antikorruptionsrichtlinie hat in der Anlage einen Muster-Sponsoringvertrag.147 • Zuwendungs-Register: Die Vergabe von öffentlichen Zuwendungen/Fördermitteln an freie Träger, private Unternehmen und natürliche Personen ist ein ebenso korruptionsanfälliger Bereich wie die Vergabe öffentlicher Aufträge. Als 147 Anlage 2 der Antikorruptionsrichtlinie von 2008 60 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Zuwendungen werden Ausgaben für Leistungen an Stellen außerhalb der Verwaltung Berlins (z.B. freie Träger) zur Erfüllung bestimmter Zwecke bezeichnet, an deren Erfüllung das Land Berlin ein erhebliches Interesse hat. Ein öffentliches Zuwendungs-Register oder ein jährlicher Zuwendungs-Bericht schafft Transparenz in der Sache. Das wirkt korruptionsvorbeugend. Wenn für jedermann nachprüfbar ist, welcher freie Träger wann und wofür Zuwendungen erhalten hat, fallen ungewöhnliche Förderungen schnell auf. Das Land Berlin hat eine Zuwendungsdatenbank, in der auch Zuwendungen durch die Bezirke erfasst sind.148 • Korruptions-Register: Unternehmen, die in der Vergangenheit unter Korruptionsverdacht geraten waren, werden zentral in einem Korruptions-Register erfasst. Wer dort registriert ist, ist von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen. Das Land Berlin hat ein Korruptionsregister seit 2006. • Zentrale Vergabestelle: Eine Methode, das Vier-Augen-Prinzip und die Trennung von Planung und Vergabe öffentlicher Aufträge zu realisieren, ist eine zentrale Vergabestelle. Vergaben werden hier geprüft und abgezeichnet. • Elektronisches Hinweisgebersystem: Ein elektronisches Hinweisgebersystem für anonyme Hinweisgeber soll es Hinweisgebern erleichtern, korrupte Sachverhalte anzuzeigen. Ihre Anonymität soll dabei noch besser geschützt sein. Ferner ist über das Hinweisgebersystem ein Dialog mit dem Hinweisgeber möglich, wenn Rückfragen erforderlich sein sollten. Seit Februar 2015 hat endlich auch Berlin ein elektronisches Hinweisgebersystem. • Erfassung von Nebeneinkünften: Mitarbeiter, die Nebeneinkünfte aus anderen Beschäftigungen oder Geschäften haben, können bei Verwaltungsentscheidungen befangen sein, wenn die Nebentätigkeit in irgendeiner Form betroffen ist. Nebeneinkünfte sollten daher nicht nur dem nächsten Vorgesetzten mitgeteilt werden sondern auch zentral erfasst werden, um zusätzliche Transparenz zu haben. • Beratung durch externe Experten: Wenn in einer Verwaltung bestimmtes Fachwissen nicht ausreichend zur Verfügung steht, kann es sinnvoll sein, externe Experten zur Beratung oder für Fortbildungen hinzuzuziehen. Wenn es in der Verwaltung keinen Korruptionsbekämpfung wirklich gibt, qualifizierten ist eine Sachverständigen externe Beratung für die wenigstens übergangsweise zweckmäßig. 148 http://www.berlin.de/sen/finanzen/service/zuwendungsdatenbank/, Zugriff 8.2.2015 61 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin • Qualitätsmanagement systematischen bei der Korruptionsbekämpfung: Qualitätsmanagement Ausführungsprozesse kontinuierlicher in Organisationen Verbesserungsprozess können stetig ist Mit Hilfe von Planungs- verbessert und werden. insbesondere Ein in der Korruptionsbekämpfung sinnvoll. Korruption entzieht sich - wie alle Formen von Verbrechen - der Kontrolle immer aufs Neue. Die Kontrollmethoden müssen daher ständig überprüft und optimiert werden. • Überbezirkliche Kooperation bei der Korruptionsbekämpfung: Ein stetiger fachlicher Austausch dient der Weiterentwicklung der Korruptionsbekämpfung und kann zu einer Angleichung der Standards in den Bezirken führen. • Vertragsstrafen bei Korruption: Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an private Unternehmen sollte eine Klausel in die Verträge, die zusätzliche Vertragsstrafen im Falle des Nachweises von Korruption vorsieht. • Eigenes Konzept zur Korruptionsbekämpfung: „Die Prävention sollte einem Antikorruptionskonzept folgen, das die Grundlage für alle Maßnahmen bildet und so ein strukturiertes, in sich abgestimmtes und flächendeckendes Vorgehen sichert.“149 Für eine wirksame Korruptionsbekämpfung bedarf es eines Gesamtkonzeptes, welches für alle Problembereiche durchdachte Lösungen bereit hält. Einzelne Maßnahmen und punktuelle Lösungen bieten keinen wirksamen Schutz vor Korruption. Mit dem „Vier-Säulen-Modell“ hat das Land Berlin sein aktuelles Konzept seit 2011 (mit der Einführung der vierten Säule Vertrauensanwalt). Der Bezirk Spandau hat sein „Drei-Säulen-Modell“ seit über zehn Jahren. Und auch wenn es an Ermittlungserfolgen in Spandau ebenso mangelt, wie in den anderen Bezirken – die präventiven Maßnahmen scheinen sich gelohnt zu haben: „Investitionen im Kampf gegen Korruption machten sich bezahlt. So das Fazit nach fünf Jahren Offensive gegen Unregelmäßigkeiten in Spandaus Verwaltung. Auf Einspareffekte von bis zu 50 Prozent bei Auftragsvergaben verwies Rechtsamtsleiter Jürgen Knebel in einer Bilanz im Verwaltungsausschuss.“150 Ob die Bilanz heute, nach zehn Jahren, noch genauso gut ist, wäre allerdings zu prüfen. 149 Bekemann, Uwe: Kommunale Korruptionsbekämpfung. Kohlhammer/Deutscher Gemeindeverlag, Stuttgart 2007. S. 7 150 Die Welt, 24.5.2005. http://www.welt.de/print-welt/article672157/Offensive-gegen-Korruptionbei-Beamten-zahlt-sich-aus.html, Zugriff 16.2.2015 62 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Auswertung der Antworten zu weiteren Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung • Richtlinien für die Annahme von Geschenken: Sieben der neun an der Befragung teilnehmenden Bezirke haben eine Richtline für die Annahme von Geschenken. Drei dieser Bezirke gaben an, die Ausführungsvorschriften über die Annahme von Belohnungen und Geschenken des Landes Berlin übernommen zu haben. • Sponsoring-Richtlinie und Sponsoring-Bericht: Acht von neun Bezirken haben eine Sponsoring-Richtlinie. Einer dieser Bezirke hat die Sponsoring-Richtlinie der Senatsverwaltung für Inneres des Landes Berlin übernommen, ein weiterer übernahm die Sponsoring-Richtlinie der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin. Ein Bezirk gab an, es gäbe aktuell keine Sponsoring-Richtlinie, die Einführung sei aber für 2014 geplant. Sechs von neun Bezirken haben einen Sponsoring-Bericht. In manchen Bezirken werden die Sponsoring-Berichte veröffentlicht, in anderen Bezirken werden sie der BVV vorgelegt und in einigen Bezirken werden sie gar nicht veröffentlicht. In zwei Bezirken heißt es „Zuwendungs-Bericht“, da darin nicht nur Sponsoring-Gelder erfasst werden sondern auch Gelder aus anderen Zuwendungen wie 151 Schenkungen, Werbeeinnahmen, Mäzenatentum und Spenden. • Zuwendungs-Register: Fünf von neun Bezirken haben ein Zuwendungs-Register. Allerdings wäre zu prüfen, ob es möglicherweise zu begrifflichen Verwechselungen gekommen ist, da in zwei Bezirken der „Zuwendungs-Bericht“ über die Zuwendungen an den Bezirk berichtet. Teilweise werden die Berichte veröffentlicht. • Korruptions-Register: Kein Bezirk hat ein eigenes Korruptions-Register. Für alle bezirklichen Vergabestellen ist bei Vergaben ab einem Auftragswert von 15.000,00 € die Abfrage des Berliner Korruptions-Registers obligatorisch.152 • Zentrale Vergabestelle: Fünf von neun Bezirken haben eine zentrale Vergabestelle. Ein weiterer Bezirk hat eine „übergeordnete Vergabestelle für die Abteilung Bauwesen“. • Elektronisches Hinweisgebersystem: Nur ein Bezirk hat ein elektronisches 151 Arbeitsanweisung des Bezirksamtes Marzahn - Hellersdorf von Berlin zur Förderung von Tätigkeiten der Bezirksverwaltung durch Zuwendungen Privater - AZP - Bezirksamtsbeschluss Nr.930/III vom 09.02.2010, https://www.berlin.de/imperia/md/content/bamarzahnhellersdorf/babeschlsse/2010/vzb930.pdf?start&ts=1265967207&file=vzb930.pdf, Zugriff 8.2.2015. s.a. Berliner Antikorruptionsrichtlinie Abs. 8.1.-8.3 152 http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/korruptionsregister/, Zugriff 8.2.2015 63 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Hinweisgebersystem.153 • Erfassung von Nebeneinkünften: In nur zwei Bezirken werden Nebeneinkünfte von Mitarbeitern zentral erfasst. In einem Bezirk werden sie beim Personalservice erfasst, in dem anderen werden sie von der Personalstelle erfasst und dem Sachbearbeiter Antikoruption zur Kenntnisnahme mitgeteilt. • Beratung durch externe Experten: Nur drei Bezirke lassen sich extern beraten. Als externe Berater wurden die Generalstaatsanwaltschaft, die Ombudsperson und die Innenrevision der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angegeben. • Qualitätsmanagement: Ein Qualitätsmanagement bei der Korruptionsbekämpfung gibt es in keinem Bezirk. • Überbezirkliche Kooperation bei der Korruptionsbekämpfung: Nur vier Bezirke gaben an, dass es Formen überbezirklicher Kooperation bei der Korruptionsbekämpfung gebe. Diese sind: Unregelmäßige Revisorentreffen der Berliner Behörden, Information durch Antikorruptions-Arbeitsgruppe der Berliner Verwaltung, jährliche Treffen der Antikorruptionsbeauftragten der Berliner Behörden bei der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung. • Vertragsstrafen bei Korruption: Nur zwei Bezirke gaben an, dass es bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine Vertragsstrafe bei Korruption gibt. Eine befragte Sachverständige gab an, dass zumindest im Baubereich die im Land Berlin anzuwendenden Vertragsmuster (Abau III 12.B) eine Korruptionsklausel enthalten, nach der der Auftragnehmer zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5% der Abrechnungssumme verpflichtet wird. • Eigenes Konzept zur Korruptionsbekämpfung: Nur vier Bezirke haben ein eigenes Konzept zur Korruptionsbekämpfung. Diskussion der Antworten zu weiteren Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung Der Überblick über die Maßnahmen und Instrumente der Korruptionsbekämpfung, die über die Erfüllung der Antikorruptionsrichtlinie hinausgehen, offenbart zwei Dinge: Erstens ist die Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken äußerst uneinheitlich. Und zweitens gibt es keinen Bezirk, der alle Möglichkeiten der Korruptionsbekämpfung konsequent nutzt. Die Mehrheit der Bezirke beschränkt sich auf die Umsetzung von Maßnahmen, die zuvor auf Landesebene eingeführt wurden. Auch wenn einige Bezirke sichtbar engagierter bei 153 http://www.berlin.de/ba-charlottenburgwilmersdorf/aktuelles/pressemitteilungen/2008/pressemitteilung.196995.php, Zugriff 8.2.2015 64 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin der Korruptionsbekämpfung sind als andere, - ein ambitionierter, innovativer Vorreiter in der Korruptionsbekämpfung ist nicht unter den Bezirken. Der Bezirk Spandau, der im Jahr 2005 immerhin einen Preis für sein Antikorruptionskonzept gewonnen hatte (7. Internationalen Speyerer Qualitätswettbewerb 2005)154 hat seinen Vorsprung von damals eingebüßt. Zu den Maßnahmen im Einzelnen sind folgende Anmerkungen zu machen: • Eine Richtlinie für die Annahme von Geschenken sollte jeder Bezirk haben. Über die korrumpierende Wirkung auch kleiner Geschenke wurde in Berlin bereits in den Achtziger Jahren gestritten, eine landesweite Richtlinie gibt es seit 1990 (Ausführungsvorschriften der Senatsverwaltung für Inneres über die Annahme von Belohnungen und Geschenken vom 9. März 1990). • Sponsoring-Richtlinien und Sponsoring-Berichte sind unbedingt erforderlich, um Transparenz zu schaffen. Andere Zuwendungen wie Spenden oder Werbeeinnahmen sollten ebenfalls veröffentlicht werden. • Zuwendungs-Register: Ein bezirkliches Zuwendungs-Register ist ein wichtiges Instrument, um Transparenz zu gewährleisten. Ein landesweites ZuwendungsRegister wie die Berliner Zuwendungs-Datenbank ist eine geeignete Alternative. Allerdings ist dafür Sorge zu tragen, dass dieses Register benutzerfreundlich und vollständig ist. Dies ist zurzeit nicht der Fall, teilweise werden die Fördersummen nicht angegeben, teilweise sind Projekte in der Stichwortsuche nicht zu finden. Natürliche Personen werden nicht namentlich aufgeführt. Vollständige Transparenz ist nicht gegeben. • Korruptions-Register: Ein Korruptions-Register auf Landesebene ist wohl ausreichend. Möglicherweise ist die Mindestsumme für Abfragen mit 15.000,00 € zu hoch. Es sollte überprüft werden, ob die Abfrage von einzelnen Behörden durch Stückelung von Aufträgen vermieden wird. Eine Studie von PricewaterhouseCoopers und der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg stellte in einer bundesweiten Untersuchung fest, dass Behörden nicht immer von der Möglichkeit Gebrauch machen, ein vorhandenes Korruptionsregister abzufragen. Laut dieser Studie nutzten 40% der befragten Behörden die Möglichkeit selten oder nie. Nur ein Drittel der befragten Behörden machte bei Auftragsvergaben regelmäßig Abfragen des Korruptionsregisters. Die Meldung korrupter Unternehmen an das Korruptionsregister erfolgte nur in jedem vierten 154 http://www.berlin.de/ba-spandau/verwaltung/abt/pwo/akm.html, Zugriff 18.2.2015 65 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Fall.155 Auch wenn die Abfrage des Korruptionsregisters in Berlin bei Aufträgen ab 15.000,00 € verpflichtend ist, sollte man nachprüfen, ob die Abfrage des Korruptionsregisters genauso wie Meldungen an das Register auch tatsächlich überall vorschriftsmäßig erfolgt. • Zentrale Vergabestelle: Eine zentrale Vergabestelle, die jede Vergabe prüft und abzeichnet, ist unverzichtbar und sollte Pflicht sein. • Elektronisches Hinweisgebersystem: Ein elektronisches Hinweisgebersystem auf Landesebene ist vermutlich ausreichend. Seine Einführung im Februar 2015 ist ein Meilenstein.156 Insbesondere, da es nur wenige Hinweise an Ombudspersonen gibt, ist ein elektronisches Hinweisgebersystem eine sinnvolle Ergänzung. Die Verortung des Hinweisgebersystems bei der Polizei war wahrscheinlich eine gute Entscheidung. Das elektronische Hinweisgebersystem des einzigen Bezirks mit solch einem System ist mindestens seit 2014 nicht funktionstüchtig.157 Die Webseite www.baurev.de lässt sich nicht aufrufen. Auf der Webseite des Bezirksamts ist der Hinweis und der Link auf das elektronische Hinweisgebersystem nicht leicht zu finden.158 • Nebeneinkünfte müssen zentral erfasst werden. Es genügt nicht, wenn nur der unmittelbare Vorgesetzte Kenntnis von Nebeneinkünften hat. • Beratung durch externe Experten: Eine Beratung durch externe Experten scheint in einigen Bezirken dringend geboten. • Qualitätsmanagement: Ein Qualitätsmanagement in der Korruptionsbekämpfung ist obligatorisch. Für viele freie Träger ist ein Qualitätsmanagement die Voraussetzung für den Erhalt öffentlicher Aufträge. Beispielsweise müssen Kindertagesstätten regelmäßig interne und externe Evaluationen durchführen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Bezirksverwaltungen kein Qualitätsmanagement haben sollten, schon gar nicht bei der Korruptionsbekämpfung. • Überbezirkliche Kooperation: Die überbezirkliche Kooperation und Vernetzung sollte konsequent ausgebaut werden, da dies zusätzliche Transparenz schafft. 155 PricewaterhouseCoopers AG, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (HG): Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010. Auf der Spur von Korruption & Co. Halle-Wittenberg 2010. S. 52 und S. 33 156 Berliner Zeitung 10.2.2015. , s. a.: https://www.lka-berlin-hinweisgebersystem.de/%28S %28zzktekofrpim2k3qsmxsaix0%29%29/, Zugriff 11.2.2015 157 Nachtrag: Das elektronische Hinweisgebersystem wurde schon 2011 aufgegeben. Mitteilung des Bezirksamts Charlottenburg per E-Mail vom 6.3.15 an mich. (Nachtrag vom 16.4.2015) 158 http://www.berlin.de/ba-charlottenburgwilmersdorf/aktuelles/pressemitteilungen/2008/pressemitteilung.196995.php, Zugriff 8.2.2015 66 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Korruptionsbekämpfung sollte keine bezirksinterne Angelegenheit sein. • Vertragsstrafen bei Korruption: Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Korruptionsklauseln in alle Verträge und Vereinbarungen aufgenommen werden. Dies unterstreicht auch die Null-Toleranz-Haltung der Bezirksverwaltung. • Eigenes Konzept zur Korruptionsbekämpfung: Dass nur vier der neun befragten Bezirke ein eigenes Konzept zur Korruptionsbekämpfung haben, überrascht. Die Korruptionsbekämpfung hat offenbar keine Priorität auf Bezirksebene. Dort, wo es Konzepte gibt, muss geprüft werden, ob sie noch den Anforderungen entsprechen oder ob sie einer Überarbeitung bedürfen. Weder das Berliner „Vier-Säulen-Modell“ noch das Spandauer „Drei-Säulen-Modell“ konnten im Rahmen dieser Untersuchung überzeugen. Überhaupt keine Ermittlungserfolge in fünf Jahren oder mehr sprechen für erhebliche Defizite in der Korruptionsbekämpfung. 5. 5. Themenblock 3: Die BVV und Korruptionsbekämpfung Beschreibung und Begründung der Fragen zur Rolle der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in der bezirklichen Korruptionsbekämpfung Die vom Volk gewählten Abgeordneten und Parlamente haben unter anderem auch die Aufgabe, die Administration zu kontrollieren. Dies geschieht zum Teil dadurch, dass die Spitzen der Verwaltung – auf kommunaler Ebene die Bürgermeister und Stadträte – mit gewählten Mandatsträgern besetzt sind. Zu einem anderen Teil ist es auch Aufgabe der Parlamente und der Abgeordneten, die Verwaltung zu kontrollieren. Dafür sind Abgeordneten unter anderem besondere Akteneinsichtsrechte gegeben, sie können in den Kommunalparlamenten Anfragen an die Kommunalverwaltungen Kommunalparlamenten stellen, die Kommunalverwaltungen rechenschaftspflichtig, in diversen sind Ausschüssen den der Kommunalparlamente wird Einfluss auf die Kommunalverwaltung ausgeübt. Wenn es Defizite in der Korruptionsbekämpfung gibt, dann sind die gewählten Volksvertreter mit verantwortlich. Im Folgenden möchte ich der Frage nachgehen, was in den Bezirksverordnetenversammlungen zur Korruptionsbekämpfung beigetragen wird. Auswertung der Antworten zur Rolle der Bezirksverordnetenversammlung in der bezirklichen Korruptionsbekämpfung In keinem Bezirk gibt es eine Antikorruptions-Arbeitsgruppe der Bezirksverordneten. 67 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Nur in einem einzigen Bezirk gibt es eine Art Ehrenkodex für Bezirksverordnete. Danach sollen Bezirksverordnete ihre berufliche Tätigkeit und Nebeneinkünfte angeben. Diese Angaben werden im Internet auf der BVV-Webseite veröffentlicht. Diese Angaben sind freiwillig.159 In keinem Bezirk nehmen Bezirksverordnete an Sitzungen der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung teil. In keinem Bezirk müssen Parteispenden veröffentlicht werden. Nach dem Parteiengesetz müssen nur Parteispenden über eine Höhe von 10.000,00 € im Rechenschaftsbericht der Partei auf Bundesebene veröffentlicht werden. Die Rechenschaftsberichte der Parteien erscheinen etwa eineinhalb Jahre nach Ende des betreffenden Jahres im Internet auf der Homepage des Bundestages. Eine unmittelbare Veröffentlichung ist nur bei Parteispenden über 50.000,00 € Pflicht. Diskussion der Antworten zur Rolle der Bezirksverordnetenversammlung in der bezirklichen Korruptionsbekämpfung Weder gibt es eine Arbeitsgruppe zum Thema Korruptionsbekämpfung, noch gibt es für die Bezirksverordneten selbst einen Ehrenkodex (ausgenommen ein Bezirk). Ein Ehrenkodex für Mandatsträger mit verbindlichen Regeln in Bezug auf Korruption wäre wünschenswert. Für Mandatsträger gelten nicht dieselben Regeln bezüglich Korruption wie für Amtsträger. Mandatsträgern ist Vieles erlaubt, was einem Amtsträger den Vorwurf der Korruption einbringen würde. Ein Ehrenkodex könnte disziplinierend auf Mandatsträger wirken. Ergänzend zu meiner Befragung habe ich auf den Webseiten der Bezirksverordentenversammlungen der Bezirke recherchiert, wie häufig sich die Bezirksverordnetenversammlungen seit 2008 auf ihren monatlichen Sitzungen mit dem Thema Korruption bzw. Korruptionsbekämpfung beschäftigt haben. Hierzu habe ich die Suchfunktion „Textrecherche“ auf den Webseiten der Bezirksverordnetenversammlungen verwendet.160 (Die im Folgenden aufgeführten Zahlen unterliegen dem Vorbehalt, dass die Online-Archive der Bezirksverordnetenversammlung vollständig sind und die Suchfunktion „Textrecherche“ auf den Webseiten technisch fehlerfrei funktioniert.) 159Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick: Beschluss Nr. 908/42/10, BVV-Drucksache VI/1484 i.g.F.. http://www.berlin.de/ba-treptow-koepenick/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036392634518/3926345 18/00071468/68-Anlagen/03/B1484SB.pdf, Zugriff 22.2.2015 160 s. z.B. Webseite des Bezirksamts Reinickendorf, BVV Reinickendorf, Textrecherche: http://www.berlin.de/ba-reinickendorf/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/yw010.asp, Zugriff 7.2.2015 68 Friedrichshain-Kreuzberg Lichtenberg Marzahn-Hellersdorf Mitte Neukölln Pankow Reinickendorf Spandau Steglitz-Zehlendorf Tempelhof-Schöneberg Treptow-Köpenick 6 2 7 2 2 0 1 4 7 1 5 4 1 0 „Korruption“ Thema/Tagesordnungspunkt in BVVAusschüssen 2 2 3 2 1 0 1 3 3 2 7 5 6 „Korruption“ Thema in BVVDrucksachen 2 1 8 3 1 1 1 1 5 1 6 1 2 2008 2012 2010 2010 2012 2014 2010 2011 2010 2011 Textrecherche auf BVV-Homepage der Bezirke Suchbegriff „Korruption“ von 1.1.2008 - 31.12.2014 „Korruption“ zuletzt Thema/Tagesordnungspunkt in einer BVV-Sitzung 2014 Charlottenburg-Wilmersdorf „Korruption“ Thema/Tagesordnungspunkt in BVVSitzungen 2009 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin In sieben von 12 Bezirken haben sich die Bezirksverordnetenversammlungen von 2008 bis 2015 maximal fünfmal mit dem Thema Korruption befasst, also weniger als einmal im Jahr. Zehn von 12 Bezirken haben sich innerhalb von sieben Jahren weniger als zehnmal mit dem Thema Korruption beschäftigt. Darin eingeschlossen sind alle großen und kleinen Anfragen zum Thema Korruption im weitesten Sinne. In Auseinandersetzung vielen mit Fällen dem kann Thema dabei Korruption von einer keine tieferen, Rede sein. fachlichen Ebenfalls eingeschlossen sind Dopplungen. In einigen Fällen wurde eine Anfrage auf einer Sitzung gestellt und auf der nächsten beantwortet. In den BVV-Ausschüssen sieht es ähnlich aus. In neun von 12 Bezirken wurde maximal fünfmal über Korruption in BVV-Ausschüssen gesprochen. Nur ein Bezirk erreicht einen Wert von Zehn. BVV-Drucksachen mit dem Thema Korruption zum Inhalt gibt es entsprechend wenige: Nur ein einziger Bezirk hat hier mehr als zehn Drucksachen zu Korruption auf seiner BVV-Webseite veröffentlicht. Neun Bezirke kommen auf maximal fünf Drucksachen. Ebenso wie bei den BVV-Sitzungen habe ich bei den BVV-Ausschusssitzungen und bei 69 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin den BVV-Drucksachen keine inhaltliche Bewertung vorgenommen. Bei einer inhaltlichen Bewertung könnte man auch hier Dopplungen sowie Einiges, das mit einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema Korruption nichts zu tun hat, herausfiltern. Eine relative, kurzfristige Häufung kleiner und großer Anfragen in den Bezirksverordnetenversammlungen aller Bezirke gab es 2008-2009 nach der Publikation des Berichts von Transparency International über die Korruptionsbekämpfung in den Bezirken. Die Aufregung war nur temporär. Man muss leider feststellen, dass der Bericht faktisch nichts bewirkt hat. In sechs Bezirken hat man sich zuletzt 2010 oder davor in der BVV mit Korruption beschäftigt. Nur zwei Bezirke hatten 2014 das Thema auf der Tagesordnung der BVV. Einer davon, der Bezirk Reinickendorf, hatte dies auch nur, weil ich einen Bezirksverordneten nach den fehlenden Jahresberichten der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung gefragt hatte. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Korruption und ihre Bekämpfung in den Bezirksverordnetenversammlungen der zwölf Berliner Bezirke höchst selten zum Thema gemacht wird. Die Parlamente in den Bezirken erfüllen ihren Kontrollauftrag nicht, zumindest, was die Korruptionsbekämpfung betrifft. Es ist zu befürchten, dass in den Bezirksverordnetenversammlungen häufiger über Schlaglöcher als über Korruption und Korruptionsbekämpfung diskutiert wird. Wenn die Bezirksverordneten ihre Bezirksämter nicht kontrollieren, ist es nicht weiter verwunderlich, wenn in puncto Korruptionsbekämpfung auf Bezirksebene nicht viel passiert. Es stellt sich natürlich die Frage, warum engagieren sich die Bezirksverordneten so zurückhaltend, wenn es um Korruption und ihre Bekämpfung geht. Diese Frage kann ich hier zwar nicht beantworten, aber auf ein paar strukturelle Probleme als Mit-Ursachen möchte ich hinweisen: Die Parteiführungen der großen Parteien in den Bezirken bilden in der Regel auch die Führung der Bezirksämter. Da Bürgermeister- und Stadtratsposten in den Bezirken nach Proporz vergeben werden, regieren immer die stärksten Parteien. Einzelne Ressorts sind dadurch von der einen oder anderen Partei quasi abonniert – egal, wie das Wahlergebnis ausfällt. Beispielsweise regieren in Reinickendorf seit Ende des II.Weltkrieges CDU und SPD gemeinsam im Bezirksamt. Seit 1948 hat es überhaupt nur zweimal, in zwei Wahlperioden, Stadträte im Bezirksamt Reinickendorf gegeben, die nicht von der CDU oder der SPD gestellt wurden (1948 ein Finanzstadtrat von der FDP und 1992 eine 70 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Sozialstadträtin von den Republikanern). Die Ressorts sind fest aufgeteilt. Das Ressort Jugend zum Beispiel ist im Bezirk Reinickendorf seit 1981, also seit über 30 Jahren in der Hand der SPD. Seit 1948 war das Ressort Jugend nur in zwei Wahlperioden nicht SPDregiert (1975 und 1979). Das Ressort Finanzen dagegen ist seit 1971 CDU-regiert. Von 1948 bis heute hat es immerhin 18 mal Wahlen im Bezirk gegeben (II.- XIX.Wahlperiode).161 Manche Stadträte leiten ein Ressort quasi autokratisch über viele Jahre. Den Rekord hält hier die ehemalige SPD-Jugendstadträtin Hertha Beese, die von 1948 bis 1965 über fünf Wahlperioden (II.-VI. Wahlperiode) ihr Amt innehatte. Man zweifelt am Sinn von Wahlen wenn man jetzt schon mit fast 100%iger Sicherheit vorhersagen kann, dass nach den nächsten Wahlen der nächste Reinickendorfer Jugendstadtrat von der SPD sein wird und der nächste Finanzstadtrat von der CDU. Auf bezirklicher Ebene sind die beiden großen Parteien größtenteils nur im Wahlkampf Rivalen – in einem für die Wähler inszenierten Schaukampf. Im Bezirksamt regieren sie seit Jahrzehnten gemeinsam wie eine Einheitspartei. Der Demokratie kann das nicht gut tun. In den anderen Bezirken mag die Ressortverteilung nicht so extrem gleichförmig sein wie in Reinickendorf. Aber ich fürchte, die Tendenz zu dieser politischen Monotonie gibt es in allen Bezirken. Die Proporzregelung für die Berliner Bezirke wurde 2009 von den Parteien CDU, SPD und der LINKEN im Berliner Abgeordnetenhaus verlängert. Ein Antrag der GRÜNEN auf eine Änderung und die Einführung eines „Politischen Bezirksamts“ wurde abgelehnt.162 Den Parteien ging es dabei offensichtlich um den Machterhalt in „ihren“ Bezirken. Der Korruptionsforscher Hans Herbert von Arnim nennt übrigens Fälle, in denen Politiker wohlwollend in eigener Sache entscheiden, „Autokorruption“.163 Die Ressorts sind zur festen Ressource für die Parteien geworden. Ämterpatronage ist Normalität. Eine wirksame Korruptionsbekämpfung würde die Ressourcen der großen Parteien gefährden. „Dadurch, dass die Parteien alle möglichen Kontrollinstanzen mit ihren Parteigängern zu durchsetzen und dadurch bis zu einem gewissen Grad gleich zu schalten suchen, droht die Kontrollwirkung dieser Institutionen gerade in Bezug auf parteilich bedingte Korruptionsfälle geschwächt und der Gedanke der Gewaltenteilung unterlaufen zu werden.“164 161 Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf: BVV Chronik. 162 Der Tagesspiegel, 9.6.2009. http://www.tagesspiegel.de/berlin/landespolitik/keine-koalitionenin-den-rathaeusern-regiert-weiter-der-proporz/1532576.html, Zugriff 17.2.2015 163 Arnim, Hans Herbert von: Begriff und systemische Defizite in der Korruptionsbekämpfung: In: Defizite in der Korruptionsbekämpfung. Duncker und Humblodt. Berlin 2009. S. 11-12 164 Arnim, Hans Herbert von: Korruption: Begriff und systemische Defizite in der Korruptionsbekämpfung. In: Arnim, Hans Herbert von (HG): Defizite in der Korruptionsbekämpfung und der Korruptionsforschung. Berlin: Duncker&Humblot, 2009. S. 13. 71 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Im Zuge meiner Recherche für diese Arbeit bin ich auf eine Bürgerfrage vom 28.9.2011 auf der Webseite www.abgeordnetenwatch.de gestoßen. Die Frage an den jetzigen Innensenator Frank Henkel lautete im Wortlaut: „Sehr geehrter Herr Henkel, in Ihrer Vita führen Sie an, dass Sie von 1996 bis zum Jahr 2001 im Leistungsstab der Bürgermeisterin Wanjura in Reinickendorf gearbeitet haben. Zu Ihrer dortigen Tätigkeit habe ich folgende Fragen: War die Stelle, die Sie in Reinickendorf hatten, ausgeschrieben? Haben Sie sich auf diese Stelle beworben? Gab es für diese Stelle ein Anforderungsprofil und einen Geschäftsverteilungsplan? Gab es für die Stellenbesetzung ein Bewerberverfahren?“165 Die Frage suggeriert, dass hier eine Stellenbesetzung stattgefunden hat ohne ordentliches Verfahren. Diese Frage wurde meines Wissens nie beantwortet. Ob hier ein Fall von Ämterpatronage vorliegt, wird man wohl nie erfahren. Neben Ämtern und Stellen gibt es noch weitere öffentliche Ressourcen, die für parteiliche oder auch private Zwecke verwendet werden können. Der Reinickendorfer CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel ist sowohl erfolgreicher Unternehmer (Steffel-Gruppe)166 als auch Mitglied im Beirat der Spielbank Berlin. Die wie auch immer geartete Tätigkeit für die Spielbank bzw. die Mitgliedschaft im Beirat wird vergütet (jährlich Stufe 3 anzeigepflichtiger Nebeneinkünfte, d.h. über 7.000,00 €) 167 „Ein Großteil der Einnahmen (der Spielbank, Anm. d. Autors) geht an das Land Berlin. … Darüber hinaus verfügt der Beirat der Spielbank, dem ... Bundestagsabgeordneter Frank Steffel und Bankmanager Karl Kauermann angehören, über einen eigenen Fonds, mit dem sie Jahr für Jahr ehrenamtliche Arbeit in Berlin fördern.“ 168 Gefördert wurden insbesondere Vereine und Projekte im Wahlkreis Frank Steffels, wie der TSV Wittenau, der Förderverein Freiwillige Feuerwehr Tegelort e.V., die Freiwillige Feuerwehr Heiligensee, die Freiwillige Feuerwehr Frohnau e.V., der VFB Hermsdorf, der Nordberliner Tauchverein, die Humboldt-Bibliothek in Tegel, der ländliche Reitverein Tegel, den DLRG Reinickendorf, der Weiße Ring Reinickendorf, der Sportclub Tegeler Forst e.V., der VFL Tegel, die Malteser Reinickendorf, die Johanniter Reinickendorf, das Centre Bagatelle Frohnau, die Schützengilde Tegel Süd, das Heimatmuseum Reinickendorf, das AlliiiertenMuseum am Kurt-Schuhmacher-Damm, der BFC Alemannia, der Club de Peche e.V. und andere – nicht zuletzt auch Steffels eigener Verein, die Füchse Berlin.169 Nach eigener 165 http://www.abgeordnetenwatch.de/frank_henkel-417-45131—f307442.html, Zugriff 20.2.2015 166http://steffel-gruppe.com/steffel_unternehmensgruppe_unternehmen.php , Zugriff 19.2.2015 167 http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete18/biografien/S/steffel_frank/258984, Zugriff 19.2.2015 168http://www.spielbank-berlin.de/informationen/unternehmen, Zugriff 19.2.2015 und http://www.frank-steffel.de/1_2_Archiv.html, Zugriff 22.2.2015 169Ebenda 72 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Angabe hat er bisher insgesamt 56.600,00 € an Spenden an Vereine und Organisationen in Reinickendorf „vermittelt“.170 Damit machte er den gemeinnützigen Fonds der Spielbank zu seiner Wahlkampfschatulle. Seinen Mitbewerbern um ein Bundestagsmandat im Wahlkreis Reinickendorf gegenüber war er bei der Wahl klar im Vorteil – die anderen hatten keine 50.000,00 € zu verteilen. Aber Herr Steffel verschenkt nicht nur gerne Geld, was ihm gar nicht gehört, an potentielle Wähler in seinem Wahlkreis sondern auch immer wieder Freikarten für Spiele der Reinickendorfer Füchse.171 Herr Steffel ist selbst Präsident der Füchse Berlin Reinickendorf. Er hat ferner Beteiligungen an der Füchse Berlin Handball GmbH (wo er Beiratsvorsitzender ist) und der Füchse Sportpark GmbH. 172 Sponsoringpartner der Füchse Berlin Reinickendorf ist die Steffel-Gruppe.173 Frank Steffel fördert mit dem Geld aus dem Spielbank-Fonds also gleichzeitig den Sport und sich selbst – ganz legal natürlich. Auf seiner Bundestagsabgeordneten-Webseite macht er Werbung für die Füchse Berlin. Umgekehrt profitiert er vom sportlichen Glanz und vom Image der Füchse. 174 Eine klare Trennung zwischen politischem Mandat und privatem Geschäft ist nicht gegeben. Wenn er sich im Sportausschuss des Deutschen Bundestages für die Förderung des Handballsports einsetzt, dann ist das in seinem eigenen geschäftlichen Interesse. Exkurs: Warum es überhaupt diesen Spielbank-Fonds gibt, und warum die Einnahmen nicht direkt in die Landeskasse fließen, wie die übrigen Mittel, weiß kein Mensch. Zu diesem Fonds gibt es im Internet verblüffenderweise keine Informationen. Mathew D. Rose nennt diesen Spielbank-Fonds „eines der bestgehüteten Staatsgeheimnisse des Landes Berlin“.175 Wer wie viel Geld aus diesem Fonds bekommt, steht nach Rose komplett außerhalb öffentlicher Kontrolle. Ähnlich ist es mit der Deutschen Klassenlotterie Berlin. In anderen Bundesländern fließen 100% der Lottoeinnahmen in die Landeshaushalte. In Berlin dagegen wird ein erheblicher Teil der Lottoeinnahmen dem Landeshaushalt vorenthalten, er geht an die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Diese Stiftung kann nach eigenem Ermessen gemeinnützige Organisationen und Projekte fördern. Über Förderungen entscheidet der Stiftungsrat. Im Stiftungsrat sitzen prominente Mitglieder des Abgeordnetenhauses. „Dadurch bestimmen die regierenden politischen Parteien allein über die Vergabe der Lottogelder.... Letztlich werden so Jahr für Jahr über 170http://www.frank-steffel.de/index.php?ka=1&ska=23, Zugriff 22.2.2015 171http://www.frank-steffel.de/index.php?ka=1&ska=2&idn=20, Zugriff 22.2.2015 172http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete18/biografien/S/steffel_frank/258984 , Zugriff 19.2.2015 173 http://www.fuechse-berlin-reinickendorf.de/wordpress/partner/, Zugriff 19.2.2015 174 http://www.frank-steffel.de/index.php?ka=1&ska=1&idn=290, Zugriff 22.2.2015 175 Rose, Mathew D.: Berlin – Hauptstadt von Filz und Korruption. Knaur Verlag München 1998. S. 59 73 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin hundert Millionen (DM, Anm. d. Autors) nach Gutdünken – ohne Kontrolle durch Abgeordnetenhaus und Landesrechnungshof und natürlich auch ohne die Möglichkeit eines verwaltungsrechtlichen Widerspruchs – vergeben.“176 Zu den Hauptprofiteuren zählen – die Parteienstiftungen.177 Erinnern wir uns: Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Hier sind es die Parteien, die die (von sich selbst an sich selbst) anvertraute Macht ganz legal zu ihrem Nutzen missbrauchen. Man könnte es institutionalisierte Korruption nennen. - Ende des Exkurses. Ein anderes strukturelles Problem ist das Thema Parteispenden. Die Parteien sind zu ihrer Finanzierung unter anderem auf Parteispenden angewiesen. Insbesondere Wahlkämpfe verursachen regelmäßig wiederkehrende, hohe Kosten. Darum werden immer wieder Parteispenden angenommen, die in stiller Erwartung einer Gegenleistung gespendet werden. Die Gegenleistung erfolgt dann über die Amtsausübung, beispielsweise in Form eines öffentlichen Auftrages oder einer Genehmigung, bezahlt wird sie vom Steuerzahler. Da Parteien ihre Spenden erst ab einer Höhe von 10.000,00 € veröffentlichen müssen, die Spendenbeträge auf Bezirksebene aber meistens darunter liegen, erfährt der Steuerzahler und Wähler im Bezirk nie etwas über mögliche Zusammenhänge von Parteispenden und Verwaltungsentscheidungen. Helfen könnte hier nur Transparenz: Parteispenden und Nebeneinkünfte von Mandatsträgern müssen offengelegt werden. Die Intransparenz bei den Parteispenden unter 10.000 Euro wird von der Organisation Lobbycontrol schon lange kritisiert: „Vollständige Intransparenz herrscht bei allen Spenden unter 10.000 Euro. Diese Spenden tauchen nur gesammelt unter den Gesamtspendeneinnahmen der Parteien auf – ihre Herkunft bleibt damit verborgen. Aus unserer Sicht ist dieser Schwellenwert viel zu hoch. Die aktuellen Rechenschaftsberichte zeigen, dass 2011 nur 25,6% der Spenden an die Bundestagsparteien über 10.000 Euro lagen und damit samt ihrer genauen Höhe und Herkunft nachvollziehbar sind … . Selbst bei den Spenden von juristischen Personen wie Unternehmen oder Verbänden liegen 63% unter der Veröffentlichungsschwelle.“178 Demnach kommen 74 % aller Parteispenden von anonym bleibenden Spendern (s. Anhang 1 ,Abb. 5, S.3). „Auch Einnahmen der Parteien aus Sponsoring-Geschäften bleiben im Dunkeln. Sie werden als Teil der 'Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und 176 Ebenda, S. 45 177 Ebenda, S. 43-62 178 https://www.lobbycontrol.de/2013/03/rechenschaftsberichte-belegen-intransparenteparteienfinanzierung/, Zugriff 7.2.2015 74 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin sonstiger mit Einnahmen verbundenen Tätigkeiten' ausgewiesen. Wie hoch darin der Anteil an Sponsoring ist, bleibt unbekannt. Das Sponsoring bietet Unternehmen und Verbänden also ein Schlupfloch, um die gesetzlichen Offenlegungspflichten zu umgehen. Unternehmen können Sponsoring-Ausgaben im Gegensatz zu Parteispenden zudem steuerlich geltend machen. Im Jahr 2011 nahmen die Parteien rund 37 Millionen Euro in der Kategorie, zu der auch das Sponsoring zählt, ein. Spitzenreiter sind die SPD mit 13,7 Millionen Euro und die CDU mit 12,6 Millionen Euro.“179 Noch weniger Interesse an Korruptionsbekämpfung als die Parteien als Ganzes haben die Parteifunktionäre und die Parteispitzen. In über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen von Seilschaften und Netzwerken ist eine Parteikarriere ohne einflussreiche Gönner kaum denkbar. Wer an die Spitze möchte, muss dieses Spiel mitspielen. Dafür winken zur Belohnung Macht und Geld. Für Berufspolitiker ist die Ämterpatronage ein perfektes Versorgungssystem. Und wer durch Ämterpatronage überhaupt erst an seinen Posten gelangt ist, wird kaum an dem Ast sägen, auf dem er sitzt. Für manch einen Politiker jedenfalls Grund genug, Korruptionsbekämpfung mit aller Macht zu bekämpfen. Fazit: Der Staat ist für Parteien und Politiker zum Selbstbedienungsladen geworden. Transparenz und Korruptionsbekämpfung würden den Zugriff der Parteien und Politiker auf die öffentlichen Ressourcen einschränken. Politische Korruption und Korruption in der Verwaltung können nicht separat bekämpft werden. „Wegen der Ausstrahlungswirkung politischer Korruption muss, wer Korruption wirklich ernsthaft bekämpfen will, zu allererst gegen Korruption in der Politik vorgehen. Wie bereits das Sprichwort sagt, wird die Treppe von oben gekehrt.“180 179 Ebenda 180 Arnim, Hans Herbert von: Korruption: Begriff und systemische Defizite in der Korruptionsbekämpfung. In: Arnim, Hans Herbert von (HG): Defizite in der Korruptionsbekämpfung und der Korruptionsforschung. Berlin: Duncker&Humblot, 2009. S. 17 75 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 5.6. Themenblock 4: Meinungen und Einschätzungen Tabelle Meinungen und Einschätzungen Frag Frage e- Ja Nein Keine in % in % Angab Nr. 1. 1.3. e in % Glauben Sie, zur Korruptionsbekämpfung wird in 77,8 22,2 - 1001 - - Ihrem Bezirk genug unternommen? 2. 4.5. Hat sich das Amt der Ombudsperson/des Vertrauensanwalts als sinnvolle Einrichtung erwiesen? 3. 4.6. Sollten Whistleblower besser geschützt werden? 77,8 - 22,2 4. 4.8. Würden Sie eine Kronzeugenregelung 55,6 22,2 22,2 77,8 11,1 11,1 66,7 44,4 - 88,9 - 11,1 55,6 - 44,4 befürworten? 5. 4.9. Glauben Sie, die Unabhängigkeit und Unbefangenheit von Prüfern ist in Ihrem Bezirk gewährleistet? 6. 7. 8. 4.10 Halten Sie ein elektronisches . Hinweisgebersystem für sinnvoll? 4.11 Halten Sie die Verwaltung in Ihrem Bezirk für . ausreichend transparent? 4.12 Würden Sie etwas an der Korruptionsbekämpfung in Ihrem Bezirk verändern?2 1 : Diese Frage haben nur zwei Sachverständige beantwortet, da nur in zwei der an der Befragung teilnehmenden Bezirke Ombudspersonen eingesetzt werden. 2 : Fragetext abgewandelt. Die Frage lautete eigentlich: „Wenn Sie die Korruptionsbekämpfung in Ihrem Bezirk nach Ihren Vorstellungen neu organisieren könnten, was würden Sie tun?“ Wurden in der Antwort Änderungsvorschläge gemacht, habe ich dies in dieser Tabelle als Ja gewertet. 76 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Beschreibung und Begründung der Fragen zu den Meinungen und Einschätzungen der befragten Sachverständigen In meiner Befragung habe ich die Sachverständigen auch zu ihren Einschätzungen und persönlichen Meinungen befragt. Auch wenn ich nur neun Sachverständige befragen konnte, sind die Ergebnisse interessant. Ich habe die Antworten in Prozent-Angaben zusammengefasst, um die Anonymität der Befragten zu gewährleisten. Auswertung der Antworten zu den Meinungen und Einschätzungen der befragten Sachverständigen Eine deutliche Mehrheit der befragten Sachverständigen ist für einen besseren Schutz von Whistleblowern, für eine Kronzeugenregelung und für ein elektronisches Hinweisgebersystem. Die beiden Sachverständigen aus den Bezirken mit Ombudspersonen halten die Einführung einer Ombudsperson für sinnvoll. Die persönlichen Erfahrungen mit Ombudspersonen sind offenbar positiv. Eine deutliche Mehrheit der befragten Sachverständigen hält die Prüfer in ihrem Bezirk für unabhängig und ihre Unbefangenheit für gewährleistet. Die überwiegende Mehrheit der befragten Sachverständigen hält zudem die Verwaltung in ihren Bezirken für ausreichend transparent. Diskussion der Antworten zu den Meinungen und Einschätzungen der befragten Sachverständigen Was Whistleblowerschutz, Kronzeugenregelung, elektronisches Hinweisgebersystem und Ombudspersonen betrifft, decken sich die Meinungen der Mehrheit der befragten Sachverständigen mit den Forderungen von Transparency International. Bei den Punkten Unabhängigkeit der Prüfer, Transparenz und Ombudspersonen deckt sich die Meinung der Sachverständigen nicht mit meinen Erkenntnissen und Erfahrungen: Die Funktion der Ombudspersonen habe ich oben bereits kritisch hinterfragt, ich verzichte hier auf eine Wiederholung. Die Unabhängigkeit der Prüfer halte ich nicht für gegeben. Die Prüfer kommen selbst aus den zu prüfenden Verwaltungseinheiten. Die Prüfgruppen sind eingebunden in die hierarchischen Strukturen der Bezirksverwaltungen. Die Verwaltungseinheiten sind von überschaubarer Größe, teilweise kennen sich Prüfer und Geprüfte persönlich. In meinem Fallbeispiel aus Reinickendorf ist ein Geprüfter Parteigenosse und Vorgesetzter des 77 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Prüfers. Das wirkt sich ohne Zweifel nachteilig auf die Unabhängigkeit der Prüfer aus. In den Richtlinien für die Prüfgruppen Korruptionsbekämpfung ist ferner keine Sonderregelung vorgesehen für den Fall, dass die Unabhängigkeit bei einer Prüfung nicht gewährleistet ist. Auch eine ausreichende Transparenz der Verwaltung halte ich nicht für gegeben. Im gegebenen rechtlichen Rahmen sind Aktenführungs- und Dokumentationspflichten unzureichend geregelt. Ferner ist es rechtlich möglich, dass eine verantwortliche Behörde ihre Fehler verheimlichen kann, indem sie die Akteneinsicht verweigert. Sogar einzelne, verantwortliche Amtsträger können sich offensichtlich selbst vor Nachforschungen schützen, indem sie die Akteneinsicht verweigern.181 Nicht jeder Bürger hat das Geld oder die Zeit, sein Akteneinsichtsrecht einzuklagen. Rund die Hälfte der befragten Sachverständigen sowie die beiden Ombudspersonen haben Vorschläge gemacht, was an der Korruptionsbekämpfung in ihren Bezirken verbessert werden könnte. Diese Vorschläge sind im Einzelnen: • Mehr Personal für die Korruptionsbekämpfung und die Innenrevision, • externe Prüfungen, • bessere Software für das Rechnungswesen mit Ausweisungs- und Analysemöglichkeiten, • die Innenrevision einer unabhängigen Stelle unterstellen, • Einrichten einer Prüfgruppe, • Ausweitung der Arbeit der Prüfgruppen, • Zentrale Vergabestelle für alle, verbindliche Vergabeanweisungen für alle, • klarere Regelung der Aufgaben und Kompetenzen der Korruptionsbeauftragten, • Einführung eines elektronischen Hinweisgebersystems. • Hinweise wegen Korruption belohnen • Korruptionsbekämpfung bekannter machen • Korruptionsbekämpfung unabhängiger machen • Korruptionsbekämpfung einheitlicher machen Diese Vorschläge decken sich in vielen Punkten mit den Ergebnissen meiner Arbeit: Mehrere Vorschläge zielen auf eine bessere Ausstattung der Korruptionsbekämpfung mit Personal und Technik (mehr Personal, bessere Software, elektronisches Hinweisgebersystem). Mehrere Vorschläge zielen auf eine Externalisierung der Korruptionsbekämpfung 181 s.Fallbeispiel S. 80ff 78 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin (Korruptionsbekämpfung unabhängiger machen, Innenrevision unabhängiger Stelle unterstellen, externe Prüfungen, zentrale Vergabestelle). Mehrere Vorschläge zielen auf eine Vereinheitlichung und klarere Regelung der Korruptionsbekämpfung (Aufgaben und Kompetenzen der Korruptionsbeauftragten, verbindliche Vergabeanweisungen für alle, Korruptionsbekämpfung einheitlicher machen). Auch wenn die befragten Sachverständigen die Korruptionsbekämpfung in ihren Bezirken insgesamt für ausreichend halten, werden manche in meiner Arbeit aufgezeigten Mängel der Korruptionsbekämpfung von einzelnen Sachverständigen offenbar auch wahrgenommen. Acht der neun befragten Sachverständigen halten die Verwaltung in ihrem Bezirk für ausreichend transparent. Dieser Meinung kann man sein, für einige Bezirke mag sie zutreffen. Es ist zudem wenig überraschend, dass Angehörige der Verwaltung dieser Ansicht sind. Ich persönlich habe in Bezug auf Transparenz leider nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Im Bezirk Reinickendorf musste ich mein Recht auf Akteneinsicht gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz gleich zweimal einklagen. Im ersten Verfahren war die Ablehnung meines Antrags auf Akteneinsicht juristisch vom Rechtsamt des Bezirks so hanebüchen begründet, dass der Berliner Landesbeauftragte für das Informationsfreiheitsgesetz sich genötigt sah, das Bezirksamt Reinickendorf dafür in seinem Jahresbericht zum Informationsfreiheitsgesetz 2012 öffentlich zu rügen. 182 Die Jahresberichte des Landesbeauftragten für das Informationsfreiheitsgesetz berichten immer wieder von Fällen, in denen Bezirksämter Akteneinsichten nach dem Informationsfreiheitsgesetz mit haltlosen Begründungen verweigern. Im Jahresbericht von 2013 wird von einem Fall aus dem Bezirk Neukölln berichtet, welcher den Landesbeauftragten zu folgendem Schluss veranlasste: „Eine derart breite Unkenntnis des Berliner Informationsfreiheitsrechts (im Rechtsamt des Bezirks !, Anm. d. Autors) lässt keinen anderen Schluss zu als den auf einen massiven Fortbildungsbedarf.“183 Das ist sehr diplomatisch formuliert. Tatsächlich sind natürlich noch andere Schlüsse möglich: Ein Bezirksamt schöpft unter Umständen jedes Rechtsmittel aus, um einem Bürger die Akteneinsicht zu erschweren, wenn Transparenz in der Sache nicht im Sinne des Bezirksamts ist. 182 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit: Jahresbericht 2012. http://www.datenschutz-berlin.de/content/veroeffentlichungen/jahresberichte, Zugriff 14.2.2015, S. 199-200 183 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit: Jahresbericht 2013. http://www.datenschutz-berlin.de/content/veroeffentlichungen/jahresberichte, Zugriff 14.2.2015, S. 204 79 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin In meinem zweiten Akteneinsichtsverfahren im Bezirk Reinickendorf wurde mir die Akteneinsicht sogar vom Bezirksbürgermeister persönlich verweigert. – Inhalt der betreffenden Akte sind Verwaltungsvorgänge, für die der Bezirksbürgermeister als damaliger Baustadtrat selbst direkt verantwortlich war.184 Begründung für die Verweigerung der Akteneinsicht: Schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.185 Dass meine Fragen teilweise nicht, teilweise nur sehr zurückhaltend und teilweise nur anonym beantwortet wurden, deutet für mich darauf hin, dass die befragten Sachverständigen teilweise selbst nicht vollständig unabhängig sind – was sie als Organe der Korruptionsbekämpfung ja eigentlich sein sollten. 6. Fallbeispiel Korruptionsbekämpfung in Reinickendorf Wie Korruptionsbekämpfung mitunter auf bezirklicher Ebene gehandhabt wird, das möchte ich anhand folgendem Fallbeispiels aus eigener Erfahrung illustrieren. In diesem Fallbeispiel geht es nicht um die Frage, ob hier jemand korrupt war. Es geht darum, wie Verwaltungsvorgänge geprüft werden und wie mit Verfahrensfehlern umgegangen wird. Ich bin beruflich als Geschäftsführer bei der Remmi-Demmi gemeinnützigen GmbH, ein freier Träger der Jugendhilfe aus der Kindertagesbetreuung, tätig. Die Remmi-Demmi gGmbH (damals noch Remmi-Demmi e.V.), betrieb von 2006 bis 2013 eine kleine Kindertagesstätte in Berlin-Heiligensee, die Kita Remmi-Demmi im Kinderwald. Das Kinderwald-Gelände, auf dem sich die Kita befand, ist eine landeseigene Liegenschaft, die vom Bezirksamt Reinickendorf verwaltet wird. Das Gelände ist ein ca. 16.000 m² großes Waldgrundstück mitten im Tegeler Forst. Auf dem Gelände befinden sich mehrere Bungalows und Wirtschaftsgebäude, die Kita war in einem der Bungalows untergebracht. Zweck der Liegenschaft ist die Kinder- und Jugendarbeit. Seit Jahrzehnten wurden dort Schulklassen, Kinder- und Jugendgruppen im Rahmen von Jugendfahrten, Klassenreisen und Ähnlichem untergebracht. Das Bezirksamt Reinickendorf hatte das Kinderwald-Gelände an den KiRa e.V. zur Bewirtschaftung vermietet. Im Jahr 2005 hat der KiRa e.V. der Kita Remmi-Demmi einen Bungalow vermietet. 2007 ging der KiRa e.V. in die Insolvenz. Das Kinderwald-Gelände ging samt Kita zurück an das Bezirksamt Reinickendorf. Das Bezirksamt suchte daraufhin nach einem neuen Betreiber. Der Remmi-Demmi e.V. meldete Interesse an. Im Jahr 2008 ging das Kinderwald-Gelände jedoch einschließlich Kita-Bungalow an den Gruppenhaus und Jugendzeltplatz e.V. (GJB e.V.), ein Verein, der 184 Korrektur: Die betreffenden Verwaltungsvorgänge fielen in die Amtszeit des nachfolgenden Baustadtrats. (Nachtrag am 16.4.2015) 185 Vgl. Fallbeispiel Reinickendorf S. 80ff 80 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin sich 2008 für die Übernahme der Liegenschaft eigens gegründet hatte. Der GJB e.V. übernahm in Folge noch drei weitere Liegenschaften im Bezirk Reinickendorf zur Bewirtschaftung: Das Jugendgästehaus Haus Holon, den Zeltplatz Saatwinkel und das Jugendgästehaus Alte Fasanerie Lübars. (Die Vergaben von Haus Holon und Zeltplatz Saatwinkel erfolgten über das Bezirksamt Mitte als Eigentümer dieser Liegenschaften.) Zwar hatte der GJB e.V. dem Jugendamt zugesagt, man werde die Kita erhalten. In Heiligensee/Tegel gab es einen großen Mangel an Kitaplätzen. Aber schon nach wenigen Wochen der Übernahme des Kinderwald wurde der Kita Remmi-Demmi mitgeteilt, dass der GJB e.V. eigentlich kein Interesse an einer Verlängerung des Mietverhältnisses hat. Nach mehrjährigen, andauernden Streitigkeiten um Miethöhe und mehr folgten Kündigung, Räumungsklage und 2013 schließlich die Räumung der Kita. Aufgrund der ständigen Streitigkeiten mit dem GJB e.V. begann ich, mich für die Hintergründe der Vergabe des Kinderwald an den GJB e.V. zu interessieren. Wie bereits erwähnt, der Remmi-Demmi e.V. hatte auch Interesse an der Übernahme des Kinderwald angemeldet, dies wurde aber vom Bezirksamt Reinickendorf ignoriert. Ich beantragte Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz und musste feststellen, dass es zur Vergabe des Kinderwald gar keine aussagefähigen Unterlagen gab. Die Vergabe war überhaupt nicht dokumentiert. Ein späterer Antrag von mir auf Akteneinsicht in die E-Mail-Korrespondenz des Jugendstadtrates mit Vertretern des GJB e.V. wurde abgelehnt mit der Begründung, sämtliche E-Mails des Jugendstadtrates wurden gelöscht, als dieser in den Ruhestand gegangen ist. Ein noch später von der Remmi-Demmi gGmbH in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Kanzlei Leinemann und Partner stellte fest, dass die Vergabe nicht rechtmäßig gewesen sein kann, da insbesondere das Prinzip des Wettbewerbs nicht gegeben war. Zu dem Zeitpunkt war aber die Verjährungsfrist für das Einlegen eines Widerspruchs gegen die Vergabe bei der Vergabekammer längst verjährt. Daraufhin beantragte ich bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Eigentümerin des Kinderwald, die Prüfung der Vergabe. Zusätzlich beantragte ich die Prüfung der Vergabe des Jugendgästehauses Alte Fasanerie Lübars, weil ich auch hier Unregelmäßigkeiten vermutete. Die Alte Fasanerie Lübars wurde vor der Vergabe in einem völlig intransparenten Verfahren aus dem Bestand des Jugendamtes herausgelöst und dem Facilitiy Management des Bezirks übertragen. Dort hat dann der zuständige Baustadtrat die Vergabe an den GJB e.V. veranlasst. Inzwischen behauptet das Bezirksamt, es habe sich 81 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin gar nicht um eine Vergabe sondern um eine rein gewerbliche Vermietung gehandelt. Warum der GJB e.V., ein freier Träger der Jugendhilfe, eine Liegenschaft des Bezirks gewerblich anmieten soll, die zuvor den Nutzungszweck Kinder- und Jugendhilfe hatte, erklärt das Bezirksamt nicht. Und wieso der GJB e.V. die Liegenschaft zur Nutzung erhält, wird fachlich auch nicht begründet. Aus fachlicher Sicht wäre eine andere Nutzungsart für den Einzugsbereich der Alten Fasanerie, das Märkische Viertel, viel sinnvoller gewesen – beispielsweise eine Kindertagesstätte. Im Märkischen Viertel herrscht großer Mangel an Kitaplätzen. Von der gegenwärtigen Nutzung – als Gästehaus für Gruppen von BerlinBesuchern – hat das Märkische Viertel überhaupt nichts. Eine Erörterung der Vergabe im Jugendhilfeausschuss hat meines Wissens nicht stattgefunden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat meinen Antrag auf Prüfung der Vergaben abgewiesen, weil man aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung mit dem Bezirk Reinickendorf nicht zuständig war. Aber die Senatsverwaltung hatte meinen Antrag auf Prüfung immerhin weitergeleitet an das Bezirksamt Reinickendorf. Dort hat dann auch tatsächlich die Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung des Bezirksamts Reinickendorf die beiden Vergaben geprüft. Nach Abschluss der Prüfung teilte mir der Leiter der Prüfgruppe mit, die Prüfung hätte ergeben, dass die beiden Vergaben nicht zu beanstanden gewesen seien. Da dies dem Rechtsgutachten der Kanzlei Leinemann und Partner widersprach, beantragte ich nach dem Informationsfreiheitsgesetz Akteneinsicht in den Prüfbericht der Vergabeprüfungen. Die Akteneinsicht wurde mir zunächst verweigert, ich musste sie erst einklagen.186 Die Akteneinsicht in den Prüfbericht ergab, dass die Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung die beiden Vergaben - aus meiner Sicht - überhaupt nicht ordentlich geprüft hatte: Ein Rechtsgutachten fehlte gänzlich. Eine Dienststelle hat dem prüfenden Sachbearbeiter sogar die Akteneinsicht verweigert, so dass er die Unterlagen zur Vergabe der Alten Fasanerie Lübars überhaupt nicht prüfen konnte. Von seinen umfassenden dienstrechtlichen Möglichkeiten gemäß der Richtlinien für die Tätigkeit der Prüfgruppen machte der prüfende Sachbearbeiter anscheinend keinen Gebrauch. Die von mir bemängelten, gravierenden Verfahrensfehler (kein transparentes Verfahren, keine Dokumentation des Verfahrens, kein Wettbewerb, keine Klärung der vergaberechtlichen Bestimmungen im Vorfeld der Vergabe – im Übrigen klare Korruptionsindikatoren) 187 186 s.a. Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit: Jahresbericht 2012. http://www.datenschutz-berlin.de/content/veroeffentlichungen/jahresberichte, Zugriff 14.2.2015, S. 199-200 187 vgl. Anhang 1, Abb. 6 u. 7 Korruptionsindikatoren. 82 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin wurden bestätigt. In einer Stellungnahme druckst der mit der Prüfung betraute Sachbearbeiter um den heißen Brei herum: Das „Vergaberecht sei nicht zwingend anwendbar gewesen“. Eine klare Aussage ist das nicht. Ferner empfiehlt er, in Zukunft bei Vergaben anders zu verfahren mit „Bieterverfahren“, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Von disziplinarischen Maßnahmen gegen die Verantwortlichen für die gravierenden Verfahrensfehler steht im Prüfbericht kein Wort. Insgesamt machte der Prüfbericht auf mich den Eindruck, als sei die Prüfung vorzeitig einfach abgebrochen worden. Mit diesem Ergebnis unzufrieden beantragte ich bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Prüfung der Vergaben sowie die Untersuchung des Prüfverfahrens. Dies wurde abgelehnt mit der Begründung, es gebe keinen begründeten Anfangsverdacht für eine Straftat. Für die Art und Weise der Durchführung des Prüfverfahrens gibt es keine Vorgaben. Schlampig zu prüfen, ist nicht verboten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung lehnte eine Untersuchung des Prüfverfahrens ab – wegen fehlender Zuständigkeit. Daraufhin reichte ich eine Petition beim Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses ein, dass dieser die Petitionsausschuss Vergaben holte und sich das zunächst Prüfverfahren eine untersuchen Stellungnahme vom möge. Der Bezirksamt Reinickendorf ein und teilte mir dann mit, der Petitionsausschuss sieht keinen Bedarf zu weiteren Prüfungen, das Petitionsverfahren sei eingestellt worden. An der Art und Weise der Durchführung des Prüfverfahrens hat der Petitionsausschuss keinen Anstoß genommen. Nachdem ich beim Petitionsausschuss um die Beantwortung etlicher ungeklärter Fragen zu dem Verfahren gebeten hatte, sah man sich offenbar genötigt, das Petitionsverfahren wieder aufzunehmen. Inzwischen hat der Petitionsausschuss das Bezirksamt um eine weitere Stellungnahme gebeten, diese steht wohl bis heute aus, jedenfalls habe ich seitdem nichts mehr vom Petitionsausschuss gehört.188 Ich hatte eigentlich erwartet, ein Mitglied des Petitionsausschusses würde wenigstens einmal nach Reinickendorf fahren, und sich vor Ort die Akten ansehen, insbesondere die Akte der Alten Fasanerie Lübars. Immerhin haben Abgeordnete eigens dafür besondere Akteneinsichtsrechte. Dies ist aber nicht geschehen. Auch hat man sich wohl nicht die Mühe gemacht zu hinterfragen, wie Prüfverfahren der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung ordentlich abzulaufen haben. In der Zwischenzeit habe ich längst selbst Akteneinsicht gemäß 188 Nachtrag: Inzwischen wurde das Petitionsverfahren endgültig eingestellt. (Nachtrag am 16.4.2915) 83 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Informationsfreiheitsgesetz in die Akte der Alten Fasanerie Lübars beantragt. Natürlich wurde mir die Akteneinsicht verweigert – diesmal vom Bezirksbürgermeister persönlich. Dieser ist als ehemaliger Baustadtrat selbst für den Inhalt der betreffenden Akte verantwortlich.189 Der Grund für die Verweigerung der Akteneinsicht: Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Zurzeit versuche ich, mein Recht auf Akteneinsicht einzuklagen. Nun noch ein paar Worte zu den Hintergründen: Der erste Vorsitzende des GJB e.V. ist SPD-Mitglied mit offensichtlich guten Kontakten zum damaligen Jugendstadtrat. Dass diese Tatsache mit der Vergabe etwas zu tun hatte, wird natürlich von allen Beteiligten bestritten. Auch mit dem nachfolgenden Jugendstadtrat kooperiert der GJB e.V. bis heute harmonisch. Dieser Jugendstadtrat konnte auf Einladung des GJB e.V. sogar seine Wahlkampfauftaktveranstaltung im Kinderwald ausrichten. Dies ist, wie ich finde, ein gutes Beispiel dafür, wie landeseigene Ressourcen zu Ressourcen von Parteien werden. Gravierende Verstöße des GJB e.V. gegen Mietvertragsvereinbarungen wurden vom Jugendstadtrat großzügig verziehen. Als der GJB e.V. die Liegenschaft Kinderwald vertragswidrig wiederholt gewerblich zweckentfremdete und dort unter anderem über zwei Wochen gewerblich Mitarbeiter eines Wachschutz-Unternehmens beherbergte, hat der Jugendstadtrat dies nachträglich genehmigt. Die Remmi-Demmi gGmbH dagegen hat seitdem beim Bezirksamt einen schweren Stand. Als die Remmi-Demmi gGmbH im Jahr 2013 eine neue Kita eröffnete, versicherte das Jugendamt zunächst schriftlich, man würde einen Antrag auf Fördergelder aus dem Kitaausbauprogramm der Senatsverwaltung unterstützen. Zwischenzeitlich hat man sich dann wohl umentschieden. Da das Jugendamt Reinickendorf den Förderantrag der Remmi-Demmi gGmbH am Ende doch nicht unterstützt hat, hat die Remmi-Demmi gGmbH ihre neue Kita in Berlin-Waidmannslust ohne Fördermittel finanzieren müssen. Die Mietverträge des Bezirksamts Reinickendorf mit dem GJB e.V. hat übrigens nicht der Jugendstadtrat unterzeichnet sondern der Baustadtrat. Liegenschaftsangelegenheiten sind wohl gemäß bezirksamtlicher Arbeitsteilung Sache des Baustadtrats. Der ehemalige Baustadtrat ist heute Bezirksbürgermeister von Reinickendorf. Die Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung ist ihm direkt unterstellt. Der mit der Prüfung der Vergaben betraute Sachbearbeiter (und Mitglied der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung) ist ein Parteigenosse des Bezirksbürgermeisters und für die CDU im Landkreis Oberhavel aktiv. Er war außerdem ein leitender Mitarbeiter der Abteilung Bauen beim Bezirksamt, 189 Korrektur: Verantwortlich war der nachfolgende Baustadtrat. (Nachtrag am 16.4.2015) 84 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin und kannte wahrscheinlich den Bezirksbürgermeister noch aus seiner Zeit als Baustadtrat. Interessanterweise hat im Jahr 2014 die Staatsanwaltschaft von Berlin gegen den besagten Sachbearbeiter aus der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung in einer anderen Sache wegen „missbräuchlichem Umgang mit dienstlichen Unterlagen“ ermittelt.190 Im aktuellen Organigramm des Bezirksamt und auf der Bezirksamts-Webseite ist er nicht mehr zu finden. Gemäß Organigramm des Bezirksamts Reinickendorf aus dem Jahr 2010 war er damals noch der Leiter der Submissionsstelle im Bauamt. 191 Möglicherweise war er in dieser Funktion ja sogar an der Vergabe der Alten Fasanerie beteiligt – die er dann später selbst geprüft hat. Dass ein Mitglied der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung mit der Prüfung eines Vorgangs betraut wird, für den sein Vorgesetzter verantwortlich war, und dass der Prüfbericht am Ende genau diesem Vorgesetzten zur Kenntnisnahme vorgelegt wird, ist rechtlich ohne weiteres möglich, wie man mir bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlins erklärte. Gemäß Richtlinie ist die Prüfgruppe ja formal völlig unabhängig. Genauso ist es offenbar rechtlich möglich, dass ein Verantwortlicher für einen Vorgang persönlich die Akteneinsicht in die Unterlagen zu diesem Vorgang verweigern kann, so wie der Bezirksbürgermeister mir persönlich die Akteneinsicht in den von ihm unterzeichneten Mietvertrag mit dem GJB e.V. verweigert.192 Dieses Fallbeispiel zeigt ganz klar erhebliche Mängel in der Regelung der Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken auf: Wenn die Bezirke sich selbst prüfen, dann macht man gegebenenfalls den Bock zum Gärtner. Der Fall, dass Mitglieder einer Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung Prozesse prüfen, an denen sie selbst beteiligt waren, und dass Mitglieder der Prüfgruppe theoretisch selbst korrupt sein könnten, ist in der Richtlinie für die Prüfgruppen nicht vorgesehen. Es gibt niemanden, der die Kontrolleure kontrolliert. Und es gibt erschreckenderweise auch niemanden, der das möchte, noch nicht einmal der Petitionsausschuss. Der Bürger, der einen aus seiner Sicht fragwürdigen Vorgang geprüft haben möchte, muss darauf gefasst sein, dass er einen möglicherweise Jahre dauernden, kafkaesken Marsch durch die Institutionen vor sich hat, der ihn eine Stange Geld kostet und am Ende vielleicht gar nichts gebracht hat. 190 http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1256509, Zugriff 9.2.2015 191http://www.berlin.de/imperia/md/content/bareinickendorf/organigramm/organigramm_wirtschaft_ und_bauen_20.12.10.pdf? start&ts=1396879164&file=organigramm_wirtschaft_und_bauen_20.12.10.pdf, Zugriff 14.2.2015 192 Korrektur: Den Mietvertrag hat der nachfolgende Baustadtrat unterzeichnet. (Nachtrag am 16.4.2015) 85 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 7. Zusammenfassung und Diskussion 7.1. Zusammenfassung Die Ergebnisse meiner Arbeit möchte ich wie folgt zusammenfassen: • Die Korruptionsbekämpfung in allen Berliner Bezirken hat in den vergangenen fünf Jahren keine Korruptionsfälle aufdecken können (ausgenommen ein Bezirk). • Die einzigen Ermittlungserfolge bei der Korruptionsbekämpfung auf bezirklicher Ebene überhaupt waren das Ergebnis von externen und internen Hinweisen. • Sehr schwer zu bewerten ist die Leistung der Korruptionsprävention. Für die Messung der Effizienz fehlen die Daten. Dass Korruptionsprävention einen messbaren Effekt haben kann, zeigt das Beispiel aus dem Bezirk Spandau, in dem sich nach Einführung von korruptionspräventiven Maßnahmen deutliche finanzielle Einsparungen ergaben.193 • Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse lässt sich dennoch feststellen, dass in den Berliner Bezirken präventiv zu wenig gegen Korruption unternommen wird. Es gibt nicht einmal ein angemessenes Fortbildungsangebot für Korruptionsbekämpfung. Ferner gibt es keine nichtanlassbezogenen Prüfungen in den meisten Bezirken. • Obwohl die Defizite in der bezirklichen Korruptionsbekämpfung schon seit 1998, spätestens aber seit dem Bericht von Transparency International von 2008 bekannt sind, sind seitdem keine Fortschritte gemacht worden. • Sogar selbst gesetzte Standards bei der Korruptionsbekämpfung werden bis heute nicht erfüllt. Die Berliner Antikorruptionsrichtlinie wird in wesentlichen Teilen von den meisten Bezirken nicht eingehalten. • Zentrale Elemente der Korruptionsbekämpfung in den Bezirken, wie Prüfgruppen, Korruptionsbeauftragte und Ombudspersonen, erfüllen nicht ihren Zweck, einzelne Maßnahmen sind möglicherweise dysfunktional. • Dass die Situation so ist, wie beschrieben, ist kein Versehen. Eine wirksame Korruptionsbekämpfung ist von einflussreichen Entscheidungsträgern in einigen Bezirken und auf Landesebene offensichtlich politisch nicht gewollt. • Nutznießer von fehlender Transparenz und mangelhafter Kontrolle sind die regierenden Parteien in den Bezirken, welche administrative Ressourcen vielfach für parteiliche Zwecke nutzen (z.B. Klientelpolitik, Ämterpatronage). 193 Die Welt, 24.5.2005. http://www.welt.de/print-welt/article672157/Offensive-gegen-Korruptionbei-Beamten-zahlt-sich-aus.html, Zugriff 16.2.2015 86 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 7.2. Diskussion Viele in dieser Arbeit gewonnenen Daten und Informationen unterliegen dem Vorbehalt der Nachprüfung. Ich war in meiner Arbeit angewiesen auf das Fachwissen der befragten Sachverständigen sowie auf Quellen im Internet, bei denen ich die Zuverlässigkeit nicht in jedem Fall gewährleisten kann. Beispielsweise kann ich nicht beurteilen, wie vollständig die BVV-Online-Archive sind, und wie zuverlässig die Textrecherche der BVVSuchmaschinen ist. Fehler im Detail kann ich daher trotzt größter Bemühungen nicht ausschließen. Am Gesamtbild dieser Arbeit und an ihrer Kernaussage können einzelne Fehler meines Erachtens kaum etwas ändern. Daher glaube ich, auf der Grundlage meiner Untersuchung folgende Schlüsse ziehen zu können: • Die Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken ist bis auf wenige Ausnahmen nicht wirksam. Wenn in fünf Jahren nicht ein einziger Korruptionsfall in allen Berliner Bezirken aufgedeckt wird (ausgenommen ein Bezirk), dann genügt es nicht, zu sagen, die Korruptionsbekämpfung hat einzelne Schwächen in der Umsetzung. Die Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken gehört als Ganzes auf den Prüfstand. • Die Ergebnisse dieser Untersuchung decken sich mit Erkenntnissen der Korruptionsforschung, beispielsweise auch mit der Studie PricewaterhouseCoopers und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „Insgesamt scheinen Landesbehörden am in puncto besten Korruptionsprävention gerüstet zu sein, Bundes- während bei und den Kommunalverwaltungen insgesamt noch ein deutlicher Nachholbedarf besteht.“194 Nach dieser Studie sind Ermittlungserfolge in Korruptionsfällen überwiegend vom Zufall abhängig. In mehr als zwei Dritteln aller Fälle waren externe oder interne Hinweisgeber die Auslöser für Ermittlungen (Hinweisgebersysteme spielten dabei nur eine geringe Rolle). Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung wirken also auch anderswo nur sehr begrenzt.195 • Die Korruptionsbekämpfung auf Landesebene war zwar nicht Gegenstand dieser Untersuchung, auch scheint sie hier einen Hauch besser zu funktionieren. Nichtsdestotrotz erscheint mir eine umfassende Qualitätskontrolle dringend angebracht. In den Jahren 2011-2013 lag die Zahl der 194 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (HG): Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010. Auf der Spur von Korruption & Co. Halle-Wittenberg 2010. S. 43 195 Vgl. ebenda S. 36-39 87 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Korruptionsermittlungsverfahren immer bei ungefähr 120.196 In den Jahren vor 2010, unter dem früheren Generalstaatsanwalt Fätkinhauer, waren es laut Tagesspiegel noch jährlich zwischen 300 und 400. 197 (Möglicherweise wurde vor 2010 anders gezählt, die Zahlen sind daher vielleicht nicht direkt vergleichbar). Die Tätigkeitsberichte der Generalstaatsanwaltschaft sind nicht detailliert genug. • Da dieser Zustand der mangelhaften Korruptionsbekämpfung seit Jahrzehnten herrscht, steht für mich fest: Die Selbstreinigungskräfte in den bezirklichen Verwaltungen sowie in den Parteien haben versagt. Von ihnen ist auch zukünftig nicht zu erwarten, dass sie diesen Zustand selbständig ändern werden. Die Zivilgesellschaft ist gefragt. Jeder einzelne Bürger ist dazu aufgerufen, von seinem Akteneinsichtsrecht nach dem Informationsfreiheitsgesetz Gebrauch zu machen und Verwaltungsentscheidungen Nichtregierungsorganisationen und zu Medien überprüfen. müssen dauerhaft Bürger, massiven öffentlichen Druck erzeugen, um eine Verbesserung der Situation zu bewirken. Wähler sollten Parteien meiden, die sich nicht aktiv für Korruptionsbekämpfung und Transparenz einsetzen. Für die Verbesserung der Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken halte ich folgende Maßnahmen für unbedingt erforderlich. Einige dieser Maßnahmen waren nur am Rande Gegenstand dieser Untersuchung. Zum Teil sind sie auch nur auf Landes- oder Bundesebene umsetzbar. Nichtsdestotrotz möchte ich sie hier nicht unerwähnt lassen: • Das Informationsfreiheitsgesetz muss bürgerfreundlicher werden. Insbesondere darf es nicht sein, dass Behördenvertreter Akteneinsicht verweigern können in Fällen, die sie selbst betreffen. Als Maßnahme schlage ich vor, dem Landesbeauftragten für das Informationsfreiheitsgesetz gegenüber den Bezirksund Senatsverwaltungen das Weisungsrecht zu erteilen, wie es in einigen anderen Ländern auch üblich ist. • Staatsanwälte und Richter müssen von der Politik unabhängig sein. „Als ein Problem bei der Bekämpfung großer politischer Korruptionsfälle stellt sich die Abhängigkeit der strafverfolgenden Staatsanwaltschaften von den Regierungen bzw. von politischen Parteien dar, deren Mitglieder Regierungsämter innehaben. Strafverfolgung ist Ländersache. Über den politischen Beamten des Generalstaatsanwaltes verfügen die Landesjustizministerien letztlich hoch bis zum 196 Vgl. Generalstaatsanwaltschaft Berlin: Tätigkeitsberichte der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung der Jahre 2011 und 2013. 197 Der Tagesspiegel, 5.2.2009. http://www.tagesspiegel.de/berlin/bestechung-jaehrlich-bis-zu-400korruptionsverfahren-in-berlin/1437444.html, Zugriff 16.2.2015 88 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Justizminister und dem Ministerpräsidenten eines Bundeslandes über eine Weisungsbefugnis über alle Staatsanwaltschaften in dem jeweiligen Bundesland. .... Wie oben angegeben sind die Staatsanwälte den Weisungen bis zur 'politischen Etage' unterstellt. Wie kann dann gegen möglicherweise involvierte Politiker ermittelt werden, wenn selbige bzw. Parteifreunde etc. Ermittlungen bebzw. verhindern können? .… Über die interne Berichtspflicht an die Ministerien müssen die Staatsanwälte Ermittlungsergebnisse an ihre Vorgesetzten weitergeben. Das können jedoch gerade die sein, deren Parteikollegen oder auch deren Gegner in der Opposition in Fälle verwickelt sind. Aus solchen Berichten resultieren dann ggf. wieder weitere 'Empfehlungen' und Weisungen. …. Der Mailänder Staatsanwalt Gherado Colombo (1995) bestätigt diese Aussagen und zeigt auch auf, dass eine noch selbstständigere italienische Richterschaft, die z. B. im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft in Deutschland über die Einstellung von Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat, und eine kritischer werdende Öffentlichkeit Schlüsselelemente für eine erfolgreiche Korruptionsbekämpfung darstellen.“198 • Verwaltung muss transparent sein. Berlin braucht ein Transparenzgesetz wie Hamburg. „Transparenz ist der Todfeind der Korruption. Der ungehinderte Zugang zu Verwaltungsinformationen Verwaltungsentscheidungen etwa und im die Offenlegung Vergabeverfahren von werden einen entscheidenden Beitrag zur Korruptionsprävention darstellen.“199 • Verwaltungsentscheidungen müssen nachvollziehbar und plausibel sein. Dazu bedarf es der Dokumentation und schriftlich festgehaltener fachlicher Begründungen, die für jedermann einsehbar und nachvollziehbar sind. Korruption ist unter anderem deswegen meistens nicht nachweisbar, weil die Akten unvollständig oder nicht existent sind. Als Maßnahme schlage ich vor, quasi die Beweispflicht umzukehren: Wo nicht über eine ordentliche Dokumentation in den Akten bewiesen werden kann, dass eine Verwaltungsentscheidung sauber zustande gekommen ist, ist von Korruption auszugehen. Schlampige Aktenführung und fehlende fachliche Begründungen sind unter Strafe zu stellen. Vorteilsannahme ist schließlich auch schon strafbar, ohne dass Vorteilsgewährung 198 Darge, Ekkehard: Korruption in der Bundesrepublik Deutschland. BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg 2009. S. 142-144 199 Schaupensteiner, Wolfgang: Korruption in Deutschland – Lagebild, Maßnahmen und Gefahren. In: Schilling, Akatashi; Dolata, Uwe (HG): Korruption im Wirtschaftssystem Deutschland – Jeder Mensch hat seinen Preis. 2. Auflage, Mankau Verlag, Murnau am Staffelsee, 2004. S. 132 89 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin nachgewiesen werden muss. • Alle Parteispenden müssen veröffentlicht werden. • Alle Nebeneinkünfte von Amts- und Mandatsträgern müssen veröffentlicht werden. Die skandinavischen Länder haben nicht zuletzt deswegen weltweit die geringsten Probleme mit Korruption, weil sie vergleichsweise gläserne Verwaltungen und gläserne Abgeordnete haben. Diesen Wege gehen auch andere Länder: „Hongkong ist in seiner erfolgreichen Kampagne der Korruptionskontrolle so weit gegangen, eine Beweispflichtumkehr öffentlichen Dienstes hat seine einzuführen. Ein Angehöriger des Vermögensverhältnisse offenzulegen und nachzuweisen, dass sein Vermögen aus legalen Quellen stammt.“ • 200 Hinweise interner oder externer Hinweisgeber sind die mit Abstand häufigsten Auslöser von Ermittlungen. Die einzigen Ermittlungserfolge bei der Korruptionsbekämpfung auf bezirklicher Ebene überhaupt waren das Ergebnis von externen und internen Hinweisen in einem Bezirk. Andere Kontrollmechanismen scheinen nicht zu greifen. Neben dem darum erforderlichen Ausbau dieser anderen Kontrollmechanismen sollte alles dafür unternommen werden, das Geben von Hinweisen zu erleichtern und zu fördern. • Es wäre außerdem zu prüfen, ob es in den anderen Bezirken auch Hinweise gegeben hat, denen man nur nicht konsequent genug gefolgt ist. Es spricht viel dafür, dass die Prüfgruppen in den Bezirken ihrer Aufgabe nicht nachkommen oder ihr nicht gewachsen sind. Die Arbeit der Prüfgruppen muss extern überwacht werden oder gleich ausgelagert werden. • Der Schutz von Whistleblowern muss ausgebaut werden. Korruption ist ein Verbrechen, Hinweisgeber sind darum keine Nestbeschmutzer. Die aktive Hilfe von Hinweisgebern bei der Korruptions-Verbrechensbekämpfung sollte belohnt werden. Für sachdienliche Hinweise sollten Belohnungen ausgesetzt werden. Ein elektronisches Hinweisgebersystem ist unverzichtbar. Die Position der Ombudspersonen muss gegenüber der Verwaltung gestärkt werden, die völlige Eigenständigkeit und Unabhängigkeit ist erforderlich. • Eine Kronzeugenregelung muss eingeführt werden. Grundvoraussetzung für Korruption ist Vertrauen zwischen Korrupten. Beide schweigen, weil sie sich sonst auch selbst belasten würden. Mit einer Kronzeugenregelung ist diese Vertrauensbasis erheblich gestört, da derjenige ungeschoren davonkommt, der 200 Cremer, Georg: Korruption begrenzen. Praxisfeld Entwicklungspolitik. Lambertus Verlag, Freiburg im Breisgau 2000. S. 160 90 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin zuerst auspackt. Das erhöht das Risiko für Korruption. Ferner sollte es Strafmilderung bei Selbstanzeige geben. „Erneut tritt das Prinzip von Kosten und Nutzen in Kraft. Wählt man einzig eine hohe Strafe, die als Abschreckung dienen soll, ist es besser in einer bestehenden korrupten Beziehung verharren und dafür zu sorgen, dass man nicht entdeckt wird, als durch eine Selbstanzeige mit Sicherheit diese Strafe hinnehmen zu müssen. Eine hohe Strafe für korruptes Verhalten kann also eine stabilisierende Wirkung auf korrupte Netzwerke haben, wenn diese nicht mit einer ausreichenden Strafmilderung bei Selbstanzeige gekoppelt ist.“201 • Bezirksverordnetenversammlungen sollten einen Ehrenkodex haben. Politiker sollten sich durch Unterzeichnen des Kodexes verpflichten, bei Verletzung des Kodex von öffentlichen Ämtern zurückzutreten. Der Ehrenkodex sollte auch legale korrupte Handlungen sanktionieren.202 • Amts- und Mandatsträger sollten in Bezug auf Korruptionsdelikte rechtlich gleichgestellt sein. • Bezirksverordnete sollten ihren Auftrag, die Verwaltung zu kontrollieren, aktiver verfolgen. Es sollte ständige, offene Arbeitsgruppen zum Thema Korruptionsbekämpfung geben. Ferner sollten Bezirksverordnete sich zum Thema fortbilden. • Die Korruptionsbekämpfung braucht ein Qualitätsmanagement, um eine kontinuierliche Verbesserung und Anpassung an sich ändernde Bedingungen zu gewährleisten. • Die Berliner Antikorruptionsrichtlinie muss überarbeitet werden. Am Rande sei hier erwähnt, dass die Berliner Antikorruptionsrichtlinie und die Richtlinie für Prüfgruppen zur Korruptionsbekämpfung seit 1998 wiederholt aktualisiert worden sind mit nur geringfügigen Änderungen.203 Die Richtlinien sind nicht mehr auf dem neuesten Stand. Wenn die Zahl der aufgedeckten Korruptionsfälle auf niedrigem 201 Beck, Lotte; Nagel, Volker: Korruption aus ökonomischer Perspektive. In: Graeff, Peter; Grieger, Jürgen (HG): Was ist Korruption? Nomos Verlagsgesellschaft. Baden-Baden 2012. S. 38 202 Vgl. Transparency International e.V. (HG): Handreichung für ein kommunales Integritätssystem. Das 4-Säulen-Modell. Berlin: Transparency International e.V. 2006. http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Verwaltung/Handreichung_Kommune/4Saeulen-Modell__August_2006__1_.pdf, Zugriff, 19.2.2015. S. 5 203 Bundesministerium des Inneren: Fünfter Bericht zur Umsetzung des „Präventions- und Bekämpfungskonzeptes Korruption“ der IMK. Berlin 2010. S. 15. http://www.antikorruption.brandenburg.de/media_fast/4055/5.%20Umsetzungsbericht %20%28Stand%202010%29.pdf, Zugriff 11.2.2015, s.a. 3. und 4. Bericht. 91 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin Niveau (rund 120 Fälle im Durchschnitt bei 100.000 Mitarbeitern der Verwaltung) stagniert oder sogar abnimmt, ist zu befürchten, dass dies eher ein Warnsignal als eine gute Nachricht ist. • Prüfverfahren der Prüfgruppen Korruptionsbekämpfung müssen einheitliche Qualitätsstandards haben. • Die bezirkliche Korruptionsbekämpfung darf nicht den Bezirken allein überlassen werden. Eine externe Behörde sollte die anlassbezogenen Prüfungen durchführen. Vielleicht wäre der Landesrechnungshof dafür geeignet. • Die Maßnahme der Personalrotation auf korruptionsanfälligen Posten sollte umgesetzt werden. • Die Dienst- und Fachaufsicht der Amtsleitungen muss konsequent wahrgenommen werden. „Das Nichteinschreiten gegen strafbares Verhalten oder eine Bagatellisierung der Vorfälle durch ungewöhnliche Milde kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Behördenleitung die Gesetzesverletzungen in Wirklichkeit billigt.“204 Die Vernachlässigung der Dienstaufsicht muss disziplinarische Konsequenzen haben. • Amtsleitungen müssen ein Vorbild sein und mit gutem Beispiel vorangehen. „Straftaten werden … nicht nur aufgrund eines hohen Entdeckungsrisikos unterlassen, sondern vor allem, weil bestimmte Handlungen aus moralischen Gründen überhaupt nicht in Frage kommen. … Die meisten Menschen begehen Delikte einfach deshalb nicht, weil sie sie nicht anständig finden.“ 205 Das Wertesystem muss darum klar definiert sein und von Vorgesetzten vorgelebt werden. • In sogenannten „Wahlprüfsteinen“ für die Brandenburger Landtagswahl forderte Transparency International 2009 die Einführung eines Antikorruptionsgesetzes für die kommunale Ebene. „Zur Schaffung eines einheitlichen Standards von Antikorruptionsmaßnahmen in Kommunen fordert Transparency Deutschland die Verabschiedung eines Antikorruptionsgesetzes für die kommunale Ebene bzw. die Ergänzung der Kommunalverfassung. Die bestehende Antikorruptionsrichtlinie hält Transparency für nicht ausreichend. Die besondere Nähe der Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene birgt die Gefahr von Filz und Strukturen von 'Geben und Nehmen'. Daher werden hier auch die meisten Korruptionsfälle festgestellt und 204 PricewaterhouseCoopers AG, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (HG): Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010. Auf der Spur von Korruption & Co. Halle-Wittenberg 2010. S. 31 205 Ebenda 92 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin verfolgt.“206 Die Ergebnisse dieser Untersuchung bestätigen die von Transparency International bemängelten Defizite. Ein kommunales Antikorruptionsgesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. • Im Rahmen meiner Untersuchung habe ich mich auch mit Parteienfilz auseinandergesetzt. Ich möchte nicht unterschlagen, dass es in allen Parteien Parteimitglieder und -politiker gibt, die Korruption verurteilen. Diese Aufrechten in den Parteien können sich ja mal zusammensetzen und darüber nachdenken, wie sie ihre Parteien entfilzen können. In meiner Untersuchung konnte ich keine signifikanten Unterschiede zwischen Ostberliner und Westberliner Bezirken ausmachen. Defizite in der Korruptionsbekämpfung gibt es in allen Bezirken. Auffällig ist allerdings, dass ausgerechnet drei Westberliner Bezirke, Reinickendorf, Neukölln und Steglitz-Zehlendorf die Teilnahme an meiner Untersuchung verweigert haben. Diese Bezirke haben schon 2008 in der Untersuchung von Transparency International nicht gut abgeschnitten. Hier will man anscheinend von Korruptionsbekämpfung nichts wissen. Man fragt sich, cui bono? Für die Soziale Arbeit ergibt sich aus dieser Arbeit Folgendes: Die freien Träger der sozialen Arbeit, die gemeinnützigen und gewerblichen Dienstleister des Sozialwesens unterliegen in ihrer Arbeit praktisch keiner Korruptionskontrolle. Die potentiellen Kontrollorgane, die öffentlichen Auftraggeber auf kommunaler und Landesebene unterliegen ebenfalls kaum einer Korruptionskontrolle, obwohl es sich beim Sozialwesen um einen milliardenschweren Markt handelt. Es ist darum zu befürchten, dass das Korruptionspotential im Sozialwesen ebenso hoch ist, wie im Gesundheitswesen, in der Pflege oder dem Bauwesen. Hier ist also in höchstem Maße Forschungs- und Regelungsbedarf gegeben. Abschließend möchte ich noch einmal die eingangs zitierte Behauptung von Justizsenator Heilmann, „Wir sind gut, wollen aber noch besser werden“, aufgreifen. Die Behauptung „Wir sind gut“ entspricht nicht den Tatsachen. 206 http://www.transparency.de/2009-09-23-Brandenburg-Landtag.1497.0.html, Zugriff 17.2.2015 93 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 8. Literaturverzeichnis • Alemann, Ulrich von (HG): Dimensionen politischer Korruption. Beiträge zum Stand der internationalen Forschung. 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(HG): Scheinwerfer Ausgabe 49 – Kommunen und Vergabe, Berlin: Transparency International e.V., 2010. http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Rundbriefe/Scheinwerfer_49_IV_2010_Kommun en_Vergabe.pdf, Zugriff, 19.2.2015. • Sueddeutsche Zeitung • Der Spiegel/Spiegel Online • Der Tagesspiegel • Die taz • Die Welt 99 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin 9. Erklärung über das selbständige Verfassen der Arbeit Hiermit versichere ich gemäß § 17 Absatz 7 der ‚Prüfungsordnung für den postgradualen und weiterbildenden Fernstudiengang Sozialmanagement der Alice Salomon Hochschule Berlin’, dass ich diese Masterarbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und alle wörtlich oder sinngemäß übernommenen Textstellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Masterarbeit hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen. Berlin, den ___________________ ______________________ (Unterschrift) 100 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 1 Abbildung 1: Funktion der Nehmer bei Korruptionsdelikten Quelle:Bundeskriminalamt:Korruption Bundeslagebild 2013,BKA,Wiesbaden 2014. S.11 Abbildung 2: Empfohlene Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung. Quelle:Friedrich-Ebert-Stiftung (HG): Korruption in Deutschland. Ursachen, Erscheinungsformen, Bekämpfungsstrategien, Dokumentation. Eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 16. und 17. Februar 1995 in Berlin. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung,1995. S. 14-15 Anhang 1 - S. 1 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 1 Abbildung 3: Verbreitung von Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung in Behörden Quelle: PricewaterhouseCoopers AG, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (HG): Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010. Auf der Spur von Korruption & Co. Halle-Wittenberg 2010. S.42 Anhang 1 - S. 2 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 1 Abbildung 4: Branchenzugehörigkeit der Nehmer bei Korruptionsdelikten Quelle: Bundeskriminalamt: Korruption Bundeslagebild 2013, Bundeskriminalamt,Wiesbaden 2014. S.11 Abbildung 5: Anteil der intransparenten Parteispenden 2011 nach Parteien Quelle: Lobbycontrol. https://www.lobbycontrol.de/2013/03/rechenschaftsberichte-belegenintransparente-parteienfinanzierung/ Anhang 1 - S. 3 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 1 Anhang 1 - S. 4 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 1 Abb. 6 u. 7: Korruptionsindikatoren und Prüfansätze Quelle: Bekemann, Uwe: Kommunale Korruptionsbekämpfung. Stuttgart: Kohlhammer Verlag, 2007. S.96-99 Anhang 1 - S. 5 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 2 Tempelhof-Schöneberg Treptow-Köpenick - - - - - - - x 2. 2.7. Korruptions-Gefährdungsatlas x x x x x x x x x 3. 2.12. Antikorruptionsbeauftragter/Ansprechpartner x x x x x x x x x 4. 2.16. Schulungen/Fortbildungen zu Korruption x x - x1 x1 - x1 x1 x1 5. 2.17. Personalrotation auf korruptionsanfälligen Stellen - - - - - - - - - 6. 2.8. Compliance-Richtlinien, Ehrenkodex, Leitbild für Verwaltung - - x - - x - - - 7. 2.13. Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung -1 -1 x x - x x -2 x2 8. 2.2. Richtlinie zur Annahme von Geschenken - x x2 x2 x2 x x x - 9. 2.3. Sponsoring-Richtlinie x x x3 x - x x2 x x 10. 2.4. Zuwendungs-Register x x - x x - ? - x 11. 2.5. Sponsoring-Bericht x x - x - x - x x Steglitz-Zehlendorf Mitte - Spandau Marzahn-Hellersdorf Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung Zeichen: x = Ja, - = Nein. Reinickendorf Lichtenberg 2.1. Antikorruptions-Maßnahme Pankow Friedrichshain-Kreuzberg 1. FrageNr. Neukölln Charlottenburg-Wilmersdorf Tabelle Antikorruptions-Maßnahmen in den Berliner Bezirken Anhang 2 – S. 1 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 2 12. 2.6. Korruptions-Register - - x4 - - - - - - 13. 2.9. Ombudsperson/Vertrauensanwalt - - - - -3 - x x - 14. 2.10. Eigenes Konzept zur Korruptionsbekämpfung - - x x - - x - x 15. 2.11. Zentrale Vergabestelle x - x - x - x -3 x 16. 2.15. Elektronisches Hinweisgebersystem x2 - - - - - - - - 17. 2.18. Erfassung von Nebeneinkünften - x2 - - - - ? x4 - 18. 2.19. Beratung durch externe Experten - - - - x4 - x3 - x3 19. 2.20. Qualitätsmanagement in der Korruptionsbekämpfung - - - - - - - - - 20. 4.3. Überbezirkliche Kooperation bei Korruptionsbekämpfung - - x5 x3 - x2 - - x4 21. 4.4. Vertragsstrafen bei Korruption - - - - - - x - x5 22. 4.2. Antikorruptions-Arbeitsgruppe der BVV - - - - - - - - - 23. 4.1. Ehrenkodex für BVV_Mitglieder - - - - - -3 ? - x6 24. 3.9. Bezirksverordnete in der Prüfgruppe - - - - - - - - - 25. 4.7. Veröffentlichung von Parteispenden - - - - - - - - -7 26. 2.14. Jahresberichte der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung - x3 x6 - -5 x4 - - -8 27. 3.4. Nichtanlassbezogene Kontrollen/Stichproben durch Prüfgruppe - - x7 x4 - x5 - - x 28. 3.4. Stichproben-Prüfungen von Freihand-Vergaben - - x x - ? - - ? 29. 3.5. Zentrale Koordination der Abteilungen der Innenrevision - - - - - - - - - Anhang 2 – S. 2 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 2 30. 3.8. Standardisierte Prüfverfahren bei Korruptionsverdachtsfällen - - x8 - - - - - - 31. 3.3. Sitzungen der Prüfgruppe/AG Korruptionsbekämpfung im Jahr 4 2 Tä gl lau fen d - 06 ?4 12 - 32. 3.1. Mitglieder in der Prüfgruppe/AG Korruptionsbekämpfung 7 6 3 2 - 9 ca. 10 78 39 Charlottenburg-Wilmersdorf: 1 : Es gibt einen Arbeitskreis Antikorruption. 2 : www.baurev.de, zurzeit defekt. Friedrichshain-Kreuzberg: 1 : Es gibt eine Arbeitsgruppe Korruptionsprävention. Prüfungen erfolgen ausschließlich durch die Innenrevision. 2 : Nebeneinkünfte werden beim Personalservice erfasst. 3 : Die jährlichen Berichte der Innenrevision und die Sitzungsprotokolle der AG Korruptionsprävention werden dem Bezirksamt zur Kenntnis gegeben. Lichtenberg: 1 : Es gelten die Richtlinien der Hauptverwaltung des Landes Berlin. 2 : Es gelten die Ausführungsvorschriften über die Annahme von Belohnungen und Geschenken des Landes Berlin. 3 : Es gilt die Sponsoring-Richtlinie der Senatsverwaltung für Inneres des Landes Berlin. 4 : Bei bezirklichen Vergaben ist die Abfrage des Korruptionsregisters des Landes Berlin verpflichtend. 5 : Gelegentliche Revisorentreffen und Treffen bei der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. 6 : Veröffentlichung im Jahresbericht des Bezirksamts. 7 : Ca. 88 nichtanlassbezogene Stichproben jährlich. 8 : Richtlinien der Hauptverwaltung. Marzahn-Hellersdorf 1 : Die Verwaltungsakademie Berlin führt entsprechende Schulungen durch. Anhang 2 – S. 3 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 2 2 : Es gelten die Ausführungsvorschriften über die Annahme von Belohnungen und Geschenken des Landes Berlin. 3 : Gelegentliche Revisorentreffen, unregelmäßig. 4 : Einmal, danach laufend aktualisierend. Mitte: 1 : Unregelmäßige Schulungen durch Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft. 2 : Es gelten die Ausführungsvorschriften über die Annahme von Belohnungen und Geschenken des Landes Berlin. 3 : Das Bezirksamt Mitte verweist auf seiner Webseite auf den Vertrauensanwalt des Landes Berlin. 4 : Externe Beratung erfolgt durch die Generalstaatsanwaltschaft. 5 : Wegen Mangel an berichtenswerten Erkenntnissen gibt es keine Berichte mehr. Pankow: 1 : Vergaben werden durch mehrere Personen geprüft. 2 : Teilnahme am Jahrestreffen der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung. 3 : Mit Beschluss 30/2001/IV der BVV wurde ein Verhaltenskodex für Mitarbeiter des Bezirksamts beschlossen. Dieser soll auch für Bezirksverordnete gelten (http://www.berlin.de/ba-pankow/bvv-online/vo020.asp?VOLFDNR=918#allrisAN). 4 : Veröffentlichung im Intranet des Bezirksamts. 5 : Einmal im Jahr. 6 : Prüfgruppe tagt nur anlassbezogen, im vergangenen Jahr kein mal. Spandau: 1 : Schulungen werden u.a. durch die Ombudsperson durchgeführt. 2 : Es gilt die Sponsoring-Richtlinie der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin. 3 : Externe Beratung gibt es durch die Ombudsperson. 4 : Prüfgruppe tagt nur anlassbezogen. Tempelhof-Schöneberg: 1 : Schulungen durch die Ombudsperson sind in Vorbereitung. 2 : Es gibt eine Arbeitsgruppe Antikorruption. Diese führt keine Prüfungen durch. Anhang 2 – S. 4 Jiri Kandeler – Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin – Anhang 2 3 : Nur für die Abt. Bauwesen gibt es eine übergeordnete Vergabestelle. 4 : Jede Nebentätigkeit muss der Personalstelle gemeldet werden, sie werden auch dem Sachbearbeiter Antikorruption zur Kenntnisnahme mitgeteilt. Treptow-Köpenick: 1 : Die Verwaltungsakademie Berlin führt entsprechende Schulungen durch. 2 : Die Aufgaben der Korruptionsprävention und -bekämpfung werden von der ständigen Organisationseinheit Zentrale Revision zur Korruptionsbekämpfung (ZRK) wahrgenommen. 3 : Beratung erfolgt durch die Zentralstelle Korruptionsbekämpfung bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin und durch die Innenrevision der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. 4 : Unregelmäßige Revisorentreffen der Berliner Behörden, Information durch Antikorruptions-Arbeitsgruppe der Berliner Verwaltung, jährliche Treffen der Antikorruptionsbeauftragten der Berliner Behörden bei der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung. 5 : Die im Land Berlin anzuwendenden Vertragsmuster (Abau III 12.B) enthalten eine Korruptionsklausel, nach der der Auftragnehmer zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5% der Abrechnungssumme verpflichtet wird. 6 : BVV-Beschluss Nr. 908/42/10 „Transparenz der Bezirksverordneten“. Freiwillige Veröffentlichung von Nebentätigkeiten im Internet. http://www.berlin.de/ba-treptow- koepenick/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/___tmp/tmp/45081036392634518/392634518/00071468/68-Anlagen/03/B1484SB.pdf, Zugriff 22.2.15 7 : Auch Parteien auf Bezirksebene müssen nach dem Parteiengesetz dem Bundestagspräsidenten Bericht erstatten. Erhalten sie im Bezirk Spenden in einer Höhe über Schwellenwert, sind diese zu melden und werden in einer Drucksache des Bundestagspräsidenten veröffentlicht. 8 : Es gibt keine Jahresberichte aber Einzelberichte zu den einzelnen Prüfaufträgen. 9 : 2,5 Stellen. Anhang 2 – S. 5 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Jiri Kandeler E-Mail: [email protected] Fragebogen zum Forschungsprojekt „Korruptionsbekämpfung auf kommunaler Ebene in Berlin“, Masterarbeit an der Paritätischen Akademie Berlin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und der AliceSalomon-Hochschule bei Prof. Dr. David Kramer (Email: [email protected]). Erläuterungen zum Fragebogen: Sehr geehrte Dame / Sehr geehrter Herr, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, diesen Fragebogen auszufüllen. Der Sinn dieses Fragebogens ist, eine aktuelle Bestandsaufnahme der Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in den Berliner Bezirken zu machen. Diese Bestandsaufnahme soll Rückschlüsse ermöglichen über die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sowie ggf. über Möglichkeiten der Optimierung. Die Mitarbeit an dieser Arbeit kann Ihnen also vielleicht auch helfen, die Korruptionsbekämpfung in Ihrem Bezirk effizienter zu machen. Auf Wunsch können Sie ein Exemplar dieser Arbeit erhalten. Vertrauliche oder personenbezogene Informationen werden nicht erfragt. Alle Fragen beziehen sich auf Daten und Informationen, die nicht der Geheimhaltung unterliegen sollten. Sollten Sie dennoch einzelne Fragen aus Geheimhaltungsgründen nicht beantworten wollen, machen Sie bitte bei der Frage einen entsprechenden Hinweis. Die Fragen beziehen sich auf den Ist-Zustand, bitte berücksichtigen Sie in Ihren Antworten nur den aktuellen Stand. Beispiel: Ihr Bezirk hat zwar eigentlich einen Korruptionsbeauftragten, die Stelle ist zurzeit aber nicht besetzt. Dann geben Sie bitte an, dass Sie zurzeit keinen Korruptionsbeauftragten haben. Im Textfeld Kommentar/Erklärung können Sie weitere Erklärungen abgeben. Sie können zu jeder Frage/Antwort eine zusätzliche Erklärung oder einen Kommentar abgeben, wenn Sie dies für erforderlich halten. Sollte der dafür vorgesehene Raum auf der Seite nicht ausreichen, benutzen Sie bitte die Rückseite oder ein Extrablatt. Bitte senden Sie den ausgefüllten Fragebogen im beiliegenden Umschlag an: Jiri Kandeler, Mehringer Str. 44, 13465 Berlin. Wenn Sie mir Unterlagen zur Verfügung stellen möchten, von denen Sie meinen, sie könnten für meine Arbeit relevant sein, wie beispielsweise Jahresberichte, Gefährdungsatlanten oder Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung, können Sie diese – falls als Datei vorhanden – auch per E-Mail senden an: [email protected]. Für Ihre Kooperation bin ich Ihnen sehr dankbar. Jiri Kandeler 1 Fragebogen Korruptionsbekämpfung 1. Fragen zu Korruption Frage 1.1.: Privatisierungen, Public Private Partnerships und die Abgabe von ehemals staatlichen Aufgaben an freie Träger und gewerbliche Anbieter führen zu einer Vermehrungen von Schnittstellen und Transaktionen zwischen Verwaltung und Wirtschaft sowie Sozialwirtschaft. Damit einher steigt theoretisch die Korruptionsanfälligkeit der Verwaltung. Glauben Sie, dass die Korruptionsanfälligkeit der Verwaltung in Ihrem Bezirk seit 2000 zugenommen hat? Ja, hat zugenommen Nein, ist unverändert Nein, hat eher abgenommen Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 1.2.: Hat es in den vergangenen 5 Jahren Korruptionsfälle in der Verwaltung Ihres Bezirks gegeben? Ja. Falls ja, wie viele: ____ Falls ja, in welchem Bereich der Verwaltung (Bau, Soziales,...): ____________________ Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 1.3.: Glauben Sie, dass in Ihrem Bezirk von Politik und Verwaltung genug gegen Korruption unternommen wird? Ja, die vorhandenen Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sind ausreichend. Nein, zur Korruptionsbekämpfung wird zu wenig unternommen. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 2 Fragebogen Korruptionsbekämpfung 2. Fragen zu Instrumenten und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung: Frage 2.1.: Hat Ihr Bezirk eigene Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.2.: Hat Ihr Bezirk eigene Richtlinien für die Annahme von Geschenken? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.3.: Hat Ihr Bezirk eine eigene Sponsoring-Richtlinie? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 3 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 2.4.: Hat Ihr Bezirk ein Zuwendungs-Register? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.5.: Gibt es in Ihrem Bezirk einen Sponsoring-Bericht? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.6.: Hat Ihr Bezirk ein eigenes Korruptions-Register? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 4 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 2.7.: Gibt es für Ihren Bezirk einen Korruptions-Gefährdungsatlas? Ja. Falls ja, inwiefern wird festgestellte Korruptionsgefährdung berücksichtigt (z.B. durch Personalrotation, vermehrte Stichproben-Prüfverfahren o. Ä.)? Bitte erläutern. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.8.: Gibt es für die Verwaltung in Ihrem Bezirk Compliance-Richtlinien, einen Ehrenkodex oder ein Leitbild? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.9.: Gibt es in Ihrem Bezirk einen Ombudsmann/einen Vertrauensanwalt? Ja. Nein. Falls nein, gibt es eine andere Annahmestelle für anonyme Hinweise? Ja / Nein Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 5 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 2.10.: Hat Ihr Bezirk ein eigenes Konzept zur Korruptionsbekämpfung und -prävention? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.11.: Gibt es in Ihrem Bezirk eine zentrale Vergabestelle? Ja. Nein. Falls nein, wird das „Vier-Augen-Prinzip“ bei Vergaben in anderer Form umgesetzt? Bitte erläutern. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.12.: Gibt es in Ihrem Bezirk einen Antikorruptionsbeauftragten? Ja. Falls ja, wer hat diese Position inne (z.B. Leiter des Rechtsamts, Bezirksamtsdirektor)? _____________________________________________________________________ Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 6 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 2.13.: Gibt es in Ihrem Bezirk eine Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung? Ja. Nein. Falls nein, gibt es ein anderes Gremium/eine Arbeitsgruppe o.ä. mit der Aufgabe Korruptionsbekämpfung? Ja / Nein , ggf. Name des Gremiums Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.14.: Werden die Jahresberichte des Antikorruptionsbeauftragten/der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung bzw. des mit der Korruptionsbekämpfung befassten Gremiums veröffentlicht? Ja. Falls ja, wo werden die Jahresberichte veröffentlicht? ______________________________________________________________________ Nein. Falls nein, wer bekommt die Jahresberichte zur Einsicht? ______________________________________________________________________ Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.15.: Gibt es in Ihrem Bezirk ein elektronisches Hinweisgebersystem für anonyme Hinweise? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 7 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 2.16: Gibt es für Mitarbeiter der Verwaltung in Ihrem Bezirk Schulungen zu den Themen Korruption und Korruptionsbekämpfung? Ja. Falls ja, wer wird geschult? _____________________________________________________________________ Falls ja, wer führt diese Schulungen durch? _____________________________________________________________________ Falls ja, wie oft finden Schulungen statt? _____________________________________ Falls ja, wann haben Sie selbst zuletzt an einer Schulung zum Thema Korruption teilgenommen? _____________________________________ Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.17.: Gibt es in Ihrem Bezirk das Prinzip der Personalrotation bei besonders korruptionsanfälligen Stellen? Ja. Falls ja, gibt es auch regelmäßige Personalwechsel in den Innenrevisionen und in der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung? ________________ Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 8 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 2.18.: Werden Nebeneinkünfte von Mitarbeitern der Verwaltung der Innenrevision gemeldet oder in anderer Weise zentral erfasst? Ja. Falls ja, bitte erläutern. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.19.: Wird die Verwaltung in Ihrem Bezirk von externen Experten zum Thema Korruptionsbekämpfung beraten? Ja. Falls ja, von wem: _______________________________________________________________________ Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 2.20.: Gibt es in der Verwaltung in Ihrem Bezirk ein Qualitätsmanagement bzw. eine Strategie zur kontinuierlichen Verbesserung der Qualität in Bezug auf die Korruptionsbekämpfung? Ja. Falls ja, bitte erläutern. Nein. Falls nein, gibt es eine andere Form interner oder externer Evaluation oder fachlicher/wissenschaftlicher Begleitung der Korruptionsbekämpfung in Ihrem Bezirk? Bitte erläutern. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 9 Fragebogen Korruptionsbekämpfung 3. Fragen zur Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung (bzw. dem Gremium, das mit der Korruptionsbekämpfung befasst ist1): Frage 3.1.: Wie viele Mitglieder hat die Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung? _______________ Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 3.2.: Aus welchen Abteilungen der Verwaltung Ihres Bezirks kommen die Mitglieder der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung? _____________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 3.3.: Tagt die Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung regelmäßig oder nur anlassbezogen? Regelmäßig. Falls regelmäßig, wie häufig im Jahr? _______________ Nur anlassbezogen. Falls nur anlassbezogen, wie oft durchschnittlich im Jahr? _______________ Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 1 Im Folgenden auch „Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung“ genannt. 10 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 3.4.: Führt die Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung nichtanlassbezogene Stichproben-Prüfverfahren zur Kontrolle von Vergaben und anderen Transaktionen durch? Ja. Falls ja, wer bestimmt, was und wann geprüft wird? _____________________________________________________ Falls ja, wie oft im Jahr? ______________________ Falls ja, werden auch Freihand-Vergaben geprüft? Ja / nein Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 3.5.: Werden die Aktivitäten der Innenrevisionen in den verschiedenen Verwaltungsabteilungen von der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung koordiniert oder kontrolliert? Ja. Falls ja, bitte erläutern. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 3.6.: Nimmt ein Mitglied der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung regelmäßig an der Arbeitsgruppe Antikorruption des Landes Berlin teil? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 11 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 3.7.: In der Verwaltung eines Bezirks arbeiten Menschen mitunter viele Jahre zusammen, kennen sich gut und sind vielleicht auch befreundet. Es ist daher möglich, dass Mitglieder der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung auch in Prüfvorgänge einbezogen werden, die enge Mitarbeiter oder Vertraute von ihnen betreffen, vielleicht sogar sie selbst. Gibt es verbindliche Regeln für den Fall, dass ein Mitglied der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung in einem Prüfverfahren möglicherweise befangen sein könnte? Ja. Falls ja, bitte erläutern. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 3.8.: Gibt es ein standardisiertes Prüfverfahren bei Korruptionsverdachtsfällen? Ja. Falls ja, nach welchen Standards werden Prüfverfahren durchgeführt (eigene festgelegte Standards oder nationale/internationale Standards für Prüfverfahren der Innenrevision, z.B. vom DIIR - Deutsches Institut für Interne Revision)? Bitte erläutern. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 3.9.: Nehmen Vertreter der Bezirksverordnetenversammlung an den Sitzungen der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung teil? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 12 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 3.10.: Wie und wie häufig wird die Bezirksverordnetenversammlung über die Tätigkeit der Prüfgruppe Korruptionsbekämpfung informiert? ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 4. Sonstige Fragen: Frage 4.1.: Gibt es einen Ehrenkodex für die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 4.2.: Gibt es eine Antikorruptions-Arbeitsgruppe der Bezirksverordnetenversammlung? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 4.3.: Gibt es Formen überbezirklicher Kooperation auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung? Ja. Falls ja, bitte erläutern. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 13 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 4.4.: Gibt es Vertragsstrafen für Auftragnehmer bei Vergabeverträgen, wenn bei einer Vergabe Korruption festgestellt wurde? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 4.5.: Wenn es in Ihrem Bezirk eine Ombudsperson oder einen Vertrauensanwalt/eine Vertrauensanwältin gibt, hat sich dieses Amt Ihrer Ansicht nach als sinnvolle Einrichtung erwiesen? Ja. Nein. Bitte begründen: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 4.6.: Sollten Ihrer Ansicht nach Whistleblower gesetzlich besser geschützt werden? Ja. Nein. Bitte begründen: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 14 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 4.7.: Müssen Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung Parteispenden veröffentlichen? Ja. Nein. Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 4.8.: An Korruptionsfällen beteiligte Personen können diese Korruptionsfälle in der Regel nur anzeigen, wenn sie sich dabei gleichzeitig selbst belasten. Würden Sie eine Kronzeugenregelung zur Aufdeckung von Korruptionsfällen befürworten? Ja. Nein. Bitte begründen: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 4.9.: Prüfer von möglicherweise korrupten Vorgängen sollten vollständig unbefangen und unabhängig von den Geprüften sein sowie außerhalb hierarchischer Beziehungen stehen, um ein objektives Prüfverfahren zu gewährleisten. Gegenwärtig unterliegt die Korruptionsbekämpfung in den Bezirksverwaltungen ebendiesen Bezirksverwaltungen selbst. Glauben Sie, in Ihrem Bezirk wird dennoch das Prinzip der Unabhängigkeit und Unbefangenheit von Prüfern gewährleistet? Ja. Falls ja, was wird unternommen, um die Unabhängigkeit von Prüfern zu schützen? ____________________________________________________________ Nein. Falls nein, finden Sie, dass man zur Korruptionsbekämpfung in Ihrem Bezirk externe Prüfer hinzuziehen sollte (z.B. aus der Senatsverwaltung, aus anderen Bezirken oder von Wirtschaftsprüfungsunternehmen)? Bitte erläutern. ___________________________________ Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 15 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 4.10.: Halten Sie die Einführung eines elektronischen Hinweisgebersystems für sinnvoll? Ja. Nein. Bitte begründen: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 4.11.: Transparenz wird allgemein als wirksames Instrument der Korruptionsprävention gesehen. Wenn Verwaltungsentscheidungen gut dokumentiert sowie plausibel begründet sein müssen und für Bürger einsehbar sind, dann reduzieren sich die Möglichkeiten für korrupte Vorgänge. Halten Sie die Verwaltung in Ihrem Bezirk für ausreichend transparent? Ja. Nein. Falls nein, was wird in der Verwaltung Ihres Bezirks unternommen, um Verwaltung transparenter zu machen? Bitte erläutern. ________________________________________________________________________ Falls nein, was müsste Ihrer Ansicht nach getan werden, um die Verwaltung transparenter zu gestalten? Bitte erläutern. ________________________________________________________________________ Kommentar / Erklärung: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Frage 4.12.: Wenn Sie die Korruptionsbekämpfung in Ihrem Bezirk nach Ihren eigenen Vorstellungen neu organisieren könnten, was würden Sie tun? ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 16 Fragebogen Korruptionsbekämpfung Frage 4.13. (letzte Frage): Haben Sie in diesem Fragebogen vielleicht eine Frage vermisst? Oder gibt es noch etwas Wichtiges zum Thema zu sagen, dass Sie mitteilen möchten? ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ Vielen Dank für Ihre Mitarbeit. 17