Text - Gymnasium Ulricianum Aurich

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Text - Gymnasium Ulricianum Aurich
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Interkulturelle archäologische Ethnologie – der Mensch, die Zahlen & das Display
Abirede 2015
Reinhard Donath
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
herzlichen Glückwunsch – ihr habt’s geschafft, Abi 20:15 Primetime. Klasse, ist ja nicht ganz so
einfach (und die Mathe-/Chemieaufgaben in Euren Klausuren habe ich noch nicht mal sprachlich
verstanden, ich bewundere euch schon, dass ihr das könnt…, konntet…, jedenfalls einige oder
wenigstens das Eine oder Andere.
Und herzliches Beileid. Begründung gleich.
Liebe Eltern, Großeltern, Geschwister, Verwandte: herzlichen Glückwunsch: de Wicht und de Jung
hem dat nu. Dat Abitur. Liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen: Freude, Stolz, Glückseligkeit:
218 (124 weibl, 94 männl. – Jungs, was ist mit euch denn los?) junge Menschen sind am
Traditionsgymnasium Ulricianum 2015 für die Welt vorbereitet worden und werden mit den
höchsten schulischen Ehren, dem Abitur als Eintrittskarte, in die Welt entlassen (manche allerdings
auch eher geworfen, geschubst & geschoben, während andere schon losrennen – losgerannt sind und kaum noch Spuren im Sand hinterlassen.
Interkulturelle archäologische Ethnologie: wir leben hier oben links ja leider nicht in einer isolierten
Oase, aber das tägliche Zeitunglesen, Euer Feedback nach vielen Jahren am Ulricianum und das
Buddeln in Euren Lieblingszeilen aus Songs ermöglichen Einsichten in die Grausamkeiten dieser Welt,
die der Schulinspektion wahrscheinlich verborgen geblieben sind. Hier wäre die erste: Liebe ExZwölftklässler. Tut mir Leid, ihr seid nicht nur Oasen-Ostfriesen, sondern auch Niedersachsen,
niedere Sachsen, Lower Saxony, unten, tief.
Songline/besser: Liedzeilen 1: Rainald Grebe
Zwischen Dänemark und Prag
Liegt ein Land das ich sehr mag
Zwischen Belgien und Budapest
Liegt Thüringen
Thüringen Thüringen Thüringen
Ist eines von den schwierigen Bundesländern
Denn es kennt ja keiner außerhalb von Thüringen.
Dem hoch geschätzten Liedermacher Rainald Grebe zum Trotze: das hat sich nun dramatisch
verändert.
• Abi Thüringen 2014: Notenspektrum 1,0 bis 1,9: 37,8 % der Abiturienten – Niedersachsen:
15,6 %, [Quelle: https://kulturbytes.wordpress.com/2015/06/11/einserabitur/]also: pole position für
Thüringen, Arschkarte für Niedersachsen beim Wettlauf um die vom Numerus Clausus
verbarrikadierten Studienfächer
• …übrigens: Jeder 2. Studienplatz in Deutschland ist mit einem NC belegt, die gute Nachricht:
bis zu 80% aller Studiengänge in Meck-Pomm, Rheinland-Pfalz und –Achtung!- Thüringen
(sic!) sind zulassungsfrei, also auf nach Jena und Weimar, zeigt den Thüringern, dass Eure
Individualität, Kreativität und Genialität unschlagbar sind!
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Halt, Genialität nicht unbedingt auf der Basis der Abi-Durchschnitts der Niedersachsen, aber
der Ulricianer, denn beim Niedersachsendurchschnitt 1,0 – 1,9 des letzten Jahres sind wir
deutlich besser:
NDS 15,6 – Ulricianum 21% (Thüringen, nur zur Erinnerung: 37,8%)
….und gesteigerte 25% beim Abi 20:15, Glückwunsch Ulricianerinnen und Ulricianer!
Und von der anderen Seite: Noten 3,0 – 3,9: Thüringen: magere 7,8 % Niedersachsen: 26,1 % - Ulricianum 2014: 24% - also wieder besser als der NiedersachsenDurchschnitt!
Aktueller Abidurchschnitt Ulricianum 2015: 2,43, da waren wir 2014 noch 0,3 schlechter:
2,46 - niedere Sachsen eben, oder was? Nix da, das Ulricianum zumindest taucht langsam
auf, gemächlich aber stetig eben – there is a light at the end of the tunnel….
Schülerarchäologie, Zitat Maria: „Ich habe gelernt, dass Noten nichts über die
Intelligenz eines Menschen aussagen“ – verstärkt von Jörg: „individuelle
Eigenschaften lassen sich nicht durch Noten ausdrücken.“
Dem ist nichts hinzuzufügen! Außer: Jau, ihr seid schon tolle Individuen, wirklich, und davon gibt’s
gleich 218, wow!
Interkultureller Erklärungsversuch
Mein Blick in das Englisch-Abitur Thüringens vom letzten Jahr war übrigens ganz interessant:
Hörverstehensübung plus zwei Textaufgaben zur Wahl. Arbeitszeit dafür 240 Minuten, wie bei uns
auch – maximale Länge des zu schreibenden Textes: 350 Wörter. Wie bitte? Max 350 Wörter? Die
braucht Pascal schon für seine Einleitung, die braucht Moritz für seine Urlaubspostkarte an seine
Mutti! [Neid auf Thüringen, wie viele Korrekturstunden hätte ich da gespart?]. Für die Lehrkräfte
gab’s übrigens nicht wie in Niedersachsen nur 1,5 Seiten Erwartungshorizont, sondern 14 Seiten
„Hinweise“ mit unendlich vielen Kriterien und jeweiligen BEs: für 55 BEs gab’s letztlich 15 Punkte –
für 0-12 BEs entsprechend 0 Punkte. Aha.
BEs? Thüringen? Müssen ja Bratwursteinheiten sein, denn die Thüringer Bratwurst ist legendär:
Thüringer Roster auf dem Grill –wikipedia weiß das natürlich:
Die Thüringer Rostbratwurst (auch Thüringer Roster) ist eine Wurst aus
Schweinefleisch, alternativ auch mit Kalbfleisch oder Rindfleisch. Typische Gewürze
sind Salz, Pfeffer, Kümmel, Majoran und Knoblauch. Die Masse hat eine feine Struktur
von max. 3 mm Körnung. Sie wird in feine Schweinedärme oder Saitlinge abgefüllt.
Laut EU-Verordnung ist sie eine mindestens 15 cm lange mittelfeine Rostbratwurst
im engen Naturdarm, roh oder gebrüht, mit würziger Geschmacksnote. Seit
dem 6. Januar 2004 ist Thüringer Rostbratwurst eine geschützte geografische Angabe
(g.g.A.).[5][6]
Aha, „im engen Naturdarm“, 350 Wörter, da ist naturgemäß nicht viel Platz für individuelle,
intellektuelle oder gar kreative Entfaltung.
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Dennoch: von Thüringen lernen, heißt siegen lernen. Also, Herr Schröder, bitte sofort eine Anweisung
an die Mensabetreiber: nur noch Thüringer Bratwurst zur Schülerfütterung erlaubt. Schade, liebe
Vegetarier & Veganer, keine Chance auf gute Abinoten, bitte an alle anderen in den WhatsAppGruppen kommunizieren! Tragt die Botschaft an die jüngeren Generationen weiter: Thüringer
Rostbratwurst statt Nürnberger, Stadion- oder VW-Bratwurst, das muss das Geheimrezept sein!
Schluss mit dem Thema Noten!
Songlines
Einblick in Schülerköpfe, -hirne, -herzen oder: warum sind die eigentlich immer so zugestöpselt,
wenn man außerhalb des Unterrichtes mal mit ihnen reden (ich buchstabiere R-E-D-E-N, also voiceto-voice bzw. fast wie Skype ohne Kamera und Digitalgerät). Songlines zu mir, bitte, Eure
Lieblingszeilen aus den Lieblingssongs:
Wikipedia:
Die Songlines bzw. Traumpfade (dreaming track) der Aborigines ergeben eine
unsichtbare, mythische Landkarte Australiens, die per Gesang von Generation zu
Generation weitergetragen wird und die Grundlage der Wanderungen (Walkabouts)
der australischen Urbevölkerung sind. Manche Songlines verlaufen durch von den
Aborigines verehrte Orte und entsprechende archäologische Fundstätten… Dank an
wikipedia.
Interkulturelles Lernen: Also die Songlines unserer Schüler ergeben eine unsichtbare mythische
Landkarte von Aurich und Umgebung, die per Apple Music, Spotify und Deezer via mp3 und
Kopfhörer von Schüler zu Schüler weitergegeben wird und die Grundlage der spätnächtlichen
Freitags- und Samstagswanderungen [quasi: East Frisian Walkabouts] der Schülerschaft sind. Manche
Songlines verlaufen mit oder ohne nächtliche Eule durch von den Schülern verehrte Orte und
entsprechende Versammlungsstätten. Aha.
Songline 2: From Wiz Khalifa ft.Charlie Puth
It's been a long day, without you my friend
And I'll tell you all about it when I see you again
We've come a long way from where we began
Oh I'll tell you all about it when I see you again (thanks, Sean)
Da wir uns nun gerade alle wiedersehen, erzähl ich mal eben, was sich seit unserem letzten Treffen in
meinem Kopfe so getan hat, zum Beispiel mit
Songline 3: Eminem- Lose yourself (thanks, Kea):
Look,
if you had
one shot,
one opportunity
to seize everything you ever wanted
One moment
would you capture it
or just let it slip?
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Meine Befürchtung: You let it slip, ihr merkt’s doch gar nicht, weil ihr –wieder mal- nicht
hochgesehen habt, sondern der starre Blick auf das Handydisplay gerichtet ist:
„Der durchschnittliche Handynutzer (das seid ihr übrigens nicht, abwarten) greift alle
18 Minuten zu seinem Mobilgerät. Frauen verbringen allein mit WhatsApp 40 Minuten
am Tag, Männer etwa 30 – Handynutzung zum chatten, posten, spielen - bei den
unter 25 jährigen (jetzt kommt ihr): durchschnittlich fast 4 Stunden am Tag (ohne
Musikhören über Kopfhörer); diese Zahl bitte merken: 4 Stunden/Tag!
Quelle: Spiegel 13/2015, pp. 62)
Songline 4: Nico & Vinz “Who doesn‘t want a machine so they can go back in time”
Nico & Vinz sind ein norwegisches Hip-Hop- und Afropop-Duo, das bis 2013 unter dem Namen Envy bekannt war
Ja, Delina, diese Maschine hätte ich gerne – deswegen, denn es gab mal Zeiten, als die
jetzigen 4 Stunden täglich für die Handynutzung für andere Zwecke genutzt wurden, aber:
für welche eigentlich? Wohl eher nicht für das Lernen, als es noch das Abi nach neun Jahren
gab? Lt. Spiegel vom April 2015 haben G 8-Schüler weniger Zeit für Freunde und Fernsehen,
gestresst sind sie nach Aussagen von Forschern aber nicht (Spiegel 20. April 2015).
Umkehrschluss: Ihr braucht mehr Zeit für Freunde? Na also, die habt ihr doch, potentiell
stehen immerhin 4 Stunden pro Tag zur Verfügung….
Songline 5: Cat Stevens – Father and Son:
It’s not time to make a change
Just relax, take it easy
You’re still young, that’s your fault
There’s so much you have to know.
Ach ja, möglicherweise ZEIT, um miteinander zu reden – oder womöglich zu singen?
Unwichtig, die vier Stunden sind nun mal weg, täglich, grausame Realität. Weiter mit der
Schüler-Archäologie, Thema Lernen:
Und was habt ihr am Ulricianum gelernt? „Vieles des Gelernten hilft einem im Leben
nicht weiter“ (D.), ist „belanglos für das spätere Leben“ (K.), „wenig Vorbereitung
aufs wahre Leben“ (E.), „kaum Vorbereitung aufs spätere Leben“  Stimmt. … Aber
was ist das spätere, das wahre Leben? 218 Abiturientinnen und Abiturienten wollen
auf das „wahre Leben“ vorbereitet werden, dessen wahrer oder Wahrheitscharakter
nicht definierbar ist. Da hilft nur Adornos Satz, übrigens auch von Tocotronic in die
Welt gesungen: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. [Denkmause, mhm, mal
Frau Niemeyer drauf ansprechen oder nachher mal eben Adorno googeln?]
Was alles so gelernt wird am Ulricianum, wird durch die Bemerkung von L. reflektiert:
Seminarfach 4 Semester, Religion 4 Semester, Politik nur 2 Semester? Aha, was ist
denn da nun das wahre, spätere Leben? Food for thought, könnte man meinen,
zumal in politisch brisanten Zeiten in der gewinnbestrebten globalisierten Welt.
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Statt der 4 Stunden Handynutzung pro Tag (da ist die Zahl wieder) könnte man ja
auch mal die Zeit nutzen für die von euch vielfach geforderte Unterstützung bei der
Berufs- oder Studienwahl, da habt ihr offensichtlich einen größeren Nachholbedarf
und bestätigt indirekt, was Landeselternrat und IHK (quasi in sich alljährlich
wiederholender Litanei) fordern:
„Zum Start der Abiturprüfungen forderten der Landeselternrat und die
Niedersächsische Industrie- und Handelskammer (NIHK) eine bessere
Berufsvorbereitung an den Schulen. Die hohe Abbrecherquote von 30 Prozent
an den Hochschulen zeige, dass viele Abiturienten mit falschen
Einschätzungen über Berufe und eigene Fähigkeiten mit einem Studium
starteten“ (ON 21. 4. 2015).
Na ja, kann man auch mal drüber nachdenken, aber die 30% Studienabbrecherquote
könnte ja auch etwas mit universitären Verhältnissen zu tun haben. Das lassen wir
jetzt mal besser außer Acht. Spiegel-Online am Abi-Gag-Mittwoch übrigens:
„Jeder fünfte Student in Deutschland bekommt eine psychische Diagnose. Ein
aktueller Krankenkassen-Report zeigt, dass vor allem Depressionen, Ängste
und Erschöpfung zunehmen.“
Danach übrigens gleich ein Artikel mit der Überschrift „Trendwende: Weniger
Alkoholexzesse bei Jugendlichen“. Ähhhh, da wollen wir jetzt aber mal keinen
direkten Zusammenhang konstruieren, denn das käme ja dem engen
Thüringischen Naturdarm nahe.
Noch etwas Archäologie aus der Lokalzeitung im Artikel nach der Abiparty:
Interessante Schüleräußerungen, die in den ON zitiert werden wie:
Auch Schüler T. fehlten Informationen zur Berufsorientierung. „Broschüren oder so
wären gut. Vielleicht auch Infogespräche an der Schule“, so T.
Du, nun Reifeprüfungsbescheinigungsinhaber Ex-Schüler T., „Broschüren oder so
wären gut“, mmmhm, schon mal den A. hochgekriegt und losgegangen, um sich
welche zu holen (oder so?). Mal vom Display hochgeschaut und zum Beispiel im
Foyer gesehen, dass es regelmäßige Termine für Informations- und
Beratungsgesprächsangebote des Arbeitsamtes gibt? Da hätte man sich eintragen
können – oder so. Oder vielleicht auch Infogespräche, oder so – oder vielleicht mal
gezielt mit google oder so Informationen im Netz suchen statt nur zu spielen – oder
so?
In diesem Zusammenhang, und wenn ich schon mal beim Schüler-Bashing bin, noch
ein kleiner Blick auf eure Schulkritik zum Thema der fehlenden „Vorbereitung auf
das Leben“, z. B. „Miete zahlen, Wohnung finden usw.“ (Schüler P.).
Entschuldigung, vielleicht auch noch Hemd richtig rum anziehen, Hose zuknöpfen und
Schuhe zubinden? Mama, fertig, abwischen? Hallo Rollenverteilung Lehrer und Eltern?
Der Cat Stevens Song heißt „Father and Son“ …Ja, liebe Kinder, so etwas gab es
früher, da sprach ein Vater oder eine Mutter noch mit dem Sohn oder der Tochter,
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half bei Entscheidungsfindungen (real, quasi voice to voice, ganz ohne WhatsApp &
Skype). Liebe anwesenden Erziehungsinstanzen, jetzt gibt’s Eltern-Bashing, halten Sie
sich lieber die Ohren zu…: sind Sie noch so richtig Eltern oder Erziehende mit
Verantwortungsbewusstsein, Verantwortungsgefühl und Liebe für ihre Kinder?
Nehmen Sie sich noch Zeit für Gespräche mit ihren Kindern, neudeutsch: qualitytime? Wenn ja, dann Kompliment Ihnen und Ihren Kindern, toll! So richtig normal ist
das ja leider nicht mehr in unserer Gesellschaft: Auch wenn die Scheidungsrate in D
abzunehmen scheint,
(Quelle:
http://www.noz.de/deutschland-welt/gut-zu-wissen/artikel/544705/die-scheidungsrate-sinkt-werden-die-familien-stabiler)
werden mehr als ein Drittel der Ehen in D geschieden. Und was macht das mit den
Kindern? Das ahnen Sie, wissen Sie, kennen Sie – oder, wenn alles gut läuft, zum
Glück auch nicht. Ich habe trotz vielfältiger Bemühungen zwei SchülerInnen in
meinem LK verloren, 2 von 17, bei denen die Eltern resp. Elternteile oder
Erziehungsinstanzen nicht erziehungsfähig oder erziehungswillig waren. Das hat mich
ziemlich erschüttert und ich hätte die „Eltern“ am liebsten…. Rechnen Sie das mal
hoch auf den Abi-Jahrgang und dann auf die Jahrgänge 5 – 11: Schule kann Eltern
nicht ersetzen, Bildung kann keine Ziele erreichen, wenn Kopf und Herz mit privaten
Sorgen und Nöten beschäftigt sind –
Songline 6, jetzt wird’s symbolisch, metaphorisch gar – mit Rise
Against:
“By night we are conspiring by candlelight.
We are the orphans of the American Dream”
…könnte man auch als Hilferuf interpretieren und den American Dream auf
German reality ummünzen, verstärkt durch
Songline 7: Wiz Khalifa ft. Charlie Puth:
„How could we not talk about family when family’s all we’ve got”.
Lehrer-Bashing am Rande (bitte nicht die Ohren zuhalten): Noten und Statistiken haben
wenig mit Menschen zu tun, das wissen wir natürlich – und wenn schon Statistik: dann doch
bitte mal herausfinden, wie viele Schülerinnen und Schüler das Ulricianum (vor allem in der
Oberstufe) verlassen – nicht, weil sie an Noten scheitern, sondern weil ihre Lebensumstände
sie scheitern lassen. Da ist Hilfe notwendig, die nicht allein von Beratungslehrkräften
kommen kann, da sind andere professionelle Berufe gefragt. Aber auch jede einzelne
Lehrkraft, denn wir müssen uns viel intensiver um Einzelne kümmern, um Pädagogisches als
wir das bislang getan haben.
Wo bleibt das Positive? Positiva: Was Schüler gut finden am Ulricianum?
Austauschprogramme, Sprachenangebote, gute Ausstattung (wenn sie funktioniert), viele
Freunde gefunden, viele Kontakte, also Schule als sozialer Begegnungsraum ist klasse.
Wunderbar. Und sonst?
Was ist nicht so gut am Ulricianum? Wettbewerb ist nicht alles, auch die Normalität des
täglichen Schülerseins sollte positiv gewürdigt werden (pünktlich kommen, Hausaufgaben
regelmäßig machen, sich am Unterricht beteiligen). Richtig: die Normalität, die erfüllten
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Erwartungen wollen gewürdigt und gelobt werden, da sind wir offensichtlich sehr sparsam
und konzentrieren uns nur auf Extreme in beiden Richtungen.
Bitter allerdings auch die Schüleraussage: „Anwesenheit ist zweitrangig.“ Eine letzte
bedenkliche Schüleräußerung - ist die kritische Einsicht „dass das politische System der
Demokratie beim Schulsystem aufhört“, autsch… Und dann (wurde bereits erwähnt):
Seminarfach und Religion 4 Semester, Politik nur 2 Semester, warum?
Der positive Blick am Ende – oder: Songlines auf den Weg gestreut.
Rezept für das Leben danach, also das richtige, das wahre: Abgesehen von der Thüringer
Bratwurst sind Noten tatsächlich nur Zahlen, die nicht widergeben, wer oder was ihr seid,
was ihr wollt oder sollt.
Ich durfte als Neuntklässler einem Abschlussjahrgang ein Gedicht aufsagen, dessen
bedenkliches Gedankengut mir nicht wirklich Prämisse des Handelns geworden ist, auch
nicht in der Symbolik: „Pflüg tief –von Hans Joachim Aereboe (übrigens, das weiß ich
komplett geschockt seit vorgestern: *1860 Römhild/Thüringen, +1925 in
Römhild/Thüringen).
Pflüg tief, mein Sohn, und grad die Furchen zieh, lass nicht verdrießen Dich der Arbeit
Müh....“ –
Wie grauenhaft, schnell zu Euren Songlines, denn die zeigen Prämissen eures Denkens und
(Wunsch-)Handeln und sind daher recht spannend:
„We are the ones, who have the choice, if we speak up or use our voice“
Richtig, aber das setzt voraus, dass ihr nicht 4 Stunden am Tag auf das Display eures
Handys schaut, sondern nach oben, also: Look Up! Die bitteren Realitäten um uns herum
ebenso wie die blauhimmligen brauchen euch, wischt sie nicht einfach auf euren Handys
weg, sondern „speak up“ und „use your voice“.
Ein langer Weg, der euch ca. 12 Jahre eures Lebens gekostet hat, liegt hinter euch, jetzt
folgt Jimmy Cliff – I can see clearly now:
“Gone are the dark clouds that had me blind.
It’s gonna be a bright bright sunshiny day.”
Und den bright bright sunshiny day haben wir vorherrschend seit dem Abi-Gag- und AbiKorso am Mittwoch; wenn das man kein Zeichen ist! Und noch programmatischer
Alina Baraz & Galimatias – Fantasy:
Underneath the palm trees
You could leave your worries,
Listen to the waves.
Das sei euch ganz unbedingt gewünscht - und weil das im Rudel, in der Gruppe, gemeinsam
eben besser geht, folgt einfach Gerry & The Peacemakers:
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“Walk on with hope in your heart, and you’ll never walk alone”.
Schlussendlich: Sollten wir uns irgendwann mal wieder sehen, haben wir uns hoffentlich viel
zu erzählen (ja, richtig, voice-to-voice):
“We’ve come a long way from where we began
Oh I’ll tell you all about it when I see you again”
From Wiz Khalifa ft.Charlie Puth
All the very best to all of you and yes,
we’ll miss you when you’re gone!
Good-bye und Tschüß,
dt