Neue Heimat

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Neue Heimat
Neue Heimat-Skandal
Im Februar 1982 hat das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erstmals über erhebliche
Unregelmäßigkeiten bei der NH berichtet und den Skandal um den gewerkschaftseigenen
Konzern aufgedeckt. Im Zuge und als Folge dieses Skandals hat die Beteiligungsgesellschaft
für Gemeinwirtschaft AG (BGAG) mehrere der gemeinnützigen Regionalgesellschaften der NH
an die betreffenden Bundesländer verkauft. Das Land Niedersachsen lehnte allerdings die
Übernahme der dortigen Regionalgesellschaft der NH, der Neue Heimat Niedersachsen
Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH mit Sitz in Hannover (NH
Niedersachsen), ab.
Deshalb kamen die Gewerkschaften auf die Idee, einen Teil der Wohnungen der NH
Niedersachsen an einzelne Kapitalanleger zu verkaufen. Der dabei erzielte Erlös sollte zur
Rettung der NH Niedersachsen verwendet werden. Da ein Verkauf der einzelnen Wohnungen
von der NH Niedersachsen selbst an Kapitalanleger aufgrund des damals bestehenden
erheblichen Zeitdrucks, die NH Niedersachsen soll schon Ende 1987 konkursreif gewesen sein,
nicht sinnvoll war, wurde kurzerhand die ALLWO gegründet. Sie hat der NH Niedersachsen
über 8.000 ihrer Wohnungen teuer abgekauft, um sie dann einzeln und noch teuerer an
„Kapitalanleger“ zu veräußern.
Aufgedeckt wurde der Skandal um den gewerkschaftseigenen NH-Konzern vom
Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in einem Artikel vom 08.02.1982. Dort und im Zuge der
folgenden jahrelangen öffentlichen Diskussion wurden die massive Verschuldung des
Konzerns, seine immensen Verluste und die Probleme der von seinen gemeinnützigen
Tochtergesellschaften erbauten Siedlungen, Trabantenstädte etc. mit zum Teil über 100
Sozialwohnungen bekannt. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Konzerns beruhten auf
Managementfehlern u. a. bei der nicht gemeinnützigen NH-Städtebau und ihren verschiedenen
Tochtergesellschaften. Zudem wurde den damaligen NH-Vorständen vorgeworfen, sie hätten
sich persönlich bereichert. Der NH-Skandal beschäftigte u. a. parlamentarische
Untersuchungsausschüsse des Bundestags und verschiedener Landtage, so beispielsweise in
Hamburg und Nordrhein-Westfalen.
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Neue Heimat-Skandal
Im September 1986 kaufte der Berliner Brotfabrikant Schiesser die gemeinnützigen
Gesellschaften des NH-Konzerns zu einem symbolischen Preis von 1 DM. Ihre 190.000
Wohnungen waren mit hohen Krediten von rd. 17 Mrd. DM belastet, sie sollten vom Käufer
übernommen werden. Weil die Banken damit nicht einverstanden waren, wurde der Verkauf im
November 1986 rückgängig gemacht. Wohl auch deshalb haben der DGB-Bundesvorstand und
der DGB-Bundeskongress dann 1987/1990 den Rückzug aus der unternehmerischen
Wohnungswirtschaft und den vollständigen Ausstieg aus der Gemeinwirtschaft beschlossen ( w
ww.bgag.de
).
Nach dem gescheiterten Versuch ihre 190.000 Wohnungen für 1 DM an Herrn Schiesser
abzugeben, wurden in den folgenden Jahren die einzelnen Regionalgesellschaften der NH –
soweit dies gelang – verkauft. Käufer waren neben verschiedenen Bundesländern (bspw.
Bremen, Berlin, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen) auch - wie in Baden-Württemberg
und Bayern - private Investoren.
Das Land Niedersachsen war nicht bereit, die NH Niedersachsen bzw. ihre Wohnungen zu
übernehmen. Einen privater Investor fanden die Gewerkschaften nicht. Gescheitert ist auch ihr
Versuch, die Wohnungen an die Mieter zu verkaufen. Das Konzept wurde der Öffentlichkeit und
den Mietern als sozialverträgliche Wohnungsprivatisierung unter dem Schlagwort „Wohnungen
in Mieterhand“ (WiM) präsentiert. Wegen der niedrigen Mieten und des Zustands der
Wohnungen waren schon beim Pilotprojekt in Melle bei Osnabrück nur einige der 264 Mieter
bereit, ihre Wohnungen zu kaufen und sich hierfür zu verschulden. Gegenüber der Öffentlichkeit
sprach man indessen von einem Erfolg dieses Konzepts.
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Neue Heimat-Skandal
Nach Angaben des späteren Vorstandsvorsitzenden der ALLWO, Joachim Tigges, sollen die
NH Niedersachsen und die NH Bremen die wirtschaftlich problematischsten
Regionalgesellschaften der NH gewesen sein (Andreas Kunze (Hrsg.), Die Akte Neue Heimat,
Bd. 1 S. 348). Der frühere Geschäftsführer der NH Niedersachsen Nietfeld hat später in einem
Interview von einem Instandhaltungsstau am Wohnungsbestand seiner Gesellschaft und davon
gesprochen, dass an deren Wohnungen zwischen 1982 und 1987 so gut wie keine
substanzerhaltenden oder -verbessernden Maßnahmen durchgeführt worden waren (vgl.
Andreas Kunz (Hrsg.), Die Akte Neue Heimat, Bd. 1 S. 357 u.). Solche Wohnungen bezeichnet
man gewöhnlich als Schrottimmobilien.
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