als pdf-Datei - Landtag NRW

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InWIS Institut für Wohnungswesen,
Immobilienwirtschaft, Stadt- und
Regionalentwicklung GmbH
Prof. Dr. Volker Eichener
unter Mitarbeit von
Katrin Schneiders und André Schubert
Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in
NRW – Formen, Modelle, Zukunftsperspektiven
Expertise für die Enquêtekommission „Situation und Zukunft der Pflege in NRW“
beim Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen
Januar 2004
InWIS - Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung GmbH
an der Ruhr-Universität Bochum
Springorumallee 20
44795 Bochum
Telefon: 0234/447-700
Telefax: 0234/9447-777
InWIS GmbH
1.
1.1
Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
2
Qualitative und quantitative Bestandsaufnahme zum altersgerechten Wohnen in Nordrhein-Westfalen
Qualitative Bestandsaufnahme
1.1.1 Zielgruppen, Leitbilder und Konzepte für altersgerechtes Wohnen
Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Nach der jüngsten Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 1.8.2003 beträgt heute die Lebenserwartung eines neugeborenen Mädchens 81,1 Jahre und die eines Jungen 75,1 Jahre.
Sind die Risiken der Säuglingssterblichkeit und (häufig unfallbedingter) Todesfälle in
jungen Jahren erst überwunden, so liegt die fernere Lebenserwartung einer
60jährigen heute bei 83,7 Jahren und eines gleichaltrigen Mannes bei 79,5 Jahren.
Für die Zukunft rechnet das Statistische Bundesamt mit einer weiteren Steigerung
der Lebenserwartung: Nach der optimistischsten Schätzung kann ein neugeborenes
Mädchen im Jahr 2050 damit rechnen, 88 Jahre alt zu werden und ein Junge, das
Alter von 84 zu erreichen.
Entwicklung der Lebenserwartung
90
85
80
75
70
65
60
1970
2003
2035
LE Neugeborener männlich
LE Neugeborener weiblich
LE 60jähriger männlich
LE 60jähriger weiblich
2050
Quelle: Statistisches Bundesamt: 10. Koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung, Juni 2003 sowie
Pressemitteilung vom 1.8.2003.
Verändert hat sich allerdings nicht nur die Lebenserwartung, wie sie in nüchternen
Zahlen gemessen wird, sondern auch die Qualität des Alters. Goethe wurde, als er
50 Jahre alt war, als „ehrwürdiger Greis“ angeredet. Noch in den 1960er Jahren galt,
wie es die Beatles in einem Lied festhielten, ein 64jähriger als alt und verbraucht.
Tatsächlich hatte er nur noch eine Lebenserwartung von wenigen Jahren vor sich.
„Alt“ galt – und diese Attitüde ist heute noch zu finden – als Synonym für gebrechlich
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und hilfebedürftig, und zwar so sehr, dass beschönigende Begrifflichkeiten wie „Senioren“ oder wenigstens das nicht ganz so hart klingende „Ältere“ entwickelt wurden.
Doch verändert sich das Bild des Alters. Heute gelten 64jährige als WOOPies, als
„well-off older people“, die von Marketingstrategen in den Fokus für Luxusreisen und
Golfclubmitgliedschaften gerückt werden. Alt ist nicht gleich alt; vielmehr differenziert
sich das Alter heute in eine Fülle von Facetten, die sich nach Lebensalter, Gesundheitszustand, Aktivität und Lebensstil stark unterscheiden.
So haben wir schon 1987 auf der Basis einer umfangreichen Repräsentativbefragung
älterer Menschen vier verschiedene Lebensstilgruppen identifizieren können:
Lebensstilgruppen älterer Menschen
Die Resignierten
13%
Die
Gemeinschaftsorientierte
n
35%
Die Aktiven
21%
Die Familienorientierten
31%
Quelle: Heinze, Eichener et al. 1997, S. 35.
Die Gruppe der Aktiven zeichnet sich durch ein extensives, erlebnisorientiertes Freizeitverhalten aus. Der Ruhestand wird als genussvoll erlebt, weitere lebensstilprägende Merkmale sind eine positive Lebenseinstellung, eine Fixierung auf den Partner
bzw. die Familie und eine hohe Präferenz für eine komfortable und attraktive Wohnung. Die Aktiven sind tendenziell jünger, weisen ein überdurchschnittliches Einkommen auf und leben zu einem großen Anteil im Wohneigentum.
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Die Familienorientierten weisen ebenfalls zum überwiegenden Teil ein gutes Allgemeinbefinden auf, sind in ihrer Freizeitgestaltung aber sehr stark auf ihre Familien
(Kinder, Enkel, Urenkel) fixiert. Das Freizeitverhalten ist durchaus diversifiziert, spielt
sich aber sehr stark in der Wohnung und im unmittelbaren Wohnumfeld ab (Handarbeiten, Heimwerken, Lesen). In dieser Gruppe finden sich alle sozialen Schichten.
Die Gemeinschaftsorientierten weisen viele Merkmale der Familienorientierten auf,
unterscheiden sich aber dadurch, dass die sozialen Kontakte und dementsprechend
auch die Freizeitaktivitäten weniger in der Familie, sondern vielmehr in Freundeskreisen und in Vereinen angesiedelt sind. Auch passives Freizeitverhalten (insbesondere Fernsehen) ist bei dieser Gruppe stark ausgeprägt. Auch bei dieser Gruppe
ist das Allgemeinbefinden gut.
Bei den Resignierten ist das Allgemeinbefinden ausgesprochen schlecht, die Lebenseinstellung negativ. Die Freizeitgestaltung ist passiv, geringe Kontakte zur Familie, aber auch zu anderen deuten auf soziale Isolation hin. Bemerkenswert ist, dass
93% der Resignierten über ein niedriges Bildungsniveau verfügen, fast alle zur Miete
und hier überwiegend in kleinen Wohnungen wohnen.
Auffällig ist, dass sich eine klare Korrelation zwischen Bildung, Einkommen, Wohnsituation, sozialen Kontakten, Aktivitätsniveau, Lebenseinstellung und Allgemeinbefinden ergibt. Resignierte und Aktive sind hinsichtlich all dieser Merkmale Antipoden,
während die Gemeinschaftsorientierten und Familienorientierten hinsichtlich all dieser Dimensionen in der Mitte stehen und sich im wesentlichen dadurch unterscheiden, ob die sozialen Kontakte eher auf die Familie oder eher auf Freundeskreise orientiert sind.
Auffällig ist, dass auch die Wohnsituation mit den Lebensstilen korreliert. Dies könnte
man als einen Nebeneffekt des sozialen Status auffassen (wenn die Lebensstile von
der Bildung, dem Einkommen und der früheren Berufsposition abhängen, werden
auch die Wohnverhältnisse davon bestimmt); Intensivinterviews mit alten Menschen,
die ihre Wohnsituation verändert haben, d.h. die in betreute Wohnanlagen bzw. Service-Wohnanlagen umgezogen sind, haben aufgezeigt, dass die Veränderung der
Wohnsituation zu einem Ansteigen des Niveaus sozialer Kontakte führt, zum einen
weil mit den neuen Nachbarn neue Freundschaften geschlossen werden können,
zum anderen weil der Umzug an sich einen Aktivitätsimpuls auslöst, der sich in einem höheren Kontaktniveau niederschlägt.
Diese Erkenntnisse relativieren ein gängiges Vorurteil, nämlich dass alten Menschen
Veränderungen ihrer Wohnsituation nach Möglichkeit erspart werden sollten, weil sie
ihre sozialen Kontaktnetze im gewohnten Wohnumfeld haben. Dieses Vorurteil geht
von zwei Annahmen aus, die zwar häufig, aber längst nicht immer zutreffen: Erstens
geht es davon aus, dass alte Menschen in funktionierenden Nachbarschaften leben.
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Die Realität ist, dass die Resignierten zu 95% in ihren angestammten Nachbarschaften leben und in genau diesen Nachbarschaften sozial isoliert sind, weil ein großer
Teil ihrer Gleichaltrigen bereits gestorben oder weggezogen sind oder auch, weil sie
sich mit ihnen, häufig schon vor langer Zeit, zerstritten haben. Ein Umzug in eine altersgerechte Wohnanlage bietet dagegen die Chance, in eine Gemeinschaft von
Gleichaltrigen zu kommen, die das gleiche kommunikative Interesse aufweisen und
die von der Vergangenheit unbelastet sind. Die zweite Annahme ist, dass man alten
Leuten grundsätzlich Veränderungen ersparen solle („einen alten Baum verpflanzt
man nicht“). Die Realität ist, dass mit zunehmendem Lebensalter das Niveau von
sozialen Kontakten und von Aktivitäten zurückgeht, dass es aber Kontakte und Aktivitäten sind, die alte Menschen körperlich und geistig rüstig halten (und sogar dementiellen Erkrankungen vorbeugen). Eine – sicherlich durch ein umfassendes Umzugsmanagement abgefederte – Veränderung der Wohnsituation stellt geradezu einen Aktivierungsimpuls dar, der dem Resignationsprozess entgegenwirkt, insbesondere dann, wenn die altersgerechte Wohnsituation – wie beim betreuten Wohnen
üblich – mit integrierten Freizeit- und Kulturprogrammen verbunden ist.
Eine grobe Abgrenzung der verschiedenen Gruppen älterer Menschen lässt sich ferner, zumindest im statistischen Durchschnitt, am Lebensalter festmachen. Heute differenzieren wir zumindest zwischen drei Gruppen:
1. Die Gruppe der rüstigen Frühruheständler (etwa 55 bis 70 Jahre), die zum
großen Teil bereits – z.T. arbeitsmarktbedingt – aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, aber körperlich und geistig aktiv sind. Diese Gruppe verfügt
über umfangreiche Ressourcen; ein sozialpolitischer Handlungsbedarf liegt
darin, das nach dem (häufig ungewollt und plötzlich eingetretenen) Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entstehende Sinn-, Aktivitäts- und Kontaktvakuum
zu füllen und diese Altersgruppe auf die folgenden Lebensphasen vorzubereiten. Soziale Altenarbeit für diese Gruppe bedeutet im wesentlichen Freizeitbeschäftigung, Animation, Bildungsangebote für Alte, Anstiftung von sozialen
Kontakten und Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements, wie dies etwas
durch Projekte wie „ZWAR Zwischen Arbeit und Ruhestand“ oder die Düsseldorfer Netzwerke organisiert wird. Die Wohnbedürfnisse sind in dieser Phase
durch Komfort- und Freizeitorientierung geprägt.
2. Die Gruppe der Ruheständler (etwa 70 bis 80 Jahre), die jetzt in dem Alter
sind, wo spürbare Einschränkungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit und längere Krankheitsphasen eintreten. Zwar ist die Pflege in dieser
Altersgruppe noch kaum ein Thema – die Pflegefallwahrscheinlichkeit liegt
noch unter 5 % - aber das Aktivitätsniveau lässt deutlich nach und die sozialen
Kontaktnetze dünnen sich aus verschiedenen Gründen stark aus. In dieser
Gruppe entstehen die ersten Bedarfe für vorpflegerische Hilfeleistungen, die
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häufig noch Komfortcharakter haben, aber dazu beitragen, eine selbständige
Lebensführung aufrecht erhalten zu können. In dieser Phase beginnen Hausordnungspflichten wie Treppenhausreinigung und Winterdienst schwer zu fallen, hier beginnt Unterstützungsbedarf bei handwerklichen Tätigkeiten im
Haushalt oder bei der Mobilität. In dieser Altersgruppe wird dementsprechend
das betreute Wohnen bzw. Service-Wohnen aktuell, das vorpflegerische Hilfen bietet, außerdem infrastrukturelle Angebote der Altenhilfe wie z.B. Altentreffs oder Altentagesstätten.
3. Die Gruppe der Hochbetagten (über 80 Jahre), bei denen deutliche Einschränkungen auftreten. Mit dem Überschreiten der Schwelle von 80 Jahren
steigt die Pflegefallwahrscheinlichkeit überproportional an und erreicht Werte
von 20 % bei den 80- bis 85jährigen, von 36% bei den 85- bis 90Jährigen und
fast 60% bei den über 90jährigen. In dieser Altersgruppe gewinnt die aufsuchende Betreuung an Gewicht (z.B. „Essen auf Rädern), die ambulante und
auch die stationäre Pflege.
Pflegefallwahrscheinlichkeit von Altersgruppen
70
 InWIS 2001
Pflegefallwahrscheinlichkeit in %
57,61
60
50
40
35,75
30
19,57
20
9,54
10
0
0,55
2,05
0 bis 60
60 bis 70
4,68
70 bis 80 75 bis 80
80 bis 85
85 bis 90 90 und älter
Die Pflegefallwahrscheinlichkeit nimmt mit steigendem Alter überproportional zu.
Zukunft des Wohnens
Datenquelle: DIW 2001
Die soziale Altenarbeit differenziert sich dementsprechend in eine „Pyramide der Altenarbeit“.
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Pyramide der sozialen Altenarbeit
Alter
90
Hospiz
Hochbetagte
stationäre
Pflege
ambulante
Pflege
80
Ruheständler
Altentagesstätten
Betreutes
Wohnen
Betreuung
Wohnungsanpassung
Beratung
70
Frühruheständ60
55
Bildung
Kontakte
Freizeit
Bürgerschaftliches
Engagement
stadtteilbasierte
Projekte
Seniorservice
ZWAR
Komfortwohnen,
Freizeitwohnen
In diese Differenzierung des Altersbildes und der Altenarbeit reiht sich auch die Entwicklung altersgerechter Wohnformen ein. Dem früheren Bild des gebrechlichen, hilfebedürftigen Alten entsprach das Altenheim als eine Wohnform, die Selbständigkeit
und Eigeninitiative eher hemmt als fördert. Es folgte eine Phase, die von der Philosophie der Betreuung geprägt war. Das „betreute Wohnen“ wurde in dieser Zeit entwickelt. Typisch ist, dass die Altenarbeit häufig die gleichen Methoden anwandte wie
die Kindergartenarbeit: Basteln, Plätzchenbacken, Weihnachtssingen. Heute hat sich
das Leitbild der selbständigen und emanzipierten Alten durchgesetzt. Sprachlich
drückt sich das darin aus, dass der Begriff „betreutes Wohnen“ zunehmend durch
den gleichbedeutenden Begriff des „Service-Wohnens“ ersetzt wird, der stärker betont, dass selbstbewusste und kaufkräftige Nachfrage Serviceleistungen nachfragen.
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1.1.2
Definition und Systematisierung der unterschiedlichen Wohnformen
1.1.2.1
Dimensionen altersgerechten Wohnens
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Mit zunehmendem Unterstützungsbedarf ändern sich auch die Anforderungen an das
Wohnen. Hier sind mehrere Dimensionen zu unterscheiden:
Baulich-technische Dimension
In baulich-technischer Hinsicht lassen sich verschiedene Stufen der altersgerechten
Ausführung unterscheiden, die nach Bestand und Neubau variieren:
1. Die Normalwohnung ist häufig nur über Treppen und Stufen zu erreichen und
ist auch im Inneren häufig mit Barrieren („Stolperkanten“) ausgestattet. Insbesondere in Altbauwohnungen sind an vielen Stellen, namentlich in den besonders unfallgefährdeten Badezimmern, die Bewegungsflächen zu klein, die
Türbreiten sind zu gering, es fehlen Haltegriffe, Bodenbeläge sind häufig rutschig, Installationen (wie Spiegel, Toilettensitze etc.) sind häufig schlecht zu
erreichen und zu bedienen. Kritisch ist vielfach auch die als mangelhaft empfundene Sicherheit.
2. Die altersgerecht angepasste Normalwohnung ist eine normale Wohnung, bei
der besonders kritische Punkte altersgerecht nachgerüstet worden sind, beispielsweise durch nachträglichen Einbau eines Treppenlifts, durch Anbringen
von Haltegriffen, durch Ausgleich von Schwellen etc. Die Wohnungsanpassung wird durch die öffentlich geförderte Wohnberatung unterstützt.
3. Die barrierefreie Wohnung nach DIN 18 025 Teil 2 erfüllt weitgehende Anforderungen an die altersgerechte Ausstattung wie innere und äußere Barrierefreiheit, ausreichende Bewegungsflächen und Türbreiten, rutschfeste Bodenbeläge etc. Teil 2 der DIN 18 025 setzt deutlich niedrigere Standards als Teil
1, der Anforderungen an behindertengerechte Wohnungen aufstellt. Beispielsweise sind Wohnungen nach Teil 1 mit Elektrorollstühlen befahrbar,
während Teil 2 lediglich auf normale Rollstühle ausgerichtet ist. DIN 18 025
Teil 2 hat sich rasch nach ihrer Einführung zum Standard für altersgerechtes
Bauen entwickelt, der bei Neubauten Mehrkosten in einer Größenordnung von
rd. 5% erfordert. Deshalb ist es heute eigentlich nicht mehr tolerabel, wenn
sog. „altersgerechte“ Wohnungen gebaut werden, die die Anforderungen der
DIN 18 025 Teil 2 nicht erfüllen. Zwischenzeitlich wurde ein Entwurf für die
DIN 18 030 vorgelegt.
4. Die betreute Wohnanlage besteht in der Regel aus barrierefreien Wohnungen
und bietet darüber hinaus Gemeinschaftseinrichtungen wie Gemeinschaftsund Gruppenräume, Werk- und Bastelräume, ein Beratungszimmer, Cafete-
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rien oder Speisesäle bis hin zum Restaurant, z.T. Freizeitangebote wie Fitnessräume, z.T. auch integrierte Dienstleistungsangebote wie Friseursalon,
Physiotherapie, Fußpflege etc. Häufig findet man auch eine Rezeption bzw.
Concierge.
5. Das Heim erfüllt darüber hinaus die Anforderungen der Heimmindestbauverordnung und des Landespflegegesetzes und ist mit weiteren Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Pflegebäder) ausgestattet. Dafür sind die Wohneinheiten
im Heim i.d.R. unvollständig (keine Trennung zwischen Schlafraum und
Wohnraum, keine Küche, z.T. Mehrbettzimmer) und stellen keine abgeschlossenen Wohnungen dar.
Dienstleistungsdimension
Die baulich-technische Ausstattung allein macht noch kein altersgerechtes Wohnen
aus. Vielmehr gehört zum altersgerechten Wohnen auch ein Dienstleistungsangebot,
das ebenfalls in unterschiedlichen Formen bzw. Stufen angeboten werden kann:
1. Ambulante vorpflegerische Dienstleistungsangebote können, sofern verfügbar,
bei Bedarf angefordert werden. Dazu gehören wohnungs-, haushalts- und
personenbezogene Dienstleistungen, die nicht unbedingt alterstypisch sind,
wie die Wohnungsreinigung, Einkaufsdienste, Wäsche- oder Mahlzeitenservice, die ggf. per Telefon angefordert werden.
2. Infrastrukturelle Betreuungsangebote (Freizeit, Kultur, Beratung, Mahlzeiten
etc.) sind an Einrichtungen im Wohnumfeld wie Altentreffs oder Altentagesstätten gebunden.
3. Virtuelle Betreuungsangebote („virtuelles Altenheim“) erfolgen über Multimedia-Kabelnetze, an die alte Menschen angeschlossen werden. Über interaktive, rückkanalfähige Ton-Video-Systeme können die alten Menschen mit Betreuern kommunizieren und sich beraten lassen oder auch ihre Kommunikations- und Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen.
4. Netzwerke sind stadtteil- oder interessengruppenbasiert und bieten Betreuungsleistungen auf direkter Gegenseitigkeit (z.B. gegenseitige Unterstützung
bei Krankheit, gegenseitige Hilfeleistungen), auf indirekter Gegenseitigkeit
(Tauschringprinzip) oder auf generationsübergreifender Gegenseitigkeit (jüngere und rüstige helfen älteren und gebrechlichen). Beispiele für solche Netzwerke sind die Düsseldorfer Netzwerke (stadtteilbasiert), Zwischen Arbeit und
Ruhestand (ZWAR) (interessengruppenbasiert), Tauschringe (z.B. in LünenBrambauer) oder Seniorengenossenschaften (in Köngen/Baden-Württemberg,
in Köln gescheitert).
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5. Notrufsysteme können sowohl im Wohnungsbestand nachgerüstet werden als
auch integraler Bestandteil von neu errichteten altersgerechten Wohnungen
sein. Während Notrufsysteme im Betreuten Wohnen/Service-Wohnen Standard sind, ist die Akzeptanz der (kostenpflichtigen) Nachrüstung im Bestand
gering.
6. Integrierte vorpflegerische Betreuungsangebote sind ein Definitionsmerkmal
des Betreuten Wohnens bzw. Service-Wohnens und in der Wohnanlage stationiert. Das Spektrum beginnt mit einem erweiterten Hausmeisterservice (Gebäude- und Treppenhausreinigung, haushaltsbezogene und handwerkliche
Hilfen), geht über Beratungsangebote, Freizeit- und Kulturprogramm und
reicht bis hin zur Integration von therapeutischen Dienstleistungen. Für die
Verpflegung gibt es unterschiedliche Optionen, vom ambulanten Bringservice
für Mahlzeiten über Cafeterien und à-la-carte-Restaurants bis hin zur Vollpension.
7. Ambulante Pflege wird weitgehend unabhängig von der Wohnsituation angefordert. Verbundanlagen, die betreutes Wohnen mit stationärer Pflege kombinieren, bieten meist die Möglichkeit, auf den hauseigenen ambulanten Pflegedienst zurückzugreifen. Nach den gesetzlichen Vorschriften muss allerdings
im Betreuten Wohnen die freie Wahlmöglichkeit des ambulanten Pflegedienstes bestehen.
8. Stationäre Pflege ist schließlich das Definitionsmerkmal des Heims gemäß
Heimgesetz. Dazu zählen (die allmählich aussterbenden) Altenheime, die
Pflegeheime und die luxuriösen, hotelähnlichen Seniorenresidenzen oder
Wohnstifte.
9. Betreuung und Pflege in der Wohngruppe ist ein Modell, das sich in dezentralen Wohngruppen oder Wohngemeinschaften findet. Die Betreuung bzw. Pflege kann hier auf Gegenseitigkeit erfolgen, semi-professionell (z.B. durch Minijob-Beschäftigte) oder durch professionelle Pflegekräfte. Das Spektrum reicht
von selbstorganisierten Altenwohngemeinschaften, bei denen sich die (überwiegend rüstigen) Bewohner gegenseitig unterstützen bis hin zu professionell
betreuten Wohngruppen für Schwerkranke oder Demenzkranke.
Eigentumsform
Altersgerechtes Wohnen kann erfolgen
1. zur Miete.
2. im selbstgenutzten Wohneigentum.
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Darüber hinaus existieren verschiedene Mischformen, z.B. Mietwohnungen mit dinglich gesicherten Wohnrechten oder Wohnrechte ohne Objektbezug in Wohnanlagen
mit Kapitalbeteiligungen.
Rechtlicher Status
Hinsichtlich des rechtlichen Status ist zu unterscheiden
1. zwischen altersgerechtem Wohnen, das dem Mietrecht unterliegt, und
2. altersgerechtem Wohnen, das dem Heimgesetz unterliegt.
Die einzelnen Wohn- und Lebensformen älterer Menschen unterliegen in Deutschland sehr unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Abhängig von der
Wohn- bzw. Lebensform kommen auf der Objektseite die Bestimmungen des Heimgesetzes inkl. der jeweiligen Verordnungen, die Landespflegegesetze inkl. der jeweiligen Verordnungen sowie zusätzliche kommunale Bestimmungen, das Mietrecht,
sowie bei öffentlich geförderten Pflegeplätzen bzw. Wohnungen die Bestimmungen
der jeweiligen Förderbestimmungen zum Tragen. Auf Seiten der Nachfrager sind abhängig von den jeweiligen individuellen Lebensbedingungen die Bestimmungen des
SGB XI (gesetzliche Pflegeversicherung), bei Vorliegen einer Behinderung das SGB
IX sowie das BSHG, hier insbesondere die Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 11ff), die
Eingliederungshilfe (§39ff), die Hilfe zur Pflege (§68ff), die Hilfe zur Weiterführung
des Haushaltes (§70ff) sowie die Altenhilfe (§75). Grundsätzlich steigt die Regulierungsdichte mit steigender Betreuungsintensität und Institutionalisierung der Wohnform.
Der Bereich der stationären Pflege ist am stärksten reguliert. Prinzipien der sozialen
Marktwirtschaft gelten hier nur sehr eingeschränkt. Die Einführung der gesetzlichen
Pflegeversicherung und das damit verbundene SGB XI hob zwar die privilegierte
Stellung der frei-gemeinnützigen bzw. wohlfahrtsverbandlichen Träger auf und signalisierte so eine gewisse Marktöffnung; Eine Fülle von sozialrechtlichen Regulierungen
hat jedoch weiterhin Bestand. Hierzu gehören
•
das Heimgesetz (HeimG), mit den entsprechenden Verordnungen (Pflegepersonalverordnung, Heimmindestbauverordnung, Pflegebuchführungsverordnung, Heimmitwirkungsverordnung),
•
das Pflegeleistungsergänzungsgesetz (PflEG),
•
das Pflegequalitätssicherungsgesetz, (PQsG)
•
die Soziale Pflegeversicherung (SGB XI)
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•
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die Landespflegegesetze, hier insbesondere die Regelungen zur Investitionskostenförderung.
Das Heimgesetz, mit seinen verschiedenen Durchführungsverordnungen - zuletzt
2001 novelliert – regelt den Betrieb von stationären Einrichtungen u.a. der Altenpflege. Die entsprechenden Verordnungen enthalten weitreichende Bestimmungen zur
Qualifikation des Personals, der architektonischen Gestaltung und baulichen Ausstattung der Immobilie sowie zum Management im engeren Sinne. Das Heimgesetz beinhaltet insofern eine hohe Regulierungsdichte. Seine Regelungen müssen von jedem Heimbetreiber in Deutschland eingehalten werden. Die Einhaltung dieser Bestimmungen wird durch eine staatliche Aufsichtsbehörde überprüft (die Heimaufsicht), deren Kompetenzen im Rahmen der letzten Novellierung des Heimgesetzes
erweitert wurden.
Neben dem Heimgesetz ist für den Betrieb von Einrichtungen der stationären Pflege
insbesondere das Gesetz zur Sozialen Pflegeversicherung bzw. das SGB XI von Bedeutung. Hier ist u.a. festgehalten, welche Kosten von dem Heimbetreiber dem Versicherten/Pflegebedürftigen bzw. anderen Kostenträgern berechnet werden dürfen.
Darüber hinaus enthält das Gesetz differenzierte Angaben zur Personalstruktur etc..
Die Aufgabe der Sicherstellung der pflegerischen Infrastruktur, d.h. der Immobilien
für die stationäre Pflege, wurde im Pflegeversicherungsgesetz auf die Bundesländer
übertragen. Dieser gesetzgeberische Auftrag wurde von den Bundesländern in den
folgenden Jahren in unterschiedlicher Weise umgesetzt: Während die überwiegende
Mehrheit der Bundesländer das vorher geltende Prinzip der Objektförderung (Förderung von baulichen Investitionen) weitergeführt hat, wurde in Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen zusätzlich zur Investitionskostenförderung eine Subjektförderung in Form von Pflegewohngeld eingeführt. Mit der Novellierung des Landespflegegesetzes, die zum 1. August 2003 in Kraft getreten ist, hat die Landesregierung
Nordrhein-Westfalens einen Strategiewechsel vollzogen: das Land hat sich vollständig aus der objektbezogenen Investitionskostenförderung zurückgezogen und die
Subjektförderung stärker an der Bedürftigkeit der Heimbewohner orientiert.
Auch nach dem Wegfall der objektbezogenen Investitionskostenförderung ist die
Gewährung von Pflegewohngeld in NRW an die Einhaltung von gewissen Standards
bezüglich der Einrichtungsgröße, Ausstattung etc. gebunden. Darüber hinaus sind
die förderfähigen Gesamtkosten auf 76.700 EUR beschränkt. Bis zur Novellierung
des Landespflegegesetzes 2003 wurde Pflegewohngeld allen Pflegebedürftigen gewährt, deren Einkommen nicht für die Finanzierung von Pflege-, Hotel- und Investitionskosten ausreicht. Evtl. vorhandenes Vermögen und das Einkommen von Angehörigen wurde bei der Bemessung des Pflegewohngeldes nicht berücksichtigt. Seit dem
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1. August 2003 wird das Vermögen Pflegebedürftiger oberhalb eines Schonbetrages
von 10.000 EUR in die Einkommensberechnung miteinbezogen. Angehörige werden
jedoch weiterhin nicht zur Finanzierung des Investitionskostenanteils herangezogen.
Das Ziel der öffentlichen Förderung war es, eine bedarfsgerechte Versorgung der
Bevölkerung mit der entsprechenden pflegerischen Infrastruktur sicherzustellen. In
zunehmendem Maße wurde jedoch deutlich, dass die öffentliche Förderung dieses
Ziel nicht erreicht hat. Mit der Novellierung des Landespflegegesetzes und der Konzentration auf die Subjektförderung hat die nordrhein-westfälische Landesregierung
in NRW nicht nur auf einschlägige Rechtssprechung zur Kopplung von Investitionskostenförderung und Pflegewohngeld (BSG Urteil vom 28. Juni 2001) reagiert, sondern auch der Tatsache Rechnung getragen, dass sich die für die Investitionskostenförderung zuständigen Landschaftsverbände sukzessive aus der Finanzierung zurückgezogen hatten. Seit 2001 wurden keine Einrichtungen mehr gefördert; für private Kapitalgeber war ein Investment aufgrund der Kopplung des Pflegewohngeldes an
die Bedarfsbestätigung seitens der Kommunen mit einem erheblichen Risiko verbunden. Folge war ein zum Teil erheblicher Investitionsstau. Inwieweit es in den nächsten Jahren gelingt, private Investoren für ein Engagement in NRW zu gewinnen,
muss abgewartet werden.
Als investitionshemmend wirkt sich zur Zeit die unsichere Situation bezüglich der
Heimmindestbauverordnung aus. Die derzeit gültige Verordnung datiert aus dem
Jahr 1983, mehrere Versuche – zuletzt im Zusammenhang mit der Novellierung des
Heimgesetzes im Jahre 2001 scheiterten. Insbesondere private Investoren sind an
einer kurzfristigen Neufassung interessiert. Von besonderer Bedeutung wäre in diesem Zusammenhang eine größere Flexibilität bei der architektonischen Gestaltung
von stationären Einrichtungen.
Ein weiteres Hemmnis für private Investitionen besteht auf kommunaler Ebene: Einige – auch nordrhein-westfälische Kommunen stehen der Errichtung neuer Pflegeheime tendenziell eher skeptisch gegenüber und zwar aus zwei Gründen: Viele
Kommunen besitzen eigene Pflegeheime, die nicht immer über den modernsten
Standard verfügen. Mit der Genehmigung neuer, modernerer Einrichtungen (die unter Umständen bessere Qualität zu günstigeren Preisen anbieten) schafft man sich
also Konkurrenz für die eigenen Angebote. Darüber hinaus führt die künstliche Verknappung des Angebotes führt dazu, dass mehr Menschen auch bei Heimbedürftigkeit in der eigenen Wohnung bzw. in Krankenhäusern bleiben. Dies liegt insofern im
Interesse der Kommunen, da auch nach Einführung der Pflegeversicherung noch ein
erheblicher Teil der Heimbewohner auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen ist.
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Der Investitionsstau und die damit verbundene künstliche Verknappung des Angebotes an stationären Pflegeplätzen zumindest in einigen Städten und Regionen des
Landes hat jedoch dazu geführt, dass derzeit auch Einrichtungen über eine hohe
Auslastung verfügen, die ein vergleichsweise schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis
aufweisen. Es bleibt abzuwarten, ob sich durch die Novellierung des Landespflegegesetzes auch die Preisgestaltung stärker marktorientierten Prinzipien folgen wird.
Die weiterhin geltenden starren Regulierungen im Bereich der Pflege- und Unterhaltskosten eröffnen privaten Investoren nur sehr geringe Spielräume bei der Erwirtschaftung von Renditen, da alle Leistungen gegenüber den Kostenträgern dokumentiert werden müssen und nach das Kostendeckungsprinzip weiterhin impliziert gilt.
Der Bereich des Betreuten bzw. Service-Wohnens war lange Zeit in einer unsicheren rechtlichen Position. Ein Teil der Betreiber von betreuten Wohnanlagen stellte
sich freiwillig unter die Bestimmungen des Heimgesetzes, andere sahen in betreuten
Wohnungen normale Wohnungen, die nicht unter das Heimrecht mit seinen doch
sehr detaillierten Bestimmungen fallen sollten. Wie bereits dargestellt, ist die Bandbreite der Wohn- und Lebensformen, die unter dem Titel „Betreutes bzw. ServiceWohnen“ firmieren, erheblich. In der Vergangenheit hat es aufgrund dieser rechtlich
unsicheren Situation immer wieder Gerichtsurteile gegeben, die Betreute Wohnanlagen nicht als normale Wohnungen, sondern als Altenhilfeeinrichtungen charakterisierten. Als Konsequenz hat der Gesetzgeber durch die zum 1.1.2002 in Kraft getretene Novelle zum Heimgesetz versucht, eine trennscharfe Abgrenzung zwischen
dem Betreuten Wohnen einerseits und der stationären Einrichtung andererseits zu
schaffen. In § 1 der Neufassung heißt es:
(1) Dieses Gesetz gilt für Heime. Heime im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen, die
dem Zweck dienen, ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden.
(2) Die Tatsache, dass ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten werden,
begründet allein nicht die Anwendung dieses Gesetzes. Dies gilt auch dann, wenn die Mieter
vertraglich verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das
Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Dieses Gesetz ist
anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende
Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen.
Die Formulierung zeigt, dass sich der Gesetzgeber trotz mehrjähriger Diskussionen
und mehrerer anhängiger Streitfälle immer noch nicht zu einer eindeutigen Abgrenzung hat durchringen können, so dass das Gesetz immer noch mit unbestimmten
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Rechtsbegriffen – „untergeordnete Bedeutung“ – operiert. Die Auslegung lautet, dass
an das Betreute Wohnen folgende Anforderungen zu richten sind, damit es nicht unter das Heimgesetz fällt: 1
•
Wenn die Bewohner vertraglich zur Abnahme bestimmter Grundleistungen
verpflichtet werden, so darf der Preis dafür nicht erheblich über 20 % der
Mietkosten inklusive der Nebenkosten liegen.
•
Die Höhen der Miete, der Nebenkosten und der Kosten für eine Grundleistungspauschale sind im Vorfeld vertraglich zu regeln.
•
Es dürfen keine Leistungen doppelt über die Nebenkosten und die Grundleistungspauschale finanziert werden. Die Kosten müssen jeweils klar zuzuordnen sein.
•
Allein ein bestimmtes Angebot an Räumlichkeiten (z.B. Gemeinschaftsräume)
und / oder sozialer Gestaltung des Zusammenlebens der Bewohner ist nicht
ausreichend, um eine Einrichtung unter das Heimgesetz zu stellen.
Ebenso wie die betreuten Wohnungen unterliegen auch altersgerechte Wohnungen dem allgemeinen Mietrecht, das das Verhältnis von Mieter und Eigentümer weitgehend regelt. Im Rahmen der letzten Mietrechtsänderung im Jahr 2001 wurden die
Rechte älterer und/oder behinderter Mieter gegenüber dem Vermieter dahingehend
gestärkt, dass ein Vermieter Umbaumaßnahmen, die aufgrund von körperlichen Einschränkungen erforderlich sind, nur in begründeten Ausnahmen untersagen kann.
Unbenommen bleibt jedoch dem Vermieter das Recht, auf den Rückbau dieser Maßnahmen nach Auszug zu bestehen. Diese Rückbaupflicht wirkt sich weiterhin restriktiv auf Umbaumaßnahmen aus, da viele Ältere angesichts der zu erwartenden Kosten für einen evtl. erforderlichen Rückbau (für den es auch keinen Kostenträger gibt),
vor einer altersgerechten Anpassung ihrer Wohnung zurückschrecken.
Der altersgerechten Anpassung im Bestand wird in den kommenden Jahren jedoch –
auch angesichts der demographischen Entwicklung – ein stärkeres Gewicht zukommen. Die Landesregierung hat die Bedeutung der individuellen Anpassung bereits
Anfang der 90er Jahre erkannt und im Rahmen eines Modellprojektes landesweit
Wohnberatungsstellen gefördert, die ältere und behinderte Menschen beim Umbau
der Wohnung begleiten. Die Umbaumaßnahmen werden bei Pflegebedürftigen auf
Antrag bis zu einer Summe von 2.557 Euro von der Pflegekasse bezuschusst. Ältere,
die nicht pflegebedürftig gemäß SGB XI sind, müssen die Kosten selbst tragen, teilweise übernehmen auch Vermieter zumindest einen Teil der Kosten.
1
Vgl. Ziesche/Epp, Altenheim, Ausgabe 05 / 2002, Seite 33 ff.
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16
Die öffentliche Förderung von neuen altersgerechten Wohnungen ist in NRW bereits
seit 1998 in die Wohnungsbauförderungsbestimmungen integriert worden. Durch die
Integration soll der Neubau von isolierten, ghettoartigen Altenwohnanlagen vermieden werden.
Kostenniveaus
Das Kostenniveau altersgerechten Wohnens variiert sehr stark. Man unterscheidet
das niedrige Niveau (fast ausschließlich öffentlich gefördert), das mittlere Niveau
(das in etwa dem freifinanzierten Wohnungsbau zusätzlich 20 bis 30% für altersgerechte Ausstattung und Gemeinschaftseinrichtungen entspricht), das gehobene Niveau, das sich durch großzügigere Gemeinschaftseinrichtungen und umfangreichere
Dienstleistungen auszeichnet, sowie das Luxusniveau der hotelähnlichen Residenzen und Stifte. Die Wohnkosten setzen sich i.d.R. zusammen aus der Nettokaltmiete,
der Betreuungspauschale und den Betriebskosten. Die Unterschiede innerhalb der
Niveaus resultieren aus den Wohnungsgrößen und aus den regionalen Preisniveaus,
darüber hinaus variieren die Preise aber auch sehr stark, ohne dass sich dies auf
objektive Merkmale zurückführen ließe. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick
über die Preisniveaus altersgerechten Wohnens und die Anteile älterer Haushalte,
die das jeweilige Niveau zu finanzieren vermögen (unter Berücksichtigung, dass Einpersonenhaushalte überproportional vertreten sind):
Monatliche Kostenniveau altersgerechten Wohnens
Niveau
Miete/qm
Miete/ges.
Betreuungspauschale
Wohnkosten
gesamt
Anteil
niedriges Niveau
4-5 €
150-300 €
10-60 €
200-450 €
28%
mittleres
veau
5-10 €
200-700 €
25-150 €
300-1.000 €
46%
gehobenes
Niveau
10-15 €
400-1.500 €
100-250 €
650-2.000 €
22%
Luxusniveau
15-60 €
750-6.000 €
250-750 €
1.250-8.000 €
4%
Ni-
Im Ergebnis zeigt sich, dass das mittlere Preisniveau die Nachfrage nach altersgerechtem Wohnen dominiert. Dagegen haben sich die ersten altersgerechten Wohn-
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17
formen – insbesondere die Seniorenresidenzen – im Luxusniveau entwickelt, das
aber inzwischen aufgrund seines geringen Umfangs deutliche Sättigungserscheinungen zeigt.
Während die vorstehende Tabelle von der Verteilung der Nachfrage ausgegangen
ist, hat empirica die Verteilung des Angebots untersucht und ist dabei zu einer fast
identischen Verteilung gekommen:
Monatliche Kostenniveau altersgerechten Wohnens
Niveau
Miete/qm
Betreuungspauschale
Anteil
niedriges Niveau
4,10-6,70 €
5-59 €
25%
mittleres Niveau
6,70-9,70 €
59-138 €
75%
Gehobenes Niveau
9,70-34,80 €
138-920 €
25%
Quelle: empirica (zitiert nach Kremer-Preiß/Stolarz 2003, S. 88)
Das bestimmende Merkmal des Betreuten Wohnens sind die Betreuungsleistungen.
Typischerweise umfassen die Betreuungsleistungen drei Bereiche:
ƒ
Die Gemeinschaftsflächen, die – je nach Preisniveau – 10% bis 40%
der Gesamtwohnfläche ausmachen. Die Gemeinschaftsflächenanteile
werden über die Nettokaltmiete finanziert, die dementsprechend oberhalb der Marktmiete für vergleichbare Normalwohnungen liegt (zusätzlich kann für die altersgerechte Ausstattung ein Aufschlag von 5 bis
10% gerechtfertigt sein).
ƒ
Die Grundleistungen, die durch eine Betreuungspauschale abgedeckt
werden. Hier handelt es sich in der Regel um ein Notrufsytem, um einen erweiterten Hausmeisterdienst, um ein Freizeit- und Kulturangebot,
um ein Beratungsangebot sowie um ein begrenztes Kontingent an
handwerklichen und haushaltsbezogenen Hilfeleistungen.
ƒ
Die Wahlleistungen, die per Katalog angeboten und einzeln abgerechnet werden.
Die Betreuungspauschale für die Grundleistungen kalkuliert sich nach folgendem
Muster. Dabei ist berücksichtigt, dass eine Betreuungskraft zumindest werktäglich
eine Präsenz von mindestens vier Stunden, in größeren Anlagen auch mehr, aufweisen muss, um die Beratungs-, Hilfe- und Animationsleistungen erbringen zu können.
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18
Hinzu kommen Sachkosten für die gesamte Anlage (z.B. Büro-, Bastel-, Spielmaterial, Medien) sowie die Kosten für das individuelle Notrufsystem.
30 WE
Betreuungskraft (Std./Woche)
Urlaubs- und Krankheitsvertretung
Gesamtarbeitszeit/Woche
Personalkosten/Monat (BAT IVb)
GK-Zuschlag 30%
Summe Personalkosten
Sachkosten
Gesamtkosten/Monat
Notruf/WE/Monat
Kosten/WE/Monat
20
4,6
24,6
2.642,32 €
792,70 €
3.435,01 €
200,00 €
3.635,01 €
40,00 €
181,75 €
50 WE
40
9,2
49,2
4.132,75 €
1.239,83 €
5.372,58 €
300,00 €
5.672,58 €
40,00 €
113,45 €
80 WE
40
9,2
49,2
4.132,75 €
1.239,83 €
5.372,58 €
400,00 €
5.772,58 €
40,00 €
72,16 €
Die Rechnung zeigt, dass die Höhe der Betreuungspauschale von der Zahl der betreuten Wohneinheiten abhängt. Um bezahlbare Betreuungspauschalen zu ermöglichen, ist im allgemeinen von einer Mindestzahl von 30 WE auszugehen. Bei 50 WE
sinken die Kosten weiter, obwohl jetzt eine Vollzeitkraft benötigt wird. Bei 80 WE ist
ein optimaler Punkt erreicht, da bei größeren Anlagen zusätzliches Personal erforderlich wird.
Aufgrund dieser Wirtschaftlichkeitsrechnung stellt die Betreute Wohnanlage mit 50
bis 100 WE das wirtschaftlich optimale Modell dar, um Betreuungsleistungen zu organisieren. Kleinere Wohnanlagen lassen sich wirtschaftlich betreiben, wenn auf semiprofessionelle Kräfte zurückgegriffen wird, die nicht sozialversicherungspflichtig
beschäftigt werden (beispielsweise ein Hausmeisterehepaar, das mietfrei wohnt und
die Betreuungsleistungen erbringt). In solchen Fällen kann die Belastungsgrenze
vielleicht auf knapp 20 WE gedrückt werden.
1.1.2.2 Haupttypen altersgerechter Wohnformen
Kombiniert man die verschiedenen Dimensionen des altergerechten Wohnens, so
ergeben sich folgende Haupttypen:
•
Die Normalwohnung ist nicht altersgerecht ausgestattet, kann aber mit ambulanten Diensten versorgt werden.
•
Altersgerecht angepasste Wohnungen sind Bestandswohnungen, die individuell an die Bedarfe der Bewohner angepasst werden. Dienstleistungen werden ambulant organisiert.
•
Das Eigenheim mit Einliegerwohnung stellt ein vergleichsweise junges
Phänomen dar. Hier wohnt eine Betreuungskraft (häufig Migrantin) in einem
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19
Mini-Job-Verhältnis in der Einliegerwohnung und übernimmt die Betreuung der
Bewohner des Eigenheims.
•
Die (reine) Altenwohnung ist eine Wohnung, die zwar in baulich-technischer
Hinsicht altersgerecht ist, aber nur ambulante Dienstleistungen bietet.
•
Das betreute Wohnen, auch Service-Wohnen genannt,2 bietet selbständiges
Wohnen in abgeschlossenen, altersgerecht ausgestatteten Wohnungen, die
sich in Wohnanlagen befinden, die zusätzliche Gemeinschaftseinrichtungen
und integrierte Betreuungsangebote bieten.
•
Das virtuelle Altenheim bezeichnet Bestandswohnungen, in denen eine gewisse Betreuung über Multimedia angeboten wird.
•
Die Netzwerke im Bestand bieten eine kostengünstige Möglichkeit, eine niederschwellige Betreuung durch bürgerschaftliches Engagement im Wohnungsbestand zu organisieren.
•
Wohnresidenzen bzw. Wohnstifte sind hochpreisige (ab 2.000 € pro Monat),
luxuriöse betreute Wohnanlagen mit hotelähnlichem Service.
•
Heimverbundenes Wohnen bzw. Verbundkonzepte bezeichnen Anlagen,
die betreutes Wohnen mit stationärer Pflege kombinieren, wobei entweder das
Pflegeheim oder das betreute Wohnen dominieren kann.
•
Das Alten- oder Pflegeheim bietet unselbständiges Wohnen mit intensiven
Betreuungsmöglichkeiten und stationärer Pflege.
•
Beim Mehrgenerationenwohnen handelt es sich um Service-Wohnen, das
nicht auf alte Menschen fokussiert ist, sondern wo alte und junge Menschen
miteinander wohnen. Die Dienstleistungen können rein auf Gegenseitigkeit
oder aber auch, wie beim Service-Wohnen, professionell organisiert sein.
•
Dezentrale Wohngruppen sind schließlich kleine Wohngemeinschaften, zumeist in speziell umgebauten Bestandswohnungen.
Die folgende Synopse gibt einen Überblick über die verschiedenen Dimensionen der
einzelnen Wohnformen:
Wohnform
2
Recht- Eigenlicher tumsform
Status
Dienstleistungsangebot
ProjektbeiBaulichtechnische Aus- spiel
stattung
Die Begriffe werden heute synonym verwandt. „Service-Wohnen“ gilt als modernerer Begriff, der die Selbständigkeit der
Bewohner stärker betont.
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20
Mietrecht
Miete/
Eigentum
Ambulant, bei Be- Bestandswohdarf
nungen,
keine
altersgerechte
Ausstattung
Altersge- Mietrecht
recht
angepasste
Wohnung
Miete/
Eigentum
Ambulant, bei Be- Bestandswohdarf
nungen, an den
Bedürfnissen
des Bewohners
ausgerichtet,
i.d.R. unterhalb
der DIN 18 025
Teil 2
MietEigenheim mit recht
Einliegerwohnung
Eigentum
durch
Betreu- Bestandseigenungskraft in der heim, evtl. angeEinliegerwohnung passt
Mietrecht
Miete/
Eigentum
Ambulant, bei Be- Bedarf
stand/Neubau,
hohe Varianz in
Abhängigkeit
vom
Baujahr,
teilweise DIN 18
025 Teil 2
MietBetreutes Woh- recht
nen/ ServiceWohnen
Miete/
Eigentum
Grundleistungsangebot (Notruf,
erweiterter Hausmeisterservice,
Beratung,
Freizeit), Wahlleistungen, hohe Varianz
i.d.R.
Neubau
gemäß DIN 18
025 Teil 2 mit
Gemeinschaftseinrichtungen
(Gruppenräume,
Cafeteria,
Rezeption etc.)
MietVirtuelles
Al- recht
tenheim
Miete/
Eigentum
multimediale
Betreuung, Notruf,
Kommunikation,
Vermittlung
i.d.R. Bestands- Sophia, Bamwohnungen un- berg
terhalb der DIN Tess, Biele18 025 T. 2
feld
Netzwer- Miet-
Miete/
Betreuung
Normalwohnung
Altenwohnung
Fallbeispiele
aus der Koordinierungsstelle Wohnberatung
BirschelMühle, Hattingen,
Seniorenwohnanlagen, Herne
durch i.d.R. Bestands- Düsseldorfer
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ke
im recht
Bestand
Eigentum
Wohnre- i.d.R. Miete/
Heim- Eigentum
sidenz/
gesetz
Wohnstift
Netzwerkmitglieder
wohnungen un- Netzwerke,
terhalb der DIN ZWAR
18 025 T. 2
hotelähnliches,
integriertes
Dienstleistungsangebot (Pflege,
Freizeit,
Kultur,
Gemeinschaft,
Hauswirtschaftliche Dienstleistungen etc.)
i.d.R.
Neubau
nach DIN 18 025
T. 2 mit umfangreichen Gemeinschaftseinrichtungen (Restaurant,
Theater,
Schwimmbad,
Sauna etc.)
21
Heimverbundenes
Wohnen,
Verbundpojekte
Miet- Miete
recht/
Heimgesetz
i.d.R.
Neubau Gertrudenau,
Integriertes
nach DIN 18 025 Herten
Dienstleistungsangebot (Pflege, T. 2
Freizeit, Hauswirtschaftliche Dienstleistungen etc.)
(Alten-)
Pflegeheim
Heim- Miete
gesetz
Integriertes
Dienstleistungsangebot,
v.a.
Pflege
MehrgenerationenWohnen
Mietrecht
Neubau, BirschelSelbsthilfe, Nach- i.d.R.
z.T. nach DIN 18 Mühle, Hatbarschaftshilfe
tingen
025 T. 2
sowie ambulant
Dezentrale
Wohngruppen
Miet- Miete
recht/
Heimgesetz
Miete/
Eigentum
Integriertes
Dienstleistungsangebot
(semiprofessionell
und/oder professionell)
Neubau/Bestand
nach Heimmindestbauverordnung, Vorschriften des Landespflegegesetzes
angepasste Bestandswohnungen,
Neubau
gemäß DIN, ggf.
Heimmindestbauverordnung
Die Zielgruppenanalyse zeigt folgende Problemkreise auf:
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22
•
Während für die oberen Einkommensgruppen reichlich Angebote existieren,
sind Wohnangebote im unteren und mittleren Preisbereich schwieriger zu organisieren.
•
Insbesondere im Wohnungsbestand gibt es Finanzierungsprobleme für wohnbegleitende Dienstleistungen.
1.1.3 Eignung altersgerechter Wohnformen für unterschiedliche Zielgruppen
Die folgende Synopse gibt einen Überblick über die potentiellen Zielgruppen der verschiedenen Wohnformen.
Wohnform
Zielgruppe
Einkommens- Lebensstil
höhe
Altersgruppe
Lebensphase
Gesundheitszustand und
Aktivität
Normalwohnung
55+
Frühruhestand
aktiv und rüstig alle
alle
Altersgerecht
angepasste
Wohnung
70+
Ruhestand, Mit HilfeHochbetag- und/oder leichter Pflegebete
dürftigkeit
alle
alle
Eigenheim mit
Einliegerwohnung
70+
hoch
Ruhestand, Mit HilfeHochbetag- und/oder Pflete
gebedürftigkeit,
auch schwer
Altenwohnung
70-80
Ruhestand
Betreutes/Service
Wohnen
75+
Ruhestand, Mit HilfeHochbetag- und/oder leichter Pflegebete
dürftigkeit
alle
alle
Virtuelles Altenheim
55+
alle
alle
alle
Mit körperlichen Niedrig/Mittel
Einschränkungen, aber selbständig
Mit Hilfeund/oder leichter Pflegebedürftigkeit
alle
Aktive,
Gemeinschaftsorientierte,
Familienorientierte
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Netzwerke im
Bestand
55+
Leistungs- Rüstige und
Aktive / Hilfeerbringer:
bedürftige
Frühruheständler,
Leistungsempfänger:
Ruheständler, Hochbetagte
eher mittel
23
v.a. aktive
und
gemeinschaftsorientierte
Wohnresi70+
denz/Wohnstift
hoch
Ruhestand, Mit HilfeHochbetag- und/oder Pflegebedürftigkeit,
te
auch schwer
Gemeinschaftsorientiert
75+
Heimverbundenes Wohnen
(Altenwohnheim)
Niedrig/mittel
Ruhestand, Mit HilfeHochbetag- und/oder Pflegebedürftigkeit,
te
auch schwer
Gemeinschaftsorientiert
(Alten-) Pflegeheim
80+
Hochbetag- Pflegebedürfte
tigkeit, auch
schwer
alle
Alle
Mehrgenerationen-Wohnen
55+
alle
Mit Hilfeund/oder Pflegebedürftigkeit
Niedrig/mittel
Gemeinschaftsorientiert
Dezentrale
Wohngruppen
55+
alle
Pflegebedürftigkeit; insbesondere dementiell Erkrankte
alle
Gemeinschaftsorientiert
Eine neue Zielgruppe bilden die alten Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere die große Gruppe der türkischstämmigen Migranten, die in Zukunft auch in
den höheren Altersgruppen wachsende Anteile stellen werden. Erste, überwiegend in
qualitativen Studien gesammelte Erkenntnisse deuten dabei auf folgende Bedarfslage hin (vgl. Keteci 2003):
•
Der weitaus größte Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund wird in
Deutschland bleiben, auch wenn der Aufenthalt immer wieder mit durchaus
länger andauernden Aufenthalten im Heimatland unterbrochen wird. Ein wesentliches Motiv, in Deutschland zu bleiben, liegt auch in der als besser angesehenen gesundheitlichen Versorgung.
•
Ältere Migranten sind im Durchschnitt aufgrund belastender Erwerbsbiographien und der Migrationsgeschichte früher und stärker körperlichen Einschränkungen ausgesetzt. Der Gesundheitszustand ist generell schlechter, so
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24
dass ältere Migranten höhere Betreuungsbedarfe und Pflegefallwahrscheinlichkeiten aufweisen werden.
•
Im Gegensatz zu gängigen Vorurteilen lebt der größte Anteil älterer Migranten,
namentlich älterer Türken, nicht in Großfamilien, sondern in Zwei- und Einpersonenhaushalten.
•
Ältere türkische Männer sind in ihrem Freizeitverhalten sehr stark auf die Moschee fixiert, wo sie auch ihre sozialen Kontakte rekrutieren und vielfältige Unterstützung mobilisieren können.
•
Ältere türkische Frauen sind dagegen auf die Wohnung fixiert und von sozialer
Isolation und Einsamkeit bedroht. Handarbeiten und Frühstückstreffs stellen
Ansatzpunkte für die soziale Arbeit dar, die Frauen aus ihrer Isolation zu holen.
•
Aus diesen Merkmalen ergibt sich durchaus ein hoher Bedarf betreutem Wohnen für ältere Migranten.
•
Im Alter sind Migranten allerdings mental stark auf ihre Heimat fixiert. Daraus
ergeben sich verschiedene Konsequenzen für Wohnformen im Alter:
ƒ
Im Alter besteht kein Interesse mehr an integrativen Wohnformen.
ƒ
Man bevorzugt die Kommunikation mit Betreuungskräften und Mitbewohnern in der Muttersprache.
ƒ
Großer Wert wird auf die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse gelegt. Für Muslime betrifft dies auch Kleidungsvorschriften und Ernährung.
ƒ
Betreuung und erst recht Pflege können nur durch gleichgeschlechtliche Kräfte erfolgen.
Wohnformen für ältere Migranten sind derzeit noch ausgesprochen selten. Eine Ausnahme bildet das vom Deutschen Roten Kreuz in Duisburg betriebene „Haus am
Sandberg“, das ein multikulturelles Seniorenheim darstellt, das eine multikulturelle
Küche sowie einen prächtig ausgestatteten islamischen Gebetsraum bietet. Allerdings wird das multikulturelle Seniorenheim von den Migranten eher zögerlich angenommen.
Aus heutiger Sicht erscheinen kulturspezifische Wohnanlagen zumindest für türkischstämmige bzw. muslimische Migranten als das nachfragegerechtere Angebot.
1.1.4 Wohnwünsche und Wohnmobilität alter Menschen
In einer bundesweiten Repräsentativbefragung von über 1.000 älteren Menschen,
die wir im Auftrag der Schader-Stiftung und des Bundesbauministeriums durchge-
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
25
führt haben (Heinze, Eichener et al. 1997), fragten wir nach vorstellbaren Wohnformen für das Alter. Diese Untersuchung stellt nach wie vor die methodisch sicherste
Quelle für Informationen über die Wohnwünsche älterer Menschen dar, zumal hier
wenig kurzfristige Änderungen zu erwarten sind. Auch der Bericht des Kuratoriums
Deutsche Altershilfe und der Bertelsmann Stiftung vom August 2003 nennt diese
Studie (wenngleich nicht in korrekter Zitation) als zentrale Referenz für die aktuellen
Erwartungshaltungen an das Wohnen im Alter (Kremer-Preiß/Stolarz 2003, S. 7;
auch S. 74f.).
Vorstellbare Wohnformen für das Alter
- Mieter in Westdeutschland, älter als 55 Jahre
ja
40,9
37
33,5
26,3
jetzige Wohnung umbauen
44,3
12,1
Seniorenresidenz
29,5
24,8
Wohnung im Haus der Kinder
35
8,9
22,7
15,9
Wohnung mit Kindern
Wohngemeinschaft
42,6
27,1
"Service"-Wohnen
Hausgemeinschaft
29,9
23,6
"normale" Wohnung mit DL
Altenwohnheim
Angaben in Prozent
eventuell
"normale" Wohnung ohne DL
-
29,8
6
6,1
Umzugswünsche und Umzugsmöglichkeiten älterer Menschen
19,3
© InWIS 1996
Es war nicht überraschend, dass die normale Wohnung ohne begleitende Dienstleistungsangebote an erster Stelle genannt wurde. Denn erstens ist das die Wohnform,
die bekannt ist und zweitens war unsere Zielgruppe - ab 55 Jahren - noch relativ jung
und vielfach von der Betreuungsbedürftigkeit weit entfernt. Das auffällige Ergebnis
ist, dass Formen des Service-Wohnens, nämlich eine normale Wohnung mit integriertem Dienstleistungsangebot und das Service-Wohnen, das unter den älteren
Menschen noch weitgehend unbekannt ist und während der Befragung nur mit knappen Worten erläutert werden konnte, bereits an zweiter und dritter Stelle genannt
werden. Die Wohnungsanpassung folgt an vierter Stelle. Danach wird die Seniorenresidenz genannt, wobei vielen Befragten bewußt ist, dass sie Schwierigkeiten haben
würden, solche hotelähnlichen Anlagen zu finanzieren.
Die Wohnung im Haus der Kinder liegt keineswegs auf den vorderen Rängen, und
das Altenwohnheim wird heute nur noch von einer geringen Zahl älterer Menschen -
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
26
knapp 9% - akzeptiert. Gleichfalls rechnen allerdings viele Befragte damit, möglicherweise später keine andere Alternative zu haben. Kollektive Wohnformen wie die
Hausgemeinschaft und die Wohngemeinschaft, die in den letzten Jahren intensiver
diskutiert worden sind, spielen in Deutschland erst eine untergeordnete Rolle.
Diese empirischen Ergebnisse lassen sich auf einen Punkt bringen: Die älteren Menschen möchten, auch wenn erste körperliche und/oder geistige Einschränkungen
auftreten, so lange wie möglich selbständig und selbstbestimmt wohnen. Der vollständig ausgestatteten, abgeschlossenen Wohnung mit einem ergänzenden Betreuungs- und Dienstleistungsangebot wird die überwältigende Präferenz eingeräumt
Dass dem Service-Wohnen eine so hohe Präferenz eingeräumt wird, deutet darauf
hin, dass die nachwachsende Generation der Älteren sich im stärkeren Maße bewusst ist, dass sie später einmal auf Hilfs- und Betreuungsleistungen angewiesen
sein wird.
Von den 55 bis 75jährigen - also einer überwiegend noch recht rüstigen Gruppe gaben 8% an, derzeit Hilfeleistungen im Alltag in Anspruch zu nehmen. Über 90%
der gleichen Gruppe rechnen jedoch damit, in Zukunft auf Hilfeleistungen angewiesen zu sein.
Inanspruchnahme und subjektiv eingeschätzter zukünftiger Bedarf an Hilfen
Inanspruchnahme
54,2 %
Zukünftiger Bedarf
53,2 %
41,5 %
32,4 %
27 %
19 %
4,4 %
4,9 %
4,1 %
2,9 %
4,3 %
2,1 %
2,9 %
15,8 %
1,7 %
10,3 %
8,2 %
1,1 %
Putzen & Aufräumen Behördengänge
Arztbesuche
Körperpflege
Besuch kult.Veranst.
Einkaufen
Wäsche waschen
Kochen
Spaziergänge
Umzugswünsche und Umzugsmöglichkeiten älterer Menschen
InWIS 1995
Die vorstehende Abbildung stellt die gegenwärtige Inanspruchnahme und den zukünftigen Bedarf an Hilfeleistungen differenziert gegenüber. Aus dieser Grafik ist
nicht nur zu ersehen, dass das Potential an wohnbegleitenden Dienstleistungen das
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27
gegenwärtige Angebot und die gegenwärtige Nachfrage weit übersteigt, sondern
auch, dass der quantitative Schwerpunkt des Bedarfs weniger auf der „harten“ Pflege
liegt als vielmehr auf „weichen“, vorpflegerischen Hilfeleistungen im Alltag, wie Putzen und Aufräumen, Einkaufen, Behördengängen, Wäsche waschen, Arztbesuche
oder Kochen. Es sind solche vorpflegerischen, manchmal nur gelegentlich in Anspruch zu nehmenden Hilfeleistungen, die die Aufrechterhaltung einer selbständigen
Lebensführung in der eigenen Wohnung ermöglichen, wenn erste körperliche oder
geistige Einschränkungen eintreten. Solche vorpflegerischen Hilfen machen dann
einen Umzug in die stationäre Pflege häufig überflüssig.
Wer leistet solche Hilfen im Alltag? Nicht überraschend ist, dass die Mehrzahl der
Hilfeleistungen durch Kinder, Ehepartner, Verwandte, Freunde, aber auch mit 25%
zu einem beträchtlichen Teil durch Nachbarn erfolgt. Professionelle soziale Dienste
wie Wohlfahrtsverbände mit 11%, Pflegestationen 10% und private Dienste mit 4%
rangieren auf den hinteren Rängen.
Fragt man jedoch, welche Helfer bevorzugt würden, ergibt sich ein anderer Akzent.
Erwartungsgemäß stehen Kinder und Ehepartner immer noch auf den vorderen
Rängen. Aber die Pflegestationen und sozialen Dienste haben sich mit 23% bereits
auf den dritten Rang vorgeschoben und auch die Wohlfahrtsverbände mit 15%, ehrenamtliche Helfer mit 8% und private Dienste mit 7% werden in einem deutlich höherem Maße präferiert. Hier zeigt sich ein klarer Trend, dass die nachwachsenden
Alterskohorten in stärkerem Maße auf professionelle soziale Dienste zurückgreifen
werden. Dies bestätigt sich bei der „Gretchenfrage“, ob die Bereitschaft vorhanden
ist, für wohnbegleitende Dienstleistungen Geld zu zahlen. Über ein Viertel der Befragten ist ohne weiteres dazu bereit, und über 70% können sich dies zumindest vorstellen, wenn es notwendig sein sollte.
Interessant ist, dass es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Altersgruppen gibt. Hier überlagern sich zwei Tendenzen. Erstens, dass die Älteren im höheren
Maße auf wohnbegleitende Dienstleistungen angewiesen sind, zweitens, dass die
Jüngeren - hier die 55 - 65jährigen - in stärkerem Maße bereit sind, Geld für professionell erbrachte Dienstleistungen auszugeben. Dies deckt sich mit unseren Befunden anderer Untersuchungen. Unter den jüngeren Älteren wächst das Bewußtsein,
dass die Familie nicht mehr in der Lage ist, die Betreuung im Alter zu übernehmen
und dass man auf professionelle Dienste angewiesen sein wird, für die man im
wachsenden Maße aber auch bereit ist, Geld auszugeben.
InWIS GmbH
Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
28
Wieviel Geld könnten Sie im Monat für wohnbegleitende Dienstleistungen
ausgeben ?
-
Mieter,
35,9%
bis 50 €
25,9%
bis 100 €
16,5%
bis 150 €
bis 200 €
9,5%
bis 250 €
über 250 €
55 bis 65 Jahre
6,2%
6%
38,9%
bis 50 €
23,7%
bis 100 €
bis 150 €
15,3%
bis 250 €
66 bis 75 Jahre
5,4%
bis 200 €
13%
3,8%
über 250 €
Umzugswünsche und Umzugsmöglichkeiten älterer Menschen
InWIS 1996
Bei den Beträgen, die für wohnbegleitende Dienstleistungen aufgewandt werden
können, zeigen sich einerseits durchaus beachtliche ökonomische Potentiale, wenn
immerhin fast 40% über 100 € pro Monat ausgeben könnten. Andererseits gibt es
aber auch eine große Gruppe, die nur bis zu 50 € pro Monat ausgeben kann. Wohnbegleitende Dienstleistungen bzw. Service-Wohnen für diese Gruppe anbieten zu
können, ist die zentrale Herausforderung, mit der das altersgerechte Wohnen konfrontiert ist.
Ein großer Teil der altersgerechten Wohnformen, insbesondere das betreute Wohnen/Service-Wohnen, setzt einen Umzug im hohen Alter voraus. Das durchschnittliche Einzugsalter in das betreute Wohnen liegt bei 78 Jahren. Einem gängigen
Sprichwort zufolge („Einen alten Baum verpflanzt man nicht“) seien alte Menschen
jedoch nicht bereit, noch einmal umzuziehen. Nach einer viel zitierten Untersuchung
von Friedrich (1993) ist zwar die Mobilität Älterer dreimal geringer als bei jüngeren
Haushalten. Die Umzugsquote bei jüngeren Haushalten lag seinerzeit (bei angespanntem Wohnungsmarkt) bei ca. 7 Prozent per anno. Im Schnitt wechselt ein
Haushalt alle 14 Jahre einmal seinen Wohnsitz. Die Umzugsquote bei älteren Haushalten beträgt im Durchschnitt 2,5 Prozent p.a., wobei die Quote bei den Mietern mir
3,6 Prozent p.a. deutlich höher ist als bei Eigentümerhaushalten mit rund 1 Prozent.
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
29
Anteil umgezogener Haushalte nach Alter und Wohnstatus
20%
Eigentümer
Mieter/Untermieter
15%
10%
5%
0%
16 - 29 Jahre
45 - 49
55 - 59
65 - 69
75 - 84
Altersklassen der ältesten antwortenden Person im Haushalt
Quelle: SOEP, gepoolter Längsschnitt 1984-1994 (n=47211)
Bei den Einpersonenhaushalten sinkt zudem die Umzugswahrscheinlichkeit mit dem
Alter zunächst und steigt erst ab dem 75. Lebensjahr wieder an - ein Effekt der (in
vielen Fällen so zu bezeichnenden) „Notumzüge“ bei eintretender Hilfs- und Pflegebedürftigkeit in Pflegeheime. Und auch einer sekundärstatistischen Auswertung des
SOEP zufolge ziehen nur 1 % der Eigentümer- und 3,6 % der Mieterhaushalte über
55 Jahren per anno noch einmal um - die „Notumzüge“ hierbei bereits herausgerechnet.
Die einstellige Zahl vor dem Komma läßt sich leicht als Faktor der Immobilität interpretieren. Doch genau genommen sagt ein statistischer Jahresdurchschnittswert wenig über die komplexe Mobilitätsproblematik aus. Tatsächlich ist allein die realisierte
Mobilität älterer Haushalte zwischen 55 und 75 Jahren wesentlich höher als bislang
angenommen.
Rechnen wir mit der Zahl von 3,6 % (SOEP) einmal exemplarisch weiter. Was geschieht mit einer Gruppe von 100 westdeutschen Ein- und Zweipersonenhaushalten,
die heute um die 55 sind und in Mietwohnungen wohnen? Das Resultat ist verblüffend: Verschiedene Faktoren von Haushaltsveränderungen sowie die Daten der
„Sterbetafeln“ des Statistischen Bundesamtes inbegriffen, liegt die Wahrscheinlichkeit für einen heute 55jährigen Ein- oder Zweipersonenhaushalt, bis zum Alter von 75
Jahren noch mindestens einmal umzuziehen, bei erstaunlichen 52,23 %.
Prozentualer Anteil der umziehenden Haushalte (Basis: 100 Haushalte)
Fehler! Keine gültige Verknüpfung.
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Nach der gleichen Rechnung zieht (auf der Basis von 1 % Umzügen per anno) fast
jeder vierte westdeutsche Eigentümerhaushalt zwischen dem 55. und dem 75. Lebensjahr noch einmal um: exakt 23,48 %.
Soweit zwei Modellrechnungen auf Basis der Daten des Sozio-oekonomischen Panels. Auch im Rahmen der Repräsentativbefragung wurde ein sehr hoher Wert alleine für die westdeutschen Haushalte ermittelt, die zwischen ihrem 55. Lebensjahr und
dem Zeitpunkt der Befragung bereits einmal umgezogen sind: 33,8 % haben diesen
Schritt bereits vollzogen. Von diesen Haushalten sind 80,9 % in Mietwohnungen umgezogen, 19,1 % haben eine Eigentumswohnung gewählt. Allerdings gibt die Untersuchung des tatsächlichen Umzugsverhaltens nur eine Momentaufnahme zum Befragungszeitpunkt wieder, denn zu denjenigen, die ihre Mobilität bereits unter Beweis
gestellt haben, müssen diejenigen addiert werden, die noch nicht umgezogen sind,
aber zum Umzug bereit sind. Die folgende Graphik fasst alle möglichen Situationen
zusammen:
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Anteil der mobilen und umzugsbereiten Mieter in den alten Bundesländern
Mieter gesamt
Mobile
Haushalte
65,1 %
Umzugsbereite
Haushalte
33,6 %
bereits
umgezogen
Gesamtgruppe
der 55- bis
75jährigen
Mieterhaushalte
n = 305
44,3 %
davon
weiterhin
umzugsbereit
12,8 %
bereits
umgezogen
und
weiterhin
umzugsbereit
12,8 %
nicht
wieder
umzugsbereit
31,5 %
nicht
umgezogen,
aber
umzugsbereit
nicht
umgezogen,
aber
umzugsbereit
20,8 %
20,8
Zunächst sind von den über 55-75jährigen westdeutschen Mieterhaushalten aus unserer Befragung 44,3 % seit Vollendung des 55. Lebensjahres bereits einmal umgezogen. Sie haben ihre Mobilität also gewissermaßen bereits unter Beweis gestellt.
Weitere Mieter, die noch nicht umgezogen sind, möchten diesen Schritt aber noch
nachholen: exakt 20,8 %. Zusammengenommen ergibt das 65,1 % der westdeutschen Mieterhaushalte, die Mobilität bewiesen und/oder bekundet haben.
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Erst die Kombination von bereits erfolgten Altersumzügen und geäußerter Umzugsbereitschaft führt zu den „richtigen“ Ergebnissen: Zwei Drittel der älteren Mieterhaushalte sind als mobil zu bezeichnen. Die Mobilität älterer Menschen ist also eine unterschätzte Größe.
Die gleiche Rechnung für die Eigentümerhaushalte in Westdeutschland zwischen 55
und 75 Jahren: 16,5 % sind bereits einmal umgezogen. Weitere 13,5 % sind es noch
nicht, melden aber unter verschiedenen Bedingungen ihre Bereitschaft für einen
Wohnungswechsel an. Zusammen macht das einen Anteil von 30 % der von uns befragten Eigentümerhaushalte, die man als mobil bezeichnen kann. Damit findet sich
auch unter den älteren Wohnungseigentümern ein beachtliches Mobilitätspotential,
das eine große Bedeutung insbesondere in Anbetracht der Tatsache aufweist, dass
viele Eigenheime nicht altersgerecht ausgestattet sind und häufig in peripheren, infrastrukturell schlecht versorgten Siedlungen liegen.
Fragt man nach den Bedingungen, unter denen man die Wohnung wechseln würde,
ergibt sich ein klares Ergebnis. Es sind zwei Faktoren, von denen die Umzugsbereitschaft abhängt: Das Angebot einer attraktiven altersgerechten Wohnung und die Verfügbarkeit eines Umzugsmanagements. Ganz offensichtlich schafft sich das Angebot
seine Nachfrage: Ein Angebot an attraktiven altersgerechten Wohnungen wirkt als
„pull-Faktor“ und kann Veränderungen der Wohnsituation auslösen, insbesondere
wenn erleichternde Umzugshilfen angeboten werden. Dies gilt in verstärktem Maße
auch für Eigentümer:
Die Umzugsbereitschaft variiert allerdings nach Regionstypen. Die folgende Tabelle
spiegelt die deutlich höhere Umzugsbereitschaft in den Kernstädten gegenüber den
übrigen Regionstypen (worin sich auch die höheren Eigentümerquoten auf dem Land
widerspiegeln).
Umzugsbereitschaft nach Regionstypen in Westdeutschland (Mieter u. Eigentümer)
Umzugsbereitschaft
ja
nein
Kernstadt
35,2%
64,8%
hochverdichteter Kreis
29,1%
70,9%
verdichteter Kreis
20,8%
79,2%
ländlicher Kreis
18,1%
81,9%
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Zusammenfassung
Fassen wir die empirischen Erkenntnisse zusammen, so lassen sich folgende
Schlussfolgerungen festhalten:
•
Über 90 % der älteren Menschen sind sich bewusst, dass sie im Alter auf
wohnbegleitende Dienstleistungen angewiesen sein werden.
•
Unter den nachgefragten Dienstleistungen dominieren vorpflegerische Hilfen,
die das Leben im Alter erleichtern und dazu beitragen, eine selbständige Lebensführung aufrecht zu erhalten, auch wenn die ersten körperlichen und/oder
geistigen Einschränkungen auftreten.
•
Es lässt sich eine steigende Präferenz für professionell erbrachte Dienstleistungen feststellen, da man im Alter nicht von Angehörigen abhängig sein will.
•
Die Bereitschaft, für wohnbegleitende Dienste Entgelte zu entrichten, ist - sofern Bedarf vorliegt – durchaus vorhanden. Die Zahlungsbereitschaft liegt
auch der Höhe nach im Variationsbereich der Betreuungspauschalen des betreuten Wohnens/Service-Wohnens. Allerdings zeigt die Praxis, dass diese
Zahlungsbereitschaft in der Regel an einen Umzug geknüpft ist, d.h. für die
„Nachrüstung“ von Dienstleistungsangeboten im Wohnungsbestand reicht die
Zahlungsbereitschaft nicht aus, während Servicepauschalen im betreuten
Wohnen eine hohe Akzeptanz finden.
•
Es gibt klare Präferenzen für die altersgerecht angepasste Bestandswohnung
mit ergänzendem Dienstleistungsangebot und für das Service-Wohnen bzw.
das betreute Wohnen. Das klassische Altenheim wird nicht mehr akzeptiert.
Auch das Zusammenleben mit den Kindern genießt eine niedrige Präferenz.
Die Altenwohngemeinschaft stellt – trotz ihrer hohen medialen Präsenz - allenfalls ein Nischenprodukt dar.
•
Die Umzugsbereitschaft älterer Menschen stellt eine unterschätzte Größe dar.
Zwei Drittel der Mieter und immerhin noch 30 % der Eigentümer sind bereit, im
Alter noch einmal umzuziehen. Dies spiegelt sich auch im tatsächlichen Umzugsgeschehen wider.
1.1.5 Beispiele für innovative altersgerechte Wohnformen
Im folgenden sollen ausgewählte Beispiele für altersgerechte Wohnformen dargestellt werden, wobei der Schwerpunkt auf innovativen, besonderen Projekten aus
Nordrhein-Westfalen liegt.
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Das Virtuelle Altenheim
Bei dem virtuellen Altenheim handelt es sich um eine Idee, die vor rund 10 Jahren
aus einem (allerdings mit 8 Teilnehmern sehr klein dimensionierten) Projekt (dem
„Haus-Tele-Dienst der Nassauischen Heimstätte in Frankfurt am Main) hervorgegangen ist und dann von Dr. Josef Hilbert (Institut Arbeit und Technik, IAT) in NRW propagiert worden ist. In NRW hat es mit TESS, Bielefeld, einen – inzwischen allerdings
gescheiterten – Versuch gegeben, ein zweiter Versuch wird in Deutschland derzeit
mit dem Projekt SOPHIA in Bamburg gestartet.
TESS- „Teleservice für Senioren“ in Bielefeld (Ev. Johanneswerk)
Projekt: Am 1.4.1998 startete das Johanneswerk in Bielefeld das Modellprojekt „Telefonservice für Senioren“ (TESS, später „Telefonservice für Sie“). Dieser Service war
als Ergänzung des Hausnotrufes gedacht, den das Johanneswerk schon seit 1991 in
Zusammenarbeit mit der Johanniter Unfallhilfe betreibt. Dahinter stand die vom IAT
entwickelte Idee des „Virtuellen Altenheims“. Ziel des Projektes war es, ältere Menschen beim Verbleib in der eigenen Wohnung mit Hilfe eines erweiterten
Dienstleistungs-, Beratungs- und Kommunikationsangebotes zu unterstützen und
damit deren Lebensqualität nachhaltig zu verbessern.
Bei dem Projekt kamen ISDN-Bildtelefone zum Einsatz, die eine Kommunikation per
Blickkontakt zu der Service-Zentrale und den anderen Teilnehmern ermöglichten. In
den drei teilnehmenden Altenheimen wurde stattdessen eine fernsehbasierte Technik verwendet.
Stand zu Beginn des Projektes noch die Vermittlung von Service- und Pflegedienstleistungen im Vordergrund, entwickelte sich TESS mit fortschreitender Laufzeit immer stärker hin zu einem zugehenden sozialen Kommunikationsangebot für ältere
Menschen: So fanden regelmäßig moderierte Videokonferenzen –die sogenannten
„Blickkontakt-Programme“- mit unterschiedlichen Schwerpunkten statt (Unterhaltung,
Nachrichten, Kultur usw.) Zusätzlich gab es noch Bildtelefon-gestützte Beratungsgespräche. Einige Teilnehmer nutzten die Bildtelefone zusätzlich auch zu kleinen , privaten Videokonferenzen.
Finanzierung: Die ersten zwei Jahre wurde das Modellprojektes von der Deutschen
Telekom-Tochter Berkom, die letzten drei Jahre vom Johanneswerk finanziert.
Fazit: TESS wurde nach Ende der vereinbarten Projektlaufzeit Ende März 2003 eingestellt. Ausschlaggebender Grund dafür war vor allem, dass man nicht genügend
Teilnehmer für einen kostendeckenden Betrieb gefunden hatte. Bei Ende der Projektlaufzeit konnte man neben drei Altenheimen lediglich noch fünf Privatteilnehmer zu
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seinen Kunden zählen (allerdings waren es auch zu Spitzenzeiten im Jahr 1999 nur
27 Personen).
Als Ursache für die geringen Teilnehmerzahlen werden vor allem zwei Gründe angeführt: Zum einen die „Technikscheu“ älterer Menschen, zum anderen konnten sich
scheinbar viele potentielle Teilnehmer die mit TESS verbundenen Chancen und
Möglichkeiten schlicht und einfach nicht vorstellen.
Auffällig war vor allem, dass mit Einführung von Gebühren (28,20 Euro pro Monat für
Teilnehmer, die nur TESS genutzt haben, 18 Euro für Personen, die auch schon
Kunde beim Hausnotruf waren) die Mehrzahl der Nutzer/innen ausgeschieden ist.
Die Bereitschaft, für die zusätzlichen Dienstleistungen eine Pauschale zu entrichten,
war nicht vorhanden (ein typisches, über dieses Projekt hinaus anzutreffendes Phänomen).
Modellprojekt SOPHIA in Bamberg (Joseph-Stiftung)
Projekt SOPHIA: Hinter dem Kürzel SOPHIA (steht für "Soziale Personenbetreuung Hilfen im Alter") verbirgt sich ein neues Modellprojekt der Joseph-Stiftung in Bamberg, welches man unter der Kategorie „Virtuelles Altenheim“ einordnen kann. Mittels
geringer technischer Aufrüstung wird der Fernseher zum Bildtelefon, mit dem ein direkter visueller Kontakt mit den Mitarbeitern der SOPHIA Service-Zentrale ermöglicht
wird. Ziel des Projektes ist die Unterstützung der Selbständigkeit älterer Menschen in
der eigenen Wohnung.
Neben der Bereitstellung eines Hausnotrufs und der Vermittlung von kostenpflichtigen Pflege- und Servicedienstleistungen steht die Zentrale dem Betroffenen auch bei
fast allen lebenspraktischen Angelegenheiten mit Rat und Tat zur Seite (z.B. Gesundheit, Seelsorge, Hauswirtschaft, Haustechnik usw.). Dadurch soll nicht nur die
Selbständigkeit der älteren Menschen aufrechterhalten werden, gleichzeitig soll ihnen auch ein Gefühl der Sicherheit gegeben werden. Über das Bildtelefon sind auch
Kontakte zu anderen Teilnehmern sowie Freunden und Bekannten möglich, unter der
Bedingung, dass letztgenannte ebenfalls über die entsprechende technische Ausstattung verfügen.
In der im Juni 2003 angelaufenen ersten Testphase nehmen 50 Haushalte an dem
Projekt teil, die jeweils eine monatliche Pauschale von 25 Euro zu entrichten haben.
Anfang 2004 soll die Teilnehmerzahl auf 100 Haushalte ausgeweitet werden.
Finanzierung: SOPHIA wird finanziert und gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit, des bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, der Bayerische Landesstiftung, der Oberfrankenstiftung,
von ARCOR, der Stadtbau Bamberg und der beteiligten Projektpartner.
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Fazit: Da sich das Projekt gerade in der ersten Testphase befindet, lassen sich noch
keine Aussagen über seinen Erfolg treffen.
Netzwerke im Bestand
Im Wohnungsbestand besteht das Problem, dass sich wohnbegleitende Dienstleistungen mangels Bereitschaft, eine Betreuungspauschale zu entrichten, nicht finanzieren lassen. Andererseits bietet der Wohnungsbestand die Chance einer gemischten Altersstruktur. Die Idee der Netzwerke besteht darin, ein System der vorpflegerischen Nachbarschaftshilfe nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit zu organisieren.
ZWAR: Zwischen Arbeit und Ruhestand
Projekt: Vor dem Hintergrund der anhaltenden Krise in der Montanindustrie entstand
1979 an der Universität Dortmund die Initiative „ZWAR - Zwischen Arbeit und Ruhestand“. Die Initiative wurde damals mit dem Ziel ins Leben gerufen, die infolge des
massiven Belegschaftsabbaus von Frühverrentung und Arbeitslosigkeit betroffenen
Personen in Selbsthilfegruppen „aufzufangen“.
ZWAR versucht, mit diesen Personen in den Gruppen einen biographischen Lernprozess zu initiieren, der sie dazu befähigt, ihr Leben eigenverantwortlich auch jenseits der Erwerbsarbeit und den damit einhergehenden Strukturierungen zu führen:
Ziel ist es, dass die Betroffenen ihre neugewonnene freie Zeit selbst aktiv gestalten.
Psychosoziale Folgeprobleme von Frühpensionierung und Langzeitarbeitslosigkeit
wie z.B. die soziale Isolation sollen dadurch vermieden werden.
ZWAR steht den Selbsthilfegruppen lediglich beratend mit seiner Infrastruktur zur
Seite; auf die Themen- und Arbeitsbereiche, mit denen sich die einzelnen Gruppen
beschäftigen, nimmt man keinen Einfluss. Diese können recht unterschiedlich sein
und reichen von der Beschäftigung mit der eigenen Stadtteilgeschichte über Tischlern und Segeln bis hin zur Unterstützung von Brunnenbohrungen im afrikanischen
Burkina Faso.
Zur Zielgruppe von ZWAR gehören vor allem „bildungsungewohnte“ Menschen, die
von den klassischen Bildungseinrichtungen nicht erreicht werden. ZWAR versucht,
diesen Menschen eine neue Perspektive zu geben, ohne ihnen dabei ein klassisches
Altenhilfeangebot zu unterbreiten und setzt aus diesem Grund auf eine aktive, stadtteilbezogene Strategie.
Seit 1984 wird ZWAR mit Mitteln des Landes NRW gefördert, 1990 wurde der Trägerverein ZWAR e.V. gegründet, in dem vor allem Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften vertreten sind. Seit dem Jahr 1995 ist ZWAR in ganz NRW aktiv und ver-
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sucht, landesweit Selbsthilfegruppen und –netze aufzubauen. Während der Projektlaufzeit ist die von ZWAR angesprochene Zielgruppe stetig erweitert worden: Waren
es zu Beginn hauptsächlich Personen in der Berufsaustrittsphase, so werden mittlerweile auch Langzeitarbeitslose, Frauen in der „nachfamiliären“ Zeit und Menschen,
die den Verlust von Ehe und Lebenspartnern zu beklagen hatten, aktiv angesprochen. Die Zielgruppe umfasst mittlerweile vorrangig Frauen und Männer zwischen 50
und 65 Jahren.
Die Düsseldorfer Netzwerke3
Leitbild: Den Netzwerken liegt ein verändertes, moderneres Bild vom Altern und vom
Alter zugrunde. Danach sind ältere Menschen nicht nur betreuungsbedürftig, sondern
sie verfügen auch über Fähigkeiten und Ressourcen, die sie produktiv einsetzen
können und einsetzen wollen. Und wenn sie dies tun, erscheint das weniger als Belastung, sondern als eine Quelle für Anerkennung und Selbstwertgefühl, als eine
Quelle für Antrieb und Aktivität und letztlich auch als ein Beitrag, die vorhandenen
Fähigkeiten aufrechtzuerhalten und körperlichen und geistigen Abbauprozessen entgegenzuwirken.
Projekt: Die Düsseldorfer Netzwerke sind – ähnlich wie die Projekte des Programms „Zwischen Arbeit und Ruhestand“ – Zusammenschlüsse von aktiven Bürgern und Bürgerinnen im
(Früh-) Ruhestand auf Stadtteil- oder Stadtbezirksebene, die das Ziel verfolgen, auf der Basis von bürgerschaftlichem Engagement Dienstleistungen für SeniorInnen im jeweiligen
Quartier zu erbringen und gleichzeitig für die eigene Dritte Lebensphase ein tragfähiges soziales Netz an Bekanntschaften und Freundschaften aufzubauen und zu erhalten, um soziale
Vorsorge für das Alter zu betreiben.
Die Netzwerkarbeit weist darüber hinaus folgende Merkmale auf:
ƒ
Die Zielgruppe sind junge, aktive Vorruheständler und SeniorInnen im Alter zwischen 55
und 65 Jahren.
ƒ
Der Zusammenschluss erfolgt ohne eine Rechtsform wie z.B. Verein, ist daher nicht an
eine Mitgliedschaft gebunden; der Zugang zum Netzwerk ist somit niederschwellig.
ƒ
Dennoch besitzen Netzwerke eine formale Struktur als Basis für eine effektive Kommunikation und Arbeitsorganisation,
ƒ
Die Netzwerke werden durch Hauptamtliche professionell initiiert, angeleitet und begleitet,
ƒ
Die sind an einen oder mehrere Träger angegliedert, der/die die notwendigen Ressourcen für das Netzwerk bereitstellt (Räumlichkeiten, professionelle Begleitung),
3
Vgl. dazu Eichener 2003.
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ƒ
Die basieren auf dem Engagement älterer BürgerInnen, sowohl etwas für sich zu tun als
auch etwas für andere zu tun. Im Ergebnis erbringen sie soziale und vorpflegerische
Dienstleistungen.
ƒ
Ihrem Selbstverständnis nach verstehen sie sich als freiwillige Dienstleistungsunternehmen in den jeweiligen Stadtteilen/ Quartieren/Gemeinden.
ƒ
Es handelt sich dabei um einen neuen Typus von freiwilliger Tätigkeit, die die Selbstbestimmung und die Selbstorganisation der SeniorInnen in den Vordergrund stellt und daher eher unter den modernen Begriff des bürgerschaftlichen Engagements zu subsumieren ist.
Heute sind in der Landeshauptstadt Düsseldorf insgesamt 10 Netzwerke auf der räumlichen
Ebene von Stadtteilen oder Stadtbezirken und eine Koordinierungsstelle, die sog. NetzwerkWerkstatt Düsseldorf, aktiv, an denen sich 741 Personen beteiligten. Die Netzwerke erbringen Leistungen insbesondere in den Bereichen Kultur, Nachbarschaftshilfe, Begegnung und
Geselligkeit, Medienproduktion, Fitness. Die aktiven Netzwerker engagieren sich im Durchschnitt mit knapp 21 Stunden pro Monat. 67% aller befragten Netzwerker leisten etwas für
sich mit anderen, und zwar mit durchschnittlich 11,5 Stunden im Monat. 51 % erbringen Leistungen für andere im Netzwerk, und zwar mit durchschnittlich 12,6 Stunden, und immerhin
31 % erbringen Leistungen für Dritte, die außerhalb des Netzwerks stehen, und zwar mit
durchschnittlich 10,8 Stunden pro Monat. Bei den Leistungen, die die Netzwerker für andere
erbringen, dominieren typische vorpflegerische Hilfeleistungen (handwerkliche Hilfen im
Haushalt, Einkaufen etc.). Die Netzwerker selber geben an, durch die Netzwerkarbeit neue
soziale Kontakte und neue Freizeitbeschäftigungen gefunden zu haben sowie allgemein aktiver geworden zu sein.
Finanzierung: Die Personalkosten für die Moderation eines stadtteilbasierten Netzwerks umfassen im Schnitt ca. 28.000 € pro Jahr, die Investitionskosten rund 4.100 € jährlich, während
auf die Sachkosten knapp 8.800 € pro Jahr entfallen. In der Summe ergeben sich daraus pro
Netzwerk Gesamtkosten in Höhe von ca. 41.000 € pro Jahr, die von dem bzw. den Netzwerkträger(n) (Wohlfahrtsverbände, insbesondere die Diakonie in Düsseldorf, Arbeitgeber,
Stadt Düsseldorf, Kirchengemeinde) aufgebracht werden.
Insgesamt werden die Netzwerke mit rd. 341.000 € pro Jahr von den Trägern finanziert. Dafür wird bürgerschaftliches Engagement im Umfang von 171.000 Stunden mobilisiert. Bewertet man die Stunde Netzwerkarbeit (vergleichsweise vorsichtig) mit 18 €, so ergibt sich ein
monetärer Gesamteffekt der Düsseldorfer Netzwerke von gut 3 Mio. €. Anders ausgedrückt:
Für 1 € Trägerbeitrag wird bürgerschaftliches Engagement im Wert von 9,03 € mobilisiert.
Der Glückauf Nachbarschaftshilfeverein in Lünen (Glückauf Wohnungsbaugesellschaft)
Hier wird eine vorpflegerische Betreuung im Bestand durch einen Nachbarschaftshilfeverein des Vermieters organisiert. Auch hier steht die Hilfe zur Selbsthilfe auf Gegenseitigkeit im Vordergrund.
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Leitbild: Die Glückauf Wohnungsbaugesellschaft betrachtet die Übernahme sozialer
Dienstleistungen als einen Gegenstand ihrer unternehmerischen Aktivitäten, als Teil
des Service für den Mieter. Die Dienstleistungen werden dabei nach dem Prinzip
„Hilfe zur Selbsthilfe“ organisiert.
Projekt Nachbarschaftshilfeverein: Die Ursprünge des Projektes reichen bis in das
Jahr 1989 zurück, als erste Maßnahmen zur Unterstützung der älteren Mieterschaft
gestartet wurden. Neben einem Seniorentreff, gemeinschaftlich angelegten und betreuten Gartenanlagen mit Gewächshäusern wurde auch eine von älteren Mietern
geleitete Fahrradreparaturwerkstatt eingerichtet. Mit der Zielgruppe „Ältere Menschen“ setzte die Glückauf bewusst auf eine Mietergruppe, die man aufgrund der
demografischen Entwicklung für die Zukunft als die am wachstumsstärkste einschätzte.
1992 entstand aus diesen Projekten das Konzept der „Aktivierenden Betreuung älterer Mieter“ im Lüner Stadtteil Brambauer. Im Rahmen dieses Konzeptes wurden unter anderem in verschiedenen Siedlungen Wohnungen altengerecht umgebaut, damit
ältere Mieter weiterhin im gewohnten Umfeld leben konnten. Darüber hinaus wurden
und werden spezifische Betreuungsangebote bereitgehalten, die man in letzter Zeit
aber wieder etwas zurückgefahren hat. Momentan gibt es zum Beispiel noch einen
Einkaufsdienst, bei dem pro Einkauf pauschal 2,50 Euro Gebühren anfallen. Ebenfalls im Jahr 1992 entstand mit dem Seniorentreff am Reichsweg ein erster Kommunikationstreffpunkt in einer Wohnanlage.
Zusätzlich bietet die Glückauf ihren Mietern Angebote des Betreuten Wohnens in
speziellen Seniorenwohnanlagen an. Die Grundmiete der zumeist öffentlich geförderten Wohnung bewegt sich –je nach baulicher Ausstattung der Anlage- zwischen 3,38
und 6,65 Euro pro m².
Im Mai 1994 gründete die Wohnungsbaugesellschaft dann den Glückauf Nachbarschaftshilfeverein aus der Erkenntnis, dass soziale Dienstleistungen nicht nebenher
aufrecht erhalten werden können. Zu den Zielen des Vereins gehören unter anderem
die Beratung hilfs- und pflegebedürftiger Menschen, die Förderung von Gemeinschaftsprojekten und Selbsthilfegruppen sowie das Zusammenführen von „Jung“ und
„Alt“ und der Aufbau eines sozialen Netzes.
Um eine bessere Koordination und Vernetzung der sozialen Maßnahmen zu gewährleisten, wurde ein Kuratorium gegründet, in dem neben der Glückauf zahlreiche
Wohlfahrtsverbände vertreten sind.
Der Nachbarschaftshilfeverein hat derzeit rund 900 Mitglieder und betreibt fünf
Kommunikationszentren, in denen neben dem regulären Beratungsangebot auch
regelmäßig Veranstaltungen jeglicher Art stattfinden.
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Finanzierung: Für die Umsetzung der Maßnahmen wurden größtenteils öffentliche
Fördermittel in Anspruch genommen. Engere Spielräume bei der öffentlichen Förderung insbesondere im Bereich der Personalkosten machten deutlich, dass die Hilfsund Beratungsleistungen des Nachbarschaftshilfevereins langfristig gesehen ohne
staatliche Gelder finanziert werden müssen. Deshalb wird ehrenamtlichen Engagement ein sehr hoher Stellenwert zugewiesen.
Fazit: Das Beispiel der Glückauf Lünen zeigt, dass unternehmerische Interessen (Erhaltung der Mieterstruktur, langfristige Vermietbarkeit der Wohnungen etc.) und Mieterinteressen durch die Implementation von sozialen Dienstleistungen gewahrt werden können. Darüber hinaus zeigt das Beispiel, dass für einen Teil der Dienstleistungen auch ehrenamtliches bzw. bürgerschaftliches Engagement aktiviert werden
kann.
Betreutes Wohnen/Service-Wohnen
Betreute Wohnanlagen stellen die altersgerechte Wohnform dar, die die höchsten
Wachstumsraten aufweist. In NRW gibt es vermutlich bereits einige hundert ServiceWohnanlagen, die allerdings überwiegen im mittleren und gehobenen Preissegment.
Hier sollen einige eher ungewöhnliche Service-Wohnanlagen vorgestellt werden,
insbesondere auch Service-Wohnen im unteren Preissegment.
Seniorenwohnanlagen mit Service in Herne (Wohnungsverein Herne e.G.)
Hier handelt es sich um Service-Wohnen im unteren Preissegment, bei dem insbesondere die Betreuung durch semiprofessionelle Kräfte ausgesprochen kostengünstig organisiert wird.
Leitbild: Der Wohnungsverein Herne orientiert sich als Eigentümer und Betreiber am
Genossenschaftsgedanken. Mit dem Angebot der Seniorenwohnanlagen will der
Wohnungsverein seinen Mitgliedern, die gleichzeitig auch Mieter sind, auch im Alter
ein hohes Maß an Service bieten, ohne diese finanziell zusätzlich stärker zu belasten. Eine separate monatliche Servicepauschale, wie sie in vergleichbaren Anlagen durchaus vorzufinden ist, wird für die Serviceleistungen nicht erhoben; die
Dienstleistungen werden im Rahmen der Nebenkosten abgerechnet.
Projekte: Der Wohnungsverein Herne betreibt mittlerweile vier betreute Seniorenwohnanlagen in Herne. Die Größe der insgesamt 104 Wohnungen variiert zwischen
47 und 84 m². Alle Wohnungen verfügen über stufenlose Zugänge und sind barrierefrei über Aufzüge zu erreichen, ein Hausnotruf ist installiert.
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In der Miete sind Grundleistungen wie der Hausnotruf, die Nutzung der Gemeinschaftsräume und diverse Hausmeisterdienste bereits enthalten. In jeder Anlage lebt
ein Hauswartehepaar, welches sich um kleinere Reparaturen, die Hausflurreinigung,
den Winterdienst und ähnliches kümmert. Darüber hinaus liegt es im Aufgabenbereich des Hauswartes, mindestens einmal im Monat eine Veranstaltung für die Bewohner zu organisieren (z.B. Weihnachts- oder Karnevalsfeier, Liederabende, Vorträge). Das Hauswartehepaar erfüllt seine Aufgaben nebenberuflich und wohnt als
Gegenleistung mietfrei in seiner Wohnung (nur die Nebenkosten müssen bezahlt
werden).
Neben diesen Service-Grundleistungen stehen den Bewohnern der Anlagen umfangreiche Wahlleistungen aus dem Bereich der Pflege- und Servicedienstleistungen
(z.B. Mahlzeitendienst, ambulante Pflegeversorgung) zur Auswahl. Die kostenpflichtigen Wahlleistungen werden über die Mitarbeiter des Wohnungsvereins vermittelt.
Die Wohnanlagen sind zur Zeit komplett ausgelastet, es gibt keinen Leerstand.
Finanzierung: Bei der Finanzierung der Wohnungen hat man sowohl auf Mittel aus
dem ersten und zweiten Förderweg als auch auf privates Kapital zurückgegriffen.
Die Kaltmieten variieren je nach Anlage und Finanzierung der Wohnung zwischen
4,11 und 6,90 Euro pro m², die Betriebskosten bewegen sich zwischen 1,38 und 1,53
Euro pro m². Die Kaltmieten weichen nur gering von den im Mietspiegel ausgewiesenen Preisen ab.
Fazit: Das Konzept ist erfolgreich, da das Angebot die Nachfrage nach barrierefreien
bzw. –armen Wohnungen mit einem niederschwelligen und kostengünstigen Dienstleistungsangebot bedient. Weiterreichende Projekte mit für die Bewohner verbindlichen Service- und Pflegeangeboten werden seitens des Betreibers für wenig erfolgversprechend gehalten, da hier eine rentable Bewirtschaftung äußert schwierig ist.
Heimverbundenes Wohnen/Verbundkonzepte
Verbundkonzepte gehören zu den zukunftsweisenden Wohnformen für alte Menschen, da das Betreute Wohnen, so sehr es die Selbständigkeit alter Menschen unterstützt, an seine Grenzen stößt, wenn Schwerstpflegebedürftigkeit eintritt. Hier
werden innovative Verbundkonzepte vorgestellt, die betreutes Wohnen mit stationärer Pflege kombinieren.
Betreutes Wohnen für finanziell schwach gestellte Senioren in Werne an der
Lippe (Panhoff-Stiftung)
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Hier handelt es sich um ein Verbundkonzept, das im unteren Preissegment angesiedelt ist.
Leitbild: Der vermögende Stiftungsgründer Theodor Panhoff war ein sehr gläubiger
Mensch. Da er keine Nachfahren hatte, überführte er seine Vermögenswerte in die
nach ihm benannte Stiftung. Er hatte es sich zum Ziel gesetzt, in seinem Wohnort
den Bau einer seniorengerechten Wohnanlage für finanziell schwach gestellte Senioren zu fördern, damit die älteren Bewohner Stockums bei Pflegebedürfigkeit nicht
länger nach Werne ins Alten- oder Pflegeheim umziehen müssen („Einen alten Baum
verpflanzt man nicht“).
Projekt Seniorenzentrum in der Panhoffstiftung: Zu Beginn des Jahres 1997 begannen die Bauarbeiten für eine betreute Seniorenwohnanlage im ländlich geprägten
Werner Ortsteil Stockum. Dabei wurde das vorher vom Stiftungsgründer bewohnte
Bauernhaus stilecht restauriert, in dem dann ein Tennencafé und ein kleines Bauernmuseum eingerichtet worden sind. Parallel dazu wurden auf dem Grundstück
zwei dreigeschossige Wohngebäude mit Aufzügen neu errichtet., welche sich gut in
die Architektur der alten Hofanlage einpassen.
Die Anlage, die mitten im Ortskern von Stockum in der Nähe einer Bushaltestelle
liegt, verfügt insgesamt über 25 1-Zimmer- und 12 2-Zimmer Wohnungen, zusätzlich
stehen noch 12 Tages- und 23 Kurzzeitpflegeplätze zur Verfügung. Alle Wohnungen
sind mit eigener Dusche/ WC, separat eingerichteter Küche, eigener Türklingel und
Gegensprechanlage ausgestattet und erfüllen die alle barrierefrei nach der DIN 18
025 T. 2 errichtet worden sind. Zudem gibt es zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen wie zum Beispiel eine Cafeteria, einen Gymnastikraum, eine Bibliothek oder
Sitzgruppen im Freien.
Neben der Miete wird eine für alle Mieter verbindliche Servicepauschale erhoben, in
der die Bereitstellung des 24-Stunden-Hausnotrufs sowie organisatorische Hilfsleistungen (z.B. das Vereinbaren von Arztterminen oder Hilfe beim Ausfüllen von Formularen u.ä.). Die Servicepauschale beträgt für eine einzelne Person 31 Euro, für zwei
Personen 51 Euro.
Für eine darüber hinaus gehende Betreuung ist eine sogenannte Satellitenlösung
gewählt worden: Die Malteser betreiben innerhalb der Anlage einen täglich stundenweise geöffneten Servicestützpunkt. Die Mieter können aber auch einen anderen
Träger ihrer Wahl mit der Pflege betreuen.
Finanzierung: Der Großteil der Wohnungen ist über den ersten und zweiten Förderweg finanziert worden (Nettokaltmiete 4,37 bzw. 5,90 Euro pro m²), die restlichen
sind frei finanziert (7,67 Euro pro m²). Darüber hinaus bekam man auch finanzielle
Unterstützung vom Land NRW und vom Bundesgesundheitsministerium, die das
Vorhaben als Modellprojekt eingestuft haben.
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Die abgerechneten Gesamtkosten betrugen 12.680.650 DM und lagen damit unter
der vorher veranschlagten Summe (3.580.419 DM für die Kurzzeit- und 765.812 DM
für die Tagespflege, der Anteil für die Sozialstation lag bei 159.130 DM, Wohnungen
und Sonderräume 7.185.702 bzw. 989.588 DM.
Fazit: Trotz der finanziellen Hilfen von Land und Bund fühlte man sich nicht „richtig“
unterstützt und verstanden. Viele Vorgänge seien viel zu umständlich und bürokratisch abgelaufen.
Die Wohnsiedlung Gertrudenau in Herten (Schettler-Verwaltung)
Die Gertrudenau ist ein Beispiel für eine großdimensionierte Verbundanlage, die
praktisch „alles“ bietet: Familienwohnungen, Gewerbenutzung, betreutes Wohnen
sowie stationäre Pflege und dies sowohl im unteren wie im mittleren Preisbereich.
Leitbild: Beim Leitbild stand die Idee des Seniormitglieds der Investorenfamilie Pate,
eine für die eigenen Bedürfnisse im Alter optimale Anlage zu schaffen.
Projekt Gertrudenau in Herten: Direkt im traditionellen Ortskern von HertenScherlebeck liegt auf einem sanierten, ehemaligen Zechengelände das neu gebaute
Wohngebiet. Das Viertel ist gut an die Infrastruktur der Stadt angeschlossen, der direkt an das Gelände anschließende Gertrudenpark bietet zahlreiche Naherholungsmöglichkeiten.
Die Wohnsiedlung verfügt insgesamt über 58 Familien- und 81 Seniorenwohnungen
sowie ein integriertes modernes Wohn- und Pflegezentrum mit 130 Plätzen. Die Seniorenwohnungen sind barrierefrei über Aufzüge zu erreichen, die Sanitärbereiche
Bäder sind auch für Rollstuhlfahrer geeignet.
Die Besonderheit des Projektes liegt darin, dass die Seniorenwohnungen mit dem
Wohn- und Pflegezentrum vernetzt sind: Ein für alle Mieter dieser Wohnungen obligatorischer Servicevertrag (Kostenpauschale 76,69 Euro pro Ein-Personen-Haushalt
im Monat, 97,15 Euro pro Zwei-Personen-Haushalte) gewährleistet eine Grundversorgung, in der unter anderem die folgenden Leistungen enthalten sind: Die Bereitstellung einer 24-Studen-Notrufanlage, Hilfe bei fast allen lebenspraktischen Fragen,
die Vermittlung zu mobilen Alten- und Krankenhilfediensten und ein Hausbesuch pro
Monat. Zudem werden die Bewohner der Seniorenwohnungen bei einer möglichen
Aufnahme in das Pflegeheim bevorzugt berücksichtigt.
Neben diesen Basisserviceleistungen kann jeder Bewohner/in je nach Bedarf weitere, allerdings kostenpflichtige Betreuungs- und Hilfeleistungen anfordern, je nachdem, welche Hilfe im Einzelfall gerade benötigt wird.
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Die ersten Wohnungen waren Anfang 1997 bezugsfertig, der letzte Bauabschnitt
wurde 2001 abgeschlossen. Seither ist die Siedlung komplett vermietet auch bei Mieterwechseln ist der Leerstand sehr kurzfristig.
Finanzierung: Ein Teil der Wohnungen ist öffentlich über den ersten und zweiten
Förderweg finanziert worden, der andere Teil aus privaten Mitteln. Die Kaltmiete beträgt bei den öffentlich geförderten Wohnungen zwischen 4,42 und 4,47 Euro pro m²
im Monat, bei den freifinanzierten liegt sie zwischen 6,80 und 8,50 Euro.
Fazit: Aus Sicht des Investors verliefen die Planungs- und Genehmigungsprozesse
absolut problemlos, da das Projekt auch von der Stadt „gewollt“ war. Trotzdem
wünscht man sich für die Zukunft zumindest das Überprüfen formaler, im Heimgesetz
verankerter Bauverordnungen (z. B. Bau von Pflegebädern) auf ihre Sinn- und
Zweckmäßigkeit. Nach Meinung des Investors sollte der Gesetzgeber sich in diesen
Bereichen stärker auf das marktwirtschaftliche Zusammenspiel von Angebot und
Nachfrage verlassen: Es liegt im Interesse der Wohnungsunternehmen, ihr Angebot
an den Bedürfnissen und Anforderungen der Mieter zu orientieren, um eine möglichst
hohe Nachfrage zu realisieren und Fehlinvestitionen zu vermeiden.
Das Wohndorf Laar in Duisburg (GEWOGE)
Hier handelt es sich um Verbundprojekt, das im mittleren Preissegment angesiedelt
ist und das sich insbesondere durch seine aufgelockerte, dorfähnliche Architektur
auszeichnet.
Leitbild: Die GEWOGE sieht sich in der Verpflichtung, ihren Mietern ein lebenslanges Dauernutzungsrecht zu gewährleisten. Bei den bisherigen Wohn- und Haustypen
ist das aber nicht möglich, da sie nicht den Ansprüchen an altersgerechtes Wohnen
genügen.
Projekt Wohndorf Laar: Aus diesem Grund beginnt die GEWOGE bereits 1990 damit,
das Konzept eines altersgerechten Wohndorfes zu entwickeln. Das Ziel ist eine Verbindung der Vorteile privater Wohnformen (Wohnung u.ä.) mit denen von institutionellen Wohnformen (Alten- und Pflegeheim). Der Baubeginn erfolgt 1995 im Duisburger Stadtteil Laar, der letzte Bauabschnitt wird Ende 1999 fertiggestellt. Das in
unmittelbarer Nähe zum Rhein gelegene Wohndorf besteht aus fünf, in aufgelockerter Bauweise errichteten Häusern mit insgesamt 112 Wohnungen und einem Dorfhaus, in dem ein Pflegeheim, ein Dienstleistungszentrum sowie Gemeinschaftsanlagen und ein Café untergebracht sind. Die Wohnungsgrößen variieren zwischen 39
und 93 m² und sind zum Teil als Eigentumswohnungen verkauft worden. Alle Wohnungen sind behindertengerecht gebaut, die Zugänge barrierefrei errichtet.
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Für alle Bewohner ist ein Servicevertrag mit der AWO obligatorisch (88,96 Euro pro
Monat für Alleinstehende, 30,67 für jeden weiteren Bewohner). Dieser Servicevertrag
beinhaltet die Nutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen, den Anschluss an das
Hausnotrufsystem sowie bestimmte weitere Dienstleistungen. Darüber hinausgehende Leistungen wie tägliches Mittagessen oder Fahrdienste müssen bezahlt werden.
Auch an die Möglichkeit einer stationären Betreuung aufgrund von hoher Pflegebedürftigkeit ist gedacht worden. Das ebenfalls von der AWO betriebene, im Dorfhaus
untergebrachte Pflegeheim bietet 33 Pflegeplätze.
Finanzierung: Beim Bau des Wohndorfes wurde gänzlich auf öffentliche Förderung
verzichtet. Die nicht verkauften Wohnungen und das Dorfhaus wurden an einen Investor verkauft und dann von wieder zurück gemietet. Eine geringe Einstiegsmiete
zwischen 12,50 und 13,40 Euro pro m² (plus 4 jährliche Steigerungen um 0,25 Euro
pro m²) garantiert seit 2001 eine Vollvermietung der Anlage.
Fazit: Aus heutiger Sicht würde die GEWOGE keine Eigentumswohnungen mehr anbieten, da die Kosten für Zwischenfinanzierung und Vermarktung als zu hoch eingeschätzt werden. Bemängelt wird vor allem, dass der Gesetzgeber die Lücke zwischen normalem Wohnen und betreuten Wohnen nicht geschlossen hat und man
sich deshalb mit veralteten und engstirnigen Vorschriften konfrontiert sieht (daher
auch der Verzicht auf öffentliche Förderung!).
Mehrgenerationenwohnen
Service-Wohnanlage „Birschel-Mühle“ in Hattingen (Immomed Wohnservice)
Dieses Projekt war ursprünglich als Seniorenwohnanlage geplant, entwickelte sich
jedoch aufgrund des innovativen Betreiberkonzepts zu einer Wohnstandort für Jung
und Alt. Ungewöhnlich ist auch ein hohe Attraktivität für ältere Männer, da die meisten altersgerechten Wohnanlagen auf Frauen zugeschnitten sind.
Leitbild: Dem Betreiber ist jedoch sehr an dem Zusammenleben von Jung und Alt
gelegen.
Projekt „Birschel-Mühle“: Direkt am Ufer der Ruhr, in exponierter Lage, liegt die im
Jahr 2000 fertiggestellte Service-Wohnanlage „Birschel-Mühle“. In der aus umgebauten, denkmalgeschützten Mühlengebäuden, die aus dem Jahr 1902 stammen, und
einem Neubau bestehenden Anlage stehen insgesamt 43 Eigentumswohnungen zur
Verfügung, von denen 38 verkauft sind. Die Wohnungen weisen Loft-Charakter auf,
das Gebäude das Ambiente eines Industriedenkmals (beispielsweise ist die wieder
Instandgesetzte Turbine unter Glas zu beobachten).
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Alle Wohnungen sind barrierefrei zu erreichen und behindertengerecht gebaut. Trotz
der exponierten und landschaftlich reizvollen Lage an der Ruhr befindet sich die Anlage in der Nähe der Hattinger Innenstadt und verfügt darüber hinaus auch über eine
gute Anbindung an den ÖPNV.
Unter dem Motto „Wohnen mit Komfort“ lässt sich das Betreiberkonzept der „Birschel-Mühle“ am besten zusammenfassen. Das Wohnangebot ist vor allem für rüstige Senioren konzipiert, die weiterhin in einer eigenen Wohnung leben wollen.
Neben den üblichen Nebenkosten wird eine monatliche Service-Pauschale erhoben
(120 Euro für eine Einzelperson, 60 Euro für jede weitere Person). In dieser Pauschale sind ein 24-Stunden-Hausnotruf, die Nutzung von Gemeinschaftsräumen und
weitere, wohnbegleitende Serviceleistungen enthalten. Die „Birschel-Mühle“ enthält
ein öffentliches à-la-carte-Restaurant, das ebenfalls vom Betreiber der gesamten Anlage bewirtschaftet wird. Die „Birschel-Mühle“ ist als Service-Wohnanlage konzipiert,
ein stationärer Pflegebereich ist bewusst nicht integriert. Unter den Bewohnern ist
bislang keine Person erheblich pflegebedürftig nach SGB XI, lediglich in vier Wohnungen erbringt ein Pflegedienst zur Zeit unterstützende Dienstleistungen.
In der „Birschel-Mühle“ leben nicht nur Senioren, sondern auch jüngere Menschen
haben hier eine Eigentumswohnung erworben. So ist momentan der jüngste Bewohner 29 Jahre alt, der Älteste wird 90. Der Männeranteil ist mit fast 50 Prozent für eine
Service-Wohnanlage außergewöhnlich hoch, was auf die Industriearchitektur und
das innovative Betreiberkonzept zurückzuführen ist. Insgesamt hat die Anlage nicht
das typische Ambiente einer Seniorenwohnanlage, sondern einer ungewöhnlichen
Komfortwohnanlage, so dass sie tatsächlich für Jung und Alt attraktiv ist.
Finanzierung: Das Projekt ist komplett aus privaten Mitteln finanziert worden.
Für den Kauf einer der noch nicht vergebenen Eigentumswohnungen muss man je
nach Ausstattung und Lage zwischen 2.033 und 2.203 Euro pro m² bezahlen. Nicht
alle Eigentumswohnungen werden von den Besitzern persönlich genutzt, sondern sie
werden teilweise auch vermietet. Die Kaltmiete der zu beziehenden Wohnungen beträgt derzeit 8,82 Euro pro m².
Fazit: Der Betreiber bemängelte die fehlende Unterstützung seitens der Stadt Hattingen. Die Ursache hierfür sieht er vor allem in dem vorherigen Scheitern mehrerer
Betreiberkonzepte für dieses Projekt.
Selbstorganisiertes Wohnprojekt mit integriertem Pflegestützpunkt in Hagen
Hier handelt es sich um ein komplexes Wohnprojekt, das den Anspruch des Mehrgenerationenwohnens erhebt (der allerdings nur ansatzweise realisiert ist) und das zu-
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dem betreutes Wohnen und stationäre Pflege miteinander kombiniert. Ungewöhnlich
ist an diesem Projekt insbesondere der selbstorganisierte Ansatz.
Leitbild: 1991 wurde von Hagener Bürgerinnen und Bürgern der Verein „Älter werden
mit Freu(n)den - Wohn-, Lebens- und Pflegegemeinschaft Modell Hagen e.V.“ mit
dem Ziel ins Leben gerufen, auch im Alter und bei Krankheit in einem vertrauten sozialen und räumlichen Umfeld leben zu können. Dabei wird vor allem dem Aspekt
des selbstorganisierten Wohnens mit gegenseitiger Hilfe ein hoher Stellenwert eingeräumt.
Projekt: Aus dem Leitbild des Vereins heraus entwickelte sich die Idee, ein Wohnhaus für unterschiedliche Einkommens- und Altersgruppen sowie Familienformen zu
bauen. Darüber hinaus sollte auch ein wohnungsnahes, von einem Träger unabhängiges Angebot an Hilfsleistungen verfügbar sein.
Die Suche nach einem Bauträger und einem geeigneten Standort zog sich dann etwas länger als geplant hin, so dass die ersten Bewohner erst 1997 in den Wohnpark
„Schwerter Straße“ im Stadtteil Kabel einziehen konnten. Obwohl der gewählte
Standort zwar mit guter infrastruktureller Ausstattung und ÖPNV-Anbindung auf wartet, gehört er eher nicht zu den „besseren“ Stadtteilen in Hagen, weshalb der Verein
bei den späteren Bewohnern viel Überzeugungsarbeit leisten musste.
Das Kernstück des Projektes ist das Generationenhaus, in dem acht Wohneinheiten
zur Verfügung stehen. Wie es der Name schon zum Ausdruck bringt, sollen in diesem Gebäude „Jung“ und „Alt“ miteinander leben. Momentan wohnt hier aber nur
eine jüngere Familie.
Die Wohnanlage besteht aus zwei um einen Innenhof gebauten, sich ergänzenden
Gebäudekomplexen, die eine dorfähnliche Atmosphäre vermitteln und beherbergt
insgesamt 92 Wohneinheiten. Neben den 8 Wohnungen im Mehrgenerationenhaus
stehen noch 31 Miet- und 24 Eigentumswohnungen sowie 18 Senioren-Miet- und 11
Senioreneigentumswohnungen zur Verfügung, so dass ein recht breites Altersspektrum in der Wohnanlage vertreten ist. Die Auslastung der Anlage liegt bei 100 Prozent.
Die Seniorenwohnungen sind komplett barrierefrei erschlossen und erfüllen die DIN
18 025 T. 2. Obwohl die Wohneinheiten im Generationenhaus mit öffentlichen Fördermitteln errichtet wurden, ist dem Verein vom Wohnungsamt ein Vorschlagsrecht
für die Belegung der Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen eingeräumt worden (die
Nettokaltmiete beträgt je nach Lage zwischen 5,80 und 6,60 Euro pro m²). Auch bei
den anderen Wohnungen fungiert der Verein häufig als Vermittler zwischen zukünftigem Mieter und Investor.
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Ein baulich in der Wohnanlage integriertes, von einem privaten Pflegeanbieter betriebenes Pflegezentrum bietet 17 Kurzzeitpflege- und 12 Tagespflegeplätze. Die
Mieter des Wohnparks können je nach Bedarf Angebote des Pflegezentrums wie Mittagessen oder Bewegungstherapien in Anspruch nehmen. Die Räume der Tagespflege können von ab jeweils 17 Uhr als Gemeinschaftsbereich für nachbarschaftliche Treffen genutzt werden.
Finanzierung: Die Wohneinheiten sind ziemlich gemischt finanziert worden
Haustyp
Generationenhaus
Senioren-Mietwohnungen
Mietwohnungen
Mietwohnungen
Senioren-Eigentumswohnungen
Eigentumswohnungen
Anzahl Wohneinheiten
8
18
23
8
11
24
Finanzierung
3. Förderweg
2. Förderweg
2. Förderweg
Freifinanziert
privatfinanziert
privatfinanziert
Fazit: Das Konzept des Wohnparks wird von den Initiatoren als Alternative zur Heimunterbringung betrachtet.
Insgesamt wird bemängelt, dass vom Land zu wenig Geld für innovative Projekte zur
Verfügung gestellt wird und die Leistungssätze der Pflegeversicherung in den letzten
Jahren nicht mehr erhöht wurden.
Dezentrale Wohngruppen
Die Villa Hittorfstraße in Münster (Alexianer GmbH)
Dezentrale Wohngruppen für alte Menschen sind trotz der hohen medialen Aufmerksamkeit, die sie genießen, in NRW nur selten anzutreffen. Hier ein Beispiel für eine
solche Wohngruppe, die sich speziell an Demenzkranke wendet.
Leitbild: Aus dem religiösen Hintergrund der Alexianer-Brüdergemeinschaft resultiert
das humanistische Leitbild des Projektes. Auch dem Aspekt der Nachhaltigkeit wird
große Bedeutung zugemessen.
Projekt Villa Hittorfstraße: Bei dem Projekt handelt es sich um eine betreute Wohngruppe für alte und demenzkranke Menschen mit insgesamt 10 Plätzen. Die Einrichtung ist in einer denkmalgeschützten und zentral gelegenen zweigeschossigen Villa
aus dem Jahr 1915 untergebracht. Das Gebäude wurde behindertengerecht umgebaut und mit einem Aufzug ausgestattet. Es stehen sechs Appartements (Größe zwischen 20 und 50 m²), vier Zimmer (zwischen 18 und 23 m²) und pro Geschoss jeweils eine Wohnküche zur Verfügung. Der Wohnraum wird unmöbliert vermietet, so
dass er von den Bewohnern nach eigenem Geschmack eingerichtet werden kann.
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Die Appartements sind abgeschlossene Wohneinheiten mit einem eigenen Telefonanschluss sowie eigenem Eingang mit Türschloss und Briefkasten.
Betreut wird die Wohngruppe tagsüber von zwei Altenpflegekräften, einer Hauswirtschafterin und einer Alltagsbegleiterin. Auch nachts ist eine Nachtwoche in Form eines Bereitschaftsdienste im Haus. Je nach individuellem Bedarf können externe
Dienste zur Pflege miteinbezogen werden, deren Leistungen gegebenenfalls mit der
Pflegeversicherung abgerechnet werden können. Die betreute Wohngruppe in der
Villa Hittorfstraße ist eine Einrichtung der ambulanten Hilfe, sie ist kein Alten- oder
Pflegeheim. Die Bewohner können ihr Leben weiter selbstbestimmt führen und nur
bei Bedarf Hilfe in Anspruch nehmen.
Die Kaltmiete beträgt zwischen 175 und 385 Euro, die Betriebskosten liegen zwischen 125 und 140 Euro. Eine „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ kostet 912 Euro, für
die hauswirtschaftliche Versorgung besteht eine "Haushaltskasse", in die jeder Bewohner 200 Euro pro Monat einbezahlt.
Die Villa Hittorfstraße ist zu 100 Prozent ausgelastet, mittlerweile betreiben die Alexianer zwei weitere, ähnliche Projekte in Münster.
Finanzierung: Bei der Finanzierung hat man bewusst auf eine öffentliche Förderung
verzichtet, da man der Auffassung ist, dass nur solche Projekte zukunftsfähig sind,
die sich von Anfang an rechnen. Lediglich für den Umbau der Villa wurden öffentliche
Mittel in Anspruch genommen. Darüber hinaus wurden die Personalkosten für zwei
Betreuungskräfte über drei Jahre im Rahmen eines Modellprojektes vom BMA bezuschusst.
Kommentar der Betreiber: Vom Gesetzgeber wünscht man sich eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der älteren Menschen, für die insbesondere eine höhere
Flexibilität bei der Gestaltung der Wohn- und Lebensverhältnisse erforderlich wäre.
Als Negativbeispiel wurde angeführt, dass bspw. das Heimgesetz es verbietet, dass
die Bewohner, einen Teil der hauswirtschaftlichen Arbeiten – wie bspw. die Zubereitung von Mahlzeiten – selbst übernehmen.
1.1.6 Gruppenwohnformen
In den letzten Jahren sind in Deutschland vermehrt Gruppenwohnformen im altersgerechten Wohnen diskutiert worden. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff
für höchst unterschiedliche Konzepte, die wie folgt systematisiert werden:
ƒ
Altershomogene selbstorganisierte Wohngemeinschaften. Hier schließen sich
– ähnlich wie bei einer Studierendenwohngemeinschaft – drei bis fünf ältere
Menschen zusammen, um in einer gemeinsamen Wohnung zu leben. Die Be-
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wohnerinnen sind in der Regel rüstig. Die Wohngemeinschaft soll soziale Isolation vermeiden und gegenseitige Betreuungs- und Hilfeleistungen ermöglichen. Diesen Vorteilen steht jedoch gegenüber, dass die Selbsthilfemöglichkeiten abnehmen, wenn die Pflegeproblematik zunimmt. Probleme entstehen
regelmäßig, wenn einzelne Mitglieder die Wohngemeinschaft verlassen, weil
die Integration neuer Mitglieder in die kollektiv gealterte Gemeinschaft schwieriger wird. Die empirischen Daten deuten darauf hin, dass das Interesse der
älteren Menschen an solchen Wohngemeinschaften gering ist. Die Untersuchung von Weeber/Hörmle (1998, S. 63) für den Zweiten Altenbericht der
Bundesregierung bezeichnet diesen Typus von Wohngruppen als „rar“. Die
quantitative Bedeutung für die Versorgung älterer Menschen in NRW ist vernachlässigbar. Steigerungspotentiale vermag der Gutachter ebenso wenig wie
Weeber/Hörnle (1998, S. 71f.) zu erkennen.
ƒ
Betreute Wohngruppen. Hier leben vier bis fünf Personen, die krank, hilfebedürftig, dement und/oder psychisch verändert sind, in einer Gemeinschaftswohnung und erhalten in der Wohnung eine tägliche Betreuung. Beim Modell
des Braunschweiger Vereins ambet erstreckt sich die Betreuung auf tägliche
zweistündige Anwesenheit einer Betreuungskraft, auf ein wöchentliches
Gruppengespräch sowie Verwaltungs- und Supervisionsarbeiten, d.h. auf effektive 20 Stunden pro Woche (Narten 1998). Die Betreuung wird als effektiv
eingeschätzt. In Braunschweig wird bei immerhin 19 von 28 Bewohnerinnen
eine (zumeist leichte) Verbesserung des Befindens seit Einzug in die Wohngruppe konstatiert. Die Zahl betreuter Wohngruppen wird für Deutschland auf
30 geschätzt (Weeber/Hörnle 1998, S. 65). Die Bedarfssituation wird positiv
eingeschätzt, Probleme gibt es allerdings immer wieder mit dem Heimgesetz
sowie bei der Finanzierung. Betreute Wohngruppen funktionieren nur, wenn
eine intensive Betreuung erfolgt. Die folgende Rechnung stellt die Kosten unter der Prämisse dar, dass entweder 4- oder 5-köpfige Wohngruppen betreut
werden. Der Arbeitseinsatz richtet sich nach den Erfahrungswerten der
Braunschweiger Gruppen (d.h. zwei Stunden tägliche Betreuung für die Gruppe und ein wöchentliches Gruppengespräch) und ist als absolutes Minimum
anzusehen. Die Kostenrechnung erstreckt sich auf die reine Betreuung (ohne
Pflegeleistungen, Miete, Nebenkosten und Haushaltsführung):
Effektiver wöchentlicher Einsatz (Std.)
Urlaubs- und Krankheitsvertretung (Std.)
Gesamtarbeitszeit/Woche (Std.)
Personalkosten/Monat (BAT IVb)
GK-Zuschlag 30%
Summe Personalkosten
4 Pers./Gruppe
5 Pers./Gruppe
20
20
4,6
4,6
24,6
24,6
2.642,32 €
2.642,32 €
792,70 €
792,70 €
3.435,01 €
3.435,01 €
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Sachkosten
Gesamtkosten/Monat
Kosten/Person/Monat
200,00 €
3.635,01 €
908,75 €
51
250,00 €
3.685,01 €
737,00 €
Das Ergebnis ist, dass sich die Betreuung – für die es ja keinen Kostenträger
gibt (weder Pflegeversicherung noch Krankenversicherung) – nur bei sehr hohem Einkommen finanzieren lässt. Dass sich Modellprojekte haben finanzieren lassen, lag daran, dass nicht nachhaltige Beschäftigungsmodelle (ABM)
zum Einsatz kamen und/oder eine besondere Modellförderung verschiedener
Fördergeber (Kommune, Land, Eigenmittel des Trägers, Spenden) in Anspruch genommen werden konnte (Narten 1998, S. 26). Unter normalen Bedingungen lassen sich betreute Wohngruppen finanziell nur dann rechtfertigen, wenn die Bewohner deutliche gesundheitliche Beeinträchtigungen aufweisen und durch das Gruppenwohnen eine stationäre Unterbringung vermieden werden kann. Einsparungen bei der Pflegeversicherung könnten dann
eingesetzt werden, um die Betreuung in der Wohngruppe zu finanzieren. Das
deutsche Sozialrecht lässt dies jedoch nicht zu.
ƒ
Intergenerative Haus- und Wohngemeinschaften. Bei Hausgemeinschaften
schließen sich mehrere Haushalte, die jeweils eine abgeschlossene Wohnung
bewohnen, zu einer Gemeinschaft zusammen, in der ein Gemeinschaftsleben
sowie gegenseitige Hilfeleistungen organisiert werden. Falls es sich nicht um
abgeschlossene Wohnungen handelt, sondern lediglich um Zimmer, spricht
man von Wohngemeinschaften. Die überwiegende Mehrheit dieser Projekte
besteht aus intergenerativen Gemeinschaften, so dass sich hier im wesentlichen jüngere bzw. rüstige Menschen um ältere Menschen kümmern. In aller
Regel beruht die Gemeinschaft auf einer besonderen persönlichen, freundschaftlichen oder nachbarlichen Beziehung. Zur Realisierung von Hausgemeinschaften gibt es, auch bei ein- und demselben Träger, unterschiedliche
Ansätze: (1) Nachbarn werden in ihren bestehenden Wohnungen zu einer
Hausgemeinschaft zusammengeführt, ggf. auch unter Einsatz baulicher Maßnahmen (z.B. Einreißen von Trennwänden, Schaffung von Gemeinschaftsräumen). (2) Es wird ein leerstehender Altbau angemietet oder angekauft, um
dort eine Hausgemeinschaft einzurichten. (3) Es wird ein Gemeinschaftshaus
errichtet. In allen Fällen wird die Hausgemeinschaft durch einen ambulanten
Betreuungs- und Pflegedienst versorgt. In NRW organisiert insbesondere die
Bielefelder Wohnprojektberatung Jung und Alt e.V. (www.wohnpro.org) Hausgemeinschaften. Allein in Ostwestfalen soll es derzeit rund 30 solcher Hausgemeinschaften geben, davon 10 allein in der Stadt Bielefeld.
In Köln ist mit dem Haus Mobile im Jahr 1997 ein Neubauprojekt realisiert
worden, das 36 abgeschlossene Wohnungen (13 Eigentumswohnungen, 15
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öffentlich geförderte und 8 freifinanzierte Mietwohnungen) umfasst und das eine Hausgemeinschaft ermöglichen soll, die auf Gemeinschaftsräume, ein gemeinsames Pflegebad und ein Gästezimmer zugreift. Allerdings wurde das
Projekt sowohl im Rahmen des Programms „Zukunftsweisende Bauvorhaben“
als auch aus Mitteln des Sozialministeriums gefördert, so dass sich über die
Übertragbarkeit des Modells unter Normalbedingungen keine Aussagen ziehen lassen.
ƒ
Hausgemeinschaften in der stationären Pflege. Das Bundesministerium für
Gesundheit (2000) definiert die Hausgemeinschaft als „eine räumliche und organisatorische Einheit, in der sechs bis acht ältere und pflegebedürftige Menschen leben. (...) Hausgemeinschaften werden, anders als die Wohngemeinschaften, als zugelassene und pflegesatzfinanzierte vollstationäre Einrichtungen betrieben. Als Heime unterliegen sie unter anderem dem Heimgesetz.“
Bei dieser (sehr speziellen und keineswegs dem allgemeinen Sprachgebrauch
entsprechenden) Definition handelt es sich um ein neues architektonisches
und konzeptionelles Leitbild für vollstationäre Pflegeheime, das auch als „4.
Generation des Altenpflegeheimbaus“ bezeichnet wird. Kernidee ist, dass jeweils sechs bis acht Einzelzimmer zu einer Wohngruppe mit eigenem Koch-,
Ess- und Wohnbereich zusammengefasst werden. Anstaltsstrukturen werden
durch den Abbau zentraler Versorgung aufgelöst; stattdessen sollen kleine,
familienähnliche Gruppen mit permanent anwesender Bezugsperson zustande
kommen. Die Aktivitäten der Bewohner orientieren sich an der normalen
Haushaltsführung, die Pflege soll stattdessen in den Hintergrund treten. Dieses vom Kuratorium Deutsche Altershilfe entwickelte Modell richtet sich offensichtlich an die unteren Pflegestufen und nicht an Schwerstpflegebedürftige
und konkurriert damit mit dem Betreuten Wohnen + ambulanter Pflege (DEVAP 2001). Vollstationäre Hausgemeinschaften lassen sich (1) in Form klassischer Pflegeheime mit einer größeren Zahl von Pflegeplätzen, (2) als heimverbundene Satelliten oder (3) als quartiersbezogene Wohnangebote für Pflegebedürftige realisieren. Öffentlich geförderte Pflegeheime in Hamburg müssen bereits seit vielen Jahren in Form solcher Hausgemeinschaften realisiert
sein.
Hausgemeinschaften in diesem Sinne weisen eine besondere Eignung für
Demenzkranke auf, die viele Verrichtungen im Haushalt an sich selber erledigen können, die aber wegen des Orientierungsverlusts auf Integration in eine
Gruppe angewiesen sind.
Ein Beispiel für solche Hausgemeinschaften (hier allerdings als „Wohngruppenhaus“ bezeichnet) in NRW stellt das Altenpflegeheim Windberg der SozialHolding Mönchengladbach dar. Hier sind jeweils 10 Einzelzimmer zu einer
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Wohngruppe gruppiert, die zusätzliche Aufenthaltsräume und eine Teeküche
aufweist (www.weeberpartner.de/Baumodelle/Baumodelle/05 Moenchengladbach/ 05 Moenchengladbach S1.html).
Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und ambulante pflegerische Dienste erkennt in seinem Positionspapier zu Hausgemeinschaften (DEVAP 2001) zwar die offensichtlichen Vorzüge dieses Modells an (Normalität,
Selbständigkeit, Ressourcenerhalt, Nachfrageorientierung, Balance von Privatheit und Gemeinschaft), merkt jedoch kritisch an, dass durch die höhere
Gewichtung des Hauswirtschaftsanteils die Qualität der Pflege beeinträchtigt
werden kann, dass die Eignung für Schwerpflegebedürftige (Stufe 3) und für
Demenzkranke fraglich ist, dass das Gemeinschafts- und Familienleitbild, das
dem Konzept zugrunde liegt, zu hinterfragen sei und dass schließlich die Kostenfrage ungeklärt sei. Die realisierten Modellprojekte seien jedenfalls nicht
aussagekräftig, da sie sämtlich von Sonderförderungen und Sonderbehandlungen profitiert hätten. Ferner spricht gegen den quartiersorientierten Ansatz,
dass auch Hausgemeinschaften, um die Präsenz einer Pflegefachkraft gewährleisten zu können, zu einem Verbund zusammengefasst werden müssen,
dessen Mindestplatzzahl nicht unter der Größe konventioneller Pflegeheime
liegt. „Eine alleinstehende Hausgemeinschaft ist nach der deutschen Sozialgesetzgebung unter normalen Bedingungen nicht machbar.“ (DEVAP 2001, S.
4).
1.1.7 Fördertechnische Dimension: Entwicklungsmöglichkeiten für die Altenwohnheime?
Die scharfe Trennung zwischen Heim und Wohnung wird in Deutschland und speziell
auch in Nordrhein-Westfalen nicht nur durch das Heimgesetz gezogen, sondern auch
durch die Aufteilung der Zuständigkeiten auf zwei unterschiedliche Ressorts der
Landesregierung. Während das Wohnen im Bauministerium ressortiert, ist die Zuständigkeit für das Heim im Sozialministerium angesiedelt.
Angesichts der veränderten Bedarfslagen und Präferenzen hat sich die Realität allerdings zunehmend von den administrativen Zuständigkeiten entfernt. Dies betrifft
insbesondere die Altenwohnheime. Altenwohnheime sind in NRW bis 1996 aus Mitteln des Wohnungsbaus gefördert worden. Mit dem Aufkommen von Alternativen für
das Wohnen im Alter, die mehr Selbständigkeit bieten (insbesondere des Betreuten
Wohnens bzw. Service-Wohnens), haben die Altenwohnheime jedoch, wie auch empirische Untersuchungen zeigen, dramatisch an Attraktivität verloren. Für ältere Menschen, die nicht pflegebedürftig sind, ist das Altenwohnheim heute nicht mehr akzep-
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54
tabel, weil es keine selbständige Lebensführung ermöglicht, weil es mit Bevormundung verbunden ist, weil die Grundrisse nicht mehr zeitgemäß sind, weil es zur Überversorgung tendiert und damit den Verlust körperlicher und geistiger Fähigkeiten
fördert.
In der Praxis sind die meisten Altenwohnheime deshalb zu Pflegeheimen mutiert.
Dies ist an sich unproblematisch, verursacht jedoch ein fördertechnisches Problem,
weil dies dem Förderzweck widerspricht, der auf das Wohnen und nicht auf die Pflege gerichtet war. Aus dieser Situation gibt es zwei Auswege:
1. Weiterentwicklung der Altenwohnheime zu Anlagen selbständigen Wohnens
2. Individuelles Pflegewohnen als Förderzweck der Wohnungsbauförderung
Zu 1: Weiterentwicklung der Altenwohnheime zu Anlagen selbständigen Wohnens
Dieser Ansatz besteht darin zu versuchen, die existierenden baulichen Anlagen an
die geänderten Bedarfe und Präferenzen anzupassen. Dazu müssten im allgemeinen
folgende Veränderungen vorgenommen werden:
ƒ
Die Apartments müssten in abgeschlossene, selbständige Wohneinheiten
umgewandelt werden. Dazu sind folgende Grundrissanforderungen zwingend
zu realisieren: Ein abgeschlossenes, getrennt zu heizendes und zu lüftendes
Schlafzimmer gemäß DIN 18 025 T. 2 (d.h. mit freistehendem, von drei Seiten
erreichbarem Bett); ein ausreichend großes Wohnzimmer, das Platz für eine
Sitzgarnitur, Schränke und einen Esstisch bietet; eine geräumige, voll ausgestattete Küche, die ausreichend Bewegungsflächen und einen Essplatz bieten
muss; ein Badezimmer gemäß DIN 18 025 T. 2 bzw. DIN E 18 030; ein Vorraum mit Abstellmöglichkeit für Rollentaschen oder Gehhilfen; einen Balkon
bzw. Terrasse. Ferner müssten die Wohnungen über eine übliche Klingelanlage verfügen, die uneingeschränktes Empfangen von Besuch ermöglicht.
ƒ
Das Gebäude müsste ein wohnliches Ambiente bieten, das sich deutlich von
der Heimatmosphäre unterscheidet. Das bedeutet: Keine langen Flure, keine
sterilen Materialien, keine wuchtigen, ungegliederten Baukörper. Auch die
Gemeinschaftsräume müssten ein wohnliches Ambiente (und nicht etwa Speisesaalatmosphäre) aufweisen.
ƒ
Die Innenerschließung sollte die Bildung von Wohngruppen bzw. Nachbarschaftseinheiten ermöglichen. Aus der Wohnsoziologie ist seit langem bekannt, dass Nachbarschaftseinheiten sechs bis zehn Wohneinheiten umfassen sollten. Um eine Gruppenbildung zu ermöglichen, sollte die Innenerschließung (z.B. Wohneinheiten pro Aufgang) solche Nachbarschaftseinheiten
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definieren. Außerdem sollte jede Nachbarschaftsgruppe Aufenthaltsmöglichkeiten (z.B. Sitzecken, Gemeinschaftsraum, Gemeinschaftsküche) aufweisen.
ƒ
Der Standort soll eine gute Erreichbarkeit von infrastrukturellen Einrichtungen
– Einkaufsmöglichkeiten, Kirchen, Post, Ärzte, Apotheken etc. – sowie einen
guten Anschluss an den öffentlichen Personennahverkehr bieten.
In aller Regel sind diese Anforderungen, wenn überhaupt, nur mit massiven Umbauten zu realisieren. Insbesondere die zwingend notwendige Anpassung der Grundrisse erfordert zumeist Eingriffe in die Statik des Gebäudes, so dass der Umbauaufwand Kosten verursacht, die neubauähnliche Dimensionen erreichen.
Damit stellen sich jedoch zwei Probleme:
Erstens befindet sich der größte Teil der betroffenen Altenwohnheime in der Trägerschaft von Wohlfahrtsverbänden bzw. von Tochter-GmbHen von Wohlfahrtsverbänden. Diese Träger verfügen zumeist nicht über das Kapital, um die erforderlichen
Umbaumaßnahmen finanzieren zu können.
Zweitens würden Umbaumaßnahmen dazu führen, dass die Kostenmiete in den mittleren Preisbereich freifinanzierter Seniorenwohnungen hinein schießt. Da dies dem
Förderzweck widerspricht (und die Objekte dann bei gleichem Preisniveau nicht mit
neu errichteten Seniorenwohnanlagen konkurrenzfähig wären), müsste der Umbau
also durch eine massive öffentliche Nachförderung finanziert werden. Damit würden
Objekte, die von ihrer Konzeption, ihrer Bausubstanz und z.T. von ihren Standorten
veraltet sind und nicht mehr der Bedarfslage entsprechen, doppelt gefördert.
Ob sich dies lohnt, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Unsere Recherchen ergaben, dass es bislang keine prototypischen Referenzprojekte gibt, um technische
Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Bedarfsgerechtigkeit und Akzeptanz von Umbaumaßnahmen prüfen zu können. Aus gutachterlicher Sicht wird daher angeregt, ExWOST-Mittel zu nutzen, um am Beispiel typischer Referenzprojekte zu prüfen, inwieweit sich Altenwohnheime zu Einrichtungen des selbständigen Wohnens weiterentwickeln lassen.
Zu 2: Individuelles Pflegewohnen als Förderzweck der Wohnungsbauförderung
Die Alternative besteht darin, nicht das Gebäude (mit großem Aufwand) anzupassen,
sondern die Nutzung. Seniorenwohnanlagen weisen ihre Grenzen auf, wenn die Bewohner schwerstpflegebedürftig werden oder Demenz entwickeln. Für beide Symptomatiken bieten Altenwohnheime weitaus bessere Voraussetzungen. Der Gutachter schlägt daher vor, eine neue Wohnform zu entwickeln, die zwischen dem Betreuten Wohnen und der stationären Pflege angesiedelt ist, nämlich das individuelle Pflegewohnen. Individuelles Pflegewohnen geht insoweit über das Betreute Wohnen
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hinaus, als die baulichen und organisatorischen Möglichkeiten für eine ambulante
Pflege innerhalb der Wohnung besser sind, und bleibt insoweit hinter der stationären
Pflege zurück, als die Individualität und Selbständigkeit des Wohnens aufrecht erhalten wird, d.h. die Bewohner nicht unter das Regime eines Heimbetriebs gestellt werden.
Schon wenn leichter Pflegebedarf auftritt, bietet das Betreute Wohnen für die ambulante Pflege nur geringfügig bessere Möglichkeiten als die nicht altersgerechte Normalwohnung. Besser ist zwar, dass die Pflege innerhalb der Wohnung erleichtert
wird, weil Wohnungen nach DIN 18 025 ein von drei Seiten erreichbares Bett gewährleisten, die Türbreiten pflegefreundlicher sind und die Bäder mehr Bewegungsflächen bieten. Für die Pflege weniger günstig ist aber, dass eine vergleichsweise
große Wohnung sauber gehalten werden will, dass es im Betreuten Wohnen vielfach
keine pflegegerechten Therapiemöglichkeiten gibt und dass, selbst wenn es Pflegebäder oder Therapieräume im Gebäude geben sollte, der Transport bettlägeriger Patienten schwierig bleibt. Altenwohnheime bieten hier bessere bauliche Voraussetzungen: Die Apartments sind kleiner und damit pflegefreundlicher, und die Gänge
(die das Ambiente zweifellos beeinträchtigen) erweisen sich als vorteilhaft, wenn es
erforderlich ist, Pflegebedürftige im Rollbett zu Therapieräumen zu transportieren.
Ähnliches gilt für Demenz. Betreute Wohnanlagen geraten an ihre Grenzen, wenn
Orientierungslosigkeit auftritt. Hier bieten Altenwohnheime mehr Möglichkeiten, das
Bedürfnis nach Bewegung (dem „Wandern“) in einer dennoch geschützten Umgebung entgegenzukommen (vgl. zu dem Problemkomplex Lind ).
Die folgende Übersicht definiert die Stufen der Betreuung:
Unterbringungsform
Bauliche Form
Betreuung bzw.
Pflege
Rechtlicher Status
Selbständiges Wohnen
Abgeschlossene
Wohnung
Nur ambulant
Wohnrecht
Betreutes Wohnen
Abgeschlossene
Wohnung
Betreuung integriert
Wohnrecht
Apartment
Betreuung integriert
Pflegefreundliches
Pflege ambulant
Gebäudekonzept
(Pflegestützpunkt im
Gebäude stationiert)
Pflegezimmer
Betreuung und Pflege integriert
Individuelles Pflegewohnen
Stationäre Pflege
Heim gemäß Heim-
Pflege ambulant
Wohnrecht
Heimgesetz
InWIS GmbH
Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
57
mindestbauVO
Die Altenhilfe ist in Deutschland immer noch von der scharfen Dichotomie zwischen
Wohnen und Heim geprägt, die aber nicht der gleitenden Entwicklung von Betreuungs- und Pflegebedarfen entspricht. Mit dem individuellen Pflegewohnen würde ein
weiterer Schritt getan, zu einer kontinuierlichen Angebotskette zu kommen.
1.2
Quantitative Bestandsaufnahme
Vorbemerkung:
Es gibt weder bundesweit noch in NRW zuverlässige quantitative Daten über altersgerechte Wohnformen. Statistische Daten liegen ausschließlich über Heime vor, allenfalls sind auf kommunaler Ebene noch Daten über öffentlich geförderte altersgerechte Wohnungen beschaffbar. Bei unseren Recherchen in nordrhein-westfälischen
Kommunen stellte sich darüber hinaus heraus, dass über freifinanzierte altersgerechte Wohnungen einschließlich des betreuten Wohnens selbst in den meisten Kommunen keine Zahlen bekannt sind, obgleich sich die Zahl der Projekte zumeist im überschaubaren Rahmen hält und sich die Daten deshalb für Ortskundige leicht recherchieren ließen. Dies deutet darauf hin, dass das politische Interesse am altersgerechten Wohnen offenbar noch sehr gering ausgeprägt ist.
1.2.1 Versorgungsquoten mit altersgerechten Wohnformen in nordrheinwestfälischen Kommunen
Wir haben deshalb in verschiedenen Kommunen, die unterschiedliche Größenklassen, siedlungsstrukturelle Typen und Regionen innerhalb NRWs repräsentieren, eigene Recherchen durchgeführt, die in folgender Tabelle dargestellt sind. Zum Vergleich wurde auch Freiburg im Breisgau aufgenommen, das als die Stadt mit dem
größten Angebot an altersgerechten Wohnungen – insbesondere an betreuten Wohnungen – in Deutschland gilt.
Köln
Anzahl
der
Menschen 75+
Münster
Mülheim/
Essen
Ruhr
Ahlen/
Westf.
Sundern
Freiburg/
Brsg.
92.684
20.138
15.923
53.588
3.920
1.848
15.143
Altengerechte
Wohnungen
6.524
1.245
388
3.623
150
35
k.A.
- Anteil an den
Menschen 75+
7,0%
6,2%
2,4%
6,8%
3,8%
1,9%
k.A.
InWIS GmbH
Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
58
Betreutes Wohnen
3.468
768
113
2.214
60
22
2.311
- Anteil an den
Menschen 75+
3,7%
3,8%
0,7%
4,1%
1,5%
1,2%
15,3%
Pflegeplätze in
vollstationären
Einrichtungen
7.126
2.100
1.774
6.514
284
90
1.769
- Anteil an den
Menschen 75+
7,7%
10,4%
11,1%
12,2%
7,2%
4,9%
11,7%
Altersgerechte
Wohnformen
gesamt
17.118
4.113
2.275
12.351
494
147
rd. 5.000
- Anteil an den
Menschen 75+
18,5%
20,4%
14,3%
23,0%
12,6%
8,0%
rd. 33,0%
Quelle: Angaben der Kommunen, Stand August 2003
Die Ergebnisse spiegeln eine extrem große Variation allein in NRW wider. Der Versorgungsgrad mit altengerechten Wohnungen schwankt von 1,9 % in Sundern bis
6,8 % in Essen, mit betreutem Wohnen von 0,7 % in Mülheim/Ruhr bis 4,1 % in Essen. Lediglich bei der stationären Pflege liegen die Großstädte durchweg bei Versorgungsgraden zwischen 10 und 12 %.
Dass die Versorgungsquoten in den kleineren Städten durchweg niedriger sind, erklärt sich aus der geringeren Wohnmobilität, den höheren Eigentumsquoten und den
höheren Potentialen für familiäre Pflege und Betreuung in den ländlichen Räumen.
In der Summe aller erfassten altersgerechten Wohnformen finden wir eine Schwankungsbreite von 8 % bis 23 % mit der Stadt Essen als Spitzenreiterin, gefolgt von
Münster.
Dass allerdings auch die vergleichsweise gut versorgten Städte in NRW noch große
Potentiale für altersgerechte Wohnformen aufweisen, zeigt der Vergleich mit Freiburg. Hier liegt die Versorgungsquote mit betreutem Wohnen bei 15,3 % und damit
fast viermal so hoch wie in den am besten versorgten nordrhein-westfälischen Städten. Dagegen ist Freiburg bei der stationären Pflege nur durchschnittlich.
Insgesamt bietet Freiburg altersgerechte Wohnformen für mindestens ein Drittel seiner Bürger, die 75 und älter sind.
Gemeinschaftliche Wohnformen spielen quantitativ keine nennenswerte Rolle. Das
Kuratorium Deutsche Altershilfe schätzt die Zahl der Bewohner gemeinschaftlicher
Wohnformen einschließlich betreuter Wohngemeinschaften in ganz Deutschland auf
InWIS GmbH
Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
59
9.000. Bei 150.000 bis 230.000 Bewohnern im Betreuten Wohnen entspricht dies
einem Anteil von 4 bis 6% (Kremer-Preiß 2001, S. 19). Bezogen auf unsere Untersuchungsstädte würde das bedeuten, dass maximal 0,2% der Zielgruppe in gemeinschaftlichen Wohnformen lebt.
1.2.2 Der Markt für Seniorenimmobilien
Das InWIS hat im Jahr 1998 für die Westfälische Hypothekenbank eine bundesweite
Marktanalyse zum altersgerechten Wohnen durchgeführt. In die Untersuchung sind
400 Einrichtungen eingegangen, deren Markteinschätzung aus Betreibersicht ermittelt wurde. Auch diese Untersuchung gilt im August 2003 noch als aktuell (KremerPreiß/Stolarz 2003, S. 89).
Das Spektrum der Größe der Einrichtungen, gemessen an der Zahl der Pflegeplätze
bzw. Wohneinheiten - reicht von 4 bis 539. Beide Extreme stellen jedoch Ausreißer
dar. Die große Mehrheit der Einrichtungen weist eine Größe von 20 bis 150 Einheiten
auf.
Einrichtungen nach Größenklassen
Einrichtungen mittlerer Größe dominieren den Markt
unter 50
34,6%
50 bis 100
33,6%
101 bis 150
16,9%
über 200
6,9%
151 bis 200
7,9%
n=390
Marktanalyse Seniorenimmobilien
©InWIS 1998
InWIS GmbH
Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
60
Die Größe einer Einrichtung hängt natürlich vom Typ ab. So verfügen Alten- und
Pflegeheime in der Regel im Vergleich zu betreuten Wohnanlagen und anderer
Wohnformen durchschnittlich über eine deutliche größere Anzahl an Plätzen.
Typische Einrichtungsgrößen
Die Größe einer Einrichtung hängt auch vom Typ ab
Anteil der Alten-/Pflegeheime mit...
Anteil der betreuten
Wohnanlagen mit...
4,7%
8,5%
0,7%
2,1%
3,4%
17,9%
35,2%
Anteil der altersgerechten Wohnanlagen mit...
7,1%
7,1%
21,4%
48,1%
58,6%
20,8%
Marktanalyse Seniorenimmobilien
über 200...
151 bis 200...
101 bis 150...
50 bis 100...
unter 50...
64,3%
Plätzen bzw.
Wohneinheiten
©InWIS 1998
Fast 50% aller Pflegeheime verfügen über eine mittlere Größe von 50 bis 100 Pflegeplätzen. Die betreuten und altersgerechten Wohnanlagen sind im Gegensatz dazu
eher kleinteilig strukturiert. Die Größenstruktur korrespondiert mit den Zielgruppen
dieser Wohnform: während hochpreisige Seniorenresidenzen in zumeist guter Lage
auf eine überregionale Nachfrage stoßen, rekrutiert sich die Nachfrage bei betreuten
bzw. altersgerechten Wohnungen häufig aus dem lokalen bzw. stadtteilbezogenen
Wohnumfeld.
Auch bei der Gebäudeausstattung ist deutlich zu erkennen, dass das Angebot über
alle Größenklassen mit der Zahl der Pflegeplätze bzw. Wohneinheiten vielfältiger
wird. Auf das Angebot an Beratungs- und Servicedienstleistungen wirkt sich die Größe dagegen nicht signifikant aus. Lediglich Einrichtungen mit weniger als 50 Einheiten halten hier nur ein reduziertes Angebot vor. Im Bereich der Freizeitdienstleistungen ist die kritische Grenze für ein breitgefächertes Angebot bei ca. 100 Einheiten
erreicht; während größere Anlagen im Durchschnitt vier verschiedene Freizeitaktivitäten anbieten, sind es in kleineren Anlagen nur etwa drei.
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
61
Ausstattung und Dienstleistungsangebot in Abhängigkeit von der Einrichtungsgröße
A u s s ta t tu n g u n d
D ie n s tle is tu n g s a n g e b o t
- in A b h ä n g ig k e it v o n d e r E in ric h t u n g s g rö ß e -
G e b ä u d e a u s s ta ttu n g
1 ,5 3
3 ,0 5
F r e iz e it
G e b ä u d e a u s s ta ttu n g
2 ,2 8
5 0 b is 1 0 0
E in h e ite n
3 ,2 7
B e r a tu n g u n d S e r v ic e
3 ,6
F r e iz e it
G e b ä u d e a u s s ta ttu n g
b is z u 5 0
E in h e ite n
2 ,8 1
B e r a tu n g u n d S e r v ic e
2 ,6 7
1 0 1 b is 1 5 0
E in h e ite n
3 ,2 6
B e r a tu n g u n d S e r v ic e
3 ,9 1
F r e iz e it
G e b ä u d e a u s s ta ttu n g
B e r a tu n g u n d S e r v ic e
F r e iz e it
2 ,7 7
1 5 1 b is 2 0 0
E in h e ite n
3 ,2 3
3 ,7 4
G e b ä u d e a u s s ta ttu n g
3 ,4 8
B e r a tu n g u n d S e r v ic e
3 ,4 4
F r e iz e it
M a rk ta n a ly s e S e n io r e n im m o b ilie n
über 200
E in h e ite n
4 ,0 4
© In W IS 1 9 9 8
Insgesamt zeigt sich recht deutlich, dass auf dem Markt der Seniorenimmobilien bereits eine Trendwende stattgefunden hat, die sich in der Zukunft fortsetzen wird.
Während für einige Einrichtungstypen deutliche Nachfrageeinbußen erwartet werden,
gewinnen andere Wohnformen deutlich hinzu.
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
62
Nachfrageentwicklung nach Seniorenimmobilien differenziert nach Einrichtungstypen
Nachfrageentwicklung nach Einrichtungstypen
3,79
Alten/Pflegeheim
3,44
3,26
3,05
Altenwohnheim
2,30
1,94
Seniorenresidenz
Betreutes Wohnen
2,50
2,53
2,57
vor 3 Jahren
heute
in 3 Jahren
3,06
3,40
3,69
Altersg.
Wohnungen
Verbundkonzept
3,04
3,23
3,55
3,30
3,58
4,01
niedrige Nachfrage (1)
Marktanalyse Seniorenimmobilien
hohe Nachfrage (5)
©InWIS 1998
Für die traditionellen Formen des altersgerechten Wohnens wird ein deutlicher Nachfragerückgang erwartet. Bezüglich der Altenwohnheime ist diese Einschätzung auf
eine zunehmende Konkurrenz durch alternative Wohnformen zurückzuführen. Auch
die Perspektiven für Alten- bzw. Pflegeheime werden negativ eingeschätzt, wenn
auch der erwartete Nachfragerückgang nicht so stark ist wie bei den Altenwohnheimen. Pflegeheime werden angesichts des zunehmenden Anteils von Hochbetagten
in ihrer Funktion als Einrichtungstyp für Schwer- und Schwerstpflegebedürftige weiterhin auf eine gefestigte Nachfrage stoßen. Die Einschätzung, dass für die „Seniorenresidenzen bzw. Wohnstifte“ von einer gleichbleibenden Nachfrage - allerdings
auf relativ niedrigem Niveau ausgegangen wird, ist wohl darauf zurückzuführen, dass
diese Angebotsform nur das relativ schmale Nachfragesegment der einkommensstarken Senioren bedient. Eindeutig positiv wird dagegen die Entwicklung der Nachfrage für Betreutes bzw. Service-Wohnen und altersgerechte Wohnungen gesehen.
Der eindeutige „Gewinner“ sind die Verbundkonzepte, die verschiedene Formen altersgerechten Wohnens integrieren. Dieser Form des altersgerechten Wohnens werden die höchsten Nachfragezuwächse zugeschrieben. Angesichts der Tatsache,
dass als Verbundkonzept organisierte Einrichtungen bisher nur ca. 20% des gesam-
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
63
ten Angebotes ausmachen, ist davon auszugehen, dass hier noch Angebotslücken
vorhanden sind.
Das Antwortverhalten bezüglich der Nachfrageentwicklung weist keine signifikante
Abhängigkeit vom Einrichtungstyp auf, d.h. dem eigenen Einrichtungstyp werden
i.d.R. keine überdurchschnittlichen Zukunftschancen beigemessen als Konkurrenztypen. Insofern unterliegt die Prognose der Nachfrageentwicklung keinen systematischen Fehlern.
Differenziert man die Einschätzung der Nachfrageentwicklung nach siedlungsstrukturellen Kreistypen, so wird, dass sich über alle Typen hinweg eine ähnliche Tendenz
abzeichnet.
Lediglich einige Werte weichen von den Mittelwerten ab: so weist die Nachfrage
nach Alten- bzw. Pflegeheimen das weiteste Spektrum auf. Der niedrigste Nachfragewert (2,34) wird in Kernstädten in Regionen mit Verdichtungsansätzen, der höchste in ländlichen Kreisen in ländlich geprägten Regionen (3,88) erreicht. Letzteres ist
wahrscheinlich auf einen gewissen Nachholbedarf in diesen Regionen zurückzuführen, der daraus resultiert, dass auch in ländlich geprägten Regionen die familiären
Netze zur Betreuung und Pflege Älterer zunehmend erodieren.
Die Nachfrage nach Altenwohnheimen wird über alle Kreistypen hinweg übereinstimmend als gering eingeschätzt. Die Werte für Seniorenresidenzen liegen sehr nah
zusammen, hier fällt lediglich der niedrige Wert (1,90) in ländlichen Kreisen in Regionen mit großen Verdichtungsräumen aus dem Rahmen. Betreuten Wohnanlagen
wird generell eine relativ hohe Nachfrage zugesprochen, hier liegen die Mittelwerte
über alle siedlungsstrukturellen Kreistypen hinweg zwischen 3,17 und 3,94. Ähnliches gilt für die Verbundkonzepte, wenngleich auf etwas höherem Niveau.
Die Einschätzung der Nachfrageentwicklung unterscheidet sich nicht nur bezüglich
der Einrichtungstypen, sondern auch zwischen den einzelnen Preissegmenten.
Nachfrageentwicklung nach Preissegmenten
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64
Nachfrageentwicklung nach Preissegmenten
Alten-/Pflegeheim
3,65
3,51
2,29
2,89
Altenwohnheim
2,66
1,84
Seniorenresidenz
2,69
unteres
mittleres
oberes
3,00
2,86
Betreutes Wohnen
3,57
3,56
2,77
Altersg. Wohnungen
3,61
3,40
2,58
Verbundkonzept
3,66
3,66
2,90
niedrige Nachfrage (1)
Marktanalyse Seniorenimmobilien
hohe Nachfrage (5)
©InWIS 1998
Auch diese Graphik macht deutlich, dass Altenwohnheime zukünftig nur noch ein
"Auslaufmodell" darstellen - und zwar in allen Preissegmenten. Pflegeheime, Angebote des betreuten Wohnens und altersgerechten Wohnungen liegen in den einzelnen Preissegmenten in etwa gleichauf. Den Verbundkonzepten werden über alle
Preissegmente hinweg die größten Entwicklungschancen zugesprochen. Deutlich
wird jedoch auch, dass die Nachfrage nach Angeboten im unteren Preissegment generell höher als im mittleren bzw. oberen Segment eingeschätzt wird. Die einzige
Ausnahme stellen die Seniorenresidenzen dar, deren Konzeption der Zuordnung
zum unteren Preissegment aus systematischen Gründen widerspricht.
Orientierungswerte für Einrichtungstypen nach Preissegmenten
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
65
Preissegment
Einrichtungstyp
unteres
mittleres
oberes
++
++
-
Altenwohnheim
-
-
--
Seniorenresidenz
-
+
-
Betreutes Wohnen
++
++
-
Altersgerechte
gen
++
+
-
++
++
-
Alten-/Pflegeheim
Verbundkonzept
Wohnun-
++ = sehr hohe Nachfrage + = hohe Nachfrage - = niedrige Nachfrage -= sehr niedrige Nachfrage
Fazit
Der Markt für Seniorenimmobilien hat sich in den letzten Jahren stark ausdifferenziert
- und zwar sowohl hinsichtlich der Einrichtungstypen, als auch der angebotenen
Ausstattungs- bzw. Dienstleistungsqualitäten sowie der Preise.
Die Befragung hat gezeigt, dass die neuen Formen altersgerechten Wohnens - wenn
auch mit regionalen Schwerpunkten in Baden-Württemberg - bereits weite Verbreitung gefunden haben. Betreutes Wohnen und Verbundkonzepte, die zu diesen neuen Formen gerechnet werden, sind zunächst als zusätzliche Angebote neben die
traditionellen Wohnformen (altersgerechte Wohnungen, Alten-/Pflegeheime, Altenwohnheime) getreten. Erste Substitutionseffekte sind jedoch erkennbar. Dies betrifft
insbesondere Altenwohnheime und altersgerechte Wohnungen. Diese Wohnformen
stehen zunehmend in Konkurrenz zu betreuten Wohnanlagen, und zwar aus verschiedenen Gründen.
Betreute Wohnungen bieten gegenüber altersgerechten Wohnungen den Vorteil,
dass auch bei gesundheitlichen Einschränkungen bzw. eintretender Pflegebedürftigkeit einer selbständigen Lebensführung gewährleistet ist. In altersgerechten Wohnungen können pflegerische Dienstleistungen zwar auch vermittelt werden, ein integriertes Dienstleistungsangebot mit aufsuchender Betreuung kennzeichnet dagegen
nur betreute Wohnanlagen. Altenwohnheime weisen zwar eine den betreuten Wohn-
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
66
anlagen ähnliche Dienstleistungsqualität auf, einer selbstbestimmten Lebensführung
sind in dieser stärker institutionalisierten Wohnform - kleine Appartements, denen
wesentliche Charakteristika eigenständiger Wohnungen fehlen - jedoch Grenzen gesetzt. Betreute Wohnanlagen kombinieren die spezifischen Vorteile altersgerechter
Wohnungen bzw. von Altenwohnheimen - hier wird die Philosophie "So viel Sicherheit wie nötig und so viel Eigenständigkeit wie möglich" umgesetzt.
Insofern ist es nicht überraschend, dass altersgerechten Wohnungen und Altenwohnheimen die schlechtesten Entwicklungschancen auf dem wachsenden Markt für
Seniorenimmobilien eingeräumt werden.
Alten-/Pflegeheime als weitere traditionelle Versorgungsform werden dagegen weiterhin auf eine gefestigte Nachfrage stoßen. Diese konzentriert sich insbesondere
auf die Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen, deren Zahl aufgrund eines steigenden Anteils von Hochbetagten weiter zunehmen wird. Die in betreuten Wohnanlagen
vorhandene Infrastruktur wird den Bedürfnissen dieser Zielgruppe nicht mehr gerecht
und kommt daher als Alternative kaum in Betracht. Ein Teil der betreuten Wohnanlagen sichert den Bewohnern zwar bei eintretender Pflegebedürftigkeit den Verbleib in
der eigenen Wohnung zu, die dann entstehenden pflegebedingten Kosten übernehmen die Pflegekassen allerdings nur bis zu den Höchstgrenzen der ambulanten Pflege, die deutlich unterhalb der Sätze für die stationäre Pflege liegt. Dies bedeutet für
den Bewohner, dass zumindest ein Teil der pflegebedingten Kosten aus eigenen Mitteln finanziert werden muß. Inwieweit sich dieser Wettbewerbsvorteil der Pflegeheime durch veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen - die Ausweitung des Geltungsbereichs des Heimgesetzes auf betreute Wohnanlagen - relativieren wird, bleibt
abzuwarten.
Unabhängig von den gesetzlichen Rahmenbedingungen weisen Pflegeheime für die
Betreuung der Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen Kostenvorteile gegenüber
allen anderen Wohnformen auf. Die hohe Zielgruppenorientierung ermöglicht einen
genauen Zuschnitt des Ausstattungs- und Dienstleistungsangebotes auf die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Älteren.
Seniorenresidenzen und Verbundkonzepte weisen die spezifischen Vorteile von betreuten Wohnanlagen auf, bieten aber durch die Integration eines Pflegebereiches
die zusätzliche Sicherheit, auch bei Eintritt von Schwer- bzw. Schwerstpflegebedürftigkeit in der vertrauten Einrichtung verbleiben zu können. Die zumeist sehr großen
Anlagen verfügen über eine hohe Ausstattungs- und Dienstleistungsqualität und hier
finden sich auch die größten Preisunterschiede. Im oberen Preissegment, hier firmieren die Verbundkonzepte i.d.R. als Seniorenresidenz bzw. Wohnstift, erreicht die
Ausstattungsqualität hotelähnlichen Charakter.
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67
3. Internationaler Vergleich von Wohnformen für ältere und Pflegebedürftige
3.1
USA
Vorbemerkung:
In England und in Nordamerika haben sich vollkommen unterschiedliche Begrifflichkeiten zum altersgerechten Wohnen entwickelt, die auch im jeweiligen Land nicht
klar definiert sind und nicht konsistent gebraucht werden.
In den USA hat sich „assisted living“ (vergleichbar mit betreutem Wohnen) als so etwas wie ein Oberbegriff für eine Reihe von spezialisierten, aber nicht immer klar voneinander abgrenzbaren Wohnformen wie „supportive housing“, „independent living“,
„service-enriched housing“, „congregate housing“ oder „continuing care retirement
communities“ herausgebildet, während das Pflegeheim mit „nursing home“ bezeichnet wird. In England spricht man von „sheltered housing“ oder „retirement housing“
für betreutes oder zumindest altersgerechtes Wohnen, während das Pflegeheim hier
„care home“ heißt.
Im Jahr 2020 werden 20% der US-amerikanischen Bevölkerung das 65. Lebensjahr
überschritten haben.4 Knapp die Hälfte davon wird sogar über 75 Jahre alt sein.
Dementsprechend wird die Zahl der alten Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf ansteigen. Anders als in Deutschland werden über 80% der Senioren in Eigenheimen leben.
Die Seniorenkommission beim Kongress der Vereinigten Staaten schätzt, dass ein
Drittel der Seniorenhaushalte (65 und älter) einen Bedarf an altersgerechtem Wohnen aufweist und dass fast ein Fünftel einen Dienstleistungsbedarf aufweist (Seniors
Commission Report 2002, S. 37).
Wohnformen
Weltweit können die USA wohl auf die längsten Erfahrungen mit altersgerechten
Wohnformen zurückblicken. Betreutes Wohnen wird bereits seit den 50er Jahren gefördert. Den Höhepunkt erreichte die Bewegung in den 70er Jahren, in denen auch
ein Großteil der altersgerechten Wohnanlagen, die heute noch am Markt sind, entstanden ist. Aus einem bunten Spektrum der unterschiedlichsten Wohnalternativen
4
Diese und die folgenden Angaben sind einem Bericht an den Kongress entnommen, der von der „Kommission für bezahlbares Wohnen und Gesundheitsdienste für
Senioren im 21. Jahrhundert“, kurz: „Seniorenkommission“, erstellt worden ist (Seniors Commission Report 2002).
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68
haben sich folgende Modelle herauskristallisiert, die die überwältigende Mehrheit der
z.Zt. knapp 1,5 Mio. altersgerechten Wohnungen stellen und die auch für „Normalbürger“ zugänglich sind.
Independent Living: Wohnanlagen, die selbständiges Wohnen unterstützen. Wohnbegleitende Dienstleistungen werden beim independent living nicht immer angeboten, und wenn dann ausschließlich als Wahlleistungen. Typisch sind durchaus freizeitorientierte Gemeinschaftseinrichtungen wie Schwimmbäder, Tennisplätze, Golfplätze, Fitness- und Werkräume sowie organisierte Freizeitangebote. Independent
Living ist eigentlich freizeitorientiertes Wohnen, das sich an rüstige Frühruheständler
wendet. Keine vergleichbaren Wohnformen in Deutschland.
Ein typisches Dienstleistungsangebot beim independent living:
ƒ
Wohnungsreinigung
ƒ
Frühstück, Halb- oder Vollpension
ƒ
Schönheitssalon
ƒ
Organisierte Freizeit- und Gruppenaktivitäten
ƒ
Notrufservice
ƒ
Wäscherei
Congregate Housing ist ähnlich wie independent living, bietet aber Gemeinschaftseinrichtungen (wie Speisesäle, Gemeinschaftsräume) und in der Regel ein höheres
Niveau an Serviceleistungen (wie hauswirtschaftliche Dienste, Fahrdienste, Verpflegung, Freizeitaktivitäten), aber keine Pflegeleistungen. Der Akzent liegt hier auf gemeinschaftlichen Aktivitäten. Vergleichbar mit Service-Wohnen. Congregate Housing
richtet sich an Ruheständler ohne Pflegebedarf.
Assisted Living: Wohnanlagen, die Betreuungsdienste, Gesundheitsdienste und
Pflegedienste bieten. Assisted Living ist geeignet für Ruheständler und Hochbetagte,
auch mit Pflegebedarf. Das assisted living ist am ehesten mit dem klassischen Altenheim in Deutschland vergleichbar, das auch Pflegeleistungen bietet.
Es handelt sich überwiegend um kleinere Wohnanlagen, die durchschnittliche Größe
beträgt 30 Betten. Die monatlichen Kosten für Miete, Versorgung und Pflege liegen
im Durchschnitt bei 1.873 $. Zwei Drittel der Einrichtungen liegen im Preisbereich
zwischen 1.000 und 2.500 $. Im assisted living herrschen häufig heimähnliche Haus-
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
69
ordnungen. 29% verbieten das Rauchen, 58% den Alkoholkonsum, 57% das Halten
von Haustieren. Zu den typischen Dienstleistungen gehören:
ƒ
24-Stunden-Betreuung.
ƒ
Vollverpflegung.
ƒ
Pflegeleistungen (nach Bedarf).
ƒ
Gesundheitsleistungen.
ƒ
Betreuung von dementiell Erkrankten.
ƒ
Religiöse Dienste.
ƒ
Bildungsaktivitäten.
ƒ
Fitnessübrungen.
ƒ
Fahrdienste.
ƒ
Wäschedienst.
ƒ
Hauswirtschaftliche Dienste.
Continuing Care Retirement Communities (CCRC):5 Hier handelt es sich um
campusförmige Wohnanlagen, die abgeschlossene Wohnungen, Betreuungsleistungen, Gemeinschaftsaktivitäten, weitgehende Gesundheits- und Pflegeleistungen bis
hin zur Vollpflege bieten. CCRC können aus Etagenwohnungen oder Einzelhäusern
(cottages) bestehen, im Gartenstadtstil oder im Hochhaus errichtet sein. Das typische Merkmal ist, dass die Betreuungs- und Pflegeleistungen an den individuellen
Bedarf bis hin zur Schwerstpflegebedürftigkeit anpassbar sind. Zu dem typischen
Leistungsumfang gehört:
5
ƒ
Mahlzeiten.
ƒ
Gebäude- und Wohnungsreinigung.
ƒ
Haushaltsführung.
ƒ
Freizeit- und Kulturangebote.
ƒ
Wäschedienste.
ƒ
Fahrdienste.
ƒ
Soziale Dienste und Beratung.
ƒ
Notrufsystem.
Seniors Commissions Report 2002, S. 55ff.
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ƒ
Wellness- und Präventionsprogramme.
ƒ
Pflege (nach Bedarf).
ƒ
Hospizdienst.
ƒ
Allgemeinmediziner- und Fachärztesprechstunden.
ƒ
Zahnärztliche Sprechstunden.
ƒ
Therapieangebote.
ƒ
Krankenstation.
70
Die Abrechnung erfolgt durch eine Pauschale und/oder durch Einzelabrechnung für
Einzelleistungen. Häufig gibt es auch Aufnahmegebühren, die beispielsweise durch
den Verkauf des bisherigen Wohneigentums aufgebracht werden können. Am ehesten mit großdimensionierten Verbundkonzepten vergleichbar, die betreutes Wohnen
mit stationärer Pflegemöglichkeit integrieren.
Das Nursing Home entsprecht dem deutschen vollstationären Pflegeheim.
Förderung
Für altersgerechtes Wohnen listet der Bericht der Seniorenkommission nicht weniger
als 22 verschiedene Förderprogramme allein des Bundes (hinzu kommen noch unzählige Fördermaßnahmen der Bundesstaaten und der Gemeinden) auf, die sich
unterscheiden hinsichtlich
ƒ
des Fördergegenstands (Neubau, Modernisierung, Revitalisierung von Quartieren, Wohnungsanpassung im Bestand, Betreuungsleistungen, Pflegeleistungen, Gemeinschafts- und Infrastruktureinrichtungen).
ƒ
der Instrumente (zinsgünstige Darlehen, öffentliche Bürgschaften, Baukostenzuschüsse, Wohngeldgutscheine, Steuerermäßigungen, Personalkostenzuschüsse bzw. –übernahme).
ƒ
der Zielgruppen (Seniorenhaushalte mit extrem niedrigem Einkommen – 30%
unterhalb des Medianeinkommens -, mit sehr niedrigem – 30 bis 50% -, mit
niedrigem – 50 bis 80% - und mit mittlerem – ab 80% - Einkommen).
Gegenüber dem deutschen System ungewöhnlich sind insbesondere folgende Instrumente:
ƒ
Die „inversen Hypothekendarlehen“, die es selbstnutzenden Eigentümern ermöglichen, ihr Wohneigentum in einen monatlichen Einkommensstrom umzuwandeln (Home Equity Conversion Mortgages/HECM).
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71
ƒ
Ein sehr flexibles Programm mit Quartiersbezug, das es u.a. ermöglicht, Wohnungen altersgerecht zu modernisieren, infrastrukturelle Einrichtungen (z.B.
Seniorenzentren) zu erbauen oder quartiersbezogene Dienstleistungen (z.B.
Fahrdienste, Seniorenmahlzeiten) zu finanzieren. Förderempfänger sind Gemeinden und Bundesstaaten, die einen Maßnahmeplan vorzulegen haben
(Community Development Block Grant Programm/CDBG).
ƒ
Ein Programm zur Vollfinanzierung einer Wohnberatung durch „Service Coordinators“, d.h. Hauptamtliche, die Betreuungs- und Pflegedienste koordinieren
(Service Coordinators in Multifamily Housing/Cranston-Gonzalez National Affordable Housing Act).
ƒ
Zwei Programme zur Finanzierung von Betreuungsleistungen und Betreuungspersonal in betreuten Wohnanlagen des sozialen Wohnungsbaus und in
den umliegenden Wohnquartieren (Resident Opportunities and SelfSufficiency Program/ROSS, Congregate Housing Services Program/CHSP).
ƒ
Ein Programm, um öffentliche geförderte Wohnanlagen in betreutes Wohnen
umzuwandeln (Assisted Living Conversion Program/ALCP).
ƒ
Ein Programm, um Pflegeheime in betreute Wohnanlagen umzuwandeln (Nursing Home Transition Grants Program).
ƒ
Ein Programm, das quartiersbezogene Betreuungsleistungen finanziert und
darauf abzielt, stationäre Pflege zu vermeiden (Social Services Block
Grant/SSBG).
Seit dem Jahr 2000 ist alten Menschen mit niedrigem Einkommen der Zugang zum
betreuten Wohnen in freifinanzierten Wohnanlagen deutlich erleichtert worden. Die
Mietanteile der monatlichen Entgelte werden durch Wohngeldgutscheine subventioniert, während die Entgelte für Betreuungsleistungen durch die staatliche Gesundheitsversorgung Medicaid, Hilfen Dritter und Eigenbeiträge finanziert werden. Allerdings orientieren sich die Wohngeldleistungen an ortsüblichen Vergleichsmieten für
Normalwohnung und sind wegen der höheren Kosten für altersgerechtes Wohnen
(Barrierefreiheit, Gemeinschaftseinrichtungen) zu niedrig.
Versorgungsgrad
Zur Zeit verteilen sich die ab 65jährigen Haushalte auf folgende Wohnformen:
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Wohnformen von Senioren (65+) in den USA
1999
Seniorenhaushalte in konventionellen Wohnungen
Darunter:
Eigenheime
freifinanzierte Mietwohnungen
soziale Mietwohnungen
Senioren in Mehrgenerationenhaushalten
Darunter:
Eigenheime
Mietwohnungen
Altersgerechtes Wohnen und stationäre Pflege
Darunter:
Congregate Care/CCRC Independent Living (Betreutes
Wohnen)
Assisted Living (Betreutes Wohnen mit Pflege)
Skilled Nursing (stationäre Pflege)
Gesamt
29.138.000
84,5%
24.216.000
3.584.000
1.338.000
70,2%
10,4%
3,9%
6,8%
2.336.000
1.931.000
405.000
3.002.377
818.962
644.416
1.539.000
34.476.377
5,6%
1,2%
8,7%
2,4%
1,9%
4,5%
100,0%
Quelle: Seniors Commission Report 2002, S. 23
Heute schon ist der Bedarf an betreutem Wohnen sechsmal so groß wie das Angebot. Die Wartelisten sind entsprechend lang und in den vergangenen Jahren noch
tendenziell gewachsen. Insbesondere herrscht ein Mangel an bezahlbarem betreutem Wohnen, der dadurch verschärft wird, dass der Sozialwohnungsbestand insgesamt schrumpft.
Im Ergebnis erwartet die Seniorenkommission, dass die Zahl der alten Menschen,
die stationären Pflegebedarf aufweisen, weil ihnen keine Betreuungsmöglichkeiten
zur Verfügung stehen, stark steigen wird. Ungedeckte Wohnbedarfe von Seniorenhaushalten werden zu drei Vierteln aus der Gruppe der Eigentümer stammen.
Einen wesentlichen Grund für die Versorgungsdefizite sieht die Seniorenkommission
beim Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika darin, dass die gegenwärtige
amerikanische Seniorenpolitik lediglich eine „Ansammlung von unkoordinierten Entscheidungen und unbeabsichtigten Folgewirkungen“ darstellt (Seniors Commission
Report 2002, S. 6). Einerseits vernachlässigen die sozialen Wohnungsbauprogramme den Betreuungsaspekt, andererseits sind die Gesundheitsleistungen auf akute
Behandlungen und stationäre Pflege fokussiert, so dass es für vorpflegerische
Betreuungsleistungen keine Finanzierungsmöglichkeit gibt.
Empfehlungen der Seniorenkommission
Abgesehen von Einzelempfehlungen, die Spezifika des nationalen Fördersystems
betreffen, empfiehlt die Seniorenkommission dem Kongress folgende Maßnahmen:
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73
ƒ
Förderung der Erhaltung und Modernisierung der aus den 70er Jahre stammenden Seniorenwohnanlagen.
ƒ
Förderung der Wohnungsanpassung für selbstnutzende Eigentümer.
ƒ
Förderung des Neubaus von verschiedenen Typen des betreuten Wohnens.
ƒ
Ausreichende Finanzierung von Pflegeleistungen durch das staatliche Gesundheitssystem.
ƒ
Verbesserte Förderung der Wohnberatung.
ƒ
Verbesserte Förderung der Umwandlung von sozialen Mietwohnungen in betreute Wohnanlagen.
ƒ
Aufbau eines qualifizierten Arbeitskräfteangebotes im Pflegebereich.
ƒ
Verbesserung der Mobilität älterer Menschen (barrierefreie Wege- und Transportsysteme).
ƒ
Erhaltung der inversen Hypothekendarlehensprogramme.
ƒ
Erhöhung der ortsüblichen Vergleichsmieten (fair market rents) für altersgerechte Wohnungen (als Grundlage für Wohngeldleistungen).
ƒ
Förderung von Demonstrativbauvorhaben.
Trends und best practices
Betreuungs- und Pflegephilosophie
Wie in Deutschland herrscht auch in den USA eine institutionenorientierte Pflegephilosophie vor: Pflegeheime sind Institutionen, in denen Patienten behandelt werden.
Die Eden Alternative6, nach der bereits rd. 300 Pflegeeinrichtungen arbeiten, setzt
dagegen den Schwerpunkt auf eine „lebende Umwelt“, die primär darauf abzielt,
Vereinsamung zu überwinden. Die Eden Alternative bemüht sich, eine intime, familiäre Atmosphäre zu schaffen, die sowohl Patienten wie Pflegepersonal, das in hierarchiefreien Teams arbeitet, umfasst. Die Pflege wird als gegenseitiges Geben und
Nehmen angesehen. Sichtbarer Ausdruck dieser Pflegephilosophie ist die Präsenz
von Pflanzen, Tieren und Kindern, die den Senioren die Gelegenheit geben, nicht nur
Pflegeleistungen zu empfangen, sondern auch selber Pflege zu spenden. Ein zentrales Motto des Begründers der Eden Alternative, Dr. med. Bill Thomas, lautet: „In der
Langzeitpflege zählt Liebe. Und der Kern des Problems ist, dass Institutionen nicht
lieben können.“
6
Quelle: www.edenalt.com.
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Independent Choices7 ist ein vollkommen anderes Modell. Hier geht es darum, die
Pflegebedürftigen zu mündigen Kunden zu machen, die über Pflegeleistungen und
Pflegepersonal souverän entscheiden. Anstatt Pflegesachleistungen zu erhalten, bekommen nach diesem, vom Gesundheitsministerium geförderten, Modell die Pflegebedürftigen ein Pflegebudget, das sie – mit Hilfe eines Beraters, der mit ihnen einen
Pflegeplan entwickelt – einsetzen können, um mit beliebigen Personen (Familienangehörige, Freunde, Nachbarn) Pflegeverträge abschließen können. Die Programmevaluation ergab, dass sich durch die persönliche Beziehung zwischen Pflegendem
und Pflegeempfänger insbesondere die Qualität und die Zuverlässigkeit der Pflege
verbessern.
Betreutes Wohnen im unteren Preissegment
Coming Home Program for Affordable Assisted Living in Oregon und ElderChoice in
Massachusetts sind zwei Initiativen, betreutes Wohnen preisgünstig anzubieten. Dafür wird ein Finananzierungsmix unter Nutzung öffentlicher Fördermöglichkeiten eingesetzt. Für ElderChoice ist ermittelt worden, dass mit jedem Bewohner, der im assisted living statt im Pflegeheim untergebracht ist, pro Jahr Einsparungen in Höhe
von 5.000 $ erzielt werden.
Kollektive Vorsorge
Auch in den USA ist es häufig ein Problem, altersgerechte Wohnformen zu finanzieren, wenn der Bedarf eintritt. Ein Ansatz, dieses Problem zu lösen, stellt Friends Life
Care at Home dar. Hier handelt es sich um ein Kollektiv, dem man beitritt, solange
man bei gutem Gesundheitszustand ist. Man zahlt eine Aufnahmegebühr und monatliche Mitgliedsbeiträge. Wenn Hilfebedarf eintritt, unterstützt das Kollektiv, wobei aus
6 verschiedenen Optionen gewählt werden kann: Tagespflege, häusliche Pflege,
Hauswirtschaftlicher Dienst, Wellness und Gesundheit, Notrufservice, Ernährung.
Friends Life Care at Home, das z.Zt. 1.500 Mitglieder aufweist, stellt damit ein Hybrid-Modell aus (privater) Pflegeversicherung und Pflegedienst dar.
Qualitätssicherung
Der Verbraucherschutz hat in den USA eine lange Tradition. Er wird nicht staatlich
gewährleistet, sondern durch eine Vielzahl von Verbänden, die miteinander im Wettbewerb stehen. Zu den wichtigsten Verbänden gehören
7
Quellen: www.independentchoices.com, www.inform.um.edu/aging.
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ƒ
Consumer Consortium on Assisted Living (Verband der Konsumenten).
ƒ
The National Center for Assisted Living (Verband des Personals).
ƒ
Assisted Living Federation of America (ALFA) (Verband der Anbieter).
75
Die Verbände haben eine Internetpräsenz (i.d.R. mit Suchfunktion), Informationsbroschüren und insbesondere Checklisten, die es den Konsumenten ermöglichen, die
Qualität der Angebote zu überprüfen. Im Unterschied zur deutschen Philosophie legen diese Checklisten großen Wert auf „weiche“ Faktoren. Hier beispielhafte Auszüge aus der Checkliste der ALFA:
Atmosphäre
•
Als Sie an der Wohnanlage angekommen sind, gefiel Ihnen der Standort und das äußere Erscheinungsbild?
•
War das Ambiente attraktiv und gemütlich?
•
Wurden sie vom Personal herzlich empfangen und begrüßt?
•
Pflegen die Bewohner untereinander enge Kontakte und erscheinen sie glücklich und zufrieden?
Baulich-technische Merkmale
•
Fällt die Orientierung im Gebäude leicht?
•
Sind Türen, Flure und Wohnungen rollstuhlgerecht?
•
Gibt es überall Handläufe?
•
Sind Schränke und Regale gut erreichbar?
•
Sind die Fußböden rutschfest und gut begehbar?
•
Ist die Wohnanlage sauber, frei von Gerüchen und angemessen beheizt/klimatisiert?
Verträge und Kosten
•
Gibt es einen schriftlichen Betreuungs- und Pflegeplan für jeden Bewohner?
•
Gibt es für den Vertrag Kündigungsmöglichkeiten und welche Gebühren werden im Fall der
Kündigung erstattet?
•
Welche vertraglichen Vorkehrungen gibt es für Kurzzeitpflegebedarf?
•
Gibt es eine Beschwerdeinstanz für unzufriedene Bewohner?
Serviceleistungen
•
Können Fahrdienste kurzfristig eingerichtet werden?
•
Bietet die Wohnanlage Friseur-, Physiotherapie- und Apothekendienste im Gebäude?
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76
Freizeitaktivitäten
•
Nehmen die Bewohner an organisierten Freizeitaktivitäten teil, die außerhalb der Einrichtung
im umgebenden Stadtteil stattfinden?
•
Werden ehrenamtliche in die Organisation der Freizeitaktivitäten eingebunden?
•
Wird ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt, indem Bewohner zur Beteiligung an der Gestaltung
des Freizeitprogramms ermuntert werden oder wird den Bewohnern ein fertiges Programm
vorgesetzt?
Schlussfolgerungen für die Diskussion in NRW
Obwohl immer noch als unzureichend kritisiert, ist die Entwicklung des altersgerechten Wohnens in den USA der deutschen Diskussion um Jahrzehnte voraus. Die amerikanische Entwicklung bestätigt die Tendenzen, die auch am heimischen Markt zu
erkennen sind:
ƒ
Im Segment spezieller altersgerechter Wohnformen hat sich klar das betreute
Wohnen durchgesetzt, das zwar hinsichtlich der Betreuungsintensität, der Gebäudetypen und der Preisniveaus ein durchaus breites Spektrum aufweist,
das aber das „reine“ altersgerechte Wohnen (ohne Betreuung) genauso verdrängt hat wie „exotische“ Wohnmodelle (wie Wohngemeinschaften oder Kollektivwohnanlagen). Der Trend weist eindeutig in die Richtung, auch lebenslange Pflegeangebote in das betreute Wohnen zu integrieren.
ƒ
Im Gegensatz zur deutschen Philosophie spielen Gemeinschaftsaktivitäten bis
hin zu Betreuungs- und Pflegeleistungen, die nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit organisiert werden, als „congregate services“, „congregate meals“,
„congregate housing“ oder „congregate care“ eine große Rolle. Die dahinter
liegenden sozialpädagogischen Konzepte setzen dabei auf die Philosophie
des „empowerment“, d.h. auch bei hilfebedürftigen Menschen noch Leistungspotentiale zu ermitteln und zu aktivieren. Die kollektive Selbsthilfe steht in den
USA allerdings in einer langen zivilgesellschaftlichen Tradition und wird beispielsweise bereits im Schulwesen systematisch eingeübt.
ƒ
Im Rahmen einer präventiven Orientierung wird auf Freizeitaktivitäten, kulturelle und religiöse Angebote relativ großer Wert gelegt. Wellness wird nicht,
wie vielleicht in Deutschland, als Luxus, sondern als integrales Element präventiver Gesundheitspflege angesehen.
ƒ
Die Verbraucherorientierung ist in den USA weit stärker fortgeschritten als in
NRW. Senioren finden eine Fülle von Informationsquellen, Checklisten und
Suchmaschinen, um sich über altersgerechtes Wohnen zu informieren.
ƒ
Verbraucherschutz und Qualitätssicherung werden in den USA vor allem von
Verbänden getragen. Mehrere Dutzend Organisationen der Verbraucher, des
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77
Pflegepersonals und der Betreiber sind in der Öffentlichkeit präsent und gewährleisten – insbesondere durch das Instrument der Checklisten – die Qualitätssicherung. Da kein Verband eine Monopolstellung innehat, findet eine gegenseitige Kontrolle statt.
3.2
ƒ
Die Finanzierung des betreuten Wohnens ist auch in Nordamerika nicht unproblematisch. Insbesondere vorpflegerische Betreuungsleistungen fallen
auch in den USA in eine Finanzierungslücke, die vom Gesundheitswesen
nicht abgedeckt wird.
ƒ
Öffentlich finanzierte Service Coordinators – in NRW würde man dieses Angebot „Wohnberatung“ nennen – haben in den letzten 10 Jahren einen wachsenden Stellenwert erhalten, sowohl um Betroffene individuell zu beraten, als
auch um auf Quartiersebene die verschiedenen Dienstleistungsangebote zu
koordinieren und damit die Effizienz zu steigern.
ƒ
Ein weiterer Trend liegt in der zunehmenden Quartiersorientierung wohnbegleitender Dienstleistungs- und Infrastrukturangebote, für die eigene Förderprogramme eingerichtet worden sind.
ƒ
Selbstnutzende Eigentümer sind als Ziel- und Problemgruppe identifiziert worden. Eine Strategie liegt in der Wohnberatung und Wohnungsanpassung, damit die Selbstnutzer auch im hohen Alter noch in ihren Eigenheimen verbleiben können, eine andere Strategie liegt darin, durch „inverse Hypothekendarlehen“ einen regelmäßigen Einkommensstrom zu generieren, der sich aus
dem Werteverzehr des Eigenheims speist.
Vereinigtes Königreich
Formen altersgerechten Wohnens
Mit der Entwicklung des altersgerechten Wohnens haben sich im Vereinigten Königreich neue Begriffe entwickelt, die deutlich vom amerikanischen Englisch abweichen.
Schlüsselbegriffe sind „scheme“ für Wohnanlage und die Synonyme „schememanager“ und „warden“ für die Betreuer. Der „warden“ – es gibt keine adäquate
deutsche Übersetzung für dieses Wort8 – ist die Person, die sich verantwortlich um
eine Wohnanlage und ihre BewohnerInnen kümmert.
8
Die wörtliche – und durchaus treffende – Übersetzung ist das deutsch Wort „Wart“,
das aber nur noch in Komposita (Hauswart, Tankwart, Platzwart) gebraucht wird. Der
englische „warden“ kann tatsächlich einen Hauswart bezeichnen, aber auch einen
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78
Community Warden Service. Die City of Westminster hat diesen neuen Dienst eingerichtet, der eine ambulante Betreuung für BewohnerInnen von Bestandswohnungen bietet. Der Dienst beinhaltet, dass die Bewohner einmal pro Woche telefonisch
kontaktiert werden und einmal pro Monat einen Hausbesuch erhalten, um die Lebensverhältnisse zu überprüfen. Ziele des Dienstes sind
ƒ
regelmäßigen Kontakt zu halten,
ƒ
eine Beratung in Wohnfragen (Miete, Instandsetzungsbedarf, Fördermöglichkeiten) zu bieten,
ƒ
weitergehende Betreuung (Haushaltsführung, Essen auf Rädern) zu vermitteln,
ƒ
das Gefühl von Sicherheit zu bieten, dass sich jemand kümmert.
Der Dienst ist kostenlos und erfordert lediglich eine telefonische Anmeldung.
Mobile Warden Service. Dieser mobile Betreuungs- und Pflegedienst bietet intensivere Kurzzeitbetreuung in besonderen Lebenslagen, insbesondere
ƒ
Kurzzeitpflege nach Entlassung aus dem Krankenhaus,
ƒ
Kurzzeitpflege, wenn z.B. ein pflegender Familienangehöriger ausfällt,
ƒ
Interventionen nach Notrufen über die örtlichen Notrufdienste,
ƒ
Kurzzeitpflege nach Unfällen, Krankheit etc.
Beim Supported Housing handelt es sich um Wohnanlagen, typischerweise in einer
Größenordnung von 30 bis 100 Wohneinheiten, die abgeschlossene Wohnungen
bietet, die häufig (aber nicht immer) barrierefrei sind und die in der Regel ein Notrufsystem und Türsprechanlagen bieten. In der City of Westminster gibt es auch ein
Minimum an Betreuung in der Form, dass jeder Bewohner mindestens einmal pro
Woche kontaktiert wird.
Die Ausstattung mit Gemeinschaftsanlagen variiert. In der Regel gibt es zumindest
einen Clubraum, wo sich die Bewohner treffen können. Das Freizeit- und Betreuungsangebot variiert ebenfalls sehr stark. In einigen Anlagen wird hier überhaupt
nichts angeboten, andere bieten recht umfassende Programme, die beispielsweise
Jugendherbergsvater, einen Vormund oder sogar einen Rektor einer Hochschule.
Der „warden“ hat tendenziell weit mehr Verantwortlichkeiten als der deutsche „Wart“.
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79
gemeinsames Frühstück, Nähkurse, gemeinsames Mittagessen, Ausflüge und besondere Veranstaltungen einschließen.
Allerdings wird bei praktisch allen Anlagen großer Wert darauf gelegt, dass quartiersbasierte Freizeit- und Betreuungsangebote, die im Vereinigten Königreich in hoher Dichte vorhanden sind, erreichbar sind.
Supported Housing geht im allgemeinen über das reine altersgerechte Wohnen, das
es in Deutschland gibt, hinaus und wäre mit einer Minimalversion des ServiceWohnens vergleichbar.
Auch Sheltered Housing (auch „retirement housing“ genannt) bietet abgeschlossene Wohnungen, die in der Regel barrierefrei, häufig auch behindertengerecht sind.
Typisch für das Sheltered Housing sind ein Notrufservice, umfassende Gemeinschaftseinrichtungen und Betreuungsangebote. In Westminster werden die Bewohner im Sheltered Housing täglich kontaktiert. Ein Betreuer (warden) ist regelmäßig,
aber nicht rund um die Uhr ansprechbar (in Westminster z.B. werktags zwischen
8.00 und 16.00 Uhr). Der Betreuer arrangiert regelmäßige soziale Aktivitäten, z.B.
Ausflüge, Parties und Spiele (Bingo, darts). Die Wohnanlagen verfügen über Gemeinschaftsräume (Säle, lounges, Clubräume).
Die Mieten kommunaler Sheltered-Housing-Wohnanlagen liegen in der City of London, je nach Größe, zwischen 400 und 600 € im Monat (inkl. Betreuung) und sind
damit vergleichsweise preisgünstig.
Sheltered Housing ist mit dem deutschen betreuten Wohnen vergleichbar. Die Mehrheit der Bewohner befindet sich der Gruppe der 70- bis 80jährigen. Eine typische
Entwicklung besteht darin, dass sich im Sheltered Housing das Betreuungsangebot
mit dem Altern der Bewohnerschaft
Beim Very Sheltered Housing (auch „extra care housing“ genannt)handelt es sich
um Sheltered Housing mit integrierter Pflegestation. Die Bewohner wohnen in abgeschlossenen Wohnungen, in den Wohnanlagen ist aber ein 24 Std. verfügbares Pflegeteam stationiert. Die Pflege erfolgt aber in den Wohnungen. Typischerweise wird
ein umfassendes Freizeitprogramm angeboten, außerdem ein Restaurant und Therapie- und Reha-Dienste innerhalb der Anlage. Die Mehrheit der Bewohner ist über
80 Jahre alt.
Residential Care/Care Homes entsprechen dem deutschen Pflegeheim.
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80
Group Homes/Shared Accomodation sind Gruppenwohnprojekte, die sich insbesondere an dementiell Erkrankte wenden.
Versorgungsgrad
Das Gesundheitsministerium nennt für das Jahr 2001 folgende Zahlen:
ƒ
90% der älteren Haushalte leben in Normalwohnunge,
ƒ
5% im Sheltered Housing und im Very Sheltered Housing,
ƒ
5% in stationären Pflegeeinrichtungen (registered care homes).
2001 gab es in England 476.000 WE im Sheltered Housing und 23.000 WE im Very
Sheltered Housing. Davon wurden 299.000 von den kommunalen Wohnungsbauträgern (local housing authorities) und 175.000 von gemeinnnützigen Wohnungsunternehmen (registered social landlords) betrieben. Nur eine kleine Minderheit von altersgerechten Wohnungen befindet sich in privater Trägerschaft.
Die britische Regierung unterstützt die Tendenz zu selbständigen Wohnformen und
sieht insbesondere im Very Sheltered Housing eine Alternative zur stationären Pflege.
Ergebnisse von Evaluationsstudien
Die Housing Corporation (2002), eine nachgeordnete Behörde der Regierung, hat in
einem Bericht die Ergebnisse verschiedener Evaluationen von altersgerechten
Wohnformen niedergelegt. Zentrale Ergebnisse sind:
ƒ
Es gibt eine große Variationsbreite und eine gewisse definitorische Unsicherheit in Bezug auf „Sheltered Housing“.
ƒ
Obwohl Sheltered Housing insgesamt positiv bewertet wird, gibt es eine
Reihe von Wohnanlagen, die Defizite aufweisen, insbesondere hinsichtlich
der Standorte und der Grundrisse. Bemängelt werden insbesondere Anlagen mit 1-Raum-Wohnungen.
ƒ
Menschen ziehen insbesondere dann in Einrichtungen des Sheltered Housing, wenn gesundheitliche Probleme auftreten. Dabei ist der Wunsch ausgeprägt, für den Rest des Lebens in der Wohnanlage zu bleiben.
ƒ
ƒ
Der „warden“-Service wird hoch bewertet.
Die Einbeziehung der Bewohner und auch ihrer Angehörigen in die Gestaltung der Aktivitäten wird ebenfalls positiv bewertet.
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ƒ
Die Bewohner des Sheltered Housing wünschen sich vielfach umfassendere „Menüs“ von Serviceleistungen, insbesondere auch von hauswirtschaftlichen Diensten.
ƒ
Die Finanzierung wohnbegleitender Dienstleistungen ist in Englang
schwierig und beinhaltet häufig einen Mix aus verschiedenen Quellen.
ƒ
Angehörige kultureller Minderheiten sind im Sheltered Housing nur unterproportional vertreten. Dies wird hauptsächlich auf Informationsmängel und
kulturelle Barrieren zurückgeführt.
Qualitätssicherung
Qualitätssicherung durch Bewohner(innen)befragungen
Die National Housing Federation – der Verband der gemeinnützigen Träger des sozialen Wohnungsbaus mit 1.400 Mitgliedern, die 1,8 Mio. WE bewirtschaften – hat
zusammen mit drei großen Anbietern von altersgerechten Wohnungen einen standardisierten Fragebogen entwickelt, um die Mieterzufriedenheit zu erfassen. Der
Fragebogen9 enthält neben verschiedenen Fragen zur Lebenssituation des Haushalts insbesondere detaillierte Fragen zur Zufriedenheit
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
9
mit der Wohnanlage insgesamt, insbesondere mit
-
der Wohnungsgröße und dem Grundriss,
-
der Heizung und den Installationen,
-
den Zuwegen,
-
dem inneren und äußeren optischen Eindruck („decorations“),
-
dem Schutz der Privatsphäre,
-
der Nachbarschaft,
-
der Gartenpflege und Reinigung,
-
dem Internetanschluss,
mit dem Hausmeister,
mit dem Notrufsystem (Geschwindigkeit und Hilfsbereitschaft) und mit der
Sicherheit,
mit den Gemeinschaftsräumen,
Der Fragebogen ist in zwei Fassungen – für persönliche und für postalische Befragungen – im Internet zum Herunterladen verfügbar (www.cshs.co.uk).
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Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
82
ƒ
mit dem Vermieterservice, der Mieterbeteiligung und der Beschwerdebearbeitung durch den Vermieter,
ƒ
mit der Instandhaltung (einschließlich der Einstellungen der Handwerker
und der Vermeidung von Schmutz und Durcheinander),
ƒ
mit der Erreichbarkeit verschiedener Infrastruktureinrichtungen,
ƒ
mit Betreuungs- und Pflegeleistungen,
ƒ
mit antisozialem Verhalten in der Nachbarschaft (Vandalismus, Schmutz,
Lärm, Probleme mit den Nachbarn etc.).
Schlussfolgerungen für die nordrhein-westfälische Diskussion
ƒ
Das „sheltered housing“, also das betreute Wohnen, scheint genauso wie
das stationäre Pflegeheim seine Blütezeit überschritten zu haben. Als zukunftsweisende Wohnform gilt das „Very Sheltered Housing“, das selbständiges Wohnen mit integrierter Pflege verbindet und deshalb auch für Hochbetagte geeignet ist.
ƒ
Schlüsselkonzept für die Betreuung sowohl in Bestandswohnungen wie in
allen Formen altersgerechten Wohnens ist in England die Person des „wardens“, also eines Kümmerers für alle Fragen. Während im deutschen Service-Wohnen Leistungskataloge dominieren, wird das britische Modell von der
Verfügbarkeit einer solchen Ansprechperson geprägt, deren Leistungen flexibel auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner abgestellt werden.
Dies bietet den Vorteil, dass sich die Dienstleistungen im Zuge der Alterung
der Bewohnerschaft verändern können. Außerdem beinhaltet der WardenService eine aufsuchende Betreuung mit regelmäßiger Kontaktierung.
ƒ
Der „warden-service“ wird sowohl in betreuten Wohnanlagen als auch ambulant angeboten.
ƒ
Anders als in heimischen betreuten Wohnanlagen wird in britischen Einrichtungen eine Art Clubatmosphäre erzeugt. Dazu gehören Clubräume,
lounges und Aktivitäten wie z.B. Bingo.
ƒ
Die Qualitätssicherung erfolgt regelmäßig und primär über Bewohnerbefragungen, die auch weiche Faktoren (wie Freundlichkeit des Personals, soziales Verhalten der Nachbarn) beinhalten.
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3.3
Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW
83
Niederlande
Der niederländische Sozialstaat verfügte bis Anfang der achtziger Jahre über ein
recht eng geknüpftes soziales Sicherungsnetz. Hohe Arbeitslosigkeit und eine stagnierende wirtschaftliche Entwicklung führte Anfang der 80er Jahre dann dazu, die
sozialstaatlichen Ausgaben in kleinen Schritten zu reduzieren.
Die Niederlande haben knapp 16 Millionen Einwohner, der Anteil der über 65 jährigen Personen an der Gesamtbevölkerung liegt zur Zeit bei ca. 14 Prozent. Dieser im
europäischen Vergleich sehr niedrige Wert wird sich bis zum Jahr 2040 voraussichtlich auf fast 23 Prozent erhöhen.
Schon seit Anfang der siebziger Jahre gehört in den Niederlanden die Förderung der
eigenständigen Lebensführung im Alter zu den sozialpolitischen Zielen. Seither wird
versucht, die Aufnahme von Personen in Alten- und Pflegeheime zu begrenzen. Das
geschieht nicht nur aus finanziellen Überlegungen heraus, sondern trägt auch dem
Wunsch älterer Menschen Rechnung, möglichst lange in der eigenen Wohnung und
in der vertrauten Umgebung verbleiben zu können. Um dies zu ermöglichen, können
Senioren in den Niederlanden ambulanten Pflegediensten in Anspruch nehmen.
Hierbei wird zwischen Haushaltshilfe und häuslicher Krankenpflege differenziert.
1995 nahmen ungefähr neun Prozent der Senioren Haushaltshilfe und fünf Krankenpflege in Anspruch. Bei den hochbetagten Personen über 85 Jahren lag der Anteil
mit 19 bez. 14 Prozent natürlich höher.
Die Kosten für Haushaltshilfe und häusliche Krankenpflege werden zu circa 85 Prozent von der Sozialversicherung übernommen, der Rest muss vom Betroffenen
selbst zugezahlt werden. Das Angebot an ambulanten Pflegedienstleistungen wird in
den Niederlanden zum größten Teil durch gemeinnützige Träger erbracht.
Bereits seit 1977 entscheiden regionale Begutachtungsstellen über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Unterbringung in vollstationären Einrichtungen. Dadurch soll die Aufnahme in Alten- und Pflegeheimen auf den Personenkreis beschränkt werden, der nicht mehr in der Lage ist, selbstständig zu wohnen. 1996 lebten in den Niederlanden 113.000 Menschen in stationären Einrichtungen, was zu
dem Zeitpunkt rund 5,4 Prozent der Bevölkerung ab 65 Jahren entsprach. In den
letzten Jahren ist der Anteil weiter zurückgegangen.
Da die Bedeutung der stationären Einrichtungen in den Niederlanden abnimmt, sind
Alten- und Pflegeheime schon vor einiger Zeit dazu übergegangen, ihre Dienste auch
älteren Menschen, die noch in der eigenen Wohnung leben, anzubieten (z.B. Tagespflege, Essen auf Rädern).
Neben Alten- und Pflegeheimplätzen steht Senioren in den Niederlanden eine Vielzahl an selbständigen Wohnformen zur Auswahl. Dabei kann unterschieden werden
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84
zwischen Wohnformen ohne und solchen mit integriertem Dienstleistungsangebot.
Letztere werden auch als „Wohnzwischeneinrichtungen“ oder „versorgte Wohnformen“ bezeichnet, da sie die Lücke zwischen normaler Wohnung und stationärer Unterbringung schließen.
Bei den Wohnformen ohne integriertes Dienstleistungsangebot spielen Wohnungen
aus dem regulären Wohnungsbestand zahlenmäßig noch immer die größte Rolle. Da
diese Wohnungen in den meisten Fällen nicht für die besonderen Bedürfnisse älterer
Menschen konzipiert waren, bestand Handlungsbedarf im Bereich der altersgerechten Anpassung. So werden heute gesetzlichen Bauverordnungen entsprechend bereits 50 Prozent der neu errichteten Wohnungen „anpassbar“ gebaut. Dabei handelt
es sich im Grunde um „normale“ Wohnungen, bei deren Planung jedoch bereits die
Anforderungen an körperbehindertengerechtes Wohnen berücksichtigt wurden und
die dann jederzeit relativ einfach auch in eben solche Wohnungen umgewandelt
werden können. Die Förderpolitik folgt damit dem Leitbild, dass die Wohnsituation
und das Wohnumfeld der Situation des Betroffenen angepasst werden sollen und
nicht umgekehrt.
Da es sich in der Praxis gezeigt hat, dass der komplette Umbau bestehender Wohnungen aus Kostengründen zu aufwändig ist, wurde das Konzept des sogenannten
„Opplussen“ bzw. „Aufplussens“ entwickelt, bei der die Wohnungen lediglich dann
barrierefrei umgestaltet werden. Das durch staatliche Prämien geförderte „Aufplussen“ stellt eine recht günstige Maßnahme zur Bereitstellung altersgerechten Wohnraums dar.
Darüber hinaus gibt es in den Niederlanden Altenwohnungen, die speziell für Senioren gebaut wurden und auch nur an diesen Personenkreis vermietet werden. Bei zu
geringem Einkommen kann man in den Niederlanden einen Mietzuschuss beantragen.
Zu den Wohnformen mit integriertem Dienstleistungsangebot zählen die „Aan- und
Inleunwoningen“ sowie die Wohn-Pflege-Komplexe und die Seniorenwohnheime.
Während es sich bei den „Anleunwoningen“ um altengerechte Wohnungen handelt,
die direkt neben Altenheimen gebaut sind, sind die „Inleunwoningen“ selbständige
Wohneinheiten innerhalb der Altenheime. Bei beiden Wohnformen kann der Wohnungsmieter bei Bedarf kostenpflichtige Pflege- und Dienstleistungsangebote vom
Personal des Altenheims in Anspruch nehmen. Für die Inanspruchnahme solcher
Wohnungen ist ähnlich wie beim Alten- und Pflegeheim eine Bestätigung der Notwendigkeit durch den medizinischen Dienst erforderlich.
Ein vergleichbares Angebot findet man auch bei den Wohn-Pflege-Komplexen, welche die Altenheimplätze in Zukunft ganz ersetzen sollen. Der Unterschied zum klassischen Altenheim besteht darin, dass die Bewohner der Wohn-Pflege-Komplexe
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85
über eigene Wohnungen verfügen und selbst entscheiden, welche Pflege- oder
Dienstleistungen sie in Anspruch nehmen wollen.
Die Seniorenwohnheime sind hingegen eher für rüstigere Senioren konzipiert. Die
Bewohner haben ihre eigene Wohnungen und können verschiedene, bereits in einer
Mietpauschale abgegoltene Serviceleistungen in Anspruch nehmen. Dieses Angebot
ist aber nicht einheitlich und variiert je nach Betreiber.
In den Niederlanden hat in den letzten Jahren das von Seniorenverbänden vergebene sogenannte „Seniorenlabel“ als Gütezeichen für altersgerechtes Wohnen eine
große Bedeutung erlangt.
In den Niederlanden wurde bereits seit den siebziger Jahren die Abkehr vom traditionellen Alten- und Pflegeheim eingeleitet. Dies hat dazu geführt, dass das Land heute
über eine im internationalen Vergleich beträchtliche Anzahl an alternativen Wohnformen für ältere Menschen verfügt. Mittlerweile wird das komplette Spektrum zwischen eigenständigem über das betreute Wohnen bis hin zur stationären Pflege abgedeckt. Für die stationäre Pflege gilt, dass eine Unterbringung erst dann erfolgt,
wenn die anderen Wohnformen dem Hilfe- bzw. Pflegebedarf der Betroffenen nicht
mehr gerecht werden.
3.4
Dänemark
Das soziale Sicherungssystem Dänemarks soll hier beispielhaft für den Typus des
skandinavischen Wohlfahrtsstaates dargestellt werden. Es basiert auf einem steuerfinanzierten universalistischen System sozialer Sicherheit für alle Bürger, bei dem die
Leistungen nicht an vorher individuell gezahlte Beiträge geknüpft sind. Dänemark hat
5,3 Millionen Einwohner und ist auch vom typischen „demografischen Schicksal“
westlicher Industrienationen, der Überalterung, betroffen: Noch sind nur rund 15 Prozent der Einwohner über 65 Jahre alt, in 15 Jahren wird diese Gruppe jedoch fast ein
Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen.
In Dänemark wird dem Wohnen eine große sozialpolitische Bedeutung beigemessen.
Die Dänen gelten gerade im Bereich des Wohnens im Alter als besonders innovativ.
Mit der Verabschiedung des „Gesetz betreffend Wohnungen für Alte und Personen
mit Behinderung“ wurde bereits 1987 ein radikaler Paradigmenwechsel weg vom
klassischen Pflegeheim hin zur modernen Seniorenwohnung vollzogen. Die entsprechenden Wohnungen müssen von den Gemeinden bereitgestellt werden. Dahinter
steht die Philosophie der Selbstbestimmung: Älteren sollen jederzeit genau die Hilfe
bekommen, die sie benötigen und zwar unabhängig davon, wo und wie er wohnt. Ziel
ist es, älteren Menschen einen möglichst langen Verbleib in der eigenen Wohnung
zu gewährleisten um ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen zu können.
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86
Diese Zielsetzung wird durch die Bereitstellung eines breiten Dienstleistungsangebotes, das in der angestammten Wohnung in Anspruch genommen werden kann, erreicht. Das Dienstleistungsangebot umfasst vor allem die Hilfe zur persönlichen Pflege, das Zubereiten von Mahlzeiten, die Wohnungsreinigung sowie Hilfe beim Einkaufen und –soweit gewünscht- regelmäßige „Sicherheitsbesuche“. Ziel dieser Maßnahmen ist die Hilfe zur Selbsthilfe, eine entmündigende Abhängigkeit soll vermieden
werden. Generell haben Rehabilitationsmaßnahmen Vorrang gegenüber einer Einweisung in Tages- oder Pflegeheime. Über den grundsätzlichen Anspruch und das
Ausmaß der ambulanten Hilfe entscheiden kommunale Visitationsausschüsse. Die
Entscheidungen werden in regelmäßigen Abständen überprüft. In diesen Ausschüssen sind neben Ärzten und Pflegepersonal auch Mitglieder von AltenSelbsthilfegruppen vertreten.
Die ambulante Hilfe ist für den Älteren kostenlos, die Kosten werden von den Gemeinden getragen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in Dänemark die Gemeinden
als ausführendes Organ für den Sozial- und Gesundheitsbereich verantwortlich sind
und sie daher im Vergleich zu den deutschen Kommunen auch über eine wesentlich
bessere finanzielle Ausstattung verfügen.
Seit dem Paradigmenwechsel 1987 werden in Dänemark folglich keine klassischen
Pflegeheime mehr errichtet,; bereits vorhandene Einrichtungen wurden größtenteils
zu „Altenzentern“ mit Gemeinschaftsanlagen umgebaut, in denen ältere Menschen in
von institutionellen Bindungen freien Wohnungen leben und selbst bestimmen, welche Dienstleistungen sie in Anspruch nehmen wollen. Die seither neu errichteten Seniorenwohnungen müssen körperbehindertengerecht gebaut und - gesetzlichen Vorgaben entsprechend - über eine eigene Küche, Bad mit Toilette sowie ein Alarmsystem verfügen. Im Jahr 2000 lebten rund 60.000 ältere Dänen in solchen Wohnungen
und nur noch knapp 36.500 in den größtenteils umgebauten, ehemaligen Pflegeheimen.
Sowohl die Bewohner der ehemaligen Pflegeheime als auch die der neu gebauten
Seniorenwohnungen tragen die Kosten für Miete und Kaution selbst und können daher auch Wohngeld beantragen. Die individuelle Wohnsituation im Alter ist recht unabhängig von Rente oder sonstigem Einkommen. Verfügt ein Betroffener nicht über
ein ausreichendes Einkommen, übernimmt die öffentliche Hand die Mietkosten.
Errichtet werden die Seniorenwohnungen von gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften und den Gemeinden, denen per Gesetz eine Vielfalt von Refinanzierungsmöglichkeiten für diese Projekte zur Verfügung steht. Auch privates Kapital kann miteinbezogen werden. Bei selbstgenutztem Eigentum gewährt die Gemeinde –für den
Fall das die seniorengerechten Baurichtlinien eingehalten werden- Zuschüsse und
günstige Kredite. So geförderte Wohnungen oder Häuser dürfen nur als Senioren-
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wohnung genutzt werden. Eine Belegungsänderung bedarf der Zustimmung der entsprechenden Gemeinde; eine Eigentumsübertragung ist nur unter sehr strengen Auflagen möglich.
Die Verwaltung der Seniorenwohnungen obliegt ebenfalls den Kommunen, die auch
die Belegung übernehmen. Ausschlaggebend für die Belegung ist der durch den Visitationsausschuss festgestellte Grad der Hilfe- bzw. Pflegebedürftigkeit der Betroffenen.
Eine Quote, welche die Anzahl der Seniorenwohnungen festlegt, existiert nicht. Vielmehr liegt es im Ermessen der jeweiligen Gemeindeverwaltung, die Zahl abhängig
von der Bevölkerungszahl und –struktur festzulegen. Die Verwaltung wird dabei von
zwei Seiten kontrolliert: Zum einen von den gesetzlich vorgeschriebenen kommunalen Seniorenbeiräten vor Ort, zum anderen vom Sozialministerium, der sie jedes Jahr
den Bestand an Seniorenwohnungen übermitteln muss und welches dann gegebenenfalls regulierend eingreifen kann.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es in Dänemark schon seit 1987 zu einer qualitativen Umschichtung des Angebots im Bereich des altersgerechten Wohnen gekommen ist: Das klassische, zur Überversorgung tendierende Pflegeheim ist
durch die Seniorenwohnung mit individuellen Hilfs- und Pflegedienstleistungen abgelöst worden. Insgesamt weist der Bereich des altersgerechten Wohnens ein hohes
Maß an staatlicher Regulierung bei gleichzeitigem Einbezug der „Betroffenen“- Zielgruppe auf.
3.5
Schweden
Aufgrund seines umfassenden Systems der sozialen Sicherung gilt Schweden als
der Prototyp des skandinavischen Wohlfahrtsstaattypus. Eine Wirtschaftskrise Anfang der neunziger Jahren machte allerdings auch Einsparungen im Sozialsystem
erforderlich.
In Schweden leben zur Zeit knapp 9 Millionen Einwohner. Der Anteil der über 65jährigen liegt derzeit bei 17,2 Prozent und wird sich vorrausichtlich bis zum Jahr 2030
weiter auf 23,3 Prozent erhöhen. Der Anteil der Hochbetagten, also Personen ab 80
Jahren, wird ebenfalls zunehmen. Er liegt bisher bei 5,1 Prozent und wird bis 2030
wahrscheinlich auf 7,9 Prozent angewachsen sein.
Auch in Schweden wird der ambulanten Betreuung in der eigenen Wohnung mittlerweile Vorrang gegenüber einer stationären Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung
eingeräumt. Der Paradigmenwechsel ist dabei in erster Linie auf die bereits erwähnten finanziellen Probleme des schwedischen Staates Anfang der neunziger Jahren
zurückzuführen, die Einsparungen bei den Sozialausgaben notwendig machten.
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Die Finanzierung und Organisation der Altenhilfe obliegt in Schweden den Provinzen
und Gemeinden. Die Regierung gibt lediglich Gesetze und Richtlinien vor, die dann
von den Regionen bzw. Gemeinden umgesetzt werden müssen. Im Rahmen der „Ärdelreform“ wurden 1992 knapp 40.000 Pflegeplätze in Pflegeheimen und Krankenhäusern aus dem Verantwortungsbereich der Provinzen den einzelnen Gemeinden
übertragen. Aus Kostengründen haben die Gemeinden sukzessive Kapazitäten im
Pflegebereich zugunsten einer besseren ambulanten Betreuung in der eigenen
Wohnung begonnen abgebaut.
In speziellen, alterspezifischen Wohnformen leben in Schweden heute rund acht
Prozent der über 65-jährigen, von den hochbetagten Personen über 80 Jahren leben
knapp 20 Prozent in solchen Einrichtungen. Die Tendenz ist rückläufig. Die speziellen Wohnangebote umfassen Alten- und Pflegeheime, Seniorenwohnanlagen und
selbstorganisierte Wohngruppen.
Die restlichen 92 Prozent der älteren Menschen leben in normalen Wohnungen, die
sich nicht wesentlich von denen für andere Personengruppen unterscheiden. Da diese Wohnungen nicht immer den Ansprüchen älterer Menschen gerecht werden, unterstützt der schwedische Staat den barrierefreien Umbau und behindertengerechten
Ausbau von Sanitärbereichen mit Prämien. Seit Beginn der neunziger Jahre werden
zudem gezielt altersgerechte Wohnungen neu errichtet.
Damit ältere Menschen auch bei einsetzender leichterer Pflegebedürftigkeit in ihren
Wohnungen und dem vertrauten Umfeld verbleiben können, wird von den Kommunen ein häuslicher Unterstützungsservice und Pflegedienst angeboten. Der häusliche
Unterstützungsservice bietet allgemeine Hilfen zur Alltagsbewältigung, wie zum Beispiel die Hausreinigung, Begleitung beim Einkaufen oder die Zubereitung von Mahlzeiten. Personen, die über diese Leistungen hinausgehende Bedarfe aufweisen,
werden zusätzlich von einem ambulanten Pflegedienst unterstützt.
Schwedische Staatsbürger haben einen gesetzlichen verankerten Anspruch auf die
Inanspruchnahme dieser Service- und Pflegeleistungen. Die Kosten dafür trägt zum
größten Teil die Gemeinde (82-85%). Die Refinanzierung erfolgt aus Steuereinnahmen der Kommunen. Weitere zehn Prozent werden von der schwedischen Zentralregierung bezahlt, der Leistungsnehmer selbst muß nur rund zwischen fünf und acht
Prozent der anfallenden Kosten bis zu einer festgelegten Höchstgrenze übernehmen.
Für die Leistungserbringung greifen die Gemeinden zunehmend auf private Pflegeund Servicedienstanbieter zurück.
Bei Bedarf können sich in der eigenen Wohnung lebende ältere Menschen einen
Hausnotruf installieren lassen, über den eine Verbindung mit der nächstgelegenen
stationären Pflegeeinrichtung hergestellt werden kann. 1999 waren knapp acht Pro-
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zent der Personen über 65 Jahre an ein solches Hausnotrufsystem angeschlossen,
bei der Personengruppe der über 80-jährigen lag der Anteil bei fast 20 Prozent.
Für stärker pflegebedürftige Menschen werden Tagespflegeangebote in speziellen
Einrichtungen angeboten. Dadurch soll ein dauerhafter vollstationärer Aufenthalt
vermieden bzw. zeitlich hinausgezögert werden. 1998 machten circa drei Prozent der
über 65-jährigen von dem Angebot Gebrauch.
Weitere Maßnahmen unterstützen Ältere bei der täglichen Lebensführung: Körperlich
eingeschränkte Senioren können einen von den Gemeinden organisierten Fahrdienst
in Anspruch nehmen. Das Besondere daran ist, dass die Leistungsnehmer dafür den
gleichen Preis wie im normalen ÖPNV bezahlen. Für die Inanspruchnahme ist ein
Berechtigungsschein erforderlich, außerdem existiert bei der Anzahl der Fahrten pro
Person im Jahr eine Obergrenze.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in Schweden die Strategie weg von
der stationären Unterbringung hin zum durch zahlreiche Service- und Pflegeleistungen ergänzten Wohnen in den eigenen vier Wänden konsequent umgesetzt wird.
4.
Schlussfolgerungen
4.1
Empfehlungen für ein bedarfsgerechtes Angebot an altersgerechten
Wohn- und Pflegeformen
4.1.1 Empfehlungen für die Gruppe der Frühruheständler
In der Altersgruppe 55 bis 70 Jahre sind die Menschen überwiegend körperlich rüstig
und geistig fit. Pflegebedürftigkeit ist in dieser Altersgruppe nahezu vernachlässigbar.
Besondere Bedürfnisse an die Wohnformen gibt es in dieser Altersgruppe noch nicht,
weder an Barrierefreiheit, noch an wohnbegleitende Dienstleistungen. Nun könnte
man meinen, für diese Zielgruppe gäbe es keinen sozialpolitischen Handlungsbedarf.
Tatsächlich handelt es sich hier jedoch um eine Phase im Lebenszyklus, in der wichtige Weichenstellungen stattfinden.
Erstens beobachten wir in dieser Phase, wenn die Kinder aus dem Haus sind und die
nachberufliche Phase eingetreten oder zumindest absehbar ist, eine Veränderung
der Wohnwünsche. Insbesondere bei denjenigen in guten wirtschaftlichen Verhältnissen gibt es eine Präferenz für komfortables, freizeitorientiertes Wohnen im suburbanen Raum. In dieser Altersgruppe weisen die Kernstädte regelmäßig negative, die
Umlandgemeinden positive Wanderungssalden auf. Dies hängt auch mit den sozialstrukturellen Veränderungen in den Kernstädten zusammen, die dazu führen, dass
man sich nicht mehr an Stadtteile gebunden fühlt, in denen man jahrzehntelang gelebt haben mag.
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90
In diesen Mobilitätswünschen liegen Chance wie Risiko. Das Risiko liegt darin, dass
sich Frühruheständler in eine Wohnsituation begeben, die nicht alternssicher ist. Da
sich diese Gruppe noch weit entfernt von körperlichen und geistigen Einschränkungen fühlt, wird häufig nicht auf Barrierefreiheit, Erreichbarkeit von Infrastruktur, Verkehrsanbindungen und Verfügbarkeit von Dienstleistungen geachtet. Gerade bei
Umzügen in den suburbanen Raum, wo in dieser Hinsicht Defizite bestehen, sind
dann Versorgungsprobleme im hohen Alter vorprogrammiert. Dies gilt übrigens auch
für Umzüge in südeuropäische Ferienregionen, die zwar Komfort- und Freizeitbedürfnisse befriedigen mögen, aber in aller Regel keine Versorgungsmöglichkeiten bei
aufkommendem Betreuungs- oder gar Pflegebedarf bieten.
Die Chance liegt darin, dass die in dieser Lebensphase auftretende Wohnmobilität
dazu genutzt werden könnte, vorsorgend eine alternsgerechte Wohnsituation aufzubauen.
Für diese Zielgruppe haben sich in anderen Ländern entsprechende Märkte entwickelt, beispielsweise in den USA die „Sun Cities“, die sich nicht an betreuungsbedürftige Hochbetagte, sondern an golfspielende Frühruheständler richten. In NRW sind
erst in Ansätzen entsprechende Wohnangebote erkennbar.
Wohnformen, die alternsgerecht sind und für Frühruheständler attraktiv sind, müssten sich durch folgende Eigenschaften auszeichnen:
ƒ
Keine Fokussierung auf das Alter, sondern eine intergenerationelle Orientierung.
ƒ
Ein Ambiente, das nicht die typische Betreuungsatmosphäre aufweist,
sondern das Modernität, Komfort, Freizeit ausstrahlt. Das Ambiente darf
auch nicht zu „feminin“ wirken, um auch für Paare und die wachsende Zielgruppe alleinstehender Männer attraktiv zu sein.
ƒ
Ein Angebot an wohnbegleitenden Serviceleistungen, das zunächst komfortorientiert ist, das sich aber flexibel den sich wandelnden Bedürfnissen
der Bewohner anzupassen vermag.
Beispiele für alternssichere, intergenerative Wohnanlagen aus NRW sind im ersten
Kapitel dargestellt worden. Vielleicht stellt die Birschel-Mühle in Hattingen, die mit
ihrem Loft-Charakter, ihrem à-la-carte-Restaurant, ihrem Ambiente als Industriedenkmal den besten Prototyp für diese neuartige Wohnform dar.
Zweitens zeichnet sich die Gruppe der Frühruheständler durch ein hohes Maß an
persönlichen und sozialen Ressourcen aus. Das ist die genau die Altersgruppe, die
ihre Enkel beaufsichtigt, ihren Kindern mit handwerklichen Hilfen zur Hand geht und
sich in Ehrenämtern engagiert. Dieses Potential kann aus zwei Gründen für bürgerschaftliches Engagement genutzt werden. Zum einen leistet bürgerschaftliches En-
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91
gagement einen Beitrag, das existenzielle Vakuum, das beim Eintritt in die nachberufliche Phase auftritt, zu füllen, die Menschen aktiv zu halten und die schleichende
Erosion ihrer Qualifikationen aufzuhalten. Zum anderen lässt sich dieses Potential im
Rahmen eines neuen „Generationenvertrags“ zwischen Frühruheständlern und
Hochbetagten aktivieren. Durch bürgerschaftliches Engagement in Nachbarschaftsnetzwerken halten sich die Frühruheständler selber fit und aktiv und tragen gleichzeitig dazu bei, dass sie selber, wenn sie in das hohe Alter kommen und hilfebedürftig
werden, auf entsprechende Unterstützungsleistungen zurückgreifen können.
Eine besondere Zielgruppe stellen die älteren Menschen mit Migrationshintergrund
dar. Wegen der Belastungsfaktoren, die in der Biographie der Migranten typischerweise aufgetreten sind, treten hier bereits – so wie vor dreißig Jahren bei den
Deutschstämmigen – im Alter ab 60 Jahren die ersten körperlichen, geistigen und
sozialen Einschränkungen auf. Im Gegensatz zum populären Vorurteil kann auch die
Mehrheit der türkischstämmigen Migranten kaum auf familiäre Unterstützungspotentiale zurückgreifen. Insbesondere den türkischstämmigen Frauen droht im Alter soziale Isolation.
Für die erste Generation der Migranten, die in den nächsten zwei Jahrzehnten in das
Ruhestandsalter kommen wird, erscheinen interkulturelle Wohnformen, die die Menschen mit mannigfachen Anpassungszwängen konfrontieren, als weniger bedürfnisgerecht als vielmehr kulturspezifische Wohnangebote, die insbesondere sprachlichen
und religiösen Bedürfnissen entgegenkommen. Als bedürfnisgerecht erscheinen –
möglicherweise sogar nach Geschlechtern getrennte – kulturspezifische betreute
Wohnanlagen mit integrierter Pflegemöglichkeit.
4.1.2 Empfehlungen für die Gruppe der Ruheständler und der Hochbetagten
In der Altersgruppe zwischen 70 und 80 Jahren treten die ersten Einschränkungen
auf, die häufig zu Schwierigkeiten mit dem Bewohnen der Normalwohnung führen.
Für diese Altersgruppe sind aber Wohnangebote vorzusehen, die auch im hohen
Alter noch Versorgungssicherheit bieten.
Die große Mehrzahl der Menschen in dieser Altersklasse wohnt in allen Ländern in
Normalwohnungen, die allerdings häufig der altersgerechten Nachrüstung und/oder
der ambulanten Betreuung durch wohnbegleitende Dienstleistung bedürfen. Für diejenigen, bei denen diese Lösungen nicht anwendbar sind, müssen Angebote an altersgerechten Wohnformen vorgehalten werden. Interessant ist, dass das Land mit
dem wohl am weitesten entwickelten Angebot an altersgerechten Wohnformen
(USA) und die deutsche Stadt, in der das altersgerechte Wohnen am weitesten entwickelt ist, nahezu identische Versorgungsquoten aufweisen, nämlich für die Menschen ab 75 Jahren
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ƒ
ƒ
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10 bis 12% Plätze in vollstationären Pflegeeinrichtungen,
rd. 20 % WE in altersgerechten Wohnanlagen (alle Untertypen zusammengenommen).
Während die Pflegeplatzquote zumindest von den Kernstädten in NRW durchweg
erfüllt wird, bestehen bei nicht nichtstationären altersgerechten Wohnformen erhebliche Nachholbedarfe, und hier insbesondere im mittleren und im unteren Preisbereich.
In Nordrhein-Westfalen ist das Angebot an altersgerechten Wohnformen im internationalen Vergleich, aber auch im Vergleich mit anderen Bundesländern (namentlich
Baden-Württemberg), vergleichsweise jung. Das hat zur Folge, dass es, abgesehen
von den hochpreisigen Seniorenresidenzen, bislang kaum Wohnformen gibt, bei denen Erfahrungen mit dem gesamten Zyklus altersgerechten Wohnens bis in das hohe Alter hinein gemacht worden sind.
So ist die dominierende Wohnform, das Service-Wohnen bzw. das betreute Wohnen,
ganz auf die Lebensphase der rüstigen Ruheständler mit maximal leichtem Pflegebedarf zugeschnitten. Das betreute Wohnen stößt jedoch an seine Grenzen
ƒ
bei Schwerstpflegebedürftigkeit, da das betreute Wohnen keine Möglichkeit zur 24-Stunden-Betreuung bietet bzw. eine Rund-um-die-Uhr-Pflege
hier nicht zu finanzieren wäre,
ƒ
bei Inkontinenz, weil die damit verbundenen Probleme auf Akzeptanzprobleme bei den Mitbewohnern stoßen,
ƒ
bei dementiellen Erkrankungen, insbesondere bei (temporärer) Verwirrtheit
und Desorientierung, weil betreutes Wohnen offenes Wohnen darstellt und
Gefährdungen nicht auszuschließen vermag.
Dies bedeutet, dass für einen Teil der Bewohner das betreute Wohnen – im Gegensatz zu den Hoffnungen, die mit einem Wechsel in diese Wohnform verbunden sind –
lediglich eine Zwischenwohnform darstellt, weil beim Eintreten schwerwiegenderer
Beeinträchtigungen doch ein Wechsel in die stationäre Pflege unvermeidbar ist.
Diese Erfahrungen sind auch in Ländern gemacht worden, in denen altersgerechte
Wohnformen bereits früher als in Deutschland entwickelt worden sind, namentlich in
den USA und im Vereinigten Königreich. In beiden Ländern gibt es einen eindeutigen
Trend zu Formen des betreuten Wohnens mit integrierter Pflege, die allerdings in
den Wohneinheiten stattfindet (in den USA: Continuing Care Retirement Communities; im Vereinigten Königreich: „very sheltered housing“).
Auch in Deutschland haben unsere Marktanalysen aufgezeigt, dass Verbundkonzepte, die betreutes Wohnen mit stationärer Pflege verknüpfen, das stärkste Nachfrage-
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93
wachstums aufweisen. Vor dem Hintergrund erscheint es möglicherweise als Irrweg,
das traditionelle betreute Wohnen, das keine integrierte Pflegemöglichkeit bietet, weiter zu entwickeln. Zukunftssicherer wird es sein, von vornherein Verbundkonzepte
aus Service-Wohnen und integrierter Pflegemöglichkeit zu realisieren.
Reine altersgerechte Wohnungen ohne begleitende Dienstleistungen gibt es in den
meisten andern Ländern überhaupt nicht, wohl aber Normalwohnungen mit Dienstleistungsangebot.
Insgesamt zeichnet sich ein bedarfsgerechtes Angebot an altersgerechten Wohnformen für die Gruppe der Ruheständler und Hochbetagten durch folgende Komponenten aus:
4.2
ƒ
Wohnberatung und Wohnungsanpassung für diejenigen, die weiterhin
in ihren Bestandswohnungen bleiben (65 bis 70%). Die Wohnberatung
rechnet sich, wenn die stationäre Pflege dadurch vermieden werden kann, n
der Regel bereits nach wenigen Monaten. Sie gehört zu den effizientesten
sozialpolitischen Leistungen. Die Wohnberatung und Wohnungsanpassung
müssen insbesondere im Hinblick auf die stark wachsende Gruppe der Bewohner von Eigenheimen in peripheren Lagen ausgeweitet werden.
ƒ
Organisation von ambulanten wohnbegleitenden Dienstleistungen für
die Bewohner von Bestandswohnungen. In einigen englischen Städten
werden solche Dienstleistungen von der Kommune finanziert und kostenlos
angeboten. Ansonsten stellt es in allen Ländern eine Herausforderung dar,
solche Dienstleistungen kostengünstig zu organisieren, zumal die Bereitschaft, Entgelte dafür zu entrichten, im Wohnungsbestand gering ist.
ƒ
Ausweitung des Angebots an Verbundwohnanlagen, die ServiceWohnen mit integrierter Pflegemöglichkeit kombinieren, insbesondere
im mittleren und unteren Preisbereich. Aufgrund vorliegender Erfahrungen
kann von einer Bedarfsziffer von 10 bis 15 % WE bezogen auf die Zahl der
Einwohner ab 75 Jahren ausgegangen werden.
ƒ
Entwicklung von angepassten Wohnformen für Demenzkranke, entweder
auf der Basis von Wohngruppen oder in Form von speziell an die Bedürfnisse von Demenzkranken angepassten Pflegeheimen.10
Qualitätssicherung
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Das Thema Qualität und Qualitätssicherung ist gerade im Bereich des „Wohnen im
Alter“ ein vieldiskutiertes Thema. Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von
Heimbewohnern hat der Gesetzgeber für die stationäre Pflege umfassende Bestimmungen erlassen, die die Qualität der Pflege und Betreuung sicherstellen sollen. Für
die Kontrolle der Einhaltung der in verschiedenen Verordnungen festgeschrieben
Standards im Bereich der Pflege (Fachkraftquote, Dokumentationspflicht etc.) und
der baulichen Ausstattung (Mindeststandards die Größe und Ausstattung der stationären Einrichtungen betreffen) ist die staatliche Heimaufsicht verantwortlich. Die Bedeutung der Qualitätssicherung und die Stellung der Heimaufsicht wurde zuletzt bei
der Novellierung des Heimgesetzes im Jahr 2001 noch einmal deutlich gestärkt.
Anders als die stationäre Pflege unterliegt das Betreute bzw. Service-Wohnen keinerlei gesetzlichen Regulierungen, die über das „normale“ Mietrecht hinausgehen.
Es handelt sich ja definitionsgemäß um selbständige Wohnungen, soziale Dienstleistungen werden bei Bedarf dazu gekauft. Das Heimgesetz wirkt sich sogar negativ auf
das Betreute Wohnen aus, da das Risiko, unter das Heimgesetz zu fallen,11 umso
größer ist, je umfassender und qualitativ hochwertiger das Dienstleistungsangebot
ist. Vollends paradox wirkt sich das Heimgesetz bei preisgünstigen betreuten Wohnanlagen aus. Da hier die Miete besonders niedrig ist, muss auch das Dienstleistungsangebot besonders spärlich sein, um den kritischen Anteil nicht zu übersteigen.
Bewohner betreuter Wohnanlagen werden durch das Mietrecht, das Wohneigentumsgesetz sowie die Bestimmungen des BGB sowie bestimmte Verbraucherschutzvorschriften geschützt. Für die Qualität der baulichen Struktur kann auf die Bestimmungen der DIN 18 024 und DIN 18 025 jeweils in zwei Teilen als Qualitätsmerkmale
zurückgegriffen werden12.
10
Konkrete Gestaltungshinweise gibt: Sven Lind: Umgang mit Demenz. Wissenschaftliche Grundlagen und praktische Methoden. Agenda Verlag (Münster) 2000.
Bezugsquelle: Paul Lempp Stiftung.
11
Für die Investoren und Betreiber hätte die Einstufung einer Betreuten Wohnanlage als Heim wirtschaftlich katastrophale Auswirkungen, da zum einen die empfangene Wohnungsbauförderung (insbesondere nach § 7 Abs. 5 EStG) rückwirkend
zurückgezahlt werden müsste und zum anderen die Auflagen insbesondere nach
Heimmindestbauverordnung und Heimpersonalverordnung hier in der Regel unerfüllbar sind.
12
Seit 1997 wird eine neue DIN 18 030 erarbeitet, die die verschiedenen Normen zum barrierefreien Bauen in einer Norm zusammenfassen sollen. Ziel ist vor
allem die Anwendung der verschiedenen Normen in der Planungs- und Baupraxis zu
vereinfachen und wirtschaftliche Aspekte stärker zu berücksichtigen.
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Die Unsicherheit bezüglich des Charakters betreuter Wohnanlagen sowie der Etikettenschwindel, den einige „schwarze Schafe“ mit dem betreuten Wohnen betrieben
haben, haben jedoch dazu geführt, dass in den letzten Jahren eine intensive Fachdiskussion über die Qualität dieser neuen Wohnform stattgefunden hat. In einigen
Bundesländern (Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Bayern) wurden Gütesiegel
entwickelt, mit denen zertifizierte Einrichtungen ausgezeichnet werden. Diese Gütesiegel weisen jedoch eine Reihe von Schwächen auf: Sie konzentrieren sich hauptsächlich auf die Definition baulicher Mindeststandards, die gerade für das Betreute
Wohnen zentrale Frage nach der Dienstleistungsqualität wird nur am Rande thematisiert. Darüber hinaus stoßen sie aufgrund der meist sehr kostspieligen Zertifizierungsverfahren auf eine äußerst geringe Akzeptanz bei den Betreibern und können
somit ihre Aufgabe der Schaffung von mehr Transparenz im Markt nur sehr eingeschränkt gerecht werden.
Zudem sind die formulierten Qualitätsanforderungen i.d.R. nur von neu errichteten
Wohnanlagen erfüllbar. Viele etablierte Wohnangebote, die zwar nicht immer die
baulichen Anforderungen erfüllen, aufgrund ihrer Lage im Wohnumfeld und der
Dienstleistungsqualität aber durchaus als qualitätsvoll einzustufen wären, werden
von der Verleihung der Gütesiegel per se ausgeschlossen.
Zusammenfassend kann das Qualitätssiegel „Betreutes Wohnen“ in anderen Bundesländern als gescheitert gelten.
In Nordrhein-Westfalen wird zur Zeit unter Federführung des MGSFF im Rahmen der
Initiative Seniorenwirtschaft von einer Arbeitsgruppe ebenfalls ein Qualitätssiegel
Betreutes Wohnen erarbeitet. In der Arbeitsgruppe sind sowohl Vertreter der Wohnungswirtschaft als Anbieter von Wohnraum als auch der Wohlfahrtsverbände als
Dienstleistungsanbieter vertreten. Darüber hinaus sind Interessenvertreter der potentiellen Zielgruppe (Verbraucher-Zentrale, Landesseniorenvertretung etc.), der Fachministerien sowie wissenschaftliche Forschungs- und Beratungsinstitute – wie auch
das InWIS – vertreten. Bislang hat sich die Arbeitsgruppe darauf konzentriert, Bestimmungen für ein Qualitätssiegel Betreutes Wohnen zu erarbeiten, die die Bereiche
„Bauwerk“, „Dienstleistungsangebot“ sowie „Vertragswerk“ umfassen. Zur Zeit wird
über das Verfahren der Zertifizierung diskutiert. Geplant ist darüber hinaus in einem
zweiten Schritt die Bestimmungen dahingehend zu modifizieren, dass sie auch auf
den Bestand anwendbar sind.
Typisch für die deutsche Diskussion zur Qualitätssicherung altersgerechter Wohnformen ist die technizistische Orientierung. Auf den Punkt gebracht: Geregelt und
geprüft wird alles, was sich mit dem Zollstock messen lässt: Steigungen von Zuwegen, Bewegungsflächen, Türbreiten, Durchmesser von Handläufen.
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Insbesondere der Vergleich mit den angelsächsischen Ländern spiegelt einen vollkommen anderen Qualitätsbegriff wider: Dort stehen „weiche“ Faktoren, die aber für
das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bewohner viel entscheidender sind, im
Vordergrund, beispielsweise die Freundlichkeit und die Einsatzbereitschaft des Personals, die Wohnlichkeit der Anlage, die Qualität des Freizeitprogramms, die zeitliche
Verfügbarkeit von Hilfen.
Nun versteigt man sich dort nicht etwa dazu, für solche weichen Faktoren objektive
Maßstäbe zu entwickeln (wie beispielsweise Mindestwerte für die Verfügbarkeit eines
Betreuers in Stunden pro Tag), sondern man hat adäquate Messinstrumente entwickelt, die mittlerweile eine hohe methodische Reife erreicht haben. In den USA setzt
man auf Checklisten, die von den dort traditionell stärkeren Verbraucherschutzorganisationen herausgegeben werden. Herr des Verfahrens ist hier der Konsument, also
die älteren Menschen bzw. ihre Angehörigen. Die Checklisten stellen Hilfestellungen
dar, um die Qualität der Einrichtung selbständig beurteilen und miteinander vergleichen zu können. Im Vereinigten Königreich setzt man dagegen auf externe Beurteilungen, die sich im wesentlichen auf Bewohnerbefragungen stützen. Für solche Befragungen sind landesweit standardisierte Instrumente entwickelt worden, die vergleichbare Daten erzeugen.
Solche standardisierten Methoden zur Beurteilung weicher Faktoren haben gegenüber dem technikorientierten deutschen Ansatz eine Reihe von Vorteilen:
ƒ
ƒ
4.3
Sie sind auch für existierende und ältere Wohnanlagen geeignet.
Sie können ungewöhnlichen oder experimentellen Wohnformen flexibler
Rechnung tragen.
ƒ
Sie sind an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bewohner orientiert.
ƒ
Sie erfassen ein weitaus breiteres Spektrum an Qualitätsmerkmalen.
ƒ
Sie können, auch ohne Vorankündigung, jederzeit und auch mehrfach
während des Betriebs einer Wohnanlage eingesetzt werden.
ƒ
Sie sind erheblich kostengünstiger als die technikorientierten Zertifizierungen, die in Deutschland in der Regel von einer Monopolorganisation durchgeführt werden.
Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen
4.3.1 Überprüfung und Beseitigung der paradoxen Effekte des Heimgesetzes,
insbesondere der Einschränkungen von Dienstleistungsangeboten und
pflegerischen Angeboten im Betreuten Wohnen
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Die alternsgerechte Weiterentwicklung des Betreuten Wohnens zu Verbundkonzepten, die auch beim Eintritt von Pflegebedürftigkeit noch Lösungen bieten, ist in
Deutschland aufgrund des Heimgesetzes ausgeschlossen. Moderne Wohnformen
wie die US-amerikanischen Continuing Care Retirement Communities oder das britische Very Sheltered Housing sind in Deutschland durch das Heimgesetz nicht möglich. Dies führt dann entweder zur Unterversorgung der Betroffenen oder zur Notwendigkeit, doch noch aus dem Betreuten Wohnen in stationäre Pflegeeinrichtungen
umzuziehen, was weder von den Betroffen gewollt wird noch aus sozial- und finanzpolitischer Sicht wünschenswert wäre.
Paradoxerweise ist diese Debatte zur 2001 erfolgten Novellierung des Heimgesetzes
bereits geführt worden; damals hatten sich aber im Gesetzgebungsprozess die Argumente durchgesetzt, die allein die Perspektive des Heims gesehen haben. In dem
– durchaus verständlichen – Bemühen, die Heimbewohner so gut wie möglich zu
schützen, hat man den paradoxen Nebeneffekt erzeugt, ein bedarfsgerechtes betreutes Wohnen praktisch zu verbieten. Um diesen paradoxen Effekt zu beseitigen,
müsste das Heimgesetzes noch einmal novelliert werden. Bei dieser Novelle müsste
die Forderung in § 1 Abs. 2, dass das Betreuungsentgelt im Verhältnis zur Miete von
untergeordneter Bedeutung sein muss, ersatzlos gestrichen werden. Außerdem sollte das Verbot, Betreuung und Verpflegung obligatorisch zu machen, ebenfalls ersatzlos gestrichen werden.
4.3.2 Konsequentere Umsetzung des Prinzips ambulant vor stationär durch:
1. Aktivierung von Kapazitäten im Wohnungsbestand durch individuelle und
strukturelle Wohnungsanpassung (hier laufen zur Zeit intensive Gespräche
zwischen der unternehmerischen Wohnungswirtschaft und den im Modellprojekt zusammengeschlossenen Wohnberatungsstellen).
2. Unterstützung von struktureller Wohnungsanpassung durch öffentliche Förderung¸ Herstellung eines unmittelbaren finanziellen Zusammenhangs von Entlastungseffekten bei der stationären Pflege und Förderung der Wohnberatung
und Wohnungsanpassung.
3. Prüfung, inwieweit bei der Umnutzung von stationären Einrichtungen in betreute Wohnformen auf die Rückführung von öffentlichen Fördermitteln verzichtet werden kann.
4. Aufforderung an die Kommunen, innenstadtnahe Flächen für Betreutes bzw.
Service Wohnen bereitzustellen
4.3.3 Erhöhung der Markttransparenz
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1. Information der Zielgruppe über bestehende Alternativen zur stationären Versorgung.
2. Verzeichnisse von Wohn- und Betreuungsangeboten auf kommunaler Ebene
(inkl. der Preise).
3. Erarbeitung von verbraucherorientierten Checklisten.
4. Entwicklung eines modernen, bewohner- (und nicht technik-) orientierten Qualitätssicherungssystems (auf der Basis von Befragungen).
4.3.4 Reform des SGB XI
Stärkere Berücksichtigung des Krankheitsbildes „Demenz“ bei der Einstufung der
Pflegebedürftigkeit.
4.4
Verbesserung der Förderbedingungen
Hinsichtlich der eigentlichen Wohnungen besteht kein besonderer Bedarf an einer
Verbesserung der Förderbedingungen. Wohnangebote im mittleren und oberen
Preisbereich können aufgrund des existierenden Förderinstrumentariums realisiert
werden, und für den unteren Preisbereich steht die öffentliche Wohnungsbauförderung zur Verfügung.
Das Hauptproblem liegt nicht in der Wohnung, sondern in der Finanzierung wohnbegleitender Dienstleistungen. Für vorpflegerische Leistungen gibt es keinen Kostenträger, weder die Krankenversicherung, noch die Pflegeversicherung, noch private
Versicherungen.
Hier gibt es zudem ein finanzpolitisches Paradox: Ambulante Betreuungsangebote,
so sehr sie auch dazu beitragen können, über die Vermeidung von stationärer Pflege
Kosten für die öffentliche Hand einzusparen, stellen freiwillige Leistungen dar, die
sich immer wieder auf Streichlisten finden. Das finanzpolitische Paradox liegt darin,
dass präventiv wirkende freiwillige Leistungen gestrichen werden, weil immer größere Anteile der öffentlichen Haushalte durch die gesetzlichen Pflichtaufgaben gebunden werden. Dies führt letztlich zu einem finanzpolitischen Teufelskreis.
Ein Entkommen aus diesem Teufelskreis kann nur gelingen, wenn ein finanzpolitischer Zusammenhang zwischen den Kostenträgern der stationären Pflege (d.h. Pflegekassen, Sozialhilfe, private Aufwendungen) und der Finanzierung präventiver
Maßnahmen erreicht werden kann. Wenn dieser Zusammenhang hergestellt werden
kann, empfiehlt sich folgende Förderung:
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ƒ
Weiterführung und Ausweitung der Förderung von Wohnberatung und
struktureller Wohnungsanpassung.
ƒ
Förderung von ambulanten Betreuungsleistungen im Wohnungsbestand.
ƒ
Förderung von ambulanten Betreuungsleistungen im Betreuten Wohnen.
Allerdings wird man die öffentliche Hand auch nicht überfordern können. Eine Entlastung der öffentlichen Kassen könnte durch zweierlei Maßnahmen erreicht werden:
ƒ
Durch private Vorsorge – etwa Wohnsparen für das Alter -, die durch eine
Vorsorgepflicht oder durch Anreize gefördert werden kann.
ƒ
4.5
Durch die Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements.
Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements
Die Evaluation der Düsseldorfer Netzwerke hat ergeben, dass bürgerschaftliches
Engagement einen hocheffizienten Ansatz darstellt, um vorpflegerische Betreuungsleistungen auf Stadtteilebene zu organisieren. Allerdings bildet sich bürgerschaftliches Engagement nur in Ausnahmefällen spontan. In der Regel muss bürgerschaftliches Engagement
ƒ
mit den richtigen Methoden initiiert,
ƒ
durch Hauptamtliche begleitet und moderiert und
ƒ
durch ein Minimum an Förderung unterstützt
werden. Dies geht nicht ohne öffentliche Förderung. Im Falle der Düsseldorfer Netzwerke hat sich aber gezeigt, dass diese Förderung hocheffizient ist. Für einen Euro
Förderung wird – vorsichtig gerechnet – bürgerschaftliches Engagement im Wert von
über neun Euro mobilisiert.
Allerdings ist auch die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements mit dem finanzpolitischen Paradox konfrontiert, dass es sich dabei um eine freiwillige Aufgabe
handelt, die angesichts der öffentlichen Finanzknappheit nur schwer zu finanzieren
ist.
Wenn es nicht gelingt, dieses Paradox zu überwinden, gibt man allerdings die Chance aus der Hand, eine erprobte und bewährte Methode, die zudem hocheffizient ist,
zur Bewältigung der demographischen Herausforderung einzusetzen.
Literatur
Alber, Jens, Schölkopf, Martin, Seniorenpolitik. Die soziale Lage älterer Menschen in
Deutschland und Europa, Amsterdam: Facultas 1999.
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100
Bäcker, Gerhard, Bispinck, Reinhard, Hofemann, Klaus, Naegele, Gerhard (Hrsg.),
Sozialpolitik und Soziale Lage in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2:
Gesundheit, Familie, Alter, Soziale Dienste, Opladen: Westdeutscher Verlag 1999.
Braun, Alfred (Hrsg.): Solidarität der Generationen : Grenzenlos: Wohnen im Europa
der Generationen, Perspektiven des Älterwerdens der Gesellschaft in
Deutschland und Europa, Freudenstädter Forum vom 22. bis 24. Oktober
1998, FEA-Manuskripte, Freudenstadt, 1999
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