„LEBEN IN FÜLLE“ - Marien
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„LEBEN IN FÜLLE“ - Marien
Robert J. Olbricht „LEBEN IN FÜLLE“ Das Katholische Marien-Krankenhaus in Lübeck im Wandel der Zeit Michael Imhof Verlag Titelbild: Titelrückseite: Verwendete Literatur: ARCHIV DER HANSESTADT LÜBECK, Handschrift 901 e: Schrödersche Gründstücke Bd. 5. BREHMER, Dr.W.: Lübeckische Käufernamen nebst Beiträgen zur Geschichte einzelner Käufer. Druck von H.G.Rathgens, Lübeck 1890. CLASSEN, Richard: Hundert Jahre Graue Schwestern in Lübeck 1874-1974, Druckerei Schmidt-Römhild, Lübeck 1974. ENGELBERT, Kurt: Geschichte der Kongregation der Grauen Schwestern von der heiligen Elisabeth, Verlagsbuchhandlung August Lax, Hildesheim 1969, 3. Band 1935-1966, S.222-23. HOFFMANN, Max: Die Straßen der Stadt Lübeck. Mit einer Karte. Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte und Altertumskunde Bd. 11, Lübeck 1909. LÜBECKISCHES ADDREß-BUCH nebst Lokal-Notizen und topographischen Nachrichten für das Jahr 1789 [ff.]. Lübeck, Verlag G.C.Schmidt. [i.J. des Ersch.] MERTENS, Johannes: Geschichte der Kongregation der Schwestern von der heiligen Elisabeth 1842-1992, Reinbek 1998, Band II, S. 525-26; 531. MÜLLER-SCHERZ, Hannelore: Florence Nightingale 67: Einfühlend und sachlich. in: Lübecker Nachrichten, Freitag, 12. Mai 1967 / Nr.109, S.5. OLBRICHT, Robert J.: Die Gottesliebe leben. Eine theologische Grundlegung. in: Krankendienst. Zeitschrift für katholische Krankenhäuser, Sozialstationen und Rehaeinrichtungen, 76. Jahrgang November 2003, S.342-45. SCHWETER, Joseph: Geschichte der Kongregation der Grauen Schwestern von der heiligen Elisabeth. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Karitas und Mission in den letzten 100 Jahren, Frankes Verlag und Druckerei / Otto Borgmeyer, Breslau 1937, Band II, S. 414-18. SIEPENKORT, Helmut (Hrgs.): Hundert Jahre Propsteikirche Herz-Jesu zu Lübeck, Druckerei Taubert, Lübeck 1991. Der Wagen. Ein Lübeckisches Jahrbuch. Herausgegeben in Verbindung mit der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeiten von Paul BROCKHAUS. Verlag Max-Schmidt-Römhild, Lübeck 1961. Bildnachweis: Schwarz-Weiß-Fotos: Archiv Katholisches Marien-Krankenhaus Lübeck, Farbfotos: Matthias Steinebach, Lübeck Robert J. Olbricht: „Leben in Fülle“. Das Katholische Marien-Krankenhaus in Lübeck im Wandel der Zeit. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2009 ©2009 Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG | Stettiner Straße 25, D-36100 Petersberg Tel. 0661/9 62 82 86 | Fax 0661/6 36 86 | [email protected] | www.imhof-verlag.de Gestaltung und Reproduktion: Michael Imhof Verlag | Druck: Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda Printed in EU ISBN 978-3-86568-461-5 INHALT Vorwort des Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vorwort des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vorwort des Krankenhaus-Seelsorgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Teil 1: Zur Geschichte des Katholischen Marien-Krankenhauses in Lübeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.1 Die Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.2 Ein eigenes Krankenhaus für die Ordensschwestern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.3 Der Neubau des heutigen Marien-Krankenhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.4 Kriegs- und Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.5 An- und Umbauten – personelle Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.6 Der Weggang der Ordensschwestern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Teil 2: Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.1 Der Einschnitt und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2 Von der Schwesternkapelle zum Andachtsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.3 Der ‚Altar‘ im neuen Andachtsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.5 Einträge ins Fürbittenbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.1 Das Leitbild des Katholischen Marien-Krankenhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.2 Andreas Kasparak zu seinem Kreuz ‚Auferstehung‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.3 Beispiele für den WochenZuspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.4 Abschlussbericht der Arbeitsgemeinschaft ‚Christliches Krankenhaus‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3 VORWORT DES AUFSICHTSRATSVORSITZENDEN Propst Franz Mecklenfeld Franz Mecklenfeld, Propst und Dechant in Lübeck A ls Propst der Katholischen Pfarrei Herz Jesu in Lübeck bin ich auch der Vorsitzende im Aufsichtsrat des Marien-Krankenhauses. Für mich liegen die Anfängen dieses Hauses in der caritative Zuwendung zu den bedürftigen kranken Menschen aus christlicher Motivation. Heute können wir darauf zurükkblicken, wie sich aus der häuslichen Pflege der Ordensschwestern das Katholische Marien-Krankenhaus entwickelt und entfaltet hat. Die vorliegende Schrift zeichnet den Weg stetigen Wachsens in diesem Dienst nach und belegt, dass der Geist christlich motivierter Sorge um und Fürsorge an den Menschen über den Weggang der Ordensschwestern hinaus lebendig ist. In diesem Sinne kann die vorliegende Schrift auch als ein Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus verstanden werden, die nunmehr den christlichen Geist weiter tragen und weiter tragen werden. Lübeck, am 10. November 2008 VORWORT DES GESCHÄFTSFÜHRERS Henning David-Studt Henning DavidStudt, Geschäftsführer D as Katholische Marien-Krankenhaus wird in diesem Jahr 120 Jahre alt. Für mich als Geschäftsführer dieses traditionsreichen Hauses ist dies ein Zeichen der Anerkennung und Herausforderung zugleich. In 120 Jahren hat sich das Marien-Krankenhaus einen besonders guten Ruf in der Hansestadt Lübeck erworben. Im Marien-Krankenhaus ging es immer 4 um zeitgemäße Medizin, aber immer auch um den Menschen, der in seiner Hilfsbedürftigkeit Wärme und Beistand benötigt. Herausforderung meint die Aufgabe, in Zeiten ständig wandelnder Vorgaben und Entwicklungen auf dem „Gesundheitsmarkt“ den wechselnden Anforderungen gerecht zu werden. Wirtschaftlichkeit ist in Zeiten knapper Finanzmittel sicherlich wichtig. Aber dabei wollen wir auch weiterhin das besondere Gepräge unseres Hauses, die dem Patienten zugewandte Art, unbeirrt und unverwechselbar beibehalten. Auch in der Zukunft wollen wir den Patienten und den werdenden Eltern neben der modernen Medizin und der komfortablen Unterkunft ein Höchstmaß an persönlicher Zuwendung schenken. Ich freue mich, dass Sie dieses Heft in den Händen halten und so die Geschichte unseres Hauses nachvollziehen und deren Bedeutung für unser aktuelles Handeln einschätzen können. Lübeck, am 10. November 2008 VORWORT DES KRANKENHAUS-SEELSORGERS Robert J. Olbricht I m Frühjahr 2008 wurde auf der Straße am Dom, auf der „Parade“ ein „Tag der offenen Tür“ veranstaltet, an dem sich alle anliegenden Häuser und Einrichtungen beteiligten. Mein Beitrag als KrankenhausSeelsorger im Marien-Krankenhaus dazu war u.a., eine „Geschichtsecke“ zu gestalten. Einmal eingetaucht in diese Materie, ließ sie mich nicht wieder los. Und so entstand nach und nach aus dem Sammeln der Erzählungen, Fotos, Dokumente und Entdeckungen die Idee, all das festzuhalten, besonders weil die Verbindung mit den Ordensschwestern bei vielen Lübeckern noch sehr lebendig ist. Der Weggang der Ordensschwestern im Jahr 2003 aus Altersgründen und wegen fehlenden Nachwuchses - war eine wirkliche Herausforderung für das Katholische Marien-Krankenhaus in Lübeck. Sah man eine Ordensschwester im Haus, verband man damit in der Regel eine Zugewandtheit, die unabhängig von der Uhrzeit oder tariflichen Bestimmungen war, eindeutige, im Alltag gelebte moralische Vorstellungen, und dass die alltäglichen Vollzüge im Krankenhaus ‚geerdet’ und zugleich in verlässlicher Weise ‚gehimmelt’ waren. Nun aber ist diese Epoche für das Katholische Marien-Krankenhaus in Lübeck unwiderruflich zu Ende gegangen. Wie hat das Haus diese Veränderung angenommen und gemeistert? Die Antwort auf diese Frage beginne ich mit einem Gang durch die Geschichte des Hauses. Danach werde ich darlegen, welche Veränderungen durch den Weggang der Ordensschwestern notwendig wurden und welche neuen Wege seitdem eingeschlagen worden sind. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der Idee eines neuen Andachtraumes, dessen Planung und Bauausführung sowie einer ausführlichen Beschreibung dieses Raumes. Für mich war es ein Geschenk, diesen Veränderungsprozess im Katholischen Marien-Krankenhaus nicht nur miterleben, sondern auch mitgestalten zu können. Das war natürlich nur durch die Zusammenarbeit vieler wohlwollender Menschen möglich. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle einige mit Namen zu nennen: Herr Henning David-Studt, der als Geschäftsführer des Robert J. Olbricht, KrankenhausSeelsorger Hauses diesen Prozess von Beginn an mit großer Aufgeschlossenheit gefördert hat und in einigen kritischen Situationen durch seine Entschlossenheit den Gedanken an ein Scheitern erst gar nicht aufkommen ließ. Danke an die Mitarbeiterinnen der Arbeitgruppe „Christliches Krankenhaus“, die auf Seite 31 auch namentlich aufgeführt sind. Sie haben in diesem Prozess durch ihr persönliches Engagement, durch die Rückbindung der Diskussion an ihre jeweiligen Bereiche und ihre Geduld und Ausdauer nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass heute ein Wir-Gefühl und eine gemeinsame Verantwortung für den „Guten Geist“ im Haus besteht. Nach Reinbek geht mein Dank an Sr. M. Edelgard Larink, die mir das Archiv des Ordens der „Schwestern der Heiligen Elisabeth“ zugänglich gemacht hat und mir immer wieder für Rückfragen zur Verfügung stand. Dank auch an Frau Schlegel vom Archiv der Hansestadt Lübeck, die mich sachkundig an die Hand genommen und durch die Schätze des Archivs an genau die Stellen geführt hat, an denen ich Antworten auf meine Fragen finden konnte. Danke schließlich allen für die Zeit und Mühe, die sie sich mit diesem Heft gemacht haben, damit aus den vielen einzelnen Notizen und Ausführungen ein lesbares, vielfältig bebildertes, anschauliches Werk werden konnte. Lübeck, am 10. November 2008 5 TEIL 1 ZUR GESCHICHTE DES KATHOLISCHEN MARIEN-KRANKENHAUSES IN LÜBECK 1.1 DIE ANFÄNGE 1 842 wird der Orden der „Schwestern von der Heiligen Elisabeth“ gegründet. Die erste Zelle entstand 1842 durch den Entschluss von vier Frauen in Neisse in Schlesien (Clara Wolff, Maria Merkert, Mathilde Merkert und Franziska Werner), ein religiöses Leben zu führen und Kranke ambulant in deren Wohnungen zu pflegen. Nach dem Sieg von Preußen und Österreich über Dänemark 1863 wurde den Katholiken in Holstein Religionsfreiheit gewährt, was der Katholischen Kirche im protestantischen Lübeck neue Möglichkeiten eröffnete. Vor diesem Hintergrund fragte Fräulein Bertha Gobert persönlich im Mutterhaus in Neisse an, ob „Schwestern der Heiligen Elisabeth“ oder die „Grauen Schwestern“ – wie sie nach der Tracht, in der sie damals auf die Straße gingen, genannt wurden – nach Lübeck gesandt werden könnten. Sie trugen über dem schwarzen Ordenskleid ein graues Umschlagtuch und auf dem Kopf über einem weißen Häubchen einen grauen Hut, was nichts anderes war als eine schlesische Frauentracht. 1924 bekamen die Schwestern eine neue graue und 1962 schließlich eine schwarze Tracht. Ordensschwestern auf der Parade 1924 Domherrenkurie Parade 951 1874 am 09.04. trafen die ersten drei Ordensschwestern in Lübeck ein und gründeten einen Konvent in einer Unterkunft am Pferdemarkt 11, die Dr. Marcus, der Pfarrer der kleinen katholischen Kirchengemeinde in Lübeck, angemietet hatte. Es waren dies Sr. M. Ceslawa Niklas (die erste Oberin), Sr. M. Demetria Schulz und Sr.M. Ermentrud Stenzel. Im Herbst kam Sr. M. Leandra hinzu, die in Thomas Manns „Die Buddenbrooks“ (1901) namentlich erwähnt wird. Ein Jahr später arbeiteten schon sieben Schwestern in Lübeck. Da in der Bleibe am Pferdemarkt gerade einmal vier Schwestern unterkommen konnten, nahm Fräulein Gobert die Schwestern zu sich in ihr Haus Dankwartsgrube 47. Alle Schwestern waren in der ambulanten Krankenpflege in Privathäusern tätig. 1.2 EIN EIGENES KRANKENHAUS FÜR DIE ORDENSSCHWESTERN Die starke Nachfrage nach den Diensten der Schwestern ließ bald den Wunsch nach einem eigenen Krankenhaus aufkommen. Die große Gönnerin der Schwestern, Fräulein Bertha Gobert, erwarb die ehemalige 6 Blick auf die Parade vom Dom her Domherrenkurie ( = Wohnungen von Geistlichen des engeren Beraterkreises des Bischofs) Parade Nr. 3. Da das Archiv des Bauamtes der Hansestadt Lübeck in der Bombennacht 1942 völlig ausbrannte, ist die genaue Baugeschichte dieses Ortes nicht zu rekonstruieren. Belegen lässt sich, dass 1796, als in Lübeck die Hausnummern eingeführt wurden, das Grundstück Nr. 6 (von 1812-20 Nr. 951 und seit 1884 Nr. 3) als „unbebaut“ aufgeführt wurde, was auch eine aquarellierte Federzeichnung des Hamburgers Johann Marcus David aus dem Jahre 1799 zeigt. Sämtliche Grundstücke auf der Parade waren Domherrenkurien. 1803 wurde auf Grund der Säkularisation (vgl. Reichsdeputationshauptschlusses unter dem Einfluss von Napoleon Bonaparte) das Domkapitel aufgelöst und Grundstücke und Gebäude der Stadt überwiesen, wobei die damaligen Domherren das Wohnrecht behielten. Über die auf Stichen und Fotos dargestellte Domherrenkurie Nr. 3 lesen wir in SCHRÖDERSCHE GRUNDSTÜCKE: Sie wurde bis zu seinem Tod 1828 vom Senior des Domkapitels und Dänischen Kammerherren Christoph von Buchwald bewohnt und dann von der Stadt an Senator Dr. Georg Friedrich Stintzing verkauft, 1835 an Senator Dr. Heinrich Brehmer weiterveräußert. Nach dessen Tod wurde sie umgebaut und von 1872–1888 von Dr. med. Friedrich Schorer als private Klinik für Chirurgie und Augenheilkunde genutzt. Nach seinem Tod wurde Fräulein Bertha Gobert als Eigentümerin aufgeführt. Im Jahr 1903 wird im Lübeckischen Adreß-Buch neben Fräulein Gobert auch das Bistum Osnabrück als Eigentümer aufgeführt, nach dem Tod von Fräulein Gobert im September 1904 nur noch das Bistum Osnabrück. Seit der Einweihung der Katholischen Marienkrankenhauses in Lübeck 7 nicht zu. Einmal wird ihr Ordenseintritt nirgends erwähnt. Zum anderen wurden Ordensschwestern oder oberinnen nie im Lübeckischen Adreß-Buch namentlich aufgeführt. Und schließlich nennen alle Chroniken des Ordens von 1881-1908 Sr. M. Ursulina Schnitkeinper als Oberin des Konvents in Lübeck. 1888 wurde am 10.11. das Katholische Marien-Krankenhaus eingeweiht. Das modern eingerichtete Haus hatte 24 Betten in neun Zimmern. Hier wurden Kranke von ihrem eigenen Arzt behandelt. Dies war bereits ein Vorläufer des heutigen Belegarztsystems. Die Kosten betrugen für die I., II. und III. Klasse 5, 3, bzw. 1,50 Mark. (Zum Vergleich: Tagelöhner beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals erhielten 3 Mark am Tag, 1/4 Pfd. Wurst kostete 55 Pf, 1 Fl. Braunbier 5 Pf) Im Katholischen Krankenhaus wurden vorzugsweise chirurgische Patienten behandelt. Das erste Jahr (1889) verzeichnet 50 Operationen. Die Zahl stieg rasch an, so dass 1903 ein zweiter Operationssaal errichtet wurde. Blick vom Dom auf die Parade Errichtung des Erzbistums Hamburg im Januar 1975 gehört das Haus zum Vermögen des Erzbischöflichen Stuhls zu Hamburg. Das Haus wurde nach dem Erwerb durch Fräulein Gobert gründlich umgebaut und ein drittes Stockwerk aufgesetzt, in dem auch eine Kapelle (s. S. 18) eingerichtet wurde. Die inzwischen zwölf Schwestern waren seitdem auf der Parade Nr. 3 zu Hause. Außerdem bekam Fräulein Gobert zwei Zimmer im Erdgeschoss mit lebenslangem Wohnrecht. Wenn das Lübeckische Adreß-Buch „Fräulein Bertha Gobert“ von 1892-97 als „Oberin der kath. Schwestern“ bezeichnet, trifft das Aufriss Anbau Marien-Krankenhaus 1895 8 1895 wurde stadtseitig ein mehrgeschossiger Anbau errichtet. Doch mit der Zeit erwies sich das Haus als zu klein, und seine Einrichtung war mit den Jahren veraltet. Grundriss Anbau Marien-Krankenhaus 1895 1.3 DER NEUBAU DES HEUTIGEN MARIEN-KRANKENHAUSES Auf Drängen der Belegärzte wurde die vormalige Domherrenkurie nach Verhandlungen mit dem Mutterhaus der Ordensschwestern und dem Bischof von Osnabrück komplett abgerissen und im Frühjahr 1914 der Neubau des Krankenhauses begonnen unter der Leitung von Otto Rieck, einem speziell für Krankenhausbauten tätigen Hamburger Architekten. Obwohl sich das Deutsche Reich seit August 1914 im Ersten Weltkrieg befand und viele Arbeitskräfte als Soldaten kämpften, konnte das neue Marien-Krankenhaus bereits im Mai 1915 eingeweiht werden. Mit dem Neubau standen nun 80 Betten zur Verfügung. Gleich nach der Fertigstellung gab es neben dem zivilen Krankenbetrieb auch Lazarettstationen. Im Gesellenhaus, in dem die Ordensschwestern seit 1912 die Leitung hatten, und im Marien-Krankenhaus wurden zwischen 1914 und 1919 insgesamt 2249 Soldaten gepflegt. Neubau des Marien-Krankenhauses 1924 ist das 50ste Jahr, in dem die „Graue Schwestern“ nun schon in Lübeck helfend tätig sind. Von den 42 Schwestern, die inzwischen das Marien-Krankenhaus bewohnen, sind einige an der katholischen Schule, andere in der ambulanten Krankenpflege beschäftigt, die meisten im Marien-Krankenhaus. Auf Grund der starken Zunahmen der Zahl der Schwestern wurde ein zusätzlicher Erweiterungsbau notwendig. Zunächst hatte man schon etwas früher als 1924 einen zweigeschossigen Flügel rückwärtig im rechten Winkel an das Haupthaus angebaut. Daran wurde nun parallel zum Haupthaus noch ein dreige- Neubau des Marien-Krankenhauses mit Blick auf das Gesellenhaus, das Pfarrhaus und die Herz Jesu Kirche Zur Geschichte des Katholischen Marien-Krankenhauses in Lübeck Bischof und Nuntius schossiger Trakt von Baumeister Alfred Dinter angeschlossen, so dass ein Innenhof in U-Form entstand. Das neue Gebäude erhielt den Namen „ElisabethHaus“ und wurde vorrangig als Wirtschaftsgebäude genutzt. Zudem war die „Säuglingsanstalt“ (Entbindungs- und Säuglingsstation) darin untergebracht. Im Juni 1929 beherbergten die Schwestern den damaligen apostolischen Nuntius, Eugenio Pacelli, den späteren Papst Pius XII., im Marien-Krankenhaus. Er machte zusammen mit dem Diözesanbischof Dr. Berning eine Informationsfahrt durch die norddeutsche Diaspora (im Sinne der Minderheitssituation der Katholiken im überwiegend von Protestanten bewohnten Norden). 1.4 KRIEGSUND NACHKRIEGSZEIT Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 änderte nichts an den Besitzverhältnissen des Hauses und an der Arbeit der Schwestern. Die große Bedeutung des Krankenhauses wird an den folgenden Zahlen für das Jahr 1935 deutlich: Die Schwestern pflegten im Krankenhaus 2.630 und in der Stadt 65 Kranke mit insgesamt 32.073 Tagpflegen und 1.531 Nachtpflegen. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 musste als erste bauliche Maßnahme im Keller des Krankenhauses ein Luftschutzraum geschaffen werden. Bei nächtlichem Fliegeralarm wurden die Kranken von den Schwestern und dem Personal in den Keller gebracht und nach der Entwarnung wieder zurück in die Zimmer. 28./29.3.1942 bei dem schweren Luftangriff auf Lübeck wurden der Dom und die gegenüber liegende 10 Herz Jesu Kirche schwer beschädigt. Auch das Marien-Krankenhaus wurde in Mitleidenschaft gezogen: Teile des Daches wurden abgedeckt, Kapellenfenster zerbrachen, Strom und Wasser fielen aus. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass die drei katholischen Lübecker Märtyrer-Priester den Schwestern des Krankenhauses eng verbunden waren. In Ermangelung von Krankenwärtern, die alle zum Wehrdienst eingezogen worden waren, übernahmen sie mit großer Selbstverständlichkeit bei Tag und bei Nacht die Transporte der Kranken in den 1942 an das Krankenhaus angebauten Bunker. Am 11.11.1943 wurden die Priester zusammen mit dem evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink wegen angeblicher „Rundfunkverbrechen, landesverräterischer Feindbegünstigung und Zersetzung der Wehrkraft“ von den Nationalsozialisten hingerichtet. Das gemeinsame Gedenken an die „vier Lübecker Märthyrer“ ist heute eine feste ökumenische Angelegenheit der Lübecker Christen. 1947 wurde die Kapelle des Hauses renoviert, da nach dem Bombenangriff von 1942 nur die schlimmsten Schäden behoben werden konnten. Die Inneneinrichtung der Kapelle wurde dabei, dem gewandelten Stilempfinden entsprechend (s. S. 19), wesentlich vereinfacht. Marien-Krankenhaus mit Bunker (vorne rechts) Das Elisabethhaus 1924 In den 50er und 60er Jahren waren im Marien-Krankenhaus bis zu 56 Ordensschwestern tätig. Danach ging die Zahl stetig zurück. Ab 1952 arbeiteten deshalb auch ‚freie Schwestern’ (= zivile Krankenschwestern, die nicht dem Orden angehören) in der Pflege. Und es waren immer auch 16-18jährige Mädchen als Hauspersonal tätig, die mit gekocht und gebacken haben und auf den Stationen putzten. Sie wohnten im Zwischentrakt. 1.5 AN- UND UMBAUTEN – PERSONELLE VERÄNDERUNGEN Auch in den Folgejahren waren ständig Umbauten, Modernisierungsmaßnahmen, Erweiterungsbauten und Umnutzungen notwendig. Die Bettenkapazität musste erhöht werden und der medizinische Fortschritt machte eine Erneuerung der Operations- und Kreißsäle erforderlich. Der Innenhof mit ausbebautem Zwischentrakt und Elisabethhaus mit dem Anbau von 1961 Zur Geschichte des Katholischen Marien-Krankenhauses in Lübeck 1960/61 wurde an das Elisabethhaus angebaut. Im 2. Stock wohnten die 4–6 „freien Schwestern“, im 3. Stock befand sich ein großer Saal für festliche Anlässe (Fasching, Namenstage, Geburtstage, von denen nur die runden gefeiert wurden) und Chorproben unter Leitung von Sr. M. Regina. – „Nirgends wird so viel gefeiert wie im Orden.“, sagte eine ehemalige Ordensschwester. Im Haupthaus befand sich im südlichen Teil (zum Dom hin) die Schwesternklausur, im Erdgeschoss mit Büro- und Empfangsräumen. Der heutige Andachtsraum war Aufenthaltsraum und Nähstube. Im 3. Stock war ein Schulzimmer mit Materialien für die Schwestern, die in der Stadt Schulunterricht erteilten. Dort gab es auch ein Krankenzimmer, für den Fall, dass einmal eine Ordensschwester bettlägerig war. Mittwochmorgens wurde mit allen Ordensschwestern und Mitarbeiterinnen in der Kapelle des Hauses die Heilige Messe gefeiert, freitagnachmittags der Rosenkranz gebetet. 1965 zählte das Marien-Krankenhaus 140 Betten. 1967 waren nur noch 28 Ordensschwestern im Haus. Trotz des spürbaren Rückgangs der Zahl der Ordensschwestern, genoss deren Wirken ein hohes Ansehen in der Stadt, wie ein Zitat aus einem Artikel in den Lübecker Nachrichten aus dem Jahr 1967 belegt: „Je intensiver, freundlicher, einfühlender und familiärer die Pflege ist, desto schneller steht ein Kranker wieder auf den Beinen. Schwestern, gleich welchen Ordens, gleich welcher Organisation, tun alles dazu. Die Ordensschwestern oft länger als acht Stunden täglich. Bei ihnen geht es gelassener zu als anderswo. Anonymer, stiller, heimatlicher. Woran das liegt, darüber wird geschwiegen, nicht gesprochen. Es gibt keine Erklärung in ihren Häusern. Die Hilfe ist lautlos und wünscht keinen Dank.“ 1968 wurde der zweigeschossige Zwischentrakt um ein Stockwerk aufgestockt. Dadurch erhielten die Ordensschwestern, die bis dahin zu zweit oder zu dritt in einem Zimmer wohnten, jetzt Einzelzimmer. Im Marien-Krankenhaus hatten immer zwei Ordensschwestern die Leitung einer Station. Sie achteten neben all den Anforderungen des Krankenhausalltags besonders auch auf kritische Fälle. Und wenn es jemandem besonders schlecht ging, machten sie auch ganz selbstverständlich Sitzwachen. „Das, was die Schwestern von sich verlangten, das verlangten sie auch vom Personal. Und das war nicht immer einfach.“ So eine der ersten „freien Schwe12 stern“. „Andererseits hatten sie eine unendliche Geduld, und man konnte immer auch mit persönlichen Anliegen zu ihnen kommen.“ • Wo heute das „Haus der Dienste“ steht (Ärztehaus Fegefeuer), befand sich die Gaststätte „Zum Domkrug“, daneben Stallungen, in denen die Ordensschwestern Schweine hielten, daneben auch Hühner und Tauben – für die eigene Verpflegung und die der Patienten. „Wenn es einem Patienten ganz schlecht ging, bekam der Täubchen und Rotwein“, erinnert sich die ehemalige Ordensschwester • Unter der späteren Druckkammer (heute Zimmer 503–506) befand sich eine Räucherkammer, in der Schinken und Würste für den Verzehr im Haus geräuchert wurden. • Ein Patient blieb nach einer Leistenbruchoperation 14 Tage im Krankenhaus. Wurde ein Patient an der Gallenblase – damals immer mit einem großen Bauchschnitt – operiert, blieb er drei Wochen. Eine Frau blieb nach einer Entbindung zehn Tage im Krankenhaus. Dabei sollte sie die ersten Tage möglichst das Bett hüten (vgl. die Bezeichnung „Wochenbett“). • Besuchszeiten waren je eine Stunde nachmittags und abends, und das täglich (im Unterschied etwa zum Städtischen Krankenhaus Süd. Dort waren Besuche damals nur am Dienstag, Donnerstag und Sonntag zugelassen). 1970 wurden auf der Rückseite des Marien-Krankenhauses, in der Straße „Fegefeuer“, einige Häuser gekauft und z.T. abgerissen, damit dort das „Haus der Dienste“ entstehen konnte. In dem dreigeschossigen Gebäude hatten und haben Ärzte ihre Praxen. Insbesondere befanden sich hier eine Röntgenpraxis und ein Zentrallabor, die bis dahin im Caritashaus (Fegefeuer 1) untergebracht waren. In das oberste Stockwerk zogen die „freien Schwestern“. Deren Zahl wuchs in dem Maße, in dem die Zahl der Ordensschwestern abnahm. Im gleichen Jahr war mit Frau Dr. Heege erstmals das Fach Anästhesie im Haus vertreten. Bis dahin übernahmen die Operateure auch die Narkose. • Zwischen Weihnachten und Neujahr fanden im Haus Exerzitien für die Ordensschwestern statt. Dazu kamen auch die „Grauen Schwestern“ aus Eutin und Kiel nach Lübeck. Geleitet wurden diese Tage von den Jesuiten, die in Lübeck lebten, oder von den Kaplänen der Propstgemeinde Herz Jesu. Später kam auch Pfarrer Hentschke aus Schlutup dazu regelmäßig ins Haus. Zur Geschichte des Katholischen Marien-Krankenhauses in Lübeck • 1990 gaben die nunmehr elf Ordensschwestern die Räumlichkeiten im Erdgeschoss auf und zogen in den 3. Stock. Damit fehlte jedoch der Platz, um die Exerzitien in der bisherigen Weise in Lübeck durchführen zu können. Seitdem fuhren alle Ordensschwestern zu diesem Anlass ins Mutterhaus nach Reinbek. 1984 wurde im Haupthaus der neue OP-Trakt umund angebaut. In der Folgezeit wurden erst zögerlich, dann immer zügiger die Stationen renoviert. • 1995 und 2000 war es möglich, die anliegenden Bunker vom Bundesliegenschaftsamt zu erwerben. Und nach vielen Überlegungen und langwierigen Verhandlungen konnte am 25.06. 2001 nach elfjähriger Planung und nach dem Abriss des alten Zwischentraktes der Neubau mit AugenOP, Sektio-OP, Kreißsaal, Patientenzimmern und Cafeteria mit Gartenterrasse in Betrieb genommen werden. 2005 wurde das auf der anderen Straßenseite der Parade liegende Gesellenhaus übernommen, umgebaut und als Ärztehaus vermietet. Die elf Ordensschwestern aus dem Jahr 1990 2003–2007 Renovierung und farbenfrohe Neugestaltung aller Stationen des Marien-Krankenhauses. Im Januar 2007 Im Januar 2007 war auch der neu entworfene Andachtsraum im Erdgeschoss fertig. (s. S. 25). Die Renovierung des Konferenzraumes ‚Alte Kapelle’ war im Mai 2008 abgeschlossen. Haupthaus mit OP-Anbau Abrissarbeiten alter Zwischentrakt Innenhof mit Neubau Zwischentrakt 13 Zur Geschichte des Katholischen Marien-Krankenhauses in Lübeck 7 1 2 6 3 5 4 1. Haupthaus = Neubau von 1915; 2. Neubau Zwischentrakt von 2001; 3. Elisabethhaus; 4. Haus der Dienste = Ärztehaus Fegefeuer; 5. Bunker 1; 6. Bunker 2; 7. Ärztehaus Gesellenhaus Die vier letzten Ordensschwestern 1.6 DER WEGGANG DER ORDENSSCHWESTERN Im Aug. 2003 wurden die letzten vier Ordensschwestern (im Bild von links: Schw. M. Felicitas Kramer, Oberin M. Beatrix Jendrtzak, Schw. M. Scholastika Kothe, Schw. M. Perpetua Kramer) im Haus verabschiedet, um ihren wohlverdienten Ruhestand im Altenheim des Ordens in Reinbek zu verbringen. Damit ging nach 133 Jahren die Zeit der Ordensschwestern auf der Parade zu Ende. 14 Die neu renovierten Stationen 15 Zur Geschichte des Katholischen Marien-Krankenhauses in Lübeck Konferenzraum ‚Alte Kapelle‘ 16 TEIL 2 WAS MACHT EIN KRANKENHAUS ZU EINEM CHRISTLICHEN KRANKENHAUS? 2.1 DER WEGGANG DER ORDENSCHWESTERN UND SEINE FOLGEN Nach dem Weggang der Ordensschwestern stellte sich für das Katholische Marien-Krankenhaus in Lübeck die Frage: Wie kann der besondere Charakter dieses konfessionellen Hauses weiterhin erhalten werden? Mit der Aussicht, dass die Schwestern Lübeck verlassen werden, wurde ein Pastoralreferent mit einer halben Stelle als Seelsorger im Haus eingestellt, der sich u.a. auch mit dieser konzeptionellen Fragestellung befassen sollte. In einem ersten Schritt wurden die Mitarbeiter/innen in den einzelnen Bereichen gefragt, was für sie das Krankenhaus als ein konfessionelles Haus auszeichne. „Nächstenliebe“ war die weit überwiegende Antwort. Der untrennbare Zusammenhang zwischen Nächstenliebe und Gottesliebe wurde in einer theologischen Grundlegung formuliert und erste praktische Konsequenzen daraus vorgeschlagen. (Vgl. den entsprechenden Artikel in der Zeitschrift Krankendienst 11/2006, S. 342–45) Mitarbeiter, Leitende) stehen. Auf diesen Säulen ruht das Dach einer jedem Einzelnen zugewandten Betreuung. Auf dem Weg der Formulierung des Leitbildes stellte sich heraus, dass über die Reichung der Krankenkommunion hinaus ausdrücklich katholischen Vollzüge wie etwa das Stunden- oder Rosenkranzgebet der Ordensschwestern oder die Feier der Heiligen Messe mit dem Weggang der Ordensschwestern verloren gegangen waren. Daher musste der Blick von den katholischen Vollzügen auf ein „Christliches Krankenhaus“ geweitet und gefüllt werden. Bislang wurden die Ordensschwestern als Hauptträgerinnen des christlichen Charakters des Hauses wahrgenommen („Wir haben ja unsere Ordensschwestern!“). Nach deren Weggang wurde die Verantwortung, den christlichen Charakter des Hauses weiter zu tragen, unausweichlich als eine gemeinsame Aufgabe aller Mitarbeiter/innen erkannt. Im September 2003 wurde eine bereichsübergreifende Arbeitsgruppe zu dem Thema „Christliches Krankenhaus“ gebildet. Ihr erster Auftrag war, ein Leitbild für das Katholische Marien-Krankenhaus in Lübeck zu erarbeiten. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sammelten erst einmal ganz allgemein, was ihnen für das Zusammenarbeiten und -leben im Haus wichtig war. Daraus wurden dann nach und nach einzelne Sätze formuliert, die allen Mitarbeitern/innen jeweils bekannt gemacht wurden, so dass alle, die das wollten, an der Diskussion teilnehmen konnten. Nach sprachlicher und formaler Überarbeitung und einigen Ergänzungen konnte der Text des Leitbildes im Oktober 2004 allen Mitarbeitern/innen vorgestellt werden (Der vollständige Text findet sich im Anhang unter Nr. 3.1). Es folgte in seinem Aufbau der Vorstellung von einem Haus, auf dessen Fundament der Gottes- und Nächstenliebe vier Säulen (Patient, Arzt, 17 Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus Aber was genau war damit gemeint? Die Arbeitgruppe formulierte das so: „Von den Mitarbeitern/ innen im Haus wird erwartet, dass sie neben ihrer fachlichen Qualifikation ein ‚Mehr’ in ihre Arbeit einbringen: Ein ‚Mehr’ an Ansehen der jeweiligen Person, also an Zuwendung und Freundlichkeit zu jedem Menschen. Die Kraft dazu schöpfen die Mitarbeiter/innen selbst aus dem Ansehen Gottes: Dass sie sich von IHM gesehen und gesegnet fühlen. Niemand wird darauf festgelegt, das hier angesprochene ‚Mehr’ ausschließlich durch den christlichen Glauben zu gewinnen. Entscheidend ist, dass der „gute Geist“ hier im Haus im Umgang miteinander – und nicht nur im Umgang mit den Patienten – zum Tragen kommt und spürbar wird.“ Neben dieser theoretischen Ausformulierung kam es auch zu ganz praktischen, sichtbaren Veränderungen: • Im Haus sind die bis dahin in Form und Gestaltung unterschiedlichen Kruzifixe einheitlich ersetzt worden durch das Kreuz ‚Auferstehung’ von Andreas Kasparak (Äußerungen von ihm selbst dazu siehe im Anhang unter 3.2), das nicht nur auf das Leiden und Sterben Jesu Christi für 18 die Menschen hinweist, sondern auch auf seine Auferstehung, auf die Überwindung von Leid und Tod. [vgl. etwa Offenbarung 21,4]. • Um die Mitarbeiter/innen, Patienten/innen und Besucher/innen mit Gottes Wort in Berührung zu bringen, wurden im ganzen Haus WochenZusprüche (Verse aus dem Evangelium des jeweiligen Sonntags mit Sinnsprüchen oder kurzen Auslegungen) ausgehängt, sowie jedem, der es wünscht, in die Hand gegeben bzw. ins Postfach gelegt [vgl. Jesaja 55,10f.] (Zwei Beispiele für den WochenZuspruch finden sich im Anhang unter 3.3). 2.2 VON DER SCHWESTERNKAPELLE ZUM ANDACHTSRAUM So gut die Fortschritte in all diesen Punkten waren, so unbefriedigend wurde ein wesentlicher Teil des Hauses wahrgenommen: die „Schwesternkapelle“. Sie war nach dem Weggang der Ordensschwestern verwaist und wurde nur von wenigen Patienten und Mitarbeiter/innen besucht. Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus 19 Propst und Kaplan der Herz Jesu Gemeinde hatten die Idee, die Bankreihen zu öffnen, um so den Raum einladender zu gestalten. Doch blieb das Gefühl: Der Raum ist zu groß, wenig lebendig, zu abgelegen. Es sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass 1915 in dem Krankenhausneubau im 3. Obergeschoss die Kapelle eingeweiht wurde. Nach dem Bombenangriff von 1942 konnten dort nur die schlimmsten Schäden behoben werden. 1947 wurde die Kapelle gründlich renoviert und die Inneneinrichtung - dem gewandelten Stilempfinden entsprechend - wesentlich vereinfacht. Diese Einrichtung wurde dann noch einmal entsprechend der Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils Ende der 60er Jahre verändert. 20 Bereits Mitte 2003 wurde die Möglichkeit angedacht, einen neuen Kapellenraum im Marien-Krankenhaus einzurichten. Als Ort bot sich der Konferenzraum im Erdgeschoss an. Bei all diesen Überlegungen wurde davon ausgegangen, dass dieser Raum für eine Eucharistiefeier ausgestattet sein sollte. Zusätzlich sollte ein Meditationsbild (z.B. Maria mit Kind) oder Meditationstext (z.B. Jesaja 43; Psalm 139) vorhanden sein und ein Kerzenbaum in deren Nähe, an dem Teelichter entzündet werden könnten. Weiterhin war an eine Sitzecke gedacht mit Verteilschriften und Karten. Nun entstand eine lebhafte Diskussion im Haus um das Für und Wider einer Beibehaltung der bisherigen Kapelle bzw. einer Verlegung ins Erdgeschoss: Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus Der Raum ist geschichtlich gewachsen und gehört zum Gesucht wird ein individueller Gebets- und AndachtsMarien-Krankenhaus einfach dazu. raum, der heutige Nutzer anspricht. Die Kapelle ist schon von außen durch die farbigen, hohen Fenster erkennbar. Die Fassade und die Fenster bleiben unangetastet. Man darf einen „heiligen Ort“ / diesen „durchbeteten“ Diese Erhabenheit des Raumes kann auch eine Raum“ nicht ohne Not aufgeben. Hemmschwelle sein. Nicht auch hier noch etwas Neues, wo doch gerade so vieles im Haus umgebaut und umgestaltet wird. Das Krankenhaus, die Mitarbeiter, die Patienten und Besucher haben sich verändert. Und dem sollte auch der Kapellenraum nachgehen. Wir sind ja gerade dabei, die Identität des Hauses Wenn wir diesen Raum aufgeben, verliert das Marien- nach dem Weggang der Ordensschwestern neu zu beKrankenhaus seine Identität. stimmen im Sinne einer Echtheit mit Wiedererkennungswert. Der jetzige Ort liegt geschützt abseits des Klinikalltags. Zu Beginn des Jahres 2004 bemühte ich mich bei meinen Besuchen als Seelsorger in den Patientenzimmern, wann immer es sich anbot, das Gespräch auch auf das Thema „Kapelle“ zu sprechen zu kommen. Im Ergebnis dieser zufällig ausgewählten Patienten war die weit überwiegende Mehrheit für eine Verlegung und Neugestaltung. Im Frühjahr 2004 wurden dann alle Mitarbeiter/innen des Hauses nach ihrer Meinung dazu befragt. Im Ergebnis war die Zahl der Befürworter einer Verände- Mit dieser Lage stellt sich der Raum ins Abseits des Klinikalltags. Die Kapelle im Eingangsbereich signalisiert dagegen offensiv die Ausrichtung des Hauses. rung exakt so groß wie die derer, die eine Veränderung ablehnten. Nun wurde im Aufsichtsrat darüber abgestimmt: auch hier eine Stimmengleichheit. Das Problem bei diesen Diskussionen war, dass sich niemand so recht vorstellen konnte, wie der neue Kapellenraum aussehen könnte. Die bereichsübergreifende Arbeitgruppe, die sich bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Leitbild beschäftigt hatte, bekam im August 2004 den neuen Auftrag, Vorschläge zu einer Verlegung und Neugestaltung der Kapel- 21 Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus le im Katholischen Marien-Krankenhaus in Lübeck zu unterbreiten. Die Arbeitsgruppe begann mit Entwürfen, welche die Ideen aus dem Jahr 2003 aufnahmen. Im ständigen Austausch mit Mitarbeitern und dem Aufsichtsrat und nach Besuchen in Andachtsräumen umliegender Krankenhäuser diskutierte die Gruppe verschiedene Lösungsansätze und schlug schließlich im Oktober 2004 als Ergebnis vor1 : • Eine Verlegung des Kapellenraumes in das Erdgeschoss. • Darin ein überfließender Taufbrunnen (statt eines Altars). • Aus dem fließt der „Fluss des Lebens“ durch den Raum hin zu einem Kreuz. • Eine Verglasung mit dem Motiv von einem „Baum an Wasserbächen gepflanzt“ [vgl. Psalm 1] wird vor die Fenster gesetzt 1 22 Der Abschlussbericht im Wortlaut im Anhang unter 3.4 • Weiterhin soll eine Ikone aufgestellt werden, vor der Kerzen entzündet werden können. Bei den Befürwortern einer Verlegung und Veränderung der Kapelle war die Begeisterung für diese Vorschläge groß, bei denen, die dagegen waren, die Ablehnung ebenso. Um in dieser Situation auf einer tragfähigen Grundlage weiterarbeiten zu können, wurde die Frage dem Erzbischof von Hamburg zur Entscheidung vorgelegt. In einem Gespräch mit dem Generalvikar, zu dem am 03.02.2005 der Propst, der Geschäftsführer und der Seelsorger nach Hamburg fuhren, entschied sich dieser für die Verlegung und Neugestaltung der Kapelle. Nachdem diesen Vorschlägen im Grundsatz zugestimmt worden war, nahmen sich die Architekten der Sache an. Das Büro Haufe-Petereit aus Lübeck wollte einen „neuen Raum schaffen“ und nicht den Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus 23 Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus vorhandenen Konferenzraum „nur umdekorieren“. Durch durchscheinende Stoff-Wände mit dem Motiv vom Baum des Lebens sollte zum einen der Sakralraum aus dem Krankenhausalltag herausgenommen und ihm zugleich eine ganz eigene Atmosphäre verliehen werden. Unter einer ganzen Reihe möglicher Baumarten wurde die Scheinakazie (Robina pseudacacia) ausgewählt, da sie den Betrachter weniger festzulegen schien als etwa ein Eichen- oder Kastanienbaum. Eine dieser Wände „verstellt“ den Eingang. Der Raum wird durch eine Tür vom Flur durch einen Vorraum betreten. Die auf der Stirnseite des Raumes vorhandene Tür zum Flur hin wird geschlossen und mit dem im Andachtsraum vorhandenen Motivstoff bespannt und von hinten beleuchtet. Der in den ersten Überlegungen gradlinige Wasserlauf fließt - wie das Leben auch - nicht gradlinig und nicht auf gleich bleibender Höhe und nicht in der Mitte des Raumes, sondern er entspringt in einem einem Taufbecken nachempfundenen, kreisrunden „Quellort“ und fließt nach links in mehreren Stufen und Windungen hin zum „Ort des Kreuzes“. Unterwegs passiert er einen - einem Seitenaltar nachempfundenen - Sims, auf dem in einer aufgerichteten Platte eine Ikone eingelassen ist. Auf dem Sims können Kerzenlichter aufgestellt werden. Rechts neben dem Quellort steht ein Ambo (= Lesepult) mit einer aufgeschlagenen Bibel. Der Ambo kann zu Andachten z.B. in die Fensterflucht gestellt werden. Dem Altar gegenüber steht im Entwurf eine Sitzbank in Anspielung an eine Kirchenbank mit drei Plätzen. Weiterhin gibt es eine Zweierbank und einen Einzelsitz. Zu Andachten können weitere Stühle hinzugestellt werden. In der Ausführung wurden aber nur Stühle aufgestellt. Gleich rechts neben dem Eingang befindet sich ein „dienendes Möbel“ (vergleichbar einem Regal). Dort findet man ein Fürbittbuch, ebenso Kerzenlichter und Verteilzeitschriften, sowie einen Opferstock. Der Boden ist ausgelegt mit einem - von der Dicke und dem Gefühl beim Begehen - dem Linoleum vergleichbaren Material: dunkles Echtholzfurnier auf Kork aufgebracht und mit Vinyl überzogen. Die Wände sind leicht farbig gehalten (und nicht „klinisch weiß“). Der Raum wird im Wesentlichen durch die Fenster mit Tageslicht und an trüben Tagen oder bei Dunkelheit durch künstliche Beleuchtung hinter den durchscheinenden Wänden indirekt beleuchtet. Besondere Orte (Quellort, Ikone, Kreuz) werden durch Spotlights eigens angestrahlt. 2.3 DER ‚ALTAR‘ IM NEUEN ANDACHTSRAUM Der Bildhauer und Zeichner Thomas Helbing aus Barnitz (bei Reinfeld in Holstein) stand vor der Aufgabe, das Gewicht des angedachten Steinmonuments aus statischen Gründen von geschätzten 6,5 Tonnen auf maximal 2,3 Tonnen zu reduzieren. Er konstruierte eine Stahlrahmung, auf der er die 60mm starken, auf Gehrung geschnittenen bearbeiteten Platten aus Adneter „Marmor“ – blutrot, die Farbe des Lebens, durchsetzt mit weißen Adern – aus dem Salzburger Land montierte. (Im petrologischen Sinn ist der Adneter Marmor allerdings kein Marmor, sondern ein durch Metamorphose entstandener dichter, schleif- und polierfähiger Kalkstein.) Am Anfang dieses Objekts steht der Kreis – ein wenig verborgen, nicht gleich zu sehen, wie das manchmal so ist mit Anfängen. Der Kreis steht für das Eins-Sein, das Unteilbare, für die Symbiose. Hier ist an den Beginn des menschlichen Lebens gedacht: 24 heit. Sie entspricht sehr stark dem Menschen, so haben wir z.B. fünf Finger an jeder Hand. Die Fünf steht auch für die fünf Sinne des Menschen3. Taufe und Grablegung – das sind die beiden Auflagepunkte, das ist die Zwiespältigkeit, die „Ambivalenz“ des menschlichen Lebens. Auch wenn wir Augenblicke des Eins-Seins erleben; unser All-tag gleicht einer Ellipse mit ihren zwei Brennpunkten. Aus der befruchteten runden Eizelle wächst der Mensch heran im Eins-Sein mit der sich rundenden Mutter und wird geboren. Der Künstler hat den ‚Quellort’ mit neun Strahlen versehen, die sich in Richtung Ikone verjüngen. Die Neun enthält die 3 x 3. Zahlen, die die 3 und die 9 enthalten, haben immer einen starken göttlichen Bezug. Die Zahl neun versinnbildlicht im Christentum die Harmonie und Vollkommenheit und steht für die Jungfrau Maria2. Aus der Schale der Taufe ergießt sich der Lebensfluss. Er fließt über die Lebensstufen der Kindheit und Jugend (mit dem deutlichen Absatz der Initiation - Firmung oder Konfirmation) zum ErwachsenSein über die Stufe das Alter und endet im Grab. Am ‚Grab’ finden sich fünf Strahlen. Auch sie verweisen auf die Ikone. Die Fünf ist die Vereinigung von Zwei und Drei, die Verbindung der Dualität und der Drei- Damit sind fünf Teile dieses Objektes benannt. Insgesamt sind es sieben. Die sieben ist eine heilige Zahl. Sie setzt sich zusammen aus der Drei und der Vier. Dabei steht die Vier für das Irdische: Vier Himmelsrichtungen, vier Jahreszeiten, die vier Elemente (Erde, Wasser, Luft, Feuer). Die Drei steht für das Göttliche. Das Göttliche ist abgehoben von der Raum- und Zeitbegrenztheit des Irdischen. 2 3 Im hebräischen ist sie die Zahl der Wahrheit. Die Neun setzt sich aus 5 und 4 zusammen. Ein mathematisches Phänomen der Neun ist, das sich durch Addition der Neun die Quersumme nicht ändert. Sie ist sozusagen unsichtbar und verhält sich neutral. So wie Leonardo daVinci den Menschen gezeichnet hat, ist es möglich, ihn innerhalb eines Pentagramms darzustellen. 25 Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus Das Göttliche ist immer das sowohl als auch, aber in eins: Das Irdische und das Himmlische – von Gott umfangen. Das Leben und der Tod – von Gott gehalten. Das Gute und das Böse – von Gott gewandelt. Das Göttliche, dieses „sowohl als auch, aber in eins“ ist für Menschen schwer auszuhalten. Wir mögen uns gefallen lassen, dass Gott das Irdische übersteigt (transzendiert), aber ein Gott, der herabsteigt (inkarniert), der sich mit seiner Güte und Macht an Raum und Zeit bindet? Als Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist, haben die Menschen dem gewaltsam ein Ende gemacht. Doch Gott hat dieses schmähliche Ende aufgebrochen. Gott hat den Tod Jesu konkret und damit zu- gleich auch allgemein gültig glorios gewandelt, auch um uns zu sagen, dass wir von ihm, von dem „Gott mit uns“ (Immanuel) gesehen und gesegnet sind – auch im Scheitern und in Ausweglosigkeiten. Aus diesem Grund sehen Christen im Kreuz mehr als ein grausames Folter- und Tötungsinstrument. Es ist für Christen zu einem Zeichen des Segens geworden. Und wie das Einatmen und das Ausatmen will Segen empfangen werden und gespendet sein. Sich unter den Segen Gottes zu stellen, das könnte ein weiterer Titel sein für die in Kirchenslawisch überschriebene Ikone ‚Himmelfahrt Christi‘, die Bruder Ansgar im Kloster Nütschau (bei Bad Oldesloe) für das Marien-Krankenhaus geschrieben hat. Christus wird hier in einer von zwei Engeln getragenen Gloriole in die himmlische Herrlichkeit „entrückt“, wo er „zur Rechten des Vaters“ sitzen wird. Darunter steht Maria, die Mutter des Herrn, dem Betrachter zugewandt; so als wollte sie uns sagen: „Was er euch sagt, das tut!“ (Johannesevangelium 2. Kapitel, Vers 5). Sie erscheint als ruhender Pol inmitten der aufgebrachten Männer, denen die Engel, die himmelwärts zeigen, sagen: „Ihr Männer von Galliäa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? . . . “ (Apostelgeschichte 1. Kapitel, Vers 10f.). Der Kreis des Anfangs (der runde ‚Quellort’) und des Endes (im Kreuz ‚Auferstehung’) vereinen sich im Kreis der Erhöhung (der Gloriole mit dem erhöhten Christus) und ‚tropfen’, quasi als Gottes Segen, wieder auf die Erde. Sich unter den Segen Gottes stellen, ist wie „ein Baum gepflanzt an Wasserbächen“ (Psalm 1), ist wie ein „Ruheplatz am Wasser“ (Psalm 23). Neben Maria und den beiden Engeln zeigt die Ikone die 12 Apostel. Die Zahl 12 findet sich auch auf dem vorderen Stein in der Mitte. Die Zwölf setzt sich zusammen aus 3 x 4. Sie ist die Zahl der kosmischen Fülle.4 Schließlich ist die 12 auch eine biblische Zahl 4 Die 12 spielt in der Gesellschaft der frühen Hochkulturen Mesopotamiens bis heute eine herausragende Rolle. Dies mag ähnlich wie bei der Sieben auf Naturbeobachtungen zurückgehen: Ein Sonnenjahr beinhaltet 12 Mondzyklen, was zur Einteilung des Jahres in 12 Monate führte. Bis heute ist der Tag in zweimal 12 Stunden eingeteilt. Ebenfalls in Mesopotamien liegt der Ursprung der 12 Tierkreiszeichen. Auch der Chinesische Kalender orientiert sich an der Zahl 12, er kennt ebenfalls 12 Tierzeichen. Das Duodezimalsystem auf der Basis der Zahl 12 scheint in Europa sehr alt zu sein. Es ist Basis eines alten Zähl- maßes: 12 Stück heißen ein Dutzend, 12 Dutzend ein Gros, zwölf Gros schließlich werden als Maß bezeichnet. Die Einteilung zahlreicher historischer Maße und Gewichte, heute noch im angloamerikanischen Maßsystem verwendet, sowie die Einteilung der Zeitmessung basieren - vermutlich in Mesopotamien entstanden - auf der Zwölf. Ein unverzichtbares Werkzeug früherer Baumeister war ein Seil, das in 12 Teile unterteilt war. Bildet man damit ein Dreieck mit den Seitenlängen 3, 4 und 5, ergibt das einen rechten Winkel zwischen den beiden kürzeren Seiten (vgl. dazu den Satz des Pythagoras). 26 Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus (12 Stämme Israels; 12 Apostel; 12 Tore, auf denen 12 Engel stehen [vgl. Offb. 21]). 2.4 ZUSAMMENFASSUNG Ein Christliches Krankenhaus lebt von dem guten Geist, der im Haus von den Mitarbeitern/innen spürbar gelebt, für Patienten, Besucher und Gäste erfahrbar wird. Diese Einstellung der Mitarbeiter/innen muss gefördert, ihre zugewandte Haltung genährt werden. Als ein Stichwort dafür sei nur die hier im Haus anstehende „Leitbildentwicklung“ genannt. Um den guten Geist im Haus zu beleben und zu erhalten, kann ein christlich ausgerichtetes Krankenhaus die Ressource Religion in Anspruch nehmen. Denn gerade dem Menschen zugewandte Berufe – wie hier in der Pflege – haben ein gutes Gespür für das, was den Menschen, zumal in Grenzsituationen, 5 Erzbischof Dr. Werner Thissen in seiner Predigt bei der Verabschiedung der Ordensschwestern. 6 Johannesevangelium 10,9-10: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein-und übersteigt. Den Ordensschwestern ist es in den 120 Jahren durch ihr den Patienten zugewandtes Wirken auch in wechselhaften Zeiten eindrucksvoll gelungen, dieses ‚Mehr’ im Haus und darüber hinaus spürbar werden zu lassen. Nach dem Weggang der Ordensschwestern kamen ernsthafte Zweifel auf, ob die segensreiche Tradition des Hauses bruchlos fortgeführt werden könne. Heute, fünf Jahre später, lässt sich zweifelsfrei feststellen: Die Mitarbeiter/innen des Haus haben „das Licht, das die Ordensschwestern in Lübeck entzündet haben“,5 nicht nur am Leuchten erhalten, sondern ihm darüber hinaus einen neuen Glanz verliehen. Einträge im Fürbittbuch zu dem Haus und dem neuen Andachtsraum zeigen nicht nur, dass das auch wirklich gelungen ist, sondern erschließen zudem den Titel dieser kleinen Schrift: „Leben in Fülle“6. ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ 27 Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus 2.5 EINTRÄGE INS FÜRBITTENBUCH • Danke für dieses tolle und menschliche Krankenhaus. – Ein schöner Raum zum Ruhe finden. • Danke für dieses menschliche Krankenhaus, für das überaus herzliche Personal, die vielen kleinen Gesten. – Dieser Ort hilft mir innezuhalten. • Danke Dir lieber Gott, dass ich in diesem schönen Marien-Krankenhaus so geborgen aufgenommen wurde und meine Operation gut verlaufen ist. • Danke Dir, lieber Gott, dass mir in diesem schönen Marien-Krankenhaus eine so gute Betreuung zu Gute kam. • Danke, lieber Gott dafür, dass ich die OP so gut überstanden habe und dass ich die Tage der Genesung in einem so angenehmen Haus verbringen durfte! • Danke für die lieben Menschen hier im Haus ! • Es ist sehr gut, dass es diesen Ort hier gibt • Tranquilhitastis locus iste benedictus sit ! [Möge dieser Ort der Stille gesegnet sein!] • Es ist hier ein Ort, wo ich zur Ruhe komme und Zwiesprache mit Gott halten kann. Danke dafür. • Ich bin dankbar, diesen Ort gefunden zu haben. Ich gehe ruhig wieder hinaus. • Ich bin innerlich erfüllt und ruhe in mir selbst, wenn ich diesen Ort betrete. • Danke für diesen Raum. Er gibt mir Ruhe und Frieden. 28 • Ich bin froh, dass ich hier war. Es ist für mich innen wieder Frieden und Ruhe eingekehrt. • Ein Ort der Ruhe. Vielen Dank. So konnte ich mein Kind begleiten. • Dieser Raum hat soviel Geborgenheit und Ruhe! Danke • Ich war hier, wunderbar. Wo gibt es sonst einen Raum der Stille, wie diesen? • Ein stiller Ort, um einmal Ruhe genießen. Dieser Raum ein gelungenes Werk. • Ich habe diesen Raum für mich entdeckt ! • Die alte B. war hier. Sie ist von diesem Raum begeistert. • Der Raum hat meine Seele beruhigt und aufgeschlossen. • Dieser Raum ist ein Segen! Gott segne alle Menschen, die hier ein- und ausgehen! • Ein schöner Raum zum Ruhe finden. Vielen Dank • Es ist gut, dass es diesen Ort hier gibt, denn ich finde an diesem Ort meinen inneren Frieden. • Toll, wie dieser Raum gestaltet wurde. • Danke für diese Oase der Stille und der Ruhe! • Danke für diesen Raum • Danke für die stille Zeit in der Nähe Gottes in dieser schönen Kapelle. • Es ist wundervoll, dass hier ein Raum zur Verfügung steht, in dem man sich so behütet vorkommt, – der so gut riecht. – Und in dem man in aller Ruhe beten kann. 3. ANHÄNGE 3.1 DAS LEITBILD DES KATH. MARIEN-KRANKENHAUSES Blickrichtung: Mensch! Im Mittelpunkt unseres Handelns steht die Würde des Menschen. Unsere Aufgabe ist es, die Gesundheit unserer Patienten zu fördern, wieder herzustellen und zu erhalten. Das schließt die medizinische Versorgung von Kindern und Erwachsenen aller Altersgruppen ein. Durch unsere familienfreundliche Geburtshilfe erfahren Sie und Ihr Neugeborenes eine persönliche und kompetente Begleitung. Patienten 1. Unsere Patienten und schwangeren Frauen kommen wegen der individuellen Versorgung und persönlichen Atmosphäre zu uns. 2. Ihre Bedürfnisse und Wünsche werden gehört und ernst genommen. Wir nehmen unsere Patienten auch als Kunden sowie als Mitmenschen in ei0ner besonderen Lebenssituation wahr. 3. Wir begleiten Sie und Ihre Angehörigen im Erleben und Verarbeiten von Gesundheit, Krankheit, Gebären und Sterben. 4. Unser Ziel ist es, eine Be-ziehung aus Nähe und Vertrauen zu Ihnen herzustellen. 5. Sie werden im MarienKrankenhaus kompetent be-handelt. Wir nehmen uns Zeit für Sie. Hier sind Sie rundum gut aufgehoben. Ärzte 1. Wir bieten Ihnen leitlinien-orientierte Medizin und eine fachübergreifende Versorgung auf dem neuesten technischen Stand. Wir garantieren Ihnen ein Leistungsangebot auf aktuellem medizinischen Niveau. 2. Ein praktizierter kollegialer Dialog und eine enge Zusam-menarbeit mit allen Mitarbeitern des Marien-Krankenhau-ses ist für uns selbstverständlich. 3. Wir betreuen Sie vor, wäh-rend und nach der Behandlung als ihre persönlichen Fachärzte und garantieren Ihnen damit im Rahmen der integrierten Versorgung eine gleichbleibend hohe medizinische Qualität. 4. Wir Ärzte behandeln Sie individuell abgestimmt und mit hoher fachärztlicher Kompetenz. Mitarbeiter 1. Unser Ziel ist es, in allen Arbeitsbereichen durch persönliche Atmosphäre, Anteilnahme und Freundlichkeit Vertrauen zu schaffen. 2. Wir wertschätzen einander in unserer Arbeit. Jedem einzelnen wird zugehört, sein Anliegen angemessen umgesetzt. 3. Wir fördern untereinander den Teamgeist und arbeiten mit Einfühlungsvermögen, Fairness und Optimismus kollegial zusammen. 4. Konflikte werden offen angesprochen, und sehen in deren Lösung die Chance zu kontinuierlichen Verbesserungen im Sinne einer lernenden Organisation Leitende 1. Wir als leitende Mitarbeiter unterstützen und fördern ein christliches Denken und Handeln bei den Mitarbeitern und schaffen Raum, dieses zu leben. 2. Unser Ziel ist es, mit mög-lichst wirtschaftlich eingesetzten Ressourcen ein Höchstmaß an Qualität zu erreichen. Dies gelingt uns mit Hilfe eines umfassenden, prozessorientierten Qualitätsmanagements. 3. Als modernes Dienstleis-tungsunternehmen leben wir Verlässlichkeit und Vertrauen gegenüber allen unseren Geschäftspartnern. 4. Wir Leitende fördern die Mitarbeiter in ihrer beruflichen Entwicklung und in ihrem Bestreben, Abläufe zu verbessern. Dies gewährleisten wir durch kontinuierliche Fort- und Weiterbildung. Wir sind uns der Gottes- und Nächstenliebe als Gründungsidee des Marien-Krankenhauses bewusst. Wir geben Raum, aus christlicher Überzeugung Arbeit zu gestalten. Wir leben dabei eine Kultur der weltanschaulichen Toleranz, Offenheit und Gleichberechtigung. Daraus erwächst unsere Zufriedenheit in der Arbeit, das Gefühl der Anerkennung und die Motivation zur Mitgestaltung. 29 3.2 ANDREAS KASPARAK ZU SEINEM KREUZ ‚AUFERSTEHUNG‘ Die Intention des Kreuzes „Auferstehung“ ist für den Diplom-Designer Andreas Kasparak „die würdevolle Darstellung des Kreuzes mit Korpus“. „Wenn die Aussage vom Kreuz auch heute Bedeutung hat, dann muss es möglich sein, eine Umsetzung mit den formalen und fertigungstechnischen Mitteln in unserer Zeit zu schaffen. Bei diesem Kreuz wird die zeichenhaft reduzierte Form aus Stahl mit der gebündelten Kraft des Lichtes, dem Laserstrahl, geschnitten. Diese Technik er- scheint mir dem Symbol zutiefst angemessen, ist rational und unbegreiflich zugleich.“ Die Darstellung des Leibes Christi erfolgt durch das Aufspüren der Figur mit einem doppelten Hintersinn: Jeder und jedem soll es möglich bleiben, den Freiraum des Wandkreuzes zu füllen. „Die Öffnung des auf den Querbalken geneigten Kopfes lässt meine Gedanken und Gefühle hinein. So suche ich manchmal in der Kontur die Gestalt – und sehe in die Leere. Und es gibt Momente, da sieht mich Christus vom Kreuz her an. Dem Kreuz habe ich den Titel Auferstehung gegeben; denn erst mit der Auferstehung wird das Kreuz zu dem, was Hoffnung geben kann.“ 3.3 BEISPIELE FÜR DEN WOCHENZUSPRUCH 30 3.4 ABSCHLUSSBERICHT DER AG ‚CHRISTLICHES KRANKENHAUS‘ 31 Was macht ein Krankenhaus zu einem christlichen Krankenhaus? – Die „Schwestern von der Heiligen Elisabeth“ mussten wegen fehlenden Nachwuchses nach über 130 Jahren ihres Wirkens auch ihre Niederlassung in Lübeck aufgeben. Dort hatten sie u.a. ein Krankenhaus gegründet, das sich in der Stadt als konfessionelles Haus schnell einen guten Ruf erworben hatte. Was machte diesen guten Ruf aus? Was davon konnte nach dem Weggang der Ordensschwestern fortgeführt werden? Welche Veränderungen wurden notwendig? Nach einem auch durch viele Bilder anschaulich gemachten Gang durch die Geschichte des Hauses werden Antworten auf diese Fragen und damit auf die Eingangsfrage gegeben. ISBN 978-3-86568-461-5