sanften Tier-Dressur

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sanften Tier-Dressur
tba_2004 08.01.2004 18:38 Uhr Seite 4
titelstory
„Applaus ist das Brot des
Künstlers – und der bittere Tod
aller Hoffnungen für
die Zirkustiere“
Mit einer Gesetzesinitiative hat der Deutsche Bundesrat das Ende der Wildtierhaltung im
Zirkus eingeläutet. So oder ähnlich formulierten es jedenfalls die Medien Ende letzten
Jahres und sorgten damit für Proteststürme bei Zirkusunternehmen und Partystimmung
bei Tierschutz-Vereinen. Doch was geschieht wirklich im Zirkus? Für die Tierbefreiung
schreibt Tierrechtler Frank Albrecht, ein hervorragender Kenner der Zirkusbranche, was
von den angeblichen Veränderungen zu halten ist. Ausführlich erklärt er die tiefe Kluft
zwischen Schein und Realität anhand von Fakten, Zitaten und jahrelangen persönlichen Recherchen.
Tierrechte und Zirkus
ichtmenschliche Tiere haben ein
Recht auf ein Leben in Freiheit,
Unversehrtheit und Selbstbestimmung.
In allen heutigen Zirkusanstalten, die
nichtmenschliche Tiere mitführen, werden diese Grundrechte jedoch mit
Füßen getreten. Für lächerliche menschliche Interessen wie der Lust auf Spaß
und Gaffgier werden die weitaus höheren Interessen (Freiheit, Selbstbestimmung) dieser Kreaturen auf das Gröbste
ignoriert
und
ihre
scheinbare
Wehrlosigkeit ins Unermessliche vom
Menschen ausgenutzt.
N
Um den Missbrauch im Zirkus endgültig
zu beenden, ist es notwendig, diese
„Rechte der Tiere“ endlich in die Tat
umzusetzen. Doch die Realität zeigt uns
immer wieder, dass es leider nicht so einfach ist. Unsere öffentliche Kritik am
massiven Missbrauch wird schnell mit
reinen Tierschutzargumenten vermischt
und landet letztendlich wieder in der
alten verstaubten Tierschutz-Schublade.
Von Tierrechten und TierrechtlerInnen
fällt am Ende kein Wort mehr.
Damit TierrechtlerInnen in der
Auseinandersetzung
mit
Medien,
Publikum und TierschutzvertreterInnen
besser argumentieren können, habe ich
einige der „Tierschutzargumente“ näher
beleuchtet.
Moral und Ethik
Betrachtet
man
Aussagen
von
ZirkusbetreiberInnen
in
internen
Zirkuszeitschriften oder in diversen
Presseveröffentlichungen, so erkennt
man oft, dass sie ihr unrechtes Verhalten
gegenüber den nichtmenschlichen Tieren gern als „Freundschaft“ oder gar
„Liebe“ bezeichnen.
„Vielmehr nehmen Liebe, Freude und Sorge,
die aus der Zusammenarbeit mit den Tieren
entstehen, den ersten Platz ein. Kein Treffen
mit Freundin und kein Kinobesuch wäre
denkbar, wenn eines der Tiere nicht auf dem
Posten ist und seinen menschlichen Partner
braucht.Wir würden unsere Tiere zu sehr vermissen.“
Gerd Simoneit-Barum
(Zirkusdirektor) (1)
Fatal ist, dass ZirkusbesucherInnen,
zumeist Kinder, hierdurch eine völlig
falsche moralische Grundwerteerziehung
erhalten. Nach dem Motto: „Es ist richtig, deine Freunde einzusperren, sie zu
schlagen und sie für deinen Spaß zu missbrauchen„, verkauft man hier der jungen Generation Missbrauch und Unrecht als etwas Natürliches und
Richtiges. Unsere gesellschaftliche
Doppelmoral hat auch hier einige ihrer
tiefen Wurzeln. Wertevorstellungen werden besonders im Zirkus zu Boden
geworfen und niedergetrampelt. Moral
und Ethik wird aufs Höchste verspottet
und verhöhnt:
„Das Zirkusleben verletzt nicht die
´Löwenwürde´“. Gerd Simoneit-Barum
(Zirkusdirektor) (1)
Wer sich angesichts solcher Aussagen, noch
über die steigende Gewaltbereit-schaft von
Kindern wundert, dem ist eigentlich nicht
mehr zu helfen. Die Folgen dieser
Ignoranz werden verheerend sein.
Zum
Haltungsverbot für
einige der so genannten
nichtmenschlichen
„Wild-Tiere“
Bis heute definiert die Tierrechtsbewegung ihr „Zirkus-Tier-Haltungsverbot“ (richtigerweise) auf oben
genannten Tierrechtsgrundsatz, an dem
bis dato auch die praktische und theoretische Arbeit ausgerichtet wurde.
Anscheinend führt nun aber die mehr als
offensichtliche Lächerlichkeit von
Tierschutzgesetz, die absurden Leitlinien
- oder besser „Leid-Linien“ - zur
Haltung von nichtmenschlichen Tieren
im Zirkus und die wohl größere Lobby
der angeblichen „Tierschützer“ zur lang
ersehnten Erlösung für nur wenige Arten
der so genannten „Wild-Tiergenerationen“. Wenn das angedachte „WildTier-Haltungsverbot“ in Deutschland
einmal Wirklichkeit werden sollte, so ist
dies
also
kein
Erfolg
des
Tierrechtsgedankens, denn:
Die Haltung aller so genannten „WildTiere“ (z.B. Elefanten) soll nicht verboten werden und die so genannten
„Haus- oder Freizeit-Tiere“ (z.B. Pferd)
werden auch weiterhin ihr trauriges und
trostloses Dasein im Zirkus fristen müssen. Und nach Ansicht des „Agrarausschusses“ im Bundesrat soll das Verbot
auch nicht generell für alle deutschen
Zirkusbetriebe gelten:
„Das in der Entschließung geforderte ausnahmslose Verbot der Haltung bestimmter
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den Tieren im Zoo.“ (3)
Wolfgang Brauer, ein
Abgeordneter der Berliner
PDS, sagt zum selben
Thema in einer anderen
Zeitung:
„Die Berliner PDS ist ebenso
gegen Tierquälerei, aber nicht
grundsätzlich gegen Tiernummern, wenn sie unter
Beachtung artgerechter Bedingungen erfolgten.“ (4)
Wildtierarten
in allen Zirkussen wird
der Tatsache nicht gerecht, dass es
einige gut geführte Zirkusse gibt, die nach
bisheriger Vollzugserfahrung in der Lage sind,
bestimmte Wildtierarten entsprechend der
„Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und
Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder
ähnlichen Einrichtungen“ des BMVEL zu
halten. Insofern ist es sachgerecht, im weiteren
Rechtsetzungsverfahren ein Verbot mit
Erlaubnisvorbehalt vorzusehen.“ (2)
Wie das Verbot am Ende genau aussieht
und vor allem wie es umgesetzt wird,
werden wir erst im Laufe des Jahres 2004
erfahren. Der definitive Rechtsstatus aller
nichtmenschlichen Tiere und die daraus
resultierenden Schlussfolgerungen für
eine ethische Behandlung (Haltungsverbot), bleibt im Bereich „Zirkus-TierHaltung“ auch in Zukunft weiter
unberührt, und der Kampf für die
Rechte aller nichtmenschlichen Tiere
wird noch weiter das Ziel der
Tierrechtsbewegung bleiben.
Das „Art-GerechtArgument“
Während eines Berliner Protestmarsches
von Zirkusdirektoren gegen das geplante
Haltungsverbot wird Claus Kröplin,
Vorsitzender des Tierlehrerverbandes,
von einer Berliner Tageszeitung zu seiner
Kritik am geplanten Haltungsverbot
befragt. Eine seiner Antworten:
„Keine Frage, es gibt schwarze Schafe in der
Branche. Aber viele Unternehmen halten sich
an die Leitlinien für die artgerechte
Tierhaltung. Diesen Tieren geht es so gut wie
Hierzu muss erwähnt werden,
dass gerade die PDS, allen
voran Gregor Gysi, schon
zweimal nichtmenschliche, so
genannte „Zirkus-Tiere“
für ihren „Wahlkampf-Zirkus“
missbrauchte.
Gysi ritt
währe n d
eine
r
ZirkusWahlveranstaltung auf
Elefantendame „Rani“ vom Zirkus
Harlekin. Wie grausam „Ranis“ Leben
im Januar 2003 endete, konnte jeder,
auch die PDS, im Fernsehen und
Zeitungen mitverfolgen. Nach einem
mysteriösen Beinbruch erhielt sie weder
vom Zirkusdirektor noch vom zuständigen Amtsveterinär die notwendige
Pflege. Zu Wahlkampfzeiten - also vor
„Ranis“ qualvollen Tod - hieß es von
Seiten des PDS-Wahlkampfbüros noch:
„Keine Anzeichen von Tierquälerei“.
Während einer Wahlkampfautogrammstunde in Hoyerswerda, legte Herr Gysi
aber noch eins drauf. Als ich ihm einen
PDS-Flyer
mit
dem
Text:
„Nichtmenschliche
Tiere
raus
aus
Zirkussen“
zum
unterschreiben vorlegte, schrieb er grinsend drauf: „Zirkusse
tragen aber auch zum
Artenschutz bei.“
Wa h r s c h e i n l i c h
glaubt Herr Gysi
auch an den Weihnachtsmann und den
Klapperstorch.
Immer wieder taucht also das tierschützerische Pro-Tierhaltungs-Argument der
„Artgerechtigkeit“ auf. Doch beim
genaueren Betrachten wird deutlich, dass
es keine Haltung für nichtmenschliche
Tiere in menschlicher „Obhut“ gibt, die
irgendeiner nichtmenschlichen „TierArt“ auch nur annähernd „Gerechtigkeit“ bringt.
Was heißt „Artgerecht“?
Annähernd gut definieren die Fachleute
der Wiener Umweltanwaltschaft den
Begriff
„Artgerecht“
in
ihren
„Richtlinien für die Haltung von
Wildtieren in Zirkusunternehmen“:
„Artgerechtes Verhalten umfasst das
Gesamtverhalten eines Tieres, wobei als spezifische Verhaltenweise insbesondere das
Sozialverhalten (Aggression, Individualabstand), Kampfverhalten (Verteidigung),
Sexualverhalten (Partnerwahl, Paarbildung) ,
Mutter-Kind-Verhalten (Mutterverhalten),
Nahrungsaufnahmeverhalten (Jagdverhalten,
Essenneid), Trinkverhalten (Trinkmuster),
Ausscheideverhalten, Bewegungsverhalten,
Ausruhverhalten, Komfortverhalten (soziale
Hautpflege), Erkundungsverhalten und
Territorialverhalten (Größe des Territorien) zu
nennen sind.“ (5)
Nehmen wir uns jeden einzelnen Punkt
vor und vergleichen ihn mit der ZirkusRealität, so müssen wir realistisch zur
Feststellung kommen: „Eine artgerechte
Haltung im menschlichen Lebensraum
ist nie möglich.“ Und das endgültige
Fazit: „Nur die Freiheit ist artgerecht.“
Noch einmal detaillierter die Wiener
Umweltanwaltschaft:
„Die Haltung von Wildtieren bedingt
Einschränkungen
dieser
spezifischen
Verhaltenkreise. Besonders
bei
der
So
realitätsfremd
denken aber nicht
nur PolitikerInnen.
Auch einige VertreterInnen der Justiz,
der Veterinärmedizin
und der Wissenschaft
denken und handeln
in Dimensionen, die
einen zum Heulen
bringen. Aber dazu
später mehr.
tierbefreiung – das aktuelle tierrechtsmagazin 05
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dasein fristen. Zumeist werden die
Mindestanforderungen der Käfiggröße
und Anzahl der Individuen erheblich
unterschritten.
Wer bei Zirkusvorstellungen auf die Uhr
schaut, kommt vielleicht auf gerade einmal zehn Minuten Bewegungsmöglichkeiten, die die Tiere in der Manege ausleben können. Wenn wir eventuelle
Probezeiten hinzurechnen, dann ist es
vielleicht gerade mal eine
Stunde an tatsächlicher
Bewegung pro Tag
außerhalb des Käfigs.
Man erinnere sich
daran, dass Tiger in
Freiheit
riesige
Reviere
durchstreifen.
Wildtierhaltung
in Zirkussen sind die Einschränkungen als
gravierend zu werten, wobei diese primär das
Sozial-, Sexual-, Mutter-Kind-, Bewegungsund Territorialverhalten betreffen. Selbst wenn
einzelne der genannten Verhaltensweisen nicht
eingeschränkt wären, ist weiters zu beachten,
dass eine tolerierbare Qualität der Haltung
von Wildtieren erst durch Arealgewöhnung
und lokale Beständigkeit im Zusammenspiel
mit diesen Verhaltensweisen erreichbar ist.
Daraus folgt: Im Hinblick darauf, dass ein
Wesensmerkmal vom Zirkus der oftmalige
Standortswechsel ist, bedeutet das für die mitwirkenden Tiere gleichsam lebenslangen
Tiertransport mit allen damit verbundenen
gravierenden negativen Folgen: insbesondere
seien hier erwähnt:
- Stress bis hin zur Angst, beim Ausladen
sowie während des Transportes
- dauernd wechselnde Umgebung, das heißt
des Reviers
ständig
unterschiedliche
Umweltbedingungen wie Klima, Temperatur,
Umgebungsgerüche etc.“ (5)
Auch unsere deutschen „Fachleute“ hätten zu folgender Schlussfolgerung wie
die österreichischen Spezialisten kommen müssen:
„Eine Wildtierhaltung in Zirkusunternehmen
ist grundsätzlich allein schon wegen des oftmaligen Transportes und Standortwechsels
nicht artgerecht! Es ist daher mehr als fraglich,
ob mittel- bis langfristig die Haltung von
Wildtieren in Zirkussen tolerierbar und
zulässig ist.“ (5)
Warum also, hat das Bundesministerium
für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft, bei der Erstellung ihrer
„Neuen Zirkus-Leid-Linien“ nicht auch
eine solche „Artgerecht-Definition“ eingefügt? Hätte die Öffentlichkeit die
06 tierbefreiung – das aktuelle tierrechtsmagazin
Daseinsberechtigung
einer „Wild-Tier-Haltung“ dann
vielleicht kritischer hinterfragt und eher
ein Verbot eingefordert? Ganz sicher.
Aber wer will das schon.
Deutsche Gesetze, deutsche Richtlinien und
deutsche Realität
„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen
hat, muss das Tier seiner Art und seinen
Bedürfnissen entsprechend angemessen
ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen...“ (6)
Doch was heißt nun für deutsche
Fachleute „Seiner Art entsprechend“ und
„verhaltensgerecht“?
„Tiger sind die größte Katzenart. In freier
Wildbahn leben sie in großen Revieren, die sie
als Einzelgänger gegenüber Artgenossen verteidigen. Unterlegene ziehen sich zurück.
Jungtiere erlernen von der Mutter die
Jagdtechniken. Tiger haben einen großen
Bewegungsbedarf und sind wasserliebend.“
(7)
Nicht einen deutschen Zirkus habe ich
bisher gesehen, der Tigern dieses arttypische Verhalten auch nur annähernd geboten hat. Ihr Leben verbringen sie meist
zusammengepfercht auf einer Grundfläche von 6 x 2 Metern (Mindestforderung). Nur selten habe ich Spielmöglichkeiten, erhöhte Liegeflächen oder
Kratzbäume gesehen. Geforderte Ausläufe werden nicht aufgestellt oder sind
für die Katzen überhaupt nicht zugänglich. An Bademöglichkeiten ist gar nicht
zu denken, ebenso wenig wie an
Rückzugsmöglichkeiten bei Rangkämpfen. Käfig an Käfig müssen diese
imposanten Einzelgänger ihr Zirkus-
Die Zirkusrealität
nun in Zahlen: 8095
Prozent
des
gesamten Tages verbringen die Raubkatzen im
Käfigwagen. Das dies Spuren hinterlässt,
davon kann sich jeder Mensch in den
„Tierschauen“ selbst ein Bild machen.
Verhaltensstörungen
(oder
auch
Neurosen) sind trauriger Zirkusalltag in
jedem deutschen Zirkus.
Der tägliche Wahnsinn
In freier Wildbahn ist Feindvermeidung,
ein ununterbrochenes Sichern und ständige Fluchtbereitschaft, neben dem
Nahrungserwerb und dem Sozialverhalten die wichtigste Aktivitätsphase aller
nichtmenschlichen Tiere. Da sie im
Zirkus diesem arttypischen Verhalten
nicht voll nachkommen können, suchen
sie nach anderen Möglichkeiten ihre
angestaute Körperenergie loszuwerden.
Sie laufen im Käfig hin und her
(Raubkatzen), Weben mit den Köpfen
(Elefanten), Schaukeln den Körper
(Bären) oder Koppen (Pferde) bis zur
Erschöpfung. Beim so genannten
„Tigern“ wird der kleine Käfigraum oft
mit achtförmigen Schleifen abgelaufen
um somit noch mehr Raum zu gewinnen. Ein letzter vergeblicher Versuch,
dem Dasein einen Sinn zu geben.
Auslöser solcher Stereotypien sind nicht
nur der enorme Bewegungsmangel sondern auch Stress und Angst. Das
Käfigdasein macht die Mitgeschöpfe eindeutig verrückt. Sie leiden nachweislich.
„Bewegungsmangel und das Unvermögen,
angeborene Verhaltensweisen zu realisieren,
können gleichfalls Leiden verursachen.“ (8)
(Prof. Dr. Klaus Löffler/ Institut für
Tiermedizin)
„Bewegungsstereotypien
treten
in
Haltungssystemen auf, die durch eine starke
räumliche Einschränkung der Tiere und eine
reizarme Haltungsumwelt gekennzeichnet
sind.“ (9)
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Die Ignoranz von
Veterinärmedizin und
Justiz
„Nora“, eine Eisbärendame, war höchst
altersschwach. Sie war so schwach, dass
sie nur noch völlig regungslos im Wagen
lag. Mehrmals habe ich ansehen müssen,
wie das riesige Tier immer wieder den
Versuch startete, sich in dem ohnehin
engen Käfig aufzurichten. Aufgrund der
Schwäche und der offensichtlichen
Schmerzen brach sie immer wieder in
sich zusammen.
Diese unerträglichen Leiden hatten seinen Höhenpunkt, als sich „Nora“ wohl
ein letztes Mal aufbäumte und mit all
ihren letzten Kräften anfing zu Weben.
Dieses erniedrigende Erlebnis habe ich
bis heute nicht vergessen. Es hat sich in
mein Gedächtnis eingebrannt. Nachdem
ich die erste Anzeige von zehn Anzeigen
wegen Tierquälerei gegen die Halterin,
Ursula Böttcher, und gegen den Circus
Busch-Roland erstattete, wurde von da
an der Käfig von Nora abgedeckt. Keiner
sollte die Leiden von „Nora“ weiter mit
ansehen.
„Es ist verboten, einem Tier außer in
Notfällen Leistungen abzuverlangen, denen es
wegen seines Zustandes offensichtlich nicht
gewachsen ist oder die offensichtlich seine
Kräfte übersteigen.“ (10)
Trotzdem das Tierschutzgesetz den
Todes-Transport eines gebrechlichen
nichtmenschlichen Tieres ausdrücklich
verbietet,
wurde
„Nora“
mit
Zustimmung einiger Veterinäre von
einem Gastspiel zum anderen gekarrt.
„Noras“ qualvolle Tortur hatte aber nach
fast zehn Gastspielorten endlich ein
Ende. Sie wurde in Göppingen von ihren
Qualen durch einen engagierten Tierarzt
erlöst. Warum aber andere Tierärzte
meine Hinweise und Anzeigen ignorierten und „Nora“ weiterem Transportstress, weiterem Leiden aussetzten und sie
nicht in das Winterquartier zurückschickten, bleibt für mich ein Rätsel.
„..die Bärin ist aus Sicht des
Tierschutzgesetzes im Zirkus besser aufgehoben, als im Winterquartier.“ (11)
Doch das Tierschutzgesetz verbietet
Tierquälerei. Was also befähigt viele
VeterinärärztInnen dazu, gegen das geltende Tierschutzgesetz zu handeln?
„Man sollte den Tierschutz nicht nur in vermenschlichender Sicht sehen, sondern auch in
menschlicher Sicht.
Frau Böttcher ist 72
Jahre alt; sie hat alle
Bären über 30 Jahre
lang bei sich - es sind
ihre Kinder! Dann
sollte man nicht in
menschenverachtender
Weise wegen einiger
Quadratmeter Fläche
eine Lösung mit
Gewalt herbeiführen,
die sich in kürzester
Zeit sowieso abzeichnet.“ (11)
Wie würde wohl
Frau Böttcher mit
ihren menschlichen
Kindern umgehen,
wenn sie im Sterben
liegen? Macht sie
dann mit ihnen
auch eine TodesWeltreise? Und was
heißt hier „wegen
einiger Quadratmeter“? Klar wird
jetzt auch jedem,
dass Anzeigen we-
gen Tierquälerei, nach Ansicht dieses
Tierarztes, pure „Gewalt“ sind. Tatsächliche körperliche und psychische Gewalt
an „Nora“ bleibt natürlich unerwähnt.
Diese wurde von der Justiz weder zur
Kenntnis genommen und schon gar
nicht rechtlich unterbunden.
„Ein strafrechtliches Einschreiten nach §17
TschG jedenfalls wäre nur dann angezeigt,
wenn dieses Leiden roh oder quälerisch zugefügt werden wäre. Denn insbesondere §17 Nr.
2b wird von der Rechtsprechung als quälerische Misshandlung definiert.“ (12)
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
mit Geldstrafe wird bestraft, wer einem
Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen und Leiden
zufügt.“ (13)
Also bleibt es im Ermessen von
JustizbeamtInnen zu bewerten, was
erhebliche Schmerzen sind und ab wann
Rohheit beginnt. Für „Nora“ bedeutete
dies: Qualen bis zum bitteren Ende.
„Nora“ litt tatsächlich an erheblichen
Schmerzen und lag schon einige Wochen
im Sterben. Ihr wurde nur deshalb in
Göppingen aktive Sterbehilfe geleistet.
Dieser Fall von Ignoranz und Arroganz
diverser
AmtsveterinärInnen
und
JustizangestelltInnen ist leider kein
Einzelfall. So berichtet der Verein
Elefantenschutz Europa e.V. in seiner
aktuellen Magazinausgabe:
„Im Sommer 2003 wurde - nach wiederholten, teilweise ganztägigen Beobachtungen und
Hinweisen unseres Vereins und anderer
Tierschutzorganisationen - der Circus
Giovanni Althoff in der Nähe von Hannover
durch eine Behördenvertreterin und einen
Amtstierarzt besucht. Das Resultat bei der
Überprüfung der Elefantenhaltung: Keine
Beanstandung! Kurze Zeit später starb im
Circus die 22-jährige afrikanische
Elefantenkuh „Samba“. (14)
Auch Elefantendame „Jenny“ aus dem
Zirkus Barelli litt 2003 unter der
Ignoranz einiger TierärztInnen. Trotz
wiederholter Anzeigen meinerseits,
tierbefreiung – das aktuelle tierrechtsmagazin 07
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titelstory
wurde die sehr kranke und extrem
schwache „Jenny“ weiter herumgekarrt. Auch sie starb letztendlich an den
Folgen der tierquälerischen Haltung.Was
von ihr blieb, war diese Todesanzeige:
Nach langem Leiden starb die Elefantin
„Jenny“ am 10. September 2002 in
Düsseldorf. Trotz ihrer schweren
Erkrankung wurde sie bis zuletzt an
Ketten
gefesselt
von
einem
Gastspielort zum anderen gekarrt. Zur
Bewegungslosigkeit gezwungen, der
menschlichen Willkür schutzlos ausgeliefert, starb sie fern ihrer natürlichen
Heimat im Zirkus Barelli.
Die „sanfte“
VerGEWALTigung
(Sanfte Dressur)
Die „Humandressur“ oder auch „Zahme
Dressur“ soll das grausame „Bändigen“
durch den „Tierbändiger“ oder
„Dompteur“ ersetzen.
„Die Phase der grausamen Methoden des
Dresseurs, die Gewalt und Schmerz zum
Grundprinzip hatte, war damit zu Ende. Die
jetzige „Humandressur“ beruht dagegen auf
ein Hineindenken in die Psyche des Tieres,
auf Lob und Tadel, auf Güte, auf Nutzung
des Liebesbedürfnisses und des Erinnerungsvermögens, der ganzen Breite der
Reflextheorie und der Herstellung echter
Beziehungen zwischen Mensch und Tier“
(15)
Doch auch hier sieht die Realität ganz
anders aus. Schöne Worte sollen wieder
ablenken und vertuschen, was sich hinter
den Kulissen wirklich abspielt. Das
Grundprinzip des alten „Bändigen“
bleibt weitestgehend erhalten. Gewalt ist
08 tierbefreiung – das aktuelle tierrechtsmagazin
das Mittel, wessen man sich noch heute
bedient, um nichtmenschliche Tiere für
allerlei „menschlichen Spaß“ gefügig zu
machen. Man degradiert sie zu
Maschinen, die auf entsprechende
Kommandos des Menschen - wie auf
Knopfdruck - springen und tanzen. Man
raubt ihnen jegliche Würde. Der
Dompteur zwingt, mit entsprechenden
„Zwangsmitteln“ (Hilfsmitteln wie
Haken, Peitsche oder Stock) dem nichtmenschlichen Tier seinen menschlichen
Willen auf. Zwang ist und bleibt eine
Form von Gewalt.
keine Belohnung als ´unangenehm´.“ (16)
„Das Tier muss Partner des Menschen werden, aber immer fühlen, dass der Mensch der
Stärkere ist.“ (15)
Schuldig bleibt Herr Zeeb die
Erklärung, wie man mit Gerte und Stock
nur „berührt“ (touchiert), ohne dass das
nichtmenschliche Tier dabei Schmerz
verspürt, aber dennoch darauf reagiert.
Wie kann „ein Hauch von zarter
Berührung“ keine Schmerzen verursachen, aber dennoch jede gewünschte
Reaktionen beim nichtmenschlichen
Tier auslösen? Verlogener kann man
zugefügte Schmerzreize nicht beschreiben, wie es „Fachmann“ Zeeb hier
macht. Über Prof. Dr. Klaus Zeeb hat
übrigens der Verein „Elefantenschutz
Europa e.V.“ eine noch drastischere
Meinung:
Die Dressur selbst ist
eine
Form
von
VerGEWALTigung,
weil nichtmenschliche Tiere gegen
ihren Willen, vom
Menschen gewalttätig
missbraucht
werden. Und
da
VerGEWALTigung nie
„sanft“ sein kann, ist die Bezeichnung
„Sanfte Dressur“ mehr, als nur eine Lüge.
Gewalt, wieder unter dem Deckmantel
wohlklingender Worte.
Wie ausweichend und beschönigend
man das eigentlich gewalttätige
Grundprinzip der „Humanen Dressur“
auch noch beschreiben kann, zeigt auch
das Buch von Prof. Dr. Klaus Zeeb. Darin
beschreibt der Autor u.a. einige Zwangsoder Gewaltmittel so:
„Hilfen sind Verständigungsmittel, um
erwünschte Reaktionen auszulösen. Die
Hilfegebung (...) darf im Grundsatz keine
Schmerzen verursachen. Berührung: Hand,
Gerte, Peitsche. Belohnung: Futter.“ (16)
Beim Stichwort Nahrung (hier als Futter
bezeichnet) kommen uns natürlich sofort
zwei Fragen auf: Wie kann Nahrung
erzieherisch wirken? Wenn nichtmenschliche Tiere täglich ihre ausreichende und ausgewogene Ernährung
erhalten, wie kann dann ihre Nahrung
dennoch
als
Zwangsmittel
zur
Ausbildung funktionieren? Die Antwort
ist simpel: Hunger oder Sucht macht sie
willig. Es ist kein Geheimnis, dass auf ein
gelungenes
Kunststück
hin
die
Belohnung - Futter oder Süßes - folgt.
Nur hungrige nichtmenschliche Tiere
machen alles, um ihren Hunger stillen zu
können - wie Menschen schließlich
auch. Süßigkeiten, die in Übermenge zur
Sucht führt, nutzen Dompteure als
Mittel zum Zweck aus. Die nichtmenschlichen Tiere werden mit Sucht
gefügig gemacht.
„Das Tier verknüpft die Hilfegebung, seine
Reaktion und die Belohnung als ´angenehm´,
Ja eben, Herr Zeeb, Hungern lassen ist
alles andere als „angenehm“. Es ist auch
alles andere als „verhaltensgerecht“ und
schon gar nicht „sanft“.
„Zurechtweisungen sollen daher nur in
unumgänglichen Situationen erfolgen. Neben
den optischen Signalen kann man mit Gerten
und Handstöcken die Pferde touchieren, d.h.
mehr oder weniger kräftig berühren oder ohne Schmerzen auszulösen - leicht schlagen.“ (16)
„Ignorant, inkompetent, unverbesserlich Unterstützt wird diese Ignoranz des
Bundesministeriums von einem Vertreter der
Wissenschaft, Prof. K. Zeeb aus Freiburg, der
jederzeit und all zu gerne bereit ist, ein „verhaltensgerechtes“ Dasein von Elefanten im
Circus zu bestätigen. (...) Für Prof. Zeeb ist
die tierquälerische Kettenhaltung von
Circuselefanten offensichtlich normal, ebenso
wie die fehlende Sozialstruktur - ohne
Fortpflanzung, Zucht, Aufzucht etc. Nach
Prof. Zeeb gehen auch frei lebende Elefanten
auf Hinterbeinen durch Dschungel und
Steppe. (...) Die wachstumsgestörten und
extrem untergewichtigen Afrikanischen
Elefanten in zahlreichen Circussen - hervorgerufen durch Mangelernährung und Stress sind dem „Experten“ Zeeb noch gar nicht
aufgefallen. (...) Es ist beschämend, dass ein
Wissenschaftler versucht, die unaufgeklärten
Medien sowie die Öffentlichkeit zu täuschen,
um die 200-jährige Leidensgeschichte der
Circuselefanten zu verlängern.“ (14)
Im Zirkus wird jedenfalls draufgeschlagen oder „Hand angelegt“, was das Zeug
hält. Und nichts da, von wegen „einige
wenige schwarze Schafe“. Zahlreiche
Videodokumentationen und Berichte
weltweit beweisen es immer wieder: nur
durch Schläge, Prügel, Angst, Stress und
Aushungern werden nichtmenschliche
Tiere von A nach B bewegt. Das ist der
wahre Zirkusalltag.
Selbst Zirkusfreunde kommen ab und zu
einmal dazu, ernsthaft nachzudenken
und berichten dann über so manche
selbst erlebte Brutalität. So beschreibt ein
Leserbrief von Zirkusfreunden in der
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ärztekammer, einen von der Deutschen
veterinärmedizinischen Gesellschaft und
gerade mal einen vom Bündnis für
Tierschutz. Also nach Adam Riese ein
Verhältnis von 5:1. Übrigens hatte unser
bereits bekannter Prof. Dr. Klaus Zeeb
den Vorsitz dieser Gruppe und war
gleichzeitig der Vertreter der deutschen
Veterinärmedi-zinischen Gesellschaft.
Das sagt ja wohl alles. Wie gut sich
VeterinärärztInnen, ZirkusbetreiberInnen und ZirkusunterstützerInnen verstehen, zeigt abschließend noch folgende
alles
aussagende
Meldung
der
Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz
vom Oktober 2003:
Circuszeitung von 1991 wie z.B. das
„Nur Berühren“ beim Elefanten in
Realität aussieht:
„Was uns befremdete, war, dass dem Tierlehrer
Herr Peter John drei Helfer in der Manege
zur Seite standen, die die schönen Tiere mit
Haken herumdirigierten. Mein Mann interessierte sich dafür, was nun im Sattelgang des
Zeltes von Circus Busch-Berolina geschehen
würde und bekam mit, wie der
„Unruhestifter“ unter Gebrüll des Tierlehrers
gezüchtigt wurde. Mein Mann sprach Herrn
John an, als die Elefanten wieder angekettet
waren und dieser seinen langen Stock mit
Haken in Ordnung brachte, der offensichtlich
Schaden genommen hatte.“ (17)
Es wird also nur „ganz leicht touchiert“.
So „leicht“, dass das eine oder andere
Hilfsmittel zu Bruch geht.
Andere Fachleute und
Zirkuslobbyisten
Nichtmenschliche Tiere im Zirkus
haben, selbst wenn es nur um die
Verbesserung der Haltungsbedingungen
geht, kaum eine Lobby. Das verdeutlicht
schon ein Blick auf die Zusammensetzung der Sachverständigengruppe in
der „Zirkus-LeidLinie“ wirft. Dort
treffen wir einen
Vertreter des Berufsverbandes der Tierlehrer (Zirkus), einen
des Verbandes der
Z i r k u s d i re k t o re n
(Zirkus), einen von
der Tierärztlichen
Vereinigung
für
Tierschutz, einen
von der Bundestier-
Quellenangaben:
(1) Gert Simoneit Barum in „Das Tier“ Nr. 9 von 1988/Seite 29
(2) Auszug aus dem Ergebnisprotokoll des Agrarausschusses vom
29.9.2003/Bundesrat - Drucksache 595/1/03
(3) „Berliner Morgenpost“ vom 13.11.2003
(4) „Neues Deutschland“ vom 13.11.2003
(5) „Richtlinien zur Haltung von Wildtieren in Zirkusunternehmen“/Wiener
Umwelt Anwaltschaft/2. Auflage von 1998/Seite 21
(6) Deutsches Tierschutzgesetz §2 Pkt.1
(7) Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in
Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen/Seite 17
(8) Klaus Loeffler in „Leiden und Verhaltensstörungen bei Tieren“/Birkhäuser
Verlag/ 1993/Seite 81
„Fortbildung zum Thema Tiere im Zirkus.
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz
(TVT) e.V. veranstaltet qualifizierte
Weiterbildung. Die Tierärztliche Vereinigung
für Tierschutz (TVT) e.V. mischt sich mit der
Fachkenntnis von Tierärzten in den
Tierschutz ein. So auch beim Thema
´Ausbildung und Vorführung von Tieren im
Zirkus´. Im Circus Siemoneit-Barum konnten sich Amtstierärzte, die für die tierschutzrechtliche Kontrolle im Zirkus verantwortlich
sind, auf Initiative der TVT in
Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der
Circusfreunde (GCD) theoretisches und praktisches
Spezialwissen
durch
Tierdemonstrationen, Videovorführungen und
Vorträge aneignen.“ (18)
Wen wundert es also noch, dass es in
Deutschland
noch
immer
kein
Haltungsverbot gibt? Mich nicht!
„Applaus ist das Brot des Künstlers - und
der bittere Tod aller Hoffnungen für die
Zirkustiere“
Frank Albrecht
(9) Der Zoologische Garten N.F. 64 (1994) 1/Seite 25-34
(10) Tierschutzgesetz §3/ Punkt 1
(11) aus der schriftlichen Antwort auf meine Anzeige von Dr. W.
Tschirch/Veterinäramt Hoyerswerda/vom 15.02.1999
(12) Staatsanwalt Hromada vom 07.06.1999/Gericht Trier
(13) Deutsches Tierschutzgesetz § 17 Pkt. 2b TschG
(14) aus dem Magazin „Elefanten aus Zoo und Circus“
Nr.4/2003/Elefantenschutz Europa e.V.
(15) aus „Die Dressur der Tiere“ von Hachet Souplet/1988
(16) „Wie man Tiere im Zirkus ausbildet“/2001/Enke Verlag Stuttgart
(17) Circuszeitung Nr.11/1991/Seite 23
(18) Pressemeldung des TVT/Oktober 2003
tierbefreiung – das aktuelle tierrechtsmagazin 09