Experten Statement

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Experten Statement
Internationale Zeitschrift für ärztliche Fortbildung
Nr. 24/November 2013
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Experten-Statement
Naltrexon in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit
und „stoffungebundener Suchtformen“
VORSITZ:
UNIV.PROF. DR. OTTO-MICHAEL LESCH, WIEN, UNIV.PROF. DR. HENRIETTE WALTER, WIEN
TEILNEHMER:
PRIM. UNIV.DOZ. DR. ANDREAS ERFURTH, WIEN, UNIV.PROF. DR. GABRIELE FISCHER, WIEN, PRIM.
UNIV.PROF. DR. CHRISTIAN HARING, HALL I. TIROL, UNIV.PROF. DR. MANFRED MAIER, WIEN, PD
DR. WERNER E. PLATZ, BERLIN, UNIV.PROF. DDR. GABRIELE SACHS, LINZ, PROF. DR. MED.
GERHARD A. WIESBECK, BASEL
ISSN 1726-0027
Naltrexon in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit
und „stoffungebundener Suchtformen“
EINLEITUNG
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Alkohol- und Drogenabhängigkeit zählen in Europa zu
den häufigsten psychischen Störungen, wobei ca. 3,4%
(Jahresprävalenz) der Bevölkerung von Alkoholabhängigkeit betroffen sind (Wittchen et al., 2011). Neben Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit gelten auch
substanzungebundene Süchte wie z. B. „Spielsucht“,
„Internetsucht“, „Arbeitssucht“ oder „Kaufsucht“ als epidemiologisch relevante Suchterkrankungen.
Alkoholabhängigkeit ist eine komplexe chronische
Erkrankung, die mit einer Fülle von somatischen und neurologischen Folgestörungen und einer deutlich erhöhten
Mortalität assoziiert ist (Soyka & Kuefner, 2008). Gemäß
österreichischen Daten haben Alkoholkranke eine um ca.
23 Jahre kürzere Lebenserwartung als nicht-alkoholabhängige Personen (Lesch et al., 1988). Alkoholabhängigkeit verursacht eine immense Krankheitslast und ist in der
EU eine der führenden Ursachen vermeidbarer Todesfälle
(Mohapatra et al., 2010; EC, 2006). Derzeit dauert es ca.
sieben Jahre, bis Patienten mit Alkohol-bedingten medizinischen Problemen eine Suchttherapie erhalten (Kogoj
et al., 2011). Obwohl eine Reihe etablierter psychosozialer und psychotherapeutischer Ansätze zur Behandlung
der Alkoholkrankheit zur Verfügung steht, liegt die Rückfallrate selbst nach längeren Therapien meist über 50%
(Soyka & Kuefner, 2008). Verbesserte Ansätze zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Alkohol-bezogenen Störungen sind daher erforderlich (Lesch & Wetschka, 2011).
Neben psychosozialen Methoden können medikamentöse Strategien wesentlich dazu beitragen, die Rückfallrate bei Alkoholabhängigkeit zu reduzieren. Trotz ausreichender Evidenz werden diese Medikamente bislang allerdings zu wenig eingesetzt (Soyka, 2011). Vor diesem Hintergrund widmet sich das vorliegende Experten-Statement
v. a. der medikamentös gestützten Rückfallprophylaxe und
evaluiert den Stellenwert des Opiatrezeptor-Antagonisten
Naltrexon im Rahmen eines umfassenden Behandlungsprogramms.
NEUROBIOLOGISCHE GRUNDLAGEN DER
SUCHTENTSTEHUNG (CRAVING)
Die Entwicklung eines zwanghaften, übermäßigen Verlangens (Craving) entsteht durch neuroadaptive Prozesse
im mesolimbischen Belohnungs- und Verstärkersystems
des Gehirns und kann sowohl durch psychotrope Substanzen als auch bestimmte Verhaltensweisen bedingt sein.
Durch Alkoholeinnahme werden verschiedene Neurotransmittersysteme beeinflusst, z. B. durch Blockade der
Freisetzung erregender Transmitter wie Dopamin, Noradrenalin und Glutamat und Verstärkung der Wirkung
hemmender Transmitter (GABA) (Feltenstein & See, 2008).
Der Alkoholkonsum führt auch zur Ausschüttung von
Endorphinen, stimuliert die Endorphin-Bildung und
hemmt deren Abbau (Méndez et al., 2008). Endorphine,
die als körpereigene Opioid-artige Substanzen sowohl im
Hinblick auf die endogene Schmerzmodulation als auch
das mesolimbische Belohnungssystem relevant sind, vermitteln die positiven, euphorisierenden Effekte der Alkoholwirkung (Le Merrer et al., 2009). Als Folge der Endorphin-Wirkung kommt es zur erhöhten mesolimbischen
Dopamin-Freisetzung, die vermutlich in enger Beziehung
zum Belohnungssystem steht. Alkohol, Nikotin und andere psychotrope Substanzen wirken auf diese Regelkreise
und scheinen ihre Effekte wechselseitig zu augmentieren.
Dies entspricht der Beobachtung, dass ein erhöhtes Ausmaß an Nikotinabhängigkeit mit einem erhöhten Ausmaß
an Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit korreliert (Kapusta et al., 2007).
Alkoholabhängigkeit entsteht durch Sensitivierung des
Belohnungssystems (Neuroadaptation), infolgedessen eine
Endorphin-Pulsation durch das Suchtmittel, durch Stress
oder durch konditionierte Schlüsselreize getriggert werden kann (Cunningham & Noble, 1992; Robinson & Berridge, 1993). Die Endorphin-Pulsation ist mit dem zwanghaften Verlangen nach Zufuhr des Suchtmittels (Craving)
assoziiert, das elementar für die Aufrechterhaltung der
Trinkgewohnheiten ist. Endorphine sind nicht nur für die
Entwicklung, sondern auch die Aufrechterhaltung der
Abhängigkeit ausschlaggebend, da die Bahnung von Suchtverhaltensmustern auch nach erfolgreichem Entzug bestehen bleibt („Suchtgedächtnis“). Dies bedeutet, dass durch
Stress oder Suchtmittel-assoziierte Reize wie z. B. Biergeruch die Endorphin-Sekretion verstärkt angeregt und
somit Craving stimuliert wird, selbst wenn die betroffene
Person bereits abstinent ist. Die Entwicklung eines „Suchtgedächtnisses“ erklärt, warum der Suchtmittelgebrauch
selbst nach einer langen Phase der Abstinenz bei manchen
Personen zur sofortigen Wiederaufnahme des ursprünglichen Suchtverhaltens führen kann.
Craving-Mechanismen spiegeln sich auch in „substanzungebundenen Suchtformen“ wie z. B. Kaufsucht bzw.
verschiedenen Krankheitsbildern wie Essstörungen, zwanghaftem sexuellen Verhalten oder Impulskontrollstörungen
(„Spielsucht“, Kleptomanie, Trichotillomanie) wider.
Einem Rückfall bei Alkoholabhängigkeit liegt meist
das übermäßige Verlangen nach der Droge Alkohol (Craving) zugrunde. Die Dämpfung des Cravings ist daher
für die Rückfallprophylaxe von zentraler Bedeutung.
ALKOHOLABHÄNGIGKEIT:
DIAGNOSTIK UND VERLAUF
Die Alkoholabhängigkeit entsteht aufgrund biopsychosozialer Bedingungen, wobei die unterschiedliche Gewichtung soziokultureller Faktoren (z. B. prekäre Verhältnisse), psychologischer Faktoren (z. B. frühe Verlusterlebnisse, sexueller Missbrauch, mangelhafte Mutterbindung
etc.) und biologischer Faktoren (z. B. Genetik, initiale
Stress- und Alkoholsensitivität, Neuroadaptation/„Suchtgedächtnis“) zu sehr heterogenen Verläufen führen kann
(Lesch, 2013). Auch primäre Vulnerabilitäten wie z. B.
zyklothymes oder irritables Temperament gelten als Risikofaktoren im Hinblick auf den Alkoholmissbrauch (Unseld
et al., 2012). Darüber hinaus haben Jugendliche mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ein
erhöhtes Risiko, nach initialem Tabakkonsum eine Alkohol- oder andere Drogen-bezogene Störung zu entwickeln
(Biederman et al., 2006).
Die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit (ICD-10, F10.2
oder F17.2) ist zu stellen, wenn während des letzten Jahres ≥3 der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden
waren:
• starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu
konsumieren
• verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich Alkoholkonsum
• körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder
Reduktion des Alkoholkonsums
• Nachweis einer Alkoholtoleranz
• fortschreitende Vernachlässigung anderer
Vergnügen/Interessen zugunsten des Alkohols
• anhaltender Alkoholkonsum trotz Nachweises schädlicher Folgen
Zentrale Symptome einer Abhängigkeit sind der Kontrollverlust und die fehlende Motivation zur Lebensstiländerung (Lesch, 2013). Klinische Zeichen, die auf ein
Alkoholproblem hinweisen können, sind beispielsweise
gerötete Konjunktiven, ödematöses Gesicht, typische Hautveränderungen (Gefäßspinnen), Tremor, vegetative Labilität (feuchte Hände), Gangunsicherheit, Magen-DarmStörungen (morgendlicher Brechreiz), Schlafstörungen,
Konzentrationsmangel, objektivierbare Leistungseinbußen oder Libido- und Potenzstörungen.
Das Erkennen einer alkoholbezogenen Gesundheitsstörung kann nur durch eine ausführliche Anamnese erfolgen. Für die Früherkennung können die vier Fragen des
CAGE-Fragebogens hilfreich sein (Tabelle 1).
Alkoholabhängige Patienten zeigen eine beträchtliche
Heterogenität mit unterschiedlichen Langzeitverläufen.
Um spezifischere Therapien zu gewährleisten und um die
Langzeitabstinenz zu verbessern, werden Alkoholkranke
nach verschiedenen Typologien unterteilt (Hesselbrock &
Hesselbrock, 2006). Nach der Typologie von Jellinek, die
heute nur noch historisch wichtig ist, gelten insbesondere die Typologien nach Babor, nach Cloninger und nach
Lesch als therapeutisch relevant (Leggio et al., 2009).
Die Typologie nach Lesch, die durch neurobiologische
Forschung sowie klinische Studien validiert wurde, definiert vier Subtypen von Alkoholikabhängigkeit, wobei
sowohl biographische Daten als auch das soziale Umfeld
für Verlauf und Therapie ausschlaggebend sind (Lesch et
al., 1988; 2011). Das Verlangen nach Alkohol (Craving)
zeigt gemäß dieser Typologie mehrere Mechanismen, da
die einzelnen Subgruppen Alkohol aus unterschiedlichen
Gründen benützen, z. B. als Medikament gegen Entzugserscheinungen (Typ 1), als Beruhigungsmittel (Typ 2), als
Antidepressivum (Typ 3), als Mittel, um die sozialen Gegebenheiten zu ertragen oder als Impulskontrollschwäche
und/oder Zwangsphänomen bei zerebraler Vorschädigung
im Kindesalter (Typ 4) (Lesch et al., 2011; Tabelle 2).
In der klinischen Praxis wird der AlkoholabhängigkeitsSubtyp durch ein Ausschlussverfahren im diagnostischen
Prozess identifiziert (Abbildung 1), wobei das computergestützte Diagnose- und Therapiemanual LAT („Lesch
Alcoholism Typology“) eine praktische Hilfestellung zur
raschen Bestimmung des Subtyps bietet. Das mittlerweile in 14 Sprachen übersetzte Therapiemanual LAT ist als
Software kostenfrei aus dem Internet herunterzuladen
(www.lat-online.at). Der Einsatz des LAT wurde auch als
„Standard Operating Procedure“ (SOP) für die Aufnahme alkoholabhängiger Patienten im Krankenhaus eingeführt.
Tabelle 1
Fragen zur Früherkennung von Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit
(CAGE-Fragebogen)
1) Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, Sie müssten Ihren Alkoholkonsum vermindern? („Cut down“)
2) Haben andere Personen Sie dadurch geärgert, dass diese Ihr Trinkverhalten kritisiert haben? („Annoyed“)
3) Haben Sie sich jemals schlecht oder schuldig wegen Ihres Trinkens gefühlt? („Guilt feelings“)
4) Brauchen Sie morgens Alkohol, um erst richtig leistungsfähig zu werden? („Eye-opener“)
Auswertung:
1 Frage positiv => Hinweis auf schädlichen Alkoholgebrauch (weitere Abklärung)
≥2 Fragen positiv => Alkoholabhängigkeit sehr wahrscheinlich (weitere Abklärung)
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Tabelle 2
Alkoholabhängigkeit-Typologie nach Lesch
Lesch-Subtyp
Funktion der Alkoholwirkung
Craving-Ursache
Neurobiologisches Modell
Typ 1
Linderung des Entzugssyndroms
Alkohol
Neuroadaptation
Typ 2
Alkohol als Anxiolytikum
Angst, Konflikt/Stress
soziales Lernen; kognitive Modelle
Typ 3
Alkohol als Antidepressivum
depressive Stimmung
Selbstbehandlungsmodell
Typ 4
Alkohol, um das soziale Umfeld
zu ertragen; Alkohol als Impulskontrollschwäche und/oder
Zwangsphänomen bei zerebraler
Vorschädigung im Kindesalter
Zwang, Kompulsion
sozio-kulturelles Modell;
organisches Modell
Lesch et al., 2011
FOLGEERKRANKUNGEN
BEI ALKOHOLABHÄNGIGKEIT
Aus psychiatrisch-neurologischer Sicht sind Gedächtnisstörungen, Durchgangssyndrome (z. B. Delirium tremens), Wernicke-Enzephalopathie, Schlafstörungen, erhöhtes Schlaganfallrisiko, periphere Polyneuropathie oder
Erkrankungen des Kleinhirns relevant.
Depressive Syndrome und Alkoholabhängigkeit treten
Alkoholabhängigkeit ist mit einer Reihe lebensbedrohlicher Störungen und Folgeerkrankungen wie Leberzirrhose, gastrointestinale Neoplasmen oder ösophageale
Varizen assoziiert (Singer & Tyssen, 2005; Seitz et al., 2000).
Abbildung 1
Diagnostischer Prozess bei Alkoholabhängigkeit gemäß Typologie nach Lesch
4
Typ II
Typ III
Typ IV
Typ I
Schwere somatische
Erkrankung vor dem
14. Lebensjahr
Psychiatrische Symptome
a) schwere perinatale
Schädigung
c) andere schwere zerebrale
Erkrankungen
oder
d) Nägelbeißen und Stottern
oder
b) schwere suizidale Ideen
oder Suizidversuche ohne
Alkohol
oder
c) schwere Schlafstörungen
unabhängig von der
Alkoholaufnahme oder
einem -entzug
kein Kriterium von Typ III erfüllt
oder
kein Kriterium von Typ IV erfüllt
oder
b) Contusio cerebri mit
neurologischen Zeichen
Schwere Entzugssymptome
a) dreidimensionaler Tremor,
starkes Schwitzen und
schwere vegetative
Symptome
oder
b) Krampfanfälle in der
Entzugsphase
kein Kriterium von Typ II erfüllt
a) Major Depression
oder
Alkohol dient als
Anxiolytikum
keine Symptome, die zu
einer Diagnose von Typ IV,
III oder II führen
oder
e) schwere alkoholische
periphere Neuropathie
d) Periodizität des Alkoholkonsums klar erkennbar
oder
f) Krampfanfälle unabhängig
vom Akoholkonsum
ohne
psychiatrische
Symptome
nächtliche Enuresis
(6 Monate oder länger)
mit
psychiatrischen
Symptomen
modifiziert nach Schlaff et al., 2011
häufig in Kombination auf und bedürfen aufgrund hoher
Komplikationsraten und schlechter Verläufe besonderer
Aufmerksamkeit (Lesch & Walter, 2011); dies gilt auch für
bipolare Störungen und Angsterkrankungen (Panikstörungen, Phobien). Aufgrund der typischen affektiven Symptome im Rahmen von Entzugserscheinungen (z. B. depressive Durchgangssyndrome) können echte affektive Komorbiditäten auf der Grundlage einer genauen Anamnese erst
im Langzeitverlauf diagnostiziert werden. Auch subklinische Manifestationen affektiver Störungen wie zyklothymes, depressives und ängstliches Temperament scheinen
negative Prädiktoren für den Krankheitsverlauf zu sein
(Vyssoki et al., 2011). Zudem können dissoziale und Borderline-Persönlichkeitsstörungen sowie Schizophrenie
gemeinsam mit Alkoholabhängigkeit auftreten, wobei ca.
10% aller schizophrenen Patienten die Kriterien einer Alkoholabhängigkeit erfüllen (Zeiler, 1990).
Aus Sicht der Inneren Medizin gehen mit dem Alkoholmissbrauch gastrointestinale Störungen, Lebererkrankungen (erhöhte Leberwerte, Fettleber, alkoholische Hepatitis), alkoholische Kardiomyopathien, Hypertonie und
Hyperhomocysteinämie einher; zudem besteht ein erhöhtes Risiko für onkologische Erkrankungen (Seitz et al.,
2009; 2012; Homann et al., 2000).
Gemäß einer österreichischen Untersuchung findet sich
Alkoholmissbrauch bei 29% aller internen Aufnahmen und
bei 12% aller chirurgischen Aufnahmen (Lesch et al., 1996).
Laut einer deutschen Studie beträgt die Prävalenz des Alkoholmissbrauchs in chirurgischen Kliniken ca. 20%, wobei
die Rate schwerwiegender Komplikationen wie z. B. erhöhte Infektionsraten, Sepsis, kardiale Komplikationen, Nachblutungen oder Alkoholentzugssyndrom zwei- bis fünffach erhöht ist (Spies et al., 2003).
Da Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit in allen
medizinischen Fächern einen ätiologischen Stellenwert
haben, sind alle Ärzte mit alkoholabhängigen Patienten konfrontiert. Bei einem beträchtlichen Anteil aller
internen und chirurgischen stationären Aufnahmen ist
Alkoholmissbrauch nachweisbar. Insbesondere Allgemeinmediziner haben eine Schlüsselfunktion in der
Früherkennung und im Schnittstellenmanagement. Eine
genaue Diagnose ist anhand der ICD-10 möglich, allerdings kann dazu auch der CAGE-Test herangezogen
werden (Tabelle 1).
BEHANDLUNG DER ALKOHOLABHÄNGIGKEIT
Die Behandlung alkoholabhängiger Patienten erfordert
eine individualisierte Therapie bestehend aus pharmakologischen, psychotherapeutischen und psychosozialen
Ansätzen.
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung
ist eine tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung, um gemeinsame und realistisch erreichbare Therapieziele zu definieren. Absolute Abstinenz gilt nicht mehr als der zentrale
Gradmesser für die Evaluation des Behandlungserfolgs, da
gemäß Langzeitstudien nur ca. 15% der Patienten dieses
Ziel erreichen können (Kogoj et al., 2011). Rückfälle sind
trotz hoher Motivation und diverser therapeutischer Bemühungen als Teil der Abhängigkeit zu akzeptieren. Es wurde
daher eine Hierarchie von Therapiezielen formuliert, die
weit vor der Bereitschaft zum Verzicht auf Alkoholkonsum ansetzt (Lesch, 2013):
• Sicherung des Überlebens
• Sicherung möglichst gesunden Überlebens
• Reduktion des Alkoholkonsums und anderer
Suchtmittel
• Aufbau alkoholfreier Phasen
• dauerhafte Abstinenz
• Lebensgestaltung in Zufriedenheit
Eine erfolgreiche Entzugsbehandlung gilt als wesentliche Säule der Suchttherapie, da sie die Motivation für die
Weiterbehandlung verbessert und zur Rückfallprävention
beiträgt (Addolorato et al., 2005a; b). Im Hinblick auf die
Einleitung der Behandlung spielt das Motivationsgespräch
durch den Arzt eine wichtige Rolle. Der Entzug kann entweder abstinenzorientiert erfolgen oder in Form eines
„Cut-down-Drinking“, bei dem eine schrittweise Verringerung der Trinkmenge empfohlen wird.
Das „Cut-down-Drinking“ zielt darauf ab, durch
Reduktion der Trinkmenge die Möglichkeit zu schaffen,
die Motivation des Patienten im Rahmen häufiger Kontrollgespräche zu verbessern, um eine eingehende diagnostische Evaluation durchführen und dem Patienten ein
individuelles Behandlungsangebot machen zu können. Die
Reduktion des Alkoholkonsums kann dabei durch eine
Anti-Craving-Medikation (z. B. Naltrexon) unterstützt
werden, welche die euphorisierende Alkoholwirkung deutlich abschwächt. Mit Hilfe eines Trinktagebuchs und regelmäßiger, kurzfristiger Kontrollen wird das Trinkverhalten
bis zur Einnahme sehr geringer Alkoholmengen dokumentiert, wobei mit Erreichen der Abstinenz kein schweres Entzugssyndrom mehr zu erwarten ist (Lesch, 2013).
In der Entwöhnungstherapie und Rückfallprophylaxe
stehen die Behandlung der Grundstörung, die zur Alkoholeinnahme geführt hat, sowie das Vermeiden von Rückfällen im Vordergrund. Therapieziele können auch die
Reduktion des Schweregrads und der Folgen eines Rückfalls sein.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie sollte stets Teil eines umfassenden, multimodalen Behandlungsansatzes mit psychotherapeutischen und psychosozialen Maßnahmen sein.
Die medikamentöse Therapie des „Cut-down-Drinking“
basiert auf einer Anti-Craving-Therapie (z. B. Naltrexon).
Zur Behandlung von Entzugssymptomen werden vor allem
Benzodiazepine und Antikonvulsiva empfohlen (Lesch,
2013).
In der Rückfallprophylaxe sind Anti-Craving-Substanzen nicht mehr verzichtbar. In Österreich zugelassene AntiCraving-Medikamente zur Rückfallprophylaxe bei Alko-
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wissenschaftlich gut belegt (Sobell & Sobell, 1993; Andreasson et al., 2002; Heather, 2010). Als weitere etablierte
Psychotherapien bei Alkoholabhängigkeit gelten Familien- und Paartherapie, soziales Kompetenztraining sowie
Hypnosetherapie, wobei die jeweils unterschiedlichen
Coping-Strategien der Patienten (z. B. Geschlechterunterschiede) berücksichtigt werden sollten.
holabhängigkeit sind Naltrexon und Acamprosat, für deren
Einsatz die meisten klinischen Daten vorliegen. Die Wirksamkeit der beiden Substanzen ist durch zahlreiche kontrollierte Studien belegt (O’Malley et al., 1995; Krumpl et
al., 2004; Anton et al., 2001; Paille & Guelfi, 1995; Whitworth et al., 1996) und in Metaanalysen bestätigt (Jarosz
et al., 2013; Mason & Lehert, 2012; Maisel et al., 2013).
Zu den experimentell eingesetzten Medikamenten in Österreich zählen derzeit Topiramat, Baclofen, Memantin,
Ondansetron und Rimonabant (Lesch et al., 2011). Disulfiram zeigt keinen Anti-Craving-Effekt, sondern ist eine
Aversiv-Medikation, die eine Alkoholunverträglichkeit
erzeugt (Soyka, 2011). Disulfiram sollte nur dann gegeben
werden, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem
abstinenten Verlauf zu rechnen ist (Lesch, 2013).
Um die medikamentöse Therapiewahl zu leiten, hat sich
die Klassifikation alkoholabhängiger Patienten nach
bestimmten Subtypen als nützlich erwiesen und gilt heute
als wegweisend im Hinblick auf therapeutische Weiterentwicklungen (Leggio et al., 2009). Klinische Studien zeigen, dass Anticraving-Substanzen in den Untergruppen
nach Lesch signifikant unterschiedliche Wirkungen haben
(Lesch, 2013). So weist Naltrexon gemäß der Typologie
nach Lesch die besten Behandlungsergebnisse bei Alkoholabhängigen vom Typ 3 und Typ 4 auf, während Acamprosat vor allem bei Typ-1-Alkoholabhängigen wirksam
ist (Kiefer et al., 2005) (Tabelle 3).
Selbsthilfegruppen
Als Teil eines umfassenden Behandlungskonzepts ist auch
die Einbindung der Patienten in Selbsthilfegruppen von
Relevanz, dazu zählen z. B. die Anonymen Alkoholiker
(AA) oder Selbsthilfegruppen für Patienten mit Depression, Angststörungen, vermindertem Selbstwertgefühl etc.
Die Kombination medikamentöser Therapien und
psychotherapeutischer Ansätze sowie Sozialarbeit sind
wesentliche Faktoren für das Erreichen langfristiger
Abstinenz (Kogoj et al., 2011). Aufgrund der massiven
somatischen Schäden und hohen Sterblichkeit bei Alkoholabhängigkeit ist es wichtig, die Therapie so früh wie
möglich zu beginnen.
STELLENWERT VON NALTREXON
Naltrexon ist zugelassen als zusätzliche Behandlungsmöglichkeit innerhalb eines umfassenden Therapieprogramms für Patienten nach Alkoholentzug zur Unterstützung der Abstinenz.
Psychotherapie
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Begleitende motivationsfördernde Therapien stellen die
Grundlage der Behandlung dar (Miller et al., 2003). Die
Effektivität kognitiver Verhaltenstherapien und Kurzinterventionen (z. B. „guided self-change treatment“) ist
Pharmakologisches Profil von Naltrexon
Naltrexon ist ein kompetitiver Antagonist an allen Opiat-
Tabelle 3
Mögliche Übereinstimmungen zwischen Typologien der Alkoholabhängigkeit und Medikationen*
Typologien, die von der
jeweiligen Medikation
mehr profitieren könnten
andere binäre Typologien, die hypothetisch von der
jeweiligen Medikation aufgrund von Gemeinsamkeiten**
mit den Modellen in der linken Spalte profitieren könnten
Naltrexon
Type A
Cloninger II
Lesch III & IV
LOA
Acamprosat
Cloninger II
Lesch I & II
Babor B
EOA
Ondansetron
EOA
Babor B
Cloninger II
Sertralin
Babor A
Cloninger I
LOA
Abkürzungen: EOA = early onset alcoholism (≤25 Jahre); LOA = late onset alcoholism (>25 Jahre)
* Medikamente, die in der Behandlung von Alkoholabhängigkeit untersucht wurden (i. e. Topiramat, Baclofen, Gabapentin u. a.), allerdings ohne eine Typologie auf die behandelten Patienten anzuwenden, sind in der Tabelle nicht enthalten.
** Typologien mit 3, 4 und 5 Typen sind in der rechten Spalte nicht berücksichtigt
modifiziert nach Leggio et al., 2009
rezeptor-Subtypen und kann sowohl endogene Liganden
(Endorphine, Enkephaline, Dynorphin) als auch exogene
Liganden vom Opiat-Rezeptor verdrängen. Bereits unmittelbar nach einmaliger Applikation von Naltrexon wird
eine anhaltende Blockade der Endorphin-Rezeptoren
erreicht (Verebey, 1981).
Naltrexon ist ein lipophiles Molekül mit Nahrungsmittel-unabhängiger Resorptionsrate (99%), das in der Leber
einem First-Pass-Metabolismus unterliegt. Die Bioverfügbarkeit beträgt ca. 20–40%. Der maximale Plasmaspiegel wird innerhalb einer Stunde nach oraler Gabe erreicht;
die Bindung an Plasmaproteine ist gering (21%). Der
Hauptmetabolit von Naltrexon (6-beta-Naltrexol) ist pharmakologisch aktiv und erreicht ca. 10-mal höhere Plasmaspiegel. Naltrexon und sein Hauptmetabolit werden
vor allem über die Niere und nur zu einem geringen Teil
über die Galle ausgeschieden (<5% einer Dosis in den Faeces). Die 24 Stunden anhaltende Wirkdauer von Naltrexon ist neben der Bildung des aktiven Metaboliten auf eine
terminale Eliminationsphase mit einer Halbwertszeit von
96 Stunden zurückzuführen (Lee et al., 1988). Die wiederholte Gabe von Naltrexon führt zu keiner Kumulation
(Verebey, 1981).
Die Pharmakokinetik von Naltrexon wird durch Opiate und Alkohol nicht beeinflusst; umgekehrt wird die Metabolisierung von Opiaten und Alkohol durch Naltrexon
nicht verändert (Swift et al., 1994; Bashaw et al., 1995).
Einfluss von Naltrexon auf Alkoholeffekte
und das Craving
Bei Alkoholeinnahme hemmt Naltrexon die Bindung
der Alkohol-induzierten Endorphine an die Rezeptoren.
Die konsekutive Endorphin-mediierte Dopamin-Freisetzung wird durch Naltrexon dosisabhängig gehemmt, ohne
die basale Dopaminaktivität oder andere Neurotransmitter wie z. B. Serotonin zu beeinflussen (Widdowson & Holman, 1992; Benjamin et al., 1993). Durch diese Antagonisierung des Endorphin-Effekts entfaltet Naltrexon seine
Anti-Craving-Wirkung.
Experimentelle Studien konnten den hemmenden Einfluss von Naltrexon auf die Alkoholeinnahme, aber auch
auf den Gebrauch anderer Drogen wie Morphin und
Kokain nach akutem Entzug demonstrieren (Ulm et al.,
1995; Kornet et al., 1991; Oslin et al., 1999). Zudem wurde
nachgewiesen, dass Opiatantagonisten wie Naltrexon die
Alkoholeinnahme auch ohne Entzug reduzieren, wobei
diese Befunde bei therapieunwilligen Alkoholikern bestätigt wurden (Kornet et al., 1991; Froehlich, 1995; O’Malley et al., 2009; Davidson et al., 1999).
Durch Hemmung der euphorisierenden Endorphinvermittelten Alkoholeffekte wirkt Naltrexon den positiv empfundenen Effekten bei Alkoholeinnahme entgegen und reduziert das Verlangen nach dem Suchtmittel (Anti-Craving).
Klinische Wirksamkeit von Naltrexon
Naltrexon bei Alkoholabhängigkeit
Die Wirksamkeit von Naltrexon hinsichtlich CravingReduktion und Rückfallprävention bei Alkoholabhängigkeit wurde in einer Reihe von klinischen Studien nachgewiesen. Zwei Placebo-kontrollierte, doppelblinde Schlüssel-Studien mit vergleichbaren demographischen Daten
untersuchten den Einsatz von Naltrexon 50mg/Tag bei
alkoholkranken Patienten mit langjährigem Alkoholabusus (im Mittel ca. 20 Jahre) nach erfolgtem Entzug in
Kombination mit psychotherapeutischer Begleitung über
jeweils drei Monate (Volpicelli et al., 1992; O’Malley et al.,
1992):
In der ersten Studie (n=70) wurde das Craving durch
Naltrexon im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert,
wobei dieser Effekt bereits nach der ersten Behandlungswoche zu verzeichnen war (Volpicelli et al., 1992). Ein
Rückfall nach drei Monaten wurde bei signifikant weniger
Patienten unter Naltrexon vs. Placebo festgestellt (23% vs.
54%; p<0,01). Der stärkste Behandlungseffekt zeigte sich
bei jenen Patienten, die im Laufe der Studie eine Abstinenzverletzung begingen, wobei 95% der mit Placebo und
nur 50% der mit Naltrexon behandelten nicht-abstinenten
Patienten rückfällig wurden (p<0,01).
In der zweiten Schlüsselstudie (n=97) mit 6-monatiger
Follow-up-Phase konnte gezeigt werden, dass Naltrexon
verschiedene psychotherapeutische Strategien zur Verhinderung von Rückfällen wie Gesprächs- oder Verhaltenstherapie unterstützt (O’Malley et al., 1992; 1996). In der
Follow-up-Phase, in der 82% der Patienten nachbeobachtet wurden, blieben einige Behandlungseffekte auch nach
Beendigung der Therapie mit Naltrexon erhalten (O’Malley et al., 1996): Nach sechs Monaten wiesen weniger Patienten in der Naltrexon- vs. Placebo-Gruppe einen Rückfall
auf (33% vs. 48%). Zudem zeigte Naltrexon im Vergleich
zu Placebo eine präventive Wirkung bezüglich erneuter
Episoden von Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit.
In der kombinierten Analyse der o. a. Studien (n=186)
war unter Naltrexon im Vergleich zu Placebo sowohl eine
signifikant bessere kontinuierliche Abstinenz (54% vs. 31%;
p=0,002) als auch eine signifikant niedrigere Rückfallrate
im Gesamtkollektiv (25% vs. 52%; p<0,001) und in der
Gruppe nicht-abstinenter Patienten (56% vs. 77%; p=0,005)
zu verzeichnen (Abbildungen 2 und 3) (O’Malley et al.,
1995).
Die effiziente und dauerhafte Anti-Craving-Wirkung
von Naltrexon nach erfolgreichem Alkoholentzug belegt
auch eine 6-monatige offene Studie mit 113 Patienten aus
österreichischen Therapiezentren (Krumpl et al., 2004):
Die Craving-Intensität war unter Naltrexon gegenüber
dem Ausgangswert bei allen Folgeuntersuchungen in den
Monaten 1, 3 und 6 gemäß zehnteiliger Skala hoch signifikant verringert (jeweils p<0,0001). Bereits nach einem
Monat Naltrexon-Therapie hatte sich das Craving um ca.
50% reduziert, nach 3 bzw. 6 Monaten wurde das Craving
um weitere 25% vermindert (Abbildung 4).
7
Trinkereignis). Auch in der Gruppe Nicht-Abstinenter wurde das Risiko schweren Trinkens
Rückfallsraten unter Naltrexon vs. Placebo
gesenkt (RR=0,88) (Rösner et al., 2008). Zudem
(kombinierte Analyse)
kam es unter Naltrexon zu einer signifikanten
Verringerung der Trinkfrequenz und Senkung
Leberenzymwerte (Gamma-Glutamylder
100
transferase, GGT).
90
Gemäß einer Cochrane-Analyse basierend auf
80
50 doppelblinden, randomisierten, Placebo70
kontrollierten Studien mit insgesamt 7793
p<0,001
Patienten, in der alle relevanten positiven und
60
negativen Studiendaten zu Naltrexon ausge50
wertet wurden, reduziert sich das Risiko schwe40
rer Trinkepisoden unter Naltrexon im Vergleich
Naltrexon (n=93)
30
zu Placebo um 17% und die Anzahl der TrinkPlacebo (n=93)
20
tage um 4% (Rösner et al., 2010). Weitere sig10
nifikante Effekte zugunsten von Naltrexon wurden auch hinsichtlich der Anzahl schwerer
0
Trinktage, der konsumierten Alkoholmenge
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12
und der Leberwerte (GGT) verzeichnet.
Behandlungswochen
Basierend auf einer Meta-Analyse von 17 randomisierten, kontrollierten Studien erhöhte die
O’Malley et al., 1996
Gabe von Naltrexon (50mg) die Abstinenzwahrscheinlichkeit und reduzierte das RückDie Wirksamkeit von Naltrexon in der Rückfallprophyfallrisiko (Jarosz et al., 2013). Die odds ratio für die Abslaxe alkoholabhängiger Patienten wird durch Metatinenzrate betrug 1,46 [95% CI: 1,07; 2,00; p=0,00182].
Analysen von randomisierten, Placebo-kontrollierten StuDie odds ratio für die Rückfallrate lag bei 0,48 [95% CI:
dien bestätigt (Rösner et al., 2008; Srisurapanont & Jaru0,36; 0,64; p<0,0001].
suraisin, 2005). So führt Naltrexon gemäß einer AuswerIm Hinblick auf die erhöhte Vulnerabilität für alkoholtung von 2182 Patienten nicht nur zu einer signifikanten
induzierte Schäden und Erkrankungen bei Frauen im VerSteigerung der Alkoholabstinenz mit einer Risikoreduktigleich zu Männern stellt Naltrexon auch bei Frauen eine
on bezüglich des ersten Trinkereignisses bei Abstinenten
geeignete Therapieoption dar (Baros et al., 2008; Ponce et
(RR=0,93), sondern auch zu einer signifikanten Verrinal., 2005).
gerung schwerer Trinkepisoden (>5 Standard-Drinks pro
% Patienten ohne Rückfall
Abbildung 2
Abbildung 3
Rückfallsraten in der Gruppe nicht-abstinenter Patienten
unter Naltrexon vs. Placebo (nach Abstinenzverletzung)
100
Naltrexon (n=93)
Placebo (n=93)
90
% Patienten ohne Rückfall
8
80
70
60
Durch Reduktion von Craving fördert
Naltrexon die Abstinenz und verhindert
Rückfälle bei alkoholkranken Patienten.
Auch nach einer Abstinenzverletzung können durch die Gabe von Naltrexon signifikant mehr Patienten vor einem Rückfall
geschützt werden als unter Placebo (O’Malley et al., 1995). Gemäß der Typologie nach
Lesch zeigt Naltrexon die besten Behandlungsergebnisse bei Typ-3- und Typ-4-Alkoholabhängigen (Kiefer et al., 2005).
50
40
p<0,001
30
Naltrexon bei Alkoholabhängigkeit und
psychischen Begleiterkrankungen
20
10
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
Behandlungswochen
9
10
11
12
O’Malley et al., 1996
Bei Depression und Alkoholabhängigkeit sollten nach der Entzugsbehandlung eine antidepressive Therapie und begleitende Rückfallprophylaxe erfolgen. Eine kleine, offene Pilotstudie deutete darauf hin, dass Alkoholabhängige mit komorbider Depression und Antide-
Abbildung 4
Reduktion des Cravings durch die Behandlung
mit Naltrexon
5
*** p<0,0001
4
3
***
***
2
Bei alkoholabhängigen Patienten mit komorbider
Depression stellt Naltrexon in Kombination mit einem
Antidepressivum eine effektive Rückfallprophylaxe dar,
die sich auch günstig auf die depressive Symptomatik
auswirken kann (Pettinati et al., 2010). Auch bei alkoholkranken Patienten mit anderen psychischen Begleiterkrankungen wie bipolaren oder schizoaffektiven Störungen sowie Schizophrenien stellt Naltrexon eine
geeignete Therapieoption dar.
***
Naltrexon bei Patienten mit Essstörungen und
„stoffungebundener Sucht“
1
0
Kontrolle
Monat 1
Monat 3
Monat 6
Mittelwerte (±SEM) dokumentiert gemäß zehnteiliger
Skala: Kontrolle: 4,3±2,3; Monat 1: 2,4±1,6; Monat 3:
1,7±1,4; Monat 6: 1,8±1,4
Krumpl et al., 2004
pressiva-Therapie erfolgreich mit Naltrexon behandelt werden können, wobei über 12 Wochen auch eine tendenzielle Verbesserung der depressiven Symptomatik und der
allgemeinen Funktionsfähigkeit zu verzeichnen war (Salloum et al., 1998). Diese Ergebnisse wurden durch eine
randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie
(n=170) über 14 Wochen bestätigt, wonach die Kombinationstherapie von Naltrexon mit einem Antidepressivum
(Sertralin) bei depressiven Alkoholabhängigen im Vergleich
zu den Einzelgaben von Naltrexon und Sertralin zu höheren Abstinenzraten (Kombinationstherapie: 53,7%, Naltrexon: 21,3%, Sertralin: 27,5%) und einer längeren Zeitspanne bis zu einem Rückfall (98 Tage vs. 29 bzw. 23 Tage)
führt (Pettinati et al., 2010). Zudem zeigten Patienten
unter der Kombinationstherapie von Naltrexon plus Sertralin im Vergleich zu den anderen Behandlungsgruppen
tendenziell häufiger eine Remission der depressiven Symptomatik.
Die Wirksamkeit von Naltrexon zur Behandlung der
Alkoholabhängigkeit bei Patienten mit bipolaren Störungen ist sowohl durch offene als auch Placebo-kontrollierte Studien nachgewiesen (Brown et al., 2006; Brown et al.,
2009).
Die gute Wirksamkeit von Naltrexon ist auch bei alkoholabhängigen Patienten mit anderen psychischen Begleiterkrankungen wie z. B. Schizophrenien, schizoaffektiven
Störungen und Störungen der Geschlechtsidentität belegt
(Maxwell & Shinderman, 2000; Krumpl et al., 2004).
Bei alkoholkranken Patienten mit Erkrankungen des
schizophrenen Formenkreises führte Naltrexon gemäß
einer offenen Pilotstudie über acht Wochen (n=19) zu
einer signifikanten Reduktion der Trinktage, der Trinkmenge und des Cravings, darüber hinaus verbesserten sich
sowohl die Positiv- als auch die Negativsymptomatik der
Psychose (Batki et al., 2007).
Doppelblinde, randomisierte sowie offene Studien belegen für die Therapie mit Naltrexon in einer Dosierung von
100mg/d oder 200mg/d eine signifikante Verbesserung
des gestörten Essverhaltens bei Essstörungen wie Anorexia
nervosa, Bulimie und Binge-Eating (Alger et al., 1991; Marrazzi et al., 1995; Raingeard et al., 2004). Darüber hinaus
weisen offene Studien darauf hin, dass Naltrexon in Kombination mit dem SSRI Fluoxetin eine wirksame Therapie
der Bulimie darstellt (Maremmani et al., 1996) und zu einer
signifikanten Reduktion der durch Therapie mit Trizyklika
oder Lithium bedingten Gewichtszunahme und des Nahrungscravings führen kann (Zimmermann et al., 1997).
Zudem zeigen Fallberichte, offene und Placebo-kontrollierte Studien die Wirksamkeit von Naltrexon bei einer
Reihe „stoffungebundener Suchtformen“ bzw. Impulskontrollstörungen wie z. B. pathologisches Spielen („Spielsucht“), Kleptomanie, Trichotillomanie, „Kaufsucht“ oder
zwanghaftes sexuelles Verhalten (Grant, 2003; Grant et
al., 2008, 2009; Kim & Grant, 2001; Raymond et al., 2010;
De Sousa, 2008).
Sicherheit und Verträglichkeit von Naltrexon
Naltrexon ist im Allgemeinen sehr gut verträglich; auftretende Nebenwirkungen sind meist mild und vorübergehend (Rösner et al., 2010). Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen gastrointestinale Symptome (z. B. Übelkeit), Kopfschmerzen und Unruhe (FI Revia®, 2012). Naltrexon hat weder ein Missbrauchs- noch Abhängigkeitspotenzial und ist nicht mit Toleranzentwicklung assoziiert
(Soyka, 2011). Die gute Verträglichkeit von Naltrexon
wurde auch bei älteren Alkoholabhängigen (Oslin et al.,
1997) sowie bei Patienten mit somatischen und psychiatrischen Begleiterkrankungen bestätigt (Croop et al., 1997).
Naltrexon weist keine Arzneimittelwechselwirkungen
mit häufig eingesetzten Medikamenten wie Psychopharmaka, Analgetika, Grippemitteln, Herz-Kreislauf-Medikamenten, Vitaminpräparaten und/oder Antibiotika sowie
mit Alkohol auf (Croop et al., 1997; FI Revia®, 2012). Aufgrund pharmakodynamischer Wechselwirkungen sollte
eine begleitende Anwendung opioidhaltiger Arzneimittel
(Analgetika, Antitussiva, Antidiarrhoika, Drogenersatztherapie etc.) während der Therapie mit Naltrexon vermieden werden (z. B. bei polytoxikomanen Jugendlichen)
(Fischer, 2002; Soyka, 2011).
9
Naltrexon verfügt über ein gutes Verträglichkeitsprofil und ist mit einer Vielzahl anderer Medikamente
kompatibel.
chung erfolgen (FI Revia®, Stand Juli 2011). Bei Personen
mit schwerer Lebererkrankung sollte Naltrexon nur in
Absprache mit einem Leberspezialisten eingesetzt werden.
Compliance
Anwendung und Dosierung von Naltrexon
Gemäß Fachinformation wird für die Therapie mit Naltrexon eine Behandlungsdauer von mindestens drei Monaten empfohlen. Aufgrund der Datenlage sollte Naltrexon
über mindestens 6 Monate verabreicht werden, um eine
Verbesserung der Langzeitabstinenz zu erreichen (O’Malley et al., 2003; Srisurapanont & Jarusuraisin, 2005); bei
alkoholabhängigen Patienten mit schlechter Prognose (Typ
4 nach Lesch) ist eine Behandlungsdauer von mindestens
einem Jahr, meist jedoch über mehrere Jahre erforderlich
(Lesch, 2013). Bei Langzeitbehandlungen bleibt die antagonistische Wirkung von Naltrexon erhalten (FI Revia®,
Stand Juli 2011).
Die empfohlene Dosis von Naltrexon beträgt
1x50mg/Tag. Bei Patienten mit Essstörungen ist eine
Dosis von 100mg/Tag zu empfehlen. Bei älteren Patienten sind keine altersspezifischen Dosisänderungen von Naltrexon erforderlich. Es gibt keinen Hinweis, dass Naltrexon bei leichten bis mäßigen Leber- oder Nierenfunktionsstörungen nicht verwendet werden kann. Dennoch
sollte der Einsatz von Naltrexon in diesen Patientengruppen mit besonderer Vorsicht und engmaschiger Überwa-
10
Die regelmäßige Einnahme von Naltrexon ist ein wesentlicher Faktor für den Behandlungserfolg bei Alkoholkrankheit. In klinischen Studien wurde gezeigt, dass die
gute Verträglichkeit und der einfache Einnahmemodus von
Naltrexon (1x täglich) mit einer hohen Compliance-Rate
korreliert (O’Malley et al., 1992).
Prädiktoren für eine günstige Beeinflussung der Compliance sind u. a. umfassende Patientenaufklärung, gute
psychiatrische Behandlung parallel zur Suchttherapie, begleitende Psychotherapie, geringe Komorbidität sowie die Überzeugung des Patienten hinsichtlich der Therapiewirksamkeit (Suh et al., 2008; Kranzler et al., 2008; Rohsenow et al.,
2000). Die Compliance kann durch Dokumentation von
Trinkmenge und -frequenz (Alkoholtagebuch) sowie anhand
von Biomarkern aus dem Harn kontrolliert werden. Bei
Hochrisikopatienten erscheint eine Kombination mehrerer
Methoden sinnvoll (Wurst et al., 2008).
Umfassende Patientenaufklärung ist ein wesentlicher
Faktor für die Compliance im Rahmen der AntiCraving-Therapie.
FACT-BOX ZU NALTREXON
• Wirkmechanismus: kompetitive Blockade der Endorphin-Rezeptoren im ZNS (Anti-Craving-Wirkung)
• Indikation: zusätzliche Behandlungsmöglichkeit innerhalb eines umfassenden Therapieprogramms für Patienten
nach Alkoholentzug zur Unterstützung der Abstinenz
• Dosierung: 1x täglich 1 Tablette (50mg/Tag)
• Applikation: orale Gabe
• Klinischer Einsatz:
➛ im „Cut-Down-Drinking“ zur Reduktion der Trinkmenge für alle alkoholabhängigen Patienten unabhängig
von der Typologie (bei regelmäßiger Kontrolle)
➛ in der Rückfallprophylaxe für Patienten, die Alkohol als Antidepressivum verwenden (Typ 3 nach Lesch), für
Patienten aus zerrüttetem sozialen Umfeld bzw. mit zerebraler Vorschädigung (Typ 4 nach Lesch) sowie im Rückfall bei Patienten, die Alkohol zur Linderung von Entzugssymptomen verwenden (Typ 1 nach Lesch)*; auch bei
psychischen Begleiterkrankungen wie z. B. Depression, bipolarer Störung oder Schizophrenie geeignet
• Sicherheit und Verträglichkeit: unerwünschte Wirkungen meist mild und vorübergehend (häufigste NW: Übelkeit, Sedierung und Kopfschmerzen); kein Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial; keine Toleranzentwicklung.
Die gleichzeitige Gabe von opioidhaltigen Medikamenten sollte vermieden werden.
* nach Lesch & Soyka, 2010
IMPRESSUM: Eigentümer, Herausgeber und Medieninhaber: Update Gesellschaft zur Förderung der ärztlichen Fortbildung und medizinischen Forschung e.V., Tigergasse 3/5, A-1080 Wien, Tel. +43/1/405 57 34, Fax +43/1/405 57 34-16. Redaktionsanschrift: Update Europe - Gesellschaft für ärztliche Fortbildung GmbH, Tigergasse 3/5, A-1080 Wien. Autoren dieser Ausgabe und für den Inhalt verantwortlich: Prim. Univ.Doz. Dr. Andreas Erfurth, Univ.Prof. Dr. Gabriele Fischer, Prim.
Univ.Prof. Dr. Christian Haring, Univ.Prof. Dr. Otto-Michael Lesch, Univ.Prof. Dr. Manfred Maier, PD Dr. Werner E. Platz, Univ.Prof. DDr. Gabriele Sachs, Univ.Prof.
Dr. Henriette Walter, Prof. Dr. med. Gerhard A. Wiesbeck. Titelbild: © michalzak, Fotolia.com. Auflage: 3.000 Stück. Bankverbindung: Oberbank BLZ 15080, Kto.Nr.
221-0517/82. Copyright 2013 by Update Gesellschaft zur Förderung der ärztlichen Fortbildung und medizinischen Forschung e.V. Nachdruck, auch auszugsweise, nur
mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung von Update Gesellschaft zur Förderung der ärztlichen Fortbildung und medizinischen Forschung e.V. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier.
Empfehlungen des Experten-Panels zum Einsatz von Naltrexon
• Bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit sind Opiatrezeptor-Antagonisten im „Cut-Down-Drinking“ (Reduktion der Trinkmenge) und in der Rückfallprophylaxe aufgrund der umfangreichen Datenlage und langjähriger positiver klinischer Erfahrungen heute empfehlenswert.
• Der Opiatrezeptor-Antagonist Naltrexon blockiert die Opioid-Rezeptoren im ZNS und dämpft dadurch das
Endorphin-vermittelte Craving.
• Naltrexon stellt eine effektive Therapie für alkoholabhängige Patienten dar, die aufgrund des Anti-CravingEffekts signifikant zur Förderung der Abstinenz und zur Verhinderung von Rückfällen beiträgt.
• Im „Cut-Down-Drinking“ ist Naltrexon zur Reduktion der Trinkmenge für alle alkoholabhängigen Patienten empfehlenswert.
• In der Rückfallprophylaxe stellt Naltrexon insbesondere für alkoholabhängige Patienten, die Alkohol als Antidepressivum verwenden (Typ 3 nach Lesch) und für Patienten aus zerrüttetem sozialen Umfeld oder mit
zerebraler Vorschädigung (Typ 4 nach Lesch) eine geeignete Therapie dar. Bei Patienten, die Alkohol zur
Linderung von Entzugssymptomen verwenden (Typ 1 nach Lesch), sollte Naltrexon nur im Rückfall zum
Einsatz kommen.
• Durch Anwendung von Naltrexon können mitunter jene Patienten für eine Psychotherapie motiviert werden, die dafür zuvor nicht zugänglich waren.
• Nach einer Abstinenzverletzung sollte die Behandlung mit Naltrexon nicht unterbrochen werden, da unter
Naltrexon auch bei nicht-abstinenten Patienten ein positiver Einfluss auf Trinkmenge und Trinkdauer gegeben ist.
• Auch bei alkoholkranken Patienten mit psychischen Begleiterkrankungen wie Depression, bipolare Störung
oder Schizophrenie zeigt Naltrexon gemäß Datenlage eine gute Wirksamkeit.
• Naltrexon stellt eine effektive Langzeittherapie dar.
• Naltrexon weist ein gutes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil auf und ist mit Alkohol sowie einer Vielzahl
häufig eingenommener Medikamente kompatibel.
• Aufgrund pharmakodynamischer Wechselwirkungen sollten die Patienten vor der begleitenden Anwendung
von opioidhaltigen Arzneimitteln (Analgetika, Antitussiva, Antidiarrhoika, Drogenersatztherapie etc.) während der Therapie mit Naltrexon gewarnt werden.
• Die Patienten sollten darüber informiert sein, dass Übelkeit als vorübergehende Nebenwirkung von Naltrexon auftreten kann. Bei Patienten mit ausgeprägter Übelkeit sollte zur Unterstützung der Compliance erwogen werden, initial nur eine halbe Tablette Naltrexon (25mg/Tag) am Abend zu geben; ggf. kann initial
auch ein Antiemetikum verabreicht werden.
• Bei Einnahme von Naltrexon sollte die Compliance, die einen wesentlichen Faktor für den Therapieerfolg
darstellt, engmaschig überprüft werden.
FACHKURZINFORMATION:Bezeichnung des Arzneimittels: ReVia® 50 mg Filmtabletten. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine Filmtablette enthält 50 mg Naltrexonhydrochlorid. Sonstige Bestandteile: Lactose-Monohydrat 204 mg. Anwendungsgebiete: Zur Anwendung als zusätzliche Behandlungsmöglichkeit innerhalb eines umfassenden Therapieprogramms fur Patienten nach Alkoholentzug zur Unterstutzung der Abstinenz. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegenuber Naltrexonhydrochlorid oder einen der sonstigen Bestandteile, akute Hepatitis, schwere oder akute Lebererkrankung, schwere Nierenerkrankung,
Patienten, die Opioid-Analgetika erhalten, opiatabhängige Patienten, da akute Opiatentzugssymptome auftreten können, Patienten mit Entzugssymptomen nach der
Gabe von Naloxonhydrochlorid (positives Ergebnis des Naloxon Provokationstests), Patienten mit positivem Urintest auf Opioide. Hilfsstoffe: Lactose-Monohydrat, mikrokristalline Cellulose, Crospovidon, hochdisperses Siliziumoxid, Magnesiumstearat, Pale Opadry Yellow. Name oder Firma und Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers: Chiesi Pharmaceuticals GmbH, 1010 Wien. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen fur die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Auswirkungen auf die Verkehrstuchtigkeit und die Fähigkeit
zum Bedienen von Maschinen, Nebenwirkungen sowie Gewöhnungseffekten sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: NR, apothekenpflichtig. WIRKSTOFFGRUPPE: ATC-Code: N07BB04. Erstellungsdatum/Änderungsdatum: Juli 2011
11
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13
Experten-Meinungen
Univ.Prof. Dr. Otto-Michael Lesch, Wien
Alkoholabhängige, die psychotherapeutisch und medikamentös gut behandelt werden,
haben eine gute Prognose. Naltrexon reduziert die Trinkmenge und erhöht Abstinenzraten. Diese Medikation eignet sich insbesondere in der Behandlung von Typ-3und -4-Patienten. Es sollte jedoch stets in einem gesamten Therapiekonzept eingebettet sein, wobei der persönliche Zugang zum Patienten äußerst wichtig ist.
Univ.Prof. Dr.
Otto-Michael LESCH
Univ.Prof. Dr. Henriette Walter, Wien
Man weiss, dass Alkohol Endorphine stimuliert, die dann das Dopamin in der zentralen Reward-Bahn erhöhen. Und man weiss, dass Naltrexon diesen Mechanismus blockiert und damit die Trinkmenge senkt. Naltrexon-Responder haben eine positive Familienanamnese hinsichtlich Alkholabhängigkeit, beginnen früh im Leben zu trinken (Early
onset) und „vertragen“ anfangs mehr als andere.
Univ.Prof. Dr.
Henriette WALTER
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Prim. Univ.Doz. Dr. Andreas Erfurth, Wien
Nach einer differenzierten Diagnostik ist eine differenzierte Therapie der Alkoholabhängigkeit möglich und notwendig. Naltrexon führt zu einer Erhöhung der Abstinenzraten sowie zu einer signifikanten Verringerung schwerer Trinkepisoden.
Prim. Univ.Doz. Dr.
Andreas ERFURTH
Univ.Prof. Dr. Gabriele Fischer, Wien
Naltrexon in Begleitung von entweder manualisierten psychologischen Interventionen
bzw. kognitiver Verhaltenstherapie stellt eine wesentliche Interventionsmöglichkeit bei
Alkoholabhängigkeit dar, wobei die Effektivität natürlich auch pharmako-genomischen
Einflüssen unterliegt.
Univ.Prof. Dr.
Gabriele FISCHER
Experten-Meinungen
Prim. Univ.Prof. Dr. Christian Haring, Hall i. Tirol
Naltrexon bereichert die medikamentöse Behandlung von Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen enorm. Die kompetitive Blockade der Endorphinrezeptoren ermöglicht eine deutliche Reduktion des Cravings, was viele Patienten und Patientinnen bei
der Einhaltung der Abstinenz spürbar unterstützt bzw. hilft, spontan die Trinkmengen
zu reduzieren. Natltrexon ist zwischenzeitlich ein wesentlicher Bestandteil der Alkoholtherapie geworden.
Prim. Univ.Prof. Dr.
Christian HARING
PD Dr. Werner E. Platz, Berlin
Langjährig alkoholabhängigen Patienten mit beeinträchtigtem
sozialen Empfangsraum und begleitenden forensischen Problemen kann Naltrexon sowohl zur Steigerung der Eigenmotivation für eine Entwöhnungstherapie als auch zur Reduktion der
Trinkmengen empfohlen werden. Hierdurch können Aggressionsdurchbrüche (Typ II nach Lesch), die häufig trinkmengenbezogen auftreten, in Häufigkeit und Ausprägungsgrad
gemindert werden.
Univ.Prof. Dr.
Manfred MAIER
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PD Dr. Werner E. PLATZ
Univ.Prof. DDr. Gabriele Sachs, Linz
In der klinischen Praxis ist die Komorbidität von depressiver Störung und Alkoholismus häufig. Eine placebokontrollierte Studie zeigte die Überlegenheit einer Kombination von Naltrexon und Sertralin gegenüber den Einzelsubstanzen bezüglich Abstinenz
und Rückfällen in schwere Trinkepisoden.
Univ.Prof. DDr.
Gabriele SACHS
Prof. Dr. med. Gerhard A. Wiesbeck, Basel
Mit der Typologie nach Lesch steht dem Kliniker ein Instrument zur Verfügung, das
den spezifischeren und damit wirkungsvolleren Einsatz von Anticraving-Medikamenten ermöglicht.
Prof. Dr. med.
Gerhard A. WIESBECK
282/TCP/REVIA/AT/09-2012
Mit der richtigen Ausrüstung
zum Erfolg!