Lebertransplantation: Indikation und Nachsorge 1. Indikationen 2

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Lebertransplantation: Indikation und Nachsorge 1. Indikationen 2
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
Lebertransplantation: Indikation und Nachsorge
Die Lebertransplantation ist für ein weites Spektrum von Lebererkrankungen die
einzige kurative Behandlungsoption. Allein in Europa wurden bereits mehr als 70.000
Lebertransplantationen durchgeführt. Die mittlerweile große Erfahrung belegen 5Jahres-Überlebensraten von durchschnittlich 80%.
1. Indikationen
Die Indikation zur Lebertransplantation ist generell im Endstadium einer Leberzirrhose
gegeben (Tabelle1). An erster Stelle stehen Zirrhosen viraler (Hepatitis B und C) und
aethyltoxischer Genese, gefolgt von cholestatischen (PBC, PSC), autoimmunen und
Stoffwechselkrankheiten der Leber. Eine ebenfalls häufige und besonders streng zu
stellende Indikation ist das hepatozelluläre Karzinom (HCC). Hier darf der Tumor eine
bestimmte Größe nicht überschreiten (Tabelle 1), ferner muss eine Gefäßinvasion und
Fernmetastasierung ausgeschlossen sein. Ein weitaus geringerer Anteil der Patienten
wird dagegen wegen eines akuten Leberversagens transplantiert.
Die 5-Jahresüberlebensraten nach Transplantation sind bei cholestatischen
Lebererkrankungen besonders günstig (90%). Ungünstigere Überlebensraten werden
derzeit noch bei hepatozellulären Karzinomen (40%) und akutem Leberversagen
(50%) erzielt. Hierfür sind Tumorrezidive und der besonders kritische Zustand der
Patienten im akuten Leberversagen verantwortlich.
2. Indikationszeitpunkt
Leberzirrhose
Zur Abschätzung der Transplantationsnotwendigkeit hat sich bei Leberzirrhosen die
Klassifikation nach Child-Pugh bewährt (Tabelle 2). Bei einer Leberzirrhose im
Stadium Child A beträgt das 1-Jahresüberleben nahezu 100%. Die Prognose dieser
Patienten ist also gut und eine Lebertransplantation noch nicht notwendig (Ausnahme:
inoperables HCC bei Child A-Zirrhose). Im Stadium Child B beträgt das 1Jahresüberleben dagegen nur noch 80% und entspricht damit dem durchschnittlichen
5-Jahresüberleben nach Lebertransplantation. Im Stadium Child B ist deshalb eine
Transplantation zu empfehlen. Im Stadium Child C mit einem 1-Jahresüberleben von
nur 50% ist eine Transplantation dagegen dringend notwendig.
Als Prognosemodell zur Einschätzung der Schwere der Lebererkrankung und
Überlebenswahrscheinlichkeit wird in neuerer Zeit der MELD-Score (Model for EndStage Liver Disease) verwendet. Der, auf objektiv messbaren Parametern basierende,
Score wird nach folgender Formel berechnet:
MELD = 3.8 x loge(Bilirubin mg/dl) + 11.2 x loge(INR) + 9.6 x loge(Serumkreatinin
mg/dl) + 6.4 (htpp.//www.unos.org/resources/MeldPeldCalculator.asp?index=98).
Bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen sind steigende MELD-Scores mit
zunehmender hepatischer Dysfunktion und Mortalität assoziiert.
Bei den cholestatischen Lebererkrankungen PBC und PSC kann der Transplantationszeitpunkt besser durch den im Internet unter http://www.mayo.edu/intmed/gi/model/mayomodl.htm abrufbaren Mayo-Clinic-Score ermittelt werden, bei M.
Wilson durch den sogenannten Wilson-Prognose-Index (Tabelle 3).
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HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
Akutes Leberversagen
Bei akutem Leberversagen sollte jede Chance zu einer Erholung der Leberfunktion
genutzt werden. Ist die Prognose jedoch infaust, muss schnellstmöglich eine
Transplantation vor dem Auftreten lebensbedrohlicher Komplikationen wie Hirnödem,
Blutungen oder Multiorganversagen angestrebt werden. Für diese Patienten wird von
Eurotransplant in aller Regel innerhalb von 24 Stunden ein geeignetes Spenderorgan
angeboten. Die Abschätzung der Transplantationsnotwendigkeit erfolgt mittels der in
Tabelle 4 und 5 beschriebenen Prognosekriterien (Clichy-Kriterien, Kings-CollegeKriterien).
Tabelle 1:
Indikationen zur Lebertransplantation
♦ Transthyretin-Amyloidose
♦ Familiäre Hypercholesterinämie
Cholestatische Lebererkrankungen
♦ Primär biliäre Zirrhose
♦ Primär sklerosierende Cholangitis
♦ Sekundär biliäre Zirrhose
♦ Familiäre Cholestasesyndrome
Vaskuläre Lebererkrankungen
♦ Chronisches Budd-Chiari-Syndrom
♦ Venoocclusive disease
Parenchymatöse Lebererkrankungen
♦ Chronische Hepatitis B, D und C
♦ Alkoholzirrhose
♦ Autoimmunhepatitis
♦ Kryptogene Zirrhose
Akutes Leberversagen
♦ Virushepatitis
♦ Medikamente, Toxine
♦ Morbus Wilson
♦ Akutes Budd-Chiari-Syndrom
Neoplastische Erkrankungen
♦ Unifokales HCC < 5cm
♦ Multifokales HCC maximal 3 Herde
< 3 cm
♦ Fibrolamelläres Karzinom
♦ Adenomatose der Leber
♦ Hämangioendotheliom
♦ Carcinoid-Metastase
Anlagestörungen
♦ Polyzystische Lebererkrankung
♦ Caroli-Syndrom
Parasitäre Ursachen
♦ Echinokokkose
Stoffwechselerkrankungen
Hepatische Beteiligung
♦
♦
♦
♦
♦
Hämochromatose
Morbus Wilson
Alpha-1-Antitrypsinmangel
M. Gaucher
Glykogenose Typ 1
Hepatischer Gendefekt
♦ Primäre Oxalurie
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HEPATOLOGIE
Tabelle 2:
LEBERTRANSPLANTATION
Child-Pugh-Score
Albumin (g/dL)
Aszites
Bilirubin (mg/dL)
Enzephalopathie
Quick (%)
1 Punkt
2 Punkte
3 Punkte
3.5
kein Aszites
<2
keine
> 70 %
2.8 - 3.5
leichter Aszites
2-3
Grad I und II
40 - 70
< 2.8
starker Aszites
>3
Grad III und IV
< 40
5-6 Punkte: Child A
Tabelle 3:
Score
0
1
2
3
4
7-9 Punkte: Child B
10-15 Punkte: Child C
Wilson Prognose-Index
Bilirubin (µmol/L) AST (IU/L)
< 100
101 - 150
151 - 200
201 - 300
> 300
< 100
101 - 150
151 - 200
201 - 300
> 300
INR
PT (sec)
< 1,3
1, 3- <1,6
1,6 - <1,9
1,9 - <2,4
> 2,4
<4
4–8
9 – 12
13 – 20
> 20
Gut 1986;27:1377
Index >9: Transplantation notwendig
Index <6: Therapieversuch mit D-Penicillamin.
Falls Indexanstieg unter der Therapie, Transplantation notwendig
Tabelle 4:
King´s College Kriterien bei akutem Leberversagen
Paracetamolintoxikation
Andere Ursachen
♦ pH < 7.3
♦ PTT>100s (INR > 6,5)
oder
oder
alle folgenden Kriterien:
3 der 5 folgenden Kriterien:
♦ Prothrombinzeit >100s (INR>6.5)
♦ Kreatinin > 3.4 mg/dL
♦ HE Grad III oder IV
♦ Alter < 10 oder > 40 Jahre
♦ NANB Hepatitis oder durch
Medikamente induziert
♦ Auftreten von Ikterus > 7 Tage vor HE
♦ Bilirubin > 17.4 mg/dl
♦ Prothrombinzeit > 50s
143
HEPATOLOGIE
Tabelle 5:
LEBERTRANSPLANTATION
Clichy – Kriterien bei akutem Leberversagen viraler
Genese
Indikation zur Transplantation gegeben, wenn
•
•
Faktor V < 20% (Alter < 30 Jahre) bzw.
Faktor V < 30% (Alter > 30 Jahre)
und
•
hepatische Enzephalopathie (Verwirrtheit, Koma)
Andere Lebererkrankungen
Eine Subgruppe stellen Lebererkrankungen mit Transplantationsindikation trotz meist
normaler Leberfunktion dar. Hierzu zählen neoplastische Erkrankungen, Anlagestörungen, parasitäre Erkrankungen und hepatische Gendefekte ohne Erkrankung der
Leber (z.B. primäre Oxalose). Bei letzteren wird die Lebertransplantation zur Korrektur
des Gendefektes und Prävention extrahepatischer Organmanifestationen der Stoffwechselerkrankung durchgeführt. Bei diesen Erkrankungen erfolgt die Indikationsstellung zur Transplantation unabhängig von der Leberfunktion. Entscheidend für die
Indikationsstellung sind vielmehr die Beschwerden der Patienten (Verdrängungsbeschwerden bei polyzystischen Lebererkrankungen), das Vorliegen eines nicht
mehr resektablen Tumors oder die Notwendigkeit, das rasche Fortschreiten einer
Stoffwechselkrankheit zu verhindern.
3.
Kontraindikationen
Die in Tabelle 6 aufgeführten präoperativen Untersuchungen dienen sowohl der Überprüfung der Transplantationsindikation als auch dem Ausschluß möglicher Kontraindikationen (Tabelle 7). Diese können durch die Lebererkrankung selbst oder durch
schwere Erkrankungen anderer Organe bedingt sein. Letztere können das Operationsrisiko dramatisch erhöhen. Hierzu zählen vor allem schwere kardiale oder pulmonale
Funktionseinschränkungen. Neben organisch bedingten Kontraindikationen sind auch
Einwände von psychiatrischer Seite zu berücksichtigen. Bei Patienten mit alkoholtoxischer Leberzirrhose muss eine absolute Alkoholabstinenz seit mindestens 6
Monaten bestehen. Begründete Zweifel hinsichtlich einer unbedingt erforderlichen
Langzeitabstinenz sind als schwerwiegende Argumente gegen eine Transplantation
anzusehen.
144
HEPATOLOGIE
4.
LEBERTRANSPLANTATION
Patientenevaluation: Praktisches Vorgehen
•
Indikationen: Die Evaluation zur Lebertransplantation beginnt mit der Bestimmung
des Child-Stadiums bzw. anderer Prognosekriterien (Tabellen 2-5) sowie Tumorgröße/Anzahl beim nicht-resektablen HCC.
•
Kontraindikationen: Ausschluß absoluter und relativer Kontraindikationen
(Tabelle 7) durch Untersuchungen der Tabelle 6. Auf Grund der enormen Anzahl
von Untersuchungen mit hohen Kosten ist ein zielgerichtetes Vorgehen dringend
zu empfehlen. Nicht selten drängen sich durch die Anamnese bereits absolute
Kontraindikationen auf (z.B. fragliche Compliance oder schwere kardiovaskuläre
Erkrankungen), die dann an erster Stelle abgeklärt werden sollten. Die präoperative Diagnostik wird durch eine anästhesiologische und chirurgische Konsiliaruntersuchung abgeschlossen. Beim akuten Leberversagen beschränken sich die
Untersuchungen auf den Ausschluss absoluter Kontraindikationen (Tab.5) sowie
einer Leberzirrhose durch Bildgebung und/oder transjugulärer Leberbiopsie
(Abb.1).
•
Konsensusentscheidung: Evaluierte Patienten werden in der TransplantationsKonferenz vorgestellt (jeden Donnerstag um 1615 Uhr im Konferenzraum der
Chirurgischen Klinik) und eingehend besprochen. Dies gilt auch für Patienten mit
Kontraindikationen. Durch eine interdisziplinäre Konsensusentscheidung wird das
weitere Vorgehen (Ablehnung, Listung, Verlaufsbeobachtung oder zusätzliche
Untersuchungen) mit den zuständigen Stationsärzten festgelegt.
Tabelle 6:
Untersuchungen vor Lebertransplantation
Laboruntersuchungen (obligat)
♦ Allgemeine Laborwerte: Ammoniak,
Fibrinogen, AT III, Faktor V, TSH,
T3, T4, α1-Antitrypsin, Coeruloplasmin, Ferritin, Transferrin - Sättigung,
IgG, IgA, IgM, AFP, HbA1C, Krea Clearance, Na+/K+ im 24h Urin,
Urinstatus
♦ Virusserologien: Hepatitis (A,B,C,E),
Syphilis, Toxoplasma, Herpes,
HHV-6, CMV, EBV, VZV und HIV;
Auto-AK: ANA, AMA, Anti-M2, LKM,
SLA, SMA, p-ANCA
♦ Blutgruppe
♦ Panorama-Zahnaufnahme, Röntgen
der Nasennebenhöhlen
(Fokusausschluss)
Technische Untersuchungen (obligat)
♦ Röntgenthorax, Ruhe- u. Belastungs-EKG, Echokardiographie,
Lungenfunktionsprüfung,
♦ Oberbauchsonographie mit
Gefäßdoppler, MRT-Leber
♦ Gastroskopie
Konsilaruntersuchungen (obligat)
♦ Psychiatrie
♦ Zahnärztliche und HNO-ärztliche
Untersuchung
♦ Gynäkologie (> 40 J.)
♦ Chirurgie und Anästhesie
Technische Untersuchungen (fakultativ)
♦ Leberbiopsie
♦ Angiographie der Leber
♦ MRCP, ERCP (bei PSC)
♦ Herzkatheter, Myokardszintigraphie
♦ Coloskopie (> 55 Jahre, PSC)
♦ CT-Thorax, Schädel-CT, Skelettszintigraphie (obligat bei HCC)
♦ Knochendichte
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HEPATOLOGIE
Tabelle 7:
LEBERTRANSPLANTATION
Absolute und relative LTX- Kontraindikationen
♦ Fehlende Compliance
Relativ
Absolut
♦ Alter >65 Jahre
♦ Cholangiozelluläres Karzinom
♦ HCC mit Gefäßinvasion/
Fernmetastasen
♦ Extrahepatische Malignome
♦ Langstreckige Pfortaderthrombose
(incl. Confluens) oder Mesenterialvenenthrombose
♦ Sepsis
♦ AIDS
♦ Schwere kardiale oder pulmonale
Funktionseinschränkung
♦ Pulmonale Hypertonie (PAsys > 60
mm Hg)
♦ Aktiver Alkohol- oder
Drogenkonsum
♦ Schwere psychische Erkrankungen
♦ Hepatitis B mit hoher Viruslast
(Vorbehandlung notwendig)
♦ Pfortaderthrombose
♦ Echinococcus alveolaris
♦ Ausgedehnte frühere Operationen
♦ Fortgeschrittene Mangelernährung
♦ Pulmonale Hypertonie (PAsys 45-60
mm Hg)
♦ Schwere Dysplasien im Colon (z.B.
bei PSC)
♦ Nikotinabusus
♦ Psychosoziale Probleme
♦ Eingeschränkte Compliance
♦ Alter > 60
_____________________________________________________________________
•
Listung: Die Meldung der Patienten bei Eurotransplant wird durch die
Transplantationschirurgen vorgenommen. Die Dringlichkeit der Listung wird nach
den Kriterien der Tabelle 8 festgelegt. Änderungen der Dringlichkeit bzw.
Kontraindikationen sind den Transplantationschirurgen umgehend mitzuteilen. Im
Falle einer Verschlechterung mit Erreichen der Stufe 2 ist zusätzlich eine
schriftliche Begründung (Vordrucke auf den Stationen vorhanden) von den
Stationsärzten an Eurotransplant zu faxen. Die Status-2-Meldung muss spätestens
nach 30 Tagen erneuert werden.
Tabelle 8:
Eurotransplant- Kriterien für LTX- Dringlichkeit
Status 1
Fulminantes Leberversagen
Viral, medikamentös - toxisch, fulminanter M. Wilson, akutes BuddChiari-Syndrom, Lebertrauma
Primäre Nichtfunktion oder Leberarterienthrombose einer transplantierten
Leber binnen 14 Tage nach Transplantation
Status 2
Chronische Lebererkrankung mit akuter Dekompensation
Child-Score > 10 sowie mindestens eine der folgenden Bedingungen:
a) nicht therapierbare oder rezidivierende Varizenblutung, b) HRS (auch
Typ 2), c) hepatisch bedingter Hydrothorax, d) HE Grad III oder IV
Status 3
Chronische Lebererkrankung mit Komplikationen
HCC mit oder ohne Leberzirrhose
Child-Score > 10 oder Child-Score > 7 mit mindestens einer der
folgenden Bedingungen:
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HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
a) nicht therapierbare relevante Varizenblutung (Transfusion von 2
Erythrozytenkonserven täglich), b) HRS (auch Typ 2), c) spontane
bakterielle Peritonitis, d) refraktärer Aszites bzw. hepatischer
Hydrothorax, e) notwendige Re-LTX jenseits des 14Tage Limit, f) HCC
Status 4
Chronische Lebererkrankung ohne Komplikationen
Child-Score > 7, Patient ist daheim, benötigt aber dauernd medizinische
Versorgung
Status 5
Patient ist temporär nicht transplantabel
Allgemeinzustand für eine LTX zu gut bzw. Komplikationen, die eine
Transplantation verbieten (z.B. Infektionen, kardiovaskuläre Ereignisse)
•
5.
Präoperatives Management:
¾ Erreichbarkeit: Patienten auf der Warteliste müssen jederzeit via Handy
erreichbar sein.
¾ Wöchtliche Meldung: Gelistete Patienten teilen der betreuenden Station
wöchentlich den aktuellen Gesundheitszustand mit.
¾ Reevaluation: alle 3 Monate stationär.
¾ Impfungen: Hepatitis A und B, Pneumokokken, Influenza, Hämophilus (bei
Kindern), Varizella-Zoster. Diphterie, Tetanus und Pertussis sollte rechtzeitig
bei fehlender/ ungenügender Immunität vor LTX erfolgen.
¾ Hepatitis B: Bei hoher Virusreplikation (≥105 Genomequivalente/mL)
Einleitung einer antiviralen Therapie mit Lamivudin 100 mg p.o. / Tag
(Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz). Bei Resistenzentwicklung ist eine
Umstellung auf Adefovir notwendig.
¾ HCC: Bis zur Transplantation Versuch der HCC-Kontrolle mittels
Chemoembolisation oder Thermoablation.
Leberlebendspende
Transplantationskandidaten sollten frühzeitig auf den Organmangel und die
Möglichkeit der Leberlebendspende hingewiesen werden. Bei diesem Verfahren wird
bei Erwachsenen der rechte Leberlappen eines gesunden Spenders mit geeigneter
Blutgruppe reseziert und anschließend transplantiert. Auf Grund der regeneratorischen
Kapazität der Leber kommt es sowohl beim Spender als auch beim Empfänger zu
einer Verdopplung des Lebervolumens binnen einer Woche. Dieser Eingriff ist für den
Spender mit einer relevanten Mortalität (0,1-0,5%) und Morbidität (14-28%)
verbunden.
Die Abklärung geeigneter Spender ist kosten- und zeitintensiv. Ein stufenweises
Vorgehen ist deshalb dringend zu empfehlen. Die entstehenden Kosten werden von
der Versicherung des Empfängers übernommen. Der potentielle Spender muss sich
deshalb mit der Versicherungskarte des Empfängers in der Patientenaufnahme
anmelden. Das in Abbildung 1 dargestellte Stufenschema der Spenderabklärung hat
folgende Ziele:
147
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
1. Bestimmung des Spender OP-Risikos (Stufe 2 und 3).
2. Evaluation der Eignung der Leber für eine Lebendspende (Stufe 4,5). Hier erfolgt
die Bestimmung des Lebervolumens, der Ausschluss anatomischer Gefäß- und
Gallengangsvarianten, sowie der Ausschluss einer Leberverfettung (Regeneration
im Falle einer Verfettung massiv gestört!).
3. Psychologische Evaluation von Spender und Empfänger durch die Kommission
Lebendspende (Stufe 6) zur Prüfung der Freiwilligkeit und Ausschluss
Organhandel! Diese Kommission wird von der Bayerischen Landesärztekammer
zusammengestellt und besteht in aller Regel aus nicht-behandelnden Ärzten,
Psychologen und Juristen.
4. OP-Planung und Vorbereitung des Spenders durch Eigenblutspende (Stufe 6) zur
Gewinnung von Erythrozytenkonzentraten und FFPs.
148
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
Abbildung 1:
Stufe 1
Spenderabklärung bei Leberlebendspende
•
•
•
•
•
Stufe 2
Stufe 3
•
•
•
•
•
Alter > 18 < 60 Jahre
Größe des Spenders
Keine oder geringe Adipositas (BMI < 30)
ABO-Kompatibilität
Keine schwerwiegenden Begleiterkrankungen
Einbestellung des Spenders
Anamnese
Körperliche Untersuchung
Labor (s. Kapitel 19, Tab.4)
Zusätzlich: Protein C, Protein S, AT III, Faktor V
Leiden-Mutation, Prothrombin-Mutation, Faktor
VIII, Cardiolipin und Anti-Phospholipid-Antikörper
(Ausschluss Thromboseneigung!)
•
Ruhe-EKG, Belastungs-EKG, Rö-Thorax,
Lungenfunktion, Herzecho
O-Sono
Stufe 4
•
•
•
•
•
Abdomen-CT mit Leber-Volumetrie
MRT-Leber mit MRT-Angio und MRCP
Doppler-Sono der Lebergefäße
Angiographie
Leberbiopsie
Stufe 5
•
•
Chirurgisches Konsil
Anästhesiologisches Konsil
Stufe 6
•
Vorstellung von Spender und Empfänger bei der
Kommission Lebendspende
Planung des OP-Termins
Beginn der Eigenblutspende (4 EK´s, 4 FFP´s)
•
•
149
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
6. Postoperative Betreuung und Probleme nach LTX
6.1. Betreuung nach Rückübernahme von Intensivstation
Allgemein:
Einzelzimmer wünschenswert aber nicht zwingend; potentiell infektiöse Kontakte v.a.
beim Besuch vermeiden; Patient soll beim Verlassen des Zimmers Mundschutz
tragen.
Pflegeverordnungen:
3x tgl. RR, Puls, Temp., Mobilisation besprechen. Einmal Sammelurin auf Na, K,
Kreatinin-Clearance. Bilanz Einfuhr- / Ausfuhr je nach Nierenfunktion oder Ödemen.
Bilanzierung der Drainagen. ZVK nur bei strenger Indikation, sonst frühzeitig
entfernen. Täglich Verbandwechsel. Ernährung Lebertransplantationskost (Details
siehe Intranet – Pflege)
Laboruntersuchungen initial:
Na, K, Kreatinin, Harnstoff, AST, ALT, aP, γGT, Kalzium, Phosphat, Lipase, CRP, BB,
Diff.-BB, Thrombozyten, Quick, PTT, Tacrolimus-Spiegel (bzw. Ciclosporin, etc.).
Blutentnahmen in der Regel täglich in den ersten beiden Wochen nach Transplantation, dann je nach klinischem Verlauf.
Mikrobiologische Diagnostik:
Einmal pro Woche CMV-PCR, Aspergillen- und Candida-Serologie. Bakteriologische/
mykologische Abstriche Mundhöhle, Leiste. Urin-Stix/Sediment/Kultur.
Bildgebung:
Bei Aufnahme Sonographie mit Duplex zur Statuserhebung anmelden, insbesondere
auch wegen der Perfusion. Danach keine Routinekontrollen, sondern abhängig von
jeweiligen Befunden bzw. vom klinischen Verlauf. Nochmaliger Status vor Verlegung
oder Entlassung.
Chirurgisches Konsil:
Bis Drainagen gezogen sind mindestens jeden 2. Tag, sonst nur bei Problemen (siehe
Komplikationen). Klammerentfernung meist nach 14 Tagen.
6.2. Immunsuppression
Initialtherapie
Intraoperativ 1 g Prednison i.v. (bei Blutverlust >4l zusätzlich 0.5 g)
Beginn der i.v. Dauerinfusion mit Tacrolimus (0,02-0,04 mg/h)
Cortisonreduktionsschema
Tag 1 (post-OP)
Tag 2
Tag 3
2 x 250 mg i.v.
2 x 125 mg i.v.
2 x 100 mg i.v.
Tag 4
Tag 5
Tag 6
150
2 x 75 mg i.v.
2 x 50 mg i.v.
2 x 25 mg i.v.
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
Ab Tag 7 0,3 mg/kg Körpergewicht. Falls kein Anhalt für Abstoßung weitere Reduktion
um 5 mg/Woche bis 10 mg Tagesdosis, dann in 2,5 mg Schritten bis zur
Erhaltungsdosis von 5 mg/Tag. Raschere Reduktion bei Patienten mit chronischer
Hepatitis B und C oder massiver Osteoporose.
Intravenöse Tacrolimus Dauerinfusion
Zielspiegel 12-15 ng/ml; Problem: „Dauertalspiegel“, deshalb sobald wie möglich
Umstellung auf orales Tacrolimus
Abends Infusionsrate halbieren (falls Spiegel >10 ng/ml, sonst nur 25% reduzieren)
und 2 mg Tacrolimus p.o. am Abend und am nächsten Morgen. Spiegelbestimmung
vor der Morgendosis und entsprechende Dosisanpassung der nächsten Abend- und
Morgendosis.
Tacrolimus-Spiegelmessungen
Viele Patienten benötigen während der ersten Monate 6-12 mg/Tag (angestrebter
therapeutischer Spiegel 8-12 ng/mL), der Bedarf sinkt dann (bei gleichbleibenden
Serumspiegeln!) langsam ab und liegt dann häufig bei 2-4 mg/Tag. Regelmäßige
Kontrollen daher unerlässlich, anfangs täglich, dann 2-3x/Woche, auch nach
Verlegung im ersten ½ Jahr wöchentlich. Bei Änderung der Begleitmedikation, insbes.
Antibiotika, Antimykotika ggf. häufiger (siehe Medikamenteninteraktionen).
Die Alternative zu Tacrolimus (bei NW) ist Cyclosporin (Sandimmun optoral):
Therapeutischer Spiegel bis Monat 6: 150-250 ng/mL (SYVA), danach 80-120 ng/mL.
Bei Niereninsuffizienz frühzeitige Umstellung der Immunsuppression auf 3er-Schema:
Steroide, MMF (2x1g), low-dose Tacrolimus (Spiegel 3-5 ng/ml).
Behandlung von Abstossungsreaktionen
Prednison Stoßtherapie 500 mg iv./die für 3 Tage. Bei hochgradiger Abstossung
(siehe Banff-Klassifikation im Anhang) und langsamen Transaminasenabfall auch 5
Tage. Gleichzeitig Tacrolimusdosis erhöhen (Spiegel von 12-14 ng/ml anstreben!). Bei
Steroidresistenz ggf. OKT3 5mg/ Tag iv. für 7 Tage. Cave: Massive
Nebenwirkungen: Fieber, Schüttelfrost, Brustschmerzen, Diarrhoe, Tachycardie,
Hypertonus. Bei CMV positivem Spender oder Empfänger prophylaktische Therapie
mit Ganciclovir wegen des extrem hohen Risikos der CMV-Reaktivierung (nahe
100%)!
Andere Immunsuppressiva
Sirolimus und Antikörper gegen Interleukin-2 Rezeptor werden
Lebertransplantation derzeit nur im Rahmen von Studien evaluiert.
bei
der
6.3. Komplikationen
6.3.1. Transplantatkomplikationen
Transplantatkomplikationen fallen durch eine Transplantatdysfunktion mit Anstieg der
Leberenzyme, Abnahme der Gallebildung und Abfall hepatischer Syntheseparameter
(z.B. Faktor V) auf. Die Abklärung der Transplantatdysfunktion (Tabelle 9) erfolgt
nach dem Algorithmus der Abbildung 2.
151
HEPATOLOGIE
Tabelle 9:
LEBERTRANSPLANTATION
Differentialdiagnose der Transplantatdysfunktion
Tag 1 – 5 postoperativ
• A. hepatica Thrombose oder „Kinking“, V. portae Thrombose
• Primäres Transplantatversagen (Konservierungsschaden)
• Hyperakute Abstoßung
Tag 5 – 30 postoperativ
• Akute Abstoßung
• Galleleck
• Transplantatdysfunktionen durch Konservierungsschaden
Nach Tag 30 postoperativ
• Akute Abstoßung
• Chronische Abstoßung
• Gallengangsstrikturen
• Wiederauftreten der Grunderkrankung (Virushepatitis B, B/D, C; Autoimmune
Lebererkrankung; PBC, PSC)
• Hepatitis durch CMV-, EBV-, HSV-, Adenoviren
______________________________________________________________
Abbildung 2:
Abklärung der Transplantatdysfunktion
Transplantatdysfunktion
Doppler/Sonographie
Gallenwege/ Gefäße
unauffällig
V.a. Gallenwegskomplikationen
V.a. Gefäßkomplikationen
ERC, PTC
MRCP
Angiographie
LBP
Ischämie/
Reperfusionsschaden
Abstoßung
CMV, EBV, HCV,
HBV-PCR,
auch im Serum
152
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
Primäres Transplantatversagen
Unmittelbar nach Transplantation auftretende Komplikation, verursacht durch
Ischämie-Reperfusionsschäden (Konservierungsschäden) der Leber. Klinik wie bei
akutem Leberversagen mit rasch eintretendem Multiorganversagen und hohen
Transaminasen > 1500 IU/L. Risikofaktoren sind verlängerte Kalt- oder
Warmischämie, Steatose des Transplantates, Alter des Spenders > 50 Jahre.
Diagnose durch Labor, Klinik und Histologie sowie Ausschluss einer Thrombose der A.
hepatica. Retransplantation mit höchster Dringlichkeit immer notwendig! Ein marginal
funktionierendes Transplantat (sog. primäre Transplantatdysfunktion mit milderer
Klinik) kann sich unter Umständen erholen.
Vaskuläre Komplikationen
A. hepatica Thrombose
Bei früher, akuter Thrombose Klinik und Laborbefunde (hohe Transaminasen) wie bei
primärem Transplantatversagen. Risikofaktoren: technische Probleme bei
Anastomosierung, lange Kaltischämiezeit, Hyperkoagulabilität, CMV-Infektion.
Diagnose durch Angiographie und Doppler-Sonographie. Therapie durch
Revaskularisation (Thrombektomie). Falls Revaskularisation nicht mehr möglich oder
sinnvoll, umgehende Retransplantation. Spät auftretende Stenosen/ Thrombosen der
A. hepatica führen zu multiplen ischämischen Gallengangstrikturen (ischemic type
biliary lesion, ITBL). Früherkennung einer Stenose/Thrombose deshalb wichtig!
Pfortaderthrombose
Frühe Pfortaderthrombose führt zum Leberversagen. Therapie: Revaskularisation oder
Retransplantation. Späte Thrombose oft asymptomatisch oder Komplikationen der
portalen Hypertension; Diagnose durch Doppler- Sonographie.
Lebervenen- oder V. cava inferior Thrombose
Meist bedingt durch Hyperkoagulabilität, insbesondere nach Transplantation von
Patienten mit Budd-Chiari Syndrom; Klinik je nach Lokalisation, Ödeme der unteren
Extremitäten, Budd-Chiari Syndrom. Diagnosestellung durch Doppler-Sonographie
oder
Venographie.
Therapie:
Ballondilatation,
Stentimplantation
oder
Retransplantation.
Abstoßungsreaktionen
Hyperakute Abstoßung
Seltenes Ereignis, bedingt durch präformierte Antikörper bei ABO-Inkompatibilität.
Retransplantation meist notwendig.
Akute Abstoßung
Inzidenz 30 – 50 %, Anstieg der Leberenzyme, oft Fieber. Diagnose durch Histologie,
Graduierung nach Banff-Kriterien (Tabelle 10). Therapie: Erhöhung der CalcineurinInhibitor- (CNI) Spiegel, Steroidstoßtherapie (500-1000 mg Prednisolon iv/Tag) für 3 5 Tage. Akute Abstoßung jenseits von 3 Wochen selten, dann bedingt durch
inadäquate
153
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
Tabelle 10: Banff classification system
BANFF DIAGNOSTIC CATEGORIES
Acute Cellular Rejection
Indeterminate:
Portal inflammatory that fails to meet the criteria for the diagnosis of acute rejection.
Mild(Grade I):
Rejection infiltrate in a minority of the triads that is mild, and confined to the portal
spaces.
Moderate(Grade II): Rejection infiltrate, expanding most or all of the triads.
Severe(Grade III):
As for moderate, with periportal spillover and/or moderate to severe perivenular
inflammation
BANFF REJECTION ACTIVITY INDEX
Portal Inflammation
Mostly lymphocytic inflammation involving, but not noticeably expanding, a minority of the triads. Expansion
of most or all of the triads, by a mixed infiltrate containing numerous lymphocytes with occasional blasts,
neutrophils and eosinophils.
None of the above
Venous Endothelial Inflammation
1
Subendothelial lymphocytic infiltration involving some, but not a majority of the portal and/or hepatic
venules
2
Subendothelial infiltration involving most or all of the portal and/or hepatic venules
3
As above for 2, with moderate or severe perivenular inflammation that extends into the perivenular
parenchyma and is associated with perivenular hepatocyte necrosis
0
None of the above
Bile Duct Inflammatory Damage
1
Minority of the ducts are cuffed and infiltrated by inflammatory cells and show only mild reactive
changes such as increased nuclear: cytoplasmic ratio of the epithelial cells
2
Most or all of the ducts infiltrated by inflammatory cells. More than an occasional duct shows
degenerative changes such as nuclear pleomorphism, disoredered polarity and cytoplasmis
vacuolization of the epithelium
3
As above for 2, with most of all of the ducts showing degenerative changes or focal luminal
disruption
0
None of the above
154
HEPATOLOGIE
Immunsuppression (Noncompliance,
Medikamenten-Interaktion).
LEBERTRANSPLANTATION
reduzierte
CNI-Absorption
bei
Diarrhöen,
Chronische Abstoßung
Selten vor Monat 3, meist nach Monat 6; oft schleichender Beginn, ansteigende
Cholestaseparameter (DD: Gallenwegstrikturen +/- Cholangitis, Rekurrenz von
PBC/PSC). Diagnose durch Histologie mit Verlust der kleinen Gallengänge und
obliterativer Angiopathie. Ursache unklar, möglicher Zusammenhang mit CMVInfektion. Therapie: Intensivierung oder Umstellung der Immunsuppression. Bei
Progredienz Retransplantation.
Biliäre Komplikationen
Inzidenz
von
Gallenwegskomplikationen
10–20%,
meist
innerhalb
von
3 – 6 Monaten postoperativ, aber auch später möglich. Früh: Galleleck durch
Anastomoseninsuffizienz. Spät: Strikturbildung. Ursachen sind vor allem technische
Probleme bei der Anastomosierung, Konservierungsschäden und arterielle
Perfusionsstörungen (IBDL).
Galleleck
Klinische Symptome sind meist Schmerzen im rechten Oberbauch, Fieber,
Leukozytose, galliges Drainagensekret. Diagnose durch ERC oder PTC. Behandlung
durch Gallengangstent oder Revisionoperation.
Gallengangstrikturen
Klinische Symptome sind Ikterus, Cholangitis eventuell auch asymptomatische
Cholestase. Ischämische Strikturen finden sich meist multipel intra- und
extrahepatisch. Diagnose durch ERC oder PTC unter Antibiotikaschutz, Sonographie
oft unzuverlässig. Behandlung durch endoskopische Dilatation und Stenting.
Chirurgische Revision oder Retransplantation bei diffusen Strikturen. Cave: Bei
biliären Komplikationen immer Ausschluss einer A. hepatica Stenose/ Thrombose!
Erkrankungsrezidive
Rezidive eines hepatozellulären Karzinoms sind auf Grund ihrer meist infausten
Prognose besonders gefürchtet. Rezidive der Grunderkrankung können ferner bei
Patienten auftreten, die wegen einer alkoholtoxischen Leberzirrhose, PBC, PSC, oder
autoimmunen Hepatitis transplantiert wurden. Von besonderer Bedeutung sind
Reinfektionen mit dem Hepatitis B und C- Virus.
Hepatitis B
Präoperative Vorbehandlung der Patienten bei HBV-DNS Spiegel > 105 Geg/ mL mit
Lamivudin (Zeffix) 100 mg/Tag oder Adefovir (Hepsera) 10mg/Tag. Die antivirale
Therapie ist nach aktuellem Stand lebenslang fortzusetzen und beinhaltet das Risiko
der Resistenz durch durch Selektion von Mutanten des HBV-Virus. Peri-/postoperativ
ist die Behandlung mit Hepatitis B Immunglobulin (HBIG) notwendig. Die intravenöse
HBIG-Behandlung wird lebenslang in 4-6 wöchigen Abständen wiederholt (Ziel: antiHBs-Titer>200
IU/mL).
Postoperativ
sollte
frühzeitig
eine
Steroid-freie
Immunsuppression angestrebt werden, da Steroide die HBV-Replikation stimulieren.
155
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
Kommentar [L1]:
Hepatitis C
Patienten mit HCV-assoziierter Leberzirrhose erleiden praktisch immer eine HCVInfektion
des Transplantates. Nach 5 Jahren kommt es bei ca. 20% der
Transplantierten wieder zur Ausbildung einer Leberzirrhose. Postoperativ sollte wie
bei der Hepatitis B baldmöglichst eine Steroid-freie Immunsuppression erreicht
werden. Ferner ist eine antivirale Therapie mit Interferon-α und Ribavirin (PegIntron
1,5 µg/ kg KG oder Pegasys 180 µg 1x pro Woche s.c. plus Ribavirin 800 – 1200 mg/
die oral) zu diskutieren. Dauer der Therapie 6 Monate (Genotyp 2/3) oder 12 Monate
(Genotyp 1). Ansprechrate: 25–30% dauerhafte Viruselimination (insbesondere
Genotyp 2/3). Idealer Zeitpunkt für den Beginn der antiviralen Therapie bisher nicht
geklärt, wahrscheinlich so früh wie möglich, wenn histologisch eine Hepatitis gesichert
und eine Abstoßung ausgeschlossen ist.
6.3.2. Nebenwirkungen der immunsuppressiven Therapie
Zahlreiche internistische Komplikationen nach Lebertransplantation sind auf die
immunsuppressive Therapie mit Calcineurin-Inhibitoren (Cyclosporin A, Tacrolimus) in
Kombination mit Steroiden zurückzuführen (Tabellen 11 und 12). Regelmäßige
Blutspiegelkontrollen, insbesondere der Calcineurin-Inhibitoren (CNI), sind deshalb
unbedingt erforderlich. Ferner gilt es Medikamenteninteraktion zu beachten, durch die
drastische Änderungen der CNI-Blutspiegel auftreten können (Tabelle 12). Auf Grund
der beträchtlichen Nebenwirkungen konzentrieren sich aktuelle Studien auf die
Entwicklung einer nebenwirkungsarmen Langzeitimmunsuppression. So scheint ein
Ausschleichen der Steroidtherapie innerhalb des ersten Jahres nach
Lebertransplantation bedenkenlos möglich. Cyclosporin-A oder TacrolimusMonotherapien ersetzen deshalb zunehmend die bislang favorisierte lebenslange
Kombinationstherapie mit Steroiden. Weitere Fortschritte werden durch den Einsatz
von Mycophenolatmofetil (MMF) und Sirolimus erwartet.
Tabelle 11: Hauptnebenwirkungen der Immunsuppressiva
Tacrolimus
Hypertonus, Nephrotoxizität, Neurotoxizität, Hyperlipidämie,
Diabetes
Cyclosporin
Hypertonus, Nephrotoxizität, Neurotoxizität, Hyperlipidämie,
Gingivahyperplasie
Corticoide
Hypertension, Flüssigkeitsretention, Diabetes, Osteoporose,
aseptische Hüftkopfnekrose, Myopathie, peptische Ulcera,
Azathioprin
Knochenmarksuppression, Pankreatitis, Hepatotoxizität
Mycophenolat
Neutropenie, Anämie, Thrombozytopenie, Übelkeit, Teratogenität
156
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
Tabelle 12: Internistische Probleme nach Transplantation
Niereninsuffizienz
•
Arterielle Hypertonie
•
•
•
•
•
Hyperlipidämie
•
Diät, Gewichtskontrollen, Corticosteroide absetzen
Nutzen von Statinen bei LTX bisher nicht bewiesen
Diabetes mellitus
•
•
•
BZ- und HbA1c Kontrollen
Immunsuppression anpassen, Corticosteroide absetzen,
Gewichtskontrolle
Medikamentöse Therapie falls nötig
Adipositas
•
Diätberatung, Corticosteroide absetzen
Osteoporose
•
•
•
Vitamin D 1000 IE + Calcium 1g
Biphosphonate (z.B. Fosamax 70 1x pro Woche p.o.)
Corticosteroide absetzen
Neurotoxizität
•
CNI-Spiegel so weit wie möglich vermindern
Reduktion der CNI; ggf. in subtherapeutische Bereiche
unter Zusatz von MMF, evtl. Umstellung auf Sirolimus
unter Studienbedingungen
Genügend Flüssigkeitszufuhr
Vermeidung anderer nephrotoxischer Medikamente
RR-Kontrollen
Behandlung (Calciumantagonisten, β-Blocker)
Zusatzrisikofaktoren behandeln (Adipositas, Diabetes,
HLP)
Tabelle 13: Medikamente, die mit CNI interferieren
Spiegelerhöhung
Antimykotika (Fluconazol, Ketoconazol, Itraconazol)
Antibiotika (Erythromycin, Clarithromycin)
Glucocorticoide
Calciumantagonisten (Diltiazem, Nicardepin, Verapamil)
Andere (Danazol, Metoclopramid, Bromocriptin, Cisaprid, Allopurinol, Grapefruitsaft)
Spiegelsenkung
Antikonvulsiva (Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin)
Antibiotika (Rifampicin)
Andere (Octreotid, Ticlopidin, Proteaseinhibitoren)
Potenzierung der CNI- Nephrotoxizität
Antibiotika (Gentamycin, Tobramycin, Vancomycin, Cotrimoxazol)
Antimykotika (Ketoconazol, Itraconazol, Amphotericin B)
Nichtsteroidale Antirheumatika
157
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
6.3.2.1. Infektionen
Abhängig vom Zeitpunkt nach Transplantation ist mit unterschiedlichen Infektionen zu
rechnen (Tabelle 14). Änderungen sowohl der Infektinzidenz (initial ca. 60%) als auch
des Erregerspektrums sind auf die kontinuierliche Reduktion der initial hochdosierten
immunsuppressiven Therapie innerhalb der ersten Monate nach Transplantation
zurückzuführen. Im Langzeitverlauf ab dem 6. Monat kommt es bei transplantierten
Patienten nicht häufiger zu Infektionen als in der Normalbevölkerung. Manifeste
Infektionen können aber dramatisch verlaufen. Infektionszeichen sind deshalb auch
bei Patienten im Langzeitverlauf als „Alarmzeichen“ anzusehen. Eine stationäre
Aufnahme der Patienten ist deshalb in den meisten Fällen zu empfehlen.
Tabelle 14: Infektionen nach Lebertransplantation
Bis zu einem Monat nach Transplantation
• Hohe Infektinzidenz (ca. 60%)
• Nosokomiale bakterielle Infektionen (Lungen, Abdomen, Wunden)
• Candida- und Aspergilleninfektionen
1-6 Monate nach Transplantation
• Opportunistische Infektionen durch Aspergillen, CMV und
andere Viren (VZV, EBV, HHV-6, Adenoviren)
Nach 6 Monaten
• Infektinzidenz und Erregerspektrum wie in der Normalbevölkerung,
• opportunistische Infektionen selten
____________________________________________________________________________________________
Die Cytomegalie (CMV) Infektion ist die häufigste Infektion bis zum 4. Monat nach
Organtransplantation. Verantwortlich sind CMV-positive Spenderorgane und
Blutprodukte sowie eine endogene Reaktivierung durch die immunsuppressive
Therapie. Das höchste Risiko besteht für CMV-seronegative Patienten mit CMVseropositivem Spenderorgan. Die Erkrankung kann sich u.a. als CMV-Hepatitis, CMVColitis und CMV-Retinitis manifestieren. Der Nachweis erfolgt mittels PCR in Blut- und
Gewebeproben. Therapie: Ganciclovir i.v. (5mg/kg/KG alle 12 Stunden,
Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz!) bis PCR negativ. Bei Therapieversagen bzw.
Virusresistenzen Kombination von Ganciclovir mit Foscarnet (cave Nephrotoxiztät !)
oder Cidofovir.
Standarddiagnostik und Therapie bei Fieber
• Anamnese und klinische Untersuchung (einschließlich RR/Puls Æ
Schockzeichen? Intensivpflichtigkeit?)
• Notfall-Labor (Na, K, Kreatinin, Harnstoff, Leberwerte, Lipase, CRP, BB,
Thrombozyten, Quick, PTT, Laktat)
• Blutkulturen (2 + 2), Urin Stix/ Sediment/ Kultur, Sputum-Gramfärbung und ggf.
Kultur, Drainagen-Flüssigkeit auf Zellzahl, Ausstrich und Kultur.
158
HEPATOLOGIE
•
•
•
•
•
LEBERTRANSPLANTATION
ZVK muss gezogen werden, Spitze wird zur Kultur eingeschickt.
Röntgen-Thorax (Infiltrat, Erguss?)
Oberbauch-Sonographie (freie Flüssigkeit?, Abszess?, Biliom?)
Bei abdomineller Symptomatik +/- auffälligen Drainagen ggf. CT-Abdomen und
chirurgisches Konsil.
Empirische Antibiose: z.B. Tazobactam 3 x 4,5g oder Meropenem 3 x 1g, bei
Hinweisen auf Pilzinfektion liposomales Amphotericin B oder Caspofungin i.v.
initial. Umstellung auf Fluconazol (200-800 mg/die) bei Candida albicans.
Wichtige DD: Abstoßungsreaktion (bei Verdacht immer Leberbiopsie), Medikamentenreaktion, virale Infektion (CMV, HSV, EBV, Adenoviren), selten Pneumocystis
jirovecii, andere opportunistische Infektionen.
Spezielle Diagnostik und Therapie bei Fieber
Bei pulmonalen Infiltraten: neben Sputum-/Blutdiagnostik, je nach Klinik ggf. rasch
Bronchiallavage (oft mit Intensivbett) zur verbesserten bakteriol./mykolog./ virolog.,
sowie Pneumocystis-Diagnostik (Schnelltest!). Gelegentlich ist auch CT-Thorax
weiterführend.
Nachweis von Viren und Pilzen:
CMV
HSV
EBV
Adenoviren
Aspergillen
Candida
Quant. PCR (EDTA-Blut, bzw. relevanten Körpersekreten)
idem
idem
quant. PCR bzw. Ag-Nachweis
Ausstrichpräparat, Kultur (evtl. Ag- und Ak-Nachweis im Serum)
Ausstrichpräparat, Kultur (evtl. Ag- und Ak-Nachweis im Serum)
Therapie von Virus- und Pilzinfektionen:
CMV
HSV
EBV
Adenoviren
Aspergillen
C. albicans
C. non-albicans
Ganciclovir 5mg/kg alle 12 Stunden i.v. bis PCR negativ. Cave:
Ganciclovir Myelotoxizität und Resistenzentwicklung; bei
Therapieversagen (Resistenz?) Kombination mit Foscarnet (Cave
Nephrotoxitat) oder Cidofovir
Acyclovir 3 x 500mg i.v., bei Therapieversagen (Resistenz?)
Foscarnet oder Cidofovir
Therapieversuch mit Acyclovir (evtl. Cidofovir), Reduktion der
Immunsupression
Bei strenger Indikationsstellung Kombinationstherapie aus
Ribavirin und Cidofovir
Caspofungin (bei eingeschränkter Leberfunktion), ansonsten
Voriconazol
Fluconazol (bis 800 mg/d), bei Resistenz ggf. Caspofungin
Caspofungin oder liposomales Amphotericin B
159
HEPATOLOGIE
LEBERTRANSPLANTATION
Empfehlungen zur Infektprophylaxe
Öffentliche Verkehrsmittel und Schwimmbäder vor allem im 1. Jahr nach
Transplantation meiden. Kein enger Kontakt mit Haustieren. Durch die
Immunsuppression in aller Regel unzureichendes Ansprechen auf Impfungen. Keine
Lebendimpfstoffe verwenden! Antibiotische Abdeckung bei zahnärztlichen und
endoskopischen Eingriffen.
7. Langzeitbetreuung nach LTX
•
Hausärztliche Vorstellung bis Monat 3 zweimal/ Woche; bis Monat 6 einmal
wöchentlich; bis Monat 12 2 - 4 wöchentlich; danach 6 – 8 wöchentlich
•
Monatliche Vorstellung am Zentrum bis Monat 6, danach halbjährlich, im
Langzeitverlauf einmal jährlich
Anamnese
Compliance bzgl. Medikamenteneinnahme
Überflüssige Medikamente absetzen
Gewicht, Blutdruck
Klinische Untersuchung
Labor:
Spiegel des Immunsuppressivums (Cyclosporin, Tacrolimus, MMF), GOT,
GPT, GIDH, γGT, aP, Albumin, Gesamteiweiß, Cholinesterase, Amylase,
Lipase, Elektrolyte, Mg, Zn, Kreatinin, Harnstoff, Glukose, Gerinnungswerte
CMV-PCR wöchentlich bis Woche 12 nach LTX, dann monatlich bis zum
12. Monat post-OP.
•
Im Langzeitverlauf regelmäßige sonographische Kontrollen, Knochendichtemessungen, Malignomscreening (Haut [Sonnenschutz empfohlen], Gastointestinaltrakt, Lymphome)
Colon-Ca Screening bei Colitis
•
Ausschluss Wiederauftreten der Grunderkrankung:
Virushepatitis, autoimmune Hepatitis, cholestatische Lebererkrankung, HCC,
Äthylismus
•
Durch die oben aufgeführten Untersuchungen, Diagnose und Therapie spezifischer
Probleme nach LTX (Tabelle 12), die als Nebenwirkungen der Immunsuppressiva
anzusehen sind (Tabelle 11).
•
Mögliche Spiegeländerungen und Toxizitätssteigerungen der CNI durch neu
verordnete Medikamente beachten (Tabelle 13).
160