Das Fernseherleben von Vorschulkindern

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Das Fernseherleben von Vorschulkindern
Flimmo-Kinderbefragung
Juli 2005
Ergebnisse zum Thema „Fernsehen im Vorschulalter“
Gruppenerhebung und Einzelinterviews mit 3- bis 6-Jährigen
1
Anliegen der Studie
„Das Fernsehen kann [...] schon bei Vorschulkindern als Leitmedium bezeichnet werden“
stellen Feierabend/Mohr fest, die im Rahmen der ARD/ZDF-Studie „Kinder und Medien
2003“ die Mediennutzung von Klein- und Vorschulkindern untersucht haben.1 Die Fernsehnutzung der Vorschulkinder bleibt nun schon seit vielen Jahren stabil. Über die Hälfte der
3- bis 5-Jährigen sieht täglich fern (56%), die durchschnittliche Sehdauer liegt wie in den
letzten Jahren mit 68 Minuten bei einer guten Stunde. 2 Da dies aber noch nichts über die
inhaltliche Auseinandersetzung aussagt, lohnt es sich, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob
sich das Fernsehverhalten der jüngsten Zielgruppe verändert hat.
Folgende Fragen waren bei der FLIMMO-Studie zentral:
■ Welche Sendungen werden von der Altersgruppe favorisiert?
■ Welche Elemente und Figuren sind den Kindern wichtig?
■ Worauf reagieren die Kinder emotional?
■ Welche Rolle spielen mehrfach vermarktete Angebote?
■ Wie schätzen Eltern das Fernseherleben und -verständnis ihrer Kinder ein, was
erlauben sie ihnen, welche Kriterien legen sie bei der Auswahl der Fernsehangebote an?
2
Profil der Studie
Untersuchte: In fünf Kindergärten wurden mit insgesamt 32 Kindern Gruppenerhebungen
durchgeführt, acht von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Die Gruppen hatten jeweils eine Größe von fünf bis acht Kindern. 14 der Kinder (je sieben Mädchen und Jungen),
von denen vier über einen Migrationshintergrund verfügen, und ihre Eltern wurden darüber
hinaus einzeln befragt.
Mädchen
Jungen
Gesamt
3/4 Jahre
6
5
11
5/6 Jahre
8
13
21
14
18
32
Gesamt
Um zu gewährleisten, dass Kinder aus fernsehnahen wie auch fernsehfernen Milieus erfasst werden, wurden Erhebungsorte in Stadtteilen mit entsprechender Bevölkerungsstruktur ausgewählt 3. Allerdings scheint das Milieu für den Fernsehumgang der untersuchten
1 Vgl. Sabine Feierabend, Inge Mohr: Mediennutzung von Klein- und Vorschulkindern. In: Media Perspektiven 9/2004.
S. 453–461
2 Vgl. Sabine Feierabend, Walter Klingler: Was Kinder sehen. Eine Analyse der Fernsehnutzung 3- bis 13-Jähriger 2004.
In: Media Perspektiven 4/2005, S. 163–177
3 Das höhere Bildungsmilieu ist als eher fernsehfern einzustufen, das niedrigere Bildungsmilieu als eher fernsehnah (vgl.
verschiedene Untersuchungen, z.B.: Helga Theunert, Bernd Schorb (Hrsg.) (1996). Begleiter der Kindheit. Zeichentrick
und die Rezeption durch Kinder. München; Paus-Haase, Ingrid (1998). Heldenbilder im Fernsehen. Eine Untersuchung
zur Symbolik von Serienfavoriten. Opladen/Wiesbaden etc.).
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Altersgruppe (noch) kaum ins Gewicht zu fallen. Eltern aller Milieus haben das Fernsehverhalten ihrer Kinder im Vorschulalter im Blick und kontrollieren deren Fernsehnutzung.
Lediglich in einem Fall wiesen sowohl das Fernsehverhalten eines Kindes aus dem fernsehnahen Milieu als auch die praktizierte Fernseherziehung der Eltern problematische
Züge auf.
Methode: Gruppenerhebung mit spielerischen Methoden (ca. 1– 1 1/2 Stunden); Einzelinterview mit dem Kind auf der Basis eines Leitfadens und unter Einsatz spielerischer
Methoden (ca. 20 Minuten), anschließend Interview mit einem Elternteil anhand eines
Leitfadens (ca. 30 Minuten).
Erhebungszeitraum: März /April 2005
Erhebungsorte: München, Augsburg
3
Ergebnisse
3.1 Favorisierte Sendungen der Altersgruppe
Danach gefragt, welche Sendungen sie kennen, nannten die 32 Kinder insgesamt 45 verschiedene Serien, zwei Magazine und elf Spielfilme, die sie zum Teil auf Video bzw. DVD
gesehen hatten. Mit 17 Nennungen wird SpongeBob – Schwammkopf von über der Hälfte
der befragten Kinder gesehen und führt damit die Liste der beliebtesten Sendungen an.
Danach folgen Bob, der Baumeister mit 15 Nennungen, Ar t Attack und die Teletubbies
mit je 13 Nennungen, Bibi Blocksberg mit zwölf und Briefe von Felix mit zehn Nennungen.
Sendungen*
Mädchen
Jungen
Gesamt
SpongeBob – Schwammkopf (SuperRTL)
6
11
17
Bob, der Baumeister (SuperRTL)
4
11
15
Art Attack (SuperRTL)
6
7
13
Teletubbies (KI.KA)
9
4
13
Bibi Blocksberg (KI.KA)
9
3
13
Briefe von Felix (KI.KA)
7
3
10
Sandmännchen (KI.KA)
5
2
7
Yu-Gi-Oh! (RTL II)
2
5
7
Die Sendung mit der Maus (KI.KA/ARD)
2
4
6
Pokémon (RTL II)
1
5
6
Der Bär im großen blauen Haus (KI.KA)
4
2
6
Tigerenten Club (ARD)
2
3
6
Jim Knopf (KI.KA)
2
3
5
Nils Holgersson (KI.KA)
3
1
4
Benjamin Blümchen (SuperRTL)
1
3
4
* Jede Sendung, die von einem Kind im Verlauf der Erhebung genannt wurde, wurde einmal berücksichtigt. In der
Tabelle sind Sendungen aufgeführt, die mindestens von vier Kindern genannt wurden.
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Das Senderspektrum der Kinder ist relativ klein. Die meisten, nämlich 24 der bei den Kindern
bekannten Sendungen laufen im öffentlich-rechtlichen KI.KA. An zweiter Stelle folgt SuperRTL
mit 14 Nennungen. Dieser Sender strahlt allerdings die drei Spitzenreiter der 3- bis 6-Jährigen
aus. Erwähnenswert ist außerdem RTL II, der Sender, auf dem Pokémon, Digimon und Yu-GiOh! ausgestrahlt werden. Darüber hinaus nannten die Kinder zwei Sendungen, die auf Kabel 1
zu sehen sind und je ein Angebot, das (nur) in der ARD bzw. im ZDF gezeigt wird.
Unter den bei den Kindern beliebten Sendungen befinden sich Angebote, die erst in neuerer
Zeit auf den Markt gekommen sind, bspw. SpongeBob – Schwammkopf, Ar t Attack oder Yu-GiOh!, aber auch Klassiker des Kinderfernsehens wie z.B. Bibi Blocksberg, Die Sendung mit der
Maus oder Benjamin Blümchen. In Bezug auf das Alter lassen sich kaum Unterschiede in der
Zuwendung der Kinder feststellen. So wird SpongeBob – Schwammkopf sowohl von den Älteren
gesehen, die vor allem den Wortwitz der Sendung schätzen dürften, als auch von den Jüngeren, deren Bedürfnis nach kurzen abgeschlossenen Geschichten die Serie erfüllt. Der hohe
Rangplatz der Teletubbies erklärt sich dadurch, dass vor allem die älteren Mädchen die Figuren immer noch „niedlich“ finden. Ein 6-Jähriger, der angibt, die Sendung zu kennen, legt allerdings Wert darauf, dass es „schon sehr lang her“ ist, dass er sie sich „bei einer Freundin“ angeschaut hat.
Deutliche Unterschiede gibt es bei den Vorlieben der Mädchen bzw. der Jungen. Fast doppelt
so viele Jungen wie Mädchen zählen SpongeBob – Schwammkopf zu ihren Favoriten, bei
Bob der Baumeister sind es sogar fast dreimal so viele. Besonders beliebt bei den Jungen sind
außerdem Yu-Gi-Oh!, Pokémon und Digimon. Bei allen drei Serien handelt es sich um eher
kämpferische Anime-Angebote 4. Digimon und Yu-Gi-Oh! sind im FLIMMO der Rubrik „Mit Ecken
und Kanten“ zugeordnet, da in beiden Serien sehr stark auf kampfbetonte Konfliktlösung gesetzt wird, und sie aus diesem Grund kritisch zu betrachten sind. Darüber hinaus sind sie für
Kinder im Vorschulalter nur schwer zu unterscheiden, was an der strukturellen Ähnlichkeit der
Serien liegt, von der die 3- bis 6-Jährigen überfordert sind. Die drei Angebote wurden von einigen Kindern immer wieder verwechselt bzw. miteinander vermischt. So erzählt der 5-jährige
Dominik: „Das ist Pokémon, nein, Yu-Gi-Oh!. Das ist der Junge, der wo die Kar ten immer hochzieht und mit dem bösen Jungen kämpf t. Und da kommt immer der eiskalte Drache raus, der
Feuer spuckt und Wasser-Pokémon.“ Der gleichaltrige Cenk weiß, „Der Digimon sagt, du kannst
deine Hände normal ver wandeln als Kanone, dann dreht er sich durch die zwei Finger und
schießt wie eine Kanone. Er hat ein spitziges Horn. Ja, der Pikachù kann Strom. [...] Und der
Glurag kann Feuer spucken, sein Schwanz ist Feuer.“
Die Geschichten um die pfiffige kleine Hexe Bibi Blocksberg sind besonders bei den Mädchen
beliebt, neun Mädchen, aber nur drei Jungen sehen die Serie regelmäßig. Ähnlich ist das Verhältnis bei den Teletubbies. Und auch die Briefe von Felix ziehen etwa doppelt so viel Mädchen
wie Jungen in ihren Bann.
Ein Motiv für die Kinder fernzusehen, ist, dass sie dort Dinge erfahren, die ihnen neu sind
und sie ihren Wissensdurst befriedigen können. Ein Großteil der befragten Kinder sieht die
Sendung mit der Maus. Vor allem den 5- und 6-Jährigen gefallen auch Angebote wie Löwenzahn, Marvi Hämmer präsentier t National Geographic, Wir testen die Besten, Wissen macht Ah!
oder Anja und Anton. Die 5-jährige Franzi erklärt, was ihr an Wissen macht Ah! gefällt: „Ja,
weißt du, ich mag immer so gerne erklären, und darum. Ich liebe, wenn mir jemand was erklär t.“
4 Anime-Serien sind Zeichentrickserien, die auf den Vorlagen japanischer Print-Comics, sog. Mangas, basieren.
5 Vgl. Theunert, Helga, Lenssen, Margrit, Schorb, Bernd (1995). „Wir gucken besser fern als ihr!“ Fernsehen für Kinder.
München
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3.2 Elemente und Figuren, die den Kindern wichtig sind
Für die 3- bis 6-Jährigen spielen die zentralen Figuren der Fernsehgeschichten eine
wichtige Rolle. Dabei kann es sich um Personen als auch um Tiere oder Fantasiewesen
handeln 5. Dies wurde auch in der aktuellen Studie bestätigt. Um Hinweise darauf zu erhalten, auf welche Elemente die Kinder zugehen, wurde ihnen in der Gruppenerhebung ein
Zusammenschnitt der wichtigsten Elemente aus der Sendung mit der Maus gezeigt: eine
Sachgeschichte, ein Maus-Elefant-Cartoon, ein Lied, eine gezeichnete Geschichte und eine
Geschichte mit Käpt’n Blaubär. Sowohl auf den Maus-Elefant-Cartoon als auch auf die
Käpt’n Blaubär-Geschichte reagierten die Kinder unmittelbar mit freudigen Ausrufen wie
„Die Maus!“ oder „Jetzt kommt ja Käpt’n Blaubär. Der Käpt’n Blaubär ist eine ganz lustige
Geschichte. Und die Kleinen, die da sind, sind die Kinder vom Käpt’n Blaubär.“
Die Bedeutung der zentralen Figuren bestätigte sich auch in den Einzelinterviews. Auf die
Frage, was ihnen denn an ihren bevorzugten Sendungen besonders gut gefalle, wurden sie
von den Mädchen und Jungen in den meisten Fällen an erster Stelle genannt. So ist bspw.
die Antwort des 5-jährigen Elias auf die Frage, „Und was magst du am liebsten an ,Bob, der
Baumeister‘?“, eindeutig: „Den Bob“.
Weiterhin zeigte sich, dass die Figuren die Aufmerksamkeit der Kinder binden. Nachdem
die Kinder in der Gruppenerhebung den Sendungszusammenschnitt gesehen hatten, bekamen sie die Aufgabe, sich anhand vorbereiteter Prints, die die Elemente der Sendung
zeigen, für das Element zu entscheiden, das ihnen am besten gefallen hatte. Anschließend
sollten sie erzählen, was in diesem Element passiert war. Jedes Element konnte prinzipiell
von jedem Kind gewählt werden. Die Hälfte der Kinder hat sich entweder für den Maus-Elefant-Cartoon oder die Geschichte mit Käpt’n Blaubär entschieden. Darüber hinaus haben
sich jeweils weitere Kinder eingeschaltet, als es darum ging, den Inhalt des Sendungsausschnitts wiederzugeben. Beide Ausschnitte wurden sehr gut nacherzählt. Ähnlich gut behalten wurde lediglich die gezeichnete Geschichte, die auf dem Prinzip der Wiederholung
basierte. Dabei ging es um einen Mann, der auf einen Stuhl stieg, der Stuhl stieg auf einen
Tisch, der Tisch auf ein Haus usw. Bei jedem neuen Gegenstand, der bestiegen wurde,
wurde die Geschichte wieder von Anfang an erzählt.
Anzahl
der Kinder
Kinder
gesamt
Sachgeschichte
Maus-ElefantCartoon
Lied
Gezeichnete
Geschichte
Käpt’n
Blaubär
32
4
9
4
7
8
Neben den zentralen Figuren ist auch die Verbindung zum eigenen Alltag für die Kinder von
Bedeutung, wenn es darum geht, welchen Angeboten bzw. Elementen sie sich zuwenden.
Der 5-jährige Moritz, der gern Bob der Baumeister sieht, mag es besonders gern, wenn
Bob mit Werkzeug hantiert: Moritz: „Ich mag am besten das Werkzeug.“ Interviewerin: „Und
warum magst du das am besten?“ Moritz: „Weil das so aussieht, wie das, was mein Papa
hat.“ Der gleichaltrige Benedikt stellt in Bezug auf die Sachgeschichte aus der Sendung mit
der Maus, in der es um einen Ohrenarztbesuch ging, fest: „Da war ich auch, beim Hördoktor.
Weil ich kann auch schlecht hören.“ Auch die befragten Eltern beobachten positive Reaktionen, wenn ihren Kindern eine Verbindung des im Fernsehen Dargestellten zu ihrem Alltag
gelingt. Die Mutter des 6-jährigen Lennart erzählt, „... keine Ahnung auf welchem Kanal,
da gibt es Kindernachrichten. Die sind auch richtig gut. Das interessier t ihn auch. Der will da
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wirklich etwas mitkriegen. Und am tollsten ist es halt, wenn irgendein Thema aufgegrif fen
wird, mit dem er sich selber vielleicht schon befasst hat, nehmen wir jetzt die Dinos oder so,
dann findet er das echt super.“
3.3 Was den Kindern zu schaffen macht
Wenn kleine Kinder fernsehen, dann sind sie oft auch gefühlsmäßig von dem Geschehen
auf dem Bildschirm gefesselt. Sie entdecken die Welt ihrer Heldinnen und Helden mit
diesen gemeinsam, fiebern in spannenden Situationen mit und freuen sich, wenn diese
eine Aufgabe erfolgreich bewältigt haben. Und natürlich finden sie es schön, wenn sie ihre
Lieblinge wiedersehen, wie oben für das Wiedererkennen der Maus bzw. Käpt’n Blaubär
beschrieben (vgl. 3.2). Wir wollten wissen, welche Situationen es sind, die den Kindern zu
schaffen machen. Es zeigte sich, dass für Kinder mit wenig Fernseherfahrung manchmal
schon sehr kurze Szenen in sonst kindgerechten Angeboten zu aufregend sind. So hat der
6-jährige Tizian bei der Serie Lars, der kleine Eisbär (KI.KA) „schon fast geheult, [...] wo
dann die Mutter plötzlich weg ist, oder die Freunde ... da war mal einer eingesperr t in so einen Kasten und kam nicht mehr raus und wurde irgendwohin verschif f t und die mussten den
dann irgendwie retten, also so hochdramatisch.“ Diese Angst, jemanden zu verlieren, ist
auch bei anderen Kindern zu beobachten, wie z.B. bei der 4-jährigen und wenig fernseherfahrenen Lina, die zu weinen anfing, als der Hase Felix beobachten musste, wie seine Familie in Gefahr geriet, als sich plötzlich an einer Riesenradgondel, in der die Familie saß,
Schrauben lösten und alle abzustürzen drohten. Mehrere Eltern erzählten darüber hinaus,
dass ihre Kinder mit der Szene aus dem Disneyfilm König der Löwen, in der der Vater stirbt,
nicht zurechtkamen.
Auch die bei den Mädchen beliebte Zeichentrickserie Bibi Blocksberg birgt laut den Eltern
Potenzial, den Kindern Angst zu machen oder sie zu verunsichern, und zwar dann, wenn
die Heldin in Gefahr gerät, bspw. als sie von der bösen Rabea verfolgt wird, oder aber,
wenn etwas geschieht, was die Kinder nicht verstehen. So erzählt die Mutter der 5-jährigen
Merle über den Kinofilm zu Bibi Blocksberg: „Also da haben ihr gewisse Sachen etwas Angst
gemacht. Und da hat sie dann zu Hause auch nachgefragt: „Gibt es das wirklich? Gibt es so
was?“ Verunsicherung bei den Kindern, wenn ihnen etwas unheimlich ist oder sie es nicht
verstehen, beobachten die Eltern aber auch bei anderen Inhalten, wie z.B. bei Kim Possible
(PRO 7), der Schülerin, die es als Geheimagentin mit verrückten Wissenschaftlern und
gefährlichen Schurken zu tun hat. (Kim Possible ist im FLIMMO der Rubrik „Mit Ecken und
Kanten“ zugeordnet.)
3.4 Die Bedeutung des Medienmarktes
Die Kinder sind auch dann von ihren Fernsehlieblingen umgeben, wenn sie nicht vor dem
Bildschirm sitzen. Keines der Kinder, mit denen zu Hause Einzelinterviews geführt wurden,
hat nicht das eine oder andere Spielzeug, das in Verbindung mit einer Fernsehserie steht.
Ob das Teletubbie Po zum Kuscheln oder ein Teletubbies-Puzzle, ob Bob, der Baumeister
und Baggi als Lego-Figuren oder ein Puzzle zur Serie, eine Spiderman-Figur, Hörkassetten
oder Zeitschriften von Bibi Blocksberg, Yu-Gi-Oh!- oder Pokémon-Karten, Maus und Elefant
auf einem T-Shirt oder ein Malbuch mit Maus-Motiven, Felix der Hase als Kuscheltier, auf
der Brotzeitbox und dem Rollkoffer oder die Abenteuer des Hasen in Buchform usw., alles
findet sich in den Kinderzimmern. Auch ihre ersten Erfahrungen mit Computer oder Internet machen die Kinder oft durch ihre Fernsehlieblinge. So ist die 4-jährige Natalia nicht nur
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ein Fan der Toggo-Schiene auf SuperRTL, auch im Internet kennt sie sich auf der ToggolinoSeite aus. Merle (5 Jahre) hat ein Computerspiel mit Benjamin Blümchen, der 6-jährige
Wenzel eine Winnie Pooh-CD-ROM. Fragt man die Kinder dann aber, ob sie sich die Sachen
gewünscht haben, weil sie die Figuren oder Motive aus dem Fernsehen kennen, verneinen
sie in den meisten Fällen. Sie haben sie irgendwann geschenkt bekommen, aber ohne Bezug zum Fernsehen. Die Eltern bestätigen das. Nur wenige Kinder wünschen sich ausdrücklich fernsehbezogene Artikel. Lediglich eine Mutter kritisiert, dass ihre Tochter immer wieder den Wunsch nach medienbezogenem Spielzeug hat, da dieses im Fernsehen stark beworben wird. Im Allgemeinen äußern die Kinder ab und zu solch einen Wunsch, wie z.B. der
5-jährige Cenk, der unbedingt eine Spiderman-Figur haben wollte. Er hat die Sendung noch
nie gesehen, kennt sie aber aus den Erzählungen seines 14-jährigen Bruders. Als ihm sein
Vater die gewünschte Figur schließlich gekauft hatte, war dieser „der beste Papa von der
ganzen Welt.“ Auch die 5-jährige Merle, die gerade ein großer Fan von Tabaluga ist, hatte
einen dringenden Wunsch. Als sie Anfang Dezember eine Tabaluga-Wärmflasche im Drogeriemarkt gesehen hatte, wollte sie diese gern haben. Sie hat sie dann aber nicht gleich
bekommen, sondern erst zu Weihnachten. Ihre Mutter erklärte ihr: „[...] dann musst du dir
das wünschen. Also so einfach mal mitnehmen geht nicht.“
Teilweise hatten die Kinder ihre Spielsachen oder Gebrauchsgegenstände mit Fernsehbezug schon bevor sie die entsprechende Sendung kannten. Die starke Verbreitung der verschiedenartigen Artikel mit dem Hasen Felix als Motiv könnten auch ein Grund für die
breite Aufmerksamkeit der Kinder für das entsprechende Fernsehangebot sein: Obwohl die
Sendung Briefe von Felix nur kurzzeitig lief - gerade in der Erhebungszeit -, wurde sie von
zehn der 32 Kinder als beliebtes Angebot genannt.
3.5 Die Fernseherziehung der Eltern
Die Eltern der Vorschulkinder legen Wert darauf, den Fernsehkonsum ihrer Töchter und
Söhne zu begleiten. Bis auf eine Ausnahme wissen es die Eltern aller einzeln interviewten
Kinder immer, wenn diese fernsehen und was sie dann sehen. Nur vier der 14 Kinder dürfen oder können den Fernsehapparat allein anschalten, drei von diesen müssen vorher
fragen. In der Regel sehen die Kinder nicht allein fern. Wenn sie ältere Geschwister haben,
sitzen sie mit diesen zusammen vor dem Fernsehapparat. Das kann auch hin und wieder
zu Auseinandersetzungen führen, wenn die Älteren etwas sehen wollen, was die Eltern für
die Jüngeren für noch nicht geeignet halten. In solchen Fällen müssen sowohl die Jüngeren
ab und zu zurückstecken als auch die Älteren. Gibt es keine älteren Geschwister, sieht in
vielen Fällen ein Elternteil mit dem Kind gemeinsam fern oder ist zumindest in der Nähe,
wenn das Kind fernsieht und lässt sich dann immer wieder blicken.
Manche Eltern, besonders Mütter, nutzen die Zeit, in der ihre Kinder vor dem Fernsehapparat sitzen, aber auch, um bspw. das Abendessen vorzubereiten oder andere Dinge im
Haushalt zu erledigen oder um am Wochenende mal etwas länger zu schlafen. Sie wissen
aber auch dann, welche Sendungen sich ihre Kinder gerade anschauen. Die Mutter einer
5-Jährigen erklärt: „Am Wochenende haben wir die Regelung, dass sie wenn ich länger schlafen will, dass sie ab 9 Uhr den Fernseher anschalten dar f und dann aber auch nur KI.KA. Da
weiß ich, was kommt.“ Die Mutter einer 3-Jährigen und eines 6-Jährigen ist strikt dagegen,
das Fernsehen als Babysitter einzusetzen: „Also ich schalte es auch nie ein, wenn ich jetzt
sehr beschäf tigt bin und gerne meine Ruhe hätte oder so.“
Bei der Auswahl des Fernsehprogramms für ihre Kinder legen die Eltern sowohl zeitliche
als auch inhaltliche Kriterien an. In der Regel dürfen die Kinder zwischen einer halben und
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einer Stunde pro Tag fernsehen. In manchen Familien müssen sich die Kinder entscheiden,
ob sie lieber fernsehen oder am Computer spielen wollen: „Also wir haben mit ihm ausgemacht, am Tag dar f er eine Stunde anschauen oder er dar f eine Stunde Computer spielen. Er
muss halt selber entscheiden, was er will.“ (Vater eines 5-Jährigen) Darüber hinaus achten
die meisten Eltern darauf, dass ihre Kinder nur ausgewählte Sendungen sehen. Für die
Auswahl führen sie verschiedene Kriterien an. Die Hälfte der befragten Eltern gibt explizit
an, ihre Kinder „nichts Kriegerisches“ bzw. keine Sendungen mit „kämpferischen Szenen“
anschauen zu lassen. In fünf der 14 Einzelfälle dürfen die Kinder nur KI.KA oder ARD und
ZDF sehen. Weitere Kriterien für die Auswahl sind, „dass keine Werbung drin ist“, „dass
diese Sensationslust oder der Aufregungsfaktor nicht überreizt wird“ oder auch „mehr so,
was ich auch kenne, also wo ich mir denke, das habe ich schon gesehen als Kind, das ist
schön.“ Lediglich eine Mutter erklärt, dass ihre 4-jährige Tochter den Fernseher anschalten
darf, wann sie will und dann auch das Programm selbst auswählen kann. Sie begründet
dies damit, dass auch sie selbst so erzogen wurde: „Ich dur f te mir auch alles anschauen.
Also meine Mutter hat nie verboten.“ (Bei dieser Familie handelt es sich um einen Ausreißer. Hier müsste genauer untersucht werden, was dies für das Kind bedeutet.)
Krach wegen des Fernsehens gibt es auch mit den 3- bis 6-Jährigen manchmal, es hält
sich aber nach Aussagen der Eltern in Grenzen. In den meisten Fällen gibt es Unstimmigkeiten zwischen Eltern und Kindern, weil die Kinder gern länger bzw. mehr fernsehen
wollen als ausgemacht. In Einzelfällen kommt es auch zu Auseinandersetzungen, weil die
Kinder Sendungen sehen bzw. mit den Eltern oder älteren Geschwistern mitsehen wollen,
die aus Sicht der Eltern für sie noch nicht geeignet sind.
Die Eltern der befragten 3- bis 6-Jährigen, sind der Meinung, dass das Fernsehen ihren
Kindern auch Sinnvolles bietet. Dies gilt vor allem für Sendungen, die Wissenswertes vermitteln oder zum Basteln anregen, wie Die Sendung mit der Maus, Wissen macht Ah!, Wir
testen die Besten, Anja und Anton, Löwenzahn, logo, Siebenstein, Ar t Attack, Toggo, Finger
Tips, Marvi Hämmer präsentier t National Geographic oder Tierdokumentationen. Die Mutter
eines 6-Jährigen, die als Aussiedlerin aus der Ukraine nach Deutschland gekommen ist,
meint generell, „um deutsch zu lernen, ist fernsehen schon gut.“
4
Zusammenfassung und Fazit
Fernsehen ist für Kinder im Vorschulalter eine beliebte Freizeitbeschäftigung, die in aller
Regel unter der Kontrolle der Eltern stattfindet. Die Kinder greifen auf ein breites Angebot
an Sendungen zu, bei dem es sich jedoch weitgehend um explizites Kinderprogramm handelt. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass das Senderspektrum der Kinder
relativ klein ist. In erster Linie wird das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen KI.KA
genutzt, gefolgt von SuperRTL. Über 80% der von den Kindern gesehenen Sendungen laufen auf diesen beiden Sendern. Erwähnenswert ist darüber hinaus nur noch RTL II als Anbieter der kämpferischen Anime-Serien Pokémon, Digimon und Yu-Gi-Oh!, die schon bei den
Jungen der jüngsten Altersgruppe beliebt sind.
Zum Repertoire der Kinder gehören sowohl Klassiker des Kinderprogramms als auch
neuere Angebote. Schon bei den 3- bis 4-Jährigen zeigen Mädchen und Jungen unterschiedliche Vorlieben. Während die Jungen sich Sendungen mit männlichen oder jungenhaften Helden (z.B. SpongeBob – Schwammkopf oder Bob, der Baumeister) zuwenden, die
zum Teil auch kämpferische Anteile haben (Yu-Gi-Oh!), bevorzugen die Mädchen die Abenteuer der kleinen Hexe Bibi Blocksberg oder des niedlichen Hasen Felix und seiner FreunSeite 7
din Sophie. Die Aufmerksamkeit der Kinder gilt dabei vor allem den zentralen Figuren.
Weiterhin fühlen die 3- bis 6-Jährigen sich von Angeboten, in denen sie Nähen zu ihrem
eigenen Alltag erkennen, angezogen. Ein Gutteil der Kinder zählt außerdem Angebote,
die Wissenswertes bieten, zu seinen Favoriten. Vor diesem Hintergrund sind vor allem
drei Punkte wichtig:
1. Die Tatsache, dass schon das jüngste Fernsehpublikum mit geschlechtsspezifischen
Bedürfnissen an das Fernsehen herantritt, zeigt, wie wichtig es ist, dass die Kinder nicht
nur mit einseitigen, oftmals überkommenen Rollenbildern konfrontiert werden (z.B. dem
starken kämpferischen Helden).
2. Kinder achten auf Bezüge zu ihrem Alltag. Diese liefern ihnen Ansatzpunkte, die ihnen
helfen, das Gesehene einzuordnen und zu verarbeiten.
3. Auch den 3- bis 6-Jährigen dient das Fernsehen schon als Wissensquelle. Sie schätzen
es, wenn ihnen Neues auf unterhaltsame Weise präsentiert wird. Eltern sollten den Wissensdurst ihrer Kinder bei der Auswahl des Fernsehprogramms im Blick haben.
Kleine Kinder sind von den Geschichten des Fernsehens fasziniert und erleben diese mit
ihren Heldinnen und Helden mit. Vor allem Kindern mit wenig Fernseherfahrung kann es
passieren, dass sie auf Szenen stoßen, die ihnen Angst machen und die sie noch nicht
verarbeiten können. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Hauptfigur Gefahr
läuft, eine „Bezugsperson“ (das kann auch ein Tier oder eine Fantasiefigur sein) zu verlieren. In solchen Fällen ist es hilfreich, wenn die Mutter oder der Vater in der Nähe sind
und gegebenenfalls vom Kind gerufen werden können. In jedem Fall ist es wichtig, dass
die Kinder wissen, sie können mit den Eltern über ihre Fernseherlebnisse reden und so
die Eindrücke nach und nach verarbeiten.
Die Mehrfachvermarktung von Fernsehfiguren und -geschichten hat inzwischen kaum
überschaubare Ausmaße angenommen. Die Fernsehheldinnen und -helden sind sowohl
in anderen Medien präsent als auch als Spielzeug oder auf Gebrauchsgegenständen,
was wiederum im Fernsehen beworben wird. Fernsehbezogenes Spielzeug ist mittlerweile in jedem Kinderzimmer vorhanden, wenn auch nicht jedes Kind einen Bezug zu
einem Fernsehangebot herstellen kann. Der Großteil der befragten 3- bis 6-Jährigen
äußerte bisher nur in wenigen Fällen den dringenden Wunsch nach fernsehbezogenen
Produkten, so dass dies für die meisten Eltern noch kein Problem darstellt.
Insgesamt ist den Eltern der Vorschulkinder wichtig, den Fernsehumgang ihrer Kinder
zu begleiten. Die meisten Eltern wissen, wann ihre Töchter und Söhne vor dem Fernsehapparat sitzen und was sie dann sehen. Sowohl in Bezug auf die Zeiten als auch auf die
Inhalte gibt es in den meisten Haushalten klare Regeln. Die 3- bis 6-Jährigen dürfen zwischen einer halben Stunde und einer Stunde am Tag fernsehen. Inhaltlich achten die
Eltern darauf, dass es sich dabei um Kinderprogramm handelt. Nicht alle Kinder sind mit
diesen Regeln immer einverstanden und so gibt es in mehreren Familien vor allem dann
hin und wieder Krach, wenn die Kinder länger fernsehen wollen als erlaubt.
Alle Eltern sind sich einig, dass das Fernsehen ihren Kindern auch Sinnvolles bietet.
Dabei denken die meisten an Sendungen, die den Kindern Wissen vermitteln oder die sie
zum Basteln anleiten.
Zusammengefasst hat diese Untersuchung (wieder) gezeigt, wie wichtig es ist, den Fernsehumgang der jüngsten Altersgruppe zu begleiten. Das Angebot, das in der für die 3- bis
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6-Jährigen relevanten Zeit läuft, ist groß und nicht alles ist für die Kinder geeignet. Auch
die Konzentrationsfähigkeit der Mädchen und Jungen ist noch eingeschränkt. Um einer
Überforderung vorzubeugen, sind die Jüngsten deshalb auf die Unterstützung der Eltern
angewiesen.
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