K3 Juni.indd - Kreisjugendring München
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12 Schwerpunkt Kinder und Jugendliche als Konsumenten Konsum als Bildungsthema Was kostet die Welt? „Nachhaltig konsumieren heißt: anders einkaufen, verbrauchen, nutzen, mobil sein – bewusst entscheiden“, fordert der Rat für nachhaltige Entwicklung. Aber Konsum ist der Motor der Wirtschaft und daher fast so etwas wie eine staatsbürgerliche Pflicht. So jedenfalls sehen es WirtschaftsexpertInnen und PolitikerInnen dieses Landes. Wir alle konsumieren ja auch gerne und viel – jeden Tag. Vom nachhaltigen Konsumverhalten, so wie es die Agenda 21 im Kapitel vier fordert, sind wir weit entfernt. Fragen des Konsums sind auch für Kinder und Jugendliche von Bedeutung. Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Produkt ist oft die Entscheidung, ob sie zu einer bestimmten Clique dazugehören wollen. Kinder und Jugendliche verfügen durch Taschengeld und sonstige Einnahmen ü b e r e i n e b e d e u t e n d e G e l d m e n g e. Darüber hinaus beeinflussen sie alle Kaufentscheidungen der Familie, von Nahrungsmitteln über elektrische und technische Geräte, Einr ichtungsge genständen bis hin zu Reisen. Immer wichtiger wird für Kinder und Jugendliche die Frage, wer welche Konsumgüter und Markenprodukte besitzt: Kleidung, Accessoires, Handys, Uhren etc. Hier entscheidet sich, ob man „in“ oder völlig „out“ ist. Daher sind Kinder und Jugendliche zu einem erforschten und umworbenen Klientel geworden. Die Prägung auf Marken erfolgt schon im Kleinkindalter: Ab dem 4. Lebensjahr zeigen Kinder Markenbewusstsein (vgl. FORUM, S. 12). Zwei Drittel scheinen ihre anfängliche Markenbindung später beizubehalten. Die Werbung lohnt sich daher für die Anbieter, die das junge Klientel aggressiv umwerben: Etwa 900 Werbespots werden von Kindern und Jugendlichen monatlich konsumiert. Für nachhaltige Entwicklung Konsum erforder t die Bereitstellung, Nutzung und Entsorgung von Gütern, Energie und Ressourcen, die letzt endlich alle aus der Natur stammen. Daher ist Konsum die Hauptursache für die menschliche Naturbeanspruchung. Vielen Menschen ist nicht klar, dass ein Zusammenhang zwischen dem eigenen Konsumverhalten und dem Naturverbrauch besteht, und der bedrohliche Ressourcenverbrauch auch auf das Konsumverhalten des Menschen zurückfällt. Projekte zum Thema Konsum können deshalb gut an den Ursachen und Folgen des eigenen Konsumverhaltens anknüpfen und diese bewusst machen. Da Konsum eine zentrale Bedeutung für die individuelle und soziale Identität hat, eignet sich dieses Thema sehr gut, um mit Kindern und Jugendlichen über Nachhaltigkeit ins Gespräch zu kommen. Aber es ist gerade deshalb auch heikel. Ein erhobener Zeigefinger wird nicht zu einer Verhaltensänderung führen, wichtiger ist es, die unterschiedlichen Lebensstile, Wertvorstellungen und Konsummuster aufzuspüren und einzubinden. So können mehrere Anknüpfpunkte den Bezug zu nachhaltigem Konsum herstellen. Foto: Erika Hennig Im folgenden Beispiel „Marken, Mode und Moneten“ sind diese u.a. Umweltbewusstsein, Energieverbrauch sowie soziale Aspekte wie Kinderarbeit und Wertschätzung der mühevollen Arbeit anderer Menschen. Ein Schlüssel für die erfolgreiche Bildungsarbeit liegt in partizipativen, gemeinsamen, praktischen Aktionen. Zum einen ist die Bereitschaft zum selbstbestimmten Umwelthandeln in einer Gemeinschaft größer, zum anderen machen Gemeinschaftsaktionen in peer groups Spaß und lassen durch deren Struktur auch Erfolge erkennen. Das folgende Projekt animiert SchülerInnen dazu, ihren eigenen (Mode-)Stil selbstbewusst und nachhaltig zu gestalten, unabhängig von Modevorgaben oder Klassenzwängen. Marken, Mode und Moneten Konsum, Werbung, Lebensstile und Kinderarbeit sind die Themen des Schulklassenprojektes „Marken, Mode und Moneten“ von Ökoprojekt – MobilSpiel e.V. Ziel ist es, Mädchen und Jungen der 4. bis 6. Jahrgangsstufen aller Schularten für ihr Konsumverhalten zu sensibilisieren und sie anzuregen, hinter die Kulissen der Bekleidungs- und Modeindustrie zu schauen. Dazu müssen sie selbst aktiv werden. An einem Projektvormittag erarbeiten die SchülerInnen unter Anleitung von PädagogInnen aus der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung mit Hilfe von Computer, Internet, Theaterspielen und einer Modewerkstatt Wissenswertes, globale Zusammenhänge und neue Aspekte zum Thema. Ausgehend von der Bedeutung von Marken für die SchülerInnen und ihrem eigenen Kaufverhalten, recherchieren sie, unter welchen Bedingungen Kinder in Indien in der Modebranche arbeiten müssen. Sie überlegen gemeinsam die Ursachen für Kinderarbeit: z.B. schlechte Schulbildung, keine Gesundheitsvorsorge und der Wunsch vieler Menschen in den reicheren Ländern, schicke Klamotten zu billigen Preisen zu kaufen. In Gruppenarbeit gehen sie den Fragen nach: „Was ist uns eigentlich wichtig im Leben?“ und „Wie können wir uns für faire Verhältnisse einsetzen?“ In einem Pressestudio recherchieren die SchülerInnen mit Hilfe eines Fragebogens, welchen Weg eine Jeans zurücklegt, bevor sie im Modegeschäft zu finden ist. In der anschließenden Redaktionskonferenz sammeln sie Themen für eine eigene Zeitung. Die einen schreiben Artikel zu den Ursachen von Kinderarbeit und arbeiten Vorschläge für ein nachhaltigeres Konsumverhalten in ihrem Alltag aus, andere führen Interviews, gestal- ten eine Titelseite und schreiben das Impressum. In einem Theaterworkshop erfinden die SchülerInnen kleine Szenen und durchleuchten anhand von Werbeslogans die verführerischen Taktiken der Werbeindustrie. In einer Werkstatt arbeiten die SchülerInnen zunächst in einer fiktiven Papiertütenfabrik, wo sie 20 Minuten lang s c h we i g e n d Pa p i e r t ü t e n i m A k ko r d kleben. Anschließend rechnen sie aus, was sie sich von ihrem Lohn kaufen können, z. B. ein Dutzend Bananen für die ganze Klasse. Sie überlegen, wofür sie ihr Geld im Alltag ausgeben, und ob es nicht viele Dinge gibt, die man auch selber machen kann. Im Modestudio sind sie selbst kreativ und gestalten schicke Accessoires wie Hüte, kleine Taschen, Armbänder. Zum Abschluss des Projekttages präsentieren die Gruppen ihre Ergebnisse. Sie stellen ihre selbst geschriebene und gestaltete Zeitung vor, diskutieren dar- über, was fairer Handel bedeutet, dass „chic“ nicht gleich „gut drauf“ bedeutet und was der Wert des Selbermachens ist. Die SchülerInnen überlegen sich, wie sie ihre Zukunft ein Stück weit im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gestalten können. Was sie mitnehmen? Das Bewusstsein, etwas Schönes geschaffen zu haben, was sie mit Freude oder Stolz erfüllt und was den Kriterien nachhaltigen Konsums entspricht und Anregungen, daran weiterzudenken. Wer sich die Materialen und Bausteine zum Projekt besorgen möchte, kann sie unter www.praxis-umweltbildung.de einsehen und herunterladen. Nachahmung ist – im Sinne nachhaltigen Konsums – ausdrücklich erlaubt. Mareike Haupt Annette Konrad Ökoprojekt - MobilSpiel e.V. Welserstr. 23, 81373 München www.mobilspiel.de/oekoprojekt Literatur ■ FORUM Umweltbildung Österreich: KonsUmsichten – Nachhaltiger Konsum und Lebensstile. Eigenverlag, Wien 2004, 58 S., e 5, ISBN 3900717-55-9 ■ Rat für Nachhaltige Entwicklung (Hrsg.): Der Nachhaltige Warenkorb – Ein Wegweiser zum zukunftsfähigen Konsum. Hannover 2005, 3. Auflage; Bezug: Download unter www.nachhaltigkeitsrat.de/projekte/warenkorb/index.html ■ Mareike Haupt: „Was kostet die Welt? Konsum als Thema der Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in: Netzwerk UmweltBildung, Rundbrief zur Bildung für nachhaltige Entwicklung von Ökoprojekt MobilSpiel e.V., 13. Jahrgang, 10/2005, S. 7-12 Interview HappyMeal und MobileMarketing Thomas von Wichert (50) ist bei der Werbeagentur Heye & Partner in München als Management Representative für den Kunden McDonald’s zuständig. Wir befragten ihn zum Thema zielgruppenspezifische Werbung für Kinder und Jugendliche. Unterscheiden Sie bei Ihren Werbemaßnahmen verschiedene Zielgruppen? Seit wann wird zielgruppenspezifisch geworben? Zielgruppenunterscheidung hat im Laufe der letzten Jahre immer mehr zugenommen. Auch wenn die Markenwahrnehmung bei Kindern und Jugendlichen sehr früh einsetzt, ist es die Aufgabe, sehr enge Zielgruppen mit relativ wenig Mitgliedern genau zu treffen. Unter anderem deswegen, weil Kinder heute früher älter werden und sich damit früher nach der nächst älteren Altersgruppe orientieren. McDonald´s bietet deshalb im HappyMeal abwechselnd Produkte für jüngere und ältere Kinder an. In der Bewerbung versucht man, um Massenmedien nutzen zu können, nicht zu spitz zu werden. Welche Werbeformen entwickeln Sie für Kinder und Jugendliche? Welches Konzept steht dahinter? Werbung, die sich an Kinder richtet, findet einerseits im TV, andererseits im Rahmen des Juniorclubs (Direktmarketing) statt. Bei McDonald´s ist das Restaurant selbst ebenfalls Medium. Jugendliche erreicht man auch über Massenmedien (TV/Funk), aber mit zunehmendem Alter sind sie auch über MobileMarketing anzusprechen. Neben der Auswahl der Mediakanäle ist aber die zu vermittelnde Botschaft von großer Bedeutung. Thomas von Wichert Der Erfolg von Werbung hängt von der Relevanz des Angebotes für die Zielgruppe ab. Erst danach geht es um die werbliche Ansprache der Zielgruppe. Bei dieser Ansprache ist darauf zu achten, dass die Bedürfnisse der Zielgruppe getroffen werden. Diese können sogar bei einem identischen Produkt unterschiedlich sein. Wird die Wirksamkeit der Werbung im Vorfeld getestet? Wie wird der Erfolg gemessen? Natür lich gibt es Testverfahren, um Werbemaßnahmen auf Schlüssigkeit Foto: Heye & Partner und Erfolgsaussichten zu überprüfen. McDonald´s setzt allerdings wenig auf derartige Tests im Vorfeld. Das schlussendliche Erfolgskriterium ist der Umsatz bzw. die verkauften Stückzahlen, die durch die entsprechende Werbemaßnahme generiert werden. Bei Imagewerbung ist es die Verbesserung von Imageratings, die durch regelmäßige Marktforschung gemessen werden. Wie groß ist das Budget speziell für die Zielgruppe Kinder / Jugendliche? Bitte haben Sie Verständnis, dass wir hierzu keine Angabe machen. 13 Kinder und Jugendliche als Konsumenten Schwerpunkt 14 Schwerpunkt Kinder und Jugendliche als Konsumenten Verschuldung bei jungen Erwachsenen Schuldenkompass 2005 veröffentlichte die SCHUFA Holding AG ihren neuen Schulden-Kompass. Auf der Basis von rund 362 Millionen Datensätzen von ca. 62 Millionen volljährigen Personen findet seit drei Jahren eine Auswertung zu dem Thema private Ver- und Überschuldung statt. In seiner dritten Ausgabe widmet sich der Schulden-Kompass nun dem Vergleich der Daten über den Zeitraum von drei Jahren, der Gegenüberstellung von Daten mit anderen Quellen1 und in einem weiteren Schwerpunkt der Auswertung der Daten von jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren. Die Besonderheit des Schulden-Kompass liegt in der Repräsentativität der Daten, trotzdem können nur Teilaspekte von Verund Überschuldung beleuchtet werden. Dies liegt vor allem an den Datensätzen. Neben Name, Straße, Wohnort sammelt die SCHUFA Holding AG alle Daten mit kreditorischen Risiken z.B. ein Girokonto mit Dispo, eine Kreditkarte, einen Ratenkredit. Außerdem speichert sie sog. Anfragen, z.B. die Anfrage nach einem Girokonto oder Kredit. Keine Daten hat die SCHUFA dagegen zur Haushaltssituation, zu Ehegatten, zu Einkommen und Vermögen, zu Beruf usw. Grundsätzlich gibt es bei der SCHUFA Holding AG Positiv- und Negativeinträge. 93 Prozent der Einträge sind positiv wie die Tatsache, dass ein Girokonto geführt wird, ein Ratenkredit läuft oder eine Leasingverpflichtung besteht. Kommt es zu keinerlei Zahlungsstörungen bzw. werden diese geregelt zurück gezahlt, gelten diese Einträge als positiv. Nur sieben Prozent der Einträge sind negativ wie beispielsweise der Vermerk über ein Konto in Abwicklung (gekündigtes Konto), eine eidesstattliche Versicherung (EV) oder das Insolvenzverfahren etc. Unterschieden werden die Negativmerkmale des Weiteren in weiche und harte Merkmale. Als weiche Merkmale gelten Zahlungsstörungen aus offenen, ausreichend gemahnten und unbestrittenen Forderungen. Harte Merkmale sind die EV, der Haftbefehl zur Abgabe der EV und die Privatinsolvenz. Fasst man nun die Entwicklung der Verschuldung in den letzten drei Jahren anhand dieser Daten zusammen, zeigen sich folgende Trends: Die Kreditbelastungen, also die aktuell noch bestehenden Verpflichtungen sog. Restschulden aus laufenden Krediten haben in den letzten drei Jahren zugenommen. Die durchschnittlichen Kredite sind im Westen höher als in den neuen Bundesländern. Nichts desto trotz liegen rund 45 Prozent der laufenden Kredite bei einer Summe von 7000 Euro. Können Kredite nicht zurückbezahlt werden (Ausfallquote), dann handelt es sich häufiger um Kleinkredite. Überproportional häufig fallen Kredite von 1000 Euro, 2000 Euro und 3000 Euro aus. Betrachtet man nun Häufigkeit und Arten der Negativeinträge, so fällt auf, dass der Anteil der Personen mit mindestens einem Negativmerkmal gestiegen ist. Außerdem hat der Anteil der Personen mit harten Negativmerkmalen in allen Altersgruppen zugenommen. Junge Erwachsene haben häufig Schulden Die spezielle Analyse für junge Erwachsene zeigt ein noch differenzier teres Bild. Gemessen am Anteil der Gesamtbevölkerung ist bei ihnen der Anteil der Personen mit Zahlungsstörungen stärker gestiegen. Die entstandenen Salden können dabei aus den Branchen Banken, Handel und Telekommunikation sein. Wie vielleicht erwartet, meldet die Telekommunikationsbranche die meisten Störungen. Banken und Handel haben keine Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Erwachsenen zu verzeichnen. Mit 9,96 Prozent an Zahlungsstörungen liegt der Anteil bei jungen Erwachsenen fast doppelt so hoch wie bei allen anderen Altersgruppen. Haben junge Erwachsene ein Negativmerkmal – wie d e n E i n t ra g e i n e r Z a h l u n g s s t ö r u n g – dann haben sie in ca. 50 Prozent nur einen negativen Eintrag, in ca. 20 Prozent zwei negative Einträge und in über 12 Prozent drei und vier negative Einträge. Auffallend ist, dass das zweite Negativmerkmal meist aus der Branche des ersten Negativmerkmals stammt. Die durchschnittliche Höhe der ausgefallenen Forderungen ist dagegen bei jungen Menschen relativ niedrig. Dies hängt zum einen mit der Hauptbranche Telekommunikation zusammen, in der häufig „Kleinschulden“ bis 1000 Euro entstehen. Zum anderen werden von jungen Erwachsenen auch in den anderen Bereichen eher Kleinkredite bis 2000 Euro aufgenommen (26,4 Prozent). Zieht man die Daten des SOEP hinzu, kann man bei den jungen Erwachsenen eine andere Ausgangsbedingung für Überschuldung 2 erkennen. Bezüglich der Geschlechter ver teilung bei den 18- bis 24-Jährigen zeigt sich, dass bis zu 57 Prozent junge Männer ver- bzw. ■ SCHUFA Holding AG 2005: Schulden-Kompass 2005. Empir ische Indikatoren der privaten Ver- und Überschuldung in Deutschland. überschuldet sind. Nur 4,3 Prozent der jungen Erwachsenen sind mit sog. Konsumentenkrediten verschuldet. Sind sie dagegen mit dieser Kreditform verschuldet, haben sie ein hoch überproportionales Überschuldungsrisiko, wenn sie im eigenen Haushalt mit einem Partner leben. Wohnen sie dagegen alleine oder bei den Eltern haben sie ein geringeres Überschuldungsrisiko. Anhand vorangegangener Ausführungen stellt sich gerade bei den jungen Erwachsenen der starke Einfluss der Wirtschaftsgemeinschaft dar. Es wurde daher auch der Frage nachgegangen, wie sich das Risiko der Überschuldung veränder t, wenn die Person in einem Haushalt mit relativer Einkommensarmut 3 lebt. Und so zeigt sich, dass das Überschuldungsrisiko für junge Erwachsene doppelt so hoch ist, wenn sie in einem einkommensarmen Haushalt leben. Die Wirtschaftsgemeinschaft ist somit nicht mehr in der Lage die finanzielle Notsituation auszugleichen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Bei jungen Erwachsenen entstehen die meisten Zahlungsstörungen in der Telekommunikationsbranche, was angesichts der starken Verbreitung des Handys nicht verwundert. Des Weiteren sind finanzielle Schwierigkeiten in dieser Gruppe stark von der Lebenssituation wie allein lebend oder bei den Eltern lebend abhängig. Leben junge Erwachsene aber in einem armen Haushalt, steigt das Risiko für Überschuldung an. Zu guter Letzt schreibt selbst die SCHUFA: „Grundsätzlich kommt bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren der Verschuldung bei Privatpersonen (Eltern, Verwandten, Freunde usw.) noch eine große Bedeutung zu.“ (2005, S. 124). Diese Schulden finden sich auch in den Daten der SCHUFA nicht. Claudia Caspari Projekt CASHLESS 1 Z.B. dem SOEP (sozioökonomisches Panel), eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland. 2 Als überschuldet gelten Personen, denen nach Abzug der Zahlungsverpflichtungen das verbleibende Einkommen nicht mehr zur Deckung der Lebenshaltungskosten nach den Sozialhilferegelsätzen reicht. (SCHUFA Holding AG 2005, S. 146) 3 Relative Einkommensarmut liegt vor, wenn das Haushaltnettoeinkommen 50 Prozent oder weniger des Durchschnittseinkommens vergleichbarer Haushalte aufweist. Verschuldung junger Erwachsener entgegenwirken Kein Porsche, aber bar bezahlt! Die starke Konsumneigung und die zunehmende Ver- und Überschuldung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird in den Medien immer wieder diskutiert. Angesichts dessen stellte sich nun die Frage: Was tun? Schuldenprävention ist das Schlagwort, und seit September 2004 widmet sich das Projekt CASHLESS-MÜNCHEN 1 dieser Thematik. Ziel des Projektes ist es, Wissen und Kenntnisse in finanziellen Bereichen zu vermitteln. Erste Zielgruppe sind Jugendliche in der beruflichen Bildung, also in Berufsqualifizierungs- oder Berufsvorbereitungsmaßnahmen, in Berufsschulen und in abH-Einrichtungen. Gerade diese Gruppe stellt ein besonderes Klientel dar, da sie zum einen schon über regelmäßiges Einkommen verfügt, zum anderen – bald oder bereits volljährig – Zugang zu Dispokrediten, Darlehensverträgen, Ratenzahlungen etc. hat. In methodisch jugendgerecht aufbereiteter Form werden mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Themen erarbeitet, die sich in ihrer Lebenswelt finden und erste Verschuldungsrisiken bergen, beispielsweise das Handy oder die erste eigene Wohnung. 2005 konnten hierdurch über 1000 Jugendliche in Münchner Einrichtungen erreicht werden. Ein weiterer Aspekt von CASHLESSMÜNCHEN liegt in der Gestaltung von Informationsmedien, die Tipps zum Umgang mit Geld beinhalten und auf Kostenfallen hinweisen. Die Materialien richten sich an Jugendliche, sollen aber auch von Pädagog/innen in Beratungssituationen verwendet werden. Entwickelt und im Einsatz sind zur Zeit verschiedenste Flyer zu Themen wie Handy, Führerschein, Internetshoppen, Wohnung usw. Außerdem gibt es Postkarten mit den Telefonnummern aller Münchner Schuldnerberatungsstellen sowie eine Posterserie zum Aufhängen in Freizeit- und Jugendeinrichtungen. Gerade die Selbstverständlichkeit, mit der Jugendliche ihre Informationen im Netz suchen und die Tatsache, dass es sich bei Geld und Schulden um ein Tabuthema handelt, legt eine Internetpräsenz nahe. Seit Mai 2005 ist auch dies verwirklicht und das Projekt ist unter www.cashlessmuenchen.de online vertreten. Hier können sich Jugendliche ebenso wie Pädagog/innen und Eltern rechtliche Informationen einholen. Sie können kostenlos CASHLESS-Materialien bestellen und erhalten Literaturtipps und Links. Für 2006 stehen weitere Aktivitäten an. Die Ausweitung auf die Zielgruppe Hauptschüler/innen und die damit notwendige Entwicklung neuer Konzepte sind dabei nur ein Teilbereich. In Planung befinden sich diverse Projek- te, so ein Foto-, Theater- und Filmprojekt in Kooperation mit Freizeiteinrichtungen des Kreisjugendring München-Stadt. Hierdurch sollen vor allem mit neuen Methoden andere Zielgruppen erreicht werden. Auch die Ausweitung von Angeboten an Multiplikatorenschulungen befindet sich bereits in Arbeit. Interessier te können ger ne Kontakt mit Claudia Caspari, Paul-Heyse-Str. 22, 80336 München unter der Telefonnummer 51 41 06 983 oder per Mail [email protected] aufnehmen. Die Studie „Auszubildende und Schulden“ ist unter www.azuromuenchen.de oder www.dgbjugend-muenchen.de erhältlich. Oder direkt bei der DGB-Jugend München, Schwanthalerstr. 64, 80336 München, Tel. 51700-107. Claudia Caspari Projekt CASHLESS 1 Träger des P r o j e k t e s s i n d : g emeinnützige Anderwerk GmbH, AWO München gemeinnützige BetriebsGmbH, DGB Region-München und Kreisjugendring München-Stadt. Das Projekt wird gefördert von der Landeshauptstadt München. 15 Kinder und Jugendliche als Konsumenten Schwerpunkt 16 Schwerpunkt Kinder und Jugendliche als Konsumenten Der Reiz konsumierbarer Medienwelten Multimedial und käuflich Das Computerspiel zu Harry Potter, die Spielfiguren zu Dragon Ball Z, das Poster zum neuen Herr der Ringe-Film, ein neues Handy mit Bluetooth-Schnittstelle oder ein neuer iPod: Diese Beispiele zeigen, dass die Übergänge zwischen Medien- und Konsumwelten fließend sind. So bildet zum einen die Mehrfachvermarktung von Filmen, Fernsehserien, Computerspielen etc. und der Einsatz ihrer Hauptfiguren für diverse Konsumartikel einen selbstverständlichen Bestandteil unseres Medienangebots. Zum anderen werden jene Gerätschaften, die mobile und ortsunabhängige Mediennutzung ermöglichen, zur Zeit intensiv beworben und teilweise auch nachgefragt. Z.B. wird dies an der raschen Verbreitung von mp3-Playern deutlich. Worin liegt für Heranwachsende der Reiz, sich mit all diesen medialen Angeboten zu umgeben, seien es mediale Inhalte, Medienfiguren oder technische Geräte? Populäre Medienfiguren bedienen das Bedürfnis nach Identifikation Neben Spaß, Unterhaltung und Zeitver treib suchen Heranwachsende in den Medien auch nach Orientierung. Im Speziellen ist es die Orientierung an personalen Vorbildern, den Identifikationsfiguren, die einer genaueren Betrachtung unterzogen werden muss, um die Begeisterung der Heranwachsenden für sog. Medienmarken, wie z.B. Dragon Ball Z, Herr der Ringe und Star Wars zu verstehen. Was z.B. den 14-jährigen Christoph an Dragon Ball Z fasziniert, wird an folgendem Zitat deutlich: „Son Goku ist ein Außerirdischer und der ist auf der Erde, und er muss die Welt vor lauter Bösewichten, die eben nach und nach kommen, beschützen. Er macht’s, weil er der Stärkste auf der Erde ist, und ja, das ist ja auch so sein Ziel in Dragon Ball Z, dass er eben der Stärkste ist, also dass er alle Grenzen sprengt. ... Ja, wenn ein Kampf ansteht, dann kommen die auch alle zusammen zu dem Treffpunkt, wo der Kampf ist, falls halt der eine k.o. geht, dass sie dann gleich mitkämpfen können oder im Zweifelsfall, wenn der Feind zu stark ist, dass sie alle auf einmal helfen können.“ 1 Son Goku ist einer der Hauptfiguren in Dragon Ball Z (Bildnachweis: www. dragonballz.de) Ein umfassender Medien- und Konsumverbund, der gerade im Bereich actionhaltiger Medieninhalte zu beobachten ist, unterstützt die Vorlieben für Action-Helden bei den – mehrheitlich männlichen – Heranwachsenden. Der Medienmarkt umwirbt gerade die Jungen massiv mit immer neuen Angeboten aus dem ActionBereich und bedient dabei zum einen die Bedürfnisse der Heranwachsenden, zum anderen werden damit auch stereotype Vorlagen für Handlungsmuster wie das Starksein und Sich-durchsetzen-Müssen immer wieder aufs Neue verstärkt. Der Medien- und Konsummarkt schafft Spielwelten Kinder spielen und sammeln gerne. Im Spiel finden sie Wege und Möglichkeiten, sich und ihre Erfahrungen und Beobachtungen auszudrücken. Sie holen sich dazu auch ihre Medienhelden und -heldinnen ins Kinderzimmer und bearbeiten mit ihnen ihre aktuellen Alltagsthemen. Dieses Spiel mit den Medienfiguren ist nicht nur ein Nachahmen gesehener Filme oder Serien, sondern hat oft die Form eines Puzzles, d.h. die Eigenschaften, Verhaltensweisen und das Aussehen der medialen Vorbilder werden zerlegt und mit den Alltagserfahrungen, Fantasien und Wunschträumen des Kindes zu einem neuen Bild zusammengesetzt. Durch die Merchandisingprodukte sind die Medienfiguren nicht nur gegenwär tig, solange der Fer nseher läuft, sondern auch im Kinderzimmer ständig zugänglich. Dies gilt natürlich nicht nur für das Fernsehen, sondern auch für die Figuren aus Computerspielen und Kinofilmen. Der Sammel- und Spieltrieb Weiterführende Materialien für die pädagogische Arbeit ■ Aufenanger, Stefan / Neuß, Norbert (1999): Alles Werbung oder was? Medienpädagogische Ansätze zur Vermittlung von Werbekompetenz im Kindergarten. Kiel. ■ JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis/Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern (AJ) (Hrsg.): Aufwachsen in Actionwelten. Ein Materialpaket zu gewalthaltigen Spielwelten und Medienverbünden. Darin: Multime-dial und käuflich: Action auf dem Medien- und Konsummarkt. Vermarktungsmodul. München: kopaed. ■ Mater ial zur Thematisier ung des Themas Handy in der pädagogischen Arbeit, weiterführende Links und Literatur. Verfügbar unter: www.jff. de/dateien/material_zum_handy.pdf der Kinder erhält durch die Vielzahl an Sammelkarten, Postern, Bildern und Figuren neuen Anstoß. Die MerchandisingArtikel unterstützen den Aufbau einer Beziehung zu den Medienlieblingen. So wird z.B. der Schulhof zum Kommunikationsort über die Medienvorlieben und zur Tauschbörse für die Medienfiguren und Sammelkarten. Durch die Produktpalette der Medienmarken entsteht eine allzeit präsente, scheinbar alles umfassende Medien- und Er lebniswelt, die nicht nur während des Computerspielens oder Fernsehens fesselt, sondern den gesamten Alltag begleitet. Dies beginnt bereits im Vorschulalter, wenn man z.B. an mediale Angebote wie Bob, der Baumeister denkt. Dabei sein und dazu gehören Die intensive Beschäftigung mit den medialen Vorlagen macht Kinder und Jugendliche zu Expertinnen und Experten ihrer „Fan-Kultur.“ Sie wissen „mehr“ als die Erwachsenen: Dies trägt dazu bei, ein Stück eigene Welt zu haben und sich so gegenüber der Welt der Erwachsenen abgrenzen und behaupten zu können. Bereits bei jüngeren Kindern wecken die gezielten Marketingstrategien Wünsche nach dem Besitz der beliebten Medienfiguren in allen erdenklichen Formen. Vertiefende Literatur mit empirischen Ergebnissen zum Thema: ■ Feil, Chr istine: Kinder, Geld und Konsum. Die Kommerzialisierung der Kindheit. Weinheim/München: Juventa Verlag. ■ Paus-Hasebrink, Ingrid/ NeumannBraun, Klaus/ Hasebrink, Uwe/Aufenanger, Stefan (Hrsg.): Medienkindheit – Mar kenkindheit: Untersuchung zur multimedialen Verwer tung von Markenzeichen für Kinder. München: kopaed. ■ Wagner, Ulrike/Theunert, Helga/Gebel, Christa/Lauber, Achim (2004): Zwischen Vereinnahmung und Eigensinn. Konvergenz im Medienalltag Heranwachsender. München: Verlag Reinhard Fischer. Ihre Besitztümer sind ihnen wichtig und sie sind dementsprechend stolz darauf. Mit zunehmendem Alter spielen für die medialen Vorlieben die Freundinnen und Freunde – die „Peer Group“ – eine immer größere Rolle: In der Gruppe werden die neuesten Entwicklungen der Fernsehserie diskutiert, Bilder und Karten getauscht und die soeben erworbenen Soundtracks etc. bestaunt. Der Expertenstatus innerhalb der Gruppe bringt zudem soziales Prestige und Aner kennung ein: Hoch angesehen sind jene, die besonders viele Poster, TShirts, CDs und Ähnliches zur jeweiligen medialen Vorlage besitzen und immer auf dem aktuellen Stand im Wissen über die Protagonistinnen und Protagonisten sind. Diese Zugehörigkeit zu einer bestimmten Fan-Gemeinde verleiht Sicherheit und macht es scheinbar einfacher, sich selbst zu positionieren. Ausgedrückt wird damit gleichzeitig die Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen. Die Medienmarken können damit identitätsstiftende Funktionen übernehmen. Werden den jüngeren Kindern die medialen Begleitprodukte noch von Eltern oder Verwandten gekauft, sind die etwas Älteren zunehmend selbstständig in der Entwicklung ihrer Vorlieben und haben durch die steigende Verfügbarkeit von Taschengeld auch mehr Möglichkeiten, sich selbst auf dem Medien- und Konsummarkt zu bedienen. Das Taschengeld steigt aber nicht immer im gleichen Ausmaß wie die Ansprüche der Heranwachsenden. Es beginnt eine schwierige Gratwanderung zwischen Gewähren und Verbieten der Konsumwünsche, was vor allem in den Familien einiges an Konfliktpotenzial birgt. Das Geschäft mit der Popularität Waren die Helden früher allenfalls auf Sammelbildern oder Stiften anzutreffen, spannen Medien- und Konsumverbünde heutzutage ein regelrechtes Netz, welches Kinder und Jugendliche in eine umfassende Er lebniswelt integr ier t. Dieses Geschäft mit Merchandising und Mehrfachvermarktung medialer Angebote boomt – allein im deutschsprachigen Raum wurden im Jahr 2001 rund 24 Milliarden Euro umgesetzt. 2 Organisiert wird es von spezialisierten Agenturen, die zwischen Lizenzgebern, den Urhebern von Medienfiguren, und den Lizenznehmern wie z.B. Lebensmittelfirmen oder Spielwarenherstellern vermitteln. Die Agentur verkauft per Lizenz die Urheberrechte an den Lizenznehmer und ist für ihre Vermittlungsarbeit prozentual an Umsatz oder Gewinn beteiligt. Die Lizenzgeber und Lizenznehmer profitieren voneinander in mehrfacher Hinsicht. Für den Lizenznehmer überträgt sich das positive Image bzw. die Popularität einer Figur auf sein Produkt (den Joghurt, die Zahnbürste, das PC-Spiel ...), wodurch – so das Kalkül – die Verkaufszahlen gesteigert werden. Der Lizenzgeber seinerseits verdient am Verkauf der Rechte und zusätzlich profitiert er vom guten Image des Lizenznehmers, das auch auf sein Produkt positiv zurückwirkt. 3 Besonders gut läuft das Geschäft für beide Seiten, wenn die vermarkteten Figuren bereits bei Kindern und Jugendlichen bekannt und populär sind. Das Geschäft mit den Lizenzen Aber nicht nur Mehrfachvermarktung medialer Angebote ist von Bedeutung, der Verkauf von Unterhaltungselektronik ist ebenfalls ein lohnendes Geschäft: Insbesondere mobile Geräte wie mp3-Player, Handys und zur Zeit hochaktuell die Playstation portable (PSP) stehen gerade bei jugendlichen Konsumentinnen und Konsumenten hoch im Kurs und sind für die Produzenten ein Geschäft. Z.B. beschert der Verkauf des wohl bekanntesten mp3-Players, der iPod, seinem Produzenten Apple inzwischen mehr Umsatz als der Verkauf von Computern (1,7 Mrd. Dollar zu 1,57 Mrd. Dollar Umsatz von Januar bis März 2006). Der Erfolg der Mehrfachvermarktung und der Boom der Unterhaltungselektronik ist auch deshalb möglich, weil die Heranwachsenden von heute zu einem interessanten Wirtschaftsfaktor geworden sind. Und das sogar in doppeltem Sinne: Sie verfügen zum einen über eigenes Taschengeld und sind damit, zumindest zu einem kleinen Teil, in ihren Kaufentscheidungen von den Eltern unabhängig. Zum anderen wird ihnen eine gewisse Marktmacht von den Unternehmen und vor allem Marktforschungsinstituten zugestanden 4 , denn die Heranwachsenden entscheiden mit, was gekauft wird, und haben damit Einfluss auf die Kaufentscheidungen ihrer Eltern. Als die Verbraucher von morgen werden die Heranwachsenden nur allzu gerne umworben, denn die frühe Bindung an ein Produkt bedeutet, dass man ihm auch später gerne treu bleibt. Schlussfolgerungen Aus der Sicht (medien-)pädagogischer Forschung und Praxis ergeben sich in diesem recht komplexen Themenfeld neue Fragestellungen, die es zu bearbeiten gilt: Aus qualitativen medienpädagogischen Studien ist recht umfangreiches Wissen zum Umgang mit medialen Inhalten durch Heranwachsende vorhanden, z.B. zu ihren Vorlieben in Fernsehen und Computerspielen, zu ihren bevorzugten Tätigkeiten an Computer und im Internet und zur Bedeutung, die Protagonistinnen und Protagonisten aus Film und Fernsehen in ihrem Alltag spielen. Im Bereich der Medienerziehung, insbesondere zum Fernsehen, liegen dazu a u c h r e c h t u m fa n gr e i c h e Materialien vor, um eine Reflexion des eigenen Medienumgangs anzuregen. Recht we n i g f u n d i e r t e s W i s s e n liegt hingegen zur Beschäftigung mit Medienthemen über Konsumartikel und Spielzeug vor. Um im pädagogischen Alltag angemessen mit den Bedürfnissen und Anliegen Heranwachsender umgehen und die mediatisierten Lebenswelten Heranwachsender verstehen zu können, ist dieses Wissen jedoch die Voraussetzung. Nur wenige Studien berücksichtigen bis dato allerdings die Frage nach der Verzahnung von Medien- und Konsumwelten. Den relativ neuen Phänomenen im Bereich der mobilen Mediennutzung wird hingegen hauptsächlich aus der Perspektive von Konsumerziehung und Jugendschutz Beachtung geschenkt. Das Thema Handy steht dabei zur Zeit im Mittelpunkt des Interesses. Notwendig wäre auch hier aus medienpädagogischer Sicht, zunächst eine fundier te empirische Basis zu schaffen, die der Verankerung solcher Medien in den Lebenswelten Heranwachsender nachgeht. Darauf aufbauend müssten bestehende Konzepte für die Bearbeitung dieser Themen in der pädagogi-schen Praxis auf ihre Tauglichkeit und Angemessenheit überprüft bzw. weiterentwickelt werden. Ulrike Wagner, JFF 1 Programmberatung für Eltern (Hrsg.): FLIMMO. fernsehen mit kinderaugen, Nr. 3/2002 S. 6. 2 www.elma-germany.de/News/news.html, Abrufdatum 09.05.2006 3 Aufenanger, Stefan/Neuß, Norber t (1999): Alles Werbung oder was? Medienpädagogische Ansätze zur Vemittlung von Werbekompetenz im Kindergarten. Kiel. 4 So zeigt die KidsVerbraucherAnalyse 2002 (verfügbar unter : www.bauermedia.com), dass 6bis 12-Jährige insgesamt – nimmt man Taschengeld, Sparguthaben, Geldgeschenke zusammen – über eine Summe rund von 5 Milliarden Euro in Deutschland verfügen. 17 Kinder und Jugendliche als Konsumenten Schwerpunkt 18 Schwerpunkt Kinder und Jugendliche als Konsumenten Interview „Mein Gürtel kostet soviel wie dein Kleiderschrank“ Judith Reuter (18) ist Schülerin der 11. Klasse am Gymnasium Gröbenzell, Sebastian Wenz (19) besucht die 12. Jahrgangsstufe des Elsa-Brändström-Gymnasiums in München-Pasing. Gecko Wagner hat sie nach ihrer Kleiderauswahl für die Schule, dem Markenkult der Mitschüler und ihrem Standpunkt zur Schuluniform gefragt. Wann klingelt bei Euch unter der Woche der Wecker? Judith: Halb sieben. Und spätestens um 7 steh’ ich auf. Sebastian: Viertel vor sieben. Aber meist schaff ich’s erst um 20 nach sieben wirklich raus. Und wann müsst Ihr aus dem Haus? Judith: Um viertel vor acht. Sebastian: Fünf nach halb acht. Wann in dieser Zeit entscheidet Ihr, was Ihr an diesem Tag anzieht? Judith: Spontan, kurz nach dem Aufstehen, wenn ich vor meinem Kleiderschrank stehe. Sebastian: Mein Kleiderschrank liegt auf dem Weg zwischen meinem Bett und der Dusche. Ich habe also etwa drei Schritte lang Zeit, es mir zu überlegen. Die Hose liegt meist am Boden, ich hab eh nur zwei. Im Schrank sind Socken, Shorts, TShirts. Und Pullis. Bei zwei Hosen dauert das Überlegen nicht so lange. Fotos: Gecko Wagner Ist bei Dir die Auswahl größer, Judith? Judith: Nicht viel, ich habe etwa drei, vier Hosen. Ist Euch also nicht sehr wichtig, was Ihr anzieht? Judith: Das würde ich nicht sagen... Sebastian: ...nee, stimmt nicht. Judith: Ich habe meine Lieblingssachen, die sehen gut aus, finde ich. Und die ziehe ich an. Die drei Hosen gefallen mir auch gut. Sebastian: Ich habe zwei Jeans, die kann man gut kombinieren. Außerdem zwei Paar Schuhe, da bleibt nur die Frage nach T-Shirt und Pulli. Aber das ist wichtig. Und was ich im Schrank habe, gefällt mir auch. Seid Ihr im Vergleich zu Euren Mitschülern eher schlechter angezogen oder eher besser? Judith: Schwierig zu sagen. Ich denke, ich bin ein Zwischending. Es gibt ja immer diese Modeopfer, die wirklich alles anhaben, was gerade in die Läden kommt und andere, die sich darum nicht scheren. Ich geh schon mit der Mode mit, aber es gibt Wichtigeres. Sebastian: Kommt drauf an. Wenn ich abends weggehe, ziehe ich gern was Schickeres an. Aber in der Schule würd’ ich mich zu einer bodenständigen Fraktion zählen. Es gibt immer welche, die Akzente setzen – sei es in Richtung „meinen Pulli könntest du als Zelt benutzen“ oder nach dem Motto „mein Gürtel kostet so viel wie dein Kleiderschrank“. Und manche zeigen mit ihrer Kleidung, dass noch ihre Mama einkaufen geht. Es gibt immer welche, über die man lästert... ...weil sie besonders schick oder besonders schlecht angezogen sind? Judith: ...das ist egal, das trifft beide. Sebastian: Wenn einer mit der Hose auf Halbmast rumläuft und man sieht schon das untere Ende der Shorts, dann sag’ ich „Oh Gott“. Aber auch das andere Extrem fällt durch. Bei einem Abistreich vor zwei Jahren hat jemand mit einer geschüttelten Colaflasche rumgespritzt, das ist bei Abistreichen eigentlich normal. Und die Cola-Fontäne hat eine erwischt, die sofort zum Rektor gerannt ist, weil ihre Hose 300 Euro gekostet hat. Da dachte ich nur: selber Schuld, Mädel! Seht Ihr bei Euren Mitschülern an der Kleidung, wer Geld hat? Judith: An meiner Schule ist es bei manchen auf jeden Fall so. Es gibt ein paar Exemplare, die extrem die Marken raushängen lassen, denen sieht man wirklich an, dass sie Kohle haben. Aber es gibt auch andere, die schon immer in No-Name-Klamotten rumlaufen, auch wenn sie sich anderes leisten könnten. Sebastian: Bei uns ist das schwer zu sagen. Ich sehe Leute, die viel Wert auf ihr Äußeres legen. Aber ob einer eine GucciBrille für 300 Euro oder die Fälschung für 30 Euro trägt, das erkenne ich gar nicht. Was mir dagegen richtig auffällt sind diese Polo-Ralph-Lauren-Shirts, die 50 oder 60 Euro kosten, mehr als Lacoste. Wer so viel für ein normales Shirt zahlt, will damit auch was ausdrücken. Judith: Es ist nicht so sehr die Frage, ob man Geld hat, sondern ob man’s raushängen lässt. Sebastian: Ich kaufe auch gern teuer ein. Meine Hose von Wesc hat 80 Euro gekostet. Ich finde das nicht übertrieben. Dafür kaufe ich nicht so viele Sachen. Wo ist dann der Unterschied zwischen Dir und anderen, die auch gern teuer einkaufen? Sebastian: Zum Beispiel das erwähnte Polo-Shirt: Wenn es mir gefallen würde, würde ich mir schon eines kaufen. Judith: Aber eben nur eines - andere haben das in allen Regenbogenfarben! Sebastian: Ich dagegen habe meine Hose jetzt seit knapp zwei Wochen an. Kleidung ist für mich ein Gebrauchsgegenstand. Was sagt Ihr zu einheitlicher Kleidung in der Schule? Judith: Ich kenne Schuluniformen von einem England-Austausch. Ich fand das einfach super. Durch die Schuluniform hatte ich das Gefühl, es gehören alle zusammen. Außerdem war’s natürlich auch witzig, weil wir deutschen Austauschschüler sofort aufgefallen sind. Aber es hat mich beeindruckt, das alle das Gleiche anhatten. Ich kannte das vorher nicht. Wie sah die Uniform aus? Judith: Einheitlich schwarze Hose, bei den Mädels wahlweise auch schwarze Röcke. Dazu ein weißes Hemd und drüber der Schulpulli mit Schulemblem, außerdem eine schwarz-rot gestreifte Krawatte. Könntest Du Dir vorstellen, auf eine Schule mit Uniform zu gehen? Judith: Ich hätte damit jedenfalls kein Problem! Bis auf die Krawatte - die hat in meiner Austauschschule Mädels wie Jungs sehr genervt. Ansonsten war es aber eine sehr angenehme Schuluniform ohne farbliche Zumutungen. Wie schaut’s bei Dir aus, Sebastian? Sebastian: Ich kenn Schulunifor men auch von einem England-Austausch. Aber an meiner Austauschschule war alles viel strenger: Jungs wie Mädels mussten im Anzug rumlaufen, bei den Mädels war’s der Skirt, also ein Rock und auch Krawatte, weißes Hemd, Jackett. Die mussten auch beim Sport einheitlich weiße Shorts und T-Shirts tragen. Ich hatte das Gefühl, dass die Schüler es sehr anstrengend finden. Selbst die Frisur war reglementiert, Haare mit Gel waren verboten. Judith: Wie - durften die gar kein Gel hernehmen? Sebastian: Her nehmen schon, aber Haare aufstellen und alles „wildere“ war verboten. Ich hatte damals einen MörderIgel auf dem Kopf. Das hätte sich keiner der dortigen Schüler erlauben dürfen. Judith: Die Schule, an der ich war, war viel entspannter. Einer dort hatte eine ganz stachelige Frisur, das hat keinen gestör t. Auch die Schulunifor m war echt human, die Schuhe konnten sie sich auch selbst aussuchen, solang es dunkle waren. Was hatten Eure Austauschpartner nach der Schule an? Sebastian: Die waren richtig heiß drauf, aus den Klamotten rauszukommen. Nach der Schule waren die Modeerscheinungen viel extremer ausgeprägt als bei uns. Das heißt? Sebastian: Weil sie bei der Kleiderwahl in der Schule sehr eingeschränkt waren, haben sie’s danach um so mehr krachen lassen. Gammel-Look oder Schickimicki gibt’s auch bei uns. Aber dort sah Gammel-Look aus wie bei uns jemand unter der Isarbrücke und Schick ging schon in Richtung P1, da liefen die Mädels mit Louis-Vuitton-Taschen herum. Judith: Das kann ich von meiner Schule nicht bestätigen. Vermutlich, weil’s nicht so krass geregelt war. Die haben sich am Nachmittag schon auch aufgebrezelt, vielleicht auch mehr als wir. Aber trotzdem im Rahmen. Was wäre für Euch der größte Vorteil einer Schuluniform? Judith: Ich glaube, dass man von den Leuten in der Schule nicht so in eine Schublade gesteckt würde. Wer privat rumläuft wie ein Assi würde nicht von der ganzen Schule wie ein Assi betrachtet. Das ist etwas anderes, wenn du zuhause oder mit deinen Freunden zusammen bist. Die stempeln dich nicht so schnell ab, weil sie dich kennen, so wie du bist. In der Schule lernst du dagegen viele nicht wirklich kennen, sondern gehst an ihnen vorbei und machst dir dabei schon ein Bild von ihnen. Ihr habt ja vorhin selbst gesagt: Andere werden wegen ihres Aussehens gemobbt ... Sebastian: Moment: verarscht - nicht gemobbt. Wenn die, die sich richtig schick und teuer anziehen, jemanden sehen, der auf Assi macht, dann kommentieren die es halt, weil es nicht ihr Ding ist. Und umgekehrt genauso. Also alles ganz normal? Sebastian: Jedenfalls ist es nicht so, dass drei Leute sich ausgefallen kleiden und dafür von den anderen 80 in der Kollegstufe gemobbt würden. Kleidung gehört zum persönlichen Ausdruck und wenn du dich nicht in eine Schublade stecken lassen willst, dann kannst du dich auch entsprechend anziehen. Aber wenn du damit kein Problem hast, kannst du dich ebenfalls entsprechend anziehen. Oder gerade, wenn du in eine Schublade willst! Egal ob du zeigen willst, du hast Geld oder du bist Anti: All das kannst du durch deine Kleidung zeigen. Und deshalb gehört es zu deinen Ausdrucksmöglichkeiten. Bei uns wird keiner wegen seinem Äußeren gemobbt. Deshalb wäre es über trieben, alle in Uniformen zu stecken. Ihr seid beide volljährig. Aber es gibt auch eine Zeit, vielleicht mit 13, 14, wo es ungeheuer wichtig ist, was andere über einen denken. Würde eine Schuluniform nicht da den Druck rausnehmen? Motto: Mit der falschen Marke gehörst Du nicht dazu? 19 Kinder und Jugendliche als Konsumenten Schwerpunkt Kinder und Jugendliche als Konsumenten 20 Schwerpunkt Röcke. Aber so wie an meiner Austauschschule wär’ ich sofort dabei: Normale schwarze Hose, Schulpulli, fertig. Über die Krawatte ließe sich noch streiten. Als Austauschschülerin habe ich keine Uniform bekommen, leider. Ich hätte es gern ausprobiert! Ich denke, man kann einen Mittelweg finden, mit dem alle zufrieden sind. Sebastian: Mir wäre es wichtig, dass sie alltagstauglich ist. Ich bin mit dem Fahrrad in der Schule und fahr anschließend oft gleich in die Stadt. Wenn ich da einen Anzug anhabe, bei dem das Jackett nicht knittern darf, dann müsste ich es abends waschen und bügeln und das täglich – vergiss es. Nach der Schule muss ich damit noch was unternehmen können. Judith: Die Leute, die besonders schick oder schlabbrig aussehen wollen, dürfen das. Das Problem haben eher Leute, die gern bestimmte Klamotten kaufen würden, sich das aber nicht leisten können. Sebastian: Na ja...mittlerweile ist das „nicht leisten können“ doch nicht mehr das Problem. Oder nur dann, wenn alles ganz schick und alles Marke sein muss. Aber bei H&M bekommt inzwischen jeder schicke Sachen, die nicht mehr kosten als im No-Name-Laden. Judith: Aber die Markengeilheit ist ja das Problem. In meiner ehemaligen Tutorenklasse hat sich eine Gruppe rausgebildet, die wie die derbsten HipHopper r umläuft, mit dem Kar l-Kani-Zeugs. Einfach nur krass, echt heftig. Die sind in der sechsten, aber laufen rum wie die Allercoolsten. Da denk ich mir bei manchen aus deren Klasse: Sie würden auch gern, wenn sie es sich leisten könnten. Und warum? Weil sich fünf Leute nur mit ihrem Klamotten-Style rausheben wollen. Das regt mich richtig auf, das ist total Scheiße! Angenommen, nach dem Handy- und MP3-Player-Verbot kommt eine Schuluniform in Bayern. Was könntet Ihr akzeptieren und wo wäre die Schmerzgrenze? Judith: Meine Schmerzgrenze wäre auf jeden Fall Bastis Erlebnis mit der Anzugpflicht und für Mädels vorgeschriebene Dann wäre Uniform für Dich in Ordnung? Sebastian: Nur zur Not. Mich überzeugen die Argumente einfach nicht. Der wichtigste Punkt ist doch Antidiskriminierung, das finde ich auch im Prinzip gut. Allerdings hatte ich in England den Eindruck, dass sich die Schulen untereinander durch die Uniform profiliert haben. Da gibt’s die einen mit schwarzer Hose und weißem Shirt und die andere mit maßgeschneiderten Anzügen - da heißt’s doch gleich wieder „wir sind viel cooler und reicher als ihr“. Die Neidfrage wird also nicht mehr zwischen Klassen, sondern zwischen Schulen gestellt. Das kann’s doch auch nicht sein! Mode ist Ausdruck der Persönlichkeit und sollte daher nicht beschränkt werden. Judith: Ich finde, die Mode, die zum Individuum gehört, kann man genauso gut am Nachmittag tragen, wenn man mit seinen Freunden unterwegs ist. Mir würde nichts fehlen. Taschengeldempfehlungen Grundsätzliches zum Taschengeld Rein rechtlich gesehen gibt es keinerlei Rechtsansprüche des Jugendlichen auf Taschengeld und somit auch keine Verpflichtung für die Eltern Taschengeld zu zahlen. Oft wird vom „Taschengeld-Paragraphen“ gesprochen - den gibt es in diesem Sinne nicht. Es gibt wohl einen Paragraphen (§ 110 BGB), der sich mit Taschengeld als solches befasst. Dieser bezieht sich aber nur auf die beschränkte Geschäftsfähigkeit von Jugendlichen in Bezug auf (Kauf-) Verträge. Grundsätzlich dürfen Jugendliche ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters solche Verträge abschließen, wenn sie die finanziellen Verpflichtungen mit dem Taschengeld erfüllen können. Im Regelfall ist das ein Kauf von kleineren Gütern in Geschäften. Der Gesetzgeber möchte also die Eltern nicht dazu „verdonnern“ Taschengeld zu Wie viel für wen? Alter unter 6 Jahren 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Durchschnitt 0,50 e / Woche 1,50 e / Woche 2,00 e / Woche 2,00 e / Woche 2,50 e / Woche 12,00 e / Monat 14,00 e / Monat 17,00 e / Monat 20,00 e / Monat 22,50 e / Monat 24,50 e / Monat 30,00 e / Monat 36,50 e / Monat 59,00 e / Monat zahlen, hält es aber durchaus für wünschens- und empfehlenswert, dass Taschengeld gezahlt wird. Unten stehende Tabelle ist eine Orientierungshilfe, aber auch hier gilt letztendlich die elterliche Selbstbestimmung in Abhängigkeit zu den wirtschaftlichen Verhältnissen jeder einzelnen Familie. Die Durchschnittswer te wurden aus den Quellen „Eltern for Family“, www. familienforschung.de, www.elsw.de/ tagegeld.htm, Stadtjugendamt München, www.jugendberatung-mobil.de, aus der Zeitschrift BRAVO, den Empfehlungen des Kinderschutzbundes und dem Jugendpressedienst berechnet. Quelle: www.jugendberatungmobile.de/Taschengeldtabelle.html