der Examensarbeit
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der Examensarbeit
Duftstoffe Ein doppeltes Gruppenpuzzle Pädagogische Prüfungsarbeit im Fach Chemie 1. Februar 2001 -1- In Erinnerung an meinen Vater -2- Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort 5 2 Einleitung 6 3 Rahmenbedingungen 8 3.1 Lerngruppe 8 3.2 Fachraum und Ausstattung 9 4 Planung der Unterrichtseinheit 10 4.1 Curriculare Vorgaben 10 4.2 Methodischer Schwerpunkt 4.2.1 Geschichtliche Entwicklung des Gruppenpuzzles 4.2.2 Aufbau des Gruppenpuzzles 4.2.2.1 Planung 4.2.2.2 Wissenserwerb 4.2.2.3 Expertenrunde 4.2.2.4 Unterrichtsrunde 4.2.3 Argumente für das Gruppenpuzzle 4.2.3.1 Fachübergreifender Unterricht 4.2.3.2 Selbstständiges Lernen 4.2.3.3 Hoher Lernerfolg 4.3 Inhaltlicher Schwerpunkt 4.3.1 Der Geruchssinn des Menschen (A) 4.3.2 Die Geschichte der Duftstoffe (B) 4.3.3 Gewinnung und Struktur von Duftstoffen (C) 4.3.4 Duftstoffe sind überall! (D) 4.3.5 Destillation im Freien (E) 4.3.6 Extraktion mit Soxhlet-Apparatur (F) 4.3.7 Dünnschicht-Chromatographie (G) 4.3.8 Carbonsäureester (H) 10 10 11 16 17 17 18 19 19 20 21 22 4.4 Ergebnissicherung und Leistungskontrolle 22 5 Durchführung der Unterrichtseinheit 13 23 5.1 Lernziele des Unterrichtsthemas Duftstoffe 23 5.2 Lernziele der Unterrichtsform Gruppenpuzzle 25 5.3 Verlaufsskizze der Unterrichtseinheit 26 5.4 Tabellarische Übersicht über die Elemente der Gruppenpuzzle 27 5.5 Darstellung ausgewählter Puzzleelemente 5.5.1 Überblick über die Puzzleelemente 28 28 -3- 5.5.2 Die erste Unterrichtsrunde (A-D) 5.5.2.1 Geplanter Verlauf 5.5.2.2 Tatsächlicher Verlauf 5.5.2.3 Reflexion 5.5.3 Das Puzzlestück E: Destillation im Freien 5.5.3.1 Geplanter Verlauf 5.5.3.2 Tatsächlicher Verlauf 5.5.3.3 Reflexion 5.5.3 Das Puzzlestück F: Dünnschicht-Chromatographie 5.5.4.1 Geplanter Verlauf 5.5.4.2 Tatsächlicher Verlauf 5.5.4.3 Reflexion 6 Reflexion 30 32 34 36 6.1 Reflexion durch die Schülerinnen und Schüler 36 6.2 Reflexion durch den Lehrenden 6.2.1 Fachübergreifender Unterricht 6.2.2 Selbstsändiges Lernen 6.2.3 Hoher Lernerfolg 6.2.4 Schwierigkeiten beim Gruppenpuzzle 37 38 38 38 40 6.3 Abschlussgedanken 41 7 Literaturverzeichnis (inkl. Internetquellen, E-Mail- und Bestelladressen) 42 8 Anhang 44 8.1 Arbeitsblatt: Gerüche identifizieren 45 8.2 Experteninformationsblätter 47 8.3 Vorlagen für die Kartenspiele 87 8.4 Duftstoffe-Test 100 8.5 Informationsblätter der Lernenden 103 8.6 Fotos vom Gruppenpuzzle 111 -4- 1 Vorwort Die vorliegende Arbeit (inklusiver aller Arbeitsblätter) steht zum Herunterladen als pdf-Dokument im Internet zur Verfügung: http://www.paeper.de -5- 2 Einleitung “Chemie ist doof!”, sagte ein Schüler der 9. Klasse vor einigen Wochen zu mir, als wir die Verbrennung von Kohle mit Hilfe des Kugelteilchenmodells beschrieben hatten. “Die Experimente sind schon okay, das hat in der Acht schon viel Spaß gemacht, aber jetzt diese blöde Theorie...” Was antwortet man auf so einen Vorwurf? An wen ist er eigentlich gerichtet? Die Chemie im Allgemeinen, das Schulfach im Besonderen oder den Lehrer persönlich? Längst ist das sich ergebende Spannungsdreieck ausgemacht: Chemieunterricht zwischen der Disziplin Chemie, der Fachdidaktik Chemie und dem schulischen Alltag.1 In diesem Zusammenhang fallen dann auch Begriffe wie fachsystematisch orientiert, theoriebeladen und Kreidechemie. Schon seit geraumer Zeit meldet sich darüber hinaus die Wirtschaft immer wieder zu Wort und äußert ihre Erwartungen an die Qualifikationen von Schulabgängern. Neben Kulturtechniken wie Schreiben, Lesen und Rechnen als Mindestanforderung werden Schlüsselqualifikationen2 gefordert: Ü Leistungsbereitschaft Ü Verantwortungsbewusstsein Ü Konzentrationsfähigkeit Ü Teamfähigkeit Ü Logisches Denken Ü Initiative Ü Selbstständiges Lernen Ü Kommunikatives Verhalten Ü Planvolles Arbeiten Ü Kritikfähigkeit Ü Belastbarkeit Ü Kreativität 1 Becker, Hans-Jürgen et al., 1992, S. 39f. 2 Erwartungen der Wirtschaft an die Schulabgänger, S. 30f. -6- Doch noch einmal kurz zur Ausgangssituation zurück; geantwortet habe ich (leider vollkommen unsalomonisch): “Ich werde darüber nachdenken, was ich anders machen kann!” Und in der Tat liegt es an jedem einzelnen Lehrer, was er aus den curricularen Vorgaben macht. Hierbei ist meiner Meinung nach das Sich-Aufreiben an der Frage, was gelehrt und gelernt werden soll, der falsche Ansatzpunkt; vielmehr muss die Frage, wie gelehrt und gelernt werden soll, im Vordergrund stehen. Und gerade in der Chemie bietet sich fast immer ein Alltagsbezug, können die Schülerinnen und Schüler dort “abgeholt” werden, wo sie eigene Beobachtungen und Erfahrungen ganz natürlich in den Unterricht mit einbringen können. Eine klare Alltagsorientierung führt meist auch dazu, dass über den Tellerrand der Chemie geschaut wird. Fächerübergreifender Unterricht ist dabei ein Zauberwort und der Bremsklotz zugleich. Das Schubladendenken ist unter Schülerinnen und Schülern ähnlich weit verbreitet und beliebt wie unter Lehrerinnen und Lehrern. So verwundert es nicht, dass beispielsweise im Chemieunterricht “die Geschichtsschublade klemmt”, gerade wenn der Griff in das andere Fach durch den Lehrer als besonders wichtig hervorgehoben und dadurch überhöht wird. Auch hier fordere ich eine Natürlichkeit im Handeln. Die Schülerinnen und Schüler bekommen, bleiben wir beim geschichtlichen Bezug, einen Text mit historischen Inhalten, den sie vor einem bestimmten chemischen Hintergrund bearbeiten sollen - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Schließlich stellt sich die Frage nach dem unterrichtlichen Rahmen, in dem derart schülerorientierter Chemieunterricht ablaufen soll. Will man als Lehrer die oben erwähnten und sicherlich erstrebenswerten Schlüsselqualifikationen bei den Schülerinnen und Schülern fördern, muss man die Schülerinnen und Schüler zur Selbsttätigkeit ermutigen und zur Selbstständigkeit anleiten. Als geeignete Unterrichtsmethoden haben sich offene Unterrichtsformen3 wie beispielsweise das Projekt und das Lernen an Stationen herausgestellt. Bei den Überlegungen zu der hier vorliegenden Unterrichtsreihe orientierte ich mich insbesondere an den oben dargestellten Ausführungen. Inhaltlich ließ sich das Thema Duftstoffe dabei besonders gut mit der Methode des Gruppenpuzzles4 kombinieren. Die Unterrichtseinheit wurde mit den Schülerinnen und Schülern des Leistungskurses Chemie 12 der Schwalmschule Treysa vom 21. August bis zum 5. September 2000 durchgeführt. 3 Bastian, Jens, 1995, S. 6ff. 4 Frey-Eiling, Angela und Frey, Karl, 1999, S. 50ff. -7- 3 Rahmenbedingungen 3.1 Lerngruppe Der Chemieleistungskurs 12 hat 16 Teilnehmer, neun Schülerinnen und sieben Schüler. Er war aus dem zweistündigen Leistungsvorkurs des Schuljahres 1999/2000 hervorgegangen und der zweite Chemieleistungskurs in sieben Jahren, der an der Schwalmschule Treysa zu Stande gekommen ist. Seit August 2000 unterrichtete Herr Praetorius die Lerngruppe nun fünfstündig mit je einer Doppelstunde am Montag (5. + 6. Stunde) und Dienstag (1. + 2. Stunde) sowie einer Einzelstunde am Mittwoch (1. Stunde). Mit meinem Mentor Praetorius war ich schon seit der Bildung des Vorkurses gekoppelt und führte neben Vertretungen auch mehrere Unterrichtsreihen zusammen mit den Schülerinnen und Schülern durch. Vor allem in dieser Zeit intensiver Zusammenarbeit lernte ich die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses näher kennen und schätzen. So zeigten sich eine Schülerin und zwei Schüler im Unterrichtsverlauf durchgehend sehr aktiv; drei bis vier andere beteiligten sich zum Teil ähnlich stark aber leider eher unregelmäßig. Die übrigen Kursteilnehmer zeigten sich teilweise eher passiv. In der Gesamtheit lässt sich der Kurs dennoch im oberen Mittelfeld der Leistungsskala einordnen, nicht zuletzt da sich in der Regel alle Schülerinnen und Schüler ordentlich vor- und nachbereiten und vor allem beim Experimentieren mit Begeisterung engagieren. Diese sehr positive Grundstimmung im Kurs führe ich in erster Linie auf den Kursleiter zurück, der in seiner Unterrichtsplanung und -durchführung ein Gleichgewicht zwischen anspruchsvollem Unterricht und der maximal möglichen Belastung der Schülerinnen und Schüler sucht und findet. Besonders legt Herr Praetorius Wert auf die Förderung der Selbstständigkeit der Leistungskursteilnehmerinnen und -teilnehmer. Dies findet beispielsweise seinen Ausdruck darin, dass alle Schülerinnen und Schüler ein Chemielexikon5 im Taschenbuchformat sowie Info-CD-ROMs anschafften und Erarbeitungsphasen häufig speziell auf die Arbeit mit dem Schulbuch6 und diesem Taschenbuch ausgelegt werden. Auch bei den Hausaufgaben werden die Schülerinnen und Schüler immer wieder dazu motiviert, auf alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationsquellen zurückzugreifen. 5 Schwister, Karl et al., 1999. 6 Jäkel, Manfred und Risch, Karl T. et al., 1988. -8- einschließlich dem Internet Die ständig wachsende Souveränität der Schülerinnen und Schüler bei der Nutzung der verschiedenen Medien und die dabei erzielten Erfolge bewegten mich, das Gruppenpuzzle als methodischen Schwerpunkt für diese Arbeit zu wählen. Aufbauend auf den idealen Grundlagen des Kurses schien mir die Herausforderung durch diese bisher noch wenig bekannte Methode für alle Beteiligten - die Kursmitglieder und den durchführenden Referendar angemessen. Mit Hilfe des Gruppenpuzzles sollte mehr Raum für selbsttätiges und selbstständiges Arbeiten geschaffen werden. 3.2 Fachraum und Ausstattung Die Unterrichtsreihe fand im regulär zugewiesenen Chemieraum 124 statt. Im Gegensatz zu Raum 024, der im Erdgeschoss direkt unter 124 liegt und vor allem für den Anfangsunterricht eingesetzt wird, bot dieser ehemalige Physikraum einige Vorteile. Zum einen sind die Tische nicht im Boden verankert und so im Raum leicht verstellbar; lediglich die Versorgungssäulen mit Energie/Gas/Wasser schränken dies geringfügig ein. Zum anderen gibt es im Fachraum einen leeren abschließbaren Glasschrank, der für den Zeitraum der Unterrichtseinheit als Präsenzbibliothek von den Schülerinnen und Schülern genutzt wurde. Außer privaten Büchern standen dabei Leihstücke aus der Chemievorbereitung sowie der Stadt- bzw. Universitätsbibliothek Marburg bereit. Schließlich konnte der angrenzende Vorbereitungsraum mit einem Konferenztisch für mehr als ein Dutzend Teilnehmer mitbenutzt werden. Die Chemiesammlung der Schwalmschule Treysa wird vom zuständigen Fachvorsteher, Herrn Schwanz, gut geführt. Während die apparative Ausstattung im Vergleich zu anderen Schulen eher durchschnittlich ist, findet man ein erfreulich gut bestücktes Chemikalienlager. Als Highlight aber steht der chemieeigene Computer zur Verfügung, der zur Nutzung in den Fachraum gerollt und mit Programmen wie HessGISS7 und CD-Römpp direkt im Unterricht eingesetzt werden kann. Trotz dieser durchaus positiven Ausgangslage verwundert es sicher wenig, wenn beim Thema Duftstoffe noch etwas aufgestockt werden musste: So bekam ich dankenswerterweise von meiner Fachleiterin, Frau Kionke, das Herzstück einer Soxhlet-Extraktionsapparatur ausgeliehen. Die Topfdestille für die Destillation im Freien konnte ich über Herrn Minssen vom IPN8 in Kiel erwerben. 7 Hessisches GefahrstoffInformationsSystem Schule, 1999. 8 Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften, 1994/2000. -9- 4 Planung der Unterrichtseinheit 4.1 Curriculare Vorgaben Derzeit gibt es an der Schwalmschule Treysa kein schulinternes Curriculum. Zwar wird ein in den letzten drei Jahren erfolgreich erprobtes Modell diskutiert, doch sind in dieser Hinsicht noch keine Entscheidungen getroffen worden. Daher bleiben die Vorgaben des Hessischen Kultusministeriums in Form des Rahmenplans für die gymnasiale Oberstufe9 als Entscheidungsgrundlage. Im Kursstrukturplan Chemie findet sich beim Inhaltsbereich Kohlenstoffchemie die Carboxylgruppe und ihre Reaktionen10. Diese wichtige funktionelle Gruppe soll, so wird es in der Kategorie Anwendung/Technik gefordert, unter anderem anhand von Duft- und Aromastoffen behandelt werden. Im Vorgriff auf die folgende Erörterung des methodischen Schwerpunkts seien an dieser Stelle bereits die curricularen Vorgaben hervorgehoben. So soll projektorientiert und fächerübergreifend gearbeitet11 werden und das Experimentieren im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens stehen12. 4.2 Methodischer Schwerpunkt 4.2.1 Geschichtliche Entwicklung des Gruppenpuzzles Wie aus dem Titel der Arbeit ersichtlich ist und in der Einleitung erwähnt wurde, bildet das Gruppenpuzzle den methodischen Schwerpunkt dieser Arbeit. Doch wer kennt diese Methode? In der englischsprachigen Literatur finden sich unter dem Begriff jigsaw classroom (Laubsäge-Klassenraum) Informationen seit Ende der 70-er Jahre. Das Buch von Elliot Aronson The Jigsaw Classroom13 stellt die ersten Erfahrungen vor, die amerikanische und israelische Sozialpsychologen bei der Lehrerausbildung mit der “Laubsägetechnik” gemacht haben. Dabei ist die Laubsäge ein Symbol für das Zerschneiden eines großen Themenkomplexes in mehrere Teile. Diese Puzzlestücke werden von verschiedenen Gruppen 9 Hessisches Kultusministerium, 1994. 10 Ebd., S. 18. 11 Ebd., S. 3. 12 Ebd., S. 2f. 13 Aronson, Elliot, 1978. - 10 - bearbeitet und zum Schluss wieder zu einem Ganzen zusammengesetzt.14 Auch heute noch wirbt Elliot Aronson für diese Methode im Internet.15 Im deutschsprachigen Raum findet sich die “Laubsägetechnik” erst seit wenigen Jahren unter dem Begriff Gruppenpuzzle wieder. Dies ist vor allem ein Verdienst von Angela Frey-Eiling und Karl Frey, die am Institut für Verhaltenswissenschaften der ETH Zürich16 arbeiten (und dort finanzielle Unterstützung zur Ausarbeitung entsprechender Materialien erhalten). Sie haben mittlerweile verschiedene Muster für die Fächer Chemie, Informatik, Geographie und Biologie ins Netz gestellt.17 Aber auch beispielsweise Methoden-Trainer Heinz Klippert18 berichtet vom Gruppenpuzzle als Variation der Gruppenarbeit. Und in der Tat ist das Gruppenpuzzle eine Art Schmelztiegel verschiedener, weit verbreiteter Unterrichtsmethoden. Neben der Gruppenarbeit finden sich Elemente der Projektmethode19, des Rollenspiels20 und des Stationenlernens21. 4.2.2 Aufbau des Gruppenpuzzles Man kann das Gruppenpuzzle in vier große Abschnitte einteilen22: 1. Planung 2. Wissenserwerb 3. Expertenrunde 4. Unterrichtsrunde 4.2.2.1 Planung Die Arbeit in der Planungsphase wird von der Lehrperson geleistet. Er oder sie muss dabei zunächst prüfen, ob das Gruppenpuzzle eine angemessene Methode für das jeweilige Thema ist. So stellt sich zunächst die Frage, ob sich der Stoff gut in vier oder fünf unabhängige Teilgebiete aufteilen lässt, was voraussetzt, dass kein hierarchischer Aufbau im Thema 14 Frey-Eiling, Angela und Frey, Karl, 1999, S. 52. 15 Aronson, Elliot, 2001. 16 Eidgenössische Technische Hochschule Zurüch, 2001. 17 Ebd., http://www.educeth.ch/didaktik/puzzle/. 18 Klippert, Heinz, 2000, S. 214ff. 19 Glöckel, Hans, 1999, S. 7. 20 Meyer, Hilbert, 1987, S. 357ff. 21 Stäudel, Lutz, 2000, S. 2ff. 22 modifiziert nach: Frey-Eiling, Angela und Frey, Karl, 1999, S. 50f. - 11 - vorhanden ist. Anschließend wählt die Lehrperson das jeweilige Material zum Selbststudium aus oder entwirft dieses auch selbst. Damit den Schülerinnen und Schülern klar ist, was von ihnen als Wissen in Prüfungen verlangt werden wird, müssen darüber hinaus jedem Stoffgebiet ganz präzise Lernziele beigefügt werden. Gerade der erste Punkt Planung schreckt viele Lehrerinnen und Lehrer ab. Die äußerst zeitintensive Vorbereitung ist im schulischen Alltag nur selten zu leisten. Allerdings ist der geleistete Einsatz zuweilen sinnvoll, wenn man sich mit Kollegen, die ebenfalls solche Reihen geplant und durchgeführt haben, austauscht und so später auf einen Materialfundus zurückgreifen kann. 4.2.2.2 Wissenserwerb Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten in der Phase des Wissenserwerbs den Lehrstoff arbeitsteilig und in Einzelarbeit. Dazu erhalten die Schülerinnen und Schüler Materialien zu ihrem Themenkomplex sowie die entsprechenden Lernziele ausgeteilt. 4.2.2.3 Expertenrunde A A A C C A C B B B C D D B D D Abbildung 1: Die Expertenrunde23 Damit die Lernenden das Thema wirklich beherrschen und sich sicher fühlen, folgt nach dem Selbststudium die Expertenrunde. Zur Vertiefung des neu erworbenen Wissens treffen sich die Schülerinnen und Schüler mit gleichen Themen in den Expertenrunden. Hier können die Inhalte der Arbeitsmaterialien besprochen und offen gebliebene Fragen im Gruppengespräch geklärt werden. Darüber hinaus muss mit Hilfe der vorgegebenen Lernziele in den Expertenrunden geplant werden, welche Lerninhalte an die Mitschülerinnen und Mitschüler weitergegeben werden sollen und mit welchen Hilfsmitteln dies geschehen kann. Auf diese Art wird jeder Lernende zum Experten bzw. zur Expertin auf seinem Fachgebiet. 23 modifiziert nach: Frey-Eiling, Angela und Frey, Karl, 1999, S. 51. - 12 - 4.2.2.4 Unterrichtsrunde D A B A C C D C B D C B B A A D Abbildung 2: Die Unterrichtsrunde24 Zur Unterrichtsrunde finden sich die Schülerinnen und Schüler dann so zusammen, dass in den neuen Gruppen die verschiedenen Teilbereiche des Lernstoffs durch je einen Experten vertreten sind. Nacheinander unterrichten die Expertinnen und Experten als Lehrpersonen die anderen Gruppenmitglieder, die in diesen Phasen jeweils die Lernenden sind. An dieser Stelle findet in den Unterrichtsstunden ein paralleler Unterricht statt, der dazu führen soll, dass alle Beteiligten nicht nur Experten auf ihrem Teilgebiet bleiben, sondern auch grundlegende Informationen über die übrigen Stoffgebiete erhalten. 4.2.3 Argumente für das Gruppenpuzzle Auf die Frage nach den Auswirkungen von Gruppenpuzzles ist in den USA in den letzten Jahren vor allem auf das soziale Lernen verwiesen worden. So beschreibt Elliot Aronson in seinem Buch Nobody Left To Hate25 vor dem Hintergrund einer wachsenden Anzahl blutiger Schulmassaker, wie gerade das Gruppenpuzzle die Aggressionsbereitschaft in der Klasse erkennbar verringert; die Wertschätzung der Schülerinnen und Schüler untereinander nimmt zu und das Selbstvertrauen der Schülerinnen und Schüler wächst. Glücklicherweise ist an der Schwalmschule in Treysa in dieser Hinsicht die Welt noch in Ordnung. Abgesehen davon, dass im Rahmen dieser Arbeit zum Beispiel eine Messung der Änderung der Wertschätzung der Schülerinnen und Schüler untereinander kaum möglich gewesen wäre, will ich das Augenmerk auf einige weitere Argumente für die angewendete Methode lenken. Das Gruppenpuzzle kann leicht fachübergreifend26 organisiert werden, es fördert die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler und hat einen nachweislich höheren Lernerfolg als herkömmlicher, lehrerzentrierter Unterricht.27 24 modifiziert nach: Frey-Eiling, Angela und Frey, Karl, 1999, S. 51. 25 Aronson, Elliot, 1999. 26 Begriffsdefinition nach: Obst, Heinz, 1997, S. 4. 27 Frey-Eiling, Angela und Frey, Karl, 1999, S. 52f. - 13 - Rettungswesen Chemie Duftstoffe in der Werbung Parfüm Psychologie Rauchopfer Naturerleben Entomologie Botanik Duftpflanzen - 14 - Identifikation von Nahrung und Getränken Ökotrophologie Ethologie Kulturgeschichte der Duftstoffe Bestäubung Warnung vor Gefahr Duftstoffe Ethologie Bau der Riech- und Geschmacksorgane Histologie Cytologie Biochemie emotionale Bewertung von Düften Rezeption der Duftstoffe in Sinneszellen Verarbeitung der Duftinformationen im ZNS Sinnesphysiologie Ökologie Abschreckung biologische Schädlingsbekämpfung Pheromone Stoffwechselphysiologie Anatomie Identifizierung von Duftspuren durch Hunde "Das Parfum" Fortpflanzung Aromatherapie Entwicklungspsychologie Ethologie Medizin Neurophysiologie Psychologie 4.2.3.1 Fachübergreifender Unterricht Kriminalistik Einen sehr guten Überblick verschafft die folgende Darstellung. Das Beziehungsgeflecht des Literatur Geschichte Biotechnik Abbildung 3: Beziehung des Themas Duftstoffe zu unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen28 modifiziert nach: Hedewig, Roland, 1995, S. 13. Religion Themas Duftstoffe zu den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen ist dargestellt: 28 Wirtschaft Beim Gruppenpuzzle Duftstoffe bietet sich also eine fachübergreifende Arbeitsweise förmlich an. Einige Beispiele: Fach Geschichte Religion Teilaspekt Die Geschichte der Duftstoffindustrie Duftstoffe - vom heiligen zum heilenden Duft Die Rauchopfer in den verschiedenen Religionen Deutsch Die Benennung und sprachliche Unterscheidung von Düften Das Parfum - ein Roman29 Biologie Der Geruchssinn beim Menschen Die Funktion von Duftstoffen in der Tier- und Pflanzenwelt Abbildung 4: Fächerübergreifende Teilaspekte des Themas Duftstoffe 4.2.3.2 Selbstständiges Lernen Das Gruppenpuzzle ist geprägt von der Schlüsselqualifikation Selbstständiges Lernen (siehe Einleitung). Aber auch Leistungsbereitschaft, Teamfähigkeit, kommunikatives Verhalten und planvolles Arbeiten werden bei den Schülerinnen und Schülern gefordert und gefördert.30 Diese modernen Begriffe spiegeln die im Rahmenplan für den Leistungskurs geforderte Selbsttätigkeit und Selbstständigkeit wieder.31 Gerade der Oberstufenunterricht im Leistungskurs ist als Vorbereitung auf das Abitur und gegebenenfalls die Zeit danach prägend; die zur Verfügung stehende Zahl von fünf Unterrichtsstunden pro Woche erlaubt auch komplexere Themenfelder (wie hier Duftstoffe) in einem für alle Beteiligten überschaubaren Zeitraum zu bearbeiten. Die sich dabei automatisch ergebende hohe Informationsdichte ist von den Schülerinnen und Schülern nur dann effektiv zu bewältigen, wenn ein großer Teil des Unterrichts aus selbstständiger Schülerarbeit besteht. Dies zeigen Untersuchungen im Vergleich zu “normalem” Unterricht, in dem eine stärkere Konsumentenhaltung vorherrscht. 29 Süskind, Patrick, 1985. 30 Erwartungen der Wirtschaft an die Schulabgänger, S. 30f. 31 Hessisches Kultusministerium, 1994, S. 4. - 15 - 4.2.3.3 Hoher Lernerfolg Im Rahmen verschiedener Studien wurde nachgewiesen, dass der Lernerfolg beim Gruppenpuzzle höher als beim herkömmlichen, meist lehrerzentrierten Unterricht ist. Als Beispiel seien die Ergebnisse der Israelin Lazarowitz32 angeführt, die die zwei biologischen Themen Mitose und Meiose im 9. Schuljahr als Untersuchungsgrundlage gewählt hat: Leistungstest Experimentalgruppe Kontrollgruppe Mitose 78,50 64,70 Meiose 75,80 59,90 Abbildung 5: Leistungstests mit durchschnittlich erreichter Punktzahl (in Prozent)33 Wie man aus dieser Darstellung erkennen kann, haben die Puzzleschülerinnen und -schüler signifikant besser bei den Wissenstests abgeschnitten als die Schülerinnen und Schüler der herkömmlich unterrichteten Kontrollgruppe. Soweit diese Sammlung von Argumenten für das Gruppenpuzzle. Die notwendige kritische Reflexion mit neuen Gesichtspunkten findet sich im Kapitel 6 am Ende der Arbeit. 4.3 Inhaltlicher Schwerpunkt Das Thema Duftstoffe ist von mir als doppeltes Gruppenpuzzle geplant worden, d.h. die Schülerinnen und Schüler führten zwei Gruppenpuzzles hintereinander durch, wobei beim ersten die Textarbeit und beim zweiten die Auseinandersetzung mit dem Versuch im Mittelpunkt standen. Im Anschluss an die folgende Übersicht werden die acht Experteninformationen kurz vorgestellt.34 1. Runde: A Der Geruchssinn des Menschen B Die Geschichte der Duftstoffe C Gewinnung und Struktur von Duftstoffen D Duftstoffe sind überall! 32 Lazarowitz, R., 1991, S. 19ff. 33 modifiziert nach: Ebd., S. 20. 34 die vollständige Sammlung der Experteninformationen findet sich ab S. 44. - 16 - 2. Runde: E Destillation im Freien F Extraktion mit Soxhlet-Apparatur G Dünnschicht-Chromatographie H Carbonsäureester 4.3.1 Der Geruchssinn des Menschen (A) Die Schülerinnen und Schüler der Expertengruppe A erhalten zunächst Informationen, wie sich der Geruchssinn auf das Befinden des Menschen auswirkt. So wecken Gerüche vom Körper, Kleidung oder Räumen Erinnerungen an Orte, Begebenheiten oder Personen, die man riechen oder nicht riechen kann.35 Nach dieser eher allgemein gehaltenen Einführung soll sich alles um den Geruchssinn des Menschen aus biologisch-chemischer Sicht drehen. Unterstützt von schematischen Zeichnungen wird der Weg der Geruchsinformationen von der Nase bis ins Gehirn verfolgt.36 Dabei werden Geruchsschwellen und -qualitäten beispielhaft aufgezeigt. Abschließend wird auf jene unbewusst wahrgenommenen Informationen eingegangen, die jeder Mensch durch chemische Botenstoffe, genannt Pheromone, abgibt bzw. aufnimmt, wobei dadurch in erster Linie die wechselseitige sexuelle Anziehung zwischen den Menschen beeinflusst wird.37 4.3.2 Die Geschichte der Duftstoffe (B) Die Schülerinnen und Schüler der Expertengruppe B sollen das Thema Duftstoffe aus geschichtlicher Sicht bearbeiten. Ausgegangen wird vom Altertum. Hier traten Priester per fumum, durch Rauch (daher das heutige Wort Parfüm), mit den Göttern in Verbindung. Aber auch Frauen der Oberschicht hatten die wohlriechenden Produkte für sich entdeckt. Ebenfalls fanden Duftstoffe als Heilmittel Verwendung.38 Im Mittelalter gelangten die Techniken zur Gewinnung und Verarbeitung von Duftstoffen nach Europa, und im Mittelmeerraum entstanden große Zentren der Duftstoffherstellung. Mit der Vervielfachung der Anbauflächen für die benötigten Pflanzen, zumeist wohlriechende 35 Hedewig, Roland, 1995, S. 4. 36 Krieger, Jürgen und Breer, Heinz, 1994, S. 70ff. 37 Hedewig, Roland, 1995, S. 10f. 38 Paret, Michael, 1994, S. 37f. - 17 - Blumen und Citrusfrüchte, konnten die Bedürfnisse des aufstrebenden Bürgertums nur für eine gewisse Zeit befriedigt werden. So wurden Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Erfolge auf dem Gebiet der synthetischen Riechstoffherstellung erzielt.39 In der heutigen Zeit werden über drei Viertel aller Duftrohstoffe auf dem Weg der chemischen Synthese aus Erdölbestandteilen hergestellt. Die Verwendung der Duftstoffe reicht über Toilettenartikel und Haushaltsmittel bis zum Einsatz in der so genannten Aromatherapie.40 4.3.3 Gewinnung und Struktur von Duftstoffen (C) Die Schülerinnen und Schüler der Expertengruppe C sollen im ersten Teil ihrer Experteninformation etwas über die Wege der Duftstoffgewinnung erfahren. Bei den natürlichen Duftstoffen hat man im Laufe von Jahrtausenden die verschiedensten Vorgehensweisen entwickelt. Dabei beeinflusst der zu bearbeitende Rohstoff und dessen Eigenschaften die Wahl der Methode: Vom einfachen Auspressen von Citrusschalen bis zur aufwendigen Enfleurage, bei der das Öl empfindlicher Blüten (z.B. Jasmin) durch Öle und Fette extrahiert wird.41 Mit der intensiven Forschung der im 19. Jahrhundert aufkommenden chemischen Industrie wurden künstliche Duftstoffe zugänglich. So konnte auf halbsynthetischem Weg Vanillearoma aus natürlichem Nelkenöl42 hergestellt oder ein vollsynthetischer Moschusersatz43 geschaffen werden. Im zweiten Teil der Experteninformation sollen die Schülerinnen und Schüler zunächst festgestellen, dass es bis heute keine umfassende Theorie gibt, die von der chemischen Struktur eines Moleküls auf dessen Duftwirkung schließen lässt oder umgekehrt.44 Die hier noch unbeantwortete Frage an die Natur ist einer der sehr seltenen Augenblicke im naturwissenschaftlichen Unterricht, in dem an die Grenzen menschlichen Wissens gestoßen wird. Es bleibt aus chemischer Sicht lediglich zu betonen, dass die meisten Riechstoffe aufgrund 39 Martinetz, Dieter et al., 1998, S. 5ff. 40 Ebd., S. 5ff. 41 Martinetz, Dieter et al., 1998, S. 16ff. 42 Münzinger, Wolfgang, 1994, S. 4. 43 Martinetz, Dieter et al., 1998, S. 253ff. 44 Kremoser, Claus, 1998, S. 222ff. - 18 - ihrer funktionellen Gruppen den Stoffklassen der Alkohole, Aldehyde, Ketone, Ester und Lactone zugeordnet werden können.45 4.3.4 Duftstoffe sind überall! (D) Die Schülerinnen und Schüler der Expertengruppe D sollen sich mit Duftstoffen im täglichen Leben beschäftigen. Zunächst werden Informationen zum Themenkomplex Parfüm gegeben: Neben der Unterscheidung von Duftwässern anhand ihrer Duftstoffanteile wird der Aufbau eines Parfüms erläutert.46 Als Beispiel wird Chanel NO5 vorgestellt, eines der berühmtesten Parfüms der Geschichte.47 Ein Exkurs zur modernen Innenraumlufthygiene48 leitet zu schlecht riechenden Verbindungen über. Als ein Vertreter schlimmster Art wird Methanthiol49 präsentiert und seine Entstehung sowie Verwendung beispielhaft beschrieben. 4.3.5 Destillation im Freien (E) Kühlschale Keramikeinsatz Messingeinsatz Siebblech Maße in mm Abbildung 6: Querschnitt durch die Destillationsapparatur (Topfdestille)50 45 Pfeifer, Peter, 1994, S. 9ff. 46 Münzinger, Wolfgang, 2000. 47 Emsley, John, 1997, S. 2ff. 48 Umweltbundesamt, 2000, Pressemitteilung 14/00. 49 Emsley, John, 1999, S. 21ff. 50 Minssen, Mins, 1994, S. 32f. - 19 - Die Schülerinnen und Schüler der Expertengruppe E sollen mit ihrer Experteninformation die theoretischen und praktischen Grundlagen zur Durchführung einer Wasserdampfdestillation im Freien erhalten. Nach dem Vorbild einer afrikanischen Topfdestille und mit Merkmalen eines mediterranen Alambic steht der Bausatz eines Destillationsapparates zur Verfügung.51 Aufbau, Funktion und Betrieb sollen die Experten dem Text entnehmen, den Versuch anschließend durchführen und ein Arbeitsblatt entwerfen. Bei der Topfdestille werden ätherische Öle mit Wasserdampf aus Pflanzenbestandteilen wie Blüten gewonnen. Man stellt dazu die kupferne Topfdestille in die Glut eines Kohlenfeuers und füllt sie mit Wasser. Ein Messingsieb mit Pflanzenmaterial wird eingehängt. Darüber befindet sich ein Keramikeinsatz und nach oben hin abschließend eine wasserbefüllte Kühlschale. Das erhitzte Wasser durchströmt als Dampf das Pflanzenmaterial und zieht Duftstoffe mit sich am Keramikeinsatz vorbei, bis der Duftstoff-Wasserdampf an der Kühlschale kondensiert und in den darunter befindlichen Keramikeinsatz tropft. Nach dem Erkalten sammelt sich das ätherische Öl an der Oberfläche des Wassers. Übrigens lässt sich das Wasserdestillat zur Parfümierung selbst hergestellter Seife52 verwenden. 4.3.6 Extraktion mit Soxhlet-Apparatur (F) A: B: C: D: Extraktor Heberohr Dampfleitungsrohr Extraktionshülse aus Filterpapier Abbildung 7: Schematische Darstellung einer Soxhlet-Apparatur53 51 Minssen, Mins, 1994, S. 32f. 52 siehe S. 41. 53 CD-Römpp Chemie-Lexikon, 1995. - 20 - Die Schülerinnen und Schüler der Expertengruppe F sollen das Trennverfahren der Extraktion beispielhaft erarbeiten. Bei diesem Trennverfahren werden mit Hilfe geeigneter Lösungsmittel Bestandteile aus Substanzgemischen herausgelöst. Die Extraktion spielt in der Technik eine wichtige Rolle, u.a. bei der Arzneimittel-Herstellung, der Zuckergewinnung und der Gasreinigung54. Die Expertengruppe erhält Informationen über den Aufbau und die Funktionsweise der Extraktionsapparatur, die von dem Münchner Universitätsprofessor Franz von Soxhlet vor über 100 Jahren entwickelt und später nach ihm benannt worden ist. Bei dieser im Labor gebräuchlichen Apparatur wird das Extraktionsmittel im Rundkolben bis zum Sieden erhitzt, es steigt dann als Dampf auf, kondensiert am Kühler und tropft in die darunter befindliche Extraktionshülse aus Filterpappe, die das zu extrahierende Material enthält. Das Charakteristikum der Soxhlet-Apparatur ist dabei, dass das Extrakt periodisch durch Heberwirkung in den Kolben zurückfließt. So reichern sich die extrahierten Stoffe im Kolben an, während das Extraktionsmittel wieder verdampfen kann.55 Die Expertengruppe hat den Auftrag, den recht komplexen Versuchsaufbau mit den vorhandenen Geräten nachzubauen und gemeinsam den Versuch durchzuführen. Dabei sollen sie Wodka als Extraktionsmittel und gemörserte Anissamen als Extraktionsgut verwenden.56 Am Ende der Expertenrunde steht schließlich die Erarbeitung eines Arbeitsblatts zum Versuch, das in der Unterrichtsphase verteilt werden kann. 4.3.7 Dünnschicht-Chromatographie (G) Die Schülerinnen und Schüler der Expertengruppe G sollen mit dem Verfahren der Dünnschicht-Chromatographie ätherische Öle und Parfüms als Gemische verschiedenster Duftstoffe identifizieren. Dabei ist bereits aus dem ersten Gruppenpuzzle57 bekannt, dass man Duftstoffe mit ihren funktionellen Gruppen klassifizieren kann. Die DünnschichtChromatographie ist nun ein Verfahren, bei dem die Trennung eines Duftstoffgemischs aufgrund dieser funktionellen Gruppen möglich ist.58 54 Römpp Chemie-Lexikon, 1995, S. 1289. 55 Ebd., S. 4219. 56 Schween, Michael, 2000/1. 57 siehe S. 18f. 58 Schilling, Bernd, 1999, S. 12ff. - 21 - Man bringt das Gemisch auf eine Dünnschicht-Chromatographie-Platte auf, die sogenannte stationäre Phase. Ein geeignetes Laufmittel, als mobile Phase bezeichnet, zieht das Gemisch mit. Unpolare Verbindungen wandern am weitesten mit, polare Verbindungen wie Alkohole verbleiben dagegen in der Nähe der Startlinie. Mit einem Sprühreagenz erfolgt eine Anfärbung und damit Sichtbarmachung der aufgetrennten Komponenten.59 Die Experten müssen bei dem Versuch sehr sorgfältig arbeiten und aus der Experteninformation eine präzise, Schritt für Schritt nachvollziehbare Versuchsvorschrift entwickeln. 4.3.8 Carbonsäureester (H) Die Schülerinnen und Schüler der Expertengruppe H sollen künstliche Duftstoffe herstellen. Mit einem überschaubaren apparativen Aufwand lassen sich besonders gut Carbonsäureester in verschiedensten Duftrichtungen darstellen. Es wird jeweils eine bestimmte Carbonsäure mit einem ebenfalls ausgewählten Alkohol gemischt, mit etwas Schwefelsäure angesäuert (Säurekatalyse) und erwärmt; das Produkt gibt man zur Neutralisation in verdünnte Natriumhydroxid-Lösung. Schließlich erfolgt eine vorsichtige Geruchsprobe.60 Den Experten steht eine tabellarische Übersicht61,62 mit verschiedenen Carbonsäuren und Alkoholen sowie den zu erwartenden Geruchsrichtungen zur Verfügung. Nachdem sie die benötigten Chemikalien zusammengesucht haben, sollen die Experten die möglichen Kombinationen ausprobieren und einige für sie interessante Ester für die Unterrichtsphase auswählen. Das zu erstellende Arbeitsblatt soll dann neben dem Versuchsprotokoll auch die korrekte Benennung der entstandenen Ester beinhalten. 4.4 Ergebnissicherung und Leistungskontrolle Während jeder Lernende für die Sicherung der Ergebnisse aus den Puzzlephasen selber verantwortlich sein soll, können die Schülerinnen und Schüler in zwei kursübergreifenden Kontrollphasen mit Kartenspielen63 ihr Wissen auf ansprechende Art testen. Ein unbenoteter 59 Münzinger, Wolfgang, 2000. 60 Schween, Michael, 2000/2. 61 Kionke, Adèle, 2000. 62 Praetorius, Fritz, 2000. 63 entwickelt in Anlehnung an die im AULIS-Verlag erhältlichen Kartenspiele. - 22 - Test64 zum Abschluss der Reihe und eine Aufgabe in der Leistungskursklausur65 vervollständigten die Leistungskontrollen. 5 Durchführung der Unterrichtseinheit 5.1 Lernziele des Unterrichtsthemas Duftstoffe Die Schülerinnen und Schüler sollen angeben können, wie sich der Geruchssinn auf das Befinden des Menschen auswirkt. umreißen können, wie der Geruchssinn des Menschen funktioniert. die menschliche Wahrnehmung von Geruch hinsichtlich Qualität und Quantität beispielhaft beschreiben können. die Wirkung von Pheromonen beim Menschen beschreiben können. die Veränderung der Verwendung von Duftstoffen über die Jahrtausende hinweg beschreiben können. die Veränderung der Käuferschichten von Duftstoffen erklären können. die gebräuchlichen Herstellungs- und Verwendungsmöglichkeiten von Duftstoffen in der heutigen Zeit benennen können. mindestens fünf technische Verfahren zur Isolation von natürlichen Duftstoffen aufzählen können. die Begriffe halb- und vollsynthetisch im Zusammenhang mit Duftstoffen erklären können. Verwendungszwecke für vollsynthetische Duftstoffe nennen können. den Zusammenhang zwischen chemischer Struktur und der Duftwirkung einer Substanz beschreiben können. die fünf Stoffklassen benennen können, nach denen die häufigsten Duftstoffe eingeteilt werden können. mindestens drei Beispiele für Duftwasser und deren Duftstoffanteile nennen können. den vertikalen Aufbau eines Parfüms beschreiben und Beispiele zur Erklärung des horizontalen Aufbaus geben können. die Besonderheiten des Parfüms Chanel No5 benennen können. 64 siehe S. 100. 65 siehe S. 39. - 23 - zum Begriff der Innenraumlufthygiene Stellung nehmen können die Entstehung von Methanthiol beim Menschen und die Verwendungen in der Technik beschreiben können. das Prinzip der Topfdestille erklären können. den Unterschied zwischen Wasser- und Wasserdampfdestillation erklären können. Versuchsaufbau, -durchführung, -beobachtung und -auswertung der Destillation im Freien beschreiben und erläutern können. das Prinzip der Soxhlet-Apparatur erläutern können. die Ansprüche angeben können, die an das Lösungsmittel bei der Extraktion gestellt werden. mindestens ein leicht siedendes Lösungsmittel aus dem Alltag nennen können. Versuchsaufbau, -durchführung, -beobachtung und -auswertung der Extraktion mit der Soxhlet-Apparatur beschreiben und erläutern können. das Prinzip der Dünnschicht-Chromatographie erläutern können. den Zusammenhang zwischen der Polarität einer Verbindung (funktionelle Gruppen) und der Fließgeschwindigkeit bei einer Dünnschicht-Chromatographie benennen können. Versuchsaufbau, -durchführung, -beobachtung und -auswertung der DünnschichtChromatographie beschreiben und erläutern können. für eine beliebige Verbindung aus Carbonsäure und Alkohol die Benennung angeben können. beispielhaft zwei Carbonsäureester und ihre Geruchsrichtung nennen können. Versuchsaufbau, -durchführung, -beobachtung und -auswertung der Herstellung von Carbonsäureestern beschreiben und erläutern können. - 24 - 5.2 Lernziele der Unterrichtsform Gruppenpuzzle Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre vorhandene Handlungskompetenz erweitern und so zu größerer Selbstständigkeit gelangen. das Gruppenpuzzle kennenlernen, die Vorgehensweise verstehen und das Gruppenpuzzle anschließend selbstständig durchführen. fachübergreifend arbeiten. sich selbstständig Inhalte aneignen. selbstständig weiterführende Literatur vermitteln. erworbenes Wissen strukturieren, gegebenenfalls vereinfachen und an die Mitschülerinnen und Mitschüler weitergeben. eine geeignete Form der Wissensvermittlung wählen. selbstständig aus einem Informationstext die Durchführung eines Versuchs herausarbeiten. selbstständig einen Versuch ausprobieren und gegebenenfalls modifizieren. zur Verfügung stehende Zeit günstig aufteilen und effektiv nutzen. selbstständig entscheiden, welche Informationen sie schriftlich festhalten wollen. gemeinschaftliches Arbeiten als erfolgversprechende Alternative zur Einzelarbeit erkennen. rücksichtsvoll-kooperatives Arbeiten üben. den Lehrer in der Rolle eines Organisators und Beraters kennenlernen. - 25 - 5.3 Verlaufsskizze der Unterrichtseinheit Tag/Stunde 21.08., 5. + 6. Std. 22.08., 1. + 2. Std. 23.08., 1. Std. Inhalt Methode/Medien Einstiegsversuch Duftstoffe Partnerarbeit, Riechstoffe (Chemikalien, Parfüm) Einführung Gruppenpuzzle Lehrervortrag, OHP, Folie Wissenserwerb (A-D) arbeitsteilige Einzelarbeit, Experteninformation, Bibliothek Expertenrunde (A-D) arbeitsteilige Gruppenarbeit, Experteninformation, Bibliothek Expertenrunde (Fortsetzung, A-D) arbeitsteilige Gruppenarbeit, Experteninformation, Bibliothek Unterrichtsrunde (A-D) arbeitsgleiche Gruppenarbeit, zum Teil mit selbst erstelltem Informationsmaterial der Schülerinnen und Schüler [Kursangelegenheiten] Unterrichtsrunde (Forsetzung, A-D) arbeitsgleiche Gruppenarbeit, zum Teil mit selbst erstelltem Informationsmaterial der Schülerinnen und Schüler Kartenspiel (A-D) Unterrichtsgespräch, Kartenspiel Kartenspiel (Fortsetzung, A-D) Unterrichtsgespräch, Kartenspiel Wissenserwerb (E-H) arbeitsteilige Einzelarbeit, Experteninformation, Bibliothek Expertenrunde (E-H) arbeitsteilige Gruppenarbeit, Experteninformation, Bibliothek Expertenrunde (Forsetzung, E-H) mit der Erstellung von Versuchsarbeitsblättern arbeitsteilige Gruppenarbeit, Experteninformation, Bibliothek Unterrichtsrunde (E-H) arbeitsgleiche Gruppenarbeit, selbst erstellte Versuchsarbeitsblätter der Schülerinnen und Schüler 30.08., 1. Std. Unterrichtsrunde (Fortsetzung, E-H) arbeitsgleiche Gruppenarbeit, selbst erstellte Versuchsarbeitsblätter der Schülerinnen und Schüler 04.09., 5. + 6. Std. [Kursangelegenheiten] 28.08., 5. + 6. Std. 29.08., 1. + 2. Std. 05.09., 1. Std. Kartenspiel (E-H) Unterrichtsgespräch, Kartenspiel Fragen und Antworten zum Test Unterrichtsgespräch Unbenoteter Test Einzelarbeit Besprechung des Tests Unterrichtsgespräch - 26 - 5.4 Tabellarische Übersicht über die Elemente der Gruppenpuzzle Gruppenpuzzleelement Methode/Medien Der Geruchssinn des Menschen Funktionsweise des menschlichen Geruchssinn Pheromone und ihre Wirkungsweise Instruktion durch die Mitschülerinnen und Mitschüler Die Geschichte der Duftstoffe Verwendung der Duftstoffe in der Vergangenheit Verwendung der Duftstoffe in der Gegenwart Instruktion durch die Mitschülerinnen und Mitschüler Gewinnung und Struktur von Duftstoffen Technische Verfahren zur Isolation von natürlichen Duftstoffen Halb- und vollsynthetische Duftstoffe Fünf wichtige Stoffklassen zur Duftstoffeinteilung Instruktion durch die Mitschülerinnen und Mitschüler Duftstoffe sind überall! Duftwasser und deren Duftstoffanteile Vertikaler und horizontaler Aufbau von Duftstoffen Chanel NO5 und Methanthiol Instruktion durch die Mitschülerinnen und Mitschüler Destillation im Freien Prinzip der Topfdestille Freiluftdestillation Instruktion durch die Mitschülerinnen und Mitschüler; Bausatz einer Topfdestille, Kohle, Destillationsmaterial Extraktion mit Soxhlet-Apparatur Prinzip der Soxhlet-Apparatur Extraktion im Labor Instruktion durch die Mitschülerinnen und Mitschüler; Gerätschaften für die SoxhletApparatur, Extraktionsmaterial Dünnschicht-Chromatographie Prinzip der Dünnschicht-Chromatographie Dünnschicht-Chromatographie in der Praxis Instruktion durch die Mitschülerinnen und Mitschüler; Chemikalien und Geräte zur Durchführung der Chromatographie Carbonsäureester Verbindungen aus Carbonsäure und Alkohol Herstellung von Carbonsäureestern Instruktion durch die Mitschülerinnen und Mitschüler; verschiedene Carbonsäuren und Alkohle, Gerätschaften - 27 - 5.5 Darstellung ausgewählter Puzzleelemente 5.5.1 Überblick über die Puzzleelemente Bevor drei ausgewählte Puzzlebausteine ausführlich beschrieben werden, möchte ich den Verlauf der Reihe umreißen und so diese näher zu beleuchtenden Bausteine in einen Gesamtzusammenhang einbetten. Der Einstiegsversuch Gerüche identifizieren66 sollte bei den Schülerinnen und Schülern positive Affekte hervorrufen. Das Riechen an Papierstreifen, die mit verschiedenen Chemikalien bzw. Parfüms getränkt waren, motivierte die Schülerinnen und Schüler dann in der Tat, die Düfte mit Worten zu beschreiben und Vermutungen anzustellen, um welche Stoffe es sich handelt. So mutmaßten sie in einem lebhaften Unterrichtsgespräch zum Beispiel korrekt, dass es sich bei einem “männlichen” Duft um ein After Shave handeln müsse. Eine Schülerin fand sogar den Namen einer weiteren Duftprobe heraus, das Parfüm My Melody Dreams - da sie es früher selber getragen hatte. Die Einführung in die Arbeitsweise beim Gruppenpuzzle benötigte relativ wenig Zeit. Zum einen, weil das Gruppenpuzzle eine in sich logische Abfolge von wenigen Arbeitsschritten beinhaltet, zum anderen, weil ich für jeden Schüler und jede Schülerin nochmals eine Übersicht zu den Experteninformationen hinzugefügt hatte. Die anschließende Verteilung der Experteninformationen geschah nicht rein zufällig. Um zu vermeiden, dass sich mehrere leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler in einer der vier Expertengruppen zusammenfinden, hatte ich die Gruppen in alphabetischer Permutation (A-B-C-D-A-...) vorsortiert und dann der Reihe nach in den Bankreihen verteilt. Durch diese von den Schülerinnen und Schülern als normal akzeptierte Vorgehensweise67 konnten die nebeneinander sitzenden Leistungsträger des Kurses gleichmäßig auf die Expertengruppen verteilt werden. Die Phase des Wissenserwerbs (30 Minuten) war dann von einer interessierten Ruhe geprägt; den wenigen Fragen der Schülerinnen und Schüler konnte ich mich als Lehrperson intensiv widmen, während ich in der übrigen Zeit den Fortgang der Arbeit beobachtete. Nach dem Wissenserwerb suchten sich die Experten mit gleichem Thema und verteilten sich im Chemie- sowie im Vorbereitungsraum. Auch während der Expertenrunde (40 Minuten) kehrte wieder arbeitsame Ruhe ein; verbliebene Fragen konnten untereinander, mit Hilfe der Fachliteratur aus der Präsenzbibliothek oder durch den Lehrer geklärt werden. Die 66 siehe S. 45. 67 aus Klassenarbeiten in ähnlicher Form bekannt. - 28 - Expertengruppen entschieden sich für die Präsentationsformen und arbeiteten dann entsprechend ihre Unterlagen aus. Die Phase der ersten Unterrichtsrunde (60 Minuten) soll im weiteren68 näher betrachtet werden. Auf spielerische Art und Weise konnten die Schülerinnen und Schüler ihr erworbenes Wissen zum Abschluss des ersten, text- bzw. theorieorientierten Gruppenpuzzles testen (30 Minuten). Das Spiel mit Frage-Antwort-Karten69 ist an ein vom Aulis-Verlag entwickeltes System angelehnt, bei dem zwei Mannschaften gegeneinander spielen. Dazu werden die Karten verteilt und die Gruppe mit der Frage 1 beginnt. Der Spieler oder die Spielerin mit einer vermutlich passenden Antwortkarte meldet sich und liest die Lösung vor. Ist die Lösung korrekt, erhält die eigene Gruppe einen Punkt und die auf der Antwortkarte stehende Frage wird vorgelesen. Ist die Antwort hingegen falsch, so bekommt die gegnerische Mannschaft einen Punkt und die richtige Antwort wird weitergesucht. Diese Form der Wissenskontrolle machte den Schülerinnen und Schülern sichtlich Spaß, und sie wünschten sich ein weiteres Kartenspiel zur Wiederholung der Lerninhalte nach dem zweiten Gruppenpuzzle. Das zweite Gruppenpuzzle sollte neben der Erarbeitung weiterer Inhalte zum Thema Duftstoffe auch der Wiederholung und Vertiefung der Gruppenpuzzle-Methode dienen. Tatsächlich war die neue Herangehensweise für die Schülerinnen und Schüler schon fast zu einer Normalität geworden: Mein Vorschlag, die Unterrichtsgruppen des ersten Puzzles zu Expertengruppen des zweiten Puzzles zu machen, wurde von den Schülerinnen und Schülern als naheliegende Idee akzeptiert. Der folgende Wissenserwerb (20 Minuten) war dann von der Motivation fast aller Schülerinnen und Schüler geprägt, die beschriebenen Experimente in die Praxis umzusetzen. Von diesem (Über-)Eifer in der anschließenden Expertenrunde (90 Minuten) und der Unterrichtsrunde (90 Minuten) ist noch zu berichten.70 Da die Gruppen in der Unterrichtsphase durch Verzögerungen beim Experimentieren unter Umständen zeitliche Freiräume haben würden, hatte ich noch einen Informationstext71 zu den aktuellen Parfümtrends vorbereitet. Darüber hinaus sollten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten, eigene Parfümkompositionen zu entwickeln. Der Parfümbaukasten72 und 68 siehe S. 30ff. 69 siehe S. 87ff; passend vorperforierte Druckpappe gibt es von der Firma Data Becker. 70 siehe S. 32ff. 71 siehe S. 84f. 72 Parfümbaukasten C (Omikron GmbH) - 29 - das zugehörige Buch73 mit einer Vielzahl von Vorschlägen lagen bereit. Im Rahmen des Gruppenpuzzles ergaben sich dann jedoch nur jeweils weinige Minuten Wartezeit, so dass keiner der Lernenden über das Lesen des Infoblatts hinauskam. Auf Wunsch der Schülerinnen und Schüler wurde auch das zweite Gruppenpuzzle mit einem Kartenspiel abgeschlossen. Die Ankündigung eines unbenoteten Tests und einer (benoteten) Klausuraufgabe ließ einige der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer aufhorchen, und es wurde eine Vielzahl “kleiner Fragen” an mich gestellt. Auch wenn ich versuchte, die Antworten von den Schülerinnen und Schülern selbst geben zu lassen, lief diese ungeplante Phase (30 Minuten) auf eine Art Verifizierung der gelernten Inhalte durch die Lehrperson hinaus. Der Test wurde in der nächsten Stunde anonym geschrieben. Auf Wunsch der Schülerinnen und Schüler besprachen wir noch in der Stunde die Aufgaben, und ich gab die korrigierten Arbeiten am nächsten Tag an den Kurs zurück.74 Ebenso fiel die Klausuraufgabe75, die von meinem Mentor und mir entworfen wurde, vom Gesamtergebnis her gut aus. 5.5.2 Die erste Unterrichtsrunde (A-D) 5.5.2.1 Geplanter Verlauf Die erste Unterrichtsrunde soll methodisch gesehen von der Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler sowie dem fächerübergreifenden Charakter der Inhalte geprägt sein. Die Schülerinnen und Schüler bilden für die Phase des Unterrichts aus den Expertenrunden heraus neue Gruppen. Ein Freiwilliger oder eine Freiwillige beginnt dann als Lehrender, den Mitschülerinnen und Mitschülern das erarbeitete Expertenwissen zu vermitteln. Dabei sollen die in der Arbeitsanleitung für die Expertengruppe gegebenen Tipps für die Unterrichtsrunde berücksichtigt werden: Sie haben höchstens zehn Minuten für den Unterricht. Geben Sie zu Beginn einen Überblick über das Thema. Verteilen Sie das entworfene Informationsblatt beziehungsweise weisen Sie Ihre Zuhörer darauf hin, entsprechende Notizen zu machen. Klären Sie Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler auf, was sie von Ihrem Stoffgebiet wissen müssen. 73 Pütz, Jean, 1993. 74 siehe S. 38f. 75 siehe S. 39f. - 30 - Lassen Sie sich für den Schluss noch etwas Zeit, um Fragen beantworten zu können. Die Aufgabe der Lernenden muss es sein, den Ausführungen des Experten zu folgen, gegebenenfalls nachzufragen und so für sich die Informationen zusammenzutragen, die als Wissen vorausgesetzt werden. 5.5.2.2 Tatsächlicher Verlauf Die Bildung der Gruppen zu Beginn der Unterrichtsphase stellte sich unerwartet schwierig dar. Die Schülerinnen und Schüler vermittelten einen relativ hilflosen Eindruck, so dass ich nach kurzer Zeit das Heft selber in die Hand nehmen musste: Mit Hilfe der Kursliste ließen sich schnell in der alphabetischen Reihefolge je vier verschiedene Experten zu einer Unterrichtsgruppe zusammenbringen. Nun begannen die Schülerinnen und Schüler wie geplant mit ihrer selbstständigen Unterrichtsarbeit. Alle Beteiligten bemühten sich, den Zeitrahmen von zehn Minuten einzuhalten. Problemlos war dies für die Experten mit den Themen A (Der Geruchssinn des Menschen) und D (Duftstoffe sind überall!) möglich, da diese im Verlauf ihrer Expertenarbeit je ein Informationsblatt76 entworfen hatten, das jetzt in vervielfältigter Form zur Verfügung stand. Durchweg zu wenig Zeit hatten hingegen die Experten ohne vorbereitete Übersicht für alle. So hatte die Expertengruppe mit dem Thema B (Geschichte der Duftstoffe) zwar eine detaillierte Informationsliste entworfen, diese aber nur als Stichpunktliste für ihren eigenen Ausführungen vorgesehen. Die Experten mit dem Thema C (Gewinnung und Struktur von Duftstoffen) schließlich hatten sich lediglich Notizen auf ihren Experteninformationen gemacht. Auf Seiten der Schülerinnen und Schüler führte diese Unausgewogenheit dazu, dass sich diejenigen beschwerten, die ein Informationsblatt ausgearbeitet hatten. Ich hörte beispielsweise eine Schülerin sagen: “Wir haben uns viel mehr Mühe gemacht - bei euch muss man nicht nur zuhören, sondern auch noch mitschreiben!” Wenn auch aus den beschriebenen Gründen länger als geplant (60 Minuten), hielten sich, soweit von mir beobachtet, die Lehrenden an die Tipps und versuchten, den Lernenden die wichtigsten Inhalte der Themengebiete zu vermitteln. 76 siehe S. 103ff. - 31 - 5.5.2.3 Reflexion Im wesentlichen ist die Unterrichtsstunde so verlaufen, wie von mir geplant. Bei den Schwierigkeiten zur Bildung der Unterrichtsgruppen habe ich mich eventuell zu schnell aus der Rolle des Beobachters in die des Lehrers zurückversetzt. An dieser Stelle hätte ich vielleicht größere Zurückhaltung üben und den Kursteilnehmern die Regie überlassen müssen. Selbstständigkeit sollte sich schließlich gerade auch auf organisatorische Dinge beziehen. Da ein klarer Rahmen durch den Ablauf des Gruppenpuzzles gegeben war, hätten die Schülerinnen und Schüler wahrscheinlich ohne weiteres Zutun nach einiger Zeit selber eine Lösung gefunden. So scheint es mir aus heutiger Sicht nicht unbedingt nötig gewesen zu sein, dass ich auf meine alphabetische Kursliste zurückgegriff. Im weiteren Verlauf stellten die Schülerinnen und Schüler in hervorragender Weise ihre Fähigkeit unter Beweis, selbstständig zu arbeiten. Die Informationsphasen liefen in einer äußerst motivierten Atmosphäre ab, wobei die Lehrenden sichtlich Spaß an ihrer Aufgabe hatten. Selbst die Unstimmigkeiten aufgrund der verschiedenen Arten der Informationsvermittlung (mit und ohne Informationsblatt) taten der guten Zusammenarbeit keinen Abbruch. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass die Aufgabenstellung zu offen gewählt war und entschied für das zweite Gruppenpuzzle, einen klaren Auftrag zum Erstellen eines Versuchsarbeitsblatts zu geben. Auch aus der zeitlichen Distanz heraus betrachtet halte ich diese Änderung für richtig; darüber hinaus würde ich beim nächsten Mal auch die Arbeitsanweisung des ersten Gruppenpuzzles verändern und die Anfertigung eines Informationsblatts fordern. Diese Vorgabe schränkt nämlich die organisatorische Handlungsfreiheit der Schülerinnen und Schüler nur geringfügig ein, während ihre Freiheit hinsichtlich des selbstständigen Arbeitens unberührt bleibt. Im Gegensatz zum Anfangsproblem der Umgruppierung, das die Schülerinnen und Schüler selbst hätten bewältigen können, würde also hier ein unnötiger Stolperstein aus der gemeinschaftlichen Arbeit beseitigt werden. 5.5.3 Das Puzzlestück E: Destillation im Freien 5.5.3.1 Geplanter Verlauf Die Destillation im Freien ist - wie die übrigen Stücke des zweiten Puzzles - stark handlungsorientiert. Die Schülerinnen und Schüler sollen durch das Verlassen des Chemiesaals und die Arbeit im Freien möglichst anschaulich das Prinzip der transportablen Destille erfahren. - 32 - Im Rahmen des Wissenserwerbs sollen sich die Experten zunächst anhand der Informationen über die Geschichte, die Funktionsweise und den Betrieb der Topfdestille kundig machen. Nach der Erarbeitung der Information müssen die Experten einen geeigneten Ort für die Durchführung des Versuchs suchen. Ist dieser gefunden und genehmigt, kann mit dem Experimentieren begonnen werden. Dazu müssen die Schülerinnen und Schüler eine Kohlenglut erzeugen und den Destillationsbausatz zusammensetzen. Mit Wasser und Destillationsgut lässt sich dann die erste Destillation durchführen. Ist die Vorgehensweise bei der Destillation zufriedenstellend erprobt, soll die Expertenrunde noch ein Versuchsblatt entwerfen, mit dessen Hilfe die Lernenden in der Unterrichtsphase den Versuch durchführen können. 5.5.3.2 Tatsächlicher Verlauf Die Schülerinnen und Schüler lasen sich die Experteninformation sehr zügig durch und wollten dann sofort einen geeigneten Platz suchen. Diesem Wunsch entsprach ich, da die Herstellung der Kohlenglut erfahrungsgemäß eine relativ lange Zeit dauert. Schnell hatten die Schülerinnen und Schüler ein Gelände zwischen Schule und Friedhof gefunden, das ungenutzt und mit einem Schotterboden sehr geeignet erschien. Nach Rückfrage entfachten sie dort in einer Mulde das Feuer mit Holzkohle, die sie selber mitgebracht hatten. Der Zusammenbau der Topfdestille erwies sich wegen der vorhandenen Querschnittzeichnung als vollkommen unproblematisch. Nachdem sich eine flammenfreie Glut gebildet hatte, konnte die Destillation beginnen. Die von Herrn Praetorius aus seinem Garten mitgebrachten Lavendelblüten lieferten dabei nach gut fünf Minuten ein herrlich duftendes Wasserdampfdestillat. Aufgrund der nicht unerheblichen Vorlaufzeit für die Kohlenglut entschieden sich zwei Experten freiwillig, das Feuer am nächsten Morgen bereits vor Unterrichtsbeginn anzuzünden und zu überwachen. Die beiden verbliebenen Experten entwickelten in der Zwischenzeit das Versuchsblatt77, auf dem der Aufbau und das Prinzip der Topfdestille notiert wurden. Dank dieser gelungenen Übersicht konnten sich die Experten dann in den Unterrichtsrunden zurückziehen und den Lernenden die Durchführung überlassen. Da ausschließlich Lavendelblüten destilliert wurden, erhielten wir eine recht große Menge Lavendelblütendestillat. 77 siehe S. 106. - 33 - 5.5.3.3 Reflexion Die Destillation im Freien war für die Schülerinnen und Schüler ein Hochpunkt des Gruppenpuzzles. Dies spiegelte sich zum einen im Engagement der Expertengruppe wider, die mit größter Souveränität die Planung und die Durchführung übernahm; besonders die vorausschauende Planung zur Durchführung der Unterrichtsrunden am nächsten Tag hat mir dabei gefallen. Zum anderen waren auch die Unterrichtsrunden sehr erfolgreich: Meinen Beobachtungen nach waren die Experten - wie erhofft - nur Beobachter, die notfalls mit Tipps beratend zur Seite standen; der Zusammenbau der Topfdestille und die Durchführung des Versuchs lagen in der Hand der Lernenden. Auch die Übergabe von einer zur nächsten Unterrichtsgruppe, ohne dass die Feuerstelle unbeaufsichtigt war, sowie das Löschen und Aufräumen zum Schluss erfolgten vollkommen selbstständig. Im Nachhinein betrachtet erscheint lediglich schade, dass ausschließlich Lavendelblüten destilliert worden sind. Obwohl in der Experteninformation angeregt, kamen weder die Experten noch später die Schülerinnen und Schüler der Unterrichtsrunden auf die Idee, nach Alternativen zu den Lavendelblüten zu suchen. Vielleicht hätte ich einen entsprechenden Impuls geben sollen. 5.5.3 Das Puzzlestück F: Dünnschicht-Chromatographie 5.5.4.1 Geplanter Verlauf Mit dem Experiment zur Dünnschicht-Chromatographie sollen die Schülerinnen und Schüler ein wichtiges chemisches Trennverfahren kennenlernen. Zusammen mit den Informationen zur Struktur von Duftstoffen (Experteninformation C) können die Schülerinnen und Schüler das für sie neue Verfahren sofort anwenden. Nach dem ersten Kontakt mit der Methode beim Wissenserwerb sollen die Experten gemeinsam den Versuch durchführen. Aufgrund der Komplexität des Experiments ist es bei diesem Puzzlestück besonders wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler ein präzise formuliertes Versuchsblatt erstellen. In den Unterrichtsrunden müssen sich dann die Lernenden auf die Arbeitsanweisungen verlassen und sich Punkt für Punkt an den Vorgaben orientieren. Zur Dokumentation steht ein Fotoapparat zur Verfügung, mit Hilfe dessen die einzelnen Gruppen das schnell wieder verblassende Ergebnis fixieren können. Zu einer sofortigen Auswertung reicht aber bereits eine kleine Skizze auf dem Arbeitsblatt aus. - 34 - 5.5.4.2 Tatsächlicher Verlauf Nach einer vergleichsweise kurzen Phase des Wissenserwerbs traf sich die Expertengruppe zur praktischen Erprobung der Dünnschicht-Chromatographie. Schon bald wurde ich darauf aufmerksam, dass bei den Experten Unruhe aufkam. Es stellte sich heraus, dass sie weder das Prinzip der Dünnschicht-Chromatographie noch die Durchführung erläutern konnten. Um weitreichenden Fehlern bei der Versuchsdurchführung zu begegnen, ließ ich die Gruppe ihre Arbeit sofort unterbrechen und zog mich mit den Schülerinnen und Schüler in den Vorbereitungsraum zurück. Dort konnten wir gemeinsam innerhalb von etwa zehn Minuten die Verständnisprobleme ausräumen. Es zeigte sich dabei auch, dass der Experteninformation zwei wichtige Maßangaben fehlten, was einen Teil der Verständnisschwierigkeiten bedingte. Die Experten arbeiteten in der Folge selbstständig und ohne Probleme weiter. Sie entwickelten aus der praktischen Erprobung des Chromatographieversuchs ein sehr gut gegliedertes Arbeitsblatt78. So konnten die Lernenden in den anschließenden Unterrichtsrunden mit Hilfe dieser Anweisung problemlos experimentieren. Zudem wurde gleich bei der ersten Unterrichtsgruppe die Palette der ätherischen Öle bzw. Parfüms erweitert: Zu Kamille-, Lavendelund Nelkenöl sowie dem Parfüm My Melody Dreams wurde durch einen Schüler noch Eukalyptusöl hinzugefügt. 1: 2: 3: 4: 5: 1 2 3 4 1 2 4 5 3 Abbildung 8: Ergebnisse der Dünnschicht-Chromatographie 78 siehe S. 105. - 35 - Kamillenöl Lavendelöl Parfüm Nelkenöl Eukalyptusöl 5.5.4.3 Reflexion Im Nachhinein lässt sich schwer sagen, wann sich die Expertengruppe mit ihren Fragen von sich aus an mich gewandt hätte. Andererseits bin ich zufrieden, selbst auf ihre Schwierigkeiten aufmerksam geworden zu sein. Dies unterstreicht meines Erachtens die Qualität der Beobachterrolle, die man als Lehrer oder Lehrerin während des Gruppenpuzzles einnehmen kann. Die zunächst offenen Fragen in der Expertengruppe lassen sich so erklären: Zum einen hatten es die Schülerinnen und Schüler während des Wissenserwerbs nicht geschafft, das für sie neue Verfahren der Dünnschicht-Chromatographie mit den Informationen aus dem ersten Gruppenpuzzle inhaltlich zu verknüpfen. Dies stellte sich während der Besprechung im Vorbereitungsraum schnell heraus. Zum anderen erkannte ich, dass zwei nicht vorhandene Informationen zur Verwirrung in der Schülergruppe beitrugen. An dieser Stelle zeigte sich also, wie wichtig es ist, in der Vorbereitungsphase des Gruppenpuzzles die Experteninformationen mit größter Sorgfalt zu entwickeln und zu kontrollieren. Der weitere Verlauf des Puzzlestücks entsprach wieder den ursprünglichen Erwartungen. Unter Zuhilfenahme des Versuchsarbeitsblatts konnten die Lernenden der Unterrichtsrunden gute Ergebnisse79 erzielen. Die Erweiterung der Untersuchungspalette durch einen Schüler mit Eukalytusöl ließ dessen Kreativität erkennen, aus einem Medikament einen zu untersuchenden Duftstoff zu machen. Es bleibt festzustellen, dass das Puzzlestück Dünnschicht-Chromatographie nach anfänglichen Problemen doch noch ein Erfolg wurde. 6 Reflexion 6.1 Reflexion durch die Schülerinnen und Schüler Am Ende der Reihe bat ich die Schülerinnen und Schüler, zu Hause kurz zu notieren, was sie an Positivem und Negativem in den vergangenen Wochen beobachtet hatten. Der Übersichtlichkeit halber habe ich die gemachten Aussagen stichwortartig in der folgenden Tabelle zusammengestellt (Mehrfachnennungen sind in Klammern angegeben): 79 siehe S. 35. - 36 - Positives Negatives viele Experimente (5) interessantes Thema (3) Gruppenarbeit (3) Kartenquiz (3) lockere Atmosphäre Spaß, trotzdem gute Vermittlung des Stoffs freies Arbeiten selber erklären müssen Abwechslung gute Beratung duch den Lehrer Anregungen für zu Hause kein Frage-Antwort-Unterricht nur viel Ahnung vom eigenen Stoff bzw. Experiment (3) man lernt nicht so viel von den Mitschülern (2) Stoff der anderen bleibt nicht so gut hängen verwirrende und unvollständige Anleitung zu wenig Zeit Abbildung 9: Meinungen der Schülerinnen und Schüler zum Gruppenpuzzle Duftstoffe Es zeigt sich eindeutig, dass die Schülerinnen und Schüler das Thema und dessen Umsetzung positiv beurteilen. Vor allem das zweite, experimentorientierte Gruppenpuzzle scheint ihnen gut gefallen zu haben. Probleme sehen die Schülerinnen und Schüler allerdings insbesondere, wenn es um die Vermittlung des Wissens durch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler geht. Solche Befürchtungen wurden schon während des ersten Gruppenpuzzles geäußert: “Wiederholen wir das nochmal, damit wir das alles richtig erzählt bekommen...?” Diese Skepsis war allerdings nicht von Dauer. Wesentlich positiver äußerten sich zumindest diejenigen Schülerinnen und Schüler, die ich nochmals in kurzen Einzelgesprächen vor den Weihnachtsferien befragte. Ich führe diesen Sinneswandel auf das sehr erfreuliche Abschneiden beim unbenoteten Test und auf die wirklich guten Ergebnisse bei der Klausur zurück; ihre Leistungen scheinen die Schülerinnen und Schüler offensichtlich davon überzeugt zu haben, den Informationsaustausch mit den Mitlernenden als qualitativ gleichwertigen Unterricht anzusehen. 6.2 Reflexion durch den Lehrenden In der abschließenden Reflexion möchte ich die Argumente für das Gruppenpuzzle aufgreifen aber auch Probeme zur Sprache bringen, die sich in der praktischen Durchführung gezeigt haben. - 37 - 6.2.1 Fachübergreifender Unterricht Es hat sich überzeugend bestätigt, dass das Gruppenpuzzle an sich, und hier mit dem Thema Duftstoffe im Besonderen, zur Durchführung fachübergreifenden Unterrichts geeignet ist. Gerade das Zerteilen eines größeren Themenkomplexes in einzelne Puzzlestücke führt dazu, dass die entstehenden Elemente auf verschiedenen, auch außerfachlichen Wegen angegangen und bearbeitet werden können. So fanden sich neben chemischen Zugängen auch solche aus Gebieten der Biologie (Der Geruchssinn beim Menschen; Duftstoffe sind überall!), der Geschichte und der Religion (beide in: Die Geschichte der Duftstoffe), der Technik (Gewinnung und Struktur von Duftstoffen), der Umwelt (Duftstoffe sind überall!) sowie aus dem Fach Deutsch (Einstiegsarbeitsblatt: Gerüche beschreiben). 6.2.2 Selbstständiges Lernen Im Rahmen eines Gruppenpuzzles lässt sich die Schlüsselqualifikation Selbstständiges Lernen auf verschiedenen Niveaus fördern. Im Fall des Duftstoffpuzzles haben die beteiligten Schülerinnen und Schüler einen sehr hohen Grad der Selbstständigkeit erreicht. Die beiden Gruppenpuzzle wurden weitgehend allein von den Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Allerdings sollte man als Lehrerin oder Lehrer für jede Klasse bzw. jeden Kurs die individuell einforderbare Selbstständigkeit neu abschätzen, um sowohl Über- wie Unterforderungen zu vermeiden. 6.2.3 Hoher Lernerfolg Zwei meiner Ergebnisse sprechen für den hohen Lernerfolg bei Gruppenpuzzles. Im Fall des unbenoteten Abschlusstests ergab sich folgendes Bild: Durschnitt: 10,5 Notenpunkte Anzahl der Tests 5 4 3 2 1 0 7 8 9 10 11 12 13 14 Notenpunkte Abbildung 10: Ergebnis des unbenoteten Abschlusstests (in Notenpunkte umgerechnet) - 38 - Der Test bestand jeweils zur Hälfte aus Multiple-Choice-Fragen und Aufgaben, die eine selbstständige Beantwortung in Form eines Textes oder einer Reaktionsgleichung verlangten. Die Korrektur ergab, dass die Schülerinnen und Schüler in beiden Aufgabenblöcken eine ähnliche Punktzahl holten, im Multiple-Choice-Teil also nicht überproportional erfolgreich waren. Betrachtet man ergo das Ergebnis des Tests vor dem Hintergrund, dass er zwar angekündigt war, aber anonym und unbenotet bleiben sollte, so haben die Schülerinnen und Schüler gute Leistungen erbracht. Im Rahmen der Leistungskursklausur am 23.10.2000 mussten die Schülerinnen und Schüler abermals ihre Lernfortschritte unter Beweis stellen. Die folgende Aufgabe (Nummer 3 von 3) entstand in Kooperation mit meinem Mentor: ” Herbstzeit - Erkältungszeit!” 3.1 Seit Jahrhunderten werden die ätherischen Öle der Minze zur Beruhigung der Schleimhäute verwendet. Beschreiben Sie die Gewinnung des Minzöls aus Pfefferminzblättern bei einer Wasserdampfdestillation. 3.2 Hauptbestandteil des Minzöls ist das Menthol. 1887 gelang es zum ersten Mal, Menthol aus Thymiankraut herzustellen: Zunächst gewinnt man mittels Wasserdampfdestillation Thymol (siehe Abbildung unten). Anschließend wird Thymol zu Menthol hydriert (die Doppelbindungen des aromatischen Ringes addieren Wasserstoff). Notieren Sie die zur Menthol-Herstellung aus Thymian gehörige Gleichung. Zu welcher Gruppe von Duftstoffen zählt man das so gewonnene Menthol? CH3 3.3 Zu welcher Stoffklasse gehört Menthol? 3.4 Um den Duft von natürlicher Pfefferminze nachzuahmen, muss man einen kleineren Teil des reinen Menthols weiter umsetzen; dabei verwendet man Essigsäure. OH H3C CH3 Thymol Erläutern Sie die Reaktion und benennen Sie das Produkt. Abbildung 11: Aufgabe in der Leistungskursklausur In diesem Fall lässt sich das Ergebnis der Duftstoff-Aufgabe direkt mit dem Ergebnis der anderen zwei Leistungskursaufgaben vergleichen: - 39 - 7 Aufgabe 1 und 2 Aufgabe 3: Duftstoffe Anzahl der Tests 6 5 4 3 2 1 0 <25 25-40 40-50 50-60 60-70 70-80 80-90 >90 Erreichte Punkte (in Prozent) Abbildung 12: Ergebnis der Leistungskursklausur (in Prozent) Im Durchschnitt waren die Schülerinnen und Schüler bei der Duftstoff-Aufgabe um mehr als 20% erfolgreicher als bei den beiden anderen Aufgaben. 6.2.4 Schwierigkeiten beim Gruppenpuzzle Einige Probleme, die bei der Arbeit mit dem Gruppenpuzzle auftreten können, will ich nicht verschweigen. Die von Schülern geäußerten Sorgen zur Qualität der Expertenberichte sind nicht völlig aus der Luft gegriffen. Der Lehrer oder die Lehrerin gibt in jedem Fall einen Teil seiner bzw. ihrer fachlichen Kontrolle aus der Hand. Besteht dann tatsächlich Sorge um die Qualität der Berichte, würde ich auf eine Methode zurückgreifen, die besonders im amerikanischen Vorbild des Gruppenpuzzles angewendet wird: der Wissenstest.80 Ein solcher ließe sich jeweils nach dem Wissenserwerb und der Expertenrunde durchführen. Auch die größeren Experimente bergen Probleme. Auf- und Abbau nehmen viel Zeit in Anspruch und nur in den seltensten Fällen können Räumlichkeiten ausschließlich für einen Gruppenpuzzleunterricht genutzt werden. Schließlich erschwert die Abwesenheit einzelner Schülerinnen und Schüler die Gruppenarbeit. So gab es auch im Rahmen dieses Gruppenpuzzles Fehlzeiten von Lernenden; nach der Rückkehr wurden sie allerdings “im Schnelldurchgang” durch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler auf den aktuellen Stand gebracht. Trotzdem denke ich, dass das Gruppenpuzzle ab einem gewissen Krankenstand in große Schwierigkeiten kommen könnte. 80 Frey-Eiling, Angela und Frey, Karl, 1999, S. 50ff. - 40 - 6.3 Abschlussgedanken Das Gruppenpuzzle ist sicherlich eine faszinierende Methode, die den täglichen Unterricht um eine interessante Facette bereichern kann. Das Gruppenpuzzle Duftstoffe hatte noch Nachwirkungen: Die Schülerinnen und Schüler stellten sich einige Wochen später mit dem Parfümbaukasten ihr persönliches Parfüm zusammen. Das Lavendeldestillat fand Verwendung als Duftstoff in einer von den Schülerinnen und Schülern selbst hergestellten Seife. Das Produkt der Soxhlet-Extraktion - ein herrlich duftender, hochprozentiger Anisschnaps - wurde nach längerem Überlegen dann doch nicht für Weihnachtsplätzchen verwendet sondern verblieb zu Demonstrationszwecken (nicht zum Konsum) im Fachbereich Chemie der Schwalmschule Treysa. Bleibt zu fragen: Wie könnte es weitergehen? Sicherlich ist das Thema experimentell noch lange nicht ausgereizt. Dies zeigen die vielen ausgezeichneten Ideen von Wolfgang Münzinger81, dem ersten Chemiedidaktiker in Deutschland, der sich der Duftstoffthematik angenommen hat. Ferner musste leider der literarische Zugang zu den Duftstoffen aus Zeitgründen unberücksichtigt bleiben. Patrick Süskinds Roman Das Parfum wäre hierzu hervorragend geeignet auch “Wenigleser” kann man mit diesem Buch begeistern. Ansonsten bleibt zu hoffen, dass der Roman - wie angekündigt - bald verfilmt wird.82 81 Münzinger, Wolfgang, 1989/1994/200. 82 dpa-Meldung, 11.01.2001. - 41 - 7 Literaturverzeichnis (inkl. Internetquellen, E-Mail- und Bestelladressen) Aronson, Elliot: Jigsaw Classroom, Internt: http://www.jigsaw.org/, 01.01.2001. Aronson, Elliot et al.: The Jigsaw Classroom, Beverly Hills 1978. Aronson, Elliot: Nobody Left To Hate, New York 1999. Bastian, Jens: Offener Unterricht, in: Pädagogik 47/12, Köln 1995. Becker, Hans-Jürgen et al.: Fachdidaktik Chemie, Köln 1992. Data Becker: Spielkarten, Bestell-Nr. 310345. dpa-Meldung: “Das Parfum” wird verfilmt, in: Marburger Neue Zeitung, 11.01.2001. Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Institut für Verhaltenswissenschaften: Karl Frey und Angela Frey-Eiling, Internet: http://www.educeth.ch/, 01.01.2001. Emsley, John: Parfum, Portwein, PVC... Chemie im Alltag, Weinheim 1997. Emsley, John: Sonne, Sex und Schokolade - Chemie im Alltag II, Weinheim 1999. Erwartungen der Wirtschaft an die Schulabgänger, in: HLZ - Hessische Lehrerinnen- und Lehrerzeitung, Zeitschrift der GEW Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung, Juli/August 7-8/2000. Frey-Eiling, Angela und Frey, Karl: Das Gruppenpuzzle, in: Zwölf Unterrichtsmethoden Vielfalt für die Praxis, Weinheim und Basel 1999. Glöckel, Hans: Wider den Methodendogmatismus - aber auch den Methodensalat, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 53, Seelze 1999. 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Krieger, Jürgen und Breer, Heinz: Der Geruchssinn - Die Grundlagen der Duftwahrnehmung, in: Biologie in unserer Zeit 2/24, Weinheim 1994. - 42 - Lazarowitz, Rachel: Learning biology cooperatively, in: Cooperative learning, Heft 3/11, April 1991. Martinetz, Dieter et al.: Taschenbuch der Riechstoffe - Ein Lexikon von A-Z, Thun und Frankfurt am Main 1998. Meyer, Hilbert: UnterrichtsMethoden, II: Praxisband, Berlin 1987 (8. Auflage 1997). Minssen, Mins: Destillation im Freien, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 22, Seelze 1994. Münzinger, Wolfgang: Duftstoffe, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 22, Seelze 1994. Münzinger, Wolfgang et al.: Duftstoffe - Ein Thema für die Schule? (Teil II), Hilf-Druckschrift 2444/0591, 1991. Münzinger, Wolfgang et al.: Material für den Unterricht, Heft 7: Duftstoffe, Weilburg 2000 (Erprobungsfassung). Obst Heinz: “Fächerübergreifender” Unterricht, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 40, Seelze 1997. Paret, Michael: Kurzer Abriß zur Geschichte der Duftstoffe, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 22, Seelze 1994. Parfümbaukasten C, 38 Düfte, Bestellnummer: 103380-1, bei: Omikron GmbH, Ländelstraße 32, 74382 Neckarwestheim, Internet: http://www.omikron-online.de Pfeifer, Peter: Die Molekülstruktur von Aroma- und Duftstoffen, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 22, Seelze 1994. Praetorius, Fritz: Ester, Marburg 2000 (privat). Pütz, Jean et al.: Betörende Parfums - heilende Düfte: Rezepte zum Genießen und Verführen, Köln 1993. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage, Stuttgart und New York 1995. Schilling, Bernd: Arbeitsbuch Chemiepraktikum für die Oberstufe, Stuttgart 1999. Schween, Michael: Extraktion von Pflanzenteilen mit niedrig siedenden Lösungsmitteln, Marburg 2000/1 (universitätsintern). Schween, Michael: Synthese von Geruchsstoffen am Beispiel der Carbonsäuren, Marburg 2000/2 (universitätsintern). Schwister, Karl et al.: Taschenbuch der Chemie, München und Wien 1999. Stäudel, Lutz: Stationenlernen im Chemieunterricht - eine Einführung, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 58/59, Seelze 2000. Süskind, Patrick: Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders, Zürich 1985 (als Taschenbuch 1994). Umweltbundesamt: Pressemitteilung 14/00, Internet: http://www.umweltbundesamt.de/ubainfo-presse/pressemitteilungen/p-1400-d.html, 18.08.2000. - 43 - Arbeitsanleitung Expertengruppe A-D Das ganze Thema Duftstoffe werden Sie mit der so genannten Puzzle-Methode erarbeiten. Jeder von Ihnen durchläuft folgende drei Stufen: 1. Wissenserwerb Sie bekommen die Unterlagen zu einem der vier Duftstoffthemen. Diese arbeiten Sie zunächst selbstständig durch. Machen Sie sich Notizen und behalten Sie dabei die Lernziele im Auge (30 Minuten). 2. Expertenrunde Anschließend treffen Sie sich mit den anderen Mitschülerinnen und Mitschülern, die das gleiche Thema erarbeitet haben wie Sie in der Expertenrunde. Gemeinsam besprechen Sie als zukünftige Lehrer, wie Sie Ihr Thema den anderen Schülern vermitteln wollen (45 Minuten). 3. Unterrichtsrunde Sie ordnen sich zu neuen Gruppen. In jeder Gruppe befindet sich nun ein Mitglied jeder Expertengruppe. Jeder Experte unterrichtet die anderen Mitschülerinnen und Mitschülern in seinem Thema (maximal 10 Minuten pro Thema). Hier noch ein paar Tipps für die Unterrichtsrunde. Denn denken Sie daran: Sie haben höchstens zehn Minuten Zeit für ihren Unterricht! ! Überblick Geben Sie den anderen Schülerinnen und Schülern in drei Sätzen einen Überblick über das, was Sie zu Ihrem Stoffgebiet gelernt haben. Sagen Sie ihnen nur, was für sie das Wichtigste war. ! Lernziel Sagen Sie Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, was sie nach der Unterrichtsrunde von Ihrem Stoffgebiet wissen müssen. Orientieren Sie sich dafür an Ihren Lernzielen. ! Unterricht Den Unterricht bereiten Sie im Rahmen der Expertenrunde vor. Wichtig ist, dass sich Ihre Zuhörer etwas vorstellen können! Wenn Sie ein Informationsblatt entwerfen, dann überladen Sie es nicht mit Informationen, sondern halten Sie es überschaubar. Oder sollen sich die Zuhörer Notizen machen? Planen Sie zum Schluss die Bearbeitung eines Arbeitsblattes? ! Fragen Halten Sie sich noch ein wenig Zeit frei, um Fragen der Mitschülerinnen und Mitschüler beantworten zu können. ! Allgemeines Versuchen Sie Fremdwörter zu vermeiden. Erklären Sie unbedingt notwendige Fachwörter mit wenigen Worten. Schließen Sie Ihre Ausführungen, indem Sie Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern mit wenigen Sätzen das Wichtigste nochmals kurz zusammenfassen. Seite 1 Arbeitsanleitung Expertengruppe A-D Lernziele für das Thema Der Geruchssinn des Menschen (1) Sie wissen, wie sich der Geruchssinn auf das Befinden des Menschen auswirkt. (2) Sie können kurz umreißen, wie der Geruchssinn des Menschen funktioniert. (3) Sie können die menschliche Wahrnehmung von Geruch hinsichtlich Qualität und Quantität beispielhaft beschreiben. (4) Sie wissen, wie Pheromone beim Menschen wirken können. Notizen: Seite 2 Arbeitsanleitung Expertengruppe A-D Lernziele für das Thema Die Geschichte der Duftstoffe (1) Sie wissen, wie sich die Verwendung von Duftstoffen über die Jahrtausende hinweg verändert hat. (2) Sie können kurz umreißen, wie sich die Käuferschichten von Duftstoffen verändert haben. (3) Sie kennen gebräuchliche Herstellungs- und Verwendungsmöglichkeiten von Duftstoffen in der heutigen Zeit. Notizen: Seite 3 Arbeitsanleitung Expertengruppe A-D Lernziele für das Thema Gewinnung und Struktur von Duftstoffen (1) Sie kennen mindestens fünf technische Verfahren zur Isolation von natürlichen Duftstoffen. (2) Sie können erkären, was man unter halbsynthetischen Duftstoffen versteht. (3) Sie können sagen, wofür vollsynthetische Duftstoffe hergestellt werden. (4) Sie wissen, wie die chemische Struktur und die Duftwirkung dieser Substanz miteinander zusammenhängen. (5) Sie kennen die fünf Stoffklassen, nach denen die häufigsten Duftstoffe eingeteilt werden können. Notizen: Seite 4 Arbeitsanleitung Expertengruppe A-D Lernziele für das Thema Duftstoffe sind überall! (1) Sie kennen mindestens drei Beispiele für Duftwasser und deren Duftstoffanteile. (2) Sie können den vertikalen Aufbau eines Parfüms beschreiben und Beispiele zur Erklärung des horizontalen Aufbaus geben. (3) Sie wissen um die Besonderheiten des Parfüms Chanel No5. (4) Sie können zum Begriff der Innenraumlufhygiene Stellung nehmen. (5) Sie wissen, warum Methanthiol beim Menschen entstehen kann und welche Verwendungen es in größerem Maßstab findet. Notizen: Seite 5 Der Geruchssinn des Menschen Experteninformation A E s ist früher Morgen im Sommer. Draußen ist es noch angenehm kühl und riecht frisch. Vom Nachbargarten steigt intensiver Rosenduft in die Nase. Auf einem Sommerflieder tummeln sich Schmetterlinge, angelockt vom Blütenduft. Ein Hund sucht am Wegrand schnuppernd nach Duftmarken. Aus einem offenen Fenster dringt Kaffeeduft. In der Bäckerei duftet es nach frischem Brot, an den Obstständen des Nachbarladens nach frischem Obst. Auf der Hauptstraße riecht es dagegen unangenehm nach Benzin und Diesel. Im Supermarkt hängt eine Mischung verschiedener Lebensmittel- und Parfümdüfte in der Luft. Das Textilgeschäft, die Apotheke, die Drogerie, der Frisörladen und das Schwimmbad haben ihre spezifischen Gerüche. In der Gaststätte riecht es nach Bier und Rauch. Auf dem Lande duftet es nach Wald, Wildkräutern und Ackererde, aber auch nach Mist und Gülle. Rauchgeruch kündet aus großer Entfernung von einem Feuer. Bei einer bestimmten Windrichtung kann man Industriegerüche wahrnehmen, deren Quelle viele Kilometer weit entfernt liegt. Im Urlaub kommen noch weitere Gerüche hinzu: der Duft eines Pinienwaldes, die Gerüche eines orientalischen Basars oder die Düfte fremder Speisen und Gewürze. Einführung Das Riechvermögen ist zugleich ein Nah- und Fernsinn. Informationen durch Düfte können kilometerweit übermittelt werden. Durch Riechen findet und erkennt der Mensch seine Nahrung; der Geruch warnt vor verdorbenen Speisen, giftigen Stoffen oder Bränden; Nahrungsdüfte lösen die Speichel- und Magensaftsekretion aus. Gerüche vom Körper, von Exkrementen, Kleidung und Räumen liefern Hygieneinformationen und wecken Erinnerungen an Orte, Begebenheiten und Personen, die man “riechen” oder “nicht riechen” kann. Gerüche beeinflussen auch das Sexualverhalten und die allgemeine Affektlage (Lust und Unlustgefühle). Seit der Antike werden Duftstoffe wie z. B. Weihrauch verwendet, um die Gläubigen auf die sakrale Handlung einzustimmen und die Verbindung zu den Göttern herzustellen. Im Alltagsleben soll Parfüm angenehme Gefühle wecken und das Selbstwertgefühl und die Attraktivität steigern. Deodorantien beseitigen oder überdecken Körpergerüche. Manchmal wird allerdings das, was für den einen Wohlgeruch ist, zur Qual des anderen: So mancher Theater- oder Konzertbesucher rümpft über den intensiven Parfümduft des Nachbarn die Nase. Untersuchungen über die Wirkungen von Duftstoffen auf die Befindlichkeit des Menschen ergaben, dass Jasmin- und Zitronenduft als “Muntermacher” wirken, Lavendel- und Rosenduft dagegen beruhigen und Apfelaroma gut gegen Stress ist. Neue Studien untersuchen, ob bestimmte Riechstoffe am Arbeitsplatz die Konzentrationsfähigkeit oder das Arbeitsklima verbessern und damit die Arbeitsleistung steigern. Da Düfte nachweislich Kaufentscheidungen positiv beeinflussen können, werden in zunehmendem Maße Duftstoffe in Geschäften zur Förderung der Kauflust versprüht. Seite 1 Der Geruchssinn des Menschen Experteninformation A Geruchsorgane und Riechepithelien Der Geruch ist wie der Geschmack ein chemischer Sinn. Der chemische Sinn hat sich evolutiv vor dem Sehen und Hören entwickelt. Als Geruchsorgane bezeichnet man Sinnesorgane, die auf flüchtige, gasförmige oder in Gasen mitgeführte Substanzen reagieren, während Geschmacksorgane auf in Wasser gelöste Stoffe ansprechen. Geruchsorgane haben meist eine viel niedrigere Reizschwelle als Geschmacksorgane. Entsprechend werden Duftstoffe in geringen Konzentrationen über große Distanzen gerochen, während ein Geschmack nur unmittelbar in vergleichsweise hoher Konzentration wahrgenommen wird. Die ersten Primaten hatten ein stark entwickeltes Riechsystem. Seit rund 50 Millionen Jahren orientieren sich die Primaten in ihrem Lebensraum aber überwiegend optisch, und das ehemals große, zentrale Riechhirn übernahm Funktionen, die zu Emotion, Motivation und Gedächtnis Beziehung haben. Beim Menschen befindet sich die Regio olfactoria, die mit der Riechschleimhaut ausgekleidet ist, im oberen Teil der Nasenhöhle. Abbildung 1: Schematischer Querschnitt der Nase mit eingezeichneter Luftströmung Sie enthält drei Zelltypen, die auf einer Basalmembran sitzen: Riechsinneszellen (olfaktorische Rezeptorzellen), Stützzellen und Basalzellen. Unter dieser Membran befinden sich die Bowmanschen Drüsen, deren Schleim durch je einen Ausführgang zwischen den Epithelzellen an die Epitheloberfläche gelangt. Etwas tiefer liegen noch submucosale Drüsen. Abbildung 2: Schematische Zeichnung des olfaktorischen Neuroepithels Seite 2 Der Geruchssinn des Menschen Experteninformation A Das Riechepithel des Menschen enthält etwa 10 Millionen Riechzellen. Der zur Epitheloberfläche führende Dendrit einer Riechzelle endet in einer knopfartigen Verdickung mit 5 bis 20 Riechcilien. Die bis 200 µm langen, unbeweglichen Cilien ragen haarschopfartig in die Schleimschicht hinein und stellen damit den Kontakt zur Außenwelt her. Die Basalzellen regenerieren Riechneuronen, deren Lebensdauer nur 4 bis 8 Wochen beträgt. Damit sind Riechneuronen die einzigen Nervenzellen, die nach ihrer Degeneration durch neue ersetzt werden. Unter der Basalmembran liegt eine Bindegewebsschicht‚ in der die mit den Drüsen gebündelten Axone der Riechneuronen und Blutgefäße eingelagert sind. Das Axon eines jeden Riechneurons führt durch das Siebbein zum Riechkolben (Bulbus olfactorius), einer langen, schmalen Ausstülpung des Großhirns. In jeder Nasenhälfte ist ein Riechkolben vorhanden. Die Riechzellen erfüllen somit insgesamt drei Funktionen: (1) Sie identifizieren flüchtige Substanzen mit hoher Empfindlichkeit. (2) Sie wandeln den Informationsgehalt eines chemischen Reizes in eine Folge elektrischer Impulse um. (3) Sie leiten die elektrisch codierte Information zum Gehirn. Die Riechzellen sind also gleichzeitig hochempfindliche, selektive Chemodetektoren und chemoelektrische Signalwandler. Geruchsschwellen und Geruchsqualitäten Während beim Menschen für einen Geschmacksreiz mehr als 1016 Moleküle/mL Lösung nötig sind, reichen bei manchen Geruchsstoffen 107 Moleküle/mL Luft aus, bei Tieren sogar im Extremfall 102 bis 103 Moleküle/mL Luft. Die Reizschwelle ist abhängig vom Riechstoff, von der Luftfeuchte und Lufttemperatur sowie von der Größe des Riechepithels und damit von der Anzahl der Rezeptoren. Die Hauptqualitäten des Geschmacks (süß, sauer, salzig, bitter) lassen sich scharf gegeneinander abgrenzen; bei den Geruchsqualitäten scheinen die bisher versuchten Abgrenzungen als eher willkürlich. Französische Parfümeure können bei entsprechender Begabung und täglichem Training bis zu 4000 Düfte unterscheiden. Bei sehr geringer Konzentration eines Duftstoffes ist die Geruchsempfindung unspezifisch: Man nimmt wahr, dass es riecht, aber nicht deutlich, wie es riecht. Dies gelingt erst bei höherer Konzentration. Man kann also beim Riechen eine Wahrnehmungsschwelle von einer Erkennungsschwelle unterscheiden. So liegt die Wahrnehmungsschwelle beim Menschen für Methanthiol (im Knoblauch) bei nur 4•10-15 g pro Liter Luft, die Erkennungsschwelle aber bei 2•10-13 g/L. Längeres Riechen eines Duftstoffes führt rasch zu einer Minderung der Empfindungsstärke durch Adaptation. Beim Menschen können durch manche unangenehmen Gerüche Schutzreflexe wie z. B. Nies- und Würgreflexe ausgelöst werden. Bei einer Grippe kann die Empfindlichkeit des Geruchssinns vorübergehend vermindert sein. Bei einer teilweisen Geruchsunempfindlichkeit können nur bestimmte Düfte nicht wahrgenommen werden, weil entsprechende Rezeptoren fehlen. So riechen z. B. zwei Prozent der Bevölkerung keinen Schweiß und sieben Prozent keinen Fisch. Empfindlichkeitsminderungen treten auch mit zunehmenden Lebensalter ein. Es kann auch zu Fehlwahrnehmungen und zu Geruchshalluzinationen kommen. Seite 3 Der Geruchssinn des Menschen Experteninformation A Pflanzen bilden in den Zellen Duftstoffe häufig in konzentrierter Form als ätherisches Öl, aus dem sich dann die einzelnen Duftkomponenten verflüchtigen. Die meisten dieser Substanzen empfindet der Mensch als wohlriechend. Alle Duftstoffe der Pflanzen liegen in Gemischen mit bis zu 100 Einzelkomponenten vor. Vielfach sind dabei nur eine oder wenige Komponenten für die Duftnote bestimmend. Beim Menschen spielen Körpergerüche - u. a. aus Atem, Hautsekreten, Speichel, Muttermilch, Sexualsekreten und Urin - im sozialen Umfeld eine Rolle. Es handelt sich vor allem um moschusartig riechende Stoffe wie Steroide, Cycloketone oder Lactone. Ölige Sekrete aus Duftdrüsen der Haut sind die Hauptquelle des Körpergeruchs. Sie befinden sich vorwiegend in den Regionen von Kopfhaut, Augenlid, Ohrkanal, Wange, Achseln, Brust und in der anogenitalen Region. Diese Drüsen beginnen ihre Funktion erst nach der Pubertät und stellen sie mit der Menopause wieder ein. Bei Erregung und Stress erreichen sie ein Sekretionsmaximum. Die Sekrete enthalten Steroide wie Testosteron, Androstenon, Androstenol u. a.. Personen können Blutsverwandte von Nichtverwandten unterscheiden, auch wenn sich die Personen noch nie zuvor gesehen oder gerochen haben. Da verwandte Personen einen sehr ähnlichen Geruch haben, sind vermutlich genetische Faktoren an der Bildung des Körpergeruchs beteiligt. Aber auch die Ernährung und äußere Faktoren haben einen gewissen Einfluss. Frauen wie Männer sind in der Lage, das Geschlecht einer Person an ihrem Geruch zu erkennen. Körpergerüche spielen auch im Kontakt zwischen Mutter und Säugling eine Rolle. Mütter - nicht die Väter - können schon am zweiten Tag nach der Entbindung den Körpergeruch der eigenen Säuglinge identifizieren. Säuglinge reagieren im Alter von 6 Tagen bis 6 Wochen spezifisch auf den Geruch der eigenen Mutter mit einem Kopfdrehreflex und Saugbewegungen. Pheromone Viele Tiere geben chemische Botenstoffe ab, so genannte Pheromone, die bei Artgenossen ein bestimmtes Verhalten auslösen. Auch der Menschen bildet Pheromone, und zwar in der Haut aus Sexualhormonen. Synthetisch hergestellte Pheromone werden als Parfümzusätze verwendet, damit sich die Anwender entspannter und selbstsicherer fühlen. Die menschlichen Pheromone wirken bereits in Mengen von wenigen Femtogramm (10-15 g) auf die Stimmung, ohne dass sie bewusst wahrgenommen werden - die weiblichen vor allem auf Männer, die männlichen überwiegend auf Frauen. Man riecht sie nicht, weil sie nicht mit dem Riechepithel, sondern mit dem so genannten Vomeronasalorgan aufgenommen werden. Die Nervenleitung verläuft dabei zu den Gehirnteilen, die die sexuelle Reifung steuern, und zu Zentren im limbischen System, die an der Entstehung von Euphorie, Entspannung und Freude beteiligt sind. Indem die jeweiligen Pheromone die wechselseitige Anziehung gegensätzlicher Partner stimulieren (“Gegensätze ziehen sich an”), wird der Kontakt zwischen Sexualpartnern mit unterschiedlichen Immunsystemen gefördert. Wenn aus dieser Verbindung Nachkommen hervorgehen, erhalten diese ein breit gefächertes lmmunsystem, sodass sie potentiell gesünder werden als ihre Eltern. Seite 4 Der Geruchssinn des Menschen Experteninformation A Ein Nachweis von Pheromonwirkungen beim Menschen ist wegen der komplexen Verschränkung offenen und verdeckten Verhaltens schwierig. Die sexuell motivierte Kommunikation zwischen Menschen unterliegt Lernprozessen und wird nicht über so einfache Reiz-Reaktions-Mechanismen gesteuert wie bei Tieren. Notizen: Quellen: Hedwig, Roland: Düfte - Riechen und Schmecken, in: Unterricht Biologie: Düfte Riechen und Schmecken, Heft 207, Seelze 1995. Paret, Michael: Der Geruchssinn des Menschen, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie: Duftstoffe, Heft 22, Seelze 1994 Thews, Gerhard u.a.: Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, Stuttgart 1991. Seite 5 Die Geschichte der Duftstoffe Experteninformation B F olge deinem Wunsch, weil du lebst, lege Myrrhe auf dein Haupt, kleide dich in feines Linnen, getränkt mit köstlichen Wohlgerüchen, den echten Dingen der Götter. Lied des Harfners (um 2000 v. Chr.) Bereits der Urmensch wurde mit einer Vielzahl von Gerüchen - unangenehmen, die ihm Gefahr signalisierten, aber auch angenehmen, die Genuss, Wohlbefinden oder gar Heilung versprachen - konfrontiert. Duftstoffe im Altertum Die Geschichte der bewussten Nutzung des Duftes begann wohl mit der kultischen Verwendung aromatischer Harze, Hölzer und Pflanzen. Per fumum - durch Rauch trat man mit den Göttern in Verbindung, par fumo - gleich Rauch wandte man Myrrhe und Arabischen Balsam in wohlriechenden Salben zum Bestreichen der Götterbilder an. Aber so wie die Priester der Alten durch die Mystik der Wohlgerüche ihre Anhänger in eine religiös verzückte Stimmung versetzten, machten sich die ägyptischen Frauen diesen Effekt schon frühzeitig für erotisierende Zwecke nutzbar. Das älteste in der ägyptischen Dichtung erhaltene „Lied des Harfners“ (siehe oben) empfiehlt die Myrrhe für den sinnlichen Lebensgenuss. Seit Ende des 2. Jahrtausends vor Christus verkauften Priester bereits ihre duftenden Präparate wie Weihrauch und Myrrhe an die Oberschicht, und die reichen Ägypterinnen verfügten so über eine Auswahl wohlriechender Salben und Essenzen für verschiedene Körperteile. Auch der Übergang vom Duftstoff als Götterlabsal zur Medizin vollzog sich in dieser Zeit. Ursprünglich war der Priester auch Heiler, wie man es auch heute noch bei einigen Kulturen in Form des Medizinmannes finden kann. Abbildung 1: König Echnaton und seine Gemahlin Nofretete, die ihm eine Heilpflanze reicht (Ägypten, 14. Jahrhundert vor Christus) Seite 1 Die Geschichte der Duftstoffe Experteninformation B In Ägypten lernten die Juden die Zubereitung sowie den profanen Gebrauch von Duftstoffen kennen. Und bald waren Salbensieder bei den verschiedenen semitischen Völkern tätig, wie wir aus dem 2. Buch Mose erfahren. In der Bibel gibt es viele Stellen, die interessante Informationen zum Thema Duftstoffe liefern. Das Hohelied schildert beispielsweise in einzigartig plastischen Bildern die Sehnsüchte zweier Liebender, wobei die menschlichen Sinne durch Wohlgerüche, Balsame und Harze angeregt werden. Dreißigmal werden sie zu Bildern und Symbolen verarbeitet und verströmen ihren angenehmen, stimulierenden Duft. Auch die Griechen erwarben ihr Wissen über gute Gerüche und erotisierende Parfüme vor allem von den Ägyptern und brachten es weiter nach Rom. Dort verbanden sich Duft und Sinnlichkeit mit extremer Verschwendung, und man schwelgte geradezu in einem Rausch der Wohlgerüche. Dennoch verachtete man die männlichen und weiblichen Parfümbereiter, die im „Hauptberuf“ meist Bordellwirte, Kurtisanen und Kupplerinnen waren. „Anständige“ Leute betraten deren Läden nur mit verhülltem Gesicht, da sie als Stätten schlimmster Unzucht galten. Gegen Ende des 1. Jahrtausends sollen die Araber die Destillation erfunden haben, die eine Voraussetzung zur Gewinnung der flüchtigen ätherischen Öle war. Aus den Duftküchen Persiens und Arabiens berichten uns die „Geschichten aus tausendundeiner Nacht“, in denen es geradezu von starken orientalischen Gerüchen wimmelt. Eine der Erzählungen macht uns mit einer Dame bekannt, die bei einem Händler für ein einziges Fest zehn verschiedene Parfüme einkauft. Wen wundert es, wenn selbst der Prophet nach den Frauen nichts so sehr liebte wie die Wohlgerüche. Duftstoffe im Mittelalter und der Neuzeit Im Mittelalter gelangte die Kunst der Verarbeitung und Mischung duftender „orientalischer“ Stoffe durch die Kreuzzüge (11. bis 13. Jahrhundert) und die großen arabischen Ärzte erneut nach Süd- und dann auch nach Mitteleuropa. Einen besonderen Impuls vermittelte die Wiedergeburt des Altertums in der Zeit der Renaissance, in der auch die erotisierenden Parfüme zu neuer Bedeutung gelangten. Ausgehend von Italien erfassten sie unter kräftiger Mitwirkung der Katharina von Medici (15191589) vor allem Frankreich. Die von ihr nach Paris beorderten kenntnisreichen italienischen Parfümeure konnten die mengenmäßigen Anforderungen des Hofes Heinrich III. (1551-1589) kaum befriedigen. Der Italiener René le Florentin soll dann auch die erste italienische Parfümerie am Pont-aux-Changes eröffnet haben, deren Duftwässer, Salben und Pomaden beim Adel reißenden Absatz fanden. Gewonnen wurden die duftenden Stoffe im bis heute dafür bekannten südfranzösischen Städtchen Grasse, wo man die Kräuter der Provence vor der Tür hatte und Lavendel in großen Mengen wildwachsend fand, wo aber durch das günstige Klima auch aus Indien, Persien und von der Iberischen Halbinsel „importierte“ Pflanzen, wie Citrusfrüchte, Nelke, Tuberose und Jasmin, erfolgreich gezüchtet werden konnten. Hier wurden auch die vorhandenen Techniken der Duftstoffgewinnung verfeinert und vorangetrieben. Bereits 1774 bot Louis-Toussant Pivert Duftwässer zu erschwinglichen Preisen in seinem auf dem Pariser Boulevard Strasbourg gelegenen Laden auch der bürgerlichen Kundschaft an. Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten. Seite 2 Die Geschichte der Duftstoffe Experteninformation B Seit der Zeit Königin Elisabeth 1. (1533-1603) wurde England von den Düften überrollt. In einem speziellen Erlass aus dem Jahre 1770 musste das englische Parlament sogar androhen, dass Frauen, die einen Mann durch die Anwendung von Parfüm zur Heirat verlockt hätten, nach den Gesetzen für Hexerei bestraft und die Ehen annulliert würden. Beliebt war besonders der sogenannte Pomander, eine gewöhnlich um den Hals getragene, aus Duftstoffen hergestellte Kugel, die neben verschiedenen Harzen und Blüten vor allem die aus tierischen Ausscheidungen gewonnenen, stark duftenden Stoffe Ambra, Zibet und Moschus enthielt. Auch in Köln am Rhein soll der aus Mailand stammende Maria Farina bereits 1709 mit der Herstellung von „gebranntem Wasser“ begonnen haben. Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) war die Zahl der Produzenten von Aqua mirabilis schon auf 114 angewachsen, für das begeisterte französische Soldaten, die das Wasser mit nach Paris nahmen, die Bezeichnung Eau de Cologne prägten. Als führende Firma entwickelte sich die Eau de Cologne & Parfümerie-Fabrik Glockengasse No. 4711 gegenüber der Pferdepost von Ferdinand Mülhens. Bis in die Neuzeit wandten Ärzte die medizinische Räucherung an, und viele glaubten sogar, der fürchterlichen Pest und der Syphilis durch Verbrennen von Weihrauch, Myrrhe, Benzoe und Styrax beizukommen. Hatte man doch beobachtet, dass Parfümhersteller und andere mit aromatischen Harzen in Berührung kommende Personen häufig von diesen verheerenden Krankheiten verschont blieben. Besonders bekannt wurden die „Schnabeldoktoren“, die neben einer meist großen Glasbrille eine schnabelartige Maske vor Mund und Nase trugen, die mit den verschiedensten Aromata gefüllt war. Noch im 19. Jahrhundert führten manche Ärzte beim Besuch von Kranken spezielle Stöcke bei sich, deren Knauf einen mit derartigen Stoffen getränkten Schwamm verbarg, an welchem sie rochen, um sich, wie sie meinten, vor einer Ansteckung zu schützen. Auch die erwähnten Pomander wurden ursprünglich zur Verhinderung von Infektionskrankheiten um- oder aufgehängt. Abbildung 2: Doktor mit Schnabelmaske, mit der er sich durch Verbrennen aromatisierter Hölzer, von Rosmarin, Wacholderbeeren, Schwefel oder auch Schießpulver vor der Pest zu schützen suchte. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert isolierten europäische Apotheker die ersten für den jeweils typischen Duft verantwortlichen ätherischen Öle aus Pflanzen, Harzen und Hölzern. Seite 3 Die Geschichte der Duftstoffe Experteninformation B Bis zum 18. Jahrhundert entstanden, vor allem in Frankreich und Italien, riesige Anbauflächen für duftstoffhaltige Pflanzen. Denn auch das Bürgertum verlangte nun zunehmend nach preiswerteren Parfüms, Duftwässern und Toilettenartikeln. Aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts trat die Geschichte des Wohlgeruches und der aromatischen Naturstoffe in eine neue Phase. Die duftenden, erotisierenden, stimulierenden oder heilenden ätherischen Öle und anderen Inhaltsstoffe der Balsame, Harze und Pflanzen wurden in ihre chemischen Bestandteile aufgetrennt und analysiert. So gelang 1843 beispielsweise die Isolierung von Zimtaldehyd aus Zimtöl. Im Anisöl charakterisierte man als Hauptinhaltsstoff das Anethol, im Kiefernnadelöl das Borneol. Auch das in der Tonkabohne und dem Waldmeister gefundene Cumarin wurde isoliert und identifiziert. Mitte des 19. Jahrhunderts fanden des weiteren die ersten synthetischen Riechstoffe Eingang in die Parfümerie. Praktischen Einsatz fand vor allem das Mirbanöl (Nitrobenzol), das sich „in Duft und allgemeiner Erscheinung“ kaum vom natürlichen Bittermandelöl unterschied und besonders für die Seifenparfümierung und die Aromatisierung von Süßwaren und Speisen genutzt wurde. Die durch Synthese gewonnenen Riechstoffe fanden relativ rasch in Parfüms Anwendung. Trotzdem sollten beispielsweise 22 Jahre zwischen der Isolierung und der synthetischen Herstellung des Zimtaldehyds vergehen. Duftstoffe in der Gegenwart Heute werden nur noch ein Viertel aller Parfümrohstoffe aus etwa 150 im Mittelmeerraum, Südostasien und Lateinamerika systematisch angebauten Duftpflanzen gewonnen, drei Viertel auf dem Wege der chemischen Synthese, letztlich aus Erdölprodukten. Außer zur Herstellung von Parfüms, Eau de Parfüms, Eau de Toiletts und Eau de Colognes werden Riechstoffe heute vor allem zur Parfümierung von Seifen, Deodorantien, Körperpflegemitteln, Haarbehandlungsmitteln, Wasch- und Reinigungsmitteln, Haushaltsartikeln und Konsumgütern (z. B. Wäsche, Textilien, Lederwaren, Papierwaren) sowie zur Produktion von Raumlufterfrischern eingesetzt. Schließlich werden Riechstoffe in der sogenannten Aromatherapie immer beliebter. Duftende Räuchermischungen haben im sakralen Bereich bis heute ihre Bedeutung behalten. Trotzdem aller Erkenntnisse bergen viele Naturprodukte ganz sicher noch manches chemische, medizinische oder duftende Geheimnis, das auf seine Entschleierung wartet und vielleicht den Parfümeuren neue Möglichkeiten zur Anwendung ihrer Kunst eröffnet, die aus bis zu vierzig Bestandteilen ein fertiges Parfümöl zu bereiten verstehen. Quellen: Paret, Michael: Kurzer Abriss zur Geschichte der Duftstoffe, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie: Duftstoffe, Heft 22, Seelze 1994. Martinez, Dieter u.a.: Taschenbuch der Riechstoffe, Thun 1998. Seite 4 Gewinnung und Struktur von Duftstoffen Experteninformation C Gewinnung von natürlichen Duftstoffen Zur Isolation von natürlichen Duftstoffen werden verschiedene technische Verfahren praktiziert, besonders ! ! ! ! ! ! ! das Auspressen (Expression) " z. B. von Citrusfruchtschalen zur Citrusöl-Gewinnung die Wasserdampfdestillation zerkleinerter Pflanzenteile zur Gewinnung ätherischer Öle (z. B. Blütenöle, Blätteröle, Holzöle, Wurzelöle). die Extraktion von Concrets (Öle temperaturempfindlicher Blüten) mittels flüchtiger Lösungsmittel wie Petrolether, die zum Schluss rückstandsfrei abdestilliert werden können die Aufarbeitung des wachs- und harzhaltigen Concrets zu Absolues erfolgt durch Behandlung mit wasserfreiem Ethanol, wobei die schwer- und unlösliche Bestandteile abgetrennt und das Ethanol schließlich abdestilliert wird " beispielsweise kostet Orangenöl (siehe Auspressen) in AbsolueQualität 10 DM pro Kilogramm, die gleiche Menge Iris-Absolue etwa 100.000 DM. die Extraktion von Resinoiden (Produkte aus pflanzlichen und tierischen Drogen) mittels flüchtiger Lösungsmittel wie Ethanol, Aceton und Petrolether " Extraktion von Knospen, Rinden, Wurzeln oder Moos, z. B. EichenAbbildung 1: Antike Extraktionsanlage moos " Extraktion tierischer Produkte: 1. Zibet, das Sekret der Afterdrüsen der Zibetkatze 2. Moschus, das Brunstsekret des Moschusochsen 3. Castoreum oder Bibergeil, das unter der Bauchhaut gespeicherte Sekret des nordamerikanischen Bibers 4. Ambra, eine Magen-Darm-Ausscheidung des Pottwals die Mazeration und die Enfleurage, d. h. spezielle Varianten der Extraktion empfindlicher Blütenöle mittels fetter Öle bzw. tierischer Fette (heute nur noch in Spezialfällen angewendet) " z. B. Jasminblüten, die ihren Duft auch nach dem Pflücken bewahren die Destraktion (Destillation und Extraktion) von Blütenölen mit Gasen wie Kohlenstoffdioxid (mit zunehmender Bedeutung) " die Methode der Destraktion wird unter anderem auch bei der Entcoffeinierung von Kaffee angewendet Seite 1 Gewinnung und Struktur von Duftstoffen Experteninformation C Gewinnung von halbsynthetischen Duftstoffen Verschiedene aus natürlichen ätherischen Ölen durch Destillation gewonnene Inhaltsstoffe werden durch synthetische Abwandlung zu neuen Riechstoffen umgesetzt. Zwei Beispiele aus den Anfängen der synthetischen Produktion von Duftstoffen sollen dies verdeutlichen. Echte Vanilleschoten sind und waren sehr teuer. Auf der Suche nach einer preislich konkurrenzfähigen Vanillinsynthese fand man 1874 heraus, dass Nelken und ihre Blätter ein ätherisches Öl liefern, das mit ca. 80% das so genannte Eugenol enthält. Durch Erhitzen dieses Eugenols mit Kalilauge und anschließender Oxidation mit Ozon erhält man das begehrte Vanillin: OCH3 OCH3 HO HO KOH, O3 H CH2 CH C CH2 O Vanillin Eugenol Ein anderes Beispiel für die enge Verknüpfung zwischen chemischer Forschung und wirtschaftlichen Motiven war die Mentholproduktion. Menthol wird als Naturstoff aus Pfefferminzpflanzen gewonnen. Um diese Pflanze in großen Mengen verfügbar zu haben, rodete man Wälder in Südamerika und baute auf den so gewonnen Flächen Pfefferminzpflanzen an. Nach drei Erntejahren sank jedoch der Ertrag und es mussten neue Flächen gerodet werden. Die immer wieder schwankenden Erträge und Missernten bewirkten einen stark von der Ertragslage abhängigen Preis für Menthol - eine ideale Situation für die synthetische Herstellung dieses Stoffes! 1887 gelang es, das erste synthetische Menthol herzustellen. Dabei wird als Ausgangsstoff Thymol verwendet, das aus dem getrockneten blühenden Kraut des Thymians durch Wasserdampfdestillation gewonnen wird. Der Benzolring des Thymols wird mit Wasserstoff hydriert, sodass ein Cyclohexanring entsteht: CH3 CH3 + 3 H2 OH OH CH H3C Thymol CH CH3 H3C CH3 Menthol Seite 2 Gewinnung und Struktur von Duftstoffen Experteninformation C Gewinnung vollsynthetischer Duftstoffe Bei den vollsynthetischen Riechstoffen unterscheidet man in naturidentische Verbindungen und solche, die keinerlei Vorbild in der Natur haben. Letztere können entweder Duftnoten anderer natürlicher Stoffe oder einen völlig neuartigen Geruch besitzen, der dann in der Parfümindustrie zur Komposition so genannter PhantasieNoten genutzt wird. Als Beispiel für eine vollsynthetische Neuschöpfung sei der Xylolmoschus genannt, der einen intensiven Moschusgeruch mit einer amberartigen Note verbindet. Auch das Agrunitril ist ein vollsynthetischer Duftstoff, der allerdings ohne natürliches Vorbild ist; das Agrunitril hat Verwendung in Seifen, Waschmitteln, Dauerwellpräparaten und Parfüms gefunden: NO2 H3C CH3 O2N NO2 C(CH3)3 H3C CN H3C Xylolmoschus CH3 Argunitril Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass heute nur noch ein Viertel aller Duftrohstoffe aus etwa 150 im Mittelmeerraum, Südostasien und Lateinamerika systematisch angebauten Duftpflanzen gewonnen, drei Viertel auf dem Wege der chemischen Synthese - letztlich also aus Erdölprodukten - hergestellt werden. Chemische Struktur und Duftwirkung Der römische Dichter Lukrez (99-55 vor Christus) äußerte in seinem Lehrgedicht «De rerum natura» die Ansicht, die Unterscheidung von Gerüchen beruhe darauf, dass die kleinsten Teilchen eines Duftstoffes eine spezifische Form haben, die in kleine Vertiefungen der Nasenwand wie der Schlüssel ins Schloss passen. Dieser Gedanke wurde bei einer modernen Geruchstheorie aufgegriffen. Danach passen Riechstoffmoleküle bestimmter Form in entsprechende Vertiefungen auf der Rezeptoroberfläche. Mischgerüche würden durch die Besetzung mehrerer Rezeptoren von einem Molekül zu Stande kommen. Man fand heraus, dass viele Duftstoffmoleküle, die die fünf Hauptgerüche campherig, moschusartig, blumig, minzig und ätherisch bewirken, tatsächlich jeweils eine bestimmte Grundform haben. Diesem Prinzip können aber nicht alle Geruchsqualitäten zugeordnet werden. Blumige Gerüche werden z. B. von zahlreichen Stoffen, deren Moleküle nicht in dieses Schema passen, hervorgerufen. Vielfach konnte weiterhin nachgewiesen werden, dass die Geruchsqualität von einer funktionellen Gruppe abhängig ist, die dann als treibende Kraft der Riechstoffrezeption angenommen wird. Allerdings gibt es auch duftende Stoffe ohne funktionelle Gruppen wie z. B. Alkane und Alkene. Seite 3 Gewinnung und Struktur von Duftstoffen Experteninformation C Bei der aktuellsten Theorie gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der Mensch eine große Vielzahl verschiedener Rezeptoren besitzt, kurz: Jede Geruchsklasse hat einen eigenen Rezeptor. Genau wie beim Sehen im Sehzentrum der Hirnrinde eine Art Bild entsteht, geht man heute davon aus, dass sich auch eine sogenannte odotope Karte im Gehirn ausbildet. Es bleibt festzustellen, dass die bis heute entwickelten Theorien nicht in der Lage sind, die Duftwirkung einer neu hergestellten Verbindung voraussagen; umgekehrt ist man ebenfalls nicht in der Lage, einen bestimmten Duft durch die gezielte Synthese einer neuen Verbindung herzustellen. Chemische Stoffklassen In der Chemie werden die in der Natur am häufigsten nachgewiesenen oder künstlich hergestellten Riechstoffe aufgrund der funktionellen Gruppen den Stoffklassen der Alkohole, Aldehyde, Ketone, Ester und Lactone zugeordnet. Es folgen Beispielsverbindungen für die verschiedenen Klassen: Alkohol: Aldehyd: Keton: Ester: H Linalool (an Maiglöckchen erinnernder, blumig-frischer Duft) Citral (zitronig-frischer Duft) Carvon (kümmelartiger Duft) Methanylacetat (citrusfrischer Fichtennadelduft) O O OH O C O C CH3 H Linalool Carvon Citral Menthanylacetat Allgemein handelt es sich bei Lactonen um cyclische Ester. Hydroxy-Carbonsäuren (hier: Hydroxy-Zimtsäure) können mit sich selbst zu einem Lacton (hier: Cumarin) reagieren. Lacton: Cumarin (gewürzhafter Duft, stark verdünnt waldmeisterartig) H O CH CH C C OH OH Hydroxy-Zimtsäure - H2O O C C H O Cumarin Seite 4 Gewinnung und Struktur von Duftstoffen Experteninformation C Notizen: Quellen: Koolman, Jan u.a.: Kaffee, Käse, Karies... - Biochemie im Alltag, Weinheim 1998. Martinez, Dieter u.a.: Taschenbuch der Riechstoffe, Thun 1998. Münzinger, Wolfgang u.a.: Duftstoffe, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie: Duftstoffe, Heft 22, Seelze 1994. Pfeiffer, Peter: Die Molekülstruktur von Aroma- und Duftstoffen, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie: Duftstoffe, Heft 22, Seelze 1994. Seite 5 Duftstoffe sind überall! Experteninformation D D uftstoffe: Umgangssprachliche Sammelbezeichnung für diejenigen Riechstoffe, die beim Menschen ein angenehmes Geruchsempfinden auslösen und daher zur Parfümierung von technischen und Sanitärartikeln, Seifen, Kosmetika (Körperpflegemitteln) und dergleichen vielfältige Verwendung finden. aus: Römpp Chemie-Lexikon, Stuttgart 1995. Täglich kommt man in Berührung mit Duftstoffen. Häufig handelt es sich dabei um Parfüm, einer Mischung aus verschiedenen Riechstoffen in Alkohol (fast ausschließlich Ethanol, mit Wasser verdünnt). Der Parfümeur “komponiert” ein neues Parfüm, indem er es durch Auswählen und Vermischen von Hunderten verschiedenster Riechstoffe - wie ein Komponist Noten zu einem Musikstück - zusammenfügt. Dazu benötigt er neben den wissenschaftlichen Kenntnissen über die Eigenschaften der Rohstoffe einen empfindlichen Geruchssinn und ein besonders gutes Geruchsgedächtnis. Meister ihres Faches werden in Frankreich daher auch “le grand nez” (die große Nase) genannt. Konzentration des Parfüms In der Praxis unterscheidet man folgende Duftwässer: Bezeichnung des “Duftwassers” Volumenanteile in % Duftstoffe Alkohol Wasser Parfüm bis 20 bis 80 10 - 12 Eau de Parfüm 8 - 10 80 10 - 12 Eau de Toilette 5-8 70 - 80 12 - 25 Eau de Cologne 3-5 70 - 85 10 - 27 Echt Kölnisch Wasser 2-4 70 - 90 6 - 28 Aftershave 1 - 2,5 40 - 50 40 - 45 Vertikaler Aufbau eines Parfüms Ein Parfüm verändert in der Regel während des Tragens seinen Geruch. Ursache hierfür ist eine bestimmte Art der Komposition: Man baut ein Parfüm so auf, dass drei Kompositionsteile zusammenwirken. Seite 1 Duftstoffe sind überall! Experteninformation D Abbildung 1: Jedes Parfüm weist eine Kopf-, eine Herz- und eine Fondnote auf, die unterschiedlich lange zum Tragen kommen. ! Kopfnote: sie umfasst leicht flüchtige Riechstoffe mit eher frischem Charakter ! Mittelnote (Herznote, Körper): Riechstoffe, die oft blumigen Charakter haben und mäßig flüchtig sind ! Basisnote (Fondnote): wenig flüchtige Riechstoffe; sie bestimmen den Grundcharakter des Parfüms So genannte Fixateure binden die flüchtigen Riechstoffe, Adjuvantien verknüpfen Kopf-, Mittel- und Basisnote miteinander. Ein Parfüm kann schließlich aus einigen Hundert Einzelkomponenten bestehen. Horizontaler Aufbau eines Parfüms Für die Geruchsrichtungen exisitiert bis heute keine allgemein verbindliche Einteilung. Meist wird nach Duftrichtungen unterschieden, wie die folgende Übersicht zeigt: — Grün-Citrus-Note: herb-frische Düfte, die nach Blättern, Gräsern oder CitrusFrüchten riechen — Aldehyd-Noten: es sind überwiegend synthetische Riechstoffe, die in der Natur praktisch nicht vorkommen. Sie haben holzigen, balsamischen und manchmal animalischen Charakter; erinnern an frische Wäsche — Blumig-fruchtige Noten: sie sind aus mehreren Einzelblumen-Noten zusammengesetzt, etwa Jasmin, Maiglöckchen, Tuberose, Flieder, Iris, Veilchen, Nelke — Orientalische Noten: Düfte mit würzig-süßem bis süßlich-schwerem Charakter — Holz-Noten: Duftstoffe aus Sandelholz, Zedernholz, Birken oder Wacholderholz; herbfrischer bis holzig-herber Charakter — Gewürz-Noten: sie enthalten Gewürz-Extrakte von Thymian, Majoran, Nelken, Ingwer, Muskat, Zimt, Kardamom, Koriander Seite 2 Duftstoffe sind überall! Experteninformation D — Chypre-Noten: sie bestehen vor allem aus Eichenmoos-Extrakten und haben einen herb-frischen Charakter — Lavendel-Noten: sie bilden den Hauptanteil in den Lavendelwässern; der Geruch ist kühlend und erfrischend — Tabak-Noten: frischer herb-würziger bis schwer-süß-honigartiger Duft — Leder-Noten: sie erinnern an den Geruch feiner Lederwaren Chanel No5 Chanel No5 gebührt ein besonderer Platz in der Geschichte der Parfüms, denn mit ihm wurde zum ersten Mal ein synthetischer Duft salonfähig, wenn auch die meisten seiner Ingredienzien noch von Naturstoffen abgeleitet sind. Es wurde 1921 in Paris von der Modezarin Gabrielle Coco Chanel der Öffentlichkeit vorgestellt. Ernest Beaux hatte es für sie geschaffen, wunderbar harmonierend mit ihrer von schlichter Eleganz geprägten Kollektion. Chanel No5 setzt aus zweierlei Gründen Maßstäbe in der Duftstoffchemie und -industrie. Erstens wählte Ernest Beaux das ätherische Öl der von den Philippinen stammenden Ylang-Ylang-Blüte als Herznote, was bis dahin noch niemand getan hatte. Zweitens komponierte er dazu einen vollsynthetischen Stoff namens 2-Methylundecanal als Kopfnote. Diese Verbindung gehört zu den Aldehyden, die heute bereits recht häufig als Kopfnote in Parfüms Verwendung finden. Chanel No5 erfüllt schließlich noch den Anspruch, den man als Kundin an ein exklusives Parfüm stellen kann: Die Kopf-, Herz- und Basisnote werden über die Tragzeit hinweg sehr gleichmäßig abgegeben. Parfümeure erreichen dies, indem sie die Gesetze der Chemie geschickt für ihre Zwecke nutzen: Eine besondere Eigenschaft mancher Gemische von Flüssigkeiten besteht nämlich darin, dass ihre Komponenten in einem konstanten Mengenverhältnis verdampfen, auch wenn sich ihre Siedepunkte beträchtlich unterscheiden. Die Kunst besteht also darin, die Zusammensetzung dieses “azeotropen Gemisches” zu finden. Moderne Innenraumlufthygiene In einer Pressemitteilung vom 14. April 2000 warnt die Kommission "Innenraumlufthygiene" des Umweltbundesamtes vor einem unüberlegten Einsatz von Riechund Aromastoffen in Innenräumen. Seit kurzem wird verstärkt für den direkten Einsatz von Duftstoffen zur Verbesserung der Raumluft und des Wohlbefindens geworben und der Markt expandiert offenbar rasch. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern werden unterschiedliche Zubereitungen und Produkte angeboten, zum Beispiel Sprays, Duftgele, Duftkerzen, Räucherstäbchen und verschiedene Arten von Extrakten und Flüssigkeiten mit Verdampfern. Die Riech- und Aromastoffe werden in die Innenraumluft abgegeben und rufen bei entsprechender Luftkonzentration einen bestimmten Geruchseindruck hervor, der positive gedankliche Assoziationen bewirken soll. Der subjektiv bewusst wahrnehmbare Sinneseindruck kann dabei von "kaum merklich" bis "sehr stark" reichen. Seite 3 Duftstoffe sind überall! Experteninformation D Duft- sowie Riech- und Aromastoffe werden in erster Linie zu folgenden Zwecken eingesetzt: " Für eine positive Bewertung von Objekten: Riech- und Aromastoffe werden unter anderem in Kosmetika, Nahrungsmittelfertigprodukten, Reinigungs- und Pflegemitteln und weiteren Produkten eingesetzt. " Für eine Beeinflussung des persönlichen Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit: Hierzu gehören unter anderem individuelle Aromatherapien sowie die Verbreitung von Riech- und Aromastoffen über Lüftungs- und Klimaanlagen in Gebäuden. " Für die Maskierung unerwünschter Gerüche in Innenräumen: Es ist eine breite Produktpalette zum Überdecken einer mangelhaften Innenraumluftqualität verfügbar, die vom Toilettenstein bis zum Fichtennadelspray reicht. Grundsätzlich sollte jedem Anwender von Riech- und Aromastoffen bewusst sein, so die Kommission "Innenraumlufthygiene", dass er den ohnehin bereits vorhandenen Innenraumluftverunreinigungen, die er oft nur in einem eingeschränkten Maße beeinflussen kann, zusätzliche Verbindungen hinzufügt. Dies läuft den grundsätzlichen Empfehlungen zuwider, die Konzentration vermeidbarer Luftinhaltsstoffe auch in Innenräumen so gering wie möglich zu halten, um aus Gründen der Vorsorge die Wahrscheinlichkeit einer nachteiligen gesundheitlichen Wirkung zu verringern. Der schlimmste Gestank der Welt Methanthiol (früher: Methylmercaptan, H3C-SH) ist eine der schlecht riechendsten Verbindungen, die bis heute entdeckt worden sind. Methanthiol und ähnliche Verbindungen setzt man daher Erdgas zu, um Lecks in Gasleitungen leichter finden zu können. Das Methanthiol, das wir nach dem Genuss von Knoblauch oder der Einnahme einer Knoblauchkapsel ausatmen, wird im Körper bei der Verdauung gebildet. Bakterien, die unsere körpereigenen Proteine abbauen, sind auch für die Entstehung von Methanthiol im Mund verantwortlich. Wir bemerken es sofort, wenn uns jemand anspricht - Menschen registrieren den Geruch in Luft schon in Konzentrationen von einem Milliardstel Anteil -‚ aber seltsamerweise riechen wir das von uns selbst ausgeatmete Gas nicht. Mundgeruch wird von verschiedenen Molekülen verursacht, beispielsweise Schwefelwasserstoff und Dimethylsulfid. Der Hauptschuldige jedoch ist Methanthiol. Schwefelwasserstoff, der klassische Gestank des Chemielabors, riecht längst nicht so übel... Auch unsere Füße können Bakterien Unterschlupf bieten, die Methanthiol freisetzen - insbesondere, wenn wir ihnen eine geeignete Umgebung in Form ungewaschener Socken und ungelüfteter Schuhe bieten. Angesprochen sind dabei speziell Staphylokokken, die unter alkalischen Bedingungen, typisch für Schuhe und Strümpfe, bestens gedeihen. Wenn Sie unter Fußgeruch leiden, gibt es eine chemische Antwort: Verwenden Sie spezielle, mit Aktivkohle gefüllte Einlagen, deren Kohlenstoffschichten das Methanthiol aufnehmen. Solche Sohlen halten wochenlang, weil die freigesetzten Mengen an Methanthiol sehr klein sind. Seite 4 Duftstoffe sind überall! Experteninformation D Methanthiol ist das einfachste Mitglied einer Familie von Verbindungen, die aus Ketten von bis zu 20 Kohlenstoffatomen, geknüpft an ein Schwefelatom, bestehen. Bei Methanthiol ist die Kette nur ein Atom lang. Ein Thiol mit 18 Kohlenstoffatomen ist als Wachs in Silberpolituren enthalten. Industriell verwendet man Methanthiol zur Herstellung von Pestiziden, insbesondere Unkrautvernichtungsmitteln für Getreidekulturen wie Weizen, Mais und Reis. Man braucht die Verbindung auch zur Gewinnung von Methionin, einer Aminosäure, die in der Nahrung fehlen kann. Gelegentlich setzt man Methionin heute Viehfutter zu, um den Gehalt der Milch und des Fleisches der Tiere an dieser essenziellen Aminosäure zu erhöhen. Notizen: Quellen: Intenet (18.08.200, 17:15): http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/ pressemitteilungen/p-1400-d.htm Emsley, John: Parfüm, Portwein, PVC... - Chemie im Alltag, Weinheim 1997. Martinez, Dieter u.a.: Taschenbuch der Riechstoffe, Thun 1998. Münzinger, Wolfgang u.a.: Material für den Unterricht, Heft 7: Duftstoffe, Weilburg 2000, noch nicht erschienen. Pütz, Jean u.a.: Hobbythek: Betörende Parfüms - Heilende Düfte, Köln 1993. Seite 5 Arbeitsanleitung Expertengruppe E-H Auch beim zweiten Gruppen-Puzzle zum Thema Duftstoffe erarbeiten Sie sich die Inhalte in drei Stufen: 1. Wissenserwerb Sie bekommen die Unterlagen zu einem der vier Duftstoffexperimente. Diese arbeiten Sie zunächst selbstständig durch. Machen Sie sich Notizen und behalten Sie dabei die Lernziele im Auge (15 Minuten). 2. Expertenrunde Anschließend treffen Sie sich mit den anderen Mitschülerinnen und Mitschülern, die das gleiche Thema erarbeitet haben wie Sie in der Expertenrunde. Gemeinsam führen Sie das Experiment durch und besprechen, wie Sie es den anderen Schülern vermitteln wollen (45 Minuten). 3. Unterrichtsrunde Sie ordnen sich zu neuen Gruppen. In jeder Gruppe befindet sich nun ein Mitglied jeder Expertengruppe. Jeder Experte unterrichtet die anderen Mitschülerinnen und Mitschülern kurz über das Experiment und lässt es anschließend durchführen (maximal 20 Minuten pro Thema). Hier noch ein paar Tipps für die Unterrichtsrunde. Denn denken Sie daran: Sie haben höchstens zwanzig Minuten Zeit für ihren Unterricht! ! Überblick Geben Sie den anderen Schülerinnen und Schülern in drei Sätzen einen Überblick über das, was sie beim Experiment erwartet. ! Lernziel Sagen Sie Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, was sie nach der Unterrichtsrunde von Ihrem Stoffgebiet wissen müssen. Orientieren Sie sich dafür an Ihren Lernzielen. ! Unterricht Den Unterricht bereiten Sie im Rahmen der Expertenrunde vor. Entwerfen Sie ein Versuchsarbeitsblatt, das die Punkte Versuchsaufbau, -durchführung, -beobachtung und -auswertung enthält. ! Allgemeines Versuchen Sie Fremdwörter zu vermeiden. Erklären Sie unbedingt notwendige Fachwörter mit wenigen Worten. Überlegen Sie, wie Sie den Versuchsaufbau für die Unterrichtsrunde vorbereiten und so Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern die Arbeit erleichtern können. Seite 1 Arbeitsanleitung Expertengruppe E-H Lernziele für das Thema Destillation im Freien (1) Sie können das Prinzip der Topfdestille erklären. (2) Sie kennen den Unterschied zwischen Wasser- und Wasserdampfdestillation. (3) Sie kennen Versuchsaufbau, -durchführung, -beobachtung und -auswertung der Destillation im Freien und können diese erläutern. Notizen: Seite 2 Arbeitsanleitung Expertengruppe E-H Lernziele für das Thema Extraktion mit Soxhlet-Apparatur (1) Sie können das Prinzip der Soxhlet-Apparatur erläutern. (2) Sie wissen, welche Ansprüche an das Lösungsmittel bei der Extraktion gestellt werden. (3) Sie kennen ein leicht siedendes Lösungsmittel aus dem Alltag. (4) Sie kennen Versuchsaufbau, -durchführung, -beobachtung und -auswertung der Extraktion mit der Soxhlet-Apparatur und können diese erläutern. Notizen: Seite 3 Arbeitsanleitung Expertengruppe E-H Lernziele für das Thema Dünnschicht-Chromatographie (1) Sie können das Prinzip der Dünnschicht-Chromatographie erläutern. (2) Sie kennen den Zusammenhang zwischen der Polarität einer Verbindung (funktionelle Gruppen) und der Fließgeschwindigkeit (3) Sie kennen Versuchsaufbau, -durchführung, -beobachtung und -auswertung der Dünnschicht-Chromatographie und können diese erklären. Notizen: Seite 4 Arbeitsanleitung Expertengruppe E-H Lernziele für das Thema Carbonsäureester (1) Sie können eine Verbindung aus Carbonsäure und Alkohol benennen. (2) Sie kennen beispielhaft zwei Carbonsäureester und deren Geruchsrichtung. (3) Sie kennen Versuchsaufbau, -durchführung, -beobachtung und -auswertung der Herstellung von Carbonsäureestern und können diese erklären. Notizen: Seite 5 Destillation im Freien Experteninformation E D as Thema Duftstoffe und ihre Herstellung ist sehr gut für Schülerinnen und Schüler geeignet, da sie dort Erfahrungen machen können, wo die Naturwissenschaften ursprünglich ihren Gegenstand suchten, in der Natur. Das gilt zunächst vor allem für die biologischen Arbeiten des Bestimmens und Sammelns von Pflanzen, nachdem diese auf ihre olfaktorischen Qualitäten hin geprüft worden sind. Beim chemisches Arbeiten dagegen ist man eher gewöhnt, ob es sich nun um Produktion, Chemikerausbildung oder Schulunterricht handelt, drinnen - also im Laboratorium - unter bestimmten technischen Voraussetzungen zu arbeiten, was schon aufgrund der Gefährlichkeit vieler chemischer Verbindungen und der Empfindlichkeit vieler Apparaturen ratsam ist. Doch das Duftstoffthema bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, recht gefahrlos und mit viel Vergnügen draußen zu arbeiten und dabei an alte handwerkliche Traditionen anzuknüpfen. In seinem Buch „Die Erzeugung natürlicher Duftstoffe in der Provence“ beschreibt G. Hoffmann, wie viele Bauern ihre Destillierapparate zu den Lavendelfeldern transportierten, um die Ernte an Ort und Stelle der Destillation zu unterwerfen. In der Parfümstadt Grasse kann man diese Geräte noch heute an verschiedenen Orten finden, beispielsweise im örtlichen Museum oder bei Antiquitätenhändlern und Trödlern. Die Destillierkolben heißen im Französischen in Anlehnung an das Arabische „Alambic“, und die provencalischen Exemplare erinnern auch stark an ihre arabischen Vorbilder, die unter anderem in dem 1000 Jahre alten Rezeptbuch des Al Kindi abgebildet sind. Die Bauern transportierten diese Destillen zumeist auf zweirädrigen Karren zu ihren Feldern. Das Prinzip, den Ort der Verarbeitung der Pflanzen nahe an den Ort der Ernte zu legen, hat sich lange gehalten. Noch Anfang der 80-er Jahre konnte man zahlreiche kleine stationäre Destillationsanlagen direkt neben den Lavendelfeldern auf den Höhen des Luberon in der Provence sehen. Das Prinzip der transportablen Destille ist in dem durchzuführenden Versuch aufgegriffen, allerdings wird sie viel kleiner und leichter sein als der Alambic, leicht zusammenzusetzen und leicht zu reinigen. Als Vorbild diente bei der Entwicklung zunächst die Zeichnung einer afrikanischen Topfdestille, die in der Unterrichtseinheit „Chemistry: Fermentation and Distillation“ des School Science Project for East Africa abgebildet ist. Die Destille wurde in ihrem Ursprungsland im Freien auf glühende Asche gesetzt und diente zum Gewinnen von Schnaps aus Zuckerrohr- oder Hirsebier. Es handelt sich bei der Apparatur um einen bauchigen Tonkrug mit einem Einsatz mit Siebboden, auf dem ein Tiegel steht. Auf den Krug wird eine Schale mit Kühlwasser gestellt, die nicht dicht abschließen darf, weil Druckschwankungen sich sonst nicht ausgleichen können. Beim Erhitzen steigt der Dampf durch die Sieblöcher des Einsatzes am Tiegel vorbei gegen den Boden der Kühlschale und kondensiert. Das Kondensat tropft in den Tiegel. Kühlschale und Tiegel müssen hin und wieder gewechselt werden, um Verluste und Rückdestillation zu vermeiden. Seite 1 Destillation im Freien In der Ausgangsversion wurde diese Destille zunächst von einem Töpfer nachgebaut. Inzwischen hat der Leiters der IPN-Werkstatt in Kiel eine verbesserte Version gebaut, wobei ein Merkmal des Alambic übernommen wurde: Die Pflanzenportion kommt nicht direkt mit dem Wasser in Berührung, sondern befindet sich in einem Siebeinsatz etwas über der Wasseroberfläche. Das Wasser (destilliertes, um Geruchsbeeinträchtigungen durch Trinkwasserzusätze zu vermeiden) wird im Krug erst zum Kochen gebracht, danach wird der mit dem Pflanzenmaterial gefüllte Siebeinsatz eingehängt und die übrigen Komponenten werden obendrauf gesetzt. Dadurch, dass das Pflanzenmaterial nicht im Experteninformation E Abbildung 1: Schnittzeichung der transportablen Destillationsapparatur Wasser schwimmt, sondern lediglich vom Dampf durchströmt wird, vermeidet man Qualitätseinbußen beim Produkt, die auf lokaler Überhitzung und Herauslösen von nicht gewünschten Pflanzenbestandteilen, die dann mitgerissen werden, beruhen können. Und außerdem wird so verhindert, dass ein Teil der ätherischen Öle schon in der Aufheizperiode entweicht. Abbildung 2: Topfdestille im Betrieb Den Krug ist in zylindrischer Form aus Kupfer anfertigt. Kupfer wurde dabei aus Gründen der Wärmeleitfähigkeit und der Bruchsicherheit gewählt, der Siebeinsatz für das Pflanzenmaterial ist aus Messing. Alle anderen Teile (Einsatz für den Tiegel, Tiegel und Kühlschale) sind weiterhin aus Ton. Hier ist schlechte Wärmeleitfähigkeit zum Teil von Vorteil. Der Einsatz für den Tiegel bekommt statt des Siebbodens Löcher in den Seitenwänden, damit eine zu schnelle Erwärmung des Tiegels durch die aufsteigenden Dämpfe vermieden wird. Seite 2 Destillation im Freien Experteninformation E Entscheidend für die Destillation sind die ersten 5 bis 10 Minuten, nachdem das Wasser zum Kochen gebracht worden ist. Auch hier müssen Tiegel und Kühlschale gewechselt werden (2- bis 3-mal). Als Destillationsgut besonders geeignet sind Lavendel und Rosmarin. Es lässt sich aber auch mit anderen Pflanzen experimentieren. Die Apparatur wiegt 2,7 kg, die Maße sind der Schnittzeichnung zu entnehmen. Bei der als Bausatz gelieferten Topfdestille lag neben der oben zusammengefassten Beschreibung noch ein Zettel mit der Beschriftung “Hinweise zum sicheren Arbeiten” bei: Bei der empfohlenen Destillationsdauer (5 Minuten ab Kochen des Wassers) muss das Wasser in der Kühlschale nicht gewechselt werden. Beim Einsetzen des Messingeinsatzes bitte eine Tiegelzange oder ähnliches verwenden, um Verbrühungen durch heißen Dampf zu vermeiden. Gerät abkühlen lassen, bevor der Tiegel entnommen wird. Für die Destillation im Freien werden folgende Geräte und Chemikalien benötigt: ! Bausatz der Topfdestille ! Sammelgefäß (Erlenmeyerkolben mit Stopfen) ! Kohle ! Wasser ! Feuerlöscher ! Lavendelblüten Quelle: Minssen, Mins: Destillation im Freien, in: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie: Duftstoffe, Heft 22, Seelze 1994. Seite 3 Extraktion mit Soxhlet-Apparatur Experteninformation F F ranz von Soxhlet (1848–1926) war Professor für Agrikulturchemie an der Universität München. Seine Arbeitsgebiete waren die Ernährungslehre und die Milchsterilisation. Eine von ihm selbst entwickelte Konstruktion eines Extraktionsapparates wurde nach ihm benannt (DIN 12602, Mai 1977). Extraktion (von lat.: extrahere=herausziehen) ist die Bezeichnung für ein Trennverfahren durch Herauslösen von bestimmten Bestandteilen aus festen oder flüssigen Substanzgemischen mit Hilfe geeigneter Lösungsmittel (Extraktionsmittel), wobei zwischen dem Lösungsmittel und dem gelösten Stoff keine chemischen Reaktionen stattfinden sollen. Die Extraktion spielt in der Technik eine wichtige Rolle z. B. bei der Arzneimittel-Herstellung, in der Zuckergewinnung aus Zuckerrübenschnitzeln, zur Gasreinigung, zur Gewinnung von Aromaten und Paraffinen aus Erdöl, von wertvollen Metallen aus armen Erzen mit Hilfe organischer Lösungsmittel und zur Aufarbeitung von Kernbrennstoffen, ferner von ätherischen Ölen aus Blüten und Früchten. aus: Römpp Chemie-Lexikon, Stuttgart 1995. Bei der Festflüssig-Extraktion unter kontinuierlichem Rückfluss wird das Extraktionsmittel im Destillationskolben bis zum Sieden erhitzt, steigt als Dampf auf, wird am Kühler kondensiert, tropft in die Extraktionshülse aus Filterpappe, die das zu extrahierende Material enthält und fließt periodisch durch Heberwirkung als Extrakt in den Kolben zurück. Die extrahierten Stoffe reichern sich im Kolben an, während das Extraktionsmittel erneut verdampft, kondensiert und die zu extrahierende Substanz so weiter auslaugt. Das Verfahren der Extraktion mit Lösemitteln wird im Labor mit der oben schon erwähnten Extraktionsapparatur nach Soxhlet durchgeführt. Die Apparatur ist wie folgt aufgebaut: A: B: C: D: Extraktor Dampfleitungsrohr Heberohr Extraktionshülse aus Filterpapier Abbildung 1: SoxhletApparatur Seite 1 Extraktion mit Soxhlet-Apparatur Experteninformation F Die Extraktion von Pflanzen mit niedrig siedenden Lösungsmitteln wird im größeren Maßstab erst seit etwa 100 Jahren durchgeführt. Die zu verwendenden Lösungsmittel müssen für industrielle Zwecke verschiedene Qualitätskriterien erfüllen: ! Sie sollen rückstandlos verdunsten. ! Sie dürfen nicht mit den Duftstoffen chemisch reagieren. ! Für Heißextraktion am Rückfluss darf die Siedetemperatur des Lösungsmittels nicht so hoch liegen, dass Duftstoffe thermisch zerstört werden können. Die folgenden Gerätschaften und Substanzen werden benötigt: " Intensivkühler mit Schläuchen " Heizpilz " Rundkolben " Soxhlet-Extraktionsaufsatz " Extraktionshülse " Mörser mit Pistill " Korkring " Messzylinder " Stativmaterial " Flasche " Anissamen " Wodka " Schlifffett Der Aufbau der Apparatur erfolgt unter Zuhilfenahme des Stativmaterials. Die einzelnen Glasgeräte des Aufbaus werden über sogenannte Glasschliffe miteinander verbunden; dabei ist zu beachten, dass diese Schliffe gefettet werden müssen, um dicht zu schließen. Nach dem Aufbau füllt man den Kolben mit gut 250 mL Lösungsmittel (Wodka), gibt 5 g kurz vorher gemörserte Anissamen in die Extraktionshülse und extrahiert unter Kühlung 3 Umläufe lang. Nach der Extraktion lässt man die Apparatur abkühlen. Der Rundkolben mit dem Alkohol und dem darin gelösten ätherischen Öl wird zur weiteren Verwendung in eine Flasche abgefüllt. Die Verwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: Weihnachtsgebäck (Anisplätzchen), Waffeln, Apfelkaltschalen, Kompotte, Möhren- und Obstsalat, aber auch in Milchgetränken oder Tee. Quelle: Münzinger, Wolfgang u.a.: Material für den Unterricht, Heft 7: Duftstoffe, Weilburg 2000, noch nicht erschienen. Schween, Michael: Extraktion von Pflanzenteilen mit niedrig siedenden Lösungsmitteln, Marburg 2000, nicht erschienen. Seite 2 Dünnschicht-Chromatographie Experteninformation G D ünnschichtchromatographie (deutsche Abkürzung: DC, englisch: TLC ist ein Verfahren mit einem mehrstufigen Verteilungsprozess, an dem ein geeignetes Sorptionsmittel als stationäre Phase, Lösungsmittel oder -gemische - häufig auch Laufmittel genannt - als mobile Phase und die Probemoleküle beteiligt sind. Die stationäre Phase befindet sich dabei als dünne Schicht auf einem geeigneten Träger aus Glas, Polyester oder Aluminium. An dieser Schicht erfolgt die Trennung durch Elution mit dem Laufmittel. Die DC-Analyse beginnt nach geeigneter Probenvorbereitung mit dem Auftragen an der Startlinie. Diese erfolgt punkt-, linien- und für präparative Zwecke auch bandförmig. Dabei ist die punktförmige Auftragung mittels einer Kapillaren die gängigste Methode. aus: Römpp Chemie-Lexikon, Stuttgart 1995. Folgende Geräte und Chemikalien werden benötigt: ! DC-Platte (M&N, 4x8 cm) ! Trennkammer ! Mikrokapillare ! Messzylinder ! Bechergläser ! Sprühgerät ! Heißluftföhn ! Ethanol F (leicht entzündlich) R:11 S: 7-16 ! Toluol F Xn (leicht entzündlich, gesundheitsschädlich) R: 11-20 S: 16-25-29-33 ! Essigsäureethylester F Xi (leicht entzündlich, reizend) R: 11-36-66-67 S: 16-26-33 ! Vanillin Xn (mindergiftig) R: 22 S: 22-24/25 ! Schwefelsäure, konzentriert C (ätzend) R: 35 S: 26-30-45 Das Fließmittel wird in die Trennkammer gefüllt, sodass es den Boden der Kammer etwa einen halben Zentimeter hoch bedeckt. Die ätherischen Öle werden in Ethanol gelöst (ca. 20 Tropfen in 1 mL), fertiges Parfüm kann unverdünnt aufgetragen werden. Die Lösungen der ätherischen Öle bzw. die unverdünnten Parfümproben werden mit Hilfe einer Mikrokapillaren auf die DC-Platte aufgetragen. Wichtig ist dabei, dass man (1) in genügendem Abstand vom unteren Rand (2 cm) der DC-Platte aufträgt, (2) die entstehenden Flecken möglichst klein hält, (3) sich die Position der einzelnen Proben notiert. Seite 1 Dünnschicht-Chromatographie Experteninformation G Nach dem Auftrag der Proben wird die Platte unverzüglich in die vorbereitete Trennkammer gestellt und diese gut verschlossen. Ist das Fließmittel etwa 5 cm auf der Platte gewandert, ist die Entwicklung abgeschlossen. Man nimmt die Platte aus der Trennkammer und lässt das Fließmittel verdunsten. Um die aufgetrennten Komponenten sichtbar zu machen, erfolgt eine Anfärbung mit einem Sprühreagenz. Gleiche Teile von " Lösung A (Vanillin-Lösung: 2%ige, ethanolische Lösung von Vanillin) und " Lösung B (Schwefelsäure-Lösung: 2%ige, ethanolische Lösung von konzentrierter Schwefelsäure) werden unmittelbar vor dem Aufsprühen gemischt, da die Mischung nur kurze Zeit haltbar ist. Im Abzug besprüht man die Platte fein mit dem Vanillin-SchwefelsäureReagenz und erwärmt im Anschluss daran vorsichtig mit dem Heißluftföhn. Die auf der DC-Platte sichtbar werdenden Flecken werden abfotografiert sowie zur vorläufigen Dokumentation abgepaust und farbig ausgemalt. Eine detaillierte Interpretation des Versuchsergebnisses ist schwierig und an dieser Stelle nicht möglich. Wie jedoch bereits aus dem ersten Gruppenpuzzle bekannt ist, kann man Duftstoffe aufgrund ihrer funktionellen Gruppen charakterisieren. Bei der DC-Auftrennung wandern die unpolaren Verbindungen eines ätherischen Öls am weitesten, ihnen folgen die Ester, Ketone und Aldehyde. Nahe der Auftragslinie sind meist die polaren Alkohole zu finden. Quellen: Münzinger, Wolfgang u.a.: Material für den Unterricht, Heft 7: Duftstoffe, Weilburg 2000, noch nicht erschienen. Dünnschichtchromatographie, in: Chemiepraktikum für die Oberstufe, Stuttgart 1999. Seite 2 Carbonsäureester Experteninformation H E ster aus niederen und mittleren Carbonsäuren mit niederen und mittleren Alkoholen besitzen einen fruchtigen Duft. Diese Ester sind Bestandteile von Früchten und ätherischen Ölen. Auch aromatische Carbonsäuren bilden mit niederen und mittleren Alkoholen fruchtig riechende Verbindungen. In der Tabelle auf der folgenden Seite finden Sie eine Reihe von Säuren und Alkoholen sowie deren Ester mit Geruchsrichtung. Für die in Reagenzgläsern ablaufenden Reaktionen benötigen Sie folgende Geräte und Substanzen: ! Reagenzgläser ! Stopfen ! Bechergläser ! Reagenzglasständer ! Holzklammern ! Bunsenbrenner ! Messzylinder ! Schwefelsäure, konzentriert C (ätzend) R: 35 S: 26-30-45 ! Natriumhydroxid-Lösung, stark verdünnt (1%ig) ! Carbonsäuren und Alkohole laut Tabelle Die Durchführung der Versuche bedarf wegen der konzentrierten Schwefelsäure größerer Sicherheitsmaßnahmen: Schutzkittel, Schutzbrille, Handschuhe. Im Reagenzglas werden 2 mL flüssige Carbonsäure bzw. 1 g feste Carbonsäure mit 3 mL eines Alkohols gemischt. Dann werden vorsichtig 5 Tropfen konzentrierte Schwefelsäure hinzugegeben. Der Inhalt des Reagenzglases wird daraufhin eine Minute lang erwärmt. Man verschließt das Reagenzglas mit einem Stopfen und lässt es abkühlen. Abschließend wird der Inhalt des Reagenzglases in ein Becherglas mit 20 mL stark verdünnter Natriumhydroxid-Lösung gegossen und der Geruch getestet. Quellen: Kionke, Adèle: Herstellung von Duftstoffen als Beispiel für die Synthese von Estern, Marburg 2000, nicht erschienen. Praetorius, Fritz: Ester, Marburg 2000, nicht erschienen. Schween, Michael: Synthese von Geruchsstoffen am Beispiel der Carbonsäuren, Marburg 2000, nicht erschienen. Seite 1 Tabelle 1: Übersicht über Säuren, Alkohole und zugehörige Ester mit Geruchsrichtung 2-Hydroxy-benzoesäure Salicylsäure Xn (gesundheitsschädlich) R: 22-37/38-41 S: 26-39 Methanol (s.o.) Ethanol (s.o.) Wintergrün Nelke Niobeöl Methanol F T (leicht entzündlich, giftig) R: 11-23/24/25-39/23/24/25 S: 7-16-36/37-45 Benzoesäure Xn (gesundheitsschädlich) R: 22-36 S: 24 Benzoesäuremethylester Ananas-Banane Apfel Ethanol (s.o.) C (ätzend) R: Ananas Ether-Rum Hexansäure Capronsäure C (ätzend) R: 34-20/21/22 S: 26-36/37/39-45 Pentansäure Valeriansäure 34 S: 26-36-45 1-Pentanol (s.o.) Ethanol (s.o.) Butansäure Buttersäure S: 26-36-45 C (ätzend) R: 34 Ethanol (s.o.) Birne 1-Pentanol Amylalkohol Xn (mindergiftig) R: 11-20 S: 24/25 Propansäure Propionsäure C (ätzend) R: 34 S: 23.2-36-45 Kleber Ethanol (s.o.) Rum Ethansäure Essigsäure C (ätzend) R: 1035 S: 23.2-26-45 Ameisensäureethylester Ethanol F (leicht entzündlich) R: 11 S: 7-16 Geruchsrichtung Methansäure Ameisensäure C (ätzend) R:35 S:23.2-25-45 Name des Esters Alkohol Carbonsäure Kreation von Parfüms Informationsblatt D er Sommer 2000 duftet nach Klassik und Zukunft. Wenn es um die Dufttrends des Jahres geht, verweisen die Experten gleichzeitig auf die Wiederentdeckung klassischer Düfte wie auf zukunftsträchtige Neuerungen. Wer sich durch Neuheiten und Trenddüfte schnüffelt, wird eine Vielzahl von Grundideen entdecken - mal werden ausgefallene Duftnoten verwendet, mal wird mit neuen Techniken bei der Herstellung experimentiert. Außerdem sollen Düfte nicht nur schön riechen, sie dürfen auch wieder schön aussehen - die aufwendig gestalteten Flakons feiern ein Comeback. “Die neue Duftmode bietet eine raffinierte Mischung aus Eleganz und Erotik”, sagt Ursula Ackermann, Sprecherin der Parfümerie-Kette Douglas in Wiesbaden. Gefragt sind demnach betont feminine, komplex aufgebaute Parfüms mit starker Ausstrahlung. “Interessante, neue Duftkompositionen dieser Art sind beispielsweise Organza IndÇcence von Givenchy oder Rococo von Joop”, sagt Ackermann. Die Givenchy-Kreation stellt einen Cocktail aus würzig-warmen Essenzen wie Palisanderholz, Zimt und Patchouli dar. Rococo dagegen sei ein sanft orientalischer Duft mit Ingwer, Ananas und Vanille. Der Sommer bietet eine Reihe weiterer Neuheiten. So kommt laut Ursula Ackermann von dem exklusiven Juwelierhaus Van Cleef & Arpels der Duft Birmane mit Aromen von Purpurlilie, Pfirsich oder Zeder; das neue Damenparfüm mania von Giorgio Armani duftet orientalisch mit Weihrauch, Moschus und Vanille. Der Sommerduft Lily Chic von Escada dagegen erinnere an einen duftenden Strauß weißer Blumen. “Generell geht der Trend weg von den Unisex-Düften - die Parfüms werden wieder femininer”, sagt Ingrid Medefind von der Parfümerie Liebe in Hannover. “Die Leute wünschen sich wieder etwas Individuelleres.” Und solche persönlichen Düfte müssen nicht immer die neuesten sein. Wie Ingrid Medefind sieht auch Gisela Reinecke vom Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse (VKE) in Langenfeld eine Rückkehr der Klassiker als Trend der Saison - Düfte, die schon vor Jahrzehnten kreiert wurden und wegen ihrer Einzigartigkeit überdauert haben. Die Nachfrage nach einem besonderen Duft lässt sich aber auch auf andere Weise befriedigen - mit ganz ausgefallenen Duftnoten. Dazu zählen laut Gisela Reinecke die Orchidee in Contradiction von Calvin Klein, die VirburnumBlüte, die Vivien Westwoods Boudoir kennzeichnet, oder auch Lakritz, Rum und Kaffee in Yohji Yamamotos Herrenduft. Ebenfalls ein Trend des neuen Jahrtausends seien Düfte, die nach neuen Prinzipien aufgebaut werden - die also nicht mehr auf die Unterscheidung von Kopf-, Herz- und Basisnote setzen. So präsentiert sich laut Gisela Reinecke das Parfüm Happy von Givenchi schon direkt nach dem Versprühen als ... Seite 1 Kreation von Parfüms Informationsblatt ... frisch-fruchtiges, einheitliches Dufterlebnis; Bulgari Black schwöre allein auf die Duftnote Schwarzen Tees. Und dann sind da noch die Düfte für den besonderen Anlass - zum Beispiel die extra für warme Sommertage kreierten Varianten. “Solche Duftangebote sind derzeit ein tragendes Thema”, sagt Werner Hariegel, Geschäftsführer des Bundesverbandes Parfümerien in Recklinghausen. “Düfte für spezielle Anlässe, oder auch solche, die limitiert für bestimmte Jahreszeiten im Angebot sind, werden auf Dauer Erfolg haben.” Ein Beispiel ist Vocalise von Shiseido, das für die warme Jahreszeit in einer speziellen, alkoholfreien Version angeboten wird. Ebenfalls alkoholfrei und dazu mit natürlichem Blütenwasser angereichert ist die Sommerversion von Issey Miyakes L’Eau d’Issey. In den Bereich der Spezial-Düfte gehören auch jene, deren Ingredienzien zum Wohlgefühl beitragen sollen. “Sehr im Trend sind dabei die Aromatherapie-Düfte von Shiseido und Bulgari”, sagt Ingrid Medefind von der Parfümerie Liebe. In eine ähnliche Richtung geht laut Gisela Reinecke Aroma Tonic von Lancôme. Wenn nun schon alles so schön riecht, dann soll es auch gut aussehen: “Man hat wieder Mut zum Flakon”, sagt Werner Hariegel. “Nach einer Phase des Purismus und der Nüchternheit wollen es viele Kunden jetzt auch wieder verspielt.” Deutlich macht diesen Trend besonders der verspielte Flacon von Vivien Westwoods Boudoir. Ein anderes Flakon-Kunstwerk, so Gisela Reinecke, ist Sonia Rykiels “Pullover”. Und was heraus kommen kann, wenn Modedesigner mit Düften spielen, zeigt nicht zuletzt Jean Paul Galtier: Er füllt den Fragile in eine gläserne Zauberkugel - darin steht nicht nur die Ministatue einer elegant gekleideten Dame - nach leichtem Schütteln wirbeln auch winzige Goldflöckchen durch die duftende Flüssigkeit. aus: Marburger Neue Zeitung - Lebensart, Sonntag, 27.08.2000. Der Parfüm-Baukasten aus der Hobbythek steht Ihnen zur Verfügung, um eine eigene Kreation herzustellen. Im zugehörigen Hobbythekbuch finden Sie ab Seite 100 unter “Duftfamilien und Rezepte” die verschiedensten Anregungen für eigene Ideen. Suchen Sie sich die benötigten Düfte aus dem Baukasten heraus und tropfen Sie die jeweils gewünschte Menge in ein leeres braunes Fläschchen. Füllen Sie mit der beiliegenden Pipette den zur Verdünnung notwendigen Alkohol ein. Zum Schluss können Sie ein Etikett “Schwalmschule - Projekt Duftstoffe” beschriften und ihr Fläschchen kennzeichnen. Viel Spaß beim Tragen Ihres Parfüms! Seite 2 Duftstoffe-Test Aufgabe 1: Bitte ankreuzen! Dabei können eine, zwei oder drei Antworten richtig sein! Wie viel Riechzellen enthält das Riechepithel des Menschen? o Etwa 1 Million o Etwa 10 Millionen o Etwa 100 Millionen Wie heißen die Zellen, die flüchtige Substanzen mit hoher Empfindlichkeit identifizieren? o Geschmackszellen o Riechzellen o Schnupperknospen Welche Schwelle ist niedriger: die Erkennungs- oder die Wahrnehmungsschwelle? o Erkennungsschwelle o Wahrnehmungsschwelle o keine Wann kann der menschliche Geruchssinn vorübergehend gestört sein? o Bei Grippe o Am Morgen o Bei Schnupfen Wie nennt man chemische Botenstoffe? o Ferromone o Pheromone o Horrormone Was bedeutet das Wort Parfüm aufgrund seiner lateinischen Herkunft “per fumum”? o Durch Rauch o Gleich Rauch o Mit Rauch Wer soll gegen Ende des 1. Jahrtausends die Destillation erfunden haben? o Römer o Griechen o Araber ChemieLK 12 Wovor versuchte man sich über viele Jahrhunderte hinweg mit Duftstoffen zu schützen? o Böse Geister o Böse Schwiegermütter o Krankheiten Drei Viertel der Duftrohstoffe werden auf welchem Weg hergestellt? o künstlich o natürlich o synthetisch Wie bezeichnet man die durch Druck ausgeführte Gewinnung von natürlichen Duftstoffen? o Extraktion o Expression o Extinktion Wie bezeichnet man das Öl, das man zum Beispiel durch Wasserdampfdestillation von zerkleinerten Pflanzenteilen erhält? o Ätherisches Öl o Fettiges Öl o Schweröl Wie werden die Produkte bezeichnet, die man durch synthetische Abwandlung natürlich gewonnener ätherischer Öle erhält? o halbnatürlich o halbsynthetisch o vollsynthetisch Welche funktionelle Gruppe besitzt ein Alkohol? O o CO-Gruppe R C R O o COH-Gruppe R C H o OH-Gruppe R C OH 2000/2001 Duftstoffe-Test ChemieLK 12 Welche funktionelle Gruppe besitzt ein Aldehyd? O o CO-Gruppe R C Welche Verbindung ist die wahrscheinlich am schlimmsten stinkende Verbindung der Welt? o Schwefelwasserstoff H S H R o Methanthiol H3C S H O o COH-Gruppe R C H o OH-Gruppe R C OH Welche funktionelle Gruppe besitzt ein Keton? O o CO-Gruppe R C R o Dimethylsulfid H3C S CH3 Aufgabe 2 (Zusatzblatt): Beschreiben Sie kurz, wie die Wasserdampfdestillation durchgeführt wird. Aufgabe 3 (Zusatzblatt): Welche Eigenschaften soll das Lösungsmittel bei der Extraktion eines Naturstoffes besitzen? O Aufgabe 4 (Zusatzblatt): H Zu welchem Zweck haben Sie einen Versuch mit der Methode der DünnschichtChromatographie durchgeführt? o COH-Gruppe R C o OH-Gruppe R C OH Welche der drei so genannten “Noten” eines Parfüms ist normaler Weise am leichtesten flüchtig? o Kopfnote o Herznote o Basisnote Aufgabe 5 (Zusatzblatt): Notieren Sie die Reaktionsgleichung von Essigsäure mit Ethanol in Strukturformeln. Vervollständigen Sie bitte darüber hinaus die folgende allgemeine Wortreaktionsgleichung: ..... + ..... d Carbonsäureester + Wasser 2000/2001