Pilot und Flugzeug Ausgabe 2010/04

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Pilot und Flugzeug Ausgabe 2010/04
Heft 2010/04 • ISSN 0175-0143
€ 6,60 • USD 7.90 • CHF 12,80
www.pilotundflugzeug.de
Leserflyout 2010:
Anmeldung und Route
FFB: Wie BMW es sich mit den Piloten verscherzte
Flugmedizin: Dekompressionskrankheit
Im Test:
Bonanza G36
Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
D 4910 E
Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
Flight Test
Bonanza
Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
10
Pilot und Flugzeug 2010/04
Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
G36
G
Flight Test
ut 60 Jahre nach ihrer Markt­
einführung hat sich die Beech Bo­
nan­za über drei Grund­modelle zu
einem der erfolgreichsten Reiseflugzeuge
überhaupt ent­wickelt. In der Variante A36
überstand sie dabei alle Wirren der GAIndustrie und ist als G36 (Garmin 1000)
bis zum heutigen Tage in Produktion.
Auf die bewegte und erfolgreiche Ge­
schich­te des Musters sind wir in der
„Bo­nan­za-Story“ in Pilot und Flugzeug
2009/09 schon ausführlich eingegangen,
sodass wir uns heute ganz auf die aktuelle und nun auch EASA-zugelassene
G36 konzentrieren können: Wir flogen
die Glascockpit-Bonanza und gehen der
Frage nach, wie sich das Flugzeug im
Vergleich zu anderen Maschinen mit vergleichbarer Motorisierung positioniert.
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
Flight Test
I. Allgemeines
Auffälligstes Merkmal der Bonanza G36 ist
von außen betrachtet die riesige zweiteilige
Flügeltür, die zur zweiten und dritten Sitzreihe
führt. Die im Normalfall in Clubanordnung
angebrachten hinteren Sitzreihen vermitteln sofort das Gefühl, dass hier mächtig
Platz ist. Tatsächlich ist die Bonanza nicht
breiter als andere Flugzeuge dieser Klasse,
die großen Fenster und die riesige Tür lassen den Innenraum jedoch deutlich größer
erscheinen.
Die G36 erbt dieses Kabinen-Layout von
der A36, der „Long-Body“ Bonanza, die
von Beechcraft im Jahre 1968 zunächst als
Utility-Variante eingeführt wurde, bevor man
erkannte, dass man mit dem großen langen Rumpf sehr viel mehr machen kann, als
Fracht zu befördern. Der Einstieg ins Cockpit
erfolgt über eine konventionelle Tür, die über
die rechte Tragfläche zugänglich ist. Von der
Kabine auf die Cockpitsitze zu klettern ist
zwar möglich, aber nicht empfehlenswert.
Wir treffen uns im belgischen Kortrijk mit
Peter Sobry, er hatte im Jahr 2008 eine der
ersten G36 in Europa gekauft. Sobry ist Chef
einer Firma, die Salz und Chemikalien für
Enteisungsanlagen herstellt. Er hat ein Werk
in Danzig und Kunden in ganz Europa – ein
typischer Fall für ein GA-Flugzeug. Sobry
fliegt seit 1997, hatte zunächst eine Robin.
Über seinen Fluglehrer kam er zur Bonanza,
zehn Jahre lang flog er eine F33A – sein erster
IFR-Flieger. Die Tatsache, dass er seine F33
im Jahr 2007 nahezu zum Kaufpreis wieder
verkaufen konnte, bestärkte Sobry darin, der
Bonanza treu zu bleiben: „Da kann man wenig verkehrt machen“, sagt er im Gespräch
mit Pilot und Flugzeug. Achtzig Prozent sei-
Panel der Bonanza G36. Das Cockpit ist extrem aufgeräumt. Die rechte Circuit-Breaker-Leiste ist jedoch
für den Piloten schwer zu sehen. Der Mod-Continent Backup-Kreiselhorizont verfügt über eine eigene
Batterie samt Beleuchtung und ist vom Bordnetz unabhängig. Bild: Hawker Beechcraft
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Flight Test
Peter Sobry in der Passagierkabine seiner Bonanza. Zwei Paxe finden in der Clubseat-Anordnung luxuriös Platz, bei vier Personen muss man schon mal Beine sortieren. Durch die riesigen Fenster wirkt der
Innenraum der G36 sogar noch etwas größer als er tatsächlich ist.
ner Flüge sind geschäftlicher Natur, zwei bis
zweieinhalb Stunden betragen üblicherweise die Leg-Längen, fast alles IFR.
Eine DA-42 zog er 2007 noch in die engere Wahl, empfand die Geschwindigkeit aber
als ungenügend und scheute vor den neuen
Triebwerken zurück. Mit einer fünfköpfigen
Familie war die Bonanza ohnehin das einzige
Neuflugzeug über 160 Knoten, das im Budget
lag und auch bei den zugegebenermaßen
seltenen Familienausflügen nicht passen
musste. Die üblichen geschäftlichen Flüge
erledigt er mit zwei bis drei Personen an Bord,
seine Kollegen schätzen die Bequemlichkeit
der Beech.
Circa 800 Stunden Gesamtflugerfahrung und
200 Stunden auf der G36 hat er bislang absolviert, mit der G36 machte er sich über
das mehrtägige Initial-Training von Flight
Safety vertraut.
II. Systeme
Elektrik
In Beech-typischer Manier hat man die
Systeme der 36er-Bonanza über Jahrzehnte
verfeinert und verbessert. Details zur Modell­
geschichte erfahren Sie in Pilot und Flugzeug
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
Flight Test
Oben: Das elektrische System in der Übersicht (aus dem Flight Safety
Trainings­manual). Die G36 verfügt über zwei unabhängige Gleichstrom­
sammelschienen (Busse), die bei Drehzahlen unter 1.800 RPM durch ein
Relais zusammengeschlossen werden, trotzdem aber durch eine Diode
stromrichtungsmäßig getrennt bleiben. Ein Totalausfall oder Kurzschluss
auf dem Hauptbus (Bus 1) kann also den Bus 2 nicht in die Knie zwingen.
Der Bus 2 kann jedoch mit 20 Ampere auch nur ein Fünftel der Leistung
des Bus 1 abliefern.
Das Bild rechts zeigt die Instrumentierung kurz nach der Landung: Das BusTie-Relais zwischen Bus 1 und 2 ist geschlossen, die Last des Alternators
2 liegt nahe null, und über die Diode, die Bus 1 und 2 verbindet, fällt die
Spannung etwas ab, was an den beiden Voltmetern deutlich zu erkennen ist.
2009/09. Mit der Einführung des Garmin 1000
hat sich am elektrischen System jedoch einiges getan, denn ein Vakuumsystem gibt
es nicht mehr. Die G36 verfügt über zwei
unabhängige Busse, die jedoch für unter14
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
Flight Test
schiedliche Leistungen ausgelegt sind. Der
100 Am­pere starke Bus 1 trägt die Haupt­
last der elektrischen Energieverteilung an
Bord. Eine 24 Volt 10 Ah Batterie dient
als Hauptenergiespeicher, ein 100 Ampere
Alter­nator als Stromquelle. Die wesentlichen
Verbraucher, der Anlasser und die Avionik
hängen an diesem Bus 1.
Der 20 Ampere Bus 2 wird von einer 3 Ah
Batterie gespeist und verfügt über einen 20
Ampere starken Alternator. Am Bus 2 hängen z.B. der Bildschirm auf der rechten Seite
(MFD, Multi Function Display), das zweite
COMM und NAV sowie die Kraftstoffpumpe.
Die beiden Busse sind durch ein Relais
(Bus Tie Relay) und eine Diode verbunden.
Das bedeutet: Strom kann über das Bus
Tie Relay nur vom Bus 1 zum Bus 2 fließen. Wäre der Bus 1 z.B. durch eine defekte
Batterie oder einen mechanischen Schaden
kurzgeschlossen, wären die am Bus 2 angehängten Verbraucher davon nicht betroffen.
Im Normalbetrieb (über 1.800 RPM Motor­
drehzahl) ist das Bus Tie Relay geöffnet
und die beiden Busse werkeln auf eigene
Rechnung. Unter 1.800 RPM oder bei einem
Wer bei solchen Zugangstoren zum Triebwerk kein
Vogelnest entdeckt, ist selber Schuld. Der Conti 550
wohnt großzügig in der G36, Schmelzsicherungen und
Relais der Stromverteilung sind bestens zugänglich.
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Flight Test
Abfallen der Leistung am Alternator 2 unter
2 Ampere schliesst sich das Relais und der
Bus 1 kann den Bus 2 mitversorgen.
Für den Piloten bedeutet dies, dass er bei
einem Versagen des 20 Ampere starken
Alternator 2 im Flug zunächst einmal keinerlei Funktionen verliert, da der Bus 1 über
Relais und Diode den Bus 2 mitversorgen
kann. Am Boden steht dann auch erst noch
die 3 Ah Batterie des Bus 2 zur Verfügung.
Beim Ausfall des 100 Ampere starken Alter­
nator 1 steht zunächst die Batterie zur Ver­
fügung und – ist diese aufgebraucht –
die am Bus 2 angehängten Verbraucher.
Fahrwerksmotor und Klappen sind nicht
nutzbar. Eine Flugführung und Navigation
ist eingeschränkt mit dem MFD auf der rechten Seite möglich, unabhängig davon gibt es
auch noch einen batteriebetriebenen MidContinent-Standby-Horizont.
Begreift man das System als eigentlich zwei
Systeme, die nur eben verbunden werden
können, ist die Elektrik der G36 recht einfach zu verstehen.
Kraftstoffsystem
Das Kraftstoffsystem unterscheidet sich
kaum von dem früherer A36-Baureihen. Zwei
je 40 USG (151 Liter) große Tanks, von denen 37 USG (140 Liter) ausfliegbar sind,
speisen über einen Kraftstoffwahlschalter
(Fuel Selector) und eine elektrische BoostPumpe das Triebwerk. Wie alle Conti 550
Anwendungen hat auch die Bonanza einen
Rücklauf, der ebenfalls mit dem Fuel Selector
umgeschaltet wird. Der Wahlschalter hat drei
Stellungen: Left, Right und Off.
Die elektrische Kraftstoffpumpe bedarf ein
paar Erklärungen: Der Bedien­
schalter hat drei Positionen: OFF,
LO (Low) und HI (High). Im Normal­
betrieb ist die Pumpe aus. Die LowPosition kann verwendet werden,
um Dampfblasenbildung bei hohen Außentemperaturen zu verhindern. Die High-Position darf nur
zum Primen des Triebwerks verwendet werden und für den Fall, dass die
mechanische Kraftstoffpumpe ausgefallen ist. Ein dauerhafter Betrieb in der HighPosition würde ein zu reiches Gemisch und
im schlimmsten Fall sogar einen Ausfall des
Motors nach sich ziehen. Die High-Position
ist daher auch am Schalter geschützt und
kann nur nach Überwindung eines SwitchGuards aktiviert werden.
Das Kraftstoffanzeige der Bonanza ist eine
Mischung aus Level-Indicator und Durch­
flussmesser. Jeder Tank verfügt über zwei
Beim Ausfall des 100 Ampere starken Alternator 1 steht zunächst die
Batterie zur Verfügung und – ist diese aufgebraucht – die am Bus 2 angehängten Verbraucher.
Sie sehen: Etwas Systemkenntnis ist von
Nöten. Der Pilot sollte verstehen, was ihm
das Garmin im Falle eines Falles da in großer roter Schrift genau mitteilt. Gibt der
Alternator 2 seinen Geist auf, besteht zunächst kein eiliger Handlungsbedarf. Quittiert
der Alterator 1 jedoch seinen Dienst, ist zügiges Stromsparen angesagt, will man noch
etwas Saft für Klappen und Fahrwerk zurückbehalten. Die am Bus 1 angebrachten
Verbraucher sollten abgeschaltet werden,
sofern die Situation dies erlaubt.
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
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Dazu später mehr. Die LeanAssist-Funktion des Garmin
leistet hier größtmögliche
Unter­stützung. Außerhalb
der Reiseleistungs­ein­stel­
lungen, also beim Start und
im Steigflug, gibt ein blauer
Zei­ger den Sollwert für den
Fuel­flow an.
Der Hartzell-Dreiblatt­pro­
peller dreht im Reiseflug
mit 2.400 bis 2.500 RPM,
auch niedrigere Drehzahlen
bis zu 2.200 RPM sind ohDas Kraftstoffsystem der G36 ist denkbar simpel. Man kann wenig
ne Probleme möglich. Das
verkehrt machen, außer man vergisst das Umschalten oder Tanken.
Triebwerk als „laufruhig“
Lediglich die beiden Betriebsarten der elektrischen Boost-Pumpe
zu bezeichnen wäre ei(Low und High) sollte man kennen. Grafik: Flight Safety
ne Untertreibung, in der
von uns geflogenen G36
Füll­standsanzeigen, die Engine/Airframe
schnurrt der Conti vibrationsarm und gleichUnit des Garmin 1000 misst aber auch den
mäßig, was selbst den turbinenverwöhnten
Autor beeindruckt.
Durch­fluss. Daher ist es wichtig, vor dem
Flug (bzw. nach dem Tanken)
dem System die an Bord befindliche Kraftstoffmenge richtig anzugeben.
Viel mehr gibt es beim Kraft­
stoffsystem nicht zu beachten, sind nicht mindestens 10
USG Sprit in jedem Tank sind
Seitengleitflüge (Slips) auf 30
Sekunden beschränkt.
Die Treibstoffinstrumentierung der
G36 arbeitet sowohl mit Füllstandswie auch mit einem Durchflussmesser.
Daher ist es wichtig, vor dem Flug
die richtige Menge ins G1000 einzugeben.
Triebwerk
Enteisung
Der 300 PS starke Conti IO-550-B beinhaltet keinerlei Besonderheiten. Das Triebwerk
kann sowohl Lean of Peak, Rich of Peak wie
auch bei bestimmten Leistungseinstellungen
exakt an der Peak EGT betrieben werden.
Die G36 kann werksseitig mit beheizbarem
Propeller ausgerüstet werden. Die TKSEnteisung ist eine externe Nachrüstung,
die von Beech selber nicht angeboten wird.
Inzwischen ist das System für die 36er
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Bonanza für Known
Icing (FAA) zugelassen, das nicht FIKIzu­gelassene System
kostet als Nachrüstung
(USA) ca. 22.000 Euro.
Der 26 Liter fassende Tank für die Ent­ei­
sungsflüssigkeit in der
rechten Tragfläche erlaubt eine bis drei Stun­
den Schutz vor Eis­
ansatz, das System
bringt mit Flüssigkeit
zu­sätzlich etwa 115 lbs
(52 kg) auf die Waage,
ohne Flüssigkeit wiegt
die Anlage 51 Pfund
(23 kg). Wesentlicher
Unterschied zwischen
FIKI-zugelassener und
nicht zugelassener
Version ist die Pumpe:
Für den Flug in bekannte Vereisungs­
bedingungen muss
das System über zwei
Pumpen verfügen.
Der Conti 550 der Bonanza will im Reiseflug Lean of Peak betrieben werden. Oben: Die allgemeinen Zusammenhänge zwischen EGT, CHT und
abgegebener Leistung auf der armein und reichen Seite der maximalen
Abgastemperatur. Die spezifischen Werte, bei denen der Conti IO-550-B
sogar exakt an der Peak EGT betrieben werden kann zeigt die Grafik unten.
Quelle: Flight Safety
Fahrwerk
Das Fahrwerk der G36
unterscheidet sich wenig von dem aller Bo­nan­zas. Ein Elektromotor
knapp hinter dem Hauptholm bedient über
Schubstangen die drei Fahrwerksbeine. Ein
Warnton und ein Hinweis im G1000 erinnern den Piloten an das Fahrwerk, wenn die
Einstellung des Gashebels unter 12 Inch abfällt, unterhalb von ca. 17 Inch lässt sich das
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Fahrwerk nicht einfahren. Bei Ausfall der elektrischen Fahrwerksmechanik kann der Pilot
das Fahrwerk mit einer Handkurbel (ca. 50
Umdrehungen) ausfahren.
Das geschleppte Hauptfahrwerk der Bonanza
sorgt für Beech-typischen Komfort und wunderbar sanft empfundene Bodenberührungen.
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III. Im Flug
Anlassen und Bodenverfahren bringen wenig Besonderheiten. Die wesentlichen Ver­
fahrensschritte beschränken sich auf Konfi­
guration und Test der elektrischen Anlage.
Schließt das Bus-Tie-Relais unterhalb von
1.800 RPM ist die Alternator Load (zur besseren Vergleichbarkeit der asymmetrischen
Busse in Prozent angegeben) nahe null. Es
folgt ein normaler Runup, aufrollen und das
Bonanza-Feeling beginnt. Circa 4 Sekunden
dauert der Fahrwerkszyklus, dann wird’s
auch in der Kabine deutlich ruhiger, angenehm versieht der Conti seinen Dienst, den
Fuelflow nach der blauen Sollvorgabe einstellen und den Autopiloten anschalten.
Wir sind bei Pilot und Flugzeug immer wieder begeistert, dass Garmin mit dem GFC700 gleich beim ersten Versuch nicht nur einen akzeptablen, sondern schlichtweg den
mit Abstand besten GA-Autopiloten geschafFliegen mit der Garmin-Bonanza bedeutet vor allem, den Autopiloten GFC 700 zu managen. Aus der
Fülle der Informationen im PFD mit einem Blick zu
erfassen, was George gerade tut, und vor allem,
was er als Nächstes vor hat, wird zur entscheidenden Aufgabe für den Piloten. Unten: Intercept
auf den Localizer im Approach Mode.
Auch bei schwierigen Bedingungen macht der
Garmin Autopilot dabei einen hervorragenden Job.
Links: Tracking mit 23 Knoten Seitenwind.
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fen hat. Egal, ob in Cirrus, Mooney oder
Bonanza, der GFC überzeugt durch seine
vor­bildliche Integration in die restliche Avionik
und seine absolut saubere Flugführung. Mit
den vielen Features und Modi des Garmin ist
für Wing-Leverler-Puristen jedoch vor dem
Flug etwas Handbuchlesen angesagt, das
bestätigt auch Peter Sobry: „Bis man den A/P
wirklich produktiv nutzt, die Abhängigkeiten
und Verbindungen zwischen den Modi
kennt und auch ohne Nachdenken beherrscht, dauert es eine Weile.“
Natürlich bereitet die Bonanza auch beim
Flug von Hand sehr viel Freude, für ein 1,6
Tonnen Flugzeug ist die G36 ausgesprochen agil. Mittels Quer- und SeitenruderInterconnect lassen sich die normalen
Manöver bis zu Kurven mit etwa zweifacher Std.-Rate (4°/s) mit zwei Fingern am
Steuerhorn sauber fliegen.
Im Flug leistet das Garmin 1000 dann jede erdenkliche Hilfe. Eine Range-Map unter
Einbeziehung des aktuellen Windes (unten)
und die Chart-View-Anflugkartendarstellung
(rechts) sorgen für komplette Situational
Aware­ness im Cockpit. Dazu kommen Ver­
kehrs­informationen und eine Terrain-War­
nung. Das einzige, was hier noch fehlt, ist ein
Wetterdaten-Uplink ins Cockpit.
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
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Egal, ob in Cirrus, Mooney oder
Bo­nanza, der GFC überzeugt durch
seine vorbildliche Integration in
die restliche Avionik und seine ab­
solut saubere Flugführung. Mit
den vielen Features und Modi des
Garmin ist für Wing-Leverler-Pu­
risten jedoch vor dem Flug etwas
Handbuchlesen angesagt.
In der Praxis wird so ein Flugzeug
freilich mehr mit Hilfe des Autopiloten
bedient als am Steuerhorn geflogen, und darauf konzentrieren wir
uns auch heute. Altitude-Preselect,
Course-Intercept und ApproachMode, all das arbeitet das GarminPanel sicher ab.
In den typischen Reiseflughöhen zwischen FL80 und FL120 sind bei 2.500
RPM und Triebwerkseinstellung
Lean of Peak 13—14 GPH (ca. 50
l/h) übliche Verbrauchswerte, was
je nach Beladung und Temperatur
zu 165 bis 172 Knoten True Airspeed führt.
Bei Anflug und Landung sorgt die dargestellte Jeppesen-Karte (Chart View) für maximale Situational Awareness. Bei komplexen Anflügen mit Course-Reversals kann das
Garmin nicht alle ARINC-Legs navigieren,
hier ist gelegentlich Arbeit mit dem HeadingMode angesagt. Anflüge ohne Umkehrkurve
gehen jedoch in aller Regel automatisch. Bei
Vectors-to-Final auf einen Localizer z.B. einfach den Approach-Mode „armen“ und im
Heading-Mode auf die Anfluggrundlinie zusteuern. RNAV-Anflüge laufen ohnehin automatisch ab. Da es bei uns in Europa jedoch keine GPS-basierte VNAV (Vertical
Navigation) Anflüge gibt, muss bei einem
Non-Precision-Approach das Sinkflugprofil
mit z.B. dem Vertical-Speed-Mode des
Garmin gesteuert werden.
Alles in allem relativ easy, wenn man etwas
Übung hat, aus den vielen Informationen, die
das Garmin auf PFD und MFD präsentiert,
die entscheidenden Hinweise zum AutopilotMode und zur jeweiligen Navigationsquelle
(NAV oder GPS) herauszulesen und zu erfassen.
Mit 154 Knoten Indicated Airspeed sowohl
für das Ausfahren des Fahrwerks (VGE) wie
auch für die erste Stufe der Klappen APH
(VFE) kann sich die Bonanza auch an größeren
Flughäfen noch recht gut in den Verkehrsfluss
eingliedern.
Endanflug und Landung gehen dann leicht
von der Hand. Je nach Wind und Bahnlänge
empfiehlt sich das Aufsetzen in der ersten
oder zweiten Klappenstufe (APH 12° oder
DN 30°).
IV. Performance
Bleibt bei so viel Flugvergnügen die Frage,
was die Bonanza wirklich kann. Dabei
ist es nicht ganz einfach, eine passende
Vergleichsgröße zu finden: Die SR22 ist merklich kleiner, die Piper Matrix wiederum ist
deutlich größer und außerdem turboaufgeladen und die Cessna 206 Stationair wäre zwar
in der Größe und Motorisierung vergleichbar,
hat jedoch mit ihrem festen Fahrwerk einen
deutlichen Nachteil und war auch ansonsten
nie als schnelle Reisemaschine konzipiert.
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
Flight Test
Zuladung und
Geschwindigkeit
Lassen wir also die SR22 G3 (NonTurbo) und die Bonanza G36 gegeneinander fliegen, diese Maschinen sind
zumindest bei der Motorisierung und
den Massen gut vergleichbar. Geflogen
wird von Augsburg (EDMA) nach Paris
(Emerainville, LFPL), immerhin 360 NM
im Airway-Routing über Luxemburg.
Wind haben wir heute keinen, dafür
aber – wie praktisch – ISA-Bedingungen.
Auf dem geschäftigen VFR-Platz von
Emerainville möchten wir mit einer guten Stunde Treibstoff ankommen, 15
Gallonen (57 Liter) sollten also noch
an Bord sein. Geflogen wird in FL100,
Eis haben wir nicht zu befürchten, sodass die TKS-Tanks beider Flugzeuge
leer bleiben können. Und weil wir zwei
Investitionsgüter von einer halben Million
Dollar nicht bewegen, um Zeit zu vertrödeln, wird jeweils im schnellstmöglichen High-Speed-Cruise LOP geflogen.
Reiseleistungen der G36 für Rich- und Lean of Peak.
Unsere Bonanza G36 startet in Augsburg
und steigt bei 2.500 RPM, ROP und vorgegebenem Fuelflow in 14 Minuten auf
FL100. 5 Gallonen (19 Liter) Treibstoff
hat das gekostet und uns 30 NM voran gebracht.
In FL100 haben wir dann bei Full
Throttle noch 20,6 Inch Ladedruck zur
Verfügung, was 20°C Lean of Peak für
eine True Airspeed von 166 KTS bei 12,2
GPH (46 l/h) reicht.
Die 300 NM bis zum Top of Descent legen wir also in 1:48 Stunden zurück,
was 83 Liter Sprit braucht. Der Sinkflug
dauert dann nochmals 12 Minuten und
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
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braucht 3 Gallonen (11 Liter) Treibstoff. Macht
in Summe 2:14 Stunden Flugzeit und 113
Liter Avgas. Mit unserer Reserve waren in
Augsburg also 170 Liter Treibstoff an Bord,
macht ein Treibstoffgewicht von 123 kg.
Mit allem Drum und Dran kommt eine
TKS ausgerüstete G36 auf ca. 2.600 lbs
Leermasse (1.179 kg). Bei einem maximalen
Abfluggewicht ohne Tip Tanks von 3.650 lbs
(1.656 kg) könnten wir neben dem Treibstoff
in EDMA also weitere 354 kg einladen.
Jetzt geht die Cirrus an den Start: In 10
Minuten ist die SR22 auf FL100, was 5
Gallonen (19 Liter) braucht und uns 16 NM
weit bringt. Sie sehen: Die Cirrus steigt steiler,
braucht aber exakt die gleiche Menge Sprit.
Bis zum Sinkflug 30 NM vor dem Ziel haben wir nun 314 NM zu fliegen, was wir mit
65% „Best Power“ erledigen. Die Cirrus ist
jetzt 174 KTAS schnell und verbraucht 15,4
Gallonen (58 Liter) pro Stunde. Macht für
unser Reiseflugsegment – Überraschung –
ebenfalls exakt 1:48 Stunden, was uns wegen
des höheren Verbrauchs nun aber 105 Liter
Treibstoff kostet. Der Sinkflug dauert dann
nochmals 11 Minuten und 3 Gallonen (11
Liter). Macht am Ende ein Tripfuel von 135
Litern bei einer Reisezeit von 2:09 Stunden.
Für fünf Minuten weniger Flugzeit haben wir
gut 20 Liter mehr Kraftstoff aufgewendet.
Kommen wir zur Zuladung: Inklusive un-
Payload-Range-Vergleich zwischen Bonanza G36, SR-22 G3 und der aktuellen Cessna 206 Stationair
mit 300 PS Lycoming IO-540-AC1A5. Die Maschinen fliegen in FL100, dabei ist die Cirrus mit 174 KTAS
unterwegs, die Beech mit 166 KTS und die Stationair mit 135 Knoten. Eingerechnet sind jeweils 15
Gallonen Ankunftsfuel am Zielort. Die Leermassen für Cirrus, Bonanza und Stationair entsprechen
typischen Praxisbeispielen mit TKS-Anlage und europäischer Avionik.
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
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Eine beliebte und für das nicht turboaufgeladene Flugzeug im IFR-Betrieb auch sinnvolle
Nachrüstung ist die TKS-Enteisung. Peter Sobry
hat aus seiner Erfahrung mit industriellen Salzen
und Chemikalien die Firma Aero Sense gegründet,
die neben verschiedenen Pflegemitteln auch TKSFlüssigkeit herstellt.
www.aero-sense.com
Bild: Beech Augsburg
serer 57 Liter Reserve hatten wir mit der
Cirrus in Augsburg 192 Liter oder 138 kg
Avgas an Bord.
Die Leermasse einer SR22 G3 mit TKS
Enteisung ist in der Praxis mit 2.405 lbs zu
veranschlagen, was uns bis zum MTOW
von 3.400 lbs exakt 995 Pfund oder 451 kg
Zuladung erlaubt. Abzüglich unserer 138 kg
Treibstoffgewicht können wir also 313 kg von
Augburg nach Paris transportieren.
Ergebnis: Die Cirrus ist etwas schnel­ler, aber
nicht wesentlich, und die Bonanza kann
etwas mehr zuladen, aber auch nicht die
zwei Sitze füllen, die sie mehr hat. Beide
Flugzeuge können und machen unter praktischen Gesichtspunkten etwa dasselbe.
24
Bild: weepingwings.com
Reichweite
Die Cirrus hat mit 92 USG einen um 18
Gallonen größeren Tank, kann also eine gute Stunde länger in der Luft bleiben, was
unter Extrembedingungen eine Reichweite
von gut 1.000 NM ermöglicht, während die
Bonanza nach knapp 900 NM landen muss.
Die Bonanza kann dafür aber mit Tip Tanks
nachgerüstet werden, was das MTOW auf
3.792 lbs (2 x 15 USG J.L. Osborne) bzw.
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
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3.750 lbs (2 x 20 USG D‘Shannon) erhöht
und somit eine legale Nutzung des 5. und
6. Sitzes in der Praxis ermöglicht.
Bleibt noch ein kurzer Blick
auf die Startstrecken: Voll
geladen und an einem ISATag braucht die G36 ziemlich genau 305 m in die Luft
und 600 Meter über ein 50
ft Hindernis (Klappen APH).
Die Cirrus braucht etwas
länger bis zum Abheben
(Klappen 50%), nämlich
315 Meter, steigt dann aber
steiler und ist nach 485
Metern übers Hindernis.
Die Cirrus profitiert hier klar
davon, dass sie ein optimiertes festes Fahrwerk
hat, während die Bonanza das unverkleidete Einziehfahrwerk bis zum Hindernis mit
sich herumschleppen muss.
sammenfassen: Auf den üblichen Strecken
ist man mit der Bonanza drei bis fünf Minuten
später am Ziel, dafür können die Passagiere
hinten jedoch die Beine ausstrecken! Für das
Trotz ihrer großen Kabine und ihrer lange zurückliegenden Konstruktion schlägt
sich die Bonanza G36 im Vergleich mit
der ähnlich motorisierten Cirrus SR-22
ausgesprochen gut. In der Zuladung
schneidet die Bonanza in der StandardKonfiguration sogar etwas besser ab, bei
der Geschwindigkeit und Reichweite
liegt die Cirrus ein kleines Stück vorn.
V. Fazit
Trotz ihrer großen Kabine und ihrer lange
zurückliegenden Konstruktion schlägt sich
die Bonanza G36 im Vergleich mit der ähnlich motorisierten Cirrus ausgesprochen gut.
In der Zuladung schneidet die Bonanza in
der Standard-Konfiguration sogar etwas
besser ab, bei der Geschwindigkeit und
Reichweite liegt die Cirrus ein kleines Stück
vorn. Rüstet man die Bonanza mit Tip Tanks
aus (angeblich soll J.L. Osborne über die
3.792 lbs an einem 4.000 Pfund-Approval
arbeiten), kann man mit der G36 etwa eine Person mehr mitnehmen. Die restlichen
Unterscheidungsmerkmale kann man so zu-
größere Platzangebot, das Executive-Feeling
mit Holztischchen und die große Flügeltür
muss ein Bonanza-Pilot jedoch auch deutlich
tiefer in die Tasche greifen: Auf rund 695.800
Dollar kommt eine EU-konforme G36 mit
DME für Europa. Mit TKS sind nochmals
22.000 Euro mehr fällig. Die Cirrus SR22 GS
ist da mit 516.000 Dollar vergleichbar konfiguriert merklich günstiger.
Für beide Flugzeuge ist inzwischen auch das
Garmin Perspektive verfügbar und wer sich
mit Augsburg als Maintenance-Basis angefreundet hat, der hat sogar hier die Qual der
Wahl, denn Beech Augsburg ist seit einigen
Jahren auch Service-Center für Cirrus.
Maintenance und Service
Apropos Maintenance: Nach seinen Er­
fahrungen mit der G36 gefragt, berichtet Peter
Sobry vor allem von Computerproblemen:
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Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
Flight Test
Einen kompletten AHRS-Ausfall mit Rückgriff
auf die Standby-Instrumente aufgrund eines Elektronikproblems (natürlich in IMC,
natürlich mit der Familie an Bord!) hatte
Sobry mit der G36 erlebt, ansonsten kleinere Computerproblemchen: „Wir haben ein
Garmin-Center hier am Platz, das ist auch
ganz gut so“, erklärt er gegenüber Pilot und
Flugzeug. An der Technik seines Flugzeuges
selbst hat er nichts zu beanstanden. Die
Das zur Bonanza gehörige
Transition-Training von Flight
Safety ist beispielhaft und eignet sich besonders für Piloten,
die auf ein Glas­cockpit umsteigen.
G36 kommt mit einer zweijährigen Garantie
auf Fremdteile, einer fünfjährigen Garantie
auf Beech-Komponenten (jeweils ohne
Stundenlimit) und einer Drei-Jahres-Jahres1.000-Stunden-Garantie auf das Triebwerk.
Auch das Thema Transition Training nimmt
man bei Beechcraft ernst: Zur Bonanza gibt
es ein siebentägiges Trainingsprogramm z.B.
bei Flight Safety mit dazu. Sobry kann dieses
Programm nur empfehlen: „Die Vorbereitung
auf das neue Flugzeug ist bei diesem InitialKurs optimal, der Schwerpunkt liegt natürlich auf dem Umgang mit dem G1000 und
dem GFC 700.“
60 Jahre ist kein Alter!
Die Bonanza spielt mit 60 Jahren nach wie vor
ganz vorne bei den Reiseflugzeugen mit. Das
belegt die Genialität dieses Entwurfs, belegt
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Pilot und Flugzeug 2010/04
Bonanza G36 – Legendäre Zelle trifft topmodernes Cockpit
Flight Test
aber auch die konsequente Produktpflege,
die Beech seit 1947 betrieben hat. Selbst
eine Neukonstruktion, wie die Cirrus SR22,
kann gegen die aktuelle G36 nur geringe
Geschwindigkeitsvorteile herausfliegen und
hinkt in der Zuladung sogar etwas hinterher.
Vor dem Hintergrund der erwiesenen Wert­
haltigkeit einer Beech ist die Ent­scheidung
zugunsten der deutlich teureren Bonanza
aber keinesfalls abwegig. Wer auch nur ab
und zu mit mehr als vier Personen fliegen
muss, hat kaum eine andere Wahl, will er
preislich nicht deutlich an der Dollarmillion
kratzen oder mit einer C206 merklich langsamer unterwegs sein. Mit 36 ausgelieferten G36 im Horror-Jahr 2009 hat sich
die Bonanza besser verkauft als die Piper
Matrix (33 Stück) und liegt etwa gleichauf
mit der Cessna 206H und T206H (zusammen
49 Stück). Unsere Meinung: Die Bonanza
G36 präsentiert sich nicht nur in puncto
Flugleistungen als ein zeitgemäßes, sondern in Optik und Qualität auch als
ein wirklich edles Flugzeug.
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Hat mit altem Eisen nichts zu tun! Die
aktuelle Bonanza G36 kann mit Neu­ent­
wicklungen wie der Cirrus SR-22 locker
mithalten. Beechcraft legt bei vergleichbarer Performance den Schwerpunkt
eher auf Komfort und Platzangebot, was
jedoch auch seinen Preis hat.
Bild unten: Beech Augsburg
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