WACO YMF-5C - Klassiker der Luftfahrt

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WACO YMF-5C - Klassiker der Luftfahrt
[ MOTORFLIEGEN Flying ]
WACO YMF-5C
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aerokurier 1/2014
GOLDENE
IN BAYERN
ZEITEN
Das Beste von allem: Die WACO YMF ist neu
und alt zugleich. Das Design ist klassisch,
die Technik vom Feinsten. Für Franz Hofbauer
ist sie das Glück auf Erden und im Himmel.
FOTOS: Frank Herzog
AUTOR: Martin Schulz
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[ MOTORFLIEGEN Flying ]
Stilbewusst: Mensch, Maschine und
Outfit, hier passt alles zusammen.
Als Zugeständnis an die Sicherheit
hat sich Franz Hofbauer GarminDisplays einbauen lassen. Vorne
können zwei Leute sitzen.
N
Daten WACO YMF-5C
Bauweise: Bespannter Stahlrohrrumpf mit Holzformteilen
Sitzplätze: 1+2 Zulassung: FAA, EASA VFR+IFR
Hersteller: Waco Classic Aircraft Corporation, Battle Creek, Michigan, USA
Baujahr der D-ESEI: 2005
Antrieb
Jacobs
Siebenzylinder-Sternmotor
Typ
R755-B2
Leistung
205 kW/275 PS
bei 2200 U/min
Massen und Mengen
Leermasse
MTOM
Zuladung
Kraftstoffmenge
Verbrauch ø
Propeller
Hersteller
Typ
Flugleistungen
Startstrecke
153 m
Steigrate
770 ft/min
Höchstzulässige
182 kts
Geschwindigkeit (V NE )
Reisegeschwindigkeit (max) 104 kts
Flugdauer
3,5 h + 1,0 h
Abrissgeschwindigkeit
50 kts
Lastvielfache
+5,5/-2,2 g
Abmessungen
Länge
Spannweite
Flügelfläche
Höhe
34
MT-Propeller
MT233R150-6AJ
7,26 m
9,14 m/8,18 m
21,7 m²
2,59 m
aerokurier 1/2014
900 kg
1338 kg
438 kg
273 l
60 l/h
ein, ein Schlaflied ist nicht
überliefert. Aber einen
Schlafanzug, den gibt es
schon für das Flugzeug.
Zumindest im Winter, so lange der
offene Doppeldecker in seiner Halle
dämmert und auf das Frühjahr wartet. Natürlich ist der Schlafanzug kein
schlabberiges Etwas mit Streifen,
sondern eine maßgeschneiderte textile Schutzhülle, die den Staub von
der WACO fernhalten soll. WACOBesitzer Franz Hofbauer nennt den
Überzug nur aus Spaß so.
Einen sehr ernsthaften Hintergrund
haben die Stützen, auf denen der Doppeldecker während seines Winterschlafs steht: Vilshofen, der Heimatplatz der WACO, liegt sehr dicht an
der Donau. Und diese tritt gerne mal
über die Ufer, flutet den Platz und
setzt dabei auch die Hallen unter Wasser. Franz Hofbauer als niederbayerisches Urgestein kennt die Eigenwilligkeiten des Stroms und sorgt
daher vor.
Es ist nicht zu übersehen: Franz
Hofbauer liegt sehr viel am Wohlergehen seiner WACO. Wenn die Hülle gefallen ist, wird sofort verständlich, warum das so ist: Die YMF-5 ist
ein Traum von einem Flugzeug.
Der mächtige Doppeldecker mit
der markanten Cowling ist alt und
neu zugleich, er kombiniert das Beste aus zwei Epochen. Einerseits verkörpert er die Magie der Fliegerei der
Zwischenkriegszeit, in der die Flugzeuge liebevoll von Hand aus Stoff,
Holz und Drähten zusammengesetzt
wurden und nach Leder und Öl rochen. Diese Jahre sind als das Goldene Zeitalter in das Geschichtsbuch
der Luftfahrt eingegangen. Andererseits ist die WACO ein modernes Flugzeug mit hydraulischen Bremsen,
24-Volt-Bordnetz und IFR-Instrumentierung, hergestellt nach aktuellen
Sicherheitsanforderungen mithilfe
von CAD-Technik und mit FAA- und
EASA-Zulassung.
Es wäre aber eine ungerechte Vereinfachung zu sagen, der Doppeldecker würde heute noch so gebaut wie
vor fast 80 Jahren. Zwar ist die originale Musterzulassung nach wie vor
gültig, aber die Neuauflage des Sternmotor-Doppeldeckers bekam mehr
als 300 konstruktive Änderungen mit
auf den Weg – etwa, weil die alten
Materialien nicht mehr zur Verfügung
stehen. Die wohl bedeutendste Änderung ist die Qualität des formgebenden Rohrrahmens, der nun aus
hochwertigem 4130er-Stahl gefertigt
und durch eine Ölfüllung vor Korrosion geschützt wird.
Die oldtimerbegeisterten Gründer
von WACO Classic Aircraft entschieden sich für das Modell YMF-5 als
Vorlage, weil es atemberaubend gut
aussieht – und weil es genügend Jacobs-Sternmotoren auf dem Markt
gibt. In den 1930er Jahren war
WACO enorm erfolgreich mit seinen
Flugzeugen, der Hersteller war einer
der poulärsten und größten in den
USA. WACO waren leistungsstark,
schnell, überzeugend im Handling
und von guter Bauqualität. Bis zum
Beginn des Zweiten Weltkrieg brachte WACO eine Vielzahl von Modellen
auf den Markt, darunter
auch Kabinendoppeldecker. Die Modellvielfalt
hatte ein etwas wirres Bezeichnungssystem aus Buchstaben und Zahlen zur Folge, wobei
der erste Buchstabe zumeist für die
Motorisierung stand, die anderen für
die Rumpfform und die Flächenbauweise. 1935 brachte WACO die YMF5 heraus, damals wie heute mit Jacobs-Siebenzylinder, in unseren Tagen allerdings mit 275 oder 300 PS.
Sie gilt unter Kennern als eins der
schönsten, wenn nicht das schönste
Doppeldecker-Sportflugzeug aller
Zeiten. 1947 ging die Firma schließlich unter, der Boom bei Kleinflugzeugen hatte sich nicht so eingestellt
wie erhofft.
Es ist nur eine Handvoll Flugzeuge,
die heute pro Jahr bei der neuen Firma WACO Classic Aircraft entsteht.
Das ist so gewollt, denn man lässt
sich gerne Zeit mit dem Bau. Mehr
als 5000 Stunden Handarbeit stecken
in jeder neuen YMF-5 – ganz so wie
im Goldenen Zeitalter. Und jedes Flugzeug wird erst dann zu Ende gebaut,
wenn es einen Besitzer hat. Dieser
hat dafür eine nahezu unbegrenzte
Auswahl von Möglichkeiten, sein
Fotos: Herzog
Wieder zu haben WACO und Great Lakes
Seit 1984 baut die WACO Classic Aircraft Corporation in Michigan die
WACO YMF-5 als Neuflugzeug – nach den Plänen aus den 1930er Jahren,
die in der Kongressbibliothek in Washington aufbewahrt werden. Die
jüngste Version, die dreisitzige YMF-5D, gibt es mit Garmin-G500-Mulifunktionsdisplay, LED-Leuchten und Jacobs-Motor mit 300 PS. Die
Preisliste beginnt für die VFR-Ausführung bei 429 500 Dollar.
Neuerdings bietet die Firma auch die legendäre Great Lakes 2-T-1 aus den
1930er Jahren in neuer Auflage an. Der sportliche Doppeldecker besitzt
einen 180-PS-Lycoming-Motor und kostet ab 245 250 Dollar. Deutscher
Repräsentant für WACO ist Matthias Dolderer in Tannheim.
Flugzeug ausstatten zu lassen. Franz
Hofbauer hat davon reichlich Gebrauch gemacht, seine YMF-5C ist
von der Farbe („Ich liebe Gelb!“) bis
zum Panel ein unverwechselbares
Wunschflugzeug. In Deutschland ist
sie ohnehin die einzige ihres Typs.
Seit 2005 ist sie in Bayern zu Hause.
Es war die klassische
1930er-Jahre-Form, die Franz
Hofbauer für die WACO eingenommen hat, seit er sie in
Oshkosh zum ersten Mal gesehen
hat, und für die er sich wie am ersten
Tag begeistern kann. Und wie am
ersten Tag bereitet ihm das formvollendete Stück Handwerkskunst nur
Freude. So freue er sich,
sagt er, jedes Mal aufs
Neue auf den Außencheck
(auch wenn dieser eine
langwierige Zeremonie
ist). Das erste Glücksgefühl durchströmt den
Klassikliebhaber, wenn der JacobsSiebenzylinder mit sonorem Blubbern
zum Leben erwacht. Das zweite ergreift Besitz von ihm, wenn sich die
WACO voller Tatendrang von der Piste löst und in ihr Element aufsteigt.
Darauf folgt das unbeschreibliche
Glück des Offenfliegens in einem aufregend schönen Doppeldecker. Kein
Wunder, dass Franz Hofbauer sagt:
„Ich habe den Kauf bis heute keine
ae
Sekunde bereut.“
Martin Schulz
Gut 34 kg gehen in das
hintere Gepäckfach. Franz
Hofbauer hat einen Koffer,
der exakt hineinpasst.
Die D-ESEI wurde 2005
gebaut, sie ist die einzige
ihres Typs in Deutschland.
Ihre Heimat ist Vilshofen.
WEITERE FOTOS
der WACO sehen Sie,
wenn Sie diesen
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Smartphone scannen.
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