Landschaftsarchitektur und Planung - ETH E-Collection

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Landschaftsarchitektur und Planung - ETH E-Collection
DISP 138
2
1999
M i c h a e l K o c h , M a r t i n a K o l l - S c h r e t z e n m a y r, U d o W e i l a c h e r
Landschaftsarchitektur und Planung:
Reflexionen über ein ungeklärtes Verhältnis
Dieter Kienast gewidmet
Im Gedenken an Dieter Kienast wendet
sich diese Ausgabe der DISP einer zentralen, mit seinem Schaffen eng verbundenen Fragestellung zu: dem Verhältnis
von Landschaftsarchitektur und Landschafts-/Stadt- und Raumplanung.
Es war Dieter Kienasts Wunsch, als er
1997 dem Ruf an die ETH Zürich folgte,
mit seiner neuen Professur für Landschaftsarchitektur in das ORL-Institut integriert zu werden. Und es war der
Wunsch des ORL-Institutes, diese Professur als integralen Bestandteil gleichberechtigt einzubeziehen. Alle Partner wollten damit ein Zeichen für einen nicht nur
gewünschten, sondern für dringend notwendig erachteten Dialog setzen: Disziplinen, deren gemeinsamer Fokus die
Beeinflussung der räumlichen Entwicklung ist, sollten sich über Gestaltungsund Planungsfragen verständigen und
erhofften sich davon wichtige Synergien.
Damit war eine längst ausstehende
Debatte angezettelt, die im Ausland
bereits seit Jahrzehnten geführt wird und
sich an der ETH Zürich durch die schwere Erkrankung von Dieter Kienast und seinen tragischen Tod Ende 1998 nur in
ersten Ansätzen entwickeln konnte.
Diese DISP-Ausgabe soll Vermächtnis
und Hommage sein und widmet sich
den aufgeworfenen Fragen nach dem
Verhältnis zwischen Gestaltung und Planung, Ästhetik und Ökologie, Natur und
Kultur im interdisziplinären Diskurs. Dieter Kienasts 10 Thesen enthalten einige
wichtige Positionen dazu. Einige seiner
Weggefährten und Kollegen sowie eine
Reihe weiterer Fachleute folgten gerne
unserer Einladung, hierzu Stellung zu
beziehen.
So schwer, wie sich schon Architektur
und Planung, Landschaftsarchitektur und
Architektur miteinander tun, so gespannt
ist auch das Verhältnis von Landschaftsarchitektur und Planung. Notwendig wird
die Verständigung über die Ansprüche
des eigenen Metiers und über mögliche
Synergien schon allein deshalb, weil sich
diese Ansprüche ständig verändern und
damit die Professionen einem kontinuierlichen Wandel unterworfen sind, heute
mehr und schneller denn je: die Grenzen
sind fliessend geworden. Architektur,
Städtebau, Stadtplanung, Landschaftsarchitektur, Landschaftsplanung, Raumpla-
nung ... allen geht es im weitesten Sinne
um den menschlichen Lebensraum, um
dessen «Gestaltung». Dieser Lebensraum
ist zunehmend ein städtischer geworden.
So wie der Begriff «Stadt» aber heute verschwommen ist, so umstritten sind auch
die Begriffe «Landschaft» und «Natur».
Wo nichts mehr so richtig verbindlich zu
sein scheint, entstehen Grenzkonflikte, die
je nach Gesprächsbereitschaft blockierend oder horizonterweiternd enden können. Die Debatte wird dadurch zwar keinesfalls einfacher, gewinnt jedoch andererseits, sofern sie offen geführt wird, an
lebendiger Spannung.
Landschaftsarchitektur liefert anderen
gestaltenden Disziplinen nicht einfach
nur ein paar weitere schöne, grüne Bilder, mit denen raumwirksame Konzepte
besser «verpackt» und anschliessend
«verkauft» werden können. Landschaftsarchitektur hat eine lange eigenständige
Geschichte, die eng mit dem sich wandelnden Verhältnis des Menschen zur
Natur verbunden ist. Wann und wie
auch immer der Mensch in seine Umwelt
eingriff, er bezog sich dabei stets auf
Bilder im Kopf und beurteilte das sichtbare Ergebnis seines Handelns nach
diesen, häufig ästhetisch geprägten Idealvorstellungen. Die Geschichte der
Landschaftsarchitektur als Gartenkunst
begann bereits mit der Anlage des
ersten Gartens, des Paradiesgartens,
und ist bei der Mitgestaltung der modernen Stadt-Landschaft noch längst nicht
am Ende. Mit zunehmender Komplexität
der Gesellschaft und den gestiegenen
Anforderungen an die Umweltqualitäten
geriet die Landschaftsarchitektur auf der
Suche nach zeitgemässen Strategien in
den letzten Jahren selbst in Grenzbereiche und entwickelte beispielsweise Affinitäten zur bildenden Kunst, um nur
einen neuen – eigentlich eher wiederentdeckten – Diskussionspartner zu nennen.
Wenn man Umweltgestaltung als die
visuell wahrnehmbare Veränderung der
Umwelt durch den Menschen nach funktionalen, ökologischen, soziologischen
und ästhetischen Gesichtspunkten versteht, wo und bei wem beginnt dann die
Gestaltung im engeren Sinne? Wie
gleichgültig sind Gestaltfragen der sich
gestaltneutral gebenden Planung tatsächlich? Es heisst, Gestaltfragen seien Kul-
turfragen. Kommt die Planungskultur
wirklich ohne sie aus? Gerade dem Laien, häufig Planungsbeteiligter und
-betroffener, kann die Planung ihre Zielvorstellungen einer lebenswerten Umwelt
oft nur mittels lesbarer Bilder nahebringen. Und was viel wichtiger ist: die überlebensnotwendige, alltägliche Identifikation des Menschen mit seiner Umwelt ist
nicht nur eine Frage der wissenschaftlichen Nachweisbarkeit, sondern vielmehr
auch eine Frage der sinnlichen Wahrnehmbarkeit von Umweltqualitäten. Die
eigentliche Ursache der globalen ökologischen Krise, das erkannte der Club of
Rome bereits 1990, ist eine Wahrnehmungskrise, ein zunehmender Verlust
menschlicher Sensibilität für die Qualitäten der Umwelt.
Ausgehend von den Thesen Dieter
Kienasts und kurzen Statements von einigen seiner Kollegen zum Verhältnis von
Landschaftsarchitektur und Planung wird
mit den Beiträgen im vorliegenden Heft
der Blick auf die Diskussion in verschiedenen Ländern getan. Dabei wird deutlich, wie Landschaftsarchitektur und
Landschaftsplanung im urbanen Raum,
verbunden mit Städtebau und Raumplanung, etwa im Rahmen der IBA Emscher
Park oder des Grüngürtels Frankfurt,
heute zukunftsweisende Arbeitsfelder
darstellen. Wo sich engagierte Partner
aufgeschlossen den komplexen Problemen der Planung stellen und ihre Kernkompetenzen verantwortungsvoll einbringen, da werden Fragen der Grenzziehung zwischen den einzelnen Disziplinen offenbar zweitrangig.
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Landscape architecture and planning:
Reflections on a tenuous relationship
Dedicated to Dieter Kienast
In memory of Dieter Kienast, this issue of
DISP focuses on a theme central to his
work: clarifying the relationship between landscape architecture and the
larger realm of landscape, city, regional
and urban planning.
As Dieter Kienast established the first
Chair for Landscape Architecture at the
ETH Zurich in 1997, he voiced his wish
to integrate the department with the ORLInstitute, a wish shared by the Institute
which wanted to establish a muchneeded dialog between the disciplines.
The goal was to create a forum oriented
towards shaping the built environment
where all people focused on developing
the urban realm could inform and productively collaborate with each other on
design and planning issues. As a result,
the ORL Institute finally entered a debate
that already had a long-standing history
in other countries, a debate which was
only just able to begin when at the end
of 1998, Dieter Kienast fell victim to a
serious illness and died.
This issue of DISP pays homage to Dieter Kienast and the questions he raised
with respect to the interdisciplinary discourse between design and planning,
aesthetics and ecology, nature and culture. Ten principles representative of his
work are presented next to the opinions
of several collaborators, as well as other
professionals in the field.
Describing the tenuous relationship between landscape architecture and planning is just as difficult as defining the
boundaries between landscape architecture and architecture, and architecture
and planning. As the different professions
evolve, it seems that the boundaries are
beginning to flow together, today more
than ever. Architecture, city planning,
landscape architecture, landscape and
urban planning all involve the inhabited
environment and its ‘design’. However
this environment has become increasingly
urban; the term ‘city’ has become more
ambiguous just as the terms ‘landscape’
and ‘nature’ have become more vague.
Roles which are not clearly defined sometimes lead to conflicts which, depending
on the willingness to engage in discussion, may end in impasse or breakthrough. As a result, the debate is not becoming easier, but rather more interesting.
Man forms his environment according to
the images in his mind and judges his
work against these aesthetic ideals.
Landscape architecture does not simply
give the other design disciplines a few
beautiful green gestures to better
„wrap“ and „sell“ reasonable planning
concepts. Rather landscape architecture
has an own long-standing tradition
bound with the ever-changing relationship between man and nature. The
history of landscape architecture began
with the Garden of Eden, went on to
help shape the modern landscape, and
its story is far from being over. In the
search for new strategies to deal with
the increasing complexity of society and
higher expectations on the quality of the
environment, landscape architects have
increased contact with related fields
such as the fine arts, calling on a new or
rather rediscovered discussion partner.
If environmental design is the perceptible change of the environment through
functional, ecological, sociological and
aesthetic viewpoints, where does the
real design begin? How relevant are
design problems in the realm of Planning? It is said that design problems are
cultural problems, but can planning
exist without them? Planners are only
able to communicate their ideas to people involved or affected by the planning
process through clear and visually
legible design. If you want people to
identify with their environment, you cannot only rely on statistics and scientific
data, you must also be able to speak to
their senses. How people identify themselves with their environment is a question of how people identify themselves
with their world. As the Club of Rome
already pointed out in 1990, our global
ecological crisis is due to the fact that
our worldview suffers from a diminishing sensitivity and appreciation towards
environmental qualities.
With the statements from Dieter Kienast
and his colleagues on the relationship of
architecture and planning, we can take
a brief look to where this discussion is
heading around the world. This discussion will clarify how landscape architecture and planning alongside city planning and urban design can form the
urban design laboratories of the future,
for example the IBA Emscher Park or the
green belt around greater Frankfurt.
Those who consciensciously call on their
expertise to engage the complex problems at hand will discover how drawing
boundaries between the disciplines
quickly diminishes in significance.
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Dieter Kienast
Zehn Thesen zur Landschaftsarchitektur
Als kleines theoretisches Fundament seiner Arbeit führte Dieter Kienast zehn
Thesen [1] an, die er für die Ausstellung
in der Architekturgalerie Luzern 1992
formulierte und die für ihn weiterhin
Gültigkeit hatten.
1. Unsere Arbeit ist die Suche nach
einer Natur der Stadt, deren Farbe nicht
nur Grün, sondern auch Grau ist. Natur
der Stadt heisst Baum, Hecke, Rasen,
aber auch wasserdurchlässiger Belag,
weiter Platz, strenger Kanal, hohe
Mauer, offen gehaltene Frischluft- oder
Sichtachse, das Zentrum und der Rand.
2. Unser Interesse gilt der Stadt und
ihren Bewohnern. Die Stadt ist kein
monolithisches Gebilde mehr, sondern
tausendfach zergliedert und fraktioniert.
Die Stadtbewohner sind ein kaleidoskopartiges Gemisch von Jung und Alt,
Gastarbeitern und Alteingesessenen,
Geistlichen und Junkies, Managern und
Ölfreaks. Diese Heterogenität verlangt
nach einer zeitgemässen Aktion und
Reaktion im Aussenraum, was sich einer
einheitlichen Durchgrünung der Stadt
verweigert.
3. Das alte Gegensatzpaar Stadt und
Land hat sich aufgelöst, die Grenzen
sind verwischt. Wir gehen davon aus,
dass weder der Rückbau der Stadt noch
derjenige der Landschaft möglich ist.
Die Lesbarkeit, die Erlebbarkeit der
Welt beruht aber auf dem Prinzip der
Ungleichheit. Zukünftige Aufgabe in
dieser Gleichzeitigkeit von Stadt und
Land ist deshalb, das weitere Verschleifen der inneren Grenzen und Brüche zu
verhindern. Sie müssen wieder sinnlich
erfahrbar werden.
4. Die Stadt mit ihren Aussenräumen ist
als Ganzes nicht planbar. Wir vertrauen
auf die mosaikartigen Eingriffe in der
Hoffnung, dass daraus Bedeutung und
Erlebbarkeit für den speziellen Ort,
aber auch für das Ganze entstehen
wird.
5. Unsere besondere Aufmerksamkeit
gilt den zahllosen Unorten, die durch
Ressortplanung und -gestaltung entstanden sind. Städtebauliche – und damit
auch landschaftsarchitektonische – Interventionen erscheinen uns gerade an der
Peripherie, den ungeliebten Restflächen
der Metropole, von wesentlicher Bedeutung.
6. Wir verstehen Gartenarchitektur als
Ausdruck des Zeitgeistes. Ihre Grundlagen sind die aktuellen sozialen, kulturellen und ökologischen Ereignisse, die
wiederum nur in ihrem geschichtlichen
Kontext verstanden werden können.
Dies bedeutet für uns die Auseinandersetzung mit den wichtigsten Themen der
Gartenkunst oder besser der Gartenkultur, die neben den grossen Werken des
Feudalismus auch die kleinen Gärten
der einfachen Leute beinhaltet. Die
Zusammenarbeit mit unseren Schwesterdisziplinen Architektur, Ingenieurwesen
und bildender Kunst ist uns weniger Notwendigkeit denn Selbstverständlichkeit.
Aus der gemeinsamen Arbeit wächst
beiderseitige Innovation. Die Auseinandersetzung mit den aktuellen Zeitereignissen erfordert den Einbezug des weiteren kulturellen Umfeldes, die Beschäftigung mit Film und Video, Philosophie
und Literatur, Musik und Werbung. Wir
hören Bach und Schönberg, Laurie
Anderson ebenso wie Phil Glass. Wir
vertiefen uns in Sol Lewitt und Walter de
Maria, Christo und Carl André. Wir finden nicht nur in Goethes «Wahlverwandtschaften» oder Stifters «Nachsommer» Natur- und Gartenthemen aufgearbeitet, sondern auch bei Blochs «Verfremdungen», in Handkes «Lehre der
Saint Victoires» oder Sennets «Civitas».
Jacques Tati führt uns in «Mon Oncle»
von seinem liebevoll gepflegten Dachgarten über Stadtbrachen in den merkwürdigen Garten seines Schwagers,
während
Greenaway
in
seinem
«Draughtmans contract» eine Lektion
über Gartenkunst und deren gesellschaftliche Bedingtheit vermittelt.
7. Eine weitere Grundlage unserer
Landschaftsarchitektur ist die Bezugnahme zum Ort. Dieser reichlich strapazierte Begriff ist für unsere Arbeit unverzichtbar, weil dadurch die Beliebigkeit
und Austauschbarkeit von Lösungen verhindert und mehr das Besondere und
das Allgemeine möglich wird. Aus der
Lektüre und Analyse des Ortes, seines
kulturellen, ökologischen und sozialen
Zustandes entwickeln wir ein Konzept,
das den Bestand auf seine Tragfähigkeit
überprüft, ihn vorbehaltlos übernimmt,
umformt, neu interpretiert oder auch vernachlässigt. Entscheidend bleibt dabei
die Authentizität des Ortes, die sich
über die Gestalt, das Material und den
Gebrauch definiert. Dies widerspricht
einer ängstlich konservierenden Haltung, die mehr die Vergangenheit
anstrebt und wenig dazu beiträgt, dass
auch die Zukunft wieder einmal Vergangenheit werden kann. Gärten, Parkanlagen und Plätze sollen von ihrer
Geschichte erzählen, sie sollen aber
auch neue Geschichten erzählen. Sie
sind poetische Orte unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
8. Mit der Umwandlung von Barockgärten in englische Landschaftsgärten
im 18. Jahrhundert ist eine Gartenformation entstanden, in der die Wesensmerkmale der beiden gegenteiligen
Konzeptionen vereint sind. Früher verächtlich als minderwertiges Stilgemisch
bezeichnet, hat man gerade in jüngster
Zeit die Qualität und Aktualität dieser
Gärten erkannt. In ihren Untersuchungen der kubistischen Malerei und Architektur definieren Rowe & Slutzky die
Transparenz als Überlagerung, Vielschichtigkeit,
Durchdringung
unterschiedlicher Strukturen und Systeme, die
Gleichzeitigkeit und Ambivalenz der
Lesart ermöglicht. Das Prinzip der Transparenz erscheint uns hervorragend
geeignet, städtische Aussenräume zu
entwickeln. Sie bejaht die Verschiedenheit, die Heterogenität der Stadt und
ihrer Bewohner, kann Altes und Neues
aufnehmen, provoziert Bildhaftigkeit –
dialektische Orte, in denen sich die
Gesellschaft, aber auch der Einzelne
wiederfinden kann.
9. Natur ist in Stadt und Land selten
geworden. Natürlichkeit ist zum höchsten Prädikat avanciert. Das Naturangebot der Stadt ist wie einst das Kulturangebot zum wesentlichen Standortfaktor geworden. Wir meinen, dass es bei
einer noch nie dagewesenen gesellschaftlichen Akzeptanz dringend geboten ist, Konzeptionen für städtische
Natur zu entwickeln. Es gilt, die Pflanze
als städtisches Element wiederzuentdecken und nicht nur als ökologischen
oder dendrologischen Faktor, als architektonisches Raumelement zu betrachten. Wir sollten lernen, dass es differente Grüntöne gibt, dass Pflanzen unterschiedlich im Wind rauschen, dass nicht
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nur die Blüte, sondern auch das zu
Boden gefallene Laub duftet. Wir sollten
den Schatten einbeziehen, die Wirkung
des kahlen Geästes im Winter berücksichtigen, die pflanzliche Symbolhaftigkeit aufdecken und ihre Sinnlichkeit
erspüren.
10. Es gehört zum guten Ton, sich zum
Beweis seiner Fortschrittlichkeit für die
naturgewachsene, einheimische Vegetation einzusetzen. In Verordnungen und
Satzungen lesen wir, dass das Pflanzen
nichteinheimischer Bäume und Sträucher untersagt ist. Mit dem Hinweis auf
den ökologischen Notstand werden Platane, Sommerflieder und Falscher Jasmin zu Feinden des Gartens erklärt und
dafür die Brennessel, der Wegerich und
Beifuss unter Schutz gestellt. Es ist ein
Verdienst der Ökologiebewegung, dass
sie die Unsinnigkeit wöchentlicher Giftspritzerei und die Anpflanzung bodendeckender Monokulturen angeprangert
hat. Die strikte Ablehnung von Zucht,
Auslese und Veredelung ist aber gleichermassen unverantwortlich, weil sie
Jahrhunderte altes Handwerk und damit
Gartenkultur selber negiert. Wohl niemand wird den Vorzug des «Berner
Rosenapfels» gegenüber dem Wildapfel
in Frage stellen, und gelegentlich essen
wir ganz gern Kartoffeln. «Gebt den
Fremdlingen eine Chance», hat Jürgen
Dahl in einem «Zeit»-Artikel gefordert
und dabei sowohl Pflanzen als auch Tiere und Menschen gemeint. Dieser Forderung schliessen wir uns vorbehaltlos
an. Städtische Vegetation lebt mit und
von ihrer Gegensätzlichkeit, sie ist zugeschnitten und wildwachsend, vielfarbig
und einheitlich grün, üppig und karg,
einheimisch und fremd. Pflanzen sind
nützlich. Sie verbessern das Klima und
sind Habitat für Tiere und Menschen.
Pflanzen stehen aber auch für das
Naturversprechen der Stadt, das von
besonderer Bedeutung für unseren
Lebensalltag ist. Bertold Brecht hat das
so formuliert: «Befragt über sein Verhältnis zur Natur sagt Herr K.: ‹Ich würde
gerne mitunter aus dem Hause tretend
ein paar Bäume sehen. Besonders, da
sie durch ihr Tages- und Jahreszeit entsprechendes Andersaussehen einen so
besonderen Grad von Realität erreichen. Auch verwirrt es uns in den Städ-
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ten mit der Zeit, immer nur Gebrauchsgegenstände zu sehen. Häuser und Bahnen, die unbewohnt leer, unbenutzt sinnlos wären. Unsere eigentümliche Gesellschaftsordnung lässt uns ja auch die
Menschen zu solchen Gebrauchsgegenständen zählen, und da haben Bäume
wenigstens für mich, der ich kein Schreiner bin, etwas beruhigend Selbständiges, von mir Absehendes, und ich hoffe
sogar, sie haben selbst für den Schreiner einiges an sich, was nicht verwertet
werden kann. Warum fahren Sie, wenn
Sie Bäume sehen wollen, nicht einfach
manchmal ins Freie?› fragte man ihn.
Herr K. antwortete erstaunt: Ich habe
gesagt, ich möchte sie sehen aus dem
Hause tretend.»
«Ich habe kein Leitbild. Es ist nun mal
eine Tatsache, dass unsere aktuelle
gesellschaftliche, politische und religiöse Situation in der Schwebe ist, und
dagegen können wir sehr wenig tun. Je
länger dieser Schwebezustand anhält,
desto mehr neigen wir dazu, uns an
bestimmte Prinzipien oder Leitbilder zu
klammern. Ich finde diesen Schwebezustand aber besonders spannend, weil
er die Möglichkeit bietet, sich unbeschwert zu bewegen und Dinge auszuprobieren. Das interessiert mich immer
wieder. Gerade bei kleinen Arbeiten
probieren wir oft neue Konzeptionen,
Materialien und Formen aus, die wir
später vielleicht nie wieder verwenden.
Wenn es also eine charakteristische
Herangehensweise gibt, dann ist es das
ständige Ausprobieren.
Das klingt so, als ob es für Sie den
definitiven Standpunkt in der eigenen
Arbeit nicht gäbe. Andererseits formulieren Sie in Publikationen und Vorträgen immer wieder eine umfangreiche, praxisbezogene Sammlung von
Grundsätzen, nach denen sich der
Umgang mit Freiräumen richtet. Das
deutet auf eine dezidierte Vorstellung
hin, was Landschaftsarchitektur zu leisten hat.
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Wissen Sie, die Postmoderne wurde beispielsweise oft missverstanden als ein
Programm, das einem alles erlaubt. Es
geht natürlich alles, aber nur in einem
beschränkten Bereich. Es war Henry
Ford, glaube ich, dem jede Farbe für ein
Auto recht war, Hauptsache, sie war
schwarz. Ich glaube, dass wir durchaus
klare konzeptionelle Vorstellungen über
unsere Arbeit haben, aber die Anwendung dieser Konzeptionen und Grundsätze wechselt ständig und führt zu
unterschiedlichen Ergebnissen, die sich
nicht nur formal unterscheiden. Erstaunlicherweise werden die meisten unserer
Grundsätze allgemein befürwortet, weil
sie alles andere als ungewöhnlich sind.
Beispielsweise wird sich jeder um die
Besonderheit des Ortes bemühen. Es ist
ein Problem, dass die erwähnte Grundsatzsammlung Statements enthält, die
ich heute nicht mehr schreiben würde,
weil einige davon so allgemeingültig
sind, dass jeder bedenkenlos zustimmen
würde. Trotz dieser Übereinstimmung
würden aber am Ende völlig unterschiedliche Projekte entstehen. Wenn
Sie mich also nach unserem Standpunkt
fragen, dann gehört die Erkenntnis
dazu, dass die eigene Position ihre Eindeutigkeit verloren hat. An deren Stelle
ist die Ambivalenz, die Gleichzeitigkeit
oder die Vieldeutigkeit getreten.
[…] Die Vieldeutigkeit, sowohl in der
Konzeption unserer Werke als auch in
der späteren Wahrnehmbarkeit, ist uns
wichtig. Wir glauben, dass die Welt in
ihren komplexen Abhängigkeiten so
schwer als Ganzes zu begreifen ist,
dass wir es uns nicht mehr leisten können, nur in eine Richtung zu denken,
wenn wir den Anspruch erfüllen wollen,
für viele etwas zu tun. Ich habe von Bernard Lassus gelernt, dass sehr verschiedene Ebenen existieren, die man lesen
muss. Das ist vielleicht der Teil unserer
Grundsätze, den nicht mehr alle so einfach unterschreiben können.»
Ausschnitt eines Interviews mit Dieter Kienast, zitiert
aus: Udo Weilacher: Zwischen Landschaftsarchitektur und Land Art. Basel/Berlin/Boston 1996, 2.
Auflage 1999; S. 146–148
Anmerkung
[1] Letzte Überarbeitung im November 1998
Videostills
© 1999 by Marc Schwarz
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Das Verhältnis zwischen Landschaftsarchitektur
und Landschafts-, Stadt- und Raumplanung
Eine Umfrage
Um auch unter den Kollegen von Dieter
Kienast am ORL-Institut und an der
Architekturabteilung der ETH das Verhältnis zwischen Landschaftsarchitektur
und Landschafts-, Stadt- und Raumplanung zu erkunden, haben wir diesen die
folgenden Fragen gestellt:
• Wie «halten» Sie es mit der Landschaftsarchitektur?
• Gibt es Synergien mit Ihrem planerischen Handlungsfeld?
… und nachstehende Antworten erhalten.
Landschaftsarchitektur – Neue
Herausforderungen oder drei
Wünsche eines Städtebauers
in memoriam Dieter Kienast
Anvisiert ist die Kulturlandschaft, die sich
von Jurasüdfuss zu nördlichem Alpenvorland, von Bodensee zu Lémanbecken
ausdehnt. Aus diesem Gebiet wurde in
den vergangenen 50 Jahren (in nur zwei
Generationen) die unvollendete moderne
Stadt Schweiz gemacht. Jetzt stellt sich
uns die Frage: Für welche zukünftigen
Qualitäten wollen wir sie in den nächsten 50 Jahren umbauen und transformieren? – Ich habe drei Wünsche:
In der Landschaft draussen und in
direkter Verbindung zu den Häusern der
Stadt möchte ich, erstens, die gegensätzlichen Gestaltungskräfte im Schauspiel
der Natur erleben; die Artenvielfalt der
Lebensrhythmen spüren; die Zyklen von
Zeugen, Gebären, Altern, Sterben erfahren; die örtlichen Geister der Wasser
und Erden, Wälder und Lüfte vernehmen.
Ich möchte die Spuren der Biographien
von Menschen, Tieren, Pflanzen lesen;
die Quellen und Fundgruben der Stadtressourcen begehen und – nicht zuletzt –
möchte ich durch künstlerische Formen
für die Abfallkultur an die unauflösbare
symbiotische Beziehung zwischen Landschaft und Stadt erinnert, gemahnt und
vergnügt werden.
Zweitens möge ein durchgehendes
und differenziertes Netz der Freiräume,
welches für jedermann und jederzeit
zugänglich die Häuser der ganzen
Stadt Schweiz verbindet, das Bauprogramm und Umbauziel für die nächsten
zwei Generationen ausmachen. Dieses
Freiraumnetz würde als dritte Infrastruktur die Bauwerke der zwei voraus-
gegangenen Infrastrukturen ergänzen –
das erste Netz ist gebaut für Verkehrsund
Versorgungslinien
(Eisenbahn,
Auto, Wasser, Strom), das zweite für die
gemeinschaftlichen Anlagen (Schulen
aller Stufen, Sport, Gesundheit, Jugendund Altenpflege) – und es würde den
sanfteren und ruhigeren Formen der
Mobilität dienen, aber auch den Kreisläufen im Stoff- und Güterwechsel. Die
Infrastruktur des Freiraumnetzes würde
die urbane Besiedlung begrenzen,
einschliessen, verbinden und – folgerichtig – ein noch fehlendes, gestalterisches Hauptmerkmal der seit Beginn des
20. Jh. im Entstehen begriffenen Netzstadt sinnlich erlebbar darstellen.
Schliesslich möchte ich drittens die
zyklische Dynamik der natürlichen und
urbanen Lebensformen im Netz der
Freiräume ungebrochen erfahren und
mich daran orientieren können. Die äussere Gestalt des Freiraumnetzes stelle
ich mir plastisch als Ausdrucksform
eines Fristenplans vor, der die unterschiedlichen Tempi der örtlichen Veränderungen in der Landschaft vorgibt und
abstimmt. So würde die Architektur der
Landschaft die Transformationsprozesse
inszenieren und ein Verstehen dafür vermitteln, dass in der Lebenszeit eines
Menschen die urbanen Territorien sich
in zwar unterschiedlichen Rhythmen in
Wald, in Acker, in Wassermatte, in
Reservat, in Parkierungsfläche, in Baumund Gartenschule, in Brache, in Kiesland, in Strassenband, in Geleiseanlage, in Gemüsehochhaus, in Warteland,
in Fahrnisbauten, in Reisbeet, in Obstgarten, in Wildnis, in Umbauplatz verwandeln, ressourcenwirksam und inspirierend gestalten lassen. – Ist Landschaftsarchitektur nicht wie das Filmemachen eine Kunst, die Ereignisse und
Geschehen und Gesichtsbilder sinngebend in Beziehung setzt und dies verkörpert ?
Landschaftsarchitektur hat einen wesentlichen Anteil im Umbauprogramm für die
Stadt der Zukunft. Sie hat besonders zwei
Hauptaufgaben zu erfüllen, die Plätze für
urbanes Leben zu formen und Nähe
sowie Zugänglichkeit der Landschaft zu
gestalten.
Prof. Franz Oswald, ETH Zürich
Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung/Umweltplanung
Naturlandschaften sind in der Schweiz
gerade noch im Hochgebirge anzutreffen, und auch diese sind, insbesondere
über den Treibhauseffekt und die Luftverschmutzung anthropogen beeinflusst.
Im übrigen sind die Landschaften ein
Produkt jahrhundertealter Nutzung. Oft
wird als anzustrebende «intakte» Landschaft die traditionelle Kulturlandschaft
bezeichnet, wie sie am Anfang dieses
Jahrhunderts noch bestand. Allerdings
wird die Landschaft als vom Menschen
gestaltete visuelle Ressource wenig
wahrgenommen. Von der visuellen Seite
her beschränkt man sich vorwiegend
auf den Schutz von Landschaften von
einmaliger Schönheit. Doch sind gerade
in dicht besiedelten Gebieten, in den
Agglomerationen,
Landschaften
zu
rekonstrukturieren und ihnen neue
gestalterische Qualität zu verschaffen.
Die visuelle Ressource der Landschaften
ist aktiv zu erhalten und dies kann nicht
nur Schutz bedeuten. In dieser Aufgabe
der Rekonstruktion und Sanierung von
Landschaften und insbesondere deren
Gestaltung sehe ich die enge Zusammenarbeit der Landschafts- und Umweltplanung mit der Landschaftsarchitektur.
Wir sollten uns alle darauf einlassen,
Landschaft auch als visuelle Ressource,
die zu erhalten und zu gestalten ist, zu
verstehen.
Prof. Dr. Willy A. Schmid
ETH Zürich
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Scape©
Im Zeichen des Siedlungswachstums der
letzten 50 Jahre sind anstelle der Dichotomie von Stadt und Land sukzessive
neue raumübergreifende Strukturen entstanden.
Um planerisch mit einer solchen hybriden Besiedlungsstruktur umgehen zu
können, müssen neue Vorstellungen und
Methoden entwickelt werden. Die
Agglomeration ist weder mit Kategorien
der traditionellen Stadt zu therapieren,
noch mit guter Architektur zu kurieren.
Die herkömmlichen Terminologien Stadt
/ Landschaft / Infrastruktur / Architektur
müssen in ihrer gegensätzlichen Zuordnung hinterfragt werden.
Während die traditionelle Stadt sich
als klare Figur gegenüber dem Grund
der umliegenden Landschaft abgrenzte,
ist bei der Stadtlandschaft diese FigurGrundrelation aufgehoben. Landschaft
und gebaute Strukturen greifen in
zunehmender Weise ineinander über.
Weder Figur noch Grund bestimmen die
Struktur des urbanen Territoriums. Die
Stadtlandschaft konstituiert einen dynamischen Prozess von geschlossenen zu
offenen Strukturen, welche die Autorität
der Form als repräsentatives Element
zunehmend in Frage stellen. Die Grenzen zwischen Architektur und Landschaft werden aufgelöst und dezentrieren das Konzept des Objektes als abgeschlossene Einheit.
Die Formen ergeben sich stattdessen
aus ihrer Beziehung zur umliegenden
Landschaft und sind nicht mehr als
Absolutum, sondern nur noch in ihrer
Beziehung zu anderen Strukturen wahrnehmbar. Weniger von einem vorgefertigten Erscheinungsbild beherrscht, ent-
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stehen diese Architekturen als sich ständig ändernde Prozesse, offen für immer
neue Interpretationen. Sie stellen sich
den Kräften ihres Umfeldes und sind formal unbestimmt. In diesem Sinne manifestiert sich die Stadt als offene Feldstruktur.
Dies bedingt ein Verständnis der Stadt
als offenes Territorium und folglich eine
neue Form des Städtebaus, welcher sich
nicht länger auf Prinzipien der Beständigkeit gründet, sondern den operativen
Umgang mit fluktuierenden Bedingungen und programmatischen Instabilitäten fördert, von welchen die Stadt heute
gekennzeichnet ist.
lagen und Landschaftsentwürfen behandelt. Ich nehme an, in der Lehre Ihrer
Disziplin verhält es sich nicht anders.
Soll ich etwa die Entwicklung der Stadt
Versailles ohne jene des dazugehörigen
Gartens erklären, oder Sie jene des
Gartens ohne die Stadt?
Unsere Disziplinen, Architektur, Städtebau und Landschaftsarchitektur, sind
eng miteinander verknüpft, ja noch
mehr: Sie sind im Grunde nur eine Disziplin, die wir aus unterschiedlichen
Blickwinkeln betrachten. Das nimmt
ihnen nichts, im Gegenteil: Es macht sie
nur noch reicher und schöner, als sie
ohnehin sind.
Prof. Dr. Marc Angélil
ETH Zürich
Prof. Dr. Vittorio Magnago Lampugnani
ETH Zürich
Ihre Gretchenfrage, wie ich es mit der
Landschaftsarchitektur hielte, kann ich
leichter beantworten als seinerzeit Herr
Faust. Denn es gibt kaum ein Projekt,
das wir in unserem Büro bearbeiten,
das ohne Freiraumplanung auskommt.
Diese hängt immer eng mit dem eigentlichen Entwurf zusammen und stellt
deren notwendige Ergänzung dar.
Oder, wenn Sie wollen: Das architektonische Projekt stellt die notwendige
Ergänzung der Freiraumplanung dar.
Dementsprechend verhält es sich in
meiner Lehre der Geschichte des Städtebaus. Man kann, denke ich, die Entwicklung der Stadt in der Zeit nicht
begreifen, wenn man nicht zugleich
jene der grossen historischen Gartenan-
Wie halten Sie es mit der
Landschaftsarchitektur?
Gibt es Synergien in Ihrem
planerischen Handlungsfeld?
Muss man sich für die «Landschafts»Architektur entscheiden oder darf man
sich zum alten Begriff der «Garten»Architektur bekennen? Ich gestehe, dass
mich die Erfahrung der überschaubaren
«künstlichen» Anlagen seit jeher mehr
fasziniert hat als die Beschäftigung mit
den immer komplexer werdenden Problemen des grossen Landschaftszusammenhanges.
Als Kind nahm ich die Düfte und die
Nischen der Gärten als selbstverständlich, rebellierte erst, als ich am Jäten
und Giessen beteiligt wurde und wurde
desinteressiert.
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Mein erster Architekturlehrer, Bernhard Hoesli, der sich selbst als verkappten Gärtner sah, eröffnete mit einer einzigen Bemerkung eine neue Sicht und
etablierte eine unerwartete Hierarchie:
Meine Zeit sei besser investiert mit dem
Organisieren der Bepflanzung der Aussenräume als mit dem ausschliesslichen
Perfektionieren des Gebäudeinnern.
Kurz darauf entdeckte ich für mich die
aufregenden Gartendarstellungen des
Renaissancearchitekten Jacques Androuet Du Cerceau und lernte noch in
den sechziger Jahren beim Architekten
Ernst Studer und beim Landschaftsgestalter Fred Eicher das Arbeiten mit
geschnittenen, gezähmten, künstlich in
geometrische Form gebrachtem Pflanzenmaterial. Mit Bernhard Hoesli und
mit Arnold Amsler entstanden dann in
den Siebzigern einigermassen beachtete Vorschläge für grossmassstäbliche
Anlagen: für zwei Sektoren der «Grün
80», für den Park der Uni Irchel, für das
Seeufer in Biel. Der Garten wurde jetzt
zum faszinierenden Kompositionsproblem, bei dem (auf dem Papier) geometrische und «organische» Form konfrontiert und wo etwa nach der zeitgemässen Formulierung einer «Achse» gefragt
werden konnte: der Garten war ein
Experimentierfeld intellektueller und formaler Spekulation geworden.
Erst durch Dieter Kienast durfte ich
dann jene wunderbare Synthese von
Sinnenfreude und formaler Konzeption
kennenlernen, welche seine Arbeit auszeichnete. Sie ist für den Amateur nicht
erreichbar, höchstens nachzuvollziehen.
Diesem fehlt die Kenntnis des Pflanzenmaterials, der Pflanzensoziologie, der
praktischen Belange und der Raffinessen des Gartenbaus. Neben dem wenigen, was in letzter Zeit in Zusammenarbeit mit Dieter Kienast, Günther Vogt
oder Guido Hager gezeichnet oder realisiert werden konnte, bleibt mir in dieser Phase der Erkenntnis das Schreiben
über
zeitgenössische
Gartenkunst.
Wenn ich dies richtig sehe, weisen die
entsprechenden Artikel zusammen mit
jenen über Konstruktion, Farbe und
Möblierung des modernen Innenraums
auf ein spezifisches Interesse hin: auf
die Kultur der Gestaltung unserer unmittelbaren Lebensumwelt. Eigentlich aber
wären in diesem Zeitpunkt der Annäherung der Standpunkte von Gartengestalter und Architekt gemeinsam Konzepte
zu erarbeiten, die ihren Niederschlag –
mindestens exemplarisch – nicht nur im
Einzelobjekt, sondern auch in den
Mustern der Stadt finden müssten.
Prof. Arthur Rüegg
ETH Zürich
Videostills
© 1999 by Marc Schwarz
9
1999
DISP 138
10
1999
Christophe Girot
Zwischen Raum und Ort
Landscape does not belong solely to the
visible world; it belongs also to all of the
interwoven histories that make up a particular place. This article draws an important distinction between the notion of space
and of place, which is central to all landscape practice. Four examples of landscape
projects in France and in Germany help
illustrate this point of view. These projects
share common ground with Dieter Kienast's own work and philosophy. They
underline the importance of site-specific
considerations, of time and of history,
while remaining resolutely open to innovation for the future. Respect for the landscape does not exclude strong design; it is
more a matter of how one goes about
juggling the significant historical elements
unique to any given place. In Dieter
Kienast's case one can say that he dealt
with the question of defining place like a
master of martial arts, using the incredible
weight of history to dramatically leap
ahead.
Le paysage ne relève pas que du domaine du visible, ses racines se trouvent
le plus souvent enfouies sous un canevas
d’innombrables événements et d’histoires que l’on ne perçoit pas en surface
au premier abord. Dans la langue allemande, le paysage se dit Landschaft et
sans vouloir trop jouer sur les mots, on y
trouve deux idées complémentaires. La
première partie du mot Land est à peu
prés comparable dans sa teneur à notre
mot «pays»; il évoque une charge identitaire forte et un véritable enracinement
culturel, en un lieu précis de la terre.
Dans la deuxième partie du mot, le suffixe Schaft évoque un espace, une étendue mesurable et compréhensible. Il ne
s’agit pas là de l’espace interstellaire, il
s’agit au contraire de l'espace de la vie
quotidienne, et c’est naturellement cette
idée plus précise d’un pays et de ses confins qui nous intéresse au premier chef.
D’ailleurs, lorsqu’on s’amuse à intervertir les deux syllabes du mot Landschaft, on se retrouve avec le terme
Schaft-Land. Ce jeu d'inversion trans-
forme complètement le sens du suffixe
Schaft, qui devient le verbe schaffen et
qui signifie «capable de faire». Par ce
jeu de mots le verbe schaffen sousentend lui aussi l’idée de limites, mais
non pas tant celle de limites spatiales
que celles de limites humaines. Dire
d’un paysagiste qu’il est capable de
porter le poids du mot Land: «Er schafft
Land», est un peu présomptueux mais a
résume bien la primauté de l’anthropique sur le naturel lorsqu'on parle de
paysage. Ceci me permet de boucler
mon propos introductif, en affirmant que
le travail du paysagiste dépasse nettement les seuls domaines du perceptif et
du naturel. Que ce soit dans un projet
porté sur le passé ou dans un travail qui
s’inscrit dans l’avenir, il doit tirer son
sens de l'esprit d’un lieu.
En pensant au paysagiste Dieter Kienast et à son travail sur le paysage, il est
difficile de ne pas évoquer le sens profondément humain de l'héritage intellectuel qu'il nous lègue. Pourquoi avoir
choisi le titre «Zwischen Raum und Ort»,
alors que ma communication évoque le
souvenir d'un paysagiste suisse de
renom? C’est en fait pour signifier que
le paysage n’appartient pas seulement
à l'individu qui agit dessus; qu'il repose
aussi sur le support vivant d'une époque; un palimpseste tel que l'évoque si
justement André Corboz. Le paysage
actuel résulte bien des grandes transformations industrielles, urbaines et agricoles de notre temps mais il se nourrit
aussi de toutes les petites histoires humaines qui donnent un sens bien particulier à
tout lieu. Dans le jargon des urbanistes, le
mot Zwischenraum signifie ce morceau
de délaissé urbain sans nom ni qualité
propre, qui réside dans les plis de la
ville. Ce sont tous ces terrains vagues
dont François Béguin revendique clairement l'identité et l'usage propres. L’action du paysagiste se situe souvent sur
ce type de terrain; et j'ai d'ailleurs rencontré Dieter Kienast sur de tels sites, où
la mémoire enfouie dans les débris du
sol était à peine perceptible, où l'absence même de traces du passé, et en
l'occurrence le vide, devenait l’essence
même du projet.
C’est par un jeu de mots dans le titre
que je choisis de modifier le sens habi-
tuel attribué au terme Zwischenraum. En
séparant la préposition zwischen du
mot Raum «zwischen Raum und Ort», il
se crée une juxtaposition entre le mot
Raum et le mot Ort. Et c'est bien dans
cette distinction que toute la subtilité du
métier de paysagiste se manifeste. Le
choix des deux termes n'est pas innocent; car dans ce contexte, Raum décrit
un espace abstrait sans appartenance
spécifique, alors que le mot Ort désigne
un lieu précis avec toute son histoire.
C'est d'ailleurs sur cette idée d'ancrage
que je souhaite m'attarder, car j'estime
qu'elle est vraiment centrale à tout le travail de Dieter Kienast. Je vais prendre
quatre exemples de travail et de recherche personnels sur les dix dernières
années. Les deux premiers exemples se
situent en Allemagne, les deux derniers
se trouvent en France. Il s'agit des
immenses mines de lignite à ciel ouvert
situées au sud de Leipzig, du site d'une
ancienne caserne de Vopos au Parc des
Invalides à Berlin, du parc des Six
Arpents à Pierrelaye dans le Val d'Oise
et de la Fontaine des Innocents dans le
quartier des Halles de Paris. Chacun de
ces quatre lieux évoque à sa manière
l'importance primordiale de ce qui ne
se voit pas au premier abord.
Le Workshop Südraum Leipzig de
1994 fût un moment important de réflexion sur le paysage, tant par l'envergure
du problème posé que par la variété des
réponses données. Ce vaste territoire
d’extraction de lignite, composé de
canyons artificiels, immenses et stériles
atteignant 200 mètres de profondeur,
posait une question de fond sur la place
de la mémoire et de l'identité du lieu.
Depuis plus d'un demi-siècle, tous les éléments vivants, hydrauliques, géologiques
et urbains du paysage au sud de la ville
de Leipzig furent purement et simplement
anéantis, déplacés, réduits à l'état de
monticules de poudre grise sur des centaines de kilomètres carrés. Avec un
temps de réparation qui se compte en
décennies, sinon en siécles, il était difficile pour l'ensemble des équipes participant à ce workshop d'imaginer une
réponse simple face à l’ampleur de cette
catastrophe environnementale. Ce n'est
donc pas étonnant que certains s'adonnassent à des réponses bien étranges.
DISP 138
11
1999
Auen, Südraum Leipzig
Invalidenpark, Berlin
La Fontaine des Innocents
L'interprétation onirique du site de
Südraum Leipzig par l'architecte Hans
Kollhoff, avec son parachutage d'hommes mi-anges et mi-martiens parmi une
série d'objets solitaires high-tech posés
dans le paysage lunaire des canyons
d’extraction, donna une note surréaliste
à l'exercice. Nous n'étions plus dans le
lieu Ort, mais bien dans l'espace intergalactique Raum de la fiction architecturale. Dieter Kienast choisit au contraire
une approche posée dans la réalité du
lieu tout en restant très poétique. Son
plan ressemblait étrangement au dessin
stylisé d'un grand papillon, dont le
corps allongé serait une ville linéaire
nouvelle située entre Leipzig et Borna.
Les ailes flanquant cette nouvelle ville
linéaire devenaient tantôt des lacs dotés
d'activités nautiques, tantôt des dunes
abritant le lent processus d'une reconquête écologique sérielle, tantôt des
forêts jouant le rôle de parc urbain et de
corridor vert entre les deux villes. Son
projet visait avant tout à réconcilier la
population locale avec cet environnement complètement bouleversé et à lui
offrir à travers des processus naturels
très simples tels la remontée des nappes
phréatiques et la plantation forestière la
possibilité de croire en un avenir pour
cette étendue minière. C'est donc bien
cette confiance dans les qualités intrinsèques d'un lieu qui permit à Dieter
Kienast d'aboutir à un projet de paysage identitaire fort pour Südraum Leipzig.
Le travail d'Adrian Geuze et le groupe West 8 proposa une structure urbaine annulaire autour de six grands
lacs filiformes reliant Leipzig à Borna.
Ce remarquable projet de reconstitution
d'un vaste territoire hydrique traduisait
bien la tradition néerlandaise d'aménagement du territoire. Contrairement au
projet de Dieter Kienast, qui préservait
l'essentiel de la topographie du site
industriel existant, le projet de West 8
proposait un important remodelage du
terrain et des rives des lacs. La mémoire
industrielle du lieu était donc considérablement modifiée, parfois même
effacée, afin d'accueillir ce grand projet
balnéaire. Mon propre travail avec l'atelier Phusis proposa un projet visant à
la restitution de l'équilibre des nappes
phréatiques dans le paysage existant
sur les 50 prochaines années. En
reprenant la typologie des prés humides
Auen, qui furent anéantis durant l'exploitation des mines, on arrivait à sculpter des paliers de paysages en enfilade
sur des terrains particulièrement instables. Cette solution en terrasse avait
l'immense avantage de contenir l'érosion et de permettre de restituer lentement
un certain équilibre naturel et hydrique.
C'était un projet qui se nourrissait clairement d’une référence du paysage du
passé, pour forger une identité radicalement nouvelle sur le territoire. Je ne vais
pas énoncer les projets de toutes les
équipes participant à ce workshop,
mais il est clair que certains choisirent
d'échapper dans la fiction d'un espace
architectural pur, alors que d'autres
cherchèrent à agir concrètement sur le
paysage des lieux existants. Pour un
concours d'idées, ces deux types de
démarches étaient parfaitement acceptables, mais elles se démarquaient nettement l'une de l'autre par une attitude
tranchée sur la signification du lieu et
l’importance des marques de l’histoire.
Berlin est la ville mythique du vingtième siècle, et tout projet de paysage
qui s'y érige peut difficilement se passer
d'une allusion à l'histoire récente. Maintenant que la Staatsbibliothek de l'architecte Hans Scharoun, solitaire resplendissant des années 1960 érigé face au vide
du mur, se trouve à présent complètement engloutie dans l’immense masse
bâtie de la nouvelle Potsdamer Platz; il
me paraît important de souligner l'importance de ces grands vides d’après-guerre
berlinois qui semblent désormais bien
menacés. Car si le paysagiste n'œuvre
pas pour qu'une partie de ces vides
demeurent, qui donc le fera? Je préfère
parler du site de l'ancienne caserne des
Vopos lorsque je parle du Parc des Invalides de Berlin, car lors du concours lancé en 1992 cela faisait presque 50 ans
que ce lieu ne figurait plus comme parc,
mais comme zone de sécurité, sur les
cartes de Berlin Est. L'Histoire voudrait
maintenir que c'est Peter Joseph Lenné
qui créa ce parc militaro-romantique au
cours du 19ème siècle, sur les traces
d'un ancien champ de manœuvres. Mais
ce que je ressentis en réalité dans ce lieu
de désolation durant l'hiver de 1992
n'avait qu'un rapport très éloigné avec
cette version officielle de l'histoire. Je vis
un rectangle grillagé de deux hectares,
qui correspondait à environ 1⁄3 de la surface du parc d'origine; le reste ayant été
urbanisé et construit depuis la guerre.
L'espace concerné enfermait les restes
de baraques militaires, un bout de chaussée marquée et barrée appartenant à
l'ancien check point de l'Invalidenstafle,
quelques bouquets d'arbres vieillissants
poussant dans un terrain vague, le tout
entouré d'immeubles anciens encore
balafrés par les rafales de mitrailleuses
et impacts d'obus et d'immeubles nouveaux en béton préfabriqué de modèle
soviétique d'un triste gris. Comment agir
positivement sur un terrain aussi ingrat,
chargé de tant de sens, alors que la
demande était de créer le premier parc
public, emblème de la réconciliation entre les deux Berlins?
En tant que Français, il m'était difficile
d'imaginer la restitution du parc des
Invalides à l'image de celui de l'époque
du Kaiser, comme une réponse plausible
à la question posée. Je choisis de
réfléchir sur le vécu du lieu, recherchant
une réponse résolument tournée vers
l'avenir. N'est-ce pas ce mur, et seulement ce mur, qui conditionna toute la vie
de ce quartier de Berlin Mitte durant les
quatre dernières décennies? Sans pour
autant préserver le site dans son état de
désolation; était-il pensable de faire fi
d'un pan entier du vingtième siècle et de
repartir en toute innocence vers une
image du passé? Le projet que je proposais ne garda du 19ème siècle que les
quelques arbres survivants ainsi qu'un
fragment des fondations de la GnadenKirche, une église militaire détruite par le
Blitz de 1945. L'idée de poser un voile
en granit de Silésie sombrant au milieu
DISP 138
Parc des Six Arpents, Pierrelaye
d'un grand bassin me vint à l'esprit, car
elle incarnait de façon emblématique
toute la joie, mais aussi tout le malaise
résultant de la disparition subite du mur
de Berlin. C'était le moyen aussi de préserver un morceau de ce vide d'aprèsguerre Berlinois, en offrant une place
minérale dégagée au lieu d'un parc
densément planté d'arbres telle que l'aurait voulu la tradition écologiste allemande de l'époque. Orienté Nord-Sud,
cet objet exprimait toute sa relativité,
selon que l'on arrivait de l'Est ou de l'Ouest et selon que l'on avait vécu derrière
ou devant le vrai mur de Berlin. Sans
vouloir m'attarder sur une explication
exhaustive du lieu, c'est probablement
au temps et aux gens de dire si le choix
caricatural de cet l'emblème fût le bon.
Ce projet illustre bien pour moi le poids
incontournable de l'histoire dans le paysage berlinois, et toute la difficulté qui en
découle dans la matérialisation d'un projet. C'est ironique, mais je me rappelle
que le projet de promenade publique du
Moabiter Werder de Dieter Kienast situé
sur les rives de la Spree dans le quartier
Moabit de Berlin, fût arrêté indirectement
par ce même cours de l'histoire. Le projet
démarré peu de temps après la chute du
mur de Berlin ne fût jamais achevé.
D'abord victime d'un client difficile, le
Moabiter Werder eut surtout le malheur
de se situer en plein dans l'axe du projet
de nouveau quartier gouvernemental de
l'architecte Axel Schultes, qui prévoyait
d'y placer la résidence du Chancelier de
la République Fédérale d'Allemagne.
L'histoire n'appartient pas seulement
aux monuments et aux sites célèbres,
elle appartient aussi aux lieux ordinaires du vécu quotidien. Le parc des Six
Arpents à Pierrelaye dans le Val d'Oise
illustre bien ce point de vue. Situé en
plein centre d'un petit bourg de la
grande ceinture parisienne, le parc
s'appuie sur quelques traces de l'histoire ancienne et récente. Il sert à présent de charnière entre un vieux village
bâti le long d'une ancienne voie romaine
et un quartier de logements sociaux
datant des années 1960. Le projet de
parc résulte de la simple mise en valeur
de quelques éléments existants. Un
vieux mur maraîcher en pierre blanche
à moitié écroulé s'oriente parallèlement
à l'ancienne Chaussée Jules César et au
Ru de Liesse qui coule en fond de vallon. La structure du projet est donc déjà
donnée. Un simple chemin en dalles de
béton borde l'ensemble du périmètre
dessinant un grand carré vert. Le cadre
crée quatre faces distinctes donnant sur
le pré intérieur. Deux faces accompagnent des constructions nouvelles, les
deux autres bordent l’ancien bourg et le
quartier de logements sociaux. Selon les
usages et l'heure de la journée, le pré
sert au jeu, au repos ou à la promenade. Ce terrain vide aurait pu devenir
un terrain à bâtir comme tant d'autres.
Un travail de concertation, avec les
architectes et le commanditaire, permit
de préserver l'essentiel de l'espace libre.
C'est donc en tenant un cadre très simple que j’ai affirmé que le lieu avait
déjà son identité propre.
C'est ce regard révélateur, capable
d'identifier les qualités intrinsèques d'un
lieu donné comme point de départ d'un
projet, qui fait toute la force et toute l'humilité du paysagiste. Nous ne sommes
pas nécessairement des marchands de
nouveauté, il nous arrive aussi de nous
intéresser tout simplement à l'orchestration d’un paysage qui est déjà là.
Chaque lieu, même le plus démuni,
garde des qualités propres et une
histoire. Sans vouloir ériger cette remarque en dogme, il me paraît important
d'affirmer cette spécificité. Je pense notamment au travail récent de Dieter
Kienast sur le petit cimetière de Fuerstenwald à Coire en Suisse où le projet
épuré et discret tire toute sa force de sa
juxtaposition avec le paysage pastoral
existant. Les vaches viennent paître à
deux pas des tombes, et ce n'est pas le
fruit du hasard, car depuis le début
c'était précisément ce que le paysagiste
voulait et attendait.
Pour conclure je vais me tourner vers
un des lieux les plus anciens de Paris,
celui de la fontaine des Innocents, sur
lequel je viens d'achever un article. Cet
endroit représente un cas d’école en
matière de paysage urbain, où le déracinement perdure malgré tous les efforts
12
1999
prodigués pour maquiller l’irréparable
disparition du sol originaire. La particularité du site de la fontaine des Innocents, c’est que le sol sédimentaire de
l’ancien cimetière s’est subtilisé, cédant
la place au mille-feuilles en béton du
centre commercial et de la station RER
des Halles. Qui se souvient voici 25 ans
de cette pauvre fontaine emballée dans
une grande boîte, posée sur d’immenses
échasses en acier au milieu du cratère
des Halles? C’est la fontaine en tant
qu’objet solitaire, et non le sol ambiant
du square, qui a établi le point de
référence pour la nouvelle place. Le
square a changé de nom et s’appelle
désormais la place Joachim Du Bellay.
Car il n’y a plus de raison de parler du
cimetière des Innocents dont une bonne
partie des gravats furent transférés avec
le reste des excavations du Forum des
Halles à Roissy-en-France pour servir de
remblais aux pistes du nouvel aéroport
Charles De Gaulle.
On se rend compte à travers l’histoire
invraisemblable de cette fontaine et de
son cimetière que c’est le paysage
qu’on ne voit pas qui importe le plus.
Ce lieu historique a perdu toute sa substance, ses eaux, ses habitants, son sol
ancestral jusqu’à ses moindres repères.
Nous nous trouvons dans un endroit
annihilé, où, pour reprendre les mots de
Louis Chevalier, les pierres et le paysage
demeurent tous «douteux». La violence
sociale qui sévit maintenant en ce lieu
résulte du déracinement total, car les
gens, quels qu’ils soient, ont senti
instinctivement que l’histoire antérieure
était creuse, qu’il n’y avait plus de respect des morts, que tout n’était que fiction, ou au mieux fabrication. Je reste
d’ailleurs perplexe sur le destin de ce
bout de ville, car une société qui disperse ses vivants et bafoue ses morts n’attache plus tant d’importance à l’homme.
L’espace désacralisé de l’ancien cimetière déteint tristement sur la qualité de
l’espace public environnant. La fontaine
des Innocents incarne à elle seule l’effondrement soudain, de toute une
époque du monde parisien; qui était
fondée sur la mémoire collective d’un
lieu et de ses gens.
Le paysage n'est pas vraiment une
science exacte, et je n’en connais d’ail-
DISP 138
leurs pas une capable de modéliser
utilement toute la complexité d'un lieu.
En évoquant Dieter Kienast, j'estime
qu'il faut faire confiance à la capacité
de l'homme de s'adapter aux temps et
aux environnements les plus contraignants. Qu’aurait-il pensé de cet ancien
site mortuaire parisien profané pour le
règne du commerce et de la nécessité?
Je ne le sais pas, mais sa réponse aurait
certainement évité l’écueil d’une histoire
fabriquée. Je ne pense pas trahir sa
pensée en disant qu’il était bien conscient de la prégnance de la mémoire
d’un lieu. Pourtant, il ne s’est jamais
laissé piéger par une quelconque nostalgie. Son geste, tel celui d’un maître en
art martial, s’inscrivait dans le présent et
tendait toujours vers l’avenir, se servant
du poids incommensurable de l’histoire
pour effectuer le bond en avant.
13
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DISP 138
14
1999
Peter Latz
Eine einfache Frage, keine einfache Antwort
Landscape architecture is part of the architectural culture, together with architecture
and the sciences of engineering and town
planning, that form the spaces of our
populated world. Landscape architecture is
also part of horticulture. As a symbol of
nature, it summarises the cultural work of
centuries.
Horticulture is world culture – gardens are
laid out everywhere, with similar methods
and tasks. But it is a mature culture, widespread in proportion to its economic value.
From these results an image of ‘’the landscape architect’’, who is creative, who presents outstanding achievements, who lives
a contemplative professional life, but who
has also lost the ability to think in terms of
major dimensions and relationships.
However the culture of public building, and
the revitalisation of polluted and derelict
urban spaces cannot be solved with historic images of landscape. These spaces
require the invention of new landscapes. If
landscape is the semantic expression of
our understanding of nature, landscape
architecture will have to develop the syntax
for this landscape. To make it available,
new thinking must be mobilised and
brought together in spatial conceptions
with technical engineering drafts.
Consequently, conceptions for the new
urban and suburban sciences must be
created where living space and working
space, traffic and transport consolidate
into a cultural identity.
Thus the profession of landscape architecture, through its teaching and research at
the Universities, must be or must become
part of the architectural culture.
Was ist Landschaftsarchitektur?
Jeder, der sich damit befasst oder Landschaftsarchitekt ist, glaubt es zu wissen.
So wage ich denn nicht, für die Landschaftsarchitekten zu sprechen, sondern
ausschliesslich für mich oder eine kleine
Gruppe. Vielleicht sollte ich mich auch
entschuldigen für eine Argumentation,
die beeinflusst ist von einem Gutachten
der ETH – uns, die Landschaftsarchitekten, in einem Life Science und Food
Center zu verorten.
Die professionelle Landschaftsarchitektur – ich komme gleich darauf, warum professionell – ist Teil der Baukultur
und muss bei der Entwicklung des Neuen oder der Umwandlung des alten Teils
der Baukultur sein, die zusammen mit
Ingenieurwissenschaften, mit Architektur
und Städtebau die Räume unserer besiedelten und genutzten Welt formt.
Doch das wäre zu eindeutig, denn
Landschaftsarchitektur ist auch Teil der
Gartenkultur: einer Gartenkultur, die von
der Produktion in Gärten bis hin zum
Sinnbild von Natur kulturelle Leistungen
von Jahrhunderten zusammenfasst.
Einerseits führt dies zu den Quellen
des bautechnischen Wissens, zum Wissen um die Stadt und den Städtebau
und zur sozialen Verantwortung, andererseits erklärt es den Spass am Samentausch, am Kennen von Rosen- und Clematisarten oder der Vielfalt der Spezies
und Subspezies von Efeu.
Doch diese Zuordnungen sind noch
keine Antwort. Vielleicht muss man auch
bedenken, dass die Gartenkultur eher
Laienkultur ist – dies aber international.
Weltweit werden Gärten mit ähnlichen
Mitteln und ähnlichen Zielen angelegt –
Übereinstimmung ohne Sprache, ja
ohne Kontakt und ohne Wissen voneinander. Der Austausch von Blüten- und
Grünpflanzen war seit Jahrhunderten
zunächst das Privileg des Adels und der
reichen Bürger, dann immer mehr breiterer Schichten. Als Laienbewegung ist
diese Kultur im Verhältnis zu ihrem ökonomischen Wert weiter verbreitet als
etwa der Selbstbau in der Baukultur.
Vielleicht liegt es daran, dass sie den
kreativen Eingriff in die Umwelt weit
mehr als alle anderen Systeme erlaubt,
unabhängig davon, dass es sich
ohnehin um ein System handelt, das
Dauerzuwendung benötigt (wir nennen
es auch Gartenpflege).
Vom Klein- bis zum Villengarten, vom
naiven Biotop bis zur höchsten Kunstform
unterliegt alles dem gleichen Prinzip.
Demnach entstünde das Bild des «Landschaftsarchitekten», der kreativ wird,
hierzu die Erfindungen macht und Spitzenleistungen der Gartenkultur vollbringt
und in genügsamer Einschränkung ein
kontemplatives Berufsleben führt.
Dieses Bild, das uns die Gesellschaft
immer noch zuteilt, ist von Landschaftsarchitekten selbst geschaffen worden und
zwar dann, wenn sich das Berufsfeld von
seinem Engagement im grossen Raum
der Stadt und in der Öffentlichkeit verabschiedete, sei es aus Scham nach dem
tausendjährigen Reich in Deutschland,
sei es aus dem Unvermögen, sich aus
den gewachsenen Nischen herauszubewegen und neue Aufgaben anzupacken.
Immer dann beschränkt sich Landschaftsarchitektur auf Gärten, wenn der
öffentliche Raum zum Gegenstand rein
technischer Anforderung deformiert
oder wenn man sich über Jahrzehnte
von gesellschaftlichen und technischen
Innovationen verabschiedet, die Befähigung nicht mehr hat, in grösseren
Dimensionen und Zusammenhängen zu
denken und zu entwickeln – und dies
bedeutet nicht grössere Flächen wie in
der Landschaftsplanung.
Stellen wir also wieder die Frage
nach der öffentlichen Baukultur, nach
den öffentlichen Freiräumen auf der
einen Seite und den neuen Aufgabenfeldern auf der anderen Seite – der
Behandlung von Wasser, der Entwicklung von Kleinklima, der Wiederaufbereitung von verbrauchten und belasteten
Flächen der Stadt. Die Konversion der
Flächennutzung riesiger militärischer
Anlagen, die Behandlung der ungeheuer grossen Räume nach der Ausbeutung von Bodenschätzen sind nicht mit
den alten Vorstellungen von Landschaft
zu lösen, sondern machen die Erfindung
neuer Landschaften notwendig. Es sind
Aufgaben, die einerseits enorme Grössenordnungen erreichen und andererseits nicht teilbar sind.
Nicht neue Stile, sondern generell
neue
Landschaftskonzepte
werden
nötig; sie verändern das Naturverständnis und erzwingen eine neue Diskussion
um Natur in der Stadt.
Wenn Landschaft der semantische
Ausdruck unseres Naturverständnisses
ist, dann ist Landschaftsarchitektur die
DISP 138
Syntax – bzw. hat Landschaftsarchitektur die Syntax für diese «Landschaft» zu
entwickeln. Dann ist Landschaftsarchitektur auch verantwortlich für die Pragmatik – verstanden als die Entwicklung
des Benutzens und die Entwicklung des
Erstellens.
Die Zukunft liegt dabei offensichtlich
nicht in der Varianz des Bekannten, sondern in Visionen – nicht Utopien, Visionen, aus denen Realität werden kann.
So entstehen grössere Aufgabenfelder
und vor allem solche, die ohne tradierte
Erfahrungs- und Lösungsmuster auskommen müssen. Für diese Aufgaben reicht
auch das in den Siebzigerjahren noch
einmal aufgelegte Modell der Landschaftsplanung als Landnutzungsplanung (entwickelt zur Vorbereitung und
Stärkung der land- und forstwirtschaftlichen Produktion) nicht aus.
Auf diesem Gebiet muss nun neues Wissen mobilisiert und in ingenieurtechnischen und räumlichen Konzepten zusammengeführt werden. Neue Gemeinsamkeiten zwischen Bauingenieur, Städtebauer und Landschaftsarchitekt entwickeln
sich und haben sich bereits in diesem Feld
entwickelt; Gemeinsamkeiten, die nicht
vom Landschaftsarchitekten erobert wurden, sondern die ihm auferlegt, die von
ihm abgefragt werden und wo Antworten
in der Dimension der Aufgaben erwartet
werden.
So wie sich die Agronomie zur Life
Science und Food Science entwickelt
und sich des praktischen Landwirtschaftsberaters entledigt (und dazu
gehörte im Prinzip die Landschaftsplanung), so muss sich die Landschaftsarchitektur mit den oben genannten Konzepten zur neuen Stadt- oder Siedlungswissenschaft entwickeln, in der sich
Lebens- und Arbeitsraum, Verkehr und
Transport zur kulturellen Identität verdichten und zu neuen Raumprojekten
geführt werden.
Dies wird in der Internationalen Bauausstellung Emscher Park mit dem Klimahaus in Herne, mit dem Wissenschaftszentrum in Gelsenkirchen und
den Industriebrachen als neuem Lebensraum bereits vorgeführt.
Die Strasse als öffentlicher Raum wird
wiederentdeckt und wiedererobert, zu
einem neuen Gleichgewicht entwickelt,
wie es die Ausstellung im Centre de Cultura Contemporània de Barcelona «La
reconquista de Europa – espacio público urbano 1980–1999» und in internationaler Übereinkunft die Projekte im
Deutschen Pavillon der Biennale Venedig 1996 zeigen. Weltweit werden dieselben Themen diskutiert, auf Kongressen in Tokio, Sydney, Boston, Barcelona, Glasgow, Rotterdam, Mailand und
München.
Zu genau denselben Themen werden
Beiträge in Forschung und Entwicklung
und in der Lehre von den Universitäten
gefordert und unterstützt.
Teile des Berufsfeldes können sicherlich weiter in der Nische der Gartenkultur verharren. Es gibt hierzu ausreichend Ausbildungsstätten, fast die
Mehrzahl der unendlich vielen Fachhochschulen in Deutschland zum Beispiel, die diese Tradition weiterführen
wollen. Für entwicklungsorientierte Universitäten bleibt, wenn sie nicht degradiert werden wollen, nur die Möglichkeit, die neuen Themen und Aufgaben
tatsächlich aufzugreifen, sich auf Experimente einzulassen und Vorschläge und
Lösungen in diesem Aufgabenspektrum
zu entwickeln.
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1999
Elmar Zorn
«Art in Nature»:
Der Faktor Kunst in Landschaftsplanung und Raumordnung
Recently, attempts have been made to integrate artists from the outset into projects
relating to landscape planning and landscape architecture, such as the competition
for BUGA 2001 (National Garden Show) in
Potsdam. 15 years ago attempts by the
artists to create new paradigms in the relationship with nature and the countryside
were ridiculed. Pioneers of a new role pattern for the artist include Robert Smithson
who, as an artist, 30 years ago recognised
new landscapes in disused industrial sites,
as well as the husband and wife team, the
Harrisons, who were both professors in
landscape architecture. The example of
two art exhibitions by the Harrisons, one
on the establishment of a bio-diversity protective ring around the “green heart of
Holland“ and the other on the “endangered meadows of Europe“, serves to
explain to what extend artists like these
can be artistically creative in the future if
they join forces with all landscape experts
in a new team understanding of collaboration. These are therefore primarily the
artists who make us aware of the changing
perception of nature and landscape, taking
on the role of engineer or generalist in the
process – action models which will hopefully be reflected by EXPO 2000 in Hanover.
Als Dieter Kienast vor zwei Jahren im
Vortragssaal des Sprengel Museums
Hannover sein Konzept für die landschaftsarchitektonische Gestaltung des
EXPO-Geländes in Hannover vortrug,
fragte ich ihn hinterher zusammen mit
dem anwesenden Thomas Sprengel
nach der Rolle, die er der Kunst in seinen Vorstellungen einräumen wollte. Er
schien über die Frage überrascht zu
sein und sagte scherzhaft: «Na ja, die
Kunstwerke stellen wir dann auf die
Wiese. Es gibt ja genügend davon in
Hannover.» Dann wurde er ernst und
meinte: «Lassen Sie uns genauer darüber reden. Besuchen Sie mich in
Zürich.» Es konnte zu diesem Gespräch
nicht mehr kommen, doch die Schnitt-
stelle war deutlich geworden: Es geht
um Landschaftsarchitektur, die Kunst
appliziert, und solche, die sie integriert.
Bereits ein Jahr später wurde von der
Bundesgartenschau in Potsdam für das
Jahr 2001 (Buga 2001) ein ungewöhnlicher Wettbewerb zur Neugestaltung
eines weitläufigen Gebietes im Norden
der Stadt, der einst von Lenné in Sichtachsen geordneten Bornimer Feldflur
neben dem eigentlichen Veranstaltungsgelände, ausgeschrieben. Ungewöhnlich war, dass zum ersten Mal bei einer
Gartenschau in Deutschland eine
gemeinsame und gleichberechtigte Erarbeitung des Konzeptes durch Landschaftsarchitekten, Künstler und Landwirte als Voraussetzung für die Zulassung zum Wettbewerb festgelegt wurde.
Seitdem beginnt allerorten das Pflänzchen der Kooperation zu wachsen,
wobei es mir scheint, dass weder die
Raumplaner noch die Landschaftsarchitekten Probleme mit der Zulassung von
künstlerischen Ideen vom Anbeginn
eines Planungsprozesses haben, wohl
aber die Kunstwelt, wenn es um die Mitarbeit der Künstler bei Landschaftsgestaltungen geht, da sie den bisherigen
Bereich der autonomen Kunst verlassen
– um in einem Feld zu experimentieren,
das zwar nicht «angewandte Kunst»,
doch auch noch nicht kategorisiert ist.
Wenn ein Künstler vor 15 Jahren mit
dem Anspruch aufgetreten war, dass
seine von Behutsamkeit und Respekt für
die geschundene Natur getragene
skulpturale Intervention ein Kunstwerk
sei, welches im Gegensatz zu den Kunstwerken in den Museen und Galerien sich
dem Rhythmus der Natur, dem Wachsen,
Blühen und Verwittern, aussetzte, musste
er damit rechnen, von Kunstkritikern,
Museumskuratoren und Galeristen als
Spinner belächelt zu werden.
Allenfalls die titanischen Zeugnisse
der amerikanischen Land Art konnten
ihnen imponieren und tun das auch heute noch. Da galt es der Erde das Kunstwerk abzutrotzen, mit gigantischem Aufwand an Erdbewegungen und zugegebenermassen faszinierenden ästhetischen Ergebnissen.
Parallel zur Land Art gab es Künstler,
die den Dialog mit Landschaftsarchitekten, Landschaftsplanern, mit Wasser-
wirtschaftlern, Ökologen, Soziologen
und schliesslich auch mit der ansässigen
Bevölkerung suchten, wenn sie Problemzonen auswählten, um langfristige Prozesse wie Renaturierung von Industriebrachen und Flussreinigungen in Gang
zu setzen. An erster Stelle wirkte hier
seit den 60er Jahren das kalifornische
Künstlerehepaar Harrison. Auf diese
beiden Künstler gehen modellhafte
Kooperationen mit Landschafts- und
Wasserwirtschaftsexperten zurück und
daher möchte ich im folgenden auf mehrere ihrer Werke eingehen. In Europa
war ihr erstes Projekt der von der Weltbank finanzierte Versuch, den Fluss
Save im ehemaligen Jugoslawien zu reinigen und damit auch die Wasserreinheit der Donau entscheidend zu verbessern – ein Vorhaben, welches durch den
Konflikt und schliesslich den Krieg in
diesem Gebiet gestoppt wurde.
Allgemein begann aufgrund der
Umweltkrise Anfang der 80er Jahre ein
erst jetzt registrierbarer, folgenreicher
Paradigmenwechsel im Weltbild der
Künstler, der zu einem neuen Rollenverständnis geführt hat. Als ein die Künstler
auf diesen Weg begleitender Coach
kann «Art in Nature» gelten. Mit der so
bezeichneten Kunstbewegung verfolgen
seit der Mitte der 80er Jahre Künstler
aus verschiedenen Ländern, die miteinander in Verbindung stehen, das Konzept den Aussenraum als eine Form von
Skulptur zu gestalten.
Das Material dieser Skulptur sind die
Pflanzen und räumlichen Gefüge, in
welche sie gesetzt werden: in die urbane Architektur, in die ländliche Natur
oder in den Garten. Die dabei entstehenden Arbeiten sind nicht stationär,
somit nicht verfügbar und transportabel,
sondern abhängig von Ort, Boden,
Licht, räumlicher Situation – also den
Bausteinen der Kreisläufe.
Die Idee der (autonomen) Gestaltung
tritt zurück auf das Mass, beiläufig wie
ein «Stück Natur» da zu sein. Die Vorgabe für diese Art der künstlerischen
Praxis ist der Kontext. Das Material entzieht sich der Kategorie des fertigen,
beendeten Kunstwerks und das Kunstwerk der Berechenbarkeit, Kontrolle.
Die Wachstumsprozesse des Werks laufen in der ihnen eigenen Zeit ab. Diese
DISP 138
«Pflanzenzeit» des Kunstwerks ist fern
der bisherigen Kunstzeitkategorien, so
wie Smithsons «Spiral Jetty» im Salzwasser ein- und wieder auftaucht.
Durch solche Prozesse und Kreisläufe
errichtet Kunst zwischen Natur als
Gestaltungsmaterial und einer anthropozentrischen Gesellschaft als Reflektor
ein neues Zwischengebilde, einen neuen Kontext.
Schwerpunkt einer solch ökologisch
orientierten Kunst ist nicht mehr die
Kreativität bei der postmodernen Wahl
der vielen Gestaltungsmöglichkeiten,
sondern die Entwicklung von Wahrnehmungsperspektiven, in denen die Natur
nicht nur menschenbezogen, hinsichtlich ihrer ideellen wie materiellen Verwertbarkeit auftritt.
Das neue Rollenverständnis des
ökologisch orientierten Künstlers
Künstlerische Erneuerungsprozesse waren
in der Geschichte der Weltkulturen verbunden mit der teilweisen oder völligen
Adaptierung bzw. der völligen oder teilweisen Zerstörung vergangener Kulturen
und ihrer künstlerischen Formen.
Heute sehen wir eine Tendenz, in der
der ökologisch orientierte Künstler nicht
mehr vor allem als origineller und individueller Schöpfer sich geriert, sondern als
Bewahrer des verbliebenen Restes der
Natur auf der Erde, als Kustode eines
neu entstehenden Wahrnehmungsraumes, als Hirte der Artenvielfalt von Kultur
und Natur, als Ombudsman einer neuen
Allianz zwischen Mensch und Natur. Im
Team mit Forst- und Wasserwirtschaftlern, Soziologen, Geobotanikern, Landschaftsarchitekten wird er als ein sich
selbst bestimmender Generalist zum
Initiator und Moderator für die unermesslich grossen und fast unlösbaren ökologischen Aufgaben der Menschheit.
Der Wandel im Rollenbild des Künstlers könnte radikaler nicht sein: angesichts der Sinnkrise der Moderne will er
weder im Elfenbeinturm produzieren
noch sich in Agit-Prop-Haltungen üben,
er will nicht wieder in die Rolle des Propheten und Sehers schlüpfen, auch nicht
Kunst verflachend anwenden als Design
der Alltagskultur, nicht mehr Arzt oder
Schamane einer maroden Natur sein,
sondern als Ingenieur und Baumeister wirken. Nachdem die Schattenseite der mit
der technologischen und ökonomischen
Expansion fortschreitenden Naturbeherrschung in der Naturzerstörung evident
geworden ist, suchen immer mehr Künstler ihre Identität nicht mehr im anthropozentrischen Geniebegriff (die Kunst als
Steigerung und Vollendung der Natur),
sondern in der respektgetragenen Begegnung mit einer Natur, die als das Fremde
und Unverfügbare belassen wird.
Als Pionier eines solchen neuen Rollenbildes kann Robert Smithson gelten, der
vor 30 Jahren forderte, den Anthropomorphismus in der Kunst zu überwinden
und vom Standpunkt der Erde aus in geologischen Zeiträumen zu denken: «Ich
will eine Kunst, die die von Tag zu Tag
existierende Naturgewalt in Betracht
zieht.» In industriellen Brachflächen wie
aufgegebenen Tagebauwerken sah er
neue Landschaften, die durch künstlerische Eingriffe erfahrbar gemacht werden
sollten in ihrer formauflösenden, entropischen Kraft. Eine vergleichbare Forderung hat die französische Landschaftsphilosophie jüngst erhoben. Für Alain
Roger geht es in der Landschaftserfahrung nicht um die Rekonstruktion eines
anachronistischen Arkadiens und auch
nicht um Rückgriffe auf die Utopien der
totalen Parklandschaft im 18. Jahrhundert wie bei der Land Art des 20. Jahrhunderts, sondern um die Entwicklung
eines neuen Wahrnehmungsmodells für
unsere zeitgenössischen Industrielandschaften.
Die Revolution der Wahrnehmung,
die mit epochalen Erkenntnissen der
Hirnforschung und der Genbiologie einhergeht bzw. diese konditioniert, ändert
mit einer neuen Raum-Zeit-Auffassung
auch das Selbstverständnis des Künstlers und seines Metiers, seiner Mittel.
Auf «Gegenwartsinseln» wird er Zeit
und Raum zukünftig wie eine Plastik
bearbeiten.
Der Bildhauer wird zum «Zeithauer»
und der Maler zum Energiestrom-Fokussierer. Nach dem Zusammenbruch der
endgültig ausgebeuteten Mutter Natur
wird es der Künstler sein, der neue Welten, neue Ressourcen einer weiteren
Natur entdeckt: vielleicht in der Gentechnik als neuem Ambiente, in einer
17
1999
ökologischen Soziologie als einem neuen Feld der Potentiale. Wie auch immer
– und hier unterscheidet er sich von den
Verabsolutierungsbestrebungen artifizieller Ästhetik in der neuen Cyber-HighTech-Welt – bringt er seine Rolle als
Künstler ein, als lebendiges, weil sterbliches Wesen. Wenn also in einem
zukünftigen Kunstgeschehen die Gestaltung der Welternährung konzeptuelles
Kunstwerk, die Biogenetik Materie für
Landschaftsmalerei wird (wie Lennés
Friedhöfe zu den grünen Lungen der
Grossstadt Berlin wurden), wenn Geographie und Topographie neue Leitfäden der Kulturgeschichte werden, so ist
es nur folgerichtig, dass die Harrison
aus Kalifornien gerade dabei sind, für
die Weltausstellung 2000 in Hannover
ein Buch über die politische Ökonomie
der Ökologie und die erforderliche wissenschaftliche Ausbildung des zukünftigen Künstlers zu schreiben – und sie tun
dies sehr bewusst in ihrer Rolle als
Künstler –, und ebenso, dass der Avantgardist heutiger Landschaftskünstler, der
New Yorker Alan Sonfist, sein Lebenswerk mit einem Magnum Opus, dem
Netz von «Time-Landscape-Parks» als
historischen bzw. als vorhistorischen
Raum-Zeit-Pflanzungen über das gesamte
Stadtgebiet von New York City gestreut,
vollendet sehen möchte. Die von ihm
dabei kunstvoll rekonstruierenden Parklandschaften und Gärten weisen sich
eben nicht zuallererst als Kunstwerke
aus, sondern fallen primär wieder der
Natur zu.
Beispiele und Modelle einer neuen
Produktions- und Kooperationsform: die Kunst der Harrisons
Als ein schlagendes Beispiel für die
neue Rolle, die Künstler im Zusammenhang von Landschaftsgestaltung und
Landschaftsplanung mehr und mehr einnehmen, kann das Konzept der Harrisons für eine grossräumige, halb
Holland umfassende landschaftliche
Neuordnung gelten. Unter dem Titel
«Green Heart Vision» stellten sie 1995
auf zahlreichen, gestaffelten und von
ihnen bearbeiteten, riesigen Landkarten
vor, wie der drohenden Zersiedelung
durch die von Rotterdam und Den Haag
DISP 138
auswuchernden Vorstädte («Los-Angelesierung») mit einem Artenvielfalt-Schutzring begegnet werden kann. Sie involvierten ein Heer von Experten, mobilisierten nahezu die gesamte Bevölkerung und erreichten dramatische Änderungen in der Besiedelungspolitik der
Niederlande mit direkten und indirekten
Folgen, die Milliarden von Kronen in
andere, ökologisch wie ökonomisch
wirksamere Bahnen lenkte.
Tatsächlich hatten sie «nur» eine Ausstellung mit Landkarten und Schrifttafeln
hergestellt und im holländischen Gouda
gezeigt. Und erst die Tatsache, dass sie
zwei Jahre später vom Direktor des
Kunstmuseums Bonn und «Art in Nature»Kurators Dieter Ronte eingeladen wurden, diese Ausstellung auch in seinem
Museum zu präsentieren, machte allen
klar, dass es sich eben nicht nur um die
öffentliche Vorstellung und Anhörung in
einem Raumordnungsverfahren handelte, sondern um Kunst.
Ebenfalls in Bonn und direkt gegenüber
dem Kunstmuseum, nämlich in der Kunstund Ausstellungshalle der Bundesrepublik
Deutschland, hatten die Harrisons eine
noch grössere Provokation gewagt: Auf
dem Dach dieser Bundeskunsthalle wurden 1996 abgeschälte Wiesenstücke
unterschiedlicher Artenvielfalt aus diversen europäischen Regionen als Installation
unter dem Titel «Die gefährdeten Wiesen
Europas» ausgestellt. Die notorische Frage «But is it art?» (wie sie ein in den USA
erschienener Sammelband über umweltorientierte Kunst mit rhetorischer Inbrunst
stellt), die bei solch öffentlichen Auftritten
von grenzüberschreitenden Künstlern aufkommt, von Marcel Duchamp bis Joseph
Beuys, war allerdings die Spitze genommen, da die Harrisons durch ihr bisheriges Schaffen beglaubigt sind, also ihr
Kunstanspruch ernst genommen wird.
Ausserdem war durch den Rahmen einer
Kunsthalle eine Aura geschaffen, auf die
bei der anschliessenden Plazierung der
artenreichen Wiesenstücke in einer artenarmen Wiese am Rheinufer («Mutterwiese»), also von arrangierter Natur in die
freie Natur, verzichtet werden musste. Zur
Besichtigung der Wiese auf dem Dach
kamen Hunderttausende von Besuchern
während der Laufzeit der Ausstellung, zur
Mutterwiese nur ein paar Hundert.
Das ökologische Anliegen der Harrisons wurde sehr wohl verstanden und gutgeheissen, auch auf akademischer Ebene. Immerhin hatten sie beide jahrzehntelang gelehrt – doch dies mit Lehrstühlen
für Landschaftsarchitektur versehen, nicht
für Kunst! Insofern war es wichtig darzulegen, was denn an diesem Projekt die
spezifisch künstlerische Dimension sein
konnte, gerade um die Künstler in die
Lage zu versetzen, mit den Kolleginnen
und Kollegen der anderen Disziplinen
gleichrangig umzugehen – also als Künstler und nicht als entlaufene Landschaftsplaner den Dialog zu führen und hinfort
solchen zu erleichtern. Ich schrieb daher
im Bonner Ausstellungskatalog folgende
programmatisch gemeinten Zeilen, die
auch über Harrisons Wiesen-Projekt hinaus Verständnis und Verständigung untereinander erleichtern sollten:
«Es könnte dramatischer nicht sein
und zugleich unspektakulärer: zum
ersten Mal in der Geschichte seiner Spezies sehen wir den Abendlandmenschen
keine Denkmäler mehr bauen für sein
Überleben in einer fernen Zukunft.
Erschrocken von der Beobachtung, dass
die Natur dabei ist, die Erde zu verlassen – wie dies Michael Ende titulierte –,
will er eher tun, was die Naturvölker
immer schon zelebrierten: die Zeichen
der Natur zu deuten. Doch diesmal
nicht, um die Kräfte der Natur einzuspannen in seine künstlich nachgeschaffene Natur, die Technik ist, sondern um
der Natur notfalls beizuspringen, ihren
von ihm gestörten Kreislauf zu erfüllen.
Und der Notfall ist längst eingetreten.
Inmitten der Apokalypse, in der wir uns
befinden, vernehmen wir wieder mit
einer Schlichtheit, wie in der Erzählung
der Grossmutter vom Mond und der
Erde in Büchners Woyzeck und in den
Geschichten von John Steinbeck, ungestört vom Mediensog unablässiger Bilder und Geräusche, eine grosse Legende, auf der Insel des Bonner Kunsthallen-Dachgartens als einer Arche Noah.
Die sie erzählen, Helen Mayer Harrison und Newton Harrison, erkannten
Ende der 60er Jahre, dass wir dabei
sind, uns selber und die Natur aufzuessen, ja dass sogar die Kunst die Ökologie verschlingt, und haben gehandelt –
mit die ersten überhaupt.
18
1999
Doch sie intervenierten nicht, wie fast
alle ökologisch motivierten Künstler, mit
Bildern und Objekten im Naturraum,
sondern im sozialen und politischen
Raum, mit dem künstlerischen Instrumentarium des sprachlichen Diskurses im
Mittelpunkt.
Adressat dieses sprachlichen, sehr oft
poetischen Diskurses ist die ‹community›, also die betroffene Bevölkerung mit
ihren politischen Gremien und ihren
hochspezialisierten Experten. Sie werden mit dem Zauber, der grossen
Erzählern eigen ist und von dem sich
noch alle Zuhörer der Menschheitsgeschichte in Bann schlagen liessen – in
den Höhlen der Steinzeitmenschen und
von Scheherezades in 1001 Nächten
erzählten Märchen –, in eine ökologische ‹Erzählung› hineingezogen, von
den Wäldern zu den Wiesen und wieder zu den Wäldern. Der Atem jahrtausendealter Geschichten über Natur und
Kultur weht da, doch ohne Pomp. Mit
Leichtigkeit, mit Ironie und kritischer
Grazie entfalten die Harrisons ihr rhetorisches Spiel der Worte und vorgeführten Schauobjekte. Im Komplex von 23
ausgesuchten Bildern von den Wiesen
dieses Kontinents erfahren wir, warum
die Beweidung und die Schnitthöhe der
Mahd für die Evolution der Kulturlandschaften genauso entscheidend waren
wie alle Erkenntnisse der Naturwissenschaften in der übrigen Kulturlandschaft, von Kopernikus über Einstein bis
Hawkins.» [1]
Das gigantische Potential einer neuen
Naturwahrnehmung für die Kreativität
interdisziplinär Denkender und Handelnder ist bisher nur von wenigen wirklich
erkannt und genutzt worden. Zwar
boomt das Thema Kunst/Natur nun endgültig, doch ausgerechnet die Zeitschrift
«Kunstforum», die sich wiederholte Male
über die Jahre, als das Thema noch nicht
modisch geworden war, des Phänomens
angenommen hatte, verfehlt in ihrem aufwendig recherchierten Doppelband über
«Künstler als Gärtner/Das Gartenarchiv» (Nr. 145/146) die visionäre, zukunftsweisende Dimension einer Fusion
von Kunst und Natur. Bei solch enzyklopädisch anspruchsvoller Ansammlung
von einschlägigen Materialien scheint
mir die Dynamik, mit der sich gerade
DISP 138
unglaubliche Umwälzungen in der aktuellen Kunstproduktion vollziehen, angesichts einer neuen Wahrnehmung des
Mikro- und Makrokosmos, der Geobotanik, der Biogenetik, der Quantenmechanik, nicht richtig gewichtet zu sein. Die
ganzseitigen Anzeigen zu der New Yorker, danach der Mailänder Ausstellung
«Licht» von Helmut Schober in den zwei
«Kunstforum»-Bänden geben eher eine
Vorstellung, wohin die gemeinsame Reise von Kunst und Natur gehen könnte
und wie sich aus der Naturanschauung
gewonnene künstlerische Energie in
Zukunft umsetzen könnte (vgl. auch die
Ausstellungskataloge «Helmut Schober,
Licht», erschienen bei Electa, Mailand
1998, und «perpetuus transitus – Bilder
von Helmut Schober», erschienen bei
Prestel, München/New York 1997).
Ich stimme der über den beiden Bänden
des «Kunstforums» schwebenden These
einer Entwicklungslinie «Land Art der
60er Jahre – Naturkunst der 70er und
80er Jahre – Plant Art der 90er Jahre»
nicht zu, ohne den wichtigen Stellenwert
von Plant Art bezweifeln zu wollen,
wenn es um das Gesamtthema
Natur/Landschaft/Gärten geht. Die für
Oktober 1999 angekündigte Buchausgabe «trans PLANT – Lebende Vegetation in der zeitgenössischen Kunst» in der
Herausgeberschaft von Barbara Nemitz
beim Hatje Cantz Verlag ist dann ja auch
der vielleicht besser geeignete Rahmen,
mit vermutlich ähnlichem Material wie
die von ihr betreuten Teile der «Kunstforum»-Bände «Das Gartenarchiv» und
«Künstler als Gärtner».
Die neuen Impulse in der Naturkunst
kommen jedoch aus einem Bereich, der
bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist,
sondern erst an seinen Anfängen steht,
wie oben ausgeführt: aus dem Zusammenwirken zwischen Künstlern, Ingenieuren, Landschaftsarchitekten, Wissenschaftlern, kurz: Künstlern und Experten.
Der Künstler der Zukunft wird ein
«Experte der Zukunft» sein, nämlich
einer, dessen Intuition nur wirksam wird,
wenn er sie den Experten der Gegenwart (die ihr empirisches Handeln ja
aus den Erkenntnissen der Vergangenheit beziehen) zur Verfügung stellt.
Nur in solchem Zusammenspiel ist es
denkbar, die schier unlösbaren Heraus-
forderungen auf dieser Erde einzulösen,
wie die Rettung der Natur durch weitläufigen Rückbau ausgebeuteter Landschaften und die neue millionenfache
Gestaltung und Nutzung von ökologisch
wie ästhetisch nützlichen Gärten in den
Ländern der ersten, zweiten und dritten
Welt. Hoffen wir, dass die kommende
Weltausstellung EXPO 2000 Hannover
die Chance ihres Themas zu nutzen
weiss und für die neu zu schmiedende
Allianz «Mensch–Natur–Technik» Modelle aufzeigt, die das gemeinsame und
gleichzeitige Handeln aller mit der
Natur befassten Experten in tägliche
Praxis übersetzen kann.
Mein Dank an die beiden Berliner Künstler Kai Vöckler und Karsten Wittke. Im Verlauf der Zusammenarbeit mit ihnen entstanden Ideen und Formulierungen,
von denen einige in diesem Text referiert sind.
Anmerkung
[1] Helen Mayer Harrison und Newton
Harrison und Harrison Studio, Future Garden, Teil 1: Die gefährdeten Wiesen Europas.
Publikation zur Ausstellung der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Eröffnung: 5.6.1996, Seite 8 und 9.
19
1999
DISP 138
20
1999
Andreas Kipar
Unterwegs zwischen Stadt und Land
auf der Suche nach den neuen Orten
Movement and flexibility are characteristics of the modern (modern?) communication society. Open spaces are the medium
of societies’ manifold activites. In the city,
the synonym of everlasting movement,
perception of space and communication is
more fragmentary and selective. The best
quality of life will more and more be concentrated in the historical centres. At the
same time, the urban fringes are evolving
into localities of ‘’planned informality’’.
Urban experts, including architects, theorise about this system of ‘’informality’’
using the catch phrase ‘’Zwischenstadt’’ –
neither land nor city – as products of the
modern/post-modern urban expansion.
Landscape architects are fond of talking
about city landscapes.
The industrial area of the northern outskirts
of Milan has such special places, only
Abb. 1: Centro storico und die
geordnete Natur
known by a few. To create new central
localities, the re-invention and revitalisation of the city’s everyday life has to be
promoted.
Grand well-known companies like Falck,
Pirelli, Breda etc. have found in North
Milan their ideal location. Since the mid1930’s, creation of a large scale industrial
area to the north of the city has evolved
into the strategically important Milan-Monza access. With their extensive infrastructure, these industrial areas are today the
places which may create the structural
change in which the search for innovative
quality establishes the potential environment of the overall urban structure. The
North Milan Park represents a good example of a statutorily preserved landscape.
Bewegung, Mobilität und Flexibilität
sind Merkmale der modernen Kommunikationsgesellschaft. Der Raum, gleich
ob umbaut oder frei, ist das Medium
unserer vielfältigen Aktivitäten.
Die Sequenz der Räume, die proportional zur Geschwindigkeit des gewähl-
ten Beförderungsmittels wahrgenommen
werden,
bestimmen
Erinnerungen,
Handlungen und Abläufe des alltäglichen Lebens. Die Zugfahrt im Rheintal,
das Autofahren auf dem Lande, die
Fahrradtour in der Landschaft, das
Wandern in den Wäldern, das Laufen
im Park, das Wandeln in den Gärten.
Jede Räumliche Einheit, will sie wahrgenommen werden, verlangt ihre eigenen
Kommunikationspfade.
In der Stadt, Synonym der immerwährenden Bewegung, erfolgt die
Wahrnehmung der Räume und Kommunikation eher fragmentarisch und notgedrungen selektiv.
Aufenthaltsqualität wird zunehmend
in der historischen Mitte formuliert. In
Mailand ist es der Domplatz, die Galleria und die Scala. Charakterisierende
Stadtplätze, Einkaufsgalerien, Flanieralleen, herausragende Architekturen,
Parks und Gärten stehen stellvertretend
für das Gesamtbild einer Stadt. Unterdessen verfallen die Peripherien zu
Orten des planerischen Zufalls. Die Verfügbarkeit und Aneignung der sogenannten Nicht-Orte infrastuktureller Restflächen, Industriebrachen, Baulücken
etc.) kommt nur schleppend in Gang
und benötigt oftmals besondere Pro-
gramme und Anstrengungen (siehe IBAEmscherpark), die einzelne Städte kaum
aufzubringen vermögen.
Stadtplaner und Architekten theoretisieren dieses System der Zufälligkeit
unter dem Oberbegriff der Zwischenstadt – weder Land noch Stadt, ein
Produkt der modernen und postmodernen Expansion. Landschaftsarchitekten
reden hingegen gerne über Stadtlandschaften, ein legitimer Versuch, sich
dem Phänomen der Stadt, ihren Rhythmen, Eigenarten und Gesetzen über das
eher vertraute Medium Landschaft
anzunähern. Nicht, dass Landschaftsarchitekten stadtfeindlich wären, im
Gegenteil, ist es doch die Stadt mit
ihren immerwährenden Aktivitäten, die
den Berufsstand nährt und erhält. In Lehre und Ausbildung ist die Stadt und die
ihr zugeordneten Architekturensemble –
wenn überhaupt – nur ein zweitrangiges
Thema.
Dieter Kienast hat in seiner Lehre und
in seinen Werken ganz bewusst den
Umgang mit urbaner Natur im Spannungsfeld der landschaftsarchitektonischen Gestaltung städtischer und ländlicher Räume aufgezeigt. Im Rahmen
einer seiner Italienreisen trafen wir vor
ein paar Jahren in Mailand zusammen.
DISP 138
Abb. 2: Mailand – Metropolenentwicklung
(1888–1990)
Abb. 3: Stadt und Umland
Im Anschluss an die Projektbegehungen,
vorwiegend im Mailänder Norden,
ging es um die Diskussion um den Wandel und die Wahrnehmung von Stadtlandschaften. Das Entstehen von Landschaften hat etwas mit der zeitlichen
Dimension zu tun, mit der Poesie des
Ortes und der Phantasie des Beobachters, der sie formt, entdeckt, beschreibt
und in seinen Erzählungen an andere
weitergibt. Die «Gastgeber-Aktion» im
Ruhrgebiet ist z. B. eine gelungene Idee,
den oftmals Jahrzehnte währenden Prozess des Kennenlernens zu beschleunigen und Industrielandschaft im Schnelldurchgang ein verändertes Selbstverständnis zu vermitteln, welches Interesse
im In- und Ausland weckt. Die Region
kommt ins Gespräch und wird zu einer
Attraktion für Reisende.
Das Entdecken besonderer Orte im
eigenen Stadtalltag ist dabei um so
schwieriger. Die «Orte der Erinnerung»
aus der eigenen Kindheit sind oftmals
überbaut oder entformt, die Suche nach
dem verlorenen Raum mit Barrieren und
Hindernissen verstellt, neue Räume nur
für Insider oder Eingeweihte erreichbar.
Dabei ist es die Summe vieler kleiner
Räume, geprägt durch ihre ortsspezifischen Eigenarten und Sonderbarkeiten,
die die Qualität einer Stadt nicht nur in
der Peripherie mitbestimmt.
Die Mailänder Peripherie im industriell geprägten Norden verfügt über viele
dieser besonderen Orte, die nur wenige
kennen; das Entstehen neuer zentraler
Orte fördert ihre Wiederentdeckung
und Aufwertung im städtischen Alltag.
Seit Mitte der 30er Jahre zeichnete
sich auf der strategisch wichtigen Entwicklungsachse Mailand–Monza die
Entstehung eines industriellen Ballungsraumes im Norden der Stadt ab. Dabei
spielte das Zusammenwachsen mit den
benachbarten Mittelstädten Sesto San
Giovanni, Cinisello Balsamo und Cologno Monzese eine wichtige Rolle.
Bedeutende lombardische Industrieunternehmen wie Falck, Pirelli, Breda fanden hier ihren idealen Standort. Mit
ihren flächenintensiven Fabrikanlagen
produzierten sie Industrielandschaften,
auf denen sich heute der Strukturwandel
vollzieht und die Suche nach innovativen Qualitäten einer Stadtlandschaft
21
1999
DISP 138
22
1999
Abb. 4: Masterplanung Parco Nord in Milano.
Entwurfsverfasser: Arch. Francesco Borella mit
Andreas Kipar, Landschaftsarchitekt
das Entwicklungspotential des Gesamtraums bestimmt.
Ansätze dazu bietet in einer sehr
anschaulichen Form der «Parco Nord di
Milano», eine landesgesetzlich gesicherte Restlandschaft, die gegen Ende
der 60er Jahre dem drohenden Zugriff
der masslosen Bodenspekulationen entzogen wurde. Die sich auf 600 ha
Fläche entwickelnde städtische Parklandschaft ist in den Blickpunkt der Stadt
Mailand und weiterer fünf Randgemeinden gerückt. Stadtränder und Verkehrsbänder, Industrie- und Landwirtschaftsbrachen, Schule, Friedhof, Kläranlage,
monumentale Villenkomplexe vergangener Zeiten und ein Sportflughafen bilden
die eigentliche Kulisse der Freirauminsel
inmitten des bebauten Stadtraums. Die
Idee des Mailänder Nordparkes geht
bis auf das Jahr 1967 zurück. Im Entwurf eines ersten Freiflächenplans des
Mailänder Kommunalverbandes wird
auf die dringende Notwendigkeit einer
«grünen Lunge» im stark zersiedelten
Norden hingewiesen. Drei Jahre später
organisiert sich ein kommunaler Parkverband, dem neben der Stadt Mailand
und dem Regierungsbezirk die Städte
Bresso, Cinisello Balsamo, Cormano,
Cusano Milanino und Sesto San Giovanni angehören. 1973 wird ein kommunaler Parkverband als autonome Verwaltung tätig, und weitere 10 Jahre vergehen, bevor eine, wenn auch nur symbolische, Baumpflanzung starten kann.
1983 werden die entscheidenden
Weichen zur Realisierung des Parkes
gestellt. Einzelne Baulose werden jedes
Jahr für kleinere, verfügbare Parzellen
verabschiedet. Einfache Aufforstungen
werden durch Baumreihen, -gruppen
und Einzelbäume ergänzt. Nach Jahren
der Erwartung wird das Machbare eingeleitet und in ein grossmassstäbliches
Planwerk eingebaut.
Der Entwurf versteht sich als offener
Prozess, ein «Work in progress», mit
einem städtebaulichen und landschaftsarchitektonischen Ansatz.
Als Metropolenpark ist er ein wichtiges
Teilstück des übergeordneten Grüngürtelsystems des Grossraums Mailand. Die
unerwartet weit ausdehnende grosse
Freifläche, umgeben von der Dichte der
verbauten Peripherie, sind bereits als
Eigenwert zu verzeichnen. Grosszügige
Grünverbindungen in Form von Alleen,
Feldwegen oder einfacher Abfolge neuer
Freiräume ersetzen Strassen und Plätze
und verbinden in alternativer Form das
Stadtgefüge. Kilometerlange Rad- und
Wegenetze werden bereits heute als
beliebte Alternative zum überlasteten
Strassennetz genutzt. Die Linienführung
des Entwurfs setzt sich ganz bewusst mit
der umgebenden Stadtlandschaft auseinander. Weitläufige Achsen strukturieren
den Park und versuchen sich als Ordnungselemente im städtebaulichen Verständnis. Sie gliedern, gestalten Hierarchien und regeln die Beziehung zwischen innen und aussen. Ein offener
Rand steht im Kontrast zur städtischen
Kante, der Übergang in die Parkwelt
erfolgt graduell. Modell für diese andere
Welt stand die lombardische Agrarlandschaft. Sie ist charakterisiert durch eine
kleinteilige Parzellierung, die in einen
grossmassstäblichen Bezug eingebettet
ist. Eine Vielzahl unterschiedlicher Räume stehen den Bedürfnissen der Nutzer
flexibel zur Verfügung. Wiesen, Felder,
Lichtungen und Wälder stellen das Freizeitangebot dar und sind heute Bestandteil der umgebenden Stadt. Die grüne
städtebauliche Oase wird zunehmend
auch von den Anliegern wahrgenommen
und in die eigenen Konzepte der Folgenutzung eingebaut.
Die in der Realisation weit vorangeschrittene Technocity Bicocca, die Umnutzungen des ehemaligen Reifenwerks von
Pirelli, wird sich direkt mit einem Brückenbauwerk an den Nordpark anbinden.
Auf dem Pirelli-Gelände hat sich bereits
die dritte Mailänder Universität etabliert.
Hauptverwaltungen grosser europäischer
Dienstleister folgen und die ersten privaten Wohnungen konnten an die neuen
Eigentümer übergeben werden.
Die kleine Stahlstadt Sesto San Giovanni hingegen wagt mehr als einen
kompromisierenden Brückenschlag. In
DISP 138
Abb. 5: Peripherie, Synonym der Nicht-Orte
Abb. 6: Eroberung einer neuen Natur
Abb. 7: Wege durch die neue Natur
Abb. 8: Ort der neuen Natur
Abb. 9: Parklandschaft in der Mailänder Peripherie
ihren Strukturplänen greift sie direkt den
Parkgedanken in den unterschiedlichsten Varianten auf. Die Nachnutzung
der zentralen Stahlbrache Falck, im Herzen der Stadt gelegen, wurde vor kurzem mittels eines internationalen Ideenwettbewerbs entschieden. Aufgabenstellung war die Vision, ein grünes Herz in
Form eines zentralen Parks zu realisieren. Vor der eigentlichen Nachnutzung,
die eine Mixtur von Wohnen, Produktion, Dienstleistung und Freizeit darstellen soll, soll der Park entwickelt werden.
In der Bandbreite der Ergebnisse
besticht der Preisträger (Gruppe Paola
Viganò) durch einen besonderen
Ansatz. Das Projekt zeichnet sich durch
eine ungewöhnliche Interpretation des
Umgangs mit der Fläche und der Entwicklung aus: nicht ein abschliessendes
Bild, sondern der Prozess ist hier der
Entwurf. Insbesondere wurde die Jury
davon überzeugt, dass die Prinzipien
des zuvor erstellten Grünordnungsplans
weitgehend beachtet wurden und so die
Gültigkeit dieses Planwerks bestätigt
werden konnte. In Paola Viganòs Entwurf werden die Entwicklungsstufen des
Parks sichtbar. Trotz der Offenheit des
Vorschlags legte die Gruppe Wert auf
klare Formen und deutliche Anknüpfungspunkte. Der Entwurf beruht auf der
Herausarbeitung eines grünen Rückgrats entlang ehemaliger Werkgleise.
Dieses Rückgrat ist Bindeglied zwischen
Orten und Dingen, welche voneinander
entfernt und somit getrennt sind. Die vorgeschlagenen Nutzungen sollen lediglich Zeichen setzen und kollektiv sein,
Raum für Alltägliches bieten und nicht
nur isolierten Ereignissen Platz bieten.
Insgesamt hat der Park zunächst eine
minimale Ausstrahlung mit Ruhepunkten: die alltägliche Erlebbarkeit findet in
wiedergenutzten Gebäuden statt und
die durch Anpflanzungen aufgewertet
werden. Der Entwurf zeigt weiterhin
eine neue Parzellierung des gesamten
Raumes, so dass Parkbausteine für hochwertiges Wohnen, Arbeiten und für
Freiräume sichtbar werden, welche
eine Schritt-für-Schritt-Entwicklung möglich machen. Das Projekt des Erstplazierten versteht sich somit als Rahmen für die
Entwicklung des Parks nach zeitlichen
Bedürfnissen und finanziellen Ressourcen
23
1999
und vernachlässigt keineswegs die
Anforderung, Verknüpfungen herzustellen, so dass ein flexibles Gerüst entsteht.
Das Verhältnis zwischen Landschaftsarchitektur und Stadtplanung wird hier
neu definiert. Nicht auf getrennten
Wegen, sondern mit geeinten Kräften
entstehen authentische Orte, in denen
Ästhetik, Sinnlichkeit und Poesie den Alltag und die Lebensumwelt mitbestimmen.
Das Lebenswerk Dieter Kienasts bleibt
uns dabei als gutes Beispiel.
DISP 138
24
1999
Maria Auböck, János Kárász
Thermenpark Blumau –
Versuch über die Transformation eines Ortes
A small rural settlement in Styria, Austria,
with little economic development so far has
been chosen as a location for a new spa. It
attracts visitors from all over Austria, even
Europe and overseas. In consequence there
was need to create a new landscape to
connect the spa with the village: A new
kind of park-concept became a key element for the development of this small
commune. The planning work contains
very different scales: based on a landscape
plan there was developed a detailed park
design and an unusual type of building
development plan.
Vorbemerkungen
Zur Lage der Landschaftsplanung in
Österreich muss man feststellen, dass
hier die grossen thematischen Spannungsfelder Tourismus und Landwirtschaft gravierenden Änderungen unterliegen. Dies liefert der Landschaftsplanung neue, unerwartete Aufgabengebiete. Wir meinen, dass hier die Handschrift des Landschaftsarchitekten Chancen bietet, unter Berücksichtigung regionaler Bezüge zur Entstehung neuer,
markanter Orte beizutragen.
mähliche, langsame, aber durchaus
dauerhafte ökonomische und soziale
Veränderungen im Landschaftsbild oft
nur zeitverschoben abzulesen sind. Die
agrarischen Operationen waren hierorts nicht so tiefgreifend wie in wohlhabenderen Gegenden: Die Geometrie
der Nachkriegsingenieurlogik hat die
Geographie der Landschaft von Blumau, wie sie sich in den 50er Jahren dargestellt haben mag, bloss zur Kenntlichkeit verändert.
Über Nacht kam der grosse Investor.
Einer der wenigen, auch im Tourismus
international agierenden Bauunternehmer Österreichs entschied sich für Blumau als Standort für einen neuen Thermenhotelkomplex. Dieser bildet das
jüngste Glied einer Kette von ähnlichen
thermalen Einrichtungen in der Region.
Die Erlebnistherme, deren Grundstücke
für ein Spottgeld von den örtlichen
Grundbesitzern erworben wurden, ist
von dem Künstler Friedensreich Hundertwasser geplant worden. Das wiederum
steigert ihren Wert über den eigentlichen Zweck hinaus: Denn das für diesen
Maler charakteristische Erscheinungsbild der teilweise in den Hang eingebauten Objekte bietet eine Projektionsfläche für Sehnsüchte und unerfüllte
Hoffnungen von Besuchern aus dem Inund Ausland (und zwar quer durch verschiedene soziale Schichten und Milieus), wie sie eine zeitgenössische
Unerwartete Beschleunigung
Es war ein verschlafener Ort in der Oststeiermark: 350 Einwohner, kaum
Arbeitsplätze, landwirtschaftlich bestelltes Gebiet, überwiegend Nebenerwerbsbauern. Unauffällige Selbstverständlichkeit kennzeichnete das kleine
Dorf: zwischen einem in jüngerer Zeit
regulierten schmalen Fluss, dem Safenbach, und dem ansteigenden Gelände
zum Wald hin gelegen. Die Fluren im
breiten Talboden am anderen Ufer sind
noch weitgehend unbebaut. Deren zum
Dorf hin gerichtete Ränder indes verfügen bereits über Flächenwidmungen
(Erholungsgebiet), die Veränderungen
auch baulicher Art ermöglichen.
Eine vorläufig noch «intakte Landschaft», könnte man – gängigen Vorurteilen folgend – meinen: eine Vorstellung, die sich bloss einstellt, weil all-
Abb. 1: Ortsbild Blumau
Architektur in der Regel nicht zu vermitteln vermag.
So wurde Blumau gleichsam über
Nacht zu einem «Global Player», zum
Beispiel erfolgte die weltweit erstmalige
Präsentation eines neuen Automodells
von General Motors 1998 in der im
Jahr zuvor eröffneten Blumauer Hundertwassertherme.
600 Hotelbetten, 180 000 Nächtigungen, 150 000 Tagesbesucher, 300
Arbeitsplätze sind die bemerkenswerten
Kennzahlen der explosionsartigen Entwicklung.
Erwartungen an eine Landschaft
Die Therme, eingeschlagen wie ein
Komet, liegt etwa 500 m vom Dorfrand
Blumaus entfernt. Die Gemeinde war
von Anfang an bemüht, möglichst viele
der Thermengäste auch ins Dorf zu bringen.
Derartige Einrichtungen funktionieren
international als nach aussen hin
geschlossene (nur mit relativ hohen Eintrittspreisen zu betretende) Areale, die
dem Besucher ein möglichst umfassendes Erlebnisprogramm bereitstellen.
Seitens der Gemeinde war man hingegen bestrebt, eine wirkungsvolle Verknüpfung zwischen Therme und Dorf
herzustellen. Dafür bot sich – aus der
Sicht der Gemeinde – das klassische
Format des Thermenparks an, wofür
DISP 138
bald entsprechende Vorkehrungen in
Form erforderlicher Flächenwidmungen
und des Erwerbs der in Frage kommenden Flächen getroffen wurden. Das Vorhandensein eines Thermenparks bildet
(in der Steiermark) eine Voraussetzung
für die Einhebung einer Kurtaxe und
somit für die Lukrierung von zusätzlichen Einnahmen für das Gemeinwesen.
Dieser Park soll die Gäste gleichsam ins
Dorf hineinziehen, ihnen einen reizvollen Aufenthaltsort auch ausserhalb der
Therme eröffnen. Dahinter steht auch
die Erwartung, dieses Stück Landschaft
würde seinerseits wirtschaftliche Impulse
für bereits vorhandene und künftig neu
entstehende gastgewerbliche und andere touristische Dienstleistungsbetriebe
schaffen oder begünstigen.
Im Oszillieren der Massstäbe
Eine Planungs- und Gestaltungsaufgabe
in einer derartig aussergewöhnlichen
Situation, aufgeladen mit derart hochgeschraubten Erwartungen, stellt eine
nicht eben leichte Herausforderung dar.
Die Gemeinde Blumau (zu einem Drittel)
und das Bundesland Steiermark (zu
zwei Dritteln) treten als Auftraggeber
auf: die Gemeinde mit den dargestellten Erwartungshaltungen, das Land mit
stärker ordnungspolitischen Vorstellungen. Letztere beziehen sich einerseits
auf neue Strategien für das Baugeschehen innerhalb der Widmungsfläche
Erholungsgebiet;
andererseits
auf
Aspekte übergeordneter Landschaftsplanung zwischen Blumau und den benachbarten Dörfern innerhalb der Grossgemeinde. Stehen für die Gemeinde eine
möglichst bald sichtbare und (im
geschilderten Sinne) wirksame Landschaftsgestaltung im Vordergrund des
Interesses, so ist dem Land Steiermark
(Abteilung örtliche Raumplanung) eher
an der Schaffung und Sicherung eines
längerfristig tragfähigen Landschaftsgerüsts sowie der Entwicklung (und
experimentellen Erprobung) eines variablen Reaktionsrepertoires angesichts
der gewaltigen Veränderungen vor Ort
gelegen.
Mögen Umstände und Dimension der
Transformation Blumaus einmalig sein,
ihre strukturelle Charakteristik ist es kei-
25
1999
Grundgerüst
Abb. 2: Neu angelegter Grundwasserteich
Der Safenbach – die östliche Grenze
der bisherigen Bebauung in der Ortschaft Blumau – bildet das eigentliche
Rückgrat des benachbarten, an der
westlichen Flussseite gelegenen Thermenparks. Entlang des Flusses führt der
Hauptgehweg des Parks; östlich der
Safen wurde durch sieben Baumriegel
eine räumliche Grunddisposition entwickelt. Diese versetzt gepflanzten,
gleichsam «tanzenden Baumstreifen»
aus standortgerechten Gehölzen folgen
im wesentlichen der Flurteilung bzw.
Abb. 3: Bucht entlang der Safen, vor der
Pflanzung
neswegs. Das Hereinbrechen der Erlebnis- und Ereigniskultur in einen bis dahin
völlig konträren sozialen und wirtschaftlichen Kontext des ländlichen Raumes
trägt
durchaus
verallgemeinerbare
Züge: Vor Ort neue Formen und Ausmasse der kommerziellen Verwertbarkeit von Land und damit Landschaft
schaffen zwangsläufig neue Perspektiven der Entwicklung, stellen neue Fragen an Planung und Gestaltung.
Unser Aufgabenbereich umfasst planerische und gestalterische Interventionen wie die vorausgehende Planung der
Landschaft des sogenannten Thermenparks (13 ha), sodann eine Bebauungsplanung für Teilbereiche desselben
(Erholungsgebiet), des weiteren Bebauungsstudien für bestimmte Nutzungen in
Randzonen innerhalb und ausserhalb
des Thermenparks (Radhotel, Reitzentrum) und reicht bis zu der Pflanzplanung der Parkflächen und dem Entwurf
von zwei Brücken über die Safe und
dem Design von Sitz- und Liegemöbeln.
Die diesen so unterschiedlichen Aufgaben zugrunde liegende gemeinsame
Fragestellung betrifft die «Suche nach
dem Unprätentiösen» angesichts der
riesigen Umwälzungen vor Ort: Wie
soll, wie kann das Selbstverständliche in
Blumau künftig aussehen, welche Möglichkeiten und Erfordernisse ergeben
sich daraus für Landschaftsgestaltung
und Architektur? Inwieweit stellen die
vorhandenen Planungsinstrumente (z. B.
die Bebauungsplanung) brauchbare
Anleitungen bereit oder bedürfen einer
experimentellen Weiterentwicklung.
Abb. 4: Nördliche Brücke über die Safe
Abb. 5: Südliche Brücke über die Safe
Abb. 6: Kollektion Parkliegen
DISP 138
wickelt, das verschiedene Wirkungen
von Tiefe und Weite in der Parkanlage
entstehen lässt. Das zweite prägende
Element des Grundgerüsts bilden Obsthaine (Mostäpfel, Mostbirnen), welche
das Weichbild des Thermenparks insbesondere in den für eine zurückhaltende
bauliche Nutzung (E+1) vorgesehenen
Randbereichen akzentuieren. Sie markieren selbstverständliche Übergänge
nach aussen wie nach innen.
Die als Folge der Therme notwendig
gewordene neue Ortszufahrt mit Brücke
über der Safen (angebunden an die
eigens errichtete Umfahrungsstrasse)
durchschneidet das Areal. Der Umgang
mit diesem Tatbestand fügt sich in die
Parkgrammatik. Dieses Trennungselement wird nicht kaschiert, sondern in
das Gesamtkonzept integriert. Die viel
zu steile Böschung des zur Brücke
führenden Strassenbauwerks (eine typische verkehrsingenieurtechnische Massnahme ohne zwingende Begründung)
wird deutlich entschärft, der Thermenpark gleichsam über die Strasse gezogen: Auf der einen Seite wird die
Brückenanfahrt von einem der Baumriegel begleitet, auf der anderen Seite ziehen sich die Obstbäume den ansteigenden Hang bis zur Strasse hinauf.
Einlagerungen
Plan: Lageplan Parkentwurf
brechen diese mitunter bewusst. Sie
schaffen eine durchlässige Kammerung
des Areals, die nicht zu streng angelegt
ist und reizvolle Blickbezüge offenlässt.
Dadurch, dass diese Baumstreifen mal
näher, mal entfernter von der Safen
ansetzen, wird ein Raumgefüge ent-
Wir waren um eine Haltung bestrebt,
welche den Park aus der Überlagerung
mehrerer (teils widersprüchlicher) Layer
entstehen lässt, also um eine Vorgangsweise, die für die aktuelle Transformation Blumaus charakteristisch ist: Keineswegs sollte und konnte ein Thermenpark
im traditionellen Sinne (mit Rosarium
und Kieswegen) entstehen.
Das zunächst geschilderte Grundgerüst bildet den vertrauten, sich auf die
Geschichte und Tradition der Region
beziehenden Layer des unaufgeregt
Normalen, eben in einer variierten, für
die Aufgabenstellung weiterentwickelten
Ausformung. Den zweiten Layer bilden
die Einlagerungen aus dem Assoziationspotential Park: ein grosser Grundwasserteich mit reichhaltig bepflanzten
Flachwasserzonen, eine durch Steinsetzungen markante Bucht am Safenbach
sowie Solitärpflanzungen exotischer
26
1999
Gehölze. Zum dritten Layer gehören
jene Interventionen, die aus der Landwirtschaft vertraute Pflanzungen (Obst,
diverse Feldfrüchte) in verfremdeter
Form aufnehmen: etwa die an gespaltenen Akazienstämmen hochgezogenen
Weinspaliere, die als Raumteiler, Paravents gleich, im Park eingesetzt werden;
oder wie Wildstaudenflächen eingesetzte Ansaaten von Raps, Sonnenblumen,
Phacelia und Lythrum.
Bauinseln
Im südlichen Teil des Thermenparks galt
es für ein Gebiet mit der Flächenwidmung «Erholungsgebiet» einen Bebauungsplan zu entwickeln. Die seltene
Chance für eine innovative Vorgangsweise ergab sich aus dem Umstand,
dass hier der Landschaftsentwurf der
angedachten Bebauungsweise voranging (und nicht umgekehrt). Auf Basis
des (oben erläuterten) Gundgerüstes
des Thermenparks wurde – in Abstimmung mit den fünf Grundeigentümern –
im südlichen Teil des Parks ein 35 m tiefer Streifen entlang der Safen festgelegt,
der nicht bebaut werden darf und ein
allgemein zugänglicher Teil bleiben
muss. Östlich davon wurden für die einzelnen Parzellen 2–3 sogenannte
Bauinseln mit einer Fläche von jeweils
32x24 m definiert. Diese können nach
bestimmten Spielregeln höchstens zur
Hälfte überbaut werden, wobei diese
Widmungsform bloss touristische Nutzungen (Pensionen, Buschenschanken,
eventuell in Kombination mit integrierten
Einfamilienhauswohnformen)
zulässt.
Die Bautiefe kann maximal 10 m, bevorzugt 8 m betragen. Die höchstzulässige
Gebäudehöhe wurde (anders als in
Österreich üblich) nicht mit dem Traufenpunkt, sondern dem Firstpunkt festgelegt (6,7 m); im Geltungsbereich sind
keine Zäune gestattet. Die mögliche
Bebauungsdichte liegt weit unter der im
Flächenwidmungsplan ursprünglich vorgesehenen Kennzahl. Diese Festlegung
wurde auf dem Hintergrund eines allseits akzeptierten Landschaftsentwurfes
unter Berücksichtigung der tatsächlich
angestrebten Ausbauvorstellungen der
Parzelleneigentümer entwickelt.
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1999
Steen A. B. Hoyer
Architectonical Planning – or how to make space
and landscape into architecture – and reverse
This article is dedicated especially to Dieter
Kienast. The idea of the article is a theoretical chapter – as a charter –, an integrated
architectonic landscape and town-planning
model with focus upon Denmark. A model
seen as a tool, or process, more like a
design. The two examples are made to
illustrate some of the general ideas.
Project 21
The Project’s Starting Point
In planning, in the development of housing and in construction, the architectural
images reflect the organisation of society.
Therefore, the architectural images
change in time with the changes of society.
Any change in images is a result of
rational changes in production, combined with theories and ideas describing the overall reasons and characteristics of the development.
The development of the cultural landscape, the landscape of the town, the
spatial plan of the town and the architecture of buildings are results of these
changes in conditions.
The transformation of the townscape
and the aesthetical norms are found only
in the artistic praxis interpreting the
changes in technology, science and
organizational structures.
The Image of the Project
Cause and effect
In the 20th century the belief in science
was unlimited and the emblem became
a dynamic, horizontal pattern – globally
and homogeneously. Culture was in
contrast to and in conflict with the concept of nature.
Today science is experienced in relation to – among other things – random process and nature. Universal knowledge is
substituted by specific knowledge. The
emblem is delimited vertically and composed at random. The concepts of culture and nature are interlaced.
Space technology is contributing decisively to this development, and – in fact –
viewed from space, the earth is a fragile
embryo. In the light of local and global
measurings, environmental conscious-
ness becomes society's common objective. The floating space of landscape
and its temporary elements becomes the
emblem of the concepts of culture and
nature.
The ecological issue and the consumption of resources become dominant
factors. The metabolism of society is
minimized at the same time as energy
and waste depositing are becoming
active urban elements. Solar cell panels
and solar collectors together can cover
33% of the electricity/heating consumption. Biomass from energy forests
and energy crops will cover 75% of the
heating consumption. Off-shore windmill aggregations cover about 50% of
the electricity consumption (Energy Plan
21 from the Ministry for the Environment). The plan's time frame is 30 to 50
years.
Society will change from a purely
mechanical technology into an IT-based
technology. Physically speaking, the
localization becomes independent,
because the transport of raw materials
becomes something secondary as environmental, everyday aspects become
the essential things.
Summary
The most important social changes is the
change in attitude to issues of environment and resources and the development of information technology, seen in
continuation of the welfare model of
modernism.
Wind and sunlight will cover the electricity consumption, biomass, geothermal heat and sunlight together will be
able to cover the demand for heating.
Therefore the structure of energy and
resources, settlement and work becomes
the main key to the development of the
architectural images at all levels – when
focussing on integration and decentralization.
And so the architectural strategy of
planning changes from being directly
controlled by its physical contents to
being defined indirectly by its space
and the resistance offered by the space
of landscape. Those dimensions are not
absolute, but have to be defined politically and architecturally. The IT-product
is new knowledge, not goods – its na-
ture and expression do not create images and forms like the mechanical
technology did.
In Denmark knowledge and soil are
the most plentiful resources. Knowledge
ought to be the main article.
The Project in Practice
• The country as a whole is looked
upon as an urbanized landscape. The
legislation for urban and rural areas is
modified. The localization of production
is decided upon considering a minimization of environmental impact, locally and as to transport.
• All projects contain a plan for energy, transformation and dismantling,
based upon an energy supply containing 20% renewable energy.
• Functional zoning is not needed and
production, habitation, recreation service and depositing are fused. Fusion
and contrast of scale become the key
concepts.
• The effect of the integration of functions and the elusive flows of energy of
the IT technology is that the architectural
control has to be indirect, as the borders
are defined by the outside world, by
landscape wedges, corridors, plates
and walls, and cannot be controlled
directly by constructions void of images.
Defining the space becomes the key in
all scales, and the precision and resistance of the space become decisively
important.
• Locally, areas open to the public
must constitute 75% of open space in
the plan – areas for transport use not
included. This ensures an individual
understanding of society and a spatial
and recreational local quality.
• The environmental impact from the
transportation net will decide the utilization prospects of the plan. The noise
and pollution factor is defined, and projects may be developed or closed down
according to EIA principles.
• The built-up areas will be more anonymous, simple and flexible, and will be
identified by changing logos. This situation will have as a result that the space
of landscape will create the characterization, a role formerly played by the
object being a 'landmark'. Focus will be
on traffical junctions. The building mate-
DISP 138
28
1999
Fig. 1.1, Industrial and service area, Copenhagen
Fig. 1.2, Homogeneous surface and woods,
work in progress
Fig. 1.3, Woods and open areas, work in
progress
Fig. 1.4, Woods and forest in progress
rials must be manufactured locally. The
costs of running and maintaining the
building must not amount to more than
10% of the costs of the building.
The Project’s Consequences
The culture landscape will change in the
direction of a more collage-like, urban
landscape in which biomass and other
methods of energy production will be
dominant spatial elements in a mainly
ecological agricultural landscape. The
expanse of the surface and the precise
borders/walls will still be dominant on
account of the spatial architectural control and the built-in contrast of scal, – but
– due to the new principles of urbanization and the reorganisation of agriculture – in a far more flexible and complex space. The temporary and flowing
space will result in layers/plates – crevices/settlements – wedges and anchors
becoming architectural key concepts for
reading the spatial expression, because
they clarify the conditions of organisation in the global dynamic.
The urbanization will have various
expressions. 1) Town extension, 2) town
dilution, 3) town condensation, 4) town
innovation and 5) town transformation
will occur simultaneously. 1) Extension
seen in relation to the country as a
whole, 2) dilution seen in relation to
older urban areas, 3) condensation
seen in relation to the suburb, 4) innovation seen in relation to one-sided,
heavily strained areas and 5) transformation seen in relation to the reorganisation of functions.
Example 1
Industrial Area in Glostrup,
Copenhagen
The homogeneous surface with boxes is
the point of departure – and the idea of
a doubleness in relation to the organic
and the inorganic space. This thought
must be understood in relation to
society's idea of knowledge and the fact
that culture may be regarded as part of
the concept of nature. Spatially inter-
preted this may be expressed through
vertical elements of complex organic
and inorganic nature in different mutual
relationships.
Example 2
Deposit Landscapes
in Reclaimed Areas
Lolland, Denmark
”The Play”
1. Here this line of thought is applied to
a process immediately calling for supplementary vegetation on a number of
building containers in their own plan
logic.
2. As the firms move out, the buildings
are taken over gradually by the forest
and their plan pattern is used in a
system of plantations. At some time, the
whole area will have been converted –
even though from the time the plan is
coming into force, we consider the
whole industrial area a forestlike park.
The plantations may consist of almost
all sorts, from larch, birch and European
aspen to lime, chestnut, thuja, spruce
and cherry – but only one sort in each
plantation area.
The strategy is about creating an entity from industry, park and forest, seen at
any given time – and to create a development which is not one-dimensional
linear, but contains a process and a
balance continually forming new changing entities – again and again.
The sky, the soft light and the mist are
strong impressions in this open horizontal landscape.
The question to answer was how to
handle X-million cubic meters of earth in
a time span of X years, so the project
was always finished – as a process and
not a design.
The motives became: A) the historical
creation of the landscape with the relative levels of surfaces, and B) the floating of time and material, the slow process.
From drawings on the motives, a special language is created for the project.
All the elements of earth have the
same horizontal level, with its own collage of lake and water landscapes. One
new landscape surface, among other
artificial or natural landscape levels.
One new landscape surface of the past,
the future or the present. With woods of
energy, solar cells, lakes and waterlilies.
The motives of water landscapes on
the elevated surfaces are an experience
and a contrast made possible by use of
DISP 138
29
Image 2.1, Area of resources and deposits,
Lolland, Denmark
Image 2.2, Floating design motives
Image 2.3, Examples
Image 2.4, Section. Layers of landscape levels
and horizons
the local bentonite, the source of the
whole project.
The water, the light and the floating
and relative landscape used as motives
in a new artificial landscape surface of
contrast, collage and energy.
1999
DISP 138
30
1999
Han Lörzing
Landscape Architecture and Landscape Planning:
Friends or Foes?
If you like caricatures, consider these two:
one is the landscape architect as a heavenly inspired artist; the other is the regional
planner as the single-minded technician.
There seem to be people who believe there
is some truth in both. Personally, I don't
think so. In my career I met all kinds of
designers and planners and none of them
lived up to these caricatures. Designers
turned out to be practical thinkers with an
open eye for the feasible, while planners
had at least a reasonable understanding of
spatial quality. Still, the biases remain: for
many people, planning and design are
extremes that will never meet. Or, in extreme cases, the two are seen as enemies
rather than allies. From my own experience, I will try to answer the question: are
landscape architects and landscape planners friends or foes?
After working many years in a transition
zone between planning and design, I
believe that the two can not be separated properly. Rural planning is a field of
integration that should incorporate
design matters as a necessary tool for
improving spatial quality. The recent
emphasis on high quality design as a
selling point for new developments
housing and commercial clearly show
that design is not just a matter of random decoration. Increasingly, planning
and design of green areas as a pseudonatural setting for these new developments happens to be one of the most
important factors in creating the desired
image to sell a project. Landscape
architects have discovered this new
chance to become one of the key players in the planning process instead of
just being the mere decorator of somebody else's ideas.
A lot has changed in Dutch landscape
design and planning in the last 30
years, and I was lucky to be there when
all this was happening. In the early
seventies I started working as a junior
designer in the design studio of the city
of Amsterdam. In those days, the design
of urban open spaces was still very
much a public matter: nearly all parks,
squares and playgrounds were not only
commissioned by public bodies but also
designed by municipal (and sometimes
provincial) in-house design studios. For
a young landscape architect, the park
department of the city was the place to
be, much more than the average private
design studio. And among these cities,
Amsterdam stood out as the shining
example of up-to-date park design. This
was not only because the city of Amsterdam commissioned a number of parks
and other public open spaces that few
cities were able to rival, but also because the design studio of the department of parks had developed a genuine
style of its own that was immediately
recognizable as the 'Amsterdam postwar park design school'.
What was so special about this
Amsterdam-style park architecture? In
my view, they had managed to reconcile
the old and established romantic park
design (itself the aftermath of the English
Landscape Movement) and the functional needs of the modern Volkspark (a
strongly socialist-inspired movement that
originated in Germany and Scandinavia). The parks built in postwar Amsterdam rationalized the clumps and serpentines of the romantic park to a certain extent so that Volkspark features
like playgrounds, soccer fields and
mass-recreation lawns could blend in.
But they never went so far as to create a
fully functionalist park. When I started,
this 'rationalized romantic approach'
was still very much alive. You could feel
the Amsterdam design spirit in the air
when you entered the simple, one-storey
wooden buildings in which the design
studio was accommodated. Chief designers like Egbert Mos and Jan-Willem
van der Meeren went from drawing
board to drawing board, keeping the
principles alive (and of course making
sure they were being observed). There
was a strong feeling of togetherness, an
'esprit de corps', that made a uniform
design approach the most logical thing
on earth.
I felt proud to be part of this collective.
Under close supervision, I designed a
couple of public courts in the Bijlmer-
meer, a new housing area that took the
principles of the functionalist Congrès
International d'Architecture Moderne to
the extreme. Housing, business, traffic
and recreation were strictly separated
and the overall design looked like the
worst Corbusian nightmare come true:
giant ten storey hexagonal blocks, some
of them 600 meters long, set in a continuous open space. Oddly enough, we
designed the public courts between
these rational superblocks as romantic
parks, with quickly-growing shelterbelts
to soften the effects (both physically and
visually) of the buildings, enhanced by
meandering footpaths and meandering
waterways. Nobody, including myself,
believed it was a strange idea to add
romantic park features to this futuristic
urban environment.
Looking back after many years, the
way in which the city of Amsterdam
designed its parks seems a thing from
another planet. The park department
has been thoroughly decentralized
since then. Like the city itself, the department was divided up, establishing
several boroughs, each with its own
park department. In this situation, it is
virtually unthinkable that there can be a
city-wide design style. Even the memories of the old centralized design studio
have gone. Recently, when doing research for a book on park design, I found
out that the studio's archives had disappeared and that only some drawings
were recoveced because elder designers had taken them home with them!
An even more radical change had
taken place in the commissioning of
park designs. The city of Amsterdam (or
rather its new boroughs) still creates
many new parks and other public open
spaces. But nowaday practically none
of these is being designed by a municipal service, as was very much the
custom in the early seventies. Today
parks are being designed by private
designers, hired by a municipal body.
For a young designer, the park department is hardly the place to be anymore.
In my years as a junior designer for
the city of Amsterdam, I worked primarily as a one-dimensional landscape designer. In later years, I became aware
that our profession should deal with
DISP 138
more than creating artificial environments.
The change came when I was working
for the Province of South Holland. Let
me explain: South Holland is one of the
twelve provinces of the Netherlands and
with over 3 million inhabitants (of a total
of 15.5 million for the entire country) by
far the most populous. With the second
(Rotterdam) and third (The Hague) city
of the country within its boundaries and
with few publicly accessible areas for
outdoor recreation, South Holland started as soon as in the early fifties with an
ambitious program to create large park
and forest areas in the polders around
the big cities. And just like Amsterdam
developed a style of its own for urban
parks, South Holland became the national example for park design on a
regional scale. To give an idea of the
size of the operation: of the five largest
projects to be undertaken, the Oude
Maas Park Project south of Rotterdam
was designed to cover an area of 750
hectares while the Rottemeren (Lake
Rotte) Park Project north of Rotterdam
should become, after completion, the
largest of all with 900 hectares.
For a park designer, this was close to
heaven. Most of these huge park areas
were to be designed within a short period of time. Even the most modest detail
of any of the projects was in itself larger
than the average urban park. And, like
in Amsterdam, all projects were designed by an in-house design studio that
was part of the regional government.
There were disadvantages too. The most
serious was the fact that designing park
areas on such a vast scale became inevitably a matter of routine. Like the rationalized romantic style of the Amsterdam
city parks, the South Holland regional
parks of the second half of the seventies
had a distinct style of their own: a
sober, straightforward approach that
tried to introduce elements of the sacred
romantic style in a way that they looked
almost naturally in their country-side
environment. In spite of their low-key
appearance, they suffered from a
severe misunderstanding. The countryside of the western part of The Netherlands (where the province of South
Holland is situated) is a completely man-
made, rational and artificial polder
landscape. In this landscape, the most
natural thing is the straight line
drawn by the early settlers and the nineteenth-century engineers. The regional
park areas with their serpentines contrasted sharply with the straight and parallel parceling of the polders.
When I became head of the South
Holland design studio, I began to understand that time had come for a change.
In professional magazines and official
reports, landscape architects, environmentalists and leisure sociologists were
complaining about the stereotypal and
artificial appearance of newly-created
recreation areas in the Netherlands.
They demanded a way of designing
with more understanding of the specific
landscape and ecology of the site. Discussing the matter with my design staff,
I realized that the Province of South
Holland was in a unique position:
because of the sheer size of our outdoor
recreation areas, we had a greater
opportunity than any other official or
private landscape design studio to make
a difference. After making experimental
drawings, we came up with the idea to
make the existing landscape and ecological conditions the primary driving
force behind the design of regional park
areas without losing the attractive side
of park design.
Our first 'landscape approach park'
was the 150 hectare Reeuwijk Forest
Park north of the city of Gouda, directly
accessible from the Hague–Utrecht freeway. Here, maintaining most of the
north-south pattern of narrow strips of
meadowland separated by ditches
became the main feature of the design.
Within this idea, we operated as freely
as we saw fit. Some of the ditches were
filled, others were widened to make
ponds, canals or wetlands. By introducing clumps and groves on formerly treeless strips of meadowland, we created
space for recreation within the framework of the existing landscape.
In our design for the Loet Forest Park
(east of Rotterdam, situated in a similar
polder landscape) we took the idea
even further. Unlike the Reeuwijk Forest,
a recreational environment adapted to
the landscape but obviously man-made,
31
1999
the Loet Forest was to become nothing
less but a subtle accentuation of the surrounding landscape. Visitor facilities
should be as modest as possible. Simple
nature trails, narrow wooden bridges
and native species were to create an
environment that seduced the visitor to
explore a genuine Dutch wilderness laid
out in the straight pattern of a manmade polder landscape.
A couple of years afterwards, working for the regional government of Rijnmond (the Greater Rotterdam Area) within the province of South Holland on the
350 hectare Bernisse Recreation and
Nature Conservation Area, we introduced ecology on a large scale as part
of our park designs. We respected an
existing geese migration route by leaving
a central part of the area open, as ecologists told us that the birds would never
come back if they found trees in their
way. We designed willow groves in the
shallow banks of the main waterway,
thus providing shelter and nesting facilities for various birds and other species.
As a design, the Bernisse Project was an
example of ultimate integration: not only
did we bring landscape features and
ecological principles into the park
design, but we also tried to make Land
Art (a new art form of the seventies) part
of the overall plan by employing two
landscape artists as members of the
design team. It is ironical that their success lies in the fact that their contribution
in the design process is hardly visible as
'autonomous art' because during the
process they almost became park designers themselves working side by side
with landscape architects and ecologists.
In the early eighties, I was no longer an
aesthetically-inspired landscape architect designing parks. Together with a
growing number of my fellow professionals in the Netherlands, I had developed into the field of integral environmental design.
The late eighties saw a further development of integrated rural planning. A
now famous example is the proliferation
of 'new nature' projects throughout the
country. In retrospect, the crucial
moment was the awarding of the first
prize in a design competition: the year
DISP 138
Fig. 1: Park design follows the existing landscape pattern in the Loet Forest (design Ludo
Leestmans, supervision Han Lörzing, 1976)
Fig. 2: An early example of “new nature” in
the Bernisse Area (design Hugo Nooteboom
and others, supervision Han Lörzing,
ca. 1980)
Fig. 3: Urban designers and landscape architects involved in a planning exhibition (part of
the “conscientious scenario design” for Redesigning The Netherlands, in Beurs van Berlage Amsterdam 1986 and Bouwcentrum Rotterdam 1987, by Jan Heeling, Henco Bekkering and Han Lörzing)
was 1986, the designers were a team
around urban and landscape planner
Dirk Sijmons, and the idea was to create new nature reserves in the river
marshes of the Rhine by partially removing the lower embankments that restricted the river to a narrow bed most of the
year. When, in a first experiment near
the university town of Wageningen, the
river was set free to inundate much of its
winter bed, planners and visitors were
surprised to see how quickly the appearance of a prehistoric river marsh landscape returned to the once tamed river
Rhine.
Since then, creating new nature has
become almost routine in the Netherlands. Not only on the banks of our
great rivers but also around more
modest streams, in urban parks, on
wastelands and on roadsides, natural
qualities sprang up like they had been
waiting to be kissed awake by the planners. The Dutch-American journalist
Tracy Metz described the 'new nature'
phenomenon in her recent book, in
which she expressed both admiration
and astonishment for the eagerness with
which her new country embraced the
idea that nature, first and for all, is a
planning matter.
After working for a couple of years as
a designer of landscape and nature-oriented regional parks, I was offered a
chance to change and in a way to broaden my view to become project manager of the regional development plan for
the eastern part of the province in South
Holland. This meant that I quit hands-on
design work to become an integral planner, albeit for a predominantly rural
area: the South Holland part of the wellknown 'Green Heart' of the Randstad
Holland. The main problems of Eastern
South Holland were diverse. The most
important was the controversy between
the national planning policy towards the
Green Heart (which is aimed at preserving the Green Heart as an open,
unspoiled meadow landscape between
the largest urban areas of the country)
and the aspirations of local politicians
to make their towns and cities grow, if
possible even faster than the national
average. But the Green Heart also saw
a seemingly never-ending animosity be-
32
1999
tween farmers and environmentalists
over the preservation of ecological
values in everyday farming practice.
Eastern South Holland was a region
undergoing many changes in those
days. In dealing with the problems, I
had to work more or less closely with
local politicians, officials of national
agencies, developers, representatives of
farmers organizations, environmentalists and, perhaps typical for the circumstances in those days, groups of locals
visiting 'participation meetings' where
they were encouraged to have their say
in the planning process. Of course,
landscape designers have to explain
their ideas before official and sometimes unofficial audiences. But here, in
the process of preparing the new planning document for the future development of Eastern South Holland, I began
to sense that participation was the real
name of the game. After years as a designer, now I had to act more like a
moderator, a diplomat, a reconciler.
Looking back, you might wonder if my
work as a designer and my work as a
regional planner were in any way related. From the outside, they appear to be
set in different worlds. But personally, I
never experienced a sharp turn in my
career. When park design and rural
planning are described separately,
there seem to be many differences: in
the scale of the work, in the work environment, in the level of abstraction, in the
broadness of vision. Still, the way I see
it, rural planning is very much something like a continuation of landscape
design using other means. The scales
are different, but a landscape design for
a large area begins to grow towards a
regional plan. The work environments
differ, but large designs require multidisciplinary teams that begin to resemble
the complex structure that is needed for
regional planning. The levels of abstraction differ, but only gradually. The broadness of vision differs, but the larger a
design, the more various interests have
to be reconciled. In retrospect I believe
there is a blurred area somewhere in the
middle where design changes into planning and vice versa. It is still a matter of
discussion if large-scale rural planning
can be called 'design' in any way, but I
DISP 138
am certain that, while working as a
planner, I still felt and thought as a designer. Definitely, there is a 'design component' in planning. For me, there is no
real contrast or even a great deal of difference between landscape design and
rural planning.
In the second half of the eighties, I
explored deeper and deeper into the
field of regional planning. After having
written some articles and a critical booklet on the subject of modern landscape
planning (and especially its low
appraisal) I was invited to take part in
one of the most exciting planning experiments of that period in the Netherlands. Nederland Nu Als Ontwerp (a title that can best be translated as 'Redesigning The Netherlands') became a
publicity-generating chain of events, culminating in two widely-advertised exhibitions. It was not only an exercise in
(ultra) large-scale design, but also an
attempt to make the public aware that
planning was an important tool to get a
grip on a common future (the project ran
well into the 21st century with 2050 as
its horizon) and that large-scale plans
can be seductive in their presentation.
When I had completed my regional
development plan until its adoption by
the provincial council in 1987, the province wanted me to head a small but
highly qualified planning team. We
studied new urban developments
throughout the province in a time when
ambitions were sky-high. After more
than a decade of relative quiet, cities all
over the country were planning their
expansion, as trust in the economy
brought large numbers of prospective
buyers on the housing and office markets. Also, as a counterpart of the national Fourth Report on Physical Planning,
we drew up a provincial outlook into the
coming century called 'South Holland
beyond the year 2000'.
It may sound strange to some, but
nobody seemed to be surprised that a
landscape architect by profession was
actually working as an urban and regional future planner. Obviously, by that
time landscape architects had overcome
the stigma that they were college-educated gardeners, spending their days visiting tree nurseries and designing flower
33
1999
Fig. 4: Regional planning by landscape architects and urban designers: development
scheme for Southeast Utrecht Province by
Lörzing & Keijsers Planning and Design,
1992/93
borders. Instead, we were taken seriously in the field of large-scale planning,
partly because our professional education left enough room to study rural and
urban problems, partly because of the
important role landscape architects had
played for years in the Dutch planning
system. Soon, it became acceptable for
a landscape architect to design urban
environments (as is demonstrated by the
marvelous work done by the former Bakker & Bleeker design office for cities like
The Hague and others) or even, as
shown by the work of Adriaan Geuze in
the Amsterdam docklands, new residential areas. The relative ease with which
landscape architects have entered the
domain of urban designers remains surprising, even more when one realizes
that border-crossings in the opposite
direction (town planners designing
parks, for instance) are rare or even
non-existent.
By 1990, I was so deeply involved in
large-scale planning that I began to
wonder if I still had any design skills left
at all. Although the work for the province was rewarding in itself, I wanted
to spend more time on actual park and
landscape design. Together with my
good friend and colleague Wim Keijsers, an urban planner from the province of South Holland, I started a private
office in the city of Utrecht. We called
ourselves 'regional planners and designers', as to emphasize that we considered ourselves capable in both fields.
In the beginning, the majority of our cli-
ents were regional, provincial and municipal authorities. Structure plans were
our most wanted products, which shows
that in spite of our name, we were seen
primarily as planners. We took part in
an interesting development in the early
nineties, when urban areas and rural
regions were discovering their potential
to attract people, capital and businesses. Most of the structure plans that we
drew up were commissioned to promote
the region externally and to reinforce a
feeling of self-confidence internally.
Actually, some of them were published
in the form of glossy brochures, aimed
at investors and European subsidy officials.
Later, we were also asked to do more
down-to-earth design work like residential areas, roadside scenery and ecological corridors. Working together with
the British office of Moss Associates, we
also did a couple of park designs of a
regional scale in the North of France.
As those French park areas were designed for recreation as well as for nature
development, I could use my old experience of the South Holland regional
parks like the Bernisse Project and the
Loet Forest Park. In fact, we felt very
much at home in this part of France,
especially because some of the river
landscapes of the North were almost
identical of the wetlands in the Western
Netherlands!
In 1996 I left the office. Since then, I
divide my time between regional planning (at the office of Eindhoven Region-
DISP 138
al Authority) and lecturing landscape
architecture (at Eindhoven University of
Technology). From time to time, I still do
some landscape and park design work
for my old office or for Moss Associates.
Therefore, I combine the skills of a
regional planner (in my work for the
regional government), an urban and
landscape planner (at the university,
where the main subject of my teaching
is 'green urbanism', or designing urban
developments with the help of existing
or designed landscape features) and a
landscape designer (when working on
commissions for parks and other green
spaces). Now which of these three is my
real self? All three of course, otherwise I
would be absolutely schizophrenic. The
skills of working on different scales and
abstraction levels seem to go together
well. In fact, I believe that there is no
solid separation between these fields;
beyond a certain point, regional planning transcends seamlessly into rural
planning, from rural planning to landscape planning is only a small step and,
finally, landscape planning and landscape architecture differ only in their
ends, not in their means.
Because I see only gradual differences between planning and design, I
firmly believe that a good professional
education should encompass both.
Especially the higher levels of abstraction (as used by the planners) deserve
attention: experience shows that those
who have been trained in large-scale
plans and designs can switch relatively
easily into the field of small-scale designs, while for those only trained in
park and garden design, the step
upward in scale is much more difficult to
make.
Coming back to the original question
if landscape architecture an landscape
planning are friends or foes, I hope I
made clear that, at least in my country
in the present times, they are close relatives.
34
1999
DISP 138
35
1999
Jörg Dettmar
Zwischen Verstand und Gefühl? Das Dilemma der Disziplin
Landespflege/Landschaftsplanung/Landschaftsarchitektur
Too much specialisation in studies of landscape architecture can create a wrong
development. This is going to happen at
German Universities. The discipline is strictly separate into ecological environmental
planning or landscape planning and the
design sector. It seems sometimes that there
is not much understanding and communication between them.
The field of work for the landscape architect becomes more and more complicated.
There are other disciplines which try to
conquer the market. It is absolutely necesary to be sufficiently flexible to encompass
a wide range of tasks. A single specification does not help very much. The combination of ecological know how and design
creativity is the key to a future in this discipline.
The experience resulting from the work
within the International Building Exhibition
Emscher Park (IBA) proves this. The central
issue of this work is the development of a
new type of landscape in the Ruhr district
based on the industrial past of this area.
Es gab ein langes Hin und Her an den
Fachhochschulen und Universitäten in
Deutschland um die Bezeichnung der
Disziplin Landespflege/Landschaftsplanung/Landschaftsarchitektur. Dies hatte
natürlich einen Hintergrund. Plakativ
ausgedrückt ging es um die Vorherrschaft. Soll die Gestaltung vorne liegen
oder die «Umweltleitplanung»?
Diese Trennung verschärft sich immer
weiter und dies ist aus meiner Sicht ein
gravierender Fehler. Die Spezialisierung reduziert die heute dringend notwendige Flexibilität der Absolventen im
Arbeitsmarkt. Die Kombination aus fundiertem ökologischem Verständnis und
gestalterischer Kreativität ist der Schlüssel für die Zukunft der Disziplin. Das ist
mein diesbezügliches Resümee aus der
Arbeit in der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park in den letzten
zehn Jahren.
Wenn man sich Prototypen der Spezialisten anschaut, fragt man sich, ob
eine Kombination eigentlich überhaupt
möglich ist:
• Die «Ökologen» unter den Landschaftsplanern orientierten sich an den
«harten seriösen» naturwissenschaftlichen Disziplinen wie Biologie, Geologie oder Ökologie. Der Naturhaushalt
oder die biotischen und abiotischen
Faktoren waren der Massstab. Gestaltung wurde nur toleriert, solange sie
die «objektiven» Vorgaben zur Sicherung des Naturhaushaltes nicht beeinträchtigte.
• Die «Gestalter» oder Objektplaner
orientierten sich vor allem an der Architektur und der Kunst. Der Mensch als
schaffendes und gestaltendes Wesen
war der Massstab und die Orientierung.
Wissenschaftliche Grundlagenerhebungen oder ökologische Ausrichtungen
der Gestaltung wurden oft genug als
lästige Einengung empfunden.
Zugegeben ist dies Schwarz-WeissMalerei. Leider bildet sich dies aber in
den Ausbildungsstätten der Disziplin in
Deutschland, den Fachhochschulen und
Universitäten ab. Die meisten Studienordnungen schreiben vor, dass sich die
Studenten entscheiden müssen, welche
Richtung sie im Hauptstudium vertiefen
wollen. Offensichtlich haben die beiden
Menschentypen, die dahinter stehen,
auch Probleme, miteinander umzugehen. Wie sonst lässt sich die bis zum
Grabenkrieg führende Aufspaltung der
Landespflegeausbildung z. B. in Berlin
und München erklären? Die Primadonnen der Hochschullehrer, die Protagonisten dieses Theaters, verfolgen dabei
vor allem ihre persönlichen Leidenschaften.
Ich möchte wenige Teilaspekte zur
Verdeutlichung herausgreifen: Das Herz
der Landschaftsplanung ist der «traditionelle» Landschaftsplan. Über die Effektivität dieses Instrumentes lässt sich trefflich streiten, hart ausgedrückt ist er aktuell in Deutschland wohl am Rand völliger Bedeutungslosigkeit angekommen.
Die Gründe sind bekannt, die Klagen
der Planer auch. Viele Landschaftspläne
haben bei mir immer eine Krise ausgelöst. Neben den Aussagen zum
Schutz des Naturhaushaltes waren sie
bei ihren Entwicklungsvorschlägen oft
nur Ausdruck von Hilflosigkeit. Es waren
die ewig gleichen Möblierungen oder
«ökologischen» Aufwertungen mit den
Intarsien der jeweiligen Kulturlandschaft. Und es war trotz aller Diskussion
über die Zukunft unserer bislang landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaften ein schon fast zwanghaftes Festhalten
an der Vergangenheit.
Der Traum in der Landschaftsarchitektur ist die Gestaltung eines neuen Parks.
Hier gibt es in den letzten Jahren auf
den ersten Blick eine grosse Vielfalt an
Entwürfen, Gestaltungsansätzen und
planerischen Ideen. Auf den zweiten
Blick entpuppt sich vieles als aufgemotztes Design für den Verkauf. Dafür
bestand kein Mangel an Kreativität in
den letzten Jahren. Eine wirkliche Weiterentwicklung der Gartenkunst jenseits
der Variation von Inhalten des englischen Landschaftsparks war jedoch nur
selten auszumachen. Interessanterweise
sind einige der neuen als wegweisend
bezeichneten «Parks» in Europa vor
allem wieder aus Stein, Beton, Stahl und
Holz gebaut. Kann das auch damit
zusammenhängen, dass die Kenntnisse
über Böden, Pflanzen, Pflege und Unterhaltung bei den Landschaftsarchitekten
ständig abnimmt? Dies korrespondiert
oft auf tragische Weise mit den aktuellen Kenntnissen im Garten- und Landschaftsbau.
Was sind die Erfahrungen mit Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur im Rahmen der IBA
Emscher Park ?
Der «Emscher Landschaftspark» ist das
Herzstück der IBA Emscher Park und ein
sehr wichtiger Impuls zum Strukturwandel im Ruhrgebiet. Deshalb kommt der
Landschaftsgestaltung
eine
grosse
Bedeutung zu. Die Quintessenz des
Emscher Landschaftsparks ist die Verbesserung der weichen Standortfaktoren mit dem Aufbau landschaftlicher
Qualität in einer ausgebeuteten und verbauten Industrielandschaft. Es geht um
320 km2, sieben regionale Grünzüge,
hunderte von kleineren Einzelprojekten
und über 30 neue Parkanlagen von 5
bis zu 350 ha Grösse mit einer Gesamt-
DISP 138
investitionsumme von bislang mehr als
einer Milliarde Mark.
Einen Gesamtplan des Emscher Landschaftsparks im Sinne eines Landschaftsplanes oder Landschaftsrahmenplanes
hat es nie gegeben. Der neue Regionalpark ist ein Patchwork aus Einzelflächen, die parallel zueinander entwickelt wurden. Die Auswahl dieser
Flächen war überwiegend zufällig und
richtete sich schlicht nach der Verfügbarkeit. Der Leitsatz hiess auch hier
«Projekte statt Planung».
Es gibt zwar Rahmenpläne für die
regionalen Grünzüge, die parallel zu
den Einzelprojekten entwickelt wurden,
ihr Kern ist aber eher eine Sicherungsund Entwicklungsstrategie für den
Raum. Existierende oder in Aufstellung
befindliche Landschaftspläne spielten
dabei so gut wie keine Rolle. Dies hängt
auch mit der Sondersituation der Landschaftspläne in Nordrhein-Westfalen
zusammen, da sie nur für den Aussenbereich der Städte aufgestellt werden.
Im Ballungsraum Ruhrgebiet führt das
zu grotesken «Pizzarandplänen», die
die wichtigen Flächen zur Vernetzung
von frei besiedelter Fläche aussen vor
lassen.
Die Strategie war, möglichst schnell
Beispiele überzeugender qualitätvoller
und nutzbarer Landschaftsgestaltung in
der Industrielandschaft zu schaffen. Je
mehr solche Beispiele konkret erlebbar
sind, um so grösser wird die Akzeptanz
in der Region für den neuen Regionalpark.
In jedem Grünzug wurden schnell
umsetzbare Schwerpunktprojekte mit
besonderer Bedeutung festgelegt. Es
handelt sich dabei vor allem um neue
«lokale Parks» oder umgestaltete Halden. Erst als der grösste Teil bereits fertig oder im Bau war, wurde es möglich,
die Vielfalt der Ansätze grob zu typisieren:
Industriell geprägter Landschaftspark
Es geht um grossflächige Parkanlagen
(> 50 ha) auf Industriebrachen, die in
ihrer Gestaltung die industrielle Vergangenheit aufgreifen und thematisieren.
Hierzu zählt z. B. der 240 ha grosse
Landschaftspark Duisburg-Nord (siehe
Abb. 1).
36
1999
Wilder Industriewald
Auf Restflächen der Industrielandschaft
wird die natürliche Waldentwicklung im
Verlauf der Sukzession gefördert. Dieser
neue Wald auf Industriebrachen bedeutet ein Stück «Wildnis in der Stadt». Das
Hinterland des Denkmalensembles Zollverein in Essen ist ein Beispiel für diesen
Typ (siehe Abb. 2).
Abb. 1: Der Landschaftspark Duisburg-Nord
mit dem stillgelegten Hüttenwerk im Zentrum
Abb. 2: Das wilde Hinterland der Zeche Zollverein in Essen
Abb. 3: Die Halde Schurenbach in Essen mit
der Stahlbramme von Richard Serra
Halden/Deponien/Landmarken
Fertiggeschüttete Berghalden oder rekultivierte Deponien, die für die Freiraumnutzung hergerichtet und teilweise mit
künstlerischer Bearbeitung zu Landmarken umgestaltet werden. Dazu zählt
z. B. die Serra-Skulptur auf dem speziell
gestalteten Haldenplateau der Schurenbachhalde in Essen (siehe Abb. 3).
Stadtpark in der Industrielandschaft
Dies sind kleinere Parkanlagen (< 25
ha), die im Zusammenhang mit bestehenden Siedlungen, neuen Wohnquartieren oder Gewerbeparks im Rahmen
der IBA gebaut werden. Sie umfassen
Teilbereiche von Industriebrachen oder
industriell geprägten Restflächen und liegen meist im städtischen Bereich. Ein
Beispiel ist der Park in dem neu gestalteten Quartier Prosper auf der ehemaligen Zeche und Kokerei Prosper in
Bottrop (siehe Abb. 4).
Park der vorindustriellen Kulturlandschaft
Hier werden Reste der land- und forstwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft umgestaltet. Die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung wird in veränderter Form in der neuen Parkanlage
fortgeführt. Hierzu zählt der Gehölzgarten Ripshorst in Oberhausen (siehe
Abb. 5).
Den meisten der rund dreissig neuen
Parkanlagen liegen Gestaltungswerkstätten oder Wettbewerbsverfahren
zugrunde. Die Palette der Gestaltungsansätze ist sehr breit. Sie reicht von sehr
traditionellen Ansätzen bis hin zu neuen
experimentierenden Formen der Gartenkunst. Ein bisschen war es durchaus das
«try and error»-Prinzip. Am Anfang des
DISP 138
37
1999
Abb. 4: Das neue Quartier Prosper in Bottrop
mit dem zentralen Park
Abb. 5: Der Gehölzgarten Ripshorst in Oberhausen
Abb. 6: Industriekultur und Industrienatur im
Landschaftspark Duisburg-Nord
Emscher Landschaftsparks war die Identität und das Gesicht der nachindustriellen Kulturlandschaft durchaus noch völlig offen. Im Laufe der ersten fünf Jahre
kristallisierte sich aber immer mehr heraus, dass besonders jene Ansätze, die
auf die Besonderheiten der industriellen
Vergangenheit und die Gegebenheiten
der Brachen eingehen – ohne sie völlig
umzuformen –, zum ideellen und gestalterischen Kern des Emscher Landschaftsparks wurden. Die beiden Elemente Industriekultur und Industrienatur
stehen dabei im Vordergrund. In herausragender Weise ist dies im Landschaftspark Duisburg-Nord gelungen
(siehe Abb. 6). Deshalb ist er auch zum
Symbol für den gesamten Emscher Landschaftspark geworden.
Das richtige Mass zu finden zwischen
aktiver eingreifender Gestaltung und
Ruhe, Verfall und naturbestimmter Entwicklung, bleibt schwierig. Den örtlichen Naturschützern, die z. B. im Landschaftspark Duisburg-Nord die seltenen
Pflanzen- und Tierarten schützen wollten, gingen die Eingriffe zur Gestaltung
viel zu weit.
Dass ungestaltete «wilde» Industriebrachen aber viele Menschen abschrecken und damit die Akzeptanz
für solche Flächen niedrig bleibt, wird
vielfach nicht gesehen. Mit einer gezielten gestalterischen Inwertsetzung von
Teilen einer riesigen Industriebrache wie
dem Landschaftspark Duisburg-Nord
wird versucht, den Zugang zu erleichtern. Die gartenkünstlerische Aufwertung von einzelnen Punkten schafft
Akzeptanz für die «Wildnis» daneben.
Diese Strategie ist in Duisburg auf einem
erfolgreichen Weg. Die Diskussionen
und das Ringen mit den Naturschützern
bleiben spannend.
Ein wichtiges generelles Anliegen der
Internationalen Bauausstellung Emscher
Park war es, möglichst zu vermeiden,
dass gestalterische und ökologische Ziele gegeneinander ausgespielt wurden.
Gefragt war eine überzeugende Kombination.
Dahinter stehen vor allem strategische
Aspekte. Ein anderes Beispiel zur Verdeutlichung: Die vernutzte Industrielandschaft an der Emscher hatte in den Köpfen der Menschen keinen anderen Wert
als Standort für eine bauliche Nutzung
DISP 138
Abb. 7: Der Tetraeder auf der Halde Beckstrasse in Bottrop
zu sein. Die nachhaltige Entwicklung
landschaftlicher Strukturen setzt eine
Akzeptanz und vor allem auch Liebe bei
der Bevölkerung voraus. Dies kann aber
nur entwickelt werden, wenn die Menschen überhaupt in der Lage sind, die
Landschaft und ihre Naturausstattung zu
erleben. Gefördert wird die Akzeptanz
durch einzigartige positive emotionale
Erlebnisse mit dieser Landschaft. Dazu
braucht man eine herausragende Gestaltung identitätsstiftender Unikate mit hoher
Erlebnisqualität wie z. B. einen 60 m
hohen Stahltetraeder auf einer Bergehalde als neuen Aussichtsturm (siehe Abb.
7). Der Aufstieg ist ein spektakuläres
Erlebnis, die Aussicht auf die Industrielandschaft kann atemberaubend schön
sein. Dieser strategische Ansatz, «Liebe
zur Landschaft» zu begründen, rechtfertigt dann auch eine Finanzierung aus
dem speziellen Fördertopf «Ökologieprogramm Emscher Lippe».
Ich weiss nicht wie viele Diskussionen
ich über die institutionalisierte Vorgabe,
einheimische standortgerechte Gehölze
auch bei der Umgestaltung von Industriebrachen zu verwenden, geführt habe.
Diese erfordern aber auf den Industriebrachen in der Regel gewaltige Bodenaufbereitungen, und die Gehölze gehen
dann ohne permanente gärtnerische Pflege oft genug ein. Ganz abgesehen
davon, dass rund ein Drittel aller «natürlich» spontan vorkommenden Arten auf
diesen Flächen Exoten sind. Was ist die
potentiell natürliche Vegetation auf Böden
aus Stahlwerksschlacke und Kokereiaschen?
Wie oft musste ich andererseits Landschaftsarchitekten beobachten, die völlig
unpassende Ziergehölze in diese schwierigen Böden pflanzten. Oft genug fehlte
hier die Bereitschaft, sich mit den Standortbedingungen intensiver auseinander
zu setzen und erst einmal zu lernen, was
auf den Böden z. B. spontan wächst.
Es gab mit den für Altlasten zuständigen Ordnungsbehörden über die Frage,
welche spontan aufgewachsenen Pflanzenbestände denn bleiben können,
wenn die Altlasten einer Industriebrache
gesichert werden sollen, oft harte Auseinandersetzungen. War es mit viel
Mühe gelungen, diese Reste zu verteidigen, mussten sie dann auch noch oft
genug gegen die Gestaltungsvorstellungen der Landschaftsarchitekten geschützt werden. Dabei sind diese vorhandenen Strukturen oft die einzigen,
die ohne gewaltigen Aufwand hier
wachsen.
Auf der anderen Seite war es uns
gelungen, mehrere Brachen dauerhaft
für eine naturbestimmte Entwicklung zu
sichern. Auf einer ehemaligen Zechenfläche in Gelsenkirchen war bereits ein
stattlicher Birkenwald herangewachsen.
Die naturschutzbezogenen Entwicklungsvorstellungen der Naturschutzfachleute in den Behörden und Vereinen
sahen aber anderes vor. Da zu Beginn
der Sukzession vor 15 Jahren hier seltenere Pflanzen und Tiere vorkamen, war
das Ziel ein «Biotopmanagement» zur
Wiederherstellung offener gehölzfreier
Vegetationsstrukturen. Konkret bedeutete dies, den Wald wieder zu entfernen.
So fiel der Birkenwald aus Naturschutzgründen.
Immer gibt es gute Argumente für
Handlungen dieser Art, immer sind es
ernsthafte Bemühungen der Akteure.
Nur leider ist es allzu oft sektorales Denken und das hat auch mit der Art der
Ausbildung zu tun.
Wohin sollte der Weg gehen?
Die Quintessenz heisst wohl «Sehen lernen», offen zu sein für das, was man nicht
kennt, um etwas machen zu können, was
man nicht schon immer gemacht hat.
Damit die Fähigkeit sehen zu lernen bei
den Studenten der Landschaftsarchitektur/-planung erhalten bleibt, sollten sie
sich nicht für «Gestaltung» oder «Landschaftsplanung» spezialisieren müssen.
Kann das funktionieren, wo doch oft auch
die Studierenden ihren Neigungen und
Begabungen folgen und sich spezialisieren? Ich halte eine gleichgewichtige Schulung des ästhetischen Gefühls als Basis
38
1999
der Gestaltung und des Verstandes als
Voraussetzung zur Erfassung naturwissenschaftlicher Zusammenhänge für möglich.
Und aus meiner Sicht kann dies der
Schlüssel zur Belebung der Disziplin sein.
Besonders die Landschaftsplanung
steckt in Deutschland derzeit in einer
massiven Krise. Im Zuge der Deregulierungen wird sie faktisch immer weiter
abgeschafft. Inzwischen ist es soweit,
dass selbst ihr Begriff aus dem letzten
Versuch einer Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes verbannt wird. Dies ist
sicher auch eine Konsequenz wirtschaftlicher Krisenzeiten. Aber ein Teil dieses
Problems ist hausgemacht. Der Landschaftsplanung ist es in den letzten 10
Jahren nicht gelungen, einer breiteren
Basis deutlich zu machen, warum man
sie eigentlich braucht. Viel Energie wurde in unglaublich viele Pläne gesteckt
und viele davon verstauben in Schubladen.
Kaum jemand identifiziert sich mit den
abstrakten und eher «unsinnlichen» Zielen der Landschaftspläne. Die sinnvolle
ökologische Landschaftsanalyse und die
Bewertung anstehender Nutzungen blieben abstrakt. Die Entwicklungskonzepte
gingen oft über blosse Reparatur oder
Aufmöblierung nicht hinaus. Das ist
nichts, womit man die Bevölkerung wirklich anspricht. Insbesondere nicht, wenn
der Eindruck sich verfestigt, dies würde
einer wirtschaftlich gewünschten Entwicklung eher im Wege stehen.
Das zunehmende Desinteresse in
Deutschland an Naturschutzthemen und
Landschaftsschutz hat sicher viele Ursachen. Die vielfältig publizierten Horrorszenarien vom sauren Regen, über das
Waldsterben bis zur Klimakatastrophe
werden von den Menschen nicht real
nachempfunden. Natur wird mehr und
mehr zu einem eher theoretisch abstrakten Konzept mit eher religiösen Elementen. Praktischer Kontakt findet für unsere
urbane Gesellschaft vielfach nur noch in
leicht konsumierbaren und bezahlten
Einheiten statt.
Naturschutz und Landschaftsplanung
haben sich schlecht verkauft und es versäumt, ihre Ziele emotional bei der
Bevölkerung zu verankern. Das englische Naturschutzmotto «enjoy nature»
hat eben kein deutsches Pendant.
DISP 138
Verwissenschaftlichung und Rationalisierung in Naturschutz und Landschaftsplanung haben zum Verlust der sinnlichen
Komponenten von Natur und Landschaft
geführt. Eingriffsregelung, Potentialbewertung und Landschaftsbildanalyse sind
Kinder eines mechanistischen Weltbildes.
In gewisser Weise ist die viel beklagte
Abwägung der Belange von Natur und
Landschaft vielleicht eine Konsequenz
von immer segmentierterer Betrachtung
und komplexer Bewertung.
Betrachtet man die in den nächsten
Jahrzehnten sicher anstehenden Aufgaben für die Landschaftsplaner/-architekten in Europa, ist die Zusammenführung
von «Ökologie» und «Gestaltung» gefragt, nur zwei Beispiele zeigen dies:
Wie gehen wir um mit den aus der Nutzung fallenden Landwirtschaftsflächen? In
einigen Regionen wird sich das Gesicht
der Landschaft fundamental ändern. Wie
findet man die richtige Balance zwischen
naturbestimmter Entwicklung und gestalterischem Eingriff, um neue ökologisch
stabile, finanzierbare, aber auch attraktive und anziehende neue Kulturlandschaften zu entwickeln?
Wie gelingt es, die endlosen urbanisierten Wüsten, die Zwischenstädte der
Agglomerationen nachhaltiger zu entwickeln und gestalterische Qualitäten
aufzubauen?
Ich denke, dies sind Aufgaben genug,
Aufgaben, die man nicht sektoral denkenden Spezialisten überlassen kann.
Literatur
Dettmar, J. & Ganser, K. (Hrsg.) (1999): IndustrieNatur – Ökologie und Gestaltung im
Emscher Park. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart.
TOPOS European Landscape Magazine 26,
March 1999 – Internationale Bauausstellung
Emscher Park, IBA – a renewal concept for a
region. (Diverse Autoren + Katalogteil ausgewählter Projekte.)
39
1999
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1999
Gunter Bartholmai
Zwischen den Disziplinen – Planungswerkstätten
The field of work and the curriculum for
landscape architecture is a mixture between urban planning and architecture,
technology and art, botany and surface
areas, natural and social sciences, etc.
Such ambitious training and the high
demands in the field of work requires a
high degree of creativity, inquisitiveness
and a desire for experimenting.
Workshops for planning are perfect “laboratories“ for students to develop new concepts. The deadlines demanded to come up
with new concepts and the concentration
on just one task as well as the communicative atmosphere are ideal for generating
new solutions and strategies in landscape
architecture.
Workshops for designs give transparency
aber auch Stadtplaner und Architekten
bedrängen die angestammten bzw.
erarbeiteten Aufgaben von Landschaftsarchitekten. Die Mehrdeutigkeit des
Berufsfelds ist dabei Chance und Fluch
gleichzeitig. Nach meiner Einschätzung
überwiegen die Chancen dann, wenn
die Arbeitsfelder weiterentwickelt und
mit hoher Kompetenz aufgefüllt werden.
Das alte Lamento von Landschaftsarchitekten, zu spät am Planungsprozess
beteiligt worden zu sein, gilt dann nicht
mehr, wenn sich Landschaftsarchitekten
offensiv in Verfahren und Planungsprozesse einbringen, wenn sie verstehen,
dass in jeder Veränderung auch ein
positiver Impuls enthalten ist, und sie die
angestammte Position des Konservierens überdenken. Landschaftsarchitekten sollen «Anwälte des Grüns» sein,
aber den gestellten urbanen und sozia-
to working methods in the class room as
well as in practice and at the same time
promote direct and informal communication. The methods used in workshop procedures demand the communication of ideas
and results in solving planning problems.
In addition, a very important aspect is
team work and the liaising of anthorities
and the public at large.
Establishing competing groups gives a
greater spectrum of solutions, provokes
thought and new ideas.
In einer frühen Studienordnung der
Gesamthochschule Kassel war als Ziel
der akademischen Ausbildung von
Landschaftsplanern der «kooperationsfähige Spezialist» formuliert – ein Ziel,
das für das heutige Berufsfeld der Landschaftsarchitekten in gleichem Masse
gilt.
Dieses Ausbildungsziel musste auch
Ausbildungsprogramm
sein,
denn
«Kooperationsfähigkeit» setzt voraus,
dass verschiedene Beteiligte an einem
gemeinsamen Werk arbeiten, für das
jeder Mitarbeiter eine besondere Kompetenz einzubringen hat.
Diese spezielle Kompetenz gilt es
nach wie vor und verstärkt zu entwickeln, nur hat sich der Arbeitsmarkt
verändert – Geographen, Biologen,
Abb. 1: Workshop Burbacher Hütte 1990.
len Aufgaben ist nicht nur mit Grün zu
begegnen. Der Kern der Profession
bleibt unverändert, nur gilt es diesen
Kern inhaltlich weiterzuentwickeln und
mit neuen Aufgaben aufzufüllen, ihn an
die veränderten Bedingungen anzupassen, z. B. qualifizierter Umgang mit
Vegetation und Pflanzen, stadtökologische Kompetenz, technische Infrastruktur, alternative Technologie u. ä.
«Die Zusammenarbeit mit unseren
Schwesterdisziplinen Architektur, Ingenieurwesen und bildende Kunst ist uns weniger Notwendigkeit denn Selbstverständlichkeit. Aus der gemeinsamen Arbeit
wächst beiderseitig Innovation.» [1]
Die Position des Landschaftsarchitekten zwischen den Disziplinen Architektur und Bauingenieurwesen, zwischen
Städtebau und bildender Kunst ist dynamisch und den jeweiligen Aufgaben und
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Leistungen entsprechend einmal dominant, andermal nebengeordnet. Wissenschaftliche Theorie und Methodik,
Handwerk und Sozialisation müssen so
entwickelt werden, dass für einen inhaltlich definierten Bereich Verantwortung
übernommen werden kann und damit
der gemeinsam getragene Planungsprozess positiv beeinflusst werden kann.
Es gilt die Arbeitsfelder der eigenen
Disziplin dadurch zu entwickeln, dass in
den Kernthemen eine akzeptierte und
nachhaltig wirksame Kompetenz angeboten wird. Einer dieser wichtigen Themenbereiche ist die Beschäftigung mit
Pflanzen, Landschaft und Natur.
«Natur ist in Stadt und Land selten
geworden. Natürlichkeit ist zum höchsten
Prädikat avanciert. Das Naturangebot
der Stadt ist wie einst das Kulturangebot
zum wesentlichen Standortfaktor geworden. Wir meinen, dass es bei einer noch
nie
dagewesenen
gesellschaftlichen
Akzeptanz dringend geboten ist, Konzeptionen für die städtische Natur (anzubieten). Es gilt die Pflanze als städtisches
Element wiederzuentdecken und nicht nur
als ökologischen oder dendrologischen
Faktor, als architektonisches Raumelement zu betrachten.» [2]
Die Vielschichtigkeit der Betrachtungsmöglichkeiten, die unterschiedlichen
Konnotationen eines Elementes, eines
Objekts, auch eines Gartens oder Parks
sollten bereits Teil der Konzeption sein.
Pflanzen zum Beispiel sind eben nicht
nur Teile einer botanischen Systematik
und alphabetisierte Teile eines Katalogs,
sondern auch individuell farbig, duftend
und werden mit subjektiven Erfahrungen
wahrgenommen.
Das Studium sollte auf die formulierten Anforderungen des Berufsfeldes
dadurch reagieren, dass es neben den
allgemeinen und speziellen Ausbildungszielen entwerferischen Spass,
konzeptionelle Neugier und Experimentierfreude vermittelt und provoziert.
Die (alte) Projektarbeit, ein an praxisrelevanten, komplexen Aufgaben und
aktuellen Fragestellungen orientiertes
Studium, erscheint nach wie vor die richtige Form für die Lehre. Projektarbeit ist
a priori interdisziplinär. Sie hat unterschiedlichste Disziplinen und Methoden
zu integrieren, Theorien und Ideologien
Abb. 2: «Lucy» ist eine neue Bodenreinigungsmaschine, die den Standort für neue
Entwicklungsmassnahmen säubert.
zu diskutieren und ihre Relevanz für das
Lösungsspektrum zu erarbeiten.
Diskursfähigkeit, analytisches Denken
und Denken in Varianten, graphischer
Ausdruck sind Fähigkeiten, die durch
diese Art des Studiums gefördert werden sollen. Unter professionellen Bedingungen spiegeln Ideenwettbewerbe die
aktuellen entwerferischen Trends und
Tendenzen. Planungswerkstätten/Workshops unter Beteiligung von Hochschulen und Universitäten leisten Ähnliches.
41
1999
Planungswerkstätten und Entwurfsworkshops (zu denen wir eingeladen
waren) waren auf der städtebaulichen
Ebene angesiedelt. Die frühen Arbeiten
beschäftigten sich mit der Nachnutzung
industrieller Standorte mit allen Problemen der Kontamination und Zerstörung
des Bodens, der baulichen Enklaven,
der sozialen Folgelasten u.ä. Der Planungsworkshop zur Projektentwicklung
der Burbacher Hütte, Saarbrücken, fand
1989 statt.
«Für mannigfaltige ökologische Herausforderungen sind vertretbare Lösungen zu finden und sehr unterschiedliche,
aber zugleich hohe Erwartungen der
zukünftigen Nutzer verlangen nach
einem städtebaulich anspruchsvollen,
sich verändernden Bedingungen anpassungsfähigen Gesamtkonzept, in dem
qualitativ hochwertige Architektur ihren
Platz im Dialog mit der besonderen
historischen Stätte finden kann.» [3]
Acht Lehrstühle deutscher Hochschulen – überwiegend waren Architekturfakultäten eingeladen – erarbeiteten 22
Vorschläge zur Revitalisierung des Hüttengeländes und zur stadtökologischen
Intervention. Die Bearbeitung war in
den Semesterablauf integriert und wurde von Veranstaltungen und Vorstellungen in Saarbrücken begleitet.
Campus Freising
Planungswerkstatt
Mit Planungsworkshops oder Planungswerkstätten lassen sich einige akademische Ansprüche an die Ausbildung überprüfen und Vergleiche mit anderen Ausbildungsgängen und -formen ziehen.
Planungswerkstätten sind Experimente,
sind Labors für planerische Argumentation. Sie fordern konzentriertes Arbeiten
– analysieren, entwerfen und kommunizieren – und handwerkliches Können.
Durch die breite Streuung von Fachleuten können neue Lösungsstrategien
durch neue, so noch nicht bekannte
Kombinationen entstehen. Insbesondere
dann, wenn Ziele und Probleme nicht
eindeutig definierbar sind, die Aufgaben neu und wenig erprobt oder besonders komplex erscheinen, helfen studentische Entwurfsworkshops bei der Suche
nach Strategien und Entscheidungen.
Im Sommer 1996 wurde das 40jährige
Bestehen des Studiengangs Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität München mit einem internationalen
Workshop gefeiert. Zu den europäischen
Hochschulen, zu denen im Rahmen des
ERASMUS-Programms Kontakte beste-
Abb. 3: Vorstellung und Diskussion des
Arbeitsansatzes der Schweizer Arbeitsgruppe
aus Rapperswil.
DISP 138
42
1999
den zur Verfügung. Die Entwurfsarbeit
wurde von Fachvorträgen begleitet, die
– öffentlich veranstaltet – auch von den
Bürgern der Stadt besucht wurden.
Die Leistungen der Arbeitsgruppen
wurden von einer international besetzten Jury in einem öffentlichen Verfahren
bewertet. Die Ergebnisse wurden den
Bürgern und der Verwaltung der Stadt
vorgestellt.
Abb. 4: Der Steg der AG TU München überquert auch die Hafenbecken und bietet Rastplätze und Aussichtspunkte auf den Hafenbetrieb.
«Grüngürtel» Frankfurt am Main
Abb. 5: Aus der Stadtstruktur heraus entwickeln Kienast und Team eine Verknüpfung
durch das Industriegebiet Osthafen.
hen (Manchester Metropolitan University,
Architectural Association London, Universitat de Evora, Politecnico Milano,
Univerza Ljubljana, Royal Veterinary and
Agricultural University Frederiksberg,
Universität Wageningen), waren eine
Arbeitsgruppe des Interkantonalen Technikums Rapperswil, der Clemson University, USA, und Architekturstudenten der
RWTH Aachen eingeladen.
Auf der Grundlage eines Rahmenplans, der die Stadt Freising, den Campus der Hochschulen und die südlichen
Stadtteile stärker als bisher miteinander
verknüpft, sollten Konzepte zum Campus, zum Verbindungspark Lerchenfeld
und zum Domberg entwickelt werden.
Die Hochschuleinrichtungen, -institute,
Gärten, Brauerei sind ein wichtiger
städtebaulicher Faktor und von überregionalem Interesse.
«Der Workshop brachte das Ergebnis,
dass es (zur Verbesserung der Situation)
... in erster Linie einer besseren Infrastruktur bedarf. Die Darstellung von Studien- und Forschungsinhalten im Aussenraum ist ein wichtiges und heiss diskutiertes Thema.» [4]
Die Arbeitsplätze der studentischen
Teams waren in räumlicher Nähe zueinander angeordnet, so dass Kommunikation direkt möglich war. Werkstätten für
Modellbau, Reproduktionsmöglichkeiten und graphische Bearbeitung stan-
Während einer «Sommerakademie» im
September 1990 bearbeiteten sieben
Landschaftsarchitekturbüros und elf Teams
von Studenten und Hochschullehrern aus
dem In- und Ausland Teilgebiete des «neuen Grüngürtels» Frankfurt am Main.
«Die Entwürfe ... sollten sich ... auf
die Gestalt der Landschaft in der Stadt
beziehen: auf die Brüche der Räume
und Nutzungen, auf die fehlenden
Zusammenhänge und Verbindungen
sowie auf den Übergang von Siedlungsund Freiraum, also auf die Konflikte zwischen Bebauung und Landschaft und die
Aneignungsfähigkeit der Räume für
Erholung.» [5]
Das Neue dieser Arbeitsform war die
konkurrierende Bearbeitung gleicher
Entwurfsgebiete durch freie Planungsbüros und studentische Arbeitsgruppen.
Neben dem Büro D. Kienast mit S.
Kuhn und G. Vogt bearbeiteten unsere
Arbeitsgruppe der TU München (Bartholmai, Hellecke, Meinecke, Nau) und
Gruppen von Architekturstudenten und
-studentinnen aus Barcelona und Los
Angeles das Entwurfsgebiet Ost mit dem
Osthafen, dem Grossmarkt, den Speditionen und Recyclingbetrieben und ähnlichen Nutzungen.
Die planerischen Interventionen des
Büros Kienast und der Gruppe der TU
München sind ähnlich, wenn auch in
Ausformung und Verdinglichung vollkommen unterschiedlich: die heterogenen, funktionalen, ost-west-gerichteten
Nutzungsbänder werden mit einer
gegenläufigen linearen Struktur überlagert oder aufgerissen und so sichtbar,
erfahrbar und vielleicht auch begreifbar. Sie werden dadurch auch mit der
vorhandenen städtebaulichen und Freiraum-Struktur verflochten.
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«Wir folgern daraus, dass der Osthafen einerseits wichtiger Arbeitsplatz
ist. Andererseits ideales Biotop für den
Stadtneurotiker. Das Konzept ... baut
auf die Dualität von Betriebshektik und
Verlassenheit auf und meint: einerseits
Erhaltung der bisherigen Gewerbe- und
Industrienutzung ..., andererseits die
Verweigerung nützlichkeitsorientierter
Freizeiteinrichtungen.» [6]
Die AG der TU München schlägt als
wichtigste Intervention einen Stahlsteg
vor, der die gefahrlose Querung der
Bahnlinien, Ausfallstrassen und Hafenbecken gewährleisten und gleichzeitig
den Betriebsablauf von Gewerbe, Industrie und Hafen nicht einschränken soll.
«Es sind punktuelle Massnahmen, die
im Zusammenhang mit den linearen Verbindungen ein System von ‹Trittsteinen›
für unterschiedliche Nutzungsformen
ergeben. Damit werden interne Verbesserungen für Leben und Arbeiten im
Hafenquartier erzielt, aber auch interessante und spannende Nutzungsangebote für andere Gruppen und zu anderen
Zeiten gemacht. Der Hafen wird so zu
einem besonderen Punkt im Stadtgefüge, bekommt Bedeutung im Bewusstsein der Stadtbewohner.» [7]
Die Suche nach konzeptionellen Antworten mit den jeweiligen büro- oder
hochschulspezifischen Methoden sind
bei Workshops oder Planungswerkstätten transparent und gut sichtbar. Problematisierung, Argumentation und konzeptionelle Reaktion können bei der
Bearbeitung hinterfragt werden. Der
Austausch mit anderen Teams
ist
erwünscht und wird gesucht. Er erfolgt
informell und direkt. Offene Türen und
«das Spiel mit offenen Karten» sind
dabei erfolgsfördernder als anonyme
Arbeitsformen. Gerade die konkurrierende Bearbeitung mit etablierten Büros
wie bei der Sommerakademie in Frankfurt am Main war für die studentischen
Arbeitsgruppen stark motivierend.
Denn trotz Wettbewerb und Konkurrenz erfolgte die Bearbeitung immer in
einer ausserordentlich kollegialen und
angenehmen Atmosphäre. Die Kürze
der Zeit erfordert ergebnisorientiertes,
effizientes Arbeiten, sowohl bei der
Erfassung der planerischen Probleme
wie auch beim Entwurf und bei der Dar-
43
1999
stellung und Vermittlung der Lösungsvorschläge. Teamarbeit und Diskussionsfähigkeit werden ebenso geübt wie die
Kommunikationsfähigkeit mit Auftraggebern, Bürgern und Kollegen.
Die bisherigen Erfahrungen mit Workshops/Planungswerkstätten als besondere
Arbeitsformen für die Lehre und das Studium sind durchweg positiv. Die Konzentration auf eine Entwurfsaufgabe und das
konkurrierende Verfahren setzen Kreativität und Energie frei, die zu interessanten Konzepten führen. Der kontinuierliche Austausch mit anderen Arbeitsgruppen erweitert das Lösungsspektrum und
provoziert neue Gedanken.
«Jene alten Meister in den Werkstätten, jene alten Fechtlehrer, jene alten
Lehrer Gottes, jene alten Philosophen
waren neugierige, sehr neugierige Leute, was das Leben betrifft; sie beschränkten sich beim Unterrichten nicht aufs
Sprechen, sondern gingen spazieren,
diskutierten, hatten Geduld, berührten
alles, kosteten alles, bestellten den
Gemüsegarten mit eigenen Händen,
kochten Suppe und brieten verschiedene Tiere, die sie dann auftischten, zeichneten und betrachteten den Himmel,
zählten die Sterne, lauschten den Winden, litten an Abstinenz oder verzehrten
sich nach Frauen, waren neugierig,
investierten in das Leben, waren nicht
mit wenig zufrieden, wollten nicht irgendetwas, sondern wollten alles oder suchten zumindest alles: Sie suchten das
ganze Leben.» [8]
Abb. 6–8: Offene Arbeitsform während eines
studentischen Workshops in Bremerhaven,
1991.
Anmerkungen
[1] Dieter Kienast, Manuskript 10 Thesen, ETH
Zürich, November 1998.
[2] ebd.
[3] aus: Landeshauptstadt Saarbrücken (Hrsg.):
Projektentwicklung Burbacher Hütte Saarbrücken,
Saarbrücken 1990.
[4] dieses und die folgenden Zitate aus: Bartholmai, G./Gauger, M.: Vom Campus in die Stadt,
Garten+Landschaft 12/1996, S. 27 ff.
[5] aus Koenigs,Tom (Hrsg.):Visionen offener Grünräume, Campus Verlag, Frankfurt/New York, 1991.
[6] aus Koenigs,T.: siehe oben.
[7] AG TU München in Koenigs, T.: siehe oben.
[8] Sottsass, E., jr. In: Burckhardt, L., Design =
unsichtbar, CantzVerlag, Ostfildern 1995.