Geschichte Ausstellung Stahlrohrmöbel-Klassiker
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Geschichte Ausstellung Stahlrohrmöbel-Klassiker
Ausstellung Stahlrohrmöbel-Klassiker Geschichte Die Entwicklung der Stahlrohrmöbel in den 1920/30er Jahren gilt als Meilenstein in der Geschichte des modernen Möbels. Ihre klare Form passte hervorragend zu der sachlichen Architektur und verkörperte einen ganz neuen Einrichtungsstil. Transparenz und Funktionalität kennzeichnen alle Entwürfe dieser Zeit. Die bedeutendste ”Erfindung” war die des Freischwingers, der als eine der wichtigsten Design-Innovationen des 20. Jahrhunderts gilt. Erst das neue Material, kalt gebogenes Stahlrohr, machte den Effekt des freien Schwingens und damit den hohen Komfort möglich. Thonet hatte sich bereits früh für die neue Technologie interessiert und entwickelte sich in den 1930er Jahren zum größten Produzenten von Stahlrohrmöbeln. Bauhaus-Lehrer und vom Bauhaus beeinflusste Gestalter waren maßgeblich an der Entwicklung der Stahlrohrmöbel beteiligt, darunter Mart Stam, Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe sowie Architekten wie Le Corbusier oder Hans und Wassili Luckhardt. Der Einsatz von Stahlrohr stand im Zusammenhang mit dem Willen zu einem Aufbruch in die Moderne, der sich auch in einem verstärkten Interesse an industriellen Prozessen und Materialien und im Konzept des Neuen Bauens manifestierte. Die Werkbund-Ausstellung ”Die Wohnung” in der Weißenhof-Siedlung in Stuttgart 1927 demonstrierte Lösungen für das Neue Wohnen. Hier wurden der Öffentlichkeit erstmals Stahlrohrmöbel präsentiert. Bei der Vorbereitung zeigte der junge Mart Stam seine Idee des hinterbeinlosen Stuhls Ludwig Mies van der Rohe. Stams erster Entwurf verzichtete auf die Hinterbeine, federte aber noch nicht. Mies van der Rohe setzte die Idee bei seinem Sessel S 533 um, 1929 präsentierte Breuer seinen Stuhl S 32. Mart Stam wurde später das Künstlerische Urheberrecht für die kubische Form des Freischwingers zugesprochen. Diese Rechte liegen bei Thonet. Ausstellung Stahlrohrmöbel-Klassiker Thonet-Geschichte Thonet – Pionier des Industrie-Designs. Mit der Erfindung der Möbel aus gebogenem Holz und ihrer Fertigung im Baukasten-Prinzip hat Michael Thonet als erster den Grundstein für die industrielle Möbelproduktion gelegt. Er wurde 1796 in Boppard am Rhein geboren und eröffnete dort 1819 seine eigene Werkstatt. 1842 holte ihn Fürst Metternich nach Wien. Gemeinsam mit seinen Söhnen gründete er 1849 ein Unternehmen, das in kurzer Zeit weltweit erfolgreich war und schnell expandierte. In Fabriken im heutigen Tschechien, Ungarn und Russland wurden über 865.000 Bugholzstühle pro Jahr produziert. 1871 starb Michael Thonet in Wien, das Unternehmen wurde von den Söhnen weiter geführt. In den 1930er Jahren engagierte sich Thonet für Konstruktion und Technik der Möbel aus Stahlrohr und avancierte schnell zum größten Hersteller der Welt. Neben Entwürfen von Architekten wurden zahlreiche werkseigene Modelle produziert. Der Zweite Weltkrieg brachte eine harte Zäsur: die Werke in den Ostgebieten wurden enteignet. Die Fabrik in Frankenberg (Deutschland), 1889 gegründet, ist seitdem Firmensitz und Produktionsstandort. Thonet ist nach wie vor in Familienbesitz, heute ist die 5. Generation verantwortlich für das Unternehmen. Gefertigt werden Klassiker aus Bugholz und Stahlrohr sowie neue Modelle, die gemeinsam mit bekannten Architekten und Designern wie Delphin Design, Stefan Diez, Naoto Fukasawa, Norman Foster, James Irvine, Lepper Schmidt Sommerlade, Glen Oliver Löw u.a. entstehen. Thonet hat ein weltweites Vertriebsnetz. Mart Stam, 1899 in Purmerend in den Niederlanden geboren, war einer der bedeutendsten Architekten der Moderne und ein Pionier des modernen Möbeldesigns. 1927 leistete er einen aufsehenerregenden Beitrag zur WeißenhofSiedlung in Stuttgart – als Architekt und als Gestalter, der mit Stahlrohr experimentierte. In den Jahren 1928 und 1929 war er als Architekt in Frankfurt am Main und als Gastdozent am Bauhaus in Dessau tätig und hielt dort Vorlesungen über elementare Baulehre und Städtebau. Von 1930 bis 1934 arbeitete Mart Stam in Russland und anderen Ländern; danach war er bis 1948 als Architekt in Amsterdam tätig. Im Jahre 1939 übernahm er die Leitung der Kunstgewerbeschule Amsterdam. 1950 wurde er Direktor der Hochschule für angewandte Kunst in BerlinWeißensee. 1953 kehrte er nach Amsterdam zurück. 1977 siedelte er in die Schweiz über, wo er 1986 in Goldach starb. Stuhl S 33 / S 34 (1926) Ab 1925 experimentierte Mart Stam mit Gasleitungsrohren, die er mit Flanschen verband, und entwickelte daraus erstmals in der Möbelgeschichte das Prinzip frei kragender Stühle, die nicht mehr auf vier Beinen ruhten. Damit war ein Konstruktionsprinzip geschaffen, das im Zusammenhang der durch Bauhaus und moderne Architekturtheorie geforderten formalen Zurückhaltung zu einem wichtigen Baustein in der Geschichte des modernen Möbeldesigns wurde. Stam kam es zu Beginn noch nicht auf den federnden Effekt kalt gebogenen Stahlrohrs an, sondern auf die schnörkellose sachliche Form, die sich perfekt in die modernen Gebäude dieser Zeit integrieren ließ. Die Stühle S 33 (ohne Armlehnen) und S 34 (mit Armlehnen) waren die ersten Freischwinger. Sie wurden 1927 in der Weißenhof-Siedlung in Stuttgart eingesetzt. Thonet produziert sie seit dieser Zeit. Stuhl S 43 (1931) Mart Stam setzte bei all seinen sachlichen Entwürfen jener Zeit auf Geradlinigkeit in der Form, auf ästhetische Sparsamkeit der Konstruktion und auf den Nutzen verbesserten Sitzkomforts. Beim Stuhl S 43 kombinierte er das Stahlrohr-Gestell mit Formholzschalen für Sitz und Rücken. Der bequeme Schwingeffekt machte eine Polsterung verzichtbar. Seine klare, zurückhaltende Form macht diesen Freischwinger zu einem exemplarischen Entwurf im Geiste der Moderne. Die technologische Neuerung des kalt gebogenen Stahlrohrs regte auch andere Gestalter zu weiteren Entwicklungen an. Ein langer Streit um Patente und Urheberrechte entbrannte. Mart Stam bekam das künstlerische Urheberrecht für seinen streng kubischen hinterbeinlosen Stuhl zugesprochen. Diese Rechte liegen heute bei Thonet. Sonder-Edition anlässlich 90 Jahre Bauhaus Anlässlich des 90jährigen Bauhaus-Jubiläums fertigt Thonet diesen Klassiker in vielen Farben, die als Strukturlack aufgetragen werden. Alle Modelle tragen ein Sonderetikett unter dem Sitz. Stuhl S 40 Unter der Modell-Bezeichnung B 33 g (= Garten) sind diese Stühle zum ersten Mal im Thonet-Katalog von 1935 abgebildet, auch als stapelbare Variante. In Konstruktion und Gestaltung basieren sie auf dem Stuhl S 43. Heute werden sie wetterfest mit einem Gestell aus Edelstahl gefertigt, die Latten bestehen aus Iroko-Massivholz. Marcel Breuer, geboren 1902 im ungarischen Pécs. Nach einem abgebrochenen Kunststudium studierte er von 1920 bis 1924 am Staatlichen Bauhaus Weimar. Von 1925 bis 1928 übernahm er die Leitung der Tischlereiwerkstatt am Bauhaus, das inzwischen nach Dessau umgezogen war. In dieser Zeit war er stark vom Konstruktivismus und De Stijl geprägt und entwickelte einige Weg weisende Möbelentwürfe aus Stahlrohr. 1928 ging Breuer nach Berlin, wo er vorwiegend im Bereich Innenarchitektur tätig war. Ab 1931 unternahm er eine Reihe von Reisen, bevor er ab 1932 in der Schweiz an mehreren Aluminiummöbelentwürfen arbeitete. 1935 zog Marcel Breuer nach London und war dort als Architekt tätig. 1937 erhielt er eine Professur für Architektur an der Harvard Universität in Cambridge, Massachusetts/USA, und eröffnete dort später gemeinsam mit Walter Gropius ein Architekturbüro. 1946 gründete Marcel Breuer sein eigenes Studio in New York und realisierte zahlreiche Entwürfe in Europa und in den USA. Er gilt als einer der bedeutendsten Architekten und Gestalter der Moderne. Marcel Breuer starb 1981 in New York. Sessel S 35 (1929) Der komfortable Klubsessel wurde 1930 im Pariser Grand Palais als ein Beitrag des Deutschen Werkbundes vorgestellt. Breuer hatte, gemeinsam mit Walter Gropius und Herbert Bayer, diese Premiere zeitgenössischer deutscher Möbelproduktion in Frankreich ausgerichtet. Mit B 35 (damalige Bezeichnung) ist es ihm gelungen, alle Funktionen eines frei schwingenden Stahlrohrsessels in der Konstruktion einer einzigen durchgehenden Linie aufzunehmen. Dadurch entstand eine Dopplung des Freischwinger-Effekts, denn die unabhängig vom Sitz federnden Armlehnen balancieren das Schwingen des nach hinten auskragenden Sitz- und Rückengestells aus. Stühle S 32/S 64 (1929/30) Diese Entwürfe sind die wohl bekanntesten und am meisten produzierten Stahlrohr-Klassiker. Ihr wichtigstes Merkmal ist die ausgereifte konstruktive Form und die geniale ästhetische Verbindung von Stahlrohr, Holz und Rohrgeflecht. Der Entwurf fällt in Breuers fruchtbare Berliner Jahre 1928 bis 1931, in denen er, am Bauhaus ausgeschieden, sich als Architekt und Innenarchitekt selbständig machte und eine Reihe großartiger Interieurs realisierte und zahlreiche Möbel entwarf. Schreibtisch S 285 (1930/31) Der Stahlrohr-Schreibtisch ist ein gelungenes Beispiel für den programmatischen Anspruch des Bauhauses, Kunst und Technik zu einer formalen Einheit zu verbinden. In den Entwurf aus Stahlrohr fügen sich Tischplatte und Aufbewahrungselemente aus lackiertem oder gebeiztem Holz harmonisch ein. Das tragende Gestell besteht aus einer Linie, die hölzernen Elemente scheinen in ihr zu schweben. Das schlichte, in seinen Proportionen formal ausgewogene Möbel verkörpert ein aussagekräftiges Stück Zeitgeschichte, bekannt als „Die neue Sachlichkeit“. Satztische B 9 und andere Beistellmöbel (1925/26) Marcel Breuer experimentierte während seiner Zeit am Bauhaus mit dem Material Stahl und Stahlrohr, indem er die Prinzipien des materialgerechten Möbelbaus folgerichtig von Holz auf dieses neue Material übertrug. Die Nähe zu den Junkers-Werken in Dessau war für diesen Prozess von großem Vorteil. Zu seinen ersten Entwürfen gehören u.a. die Satztische B 9 sowie Regale und Beistellmöbel. Der ThonetSteckkartenkatalog von 1930/31 enthielt das komplette Sortiment. Im Bauhaus-Gebäude von Walter Gropius waren B 9 in der Kantine eingesetzt. Ludwig Mies van der Rohe, 1886 in Aachen geboren, trat mit 22 Jahren in das Architekturbüro von Peter Behrens ein, wo er mit Walter Gropius und Le Corbusier zusammen traf. Bald wurde Mies ein Protagonist des neuartigen Glas- und Skelettbaus der Zeit – Ausschlag gebend war sein Entwurf eines Glashochhauses am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin. Ab 1925 war er verantwortlich für die künstlerische Leitung des Deutschen Werkbundes. 1927 entstand unter seiner Regie die Weißenhof-Siedlung in Stuttgart. 1930 wurde Mies van der Rohe von Walter Gropius zum Direktor des Bauhauses in Dessau berufen, das er am 10. August 1933 auf Druck der NSDAP auflösen musste. Danach emigrierte er in die USA. 1938 folgte er einem Ruf nach Chicago, wo ihm die Leitung der Architektur-Abteilung am Armour Institute übertragen wurde. Er entwickelte sich zu einem der weltweit einflussreichsten Architekten. Seine Stahlgitterbauten mit großflächiger Verglasung wie das Seagram Building in New York (1958) oder die Nationalgalerie in Berlin (1968) zählen zu den Höhepunkten moderner Architektur. Seine Möbelentwürfe entstanden meist in Verbindung mit seinen Bauten. Mies van der Rohe starb 1969 in Chicago. Stuhl S 533 (1927) Gezielte Beschränkung beim Einsatz der Materialien, Eleganz in der Linienführung und Transparenz in der Wirkung sind die charakteristischen Eigenschaften des S 533. Seinen besonderen Komfort verdankt er der Fähigkeit zum dauerelastischen Federn. Dieser Effekt stellt sich ein, weil Mies van der Rohe den vorderen Teil des Stahlrohrgestells als großen Bogen aus federhartem Stahlrohr konzipierte. Bei der Vorbereitung der Weißenhof-Siedlung zeigte Mart Stam seine Idee des Freischwingers Ludwig Mies van der Rohe. Stam kam es primär auf die kubistische, reduzierte Form an, sein erster Entwurf federte nicht. Mies van der Rohe bediente sich der Technik von kalt gebogenem Stahlrohr mit elastischen Materialeigenschaften und entwickelte damit seinen eleganten Entwurf. Sowohl das Modell Stams als auch der schwingende Stuhl Mies van der Rohes wurden 1927 in der Weißenhof-Siedlung präsentiert. Anton Lorenz wurde 1861 in Ungarn geboren. Ausgebildet als Lehrer kam er um 1920 nach Deutschland. 1927 wurde er Geschäftsführer von Standard Möbel, einer von Marcel Breuer und Kálmán Lengyel gegründeten Firma. 1928 gründete er das Unternehmen Desta. In diesen Jahren erkannte er das Potenzial, das in Mart Stams “Freischwinger”-Idee steckte, kam mit Stam zu einer Übereinkunft und begann eine Serie von Prozessen gegen Hersteller von Plagiaten. 1929 übernahm Thonet die Firma Standard Möbel. 1932 übertrug Lorenz alle Rechte des Desta-Sortiments an Thonet und wurde dort Leiter der Abteilung für gewerblichen Rechtsschutz. 1935 wurde das Arbeitsverhältnis bei Thonet beendet; Lorenz blieb weiterhin im Patentrechte-Geschäft tätig. In den 1930er Jahren entwickelte er selbst einige Möbel aus Stahlrohr. 1939 wurde er auf einer Geschäftsreise in den USA vom Kriegsausbruch überrascht, blieb und setzte dort seine Tätigkeit als Möbel- und Patentunternehmer fort. Er starb 1964 in Greenwich/Conneticut. Liege LS 22 (1931) Minimalistische Formen, harmonische Proportionen und fließende Linien kennzeichnen diese Liege. Der Entwurf steht in der Tradition von Daybed und Chaiselongue. In ihm gehen die Klarheit und Sachlichkeit klassischer Stahlrohrentwürfe der späten 1920er Jahre und der mondän-moderne Wohnstil der frühen 1930er Jahre eine stimmige Verbindung ein. Fließend läuft das gebogene Stahlrohr des Kopfteils über in die Liegefläche und in das Fußteil und erzeugt damit eine fast schwebende Optik. Diese elegante Bogenführung ist charakteristisch für den Solitär. Der federnde Komfort entsteht durch das weit gespannte Gestell und der Gurtbespannung. Dazu gibt es eine Polsterauflage. Eddie Harlis, 1928 in Osnabrück geboren, beschäftigte sich bereits während seiner Schulzeit intensiv mit Fragen der Form und Konstruktion. Nach dem Zweiten Weltkrieg und anschließender Gefangenschaft absolvierte er eine Schreinerlehre und studierte danach an der Werkkunstschule Hildesheim. Ab 1953 arbeitete er als freier Innenarchitekt und Designer. Für Thonet entwickelte er eine ganze Reihe von Produkten, andere Kunden waren u.a. COR, Kaufeld, Profilia und WK. Als Innenarchitekt gestaltete er Bars, Restaurants, Cafés und Ladeneinrichtungen. Eddie Harlis starb 1985 auf Mallorca. Stuhl S 664 (1954) Dieser Stuhl mit seinem einzigartigen Charakter, 1954 entworfen, fängt die Atmosphäre von Aufbruch und Optimismus perfekt ein. Die schlichte, geometrisch angeordnete Stahldrahtkonstruktion lässt die darauf ruhende Schale aus Formsperrholz wie ein futuristisches Objekt anmuten, das im Raum schwebt. Die Schale selbst lädt mit ihrer organisch gerundeten und umschließenden Form zum bequemen Sitzen ein. Die Öffnungen im Rücken sind nicht nur visuell ein sehr reizvolles Detail, sie sind auch konstruktiv nötig, um der Sitzschale diese extreme Verformung abzuringen. Ulrich Böhme, geboren 1936, studierte Architektur an der Universität Stuttgart. Im Anschluss daran war er in Architekturbüros in Hannover, Zürich und Stuttgart tätig sowie im Bauamt der Universität Stuttgart. Seit 1971 liegt der Schwerpunkt seiner Entwurfstätigkeit im Bereich Möbeldesign. 1984 entwickelte er gemeinsam mit Wulf Schneider auch das erfolgreiche Stuhlprogramm S 320 für Thonet. 1989 wurde Ulrich Böhme zum Professor für Gestaltung und Darstellungsmethodik an der Fachhochschule Coburg berufen, wo er bis 2001 lehrte. Seit 2001 arbeitet er als frei schaffender Designer in Stuttgart. Schaukelstuhl S 826 (1971) Dieser Schaukelstuhl ist einer der wenigen dieses Typus aus Stahlrohr. Er überzeugt durch seinen außergewöhnlichen, federnden Komfort und seine zeitlose, schlichte Form. Der großzügige, elegante Schwung des in einer endlosen Schleife gebogenen Stahlrohrgestells in Verbindung mit der ergonomisch geformten Sitzschale vermittelt Wohnlichkeit auf moderne, leichte Art. Mit dem Entwurf knüpft Ulrich Böhme an die Tradition von Thonet an. In Typus und Form ist der S 826 eine Neuinterpretation des klassischen BugholzSchaukelstuhls No. 1 von 1860, vom Material her orientiert er sich an den Stahlrohrmöbeln. James Irvine wurde 1958 in London geboren. Seine Ausbildung zum Industrie-Designer am Royal College of Art schloss er 1984 ab. Seitdem lebt und arbeitet er in Mailand bis auf eine Unterbrechung im Jahr 1988, als er in Tokio lebte und dort in der Design-Abteilung von Toshiba arbeitete. Bis 1993 war er Mitglied des Olivetti Design Studios und Partner bei Sottsass Associati bis 1997. 1999 entwickelte er die neue Mercedes Benz City Bus Flotte für Hannover. Im Bereich des Einrichtungsdesigns war Cappellini sein erster Auftraggeber; heute arbeitet sein Studio für international operierende Firmen in unterschiedlichen Bereichen. Für Thonet ist er seit 2003 tätig. Sofa-Programm S 5000 (2006) James Irvine hat einen Sofatyp neu interpretiert, der schon in den 1930er Jahren Bestandteil des Thonet-Programms war: den Archetyp des minimalistischen Sofas mit einer Basis aus gebogenem Stahlrohr. Durch leichte Interventionen entstand ein variables Programm von Sitzmöbeln, das auf einer einfachen, intelligenten Konstruktionsidee basiert: S 5000 ist ein „Baukasten“. Er besteht aus Grundelementen für die Sitzfläche – Ein-, Zwei- und Dreisitzer – und einem Satz an Polsterelementen, die variabel als Arm- oder Rückenlehnen eingesetzt werden können. So entsteht aus einer Liege eine Chaiselongue oder ein Sofa mit Rücken- und Armlehnen. Thonet. Mit der Erfindung der Möbel aus gebogenem Holz und ihrer Fertigung im BaukastenPrinzip hat Michael Thonet als erster den Grundstein für die industrielle Möbelproduktion gelegt. Er wurde 1796 in Boppard am Rhein geboren und eröffnete dort 1819 seine eigene Werkstatt. 1842 holte ihn Fürst Metternich nach Wien. Gemeinsam mit seinen Söhnen gründete er 1849 ein Unternehmen, das in kurzer Zeit weltweit erfolgreich war und schnell expandierte. In Fabriken im heutigen Tschechien, Ungarn und Russland wurden über 865.000 Bugholzstühle pro Jahr produziert. 1871 starb Michael Thonet in Wien, das Unternehmen wurde von den Söhnen weiter geführt. In den 1930er Jahren engagierte sich Thonet für Konstruktion und Technik der Möbel aus Stahlrohr und avancierte schnell zum größten Hersteller der Welt. Neben Entwürfen von Architekten wurden viele Modelle intern im Werk entwickelt. Seit der Zeit ihrer Entstehung bis heute produziert Thonet ein umfassendes Sortiment an Stahlrohrmöbeln, sie alle gehören zu den Klassikern der Möbelgeschichte. Sessel S 411 (1932) Die herausragenden Eigenschaften dieses Sessels sind Eleganz, Zeitlosigkeit und hoher Sitzkomfort. Dazu kommt eine Leichtigkeit, über die nur ein Freischwingermodell verfügt. Während die ersten Stahlrohrstühle kaum mit Polstern versehen waren, so taucht im Katalog von 1935 bereits eine ganze Serie voluminös gepolsterter Sessel und Sofas auf. Vermutlich markiert der Thonet-eigene Entwurf von S 411 den Beginn einer neuen Produktreihe. Die Polster gibt es heute mit Leder, Stoff oder Kuhfell bezogen. Beistellmöbel (1930/31 – 1934) Seit Entstehung der Stahlrohrmöbel bildeten Beistellmöbel einen enorm großen Teil des Programms. In Ergänzung der ersten Entwürfe von Marcel Breuer wurden bei Thonet selbst viele Modelle entworfen. Zum Beispiel der raffinierte Klapptisch B 109, den man mit einem Handgriff in eine Konsole verwandeln kann (1930/31), die Konsole B 108 mit Ablagefächern (1930/31), die Satztische B 97 mit offener Seite, die sich über Bett- oder Sofakante stellen lassen (1933), und B 117, ein schlichter Beistelltisch mit Schubfach (1934).