Bericht der Segelzeitschrift YACHT über die Werft

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Bericht der Segelzeitschrift YACHT über die Werft
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Gründer
Wojciech und Piotr Kot
haben Delphia großgemacht. Mit Maxi stoßen
sie ins Luxussegment vor
Aufbruch
ost
In Masuren hat sich, kaum beachtet, ein Familienbetrieb
in die Top Ten des Serienbootsbaus vorgearbeitet. Und Delphia
Yachts will noch mehr. Zu Besuch bei einem Phänomen
Imageträger. Die erste Maxi 1300, die nach dem
Verkauf der Marke in Polen gebaut wurde
f o to s : Wat e r k a m p i o e n / B . Ko lt h o f ( r . o. ) , w e r f t ( l . )
D
ie Vorpremiere findet Ende
Juni statt, unter Ausschluss
der Öffentlichkeit. Und es
gibt keinen besseren Ort
da­­für als den Werfthafen an
der Martwa Misla, der Toten
Weichsel, die nur wenige Kabellängen westwärts in die Danziger Bucht mündet.
Kein Mensch verirrt sich zufällig in das
Brachland, das nur über verschlungene, reifenmordende und achsenbrechende Straßen zu erreichen ist, vorbei an den vorindustriell geprägten Außenbezirken der Stadt.
Wie eine Barre liegt ein Kraftwerk mitten im
Weg, das ungeschminkt als Schauplatz eines
düsteren Öko-Thrillers dienen könnte. Wer
sich bis dahin noch einigermaßen auf Kurs
wähnte, den beschleichen spätestens hier
ernste Zweifel an der Richtigkeit der RoutenEt venibh ex exerill
uptat.
Ut vel utat. Ut iureet
empfehlung
seines
Navis.
augait
alit lore
tat, volobortis
Eben
aufcommodolore
mehrspurigen
Stadtstraßen
nummod euipit
la feugait
wisim Bürokompleunterwegs,
dieetvon
modernen
xen, Jugendstil-Bauten und Elektronik-Outlets gesäumt waren, trifft der Besucher hier
auf ein Polen, das noch die Ära lange vor der
von Solidarnosc 1989 erzwungenen Wende
verkörpert. Ein jäher Wechsel. Von Marktzurück zur Planwirtschaft sind es nur wenige Kilometer. Und doch herrscht auch dort,
wo es nach Schweröl und rostigem Eisen
riecht, nach brackigem Wasser und feuchtem Holz, derselbe Aufbruchgeist, der Teile
des Landes ökonomisch schon stark vorangebracht hat.
Ein Schild am Eingang zum Hafen von
Delphia Yachts, dem mit Abstand größten
Bootsbauer des Landes, kündigt bereits bessere Zeiten an: eine größere Charterstation,
Verproviantierungsmöglichkeiten, neue Sanitäranlagen, vielleicht gar ein Restaurant.
„Wir investieren hier, um eine moderne In­
frastruktur zu schaffen“, sagt Maciej Kot, der
Marketingleiter und designierte Werftchef.
„Es soll unser Stützpunkt an der Ostsee werden, eine Full-Service-Marina.“
Irgendwann, so hofft er, werde sich auch
die Umgebung entwickeln. Häuser am Wasser, Ferienapartments, bessere Straßen: „In
zwei, drei Jahren kann viel passieren.“ Fast
meint man, in seiner Vision ein zweites
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Wertarbeit
Auf Augenhöhe mit den Besten
W e rf tAre al
CNC-Fräse
Mit 1200 Booten pro Jahr arbeitet der Betrieb
in Olecko an seiner Kapazitätsgrenze
Für den Formenbau setzt Delphia auf
modernste Präzisions-Technologie
I n s e l f e r t ig u n g
Tochterunternehmen
Segelyachten entstehen in einer eigenen
Halle. Der Ausbau ist bemerkenswert sauber
Den Transport erledigt eine Spedition, die
ebenfalls von der Familie Kot geführt wird
Oha-Effekt. Auch in Sachen Design hat Delphia
gewonnen, wie der Salon des Topmodells zeigt
A
m letzten Freitag im Juni prügelt
Maciej Kot, Mastermind der
künftigen Firmenstrategie, seinen 7er-BMW an die Mündung
der Weichsel. Es ist 10 Uhr morgens, und wie
immer hat er es eilig. Der erste Testschlag
mit dem neuesten Modell steht auf dem Programm, dazu eine Fotoproduktion, das Üb­
liche. Aber nicht heute. Heute ist er selbst
dabei. Heute geht es um mehr als ein Boot.
Im Hafen herrscht emsiges Treiben, als
der Junior von Werftgründer Wojciech Kot
seinen schweren Wagen abstellt, Motor und
Bremsen knisternd von der rasanten Fahrt.
Er kommt zu früh, noch sind kleine Arbeiten
zu erledigen. Sein Onkel Piotr Kot ist auch
da, der technische Leiter der Werft. Er putzt,
poliert, dirigiert. Erst tags zuvor hatte er den
Mast gestellt. Auch für ihn ist es ein besonderer Moment. Nicht noch eine weitere Baunummer 1 unter vielen, sondern das Schiff,
von dem sie sich internationales Renommee
erhoffen.
An der tristen Betonpier der DelphiaMarina, die einmal ein Magnet des Yachtsports werden soll, liegt weiß mit blauen und
roten Zierstreifen am Wasserpass eine Yacht,
die es eigentlich gar nicht mehr geben sollte.
Noch so ein Wirklichkeit gewordener Konjunktiv, made in Poland.
Niedriger Freibord, flacher Aufbau, hohes Rigg, ein makellos verlegtes Teakdeck.
f o to s : Wat e r k a m p i o e n / B . Ko lt h o f ( 2, l . o., l . u. l . ) , w e r f t ( 4 )
Die Stärke von Delphia liegt in der Fertigung. Dank hoher
Effizienz, moderner Technik und günstiger Lohnkosten sind die
Polen ein harter Wettbewerber – auch in puncto Qualität
Palma zu erahnen, ein Dubrovnik des Nordens, mindestens aber blühende Landschaften am Ufer der Toten Weichsel.
Darin sind sie gut bei Delphia. Sie sehen,
was ist, denken sich aber sofort, was sein
könnte. Und es hat den Anschein, als ließen
sie sich durch nichts und niemanden von ihren Vorstellungen abbringen.
So haben sie den Betrieb, der erst 1990
mit dem Bau eines Angelbötchens begann,
in Rekordzeit zu einer der ersten Adressen
des internationalen Yachtbaus entwickelt.
Von Januar bis Dezember werden fast 1200
Schiffe die Hallen in Olecko verlassen. Damit ist Delphia der einzige Großserien­
hersteller, der fünf Jahre nach der Finanz­
krise schon wieder Vollauslastung vermelden kann. Nach Stückzahlen sind die Polen
derzeit die fünftgrößte Yachtwerft weltweit.
Eine Werft auf dem Sprung.
Wer sie verstehen will, muss weit reisen.
Nach Masuren, nahe der russischen Grenze,
wo ihre Wurzeln liegen. Nach Danzig. Und
nach Schweden, wo ein Teil ihrer Zukunft
Formen annimmt.
Schon auf den ersten Blick hebt sich das
Boot von den anderen am Steg ab. Erst recht
bei näherem Hinsehen. Auf den versenk­
baren Klampen ist silbern ein Markenname
eingraviert, der Klang hat: Maxi Yachts. Im
Ankerbeschlag aus Edelstahl, per Wasserstrahl geschnitten, steht der Modellname:
Maxi 1300.
Eine Yacht, die Klasse hat. Und Geschich­
te. Eine Neuheit aber ist sie nicht. Der von
Konstrukteur Pelle Petterson gezeichnete
Performance-Cruiser kam schon vor acht
Jahren auf den Markt, als Maxi noch zur
schwedischen Nimbus-Gruppe gehörte.
Dann übernahm Najad. Nach deren Insolvenz gingen die Markenrechte und Formen
vor zwei Jahren schließlich an Delphia.
Für die Polen ist die erste in Olecko gebaute Maxi 1300 dennoch so etwas wie ein
Neuanfang. Mit ihr wollen sie zeigen, wie
ausgefeilt ihre Produktion ist, welch hohe
Qualität sie liefern können, was für ein Finish. Sie wollen beweisen, dass sie auf Augenhöhe sind mit den Besten.
So wie Volkswagen Bugatti gekauft hat
oder der chinesische Computerbauer Lenovo die Thinkpad-Marke von IBM, leistet sich
auch Delphia eine Portfolio-Erweiterung
nach oben. Maxi soll das eher biedere Image
aufwerten und die bisher auf Fahrtenboote
beschränkte Modellreihe um eine sportlichluxuriöse Eigenmarke ergänzen. Es ist der
Versuch, ein Profil zu schärfen, das mit dem
Wachstum nicht Schritt halten konnte.
U
nd, wie sieht sie aus?“, will Maciej Kot wissen. Er klingt regelrecht nervös bei der Frage, von
der so viel für die Werft abhängt.
Dabei ist die Anspannung unbegründet. Die
Maxi 1300 wirkt durch und durch wie das
Original aus Schweden. Nur leichte Modifi-
»Wir wollen
wachsen.
Aber NICHT AUF
KOSTEN DER
SOLIDITÄT«
kationen sind eingeflossen. Substanziell entspricht sie bis auf wenige Abweichungen
dem hohen Standard des skandinavischen
Bootsbaus.
Liebevoll bis in die hintersten Winkel
verkleidete Stauräume, gut zugängliche
Kielbolzen, Bodenbretter aus Teak mit feinen Ahorn-Einlagen, massive Umleimer, mit
Echtholz furnierte Kanten. Der ganze Ausbau warm, gediegen, geradezu klassisch, wie
im Stil eines vornehmen Yachtclubs.
Die Werktreue, mit der die Polen an die
Arbeit gehen, hat fast etwas Rührendes. Ist
diese komplizierte, detailverliebte Art, Yachten zu fertigen, nicht längst von der Groß­
serien-Effizienz bedroht? Finden sich heute
noch genügend Liebhaber, die auch bereit
sind, den Preis für solche Manufaktur-Produkte zu bezahlen? Günstig ist die Maxi 1300
schließlich nicht. Sie kostet 330 000 Euro ab
Werft, ungefähr so viel wie vor acht Jahren,
bei etwas besserer Ausstattung.
Das mag überraschen, weil Delphia eigentlich von unten kommt. Aber die Wahrung des einstigen Preisniveaus zeigt das erstarkte Selbstbewusstsein der Werft – und
ernsthafte Interessen. „Maxi ist für uns mehr
als ein Marketing-Tool“, betont Maciej Kot.
„Es ist ein Geschäftsmodell.“ Damit das
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weiterentwicklung
Stilvorlage. Die Delphia 31
zeigt, wo die Werft mit ihrer
Fahrtenboot-Linie hinwill
werke integriert, ferner Entwicklung, Buchhaltung, Vertrieb. Nur ein Teil des Marketings und das Chartergeschäft werden von
Warschau aus gesteuert. Das sichert kurze
Wege und schnelle Entscheidungen.
Neben der Auftragsfertigung will das Unternehmen
vor allem das Geschäft mit Eigenmarken
ausbauen. Was für Delphia und Maxi in Planung ist
D
isc
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Niemand würde hier einen der führenden europäischen Produktionsbetriebe für
Hochseeyachten vermuten – so fernab vom
Wasser, so weit weg von der nächsten Autobahn, von einem internationalen Flughafen.
Andererseits bietet die Insellage auch VorUmea
FINNLAND
teile. „Die meisten in der Belegschaft sind
Vaasa
seit vielen Jahren dabei“, sagt Wojciech Kot,
Härnosand
„entsprechend erfahren sind die Arbeiter.“
Saimaa
Weil es wenig Alternativen gibt und folglich
Vyborg
Rauma
kaum Fluktuation, ist auch das Lohnniveau
gering geblieben. Ein einfacher Bootsbauer
verdient 800 bis 1000 Euro, Schichtleiter
Narva
rund 1200 Euro. „Das kompensiert die langHanko
Utö
Stockholm
Tallinn wierigen und teuren Überland-Transporte
Haapsalu
ESTLAND und hält uns konkurrenzfähig“, erklärt der
Nördl. Ostsee
63-Jährige.
Kihnu
Doch es sind nicht die Personalkosten alVisby
LETTLAND
lein, die Delphia in die erste Reihe der WerfVentspils
Riga
Gotland
ten gebracht haben. Es ist auch das moderne, bisweilen eigenwillige, vor allem hochN
Klaipeda
Ostsee
flexible Produktionssystem der Polen.
LITAUEN
100 sm
Im Industriegebiet am Stadtrand, mit
Kaliningrad RUSSLAND
reichlich Erweiterungsflächen auf der grüOlecko
nen Wiese nebenan, steht die Zentrale, überDanzig
Kolberg
ragt von einem hohen Schornstein. In den
POLEN
vier großen Hallen ist das Fotografieren
strikt
verboten. Bis auf Teile des Möbelbaus
Warschau
Berlin
und der Edelstahlfertigung sind hier alle Ge-
»Maxi ist
für uns mehr
als ein
MarketingTool«
f o to : Ya c h t / m . a m m e ; z e i c h n u n g : w e r f t, k a rt e : Ya c h t
D
rei Mal schon haben sich die beiden Gründer Wojciech und Piotr
Kot – Landwirt der eine, Tischler
der andere – neu aufgestellt. Erst
mit Sportlake, dem Betrieb für Angelboote
und Kleinkreuzer. Dann mit Sportina, jener
Marke, die den Übergang vom Handwerksbetrieb zur rationalisierten Serienproduk­
tion brachte. Und zuletzt mit Delphia, die,
flankiert von Maxi, international für modernen Yachtbau stehen soll.
Die Stahlbeton-Baracke, in der die Werft
vor 23 Jahren entstand, gehört heute noch
zum Firmeninventar. Aber während früher
Kiel
ganze Boote hier laminiert und ausgebaut
wurden, findet sich inzwischen nur noch ein
Teil der Tischlerei darin. Das schmucklose
Gebäude liegt mitten in Olecko, einer Klein-
stadt fünf Autostunden östlich von Danzig.
Es ist eine einfache, unverdorbene,
landHaparanda
Lulea
schaftlich ungemein schöne Gegend, geHailuoto
prägt von Agrarwirtschaft und dem TourisSkelleftea
mus der masurischen
Seenplatte. Kaum Industrie.
Bo
ttn
funktioniert, lässt er von Pelle Petterson bereits eine weitere, kleinere Maxi zeichnen,
die zur boot 2015 auf den Markt kommen
wird: die 1150. Bis zu vier Modelle sollen es
langfristig insgesamt werden. Die braucht es
auch, um ein Händlernetz aufzubauen und
Eigner langfristig an die Marke binden zu
können.
Ein Kraftakt. Aber darin haben sie ja Erfahrung.
elphia beherrscht so ein relativ
komplexes Produktionsprogramm. Neben 16 eigenen Modellen bauen die Arbeiter in Olecko noch mehr als ein halbes Dutzend verschiedener Yachten im Fremdauftrag für
Werften wie J Boats oder Brunswick. Die einen klein, kompakt und simpel wie die J 70,
andere groß, variantenreich und detailliert
wie die Delphia 46 cc oder die Maxi 1300.
Verblüffend ist die hohe Fertigungstiefe
der Polen. Es beginnt mit dem Formenbau,
dessen Positiv-Kerne aus der eigenen Fünfachsfräse kommen. Bug- und Heckkörbe,
Spezialbeschläge und Sonderanfertigungen
wie Tauchflaschenhalterungen liefert die
Delphia-Schlosserei in feinster Edelstahlausführung. Auch Kabelbäume werden vor
Ort gezogen und vorkonfektioniert. Ebenso
die Zierstreifen, die ein Team selbst ausplottet. Nicht einmal Kleinstserienwerften leisten sich heute so umfassende Prozessabläufe. Für die Kunden aber bietet es einen hohen Grad an Individualisierbarkeit.
„Weil es neben den Optionen noch Raum
für Sonderwünsche gibt, gleicht keine Delphia der anderen“, sagt Eva Jurewicz. Die
Vertriebsleiterin mit dem Energievorrat einer Solarzelle unter Wüstensonne saß einmal in einem Verwaltungsgebäude in Olecko, abgeschnitten vom Herz der Firma. Jetzt
hat sie ihr Büro direkt in der Produktion, getrennt nur durch eine Tür von den Yachten.
„Wenn Eigner anrufen, kann ich sofort zum
Boot gehen und Details klären.“
Bei den Segelschiffen hilft auch das Fertigungsprinzip. Anders als bei den kleinen
Motorbooten, die am Band produziert werden, erfolgt ihr Ausbau in sogenannten Inseln. Der Rumpf bleibt so lange an Ort und
Stelle, bis das Deck aufgesetzt und anlaminiert ist. Erst dann geht er ins Tauchbecken
zur abschließenden Prüfung. Das erlaubt
zeitliche Puffer im Gegensatz zu einer festen
Taktung. Es erfordert aber fähige Bootsbauer, die statt weniger Handgriffe eine Vielzahl
von Aufgaben beherrschen. Und eben günstige Lohnkosten, ohne die ein solches System zu teuer wäre.
So kommt es, dass sich der Familien­
betrieb trotz seiner Größe etwas sehr Bo-
Zwei Marken, Drei Standbeine
D e l p h ia
Das derzeitige Modellangebot reicht von 24 bis 47 Fuß;
daneben gibt es auch Motorboote aus Olecko. Die Marke
Delphia steht für sichere, solide, einfach zu bedienende
und günstige Fahrtenschiffe.
Entwicklungspotenzial sieht
die Werft bei Design und
Komfort. Der nächste Modellwechsel ist im Bereich
um 8,50 Meter Rumpflänge
geplant, den andere Groß­
serienhersteller fast völlig
ver­nachlässigen. Die neue
Delphia 28 soll auf der boot
in Düsseldorf Premiere feiern
und in den Linien der Delphia 31 folgen, die 2012 für
die Wahl zu Europas Yacht
des Jahres nominiert war.
Insgesamt fertigt Delphia in
diesem Jahr etwa 150 Boote
unter eigener Marke. Damit
belegen die Polen nach
Stückzahlen derzeit Rang
sieben. Rechnet man die im
Fremdauftrag produzierten
Boote hinzu, sind sie die
fünftgrößte Werft weltweit.
Ma x i
Die traditionsreiche, einst
schwedische Marke kam
nach langem Hin und Her
im Zuge der ersten NajadInsolvenz 2012 zu Delphia.
Jetzt gilt es, das Vertrauen
potenzieller Eigner wieder
herzustellen. Außerdem
muss die Modelllinie erweitert werden. Derzeit gibt es
nur die Maxi 1300, ein Entwurf von 2007, auch er für
Europas Yacht des Jahres
nominiert. Die von Delphia
vor kurzem fertiggestellte
Baunummer 1 aus Olecko
beweist, dass die Werft den
hohen Markenanspruch erfüllen kann. Anfang 2015
kommt ein weiteres Modell:
die Maxi 1150 (s. Illustra­
tion), die breitere Käuferschichten erschließen soll.
Wie schon die 1300 wird die
Neue ein komfortabler, unter
Deck sehr wohnlicher Performance-Cruiser werden.
S o n s t ig e
Außer diesen beiden Markenfamilien entstehen bei
Delphia pro Jahr mehr als
1000 Yachten für andere
namhafte Werften. So bauen
die Polen unter anderem für
J Boats Europe die Sport­
boote J 70 und J 80, für die
Schweizer Saphire AG die
Saphire 27 und für den USKonzern Brunswick eine
Reihe kleinerer Motoryachten für das Europageschäft.
denständiges bewahrt hat – eine Mischung
aus Handwerk und Hightech. Es fehlt ihm
jegliche Geltungssucht, alles gewollt Repräsentative, das im Bootsbau ohnehin nicht
weit verbreitet ist.
Im Büro des Alten wellt sich der Teppich.
Licht fällt nur durch ein einziges Fenster in
den Raum. Die Wände wirken wie aus Pressspanplatten. Wenn die große Laufkatze in
der Fertigung einen Rumpf anhebt und
durch die Halle schweben lässt, rumpelt es
spürbar. Ein Chef am Puls der Produktion.
W
ojciech Kots Tag ist eng ge­
taktet. Schon im Auto hat er
sich von Anruf zu Anruf gehangelt: ruhig, fokussiert. Er
hat stets zwei iPhones bei sich, eins fürs Tagesgeschäft, eins für Privates – oder besonders Dringliches. Manchmal bedient er beide zugleich, ohne den Faden zu verlieren.
Vom Interview wechselt er nahtlos in Verhandlungen über die Verlängerung eines
Großauftrags.
Man muss ihn sich als zufriedenen Mann
vorstellen, als einen, der nach bald zwei Jahr­
zehnten des Wachstums die erste schwere
Krise erlebt und diese besser überstanden
hat als die meisten anderen Bootsbauer. Gewitzt, mutig, leidenschaftlich.
Jedes Jahr geht er mindestens vier Wochen segeln: Polen, Schweden, Kroatien, Karibik. Er hat den höchsten Sportschifferschein. Im September war er in San Francisco, um sich mit seiner Frau den America’s
Cup live anzusehen. Ein Macher, der auch
genießen kann, der wirklich für das lebt, was
er tut. Von der Art gibt es nicht genug in der
Branche. Und wenn er von seinem Sohn Maciej spricht, vom bevorstehenden Genera­
tionswechsel, davon, nach und nach immer
mehr Verantwortung abzugeben, wirkt er
nicht, als fiele er demnächst in ein Loch. „He
is coming!“, sagt er, und es ist schwer zu sagen, ob seine Augen aus Vaterstolz leuchten
oder aus Vorfreude auf seinen Unruhestand.
Vermutlich beides.
Wojciech ist der Kopf und Kaufmann von
Delphia, sein Bruder Piotr der Handwerker
und Techniker. Der eine bringt Richtung und
Dynamik ins Unternehmen, der andere
Struktur. Eine perfekte Synergie. Aber auch
ein schweres Erbe für den erst 29 Jahre alten
Nachrücker, der im Eilverfahren sein Juraexamen absolviert hat und sich seit zwei Jahren im Betrieb warmläuft.
werf tp orträt • delphia
wachwechsel
Maciej Kot hat Marketing und
Strategie überarbeitet.
Bald soll er bei Delphia das
Ruder ganz Übernehmen
Die Firmenchronik ist wechselvoll, das
Wachstumstempo war stets hoch. Personell
herrscht bei Delphia aber von Beginn an
Kontinuität – typisch für ein Familienunternehmen, von dem es nicht mehr viele gibt in
der Bootsbaubranche. Mit Maciej Kot steht
der nächste Werftchef bereits fest. Der
29-jährige Sohn von Co-Gründer Wojciech
Kot kam 2012 als Marketingchef an Bord.
Der Jurist gilt als Motor der Maxi-Über­
nahme und als Architekt der künftigen Neuausrichtung – ein kluger Kopf und ein akribischer Stratege. In seiner Freizeit segelt er
Regatten auf einer Delphia 24 One Design
oder überführt neue Modelle – wie die Maxi
1300 Ende August auf dem Weg von Danzig
ins westschwedische Orust (Foto).
Gründerzeit.
Mit Angelbooten und
Kleinkreuzern fing
1990 alles an
w w w. d e . d e l p h i a y a c h t s . e u
w w w. m a x i y a c h t s . c o m
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Im August hat Maciej Kot bei einem
Händlertreffen die neue Ausrichtung vorgestellt, seine Pläne für Delphia und Maxi. Eine
Art Feuertaufe. Monatelang hat er zuvor den
Markt sorgfältig analysiert. Die Excel-Datei
mit den gesammelten Daten umfasst mehrere Gigabyte.
Der Juniorchef will das Geschäft mit den
Eigenmarken ausbauen. Er will, basierend
auf dem hohen Fertigungs-Knowhow, die
Yachten mit dem geschwungenen D im
Großsegel „komfortabler, bedienungs­
freund­licher und schicker machen“. Sie sollen ehrlich bleiben, aber zugleich begehr­
licher werden.
Ein Stück weit hat der Marke dabei in
den vergangenen Jahren bereits die Zusammenarbeit mit der Hamburger Stylistin Birgit
Schnaase geholfen, die schon für Hanse­
yachts gearbeitet hatte und das Design unter
Deck spürbar ansprechender gestaltete. Mit
der Rolle des braven Biedermanns jedenfalls
wird sich Delphia nicht länger abgeben. So
wie sich die Firma für ihren Webauftritt eine
Europa-Domain gesichert hat (de.delphiayachts.eu), wird sie sich auch ansonsten internationaler und zeitgemäßer präsentieren.
„Wir vergleichen uns sehr genau mit unseren Wettbewerbern“, sagt Maciej Kot selbstbewusst. „Wir wissen, was wir können – und
wo wir Nachholbedarf haben.“
E
nde August war er auf der Bootsmesse in Orust. Er ist selbst hin­
gesegelt, mit der Maxi 1300 natürlich, dem ganzen Stolz der Werft.
450 Seemeilen von Danzig bis in die westschwedischen Schären, mit nur zwei Stopps
und viel Wind zwischendurch. „Böen bis
9 Beaufort.“
Ja, räumt er ein, er sei „unsicher gewesen, richtig nervös“. Mit einer in Polen gebauten Yacht Messepremiere zu feiern in
dem Land, aus dem sie eigentlich stammt,
machte ihm mehr zu schaffen als der Sturm
auf der Überführung. Aber Pelle Petterson,
der Konstrukteur, hatte ihm Mut gemacht.
„Ihr müsst kommen“, hatte er immer wieder
betont. „Die Segler werden sehen, wie gut es
geworden ist.“
So kam es dann auch. Während Najads
Zukunft fraglich scheint und andere Werften
kämpfen, verbreitete ausgerechnet eine
Schwedin aus Polen Zuversicht.
jochen rieker
f o to s : Wat e r k a m p i o e n / B . Ko lt h o f ( u. ) , w e r f t ( l . )
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