THAILAND E-Book

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THAILAND E-Book
MARK TEUFEL^^
THAILAND
E-Book
Des Teufels Diskus
Mark Teufel^^
Des Teufels Diskus
Thailand
e-Book
Des Teufels Diskus
German / English / Thai
Die Geschichte des ungeklärten Todes von König Ananda von Siam im
Jahr 1946,
seine politischen Auswirkungen
und Kommentare aus dem 21. Jahrhundert
Text ©Mark Teufel^^/ Fotos ©Mark Teufel^^
(©Bild Dr. Rothschild, privat,
Bilder innerhalb der Übersetzung von „The Devils Discus“ stammen aus
dem Buch. Siehe auch Copyrightvermerk Seite 6)
Umschlagbild: ©Mark Teufel^^
Veröffentlicht auf www.xinxii.com im September 2010
Mark Teufel^^
Des Teufels Diskus
Thailand
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ..................................................................................2
Vorwort von Mark Teufel^^ .....................................................................4
Zur Systematik des Buches ...................................................................5
„The Devils Discus“ ....................................................................................7
Zur Person Rayne Krugers........................................................................7
Danksagung von Rayne Kruger...........................................................12
Vorwort...................................................................................................13
Das Leben von Ananda...........................................................................42
Die Erbfolge ........................................................................................58
Der junge König .....................................................................................70
Der erste Besuch als König .................................................................78
Das Studium ........................................................................................80
Der Krieg in Siam................................................................................89
Der zweite Besuch daheim ................................................................105
Der letzte Monat ................................................................................116
Der letzte Tag .......................................................................................130
Die erste Reaktion .............................................................................136
Die Intrige beginnt.............................................................................141
Die Autopsie......................................................................................146
Der Coup Phibuns.................................................................................155
Das Gerichtsverfahren ..........................................................................167
Die Aussage Tees ..............................................................................173
Der Palastputsch ................................................................................183
Motivsuche ........................................................................................187
Forensik ................................................................................................194
Der Nitrittest......................................................................................195
Der Rost.............................................................................................196
Das Projektil ......................................................................................197
Der Todeskrampf...............................................................................199
König Bhoomibol kommt..................................................................203
Die Krönung ......................................................................................214
Der König sagt aus ............................................................................218
Die Angeklagten sagen aus ...............................................................223
Die Plädoyers ....................................................................................233
Das Urteil ..........................................................................................236
Die letzte Instanz ...............................................................................248
Die politische Folge...........................................................................251
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Die Fakten ............................................................................................ 254
Wer tötete Ananda................................................................................ 267
Die Theorie........................................................................................ 275
WARUM? ......................................................................................... 282
Das Geheimnis .................................................................................. 292
Paul Handley........................................................................................... 310
Chaleo ............................................................................................... 310
Wer tötete Ananda?........................................................................... 311
Prof. Simpson.......................................................................................... 318
Sulak Sivaraksa ...................................................................................... 322
Prof. Rothschild ...................................................................................... 325
Dr. Benecke ............................................................................................. 329
Niemals gestellte Fragen ........................................................................ 338
Teil 1: die Szene................................................................................ 339
Teil 2: Selbstmord oder Mord. .......................................................... 351
Pridi Banomyong .................................................................................... 367
Die Ideen ........................................................................................... 369
Die erste Verfassung ......................................................................... 386
Schlusswort ............................................................................................. 396
Bildverzeichnis........................................................................................ 406
Anhänge................................................................................................... 408
The Devils Discus, das Original........................................................ 408
The Devils Discus, Übersetzung in die thailändische Sprache ......... 408
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Mark Teufel^^
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Vorwort von Mark Teufel^^
Vorwort zum E-Book:
Gegenüber der gedruckten Version enthält dieses E-Book das Kapitel
„Niemals gestellte Fragen“, welches im Laufe des Jahres 2009 / 2010 hinzugefügt wurde. Ansonsten entspricht das E-Book im Wesentlichen der
gedruckten Version „König Ananda“ die 2009 bei www.ebpubli.de in gedruckter Form erschienen ist.
Um die Vorteile des E-Books voll zu nutzen, füge ich jedoch als Anhang
einen Scan des Originalbuches in Englisch bei sowie eine Übersetzung in
die thailändische Sprache.
Vorwort zur deutschen Version:
Dieses Buch über die immer noch nicht vollständig aufklärten Umstände
eines politisch höchst brisanten Todes, liest sich teilweise wie ein Kriminalroman. Aber nicht nur sein Inhalt ist spannend. Ein Buch, das in Thailand
verboten ist, in Deutsch zu schreiben, ist eigentlich nichts Besonderes.
Wenn man aber mit einem Bein in Thailand lebt und die Familie dort ansässig ist, denkt man doch schon einmal etwas länger darüber nach. So
auch ich. Andererseits ist der Tod König Anandas von Siam ein so wichtiger politischer Meilenstein in der Geschichte Thailands, dass er sich als
Startpunkt für eine Buchserie über Thailands Geschichte geradezu aufdrängt.
Darüber hinaus kommt man weder bei Berichten über die Politik, noch bei
Büchern die sich mit der Geschichte beschäftigen, daran vorbei, sich mit
dem in Thailand so sensiblen Thema der Monarchie zu beschäftigen, was
einen Journalisten, der nicht ausschließlich monarchistische Heldenverehrung wiederholt, sofort der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Aber es gibt
keine andere gesellschaftliche Kraft im Land die auch nur annähernd einen
so großen Einfluss auf die Geschichte des Landes genommen hat wie die
Monarchie, oder anders ausgedrückt wie die Chakri Dynastie. Deshalb ist
sowohl eine ausschließlich positive wie auch ein bewusstes Ignorieren von
geschichtlichen und politischen Fakten für einen verantwortungsbewussten
Journalisten nicht möglich.
Dieser Einfluss des thailändischen Palastes ist bei den meisten Menschen in
den deutschsprachigen Ländern weitgehend unbekannt. Während es eine
zunehmende Zahl von englischsprachigen Veröffentlichungen gibt, die auf
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eine solche Rolle der Monarchie hinweisen, fehlen solche Dokumente in
Deutsch weitgehend. Aber auch in Englisch hat es bis zum Jahr 2005 gedauert, bis die erste populärwissenschaftliche Betrachtung der Rolle des
Königs veröffentlicht wurde, denn jeder Autor gerät unweigerlich in die
Gefahr bei der Einreise verhaftet zu werden, ja sogar im Ausland wegen
„Lèse Majèsté“ oder Majestätsbeleidigung belangt zu werden und zu riskieren eine jahrzehntelange Gefängnisstrafe absitzen zu müssen. Im August
wurde eine Demokratieaktivistin zu 18 Jahren Gefängnis wegen einer politischen Rede auf einer Demonstration verurteilt, kurz vorher war ein australischer Buchautor verurteilt, dann aber vom König begnadigt worden, weil
in seinem Buch, von dem ganze 6 Exemplare verkauft worden waren, einige Zeilen als Beleidigung des Kronprinzen angesehen wurden.
Und so war das Buch „The King Never Smiles“ von Paul Handley der mutige Schritt eines Journalisten, der mit der Veröffentlichung wusste, dass er
Thailand nie mehr wieder sehen würde.
In meinen politischen Büchern, insbesondere den Jahrbüchern 2008 und
2009 habe ich mich ausführlich mit dem Problem beschäftigt und zeige auf,
dass diejenigen, welche behaupten die Monarchie mit dem archaischen und
drakonischen Gesetz schützen zu wollen, in Wirklichkeit die größten Feinde der Monarchie sind. Eine Monarchie, deren Existenz und Ausprägung
für sie notwendig ist, um eine Legitimierung für ihre eigene wenig demokratische Politik zu rechtfertigen. Würde die Monarchie eine Rolle einnehmen wie die in England oder Norwegen, verlören diese Protagonisten einer
so genannten „Thai Stil Demokratie“ ihre eigene Macht und müssten sich
über Wahlen legitimieren.
Insofern ist nicht die Monarchie an sich das Problem in Thailand, sondern
diejenigen, die durch sie ihre Legitimation erhalten, und die im Gegenzug
die Monarchie behaupten zu verteidigen. Geschichte und Politik sind eng
verknüpft. Daher sei mir dieser Ausflug in die Politik erlaubt. Nun zurück
in eine Zeit, zu der die Monarchie scheinbar keinerlei politische Rolle
spielte.
Zur Systematik des Buches
Bei der Übersetzung des Buches von Rayne Kruger habe ich versucht mich
so nahe wie möglich an den Originaltext zu halten. Meine Kommentare
finden sich in den Fußnoten. Die Bewertung der Aussagen von Rayne Kruger sind schwierig, da er naturgemäß wenig oder keine Quellen angeben
konnte, die überprüfbar wären. Daher ist seine Motivation in dem Fall zu
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hinterfragen. Aus diesem Grund habe ich einen Lebenslauf der Übersetzung und Kommentierung seines Buches vorangestellt.
Im Anschluss an den Originaltext finden sich Auszüge aus anderen Dokumenten und Kommentaren, die das gleiche Thema, Anandas Tod besprechen. Schließlich komplettieren Interviews mit Forensik-Experten Deutschlands aus dem Jahr 2009 das Bild.
Da auch Rayne immer wieder auf die Bedeutung von Pridi Banomyong
einging, folgen ganz zum Ende einige Informationen über diese von seinen
Anhängern nichtöffentlich (zur Vermeidung der Wertung der Aussage als
Lèse Majèsté) als wertvollste Persönlichkeit Siams des 20. Jahrhundert bezeichnet, sowie eine grobe Übersetzung der Verfassung von 1932.
Abbildung 1 Thailändische Ausgabe von The Devils Discus, das Buch wurde in Thailand verboten, der
Verlag, der zuletzt versuchte es zu drucken soll nieder gebrannt worden sein.
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„The Devils Discus“
Deutsche Übersetzung Copyright 2009 Mark Teufel
mit Erlaubnis des weltweiten Rechteinhabers, Freedom Against Censorship
Thailand (FACT) http://facthai.wordpress.com
Die Wahrheit mit Lügen zu verwechseln oder Gutes mit Bösem, ist wie des
Teufels tödlichen Diskus mit dem Lotus Buddhas zu verwechseln. Siamesisches Sprichwort.
Zur Person Rayne Krugers
Rayne Kruger der im Alter von 80 Jahren starb, gab eine erfolgreiche Karriere als Schriftsteller auf, um ein Immobilieninvestor und für über 30 Jahre
Geschäftspartner seiner Frau, der Restaurantunternehmerin Prue Leith zu
werden. Dann widmete er seine letzten Jahre einer lange aufgeschobenen
Arbeit über die Geschichte Chinas.
Krugers erste Novelle von 1952, basierte auf seiner Erfahrung als Steward
an Bord eines Handelsschiffes während des Zweiten Weltkrieges. Und er
erntete großes Lob vom Mann der Briefe Petre Mais, einem britischen Autor, Journalist und Radiosprecher, wegen seiner jugendlich frischen Beschreibung des Lebens auf See. Er bewies seine Originalität in „The Spectacle“ im Jahr 1953, einer fesselnden Kriminalgeschichte in der ein Mörder,
der bei seinem Verfahren als nicht schuldig erklärt worden war, zugab
schuldig zu sein, wodurch Zweifel an den Justizverfahren entstand.
Während der nächsten Jahre produzierte Krugers flüssige Feder „Young
Villain With Wings“ einen Bericht über den brillanten FantasySchriftsteller Thomas Chatterton vor einem ausgelassenen Hintergrund in
der Art von William Hogarth, „My name is Celia“, eine Romanze im
Nachkriegsdeutschland, „An Even Keel“ ein Kriminalroman auf der Vorstandsetage und „Ferguson“, ein weiterer Kriminalroman. Alle wurden wegen ihrem Wahrheitsgehalt bei der Nutzung der Materialien und der ausgefeilten Verschwörung gelobt.
So war es natürlich für den in Südafrika geborenen Kruger, den Burenkrieg
als Arbeitsthema für eine Reportage zu wählen. Er kehrte für ein Interview
mit Überlebenden nach Johannesburg zurück und recherchierte in Dokumenten für „Goodbye Dolla Gray“ (1959). Die erste moderne einbändige
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Darstellung des existierenden Wissens des Burenkrieges, konzentrierte sie
sich auf die Schlacht und beachtete die politischen Konsequenzen für alle
Betroffenen. Unter den Kritikern nörgelte Professor A J P Taylor ein bisschen, aber das Buch wurde ein Bestseller und seitdem immer wieder nachgedruckt.
Krugers nächstes Buch „The Devil’s Discus“ (1964), war die Untersuchung
des mysteriösen Todes des 20 Jahr alten Königs von Thailand nach dem
zweiten Weltkrieg. Die thailändische Regierung verbot es, ein lokaler Verlag, der eine illegale Ausgabe drucken wollte wurde nieder gebrannt bis auf
die Grundmauern. Und Kruger wurde eine weitere Einreise verboten. Aber
bisher dahin hatte er sicherere Wege {als das Schreiben} gefunden um seine Familie zu versorgen.
Charles Rayne Kruger wurde am 29. Januar 1922 in Queenstown, in der
Ostkap-Provinz von der unverheirateten 17-jährigen Tochter eines britischen Offiziers, der im Burenkrieg gedient hatte, geboren. Raynes Vater
verschwand und seine Mutter heiratete Victor Kruger, einen Johannesburger Immobilienmakler.
Der Junge übernahm den Namen seines Stiefvaters und ging in die Jeppe
High School. Aber der Stiefvater ging von Zeit zu Zeit bankrott und bei
einer Gelegenheit wollten Gerichtsvollzieher Raynes Satz von DickensBüchern pfänden, bis er sie davon überzeugt hatte, dass er ein Schriftsteller
wäre, und die Bücher Teil seines Handwerkzeugs.
Kruger ging zur Witwatersrand Universität wurde dort aber entlassen,
nachdem er von Farmern Eseln geliehen und verloren hatte. Er erhielt dann
einen Job als Rechtsanwaltsgehilfe in einer Rechtsanwaltskanzlei in Johannesburg. Da seine Augen zu schlecht für die Streitkräfte waren, arbeitete er
als Steward auf einem Handelsschiff während dieser Zeit. Er kehrte zurück
um sich als Anwalt zu qualifizieren und begann aus Mangel an Abwechslung seine freie Zeit in einer Theaterfirma zu verbringen, die von der WestEnd-Schauspielern Nan Munro und ihrer Partnerin Margaret Inglis geleitet
wurde. Als er dort den Professor Higgins mit Munro als Elizia Doolittle in
Pygmalion spielte, verliebten sie sich, obwohl sie als Witwe sechzehn Jahre
älter war als er und drei Kinder hatte.
Nachdem das Paar nach England gekommen war, wo sie heirateten, erhielt
Kruger eine Anstellung als Nachrichtensprecher des BBC World Service
und sein Stück „The Green Box“, ein Stück über eine Frau die ihr Geschlecht versteckte um als Arzt im Burenkrieg teilnehmen zu können; es
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wurde kurz am Chepstow Theater in Londen aufgeführt. Es war kein Erfolg, aber er begann nun ernsthaft zu schreiben.
Für eine gewisse Zeit zog sich Kruger auf das abgelegene kühle Bamburgh
Castle in Northtumberland zurück, wo er einmal eine ganze Nacht wach
geblieben war in der Hoffnung den Geist der Rosa Lady zu sehen1. Er versuchte sich auch in gelegentlichem Journalismus, so veröffentlichte die
Sunday Dispatch sein langes Feature über Albert Schweitzers Missionsstation in Gabun, in dem Kruger Schweitzers einfachen Ansatz der Medizin
beschrieb und sein autokratisches Regime bei der eine Hymne nach dem
Essen gesungen wurde.
Aber um drei Kinder zu ernähren, und später (nach seiner Scheidung und
Heirat mit Prue Leith) einen Sohn und eine adoptierte Tochter, tat sich
Kruger mit zwei südafrikanischen Freunden zusammen und gründete eine
Immobilienfirma, Sohox. Sie bauten ein Büro an der Ecke der Brick Street
und Soho Square, und gingen daran einen Wohnblock mit Eigentumswohnungen zu bauen, die eine Aussicht auf den Regent’s Park hatten. Dann
kauften sie Land in Wimbledon. Aber während eines Projektes in Kensington begann er auch Prue Leith zu helfen ein Restaurant in einem Haus zu
eröffnen, das er gekauft hatte. Kruger stellte sicher, dass die Firma unter
der Führung von vertrauenswürdigen Managern ständig wuchs.
Kruger hatte gegen Ende seines Lebens dann noch einmal zur Feder gegriffen und in den letzten 25 Jahren seines Lebens ein Projekt fertig gestellt,
um das man ihn vor vielen Jahren gebeten hatte, für das er aber den Vorschuss schon wieder zurück gezahlt hatte. „All Under Heaven“, die Geschichte Chinas. Als er es vorstellte, war aber kein Interesse mehr dafür
vorhanden. Er starb am 21. Dezember 2002 im Alter von 80 Jahren.2
Auch konnte er manchmal an einem Ecktisch in Leiths Lokal in abgenutzten Kleidern gesehen werden, tief im Gespräch versunken. Er las gefräßig
und schrieb scharfsinnige Briefe an The Times, und wenn er Gäste in seinem Haus unterhielt, warf er herausfordernde Themen während des
Abendsessens in die Debatte. Wenn ihm von einem jungen Menschen erzählt wurde, der Schwierigkeiten beim Start seines eigenen Geschäftes hat-
1
Was er Freunden mit einem Augenzwinkern erzählt hatte
2
Nach einem Artikel in the Telegraph vom 09 Jan 2003
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te, dann hat er des Öfteren geholfen, und nie nach einer Rückzahlung verlangt, indem er sagte: „Well, ich habe genug Geld, sie nicht.“3
Nach allen Informationen war Rayne Kruger ein Mann, der keinen Wert
auf Äußerlichkeiten legte, der aber großen Wert darauf legte, der Wahrheit
auf den Grund zu gehen. Er hatte sich nie dazu verleiten lassen, über ein
Thema zu schreiben oder in einem Artikel eine Meinung zu vertreten, die er
nicht selbst für vertretbar hielt. Er war unbestechlich.
3
Times Online am 01. Januar 2003
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Abbildung 2 Umschlag der ersten Originalausgabe
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Danksagung von Rayne Kruger
Viele Menschen halfen mir bei diesem Buch, und ich bin jedem von ihnen
zutiefst dankbar.
Der Freude ihre Namen zu nennen, muss ich mich jedoch enthalten, entweder aus Gründen, die sie wissen, oder weil für mich das Nennen ihrer Namen und nicht die Namen anderer unangemessen wäre.
Die ballistische Abteilung einer führenden Polizeieinheit gab mir unschätzbare, inoffizielle Anleitung und Testkammernutzungsmöglichkeiten. In
London hat die bekannte forensische Autorität Dr. Francis Camps das MS
geprüft, weshalb ich meine Schlüsse auf der Basis der hier präsentierten
Fakten zog.
Ich danke auch Sir Geoffrey Thompson (and Hutchinson &
Co.(Publishers) Ltd.), Dr. David Stafford-Clark (und Penguin Books Ltd),
und Dr. P.M. Yap für die freundliche Erlaubnis aus ihren veröffentlichten
Werken zu zitieren.
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Vorwort
Im Sommer 1946 veröffentlichte die London Times eine Eilmeldung von
Associated Press aus Bangkok vom 09. Juni:
„Der junge König von Siam, Ananda Mahidol, wurde heute tot in seinem
Schlafzimmer im Barompiman Palast mit einer Schussverletzung an seinem
Kopf aufgefunden. Die Entdeckung wurde durch einen Diener kurz vor Mittag gemacht. Der Chef der Polizei und die Direktoren des Chulalongkorn
Krankenhauses, die unmittelbar darauf zum Palast gerufen worden waren,
sagten später, dass der Tod ein Unfall gewesen wäre … Eine große Anzahl
von Menschen versammelte sich in stiller Trauer vor dem Palast. Die meisten hatten nichts von dem Tod gewusst, bis die Nachrichten im Regierungsradiosender die Neuigkeit in den 19:00 Uhr Nachrichten meldete.“
Der Korrespondent der AP irrte in einem Detail. Aber harte Fakten aus Siam / Thailand zu extrahieren, ist nicht einfach. Er hatte den Kern der Angelegenheit richtig beschrieben: der 20 Jahre alte König Ananda war tot, getötet durch einen Schuss in den Kopf.
Nie hatte eine Tötung in einem so unermesslichen Glanz stattgefunden. Die
Barompiman Halle ist Teil des Grand Palace, der mit seinem Goldschimmer alles andere in der Welt in den Schatten stellt.
Außerhalb des Raums, in dem der schmächtige junge Körper, flankiert von
zwei Blöcken Eis in der Einsamkeit seines Doppelbettes lag, leisteten die
anderen Gebäude des Palastes eine wundersame Gesellschaft. Ihre teleskopartig in die Höhe wachsenden Dächer mit glänzenden Kacheln, mit
ihren mit Juwelen-Intarsien besetzten Giebel und Figuren, und ihren Firsten
und Dachrinnen, die mit Schlangen- und Drachenreliefs geschmückt sind,
und mit kleinen Spiegel-Glasscherben, die das Licht brechen und in purpurrot, gelb und grün wie ein Saphir streuen, ragen in den immerblauen
Himmel. Da sind die mit Fresken bemalten Gänge, Säulen und Pavillons
mit Mosaiken aus Porzellan, große Türen, die Einlagen mit Perlen haben,
Skulpturen, die Wesen halb Tier halb Mensch darstellen, und ein Paar Riesen, die, so sagte man, über jeden herfallen würden, der zwischen ihnen
hindurchginge und dabei böse Absichten in seinem Herzen trüge. – also
konnte der Mörder niemals diesen Weg gegangen sein, das war sicher.
Unter diesen begeisternden Wundern fordert nichts so sehr die Gutgläubigkeit heraus wie der Tempel des Smaragd-Buddha . Er wurde benannt nach
dem Abbild des überragend heiligen und höchsten Symbols der Hoffnung
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und des Glücks für alle Siamesen. Die Skulptur, so groß seine Wichtigkeit
auch sein mag, ist kaum einen Meter hoch, sitzt erhöht mit übereinander
geschlagenen Beinen und mit Händen im Schoß, die Augen in die Ewigkeit
fixiert. Sie ist weder so dürftig bekleidet wie die meisten siamesischen Abbilder Buddhas und auch nur halb so fett wie die chinesischen. Am Morgen
von Anandas Tod, dem 9. Juni, also innerhalb der Trockenzeit, war der
Smaragd-Buddha mit weniger Edelsteinen bekleidet als in den beiden anderen Jahreszeiten (der Regenzeit und der so -genannten kalten Jahreszeit),
aber selbst diese Tracht ist von unschätzbarem Wert – und darüber hinaus
kommt der unvorstellbare Wert des Steines selbst hinzu, der aus Jade und
nicht Smaragd ist, und von einem Künstler in Indien erstellt worden war,
den Alexander der Große dort zurück gelassen hatte. 4
4
Über den Ursprung und die Geschichte des Smaragd-Buddha gibt es mehrere verschiedene Versionen und selbst einen Film.
Der Buddha ist aus Jade. Einer märchenhaften Legende nach soll der Smaragd-Buddha
im Auftrag eines indischen Mönches von den (Hindu-)Göttern Indra und Vishnu mit
Hilfe der Dämonen des Berges Velu erschaffen worden sein. Erst nach einer Odyssee
über Sri Lanka, Java, Myanmar und Angkor soll der Smaragd-Buddha Jahrhunderte
später nach Thailand gelangt sein. Soweit die Legende, die in Konkurrenz zu der von
Kruger erzählten Version des von Alexander d. Grossen zurückgelassenen Künstlers
steht.
Im Jahr 457 soll König Anuruth von Burma eine Mission nach Ceylon gesandt haben,
die um Buddhaschriften und den Smaragd-Buddha bat, um Buddhismus in seinem
Land zu fördern. Seine Anfrage wurde positiv beschieden, aber das Schiff verfuhr sich
während der Rückfahrt in einem Sturm und landete schließlich in Kambodscha. Kambodschanische Historiker beschrieben die Übernahme der Buddhastatue in ihrer Legende Preah Ko Preah Keo. Als die Thailänder Angkor Wat im Jahr 1432 (nach einer
furchtbaren Beulenpest-Epidemie) besetzten, wurde der Smaragdbuddha nach Ayutthaya, Kamphaeng Phet, Laos und schließlich Chiang Rai gebracht, wo der Herrscher
der Stadt ihn versteckte. Es gibt aber auch Historiker, die den Smaragd-Buddha als im
Chiang Saen Stil des 15. Jahrhunderts A.D. gestaltet sehen, was bedeuten würde, dass
er aus Lannathai stammen würde. ( Wikipedia, 27.06.2009)
Den Chroniken zufolge fand man in den Trümmern eines vom Blitz zerstörten Chedis
im Jahre 1434 in Chiang Rai A.D. eine stuckvergoldete Buddha-Statue. Beim Abblättern von Stuckfarbe kam ein glänzender grüner Farbton zutage. Der Smaragd-Buddhas
war entdeckt. Der König von Chiang Mai, zu dessen Reich Chiang Rai gehörte, befahl
alsbald die Verbringung der Statue nach Chiang Mai. Da mehrere Elefanten sich angeblich weigerten und auf dem Weg nach Chiang Mai beharrlich sich für den Pfad nach
Lampang entschieden, wurde das als Omen gewertet und die Buddha-Figur nach Lampang verbracht, wo sie 32 Jahre verblieb. 1468 A.D. ordnete Koenig Tilokarat dann die
definitive Verbringung nach Chiang Mai an und ließ sich auch nicht durch evtl. widerstrebende Elefanten von seinem Vorhaben abbringen, wo die Figur dann 83 Jahre blieb.
Als König Chao Chayasettathirat 1551 A.D. aus dynastischen Gründen nach Luang
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Bei all der Nähe des Tempels des Smaragd-Buddha zu den Räumen des
Königs in der Barompiman Hall, war das heilige Abbild doch entrückt und
unpersönlich, gebadet in glänzendem Licht. Freundlicher und persönlicher
war die von dem Körper auf dem Bett nur durch ein dutzend Schritte und
Vorhänge getrennte Figur. Wie seine Untertanen hielt Ananda in seinem
Haushalt eine Buddhastatue. Wie bei ihnen stand sie in seinem Haus auch
erhöht, denn der Respekt gebietet Siamesen, dass ihr Kopf unter dem eines
höher Gestellten sein sollte. Anandas Schlafzimmer war im Obergeschoss
und der Raum für den Buddha bildete eine Art Erweiterung seines Schlafzimmers.
Bevor er in der vorherigen Nacht zu Bett gegangen war, war der König, wie
er es jede Nacht seit seiner Kindheit getan hatte, vor den Hausaltar seines
Buddhas gegangen, um sich zu verbeugen und vor ihm zu beten. Er zündete
Kerzen an, stellte Blumen auf und machte die wichtigste aller Gesten, den
Wei, den Siamesen statt eines Händedrucks anwenden, und bei dem sie die
Finger und Handflächen zusammen vor das Gesicht halten (oder vor den
Bereich der Körpermitte, falls sie den Wei eines Untergebenen beantworten). Aber am Morgen des 9. Juni schützte ihn weder der Hausbuddha, noch
der allerheiligste, vom nahegelegenen Tempel über sein Königreich starrende Smaragd-Buddha vor einer einzigen Projektil aus dem Lauf einer
.45er amerikanischen Armeepistole, die in einem tausendstel von einer Sekunde durch seinen Kopf jagte.
Ein Tropfen Metall, eine tausendstel von einer Sekunde, und um den Tod
des Königs geisterte ein Geheimnis, das so außerordentlich wie kein anderes in modernen Zeiten ist. Bis zum heutigen Tag liegt ein eisernes Schweigen über ihm. Um es zu verschleiern, wurden Männer in die Todeszelle und
ins Exil gezwungen. Die Konsequenzen für eine Nation von dreiundzwanzig Millionen 5 Menschen waren und sind immer noch unvorstellbar. Und
Prabang aufbrach und dann dort auch König des laotischen Nordreichs wurde, nahm er
den Smaragd-Buddha kurzerhand mit, was seine Untertanen in Chiang Mai nicht hinderte, alsbald einen neuen König für ihren abgebliebenen zu küren. Dort blieb er nur 13
Jahre bis Koenig Chayasettathirat angesichts eines drohenden burmesischen Einfalls
seine Hauptstadt nach Vientiane verlegte und die Figur mitnahm, wo sie dann 214 Jahre blieb. 1778 A.D. eroberte Chao Phraya Chakri (der spätere Rama I.) nach kurzer Belagerung Vientiane und brachte den Smaragd-Buddha nach Thailand zurück. Zunächst
fand er im Wat Arun in der neuen Hauptstadt Thonburi sein neues Zuhause, bis er am
22-03-1784 A.D. seinen jetzigen Standort im neuen Wat Phra Kaeo fand. ( History of
the Temple of the Emerald Buddha, Bangkok 1982, Subhadradis Diskul)
5
Im 21. Jahrhundert ca. 65 Millionen Einwohner.
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der Frieden in Südostasien, ja sogar der wertvolle Frieden der Welt ist gefährdet durch die Stimmen, die nach Rache rufen oder lediglich nach Gerechtigkeit, die aber einfach nicht verstummen wollen.
Die grundsätzliche Frage ist einfach: Wer tötete König Ananda? Die Antwort, wenn Sie diese denn akzeptieren, ist ebenso kurz. Aber zwischen der
Frage und der Antwort ist nichts einfach und nichts schnell gesagt.
Bevor er zu dem verwirrenden Zentrum des Geheimnisses vorstößt, muss
der Ermittler feststellen, dass er ein Detektiv im weitesten Sinn sein muss.
Ich musste versuchen, eine Nation zu verstehen, die eine einzigartige Aristokratie besitzt, eine wunderbare, charmante Landbevölkerung und dazwischen eine Mittelklasse, die halb aus Chinesen halb aus Thailändern besteht
und unsicher über ihre Ideale ist, und wo der Verfall der Hoffnung beginnt
und die Resignation endet.
Ich musste nach Europa reisen ebenso wie nach Asien, um die Geschichte
zu klären, den Stammbaum von Familien, die Abgründe von Persönlichkeiten und die Komplexität der Politik, denn nichts war vollständig oder objektiv festgehalten worden. Alles ist untrennbar mit dem Tod von Ananda
verknüpft, weshalb alles erfasst und verstanden werden muss. 6
Das Ziel konnte nur erreicht werden durch endlose Verhöre unzähliger
Menschen. Viele mussten im Geheimen befragt werden, nur wenige redeten
offen. Siam ist ein Polizeistaat 7, und die Angehörigen der Monarchenfamilie haben das Ambiente von Heiligen, so dass die Angst und die Verehrung die Zurückhaltung zu reden erklärt, ganz besonders erklärt sie die
Angst, die Wahrheit zu erzählen. Am Ende redeten sie doch. Aber als Gegenleistung für ihr Vertrauen verpflichtete ich mich, ihre Identität geheim
zu halten, um sie vor einer Lebensgefahr zu beschützen, um ihre Freiheit,
ihre Anstellung oder ihre soziale Position zu bewahren.
Es würde den Reiz dieses Buches erhöhen, wenn wir die Gefahren und
Wendungen beschreiben würden, zu denen unsere Vereinbarungen sie und
mich verpflichteten, aber wenn wir das tun würden oder vielleicht sogar
Namen von Menschen nennen würden, die mir gegenüber offen geredet
hatten, würde ich denjenigen, die Wissen haben, VerfolgungsMöglichkeiten eröffnen und Identitäten verraten. Was wir aber doch wirk-
6
Eine Liste der wichtigsten Persönlichkeiten wird am Ende des Buches aufgelistet.
7 Die Bemerkung stammt aus den 1960iger Jahren, als das Land von Militärdiktatoren
beherrscht wurden.
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lich wollen, sind Fakten aufdecken nicht wie ich sie erfahren habe. Jedoch
müssen sich die Leser auf meine Integrität verlassen, ohne den Vorteil zu
haben, definierte Quellen zu kennen, aber er kann sich zweier Dinge sicher
sein: Erstens habe ich nur Informationen als zutreffend akzeptiert, wenn ich
sie vollständig hatte überprüfen können, so dass – das gilt für Bangkok auch das kleinste Detail nie alleine nur durch einen einzigen Informanten
bestätigt wurde. Die zweite Versicherung, die ich dem Leser geben kann,
ist, dass ich bei meinem Ansatz frei von jedem Vorurteil oder Vorverurteilungen war aus dem einfachen Grund, da ich nichts und niemanden kannte,
als ich begann, da ich keine politische Linie vertrat, und ich keinen Schluss
zog, bis ich am Ende alle Daten gesammelt hatte. 8
Es ist nicht notwendig, so weit zurück zu beginnen, wie ich es beschreiben
werde. Aber es ist ein Vorteil, weil Siam heute so durch die Vergangenheit
geprägt wurde, dass der Prozess, der sich hinter Anandas Leben und Tod
verbirgt, zu beiden, der Vergangenheit und der Gegenwart gehört. Und zusammen verschaffen sie eine Richtschnur als Belohnung der Neugier wie
bei einer Fortsetzungsgeschichte.
****
Einige Behörden sagen, dass Siamesen aus der äußeren Mongolei kamen.
Das vermittelt das Bild von wilden Männern in gefährlicher Wildnis, ein
Bild, das sehr unterschiedlich ist gegenüber der Erscheinung der kleinen
und anmutigen Menschen, die ich in den Teak-Wäldern des Hinterlandes,
die sich herunter von den riesigen Berggebieten erstrecken, gesehen habe
oder denen an den Stränden des milden Golfs an den südlichen Grenzen
oder auf den reichen Reisfeldern der Zentralregion, die durch die Hauptstadt Bangkok dominiert wird, wo rauchende Schornsteine der Fabriken,
Sendemasten und halbe Hochhäuser ungehobelt und grob erscheinen neben
den elegant geformten Pagoden sowie die Gliedmassen und der Ausdruck
der Ausländer groß erscheinen verglichen mit den eigenen der Siamesen.
Auf alle Fälle waren sie Immigranten in Siam, und im Jahr 3000 vor Christus waren sie sicherlich in Südchina noch vor den Chinesen, die sie dann
zwangen, weiter nach Süden auszuweichen. Auf dem Weg trafen sie
Volksstämme, die durch Fürsten versklavt waren. Sie dagegen waren
„thais“, freie Menschen, obwohl sie bis 1939 sich selbst offiziell nicht so
8
Anmerkung der Übersetzer: Außerdem ist der Autor ein Ausländer, der nicht von
Traditionen oder religiösen Vorurteilen befangen ist.
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Thailand
nannten, ebenso wenig ihr Land Thailand statt Siam und siamesische Namen nutzten, deren Herkunft umstritten ist.
Für den größeren Teil ihrer Geschichte waren die Siamesen freie Menschen, was den äußeren Status anging. Die Unverschämtheit der Kolonisation ließ sie nur geringfügig leiden, und erlaubt es ihnen, ihre eigene Überlegenheit zu kultivieren wie es auch die Engländer taten. Und es war tatsächlich so, dass, wenn ein Engländer und ein Siamese sich zusammen
setzten, es schwer zu sagen war, wessen fröhliche Herablassung größer
war. Aber auch wenn sie diese Eigenschaft gemeinsam haben ebenso wie
eine starke Neigung zur Tradition, ist es tatsächlich sehr wichtig für unsere
Geschichte, dass die Siamesen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nichts
über individuelle Freiheit – Demokratie – wussten.
Ihre Völkerwanderung brachte sie die Täler der Flüsse herunter, mit denen
der Schnee der Himalaya-Berge dem tropischen Südostasien das Leben
verleiht und deren Wasser sich wie Geburtszangen in den Indischen Ozean
und das Gelbe Meer erstrecken. Es sind die Länder, die heute Burma 9 , die
malaysische Halbinsel, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam genannt
werden.
Als Marco Polo die Nudeln von Kathai heim brachte, um die SpaghettiIndustrie seines Heimatlandes zu begründen, wurde der Subkontinent Unter-Indien genannt. Er schrieb von „Brasilienholz“ 10, Gold und Elefanten
und darüber, dass es „so eine unzivilisierter Gegend wäre, dass wenige
Menschen hier hin kommen“. Die Siamesen selbst waren vielleicht noch
weiter im Norden und versuchten ihren verletzlichen Anspruch auf Freiheit
zu erhalten, als andere Volksstämme schon Tribut an stärkere Gruppen leisteten, deren Eigentum sie waren. Der größte der Volksstämme war das
Volk der Khmer, bei dessen unheimlicher und großer Hauptstadt Angkor –
selbst in Ruinen immer noch ein Weltwunder – sie beim Bau mit Arbeit
und Wasser halfen. Im Gegenzug erhielten sie Ideen von Kunst und Religion, die sich durchsetzten, als sie im dreizehnten Jahrhundert ihren eigenen
souveränen Staat gründeten, den Sie das Königreich „Morgenröte der
Glückseligkeit“ 11 nannten.
9
Oder auch Myanmar durch seine Militärdiktatoren genannt
10 Caesalpinia echinata syn. Guilandina echinata (Lam.) Spreng.
11 Frei übersetzt vom englischen Begriff „Dawn of Happiness“.
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Sein berühmtester König war Rama der Tapfere , der als Gründer des
Thrones gelten kann, den Ananda besteigen sollte 13. Sein Hof wurde von
Hindu (Brahmanen) -Einflüssen gestützt, die von den Khmers übernommen worden waren und bis heute anhalten. Aber tief in der Seele dieser
Rasse verwurzelt ist die südliche Form des Buddhismus, der aus in Indien
und von dort zu den Khmer kam. Die Kompliziertheit der religiösen Situation endet aber nicht mit der Vermischung von Hinduismus und Buddhismus: Vor den meisten Häusern Siams stehen kleine Häuschen, ähnlich einem Vogelhaus, dem Wohnsitz des Geistes dieses Hauses, was die Fortset-
12 Gemeint ist König Ramkhamhaeng.
13 Diese Auffassung entsprach dem Zeitgeist. Und auch heute noch wird diese Auffassung offiziell verbreitet.
Das „National Identity Board“ veröffentlicht Bücher wie „The Chakri Monarchs and
the Thai People“ (Phramahakasat nai Phraboromratchakkriwong kap prachachon,
Bangkok 1982, The Chakri Monarchs and the Thai People), das sich auf Bhumibol als
den „Bauern-König“ und den „Entwickler-König“ fokussierte, und ihn sowohl mit
Ramkhamhaeng als auch mit einem modernen Wirtschaftsführer in Verbindung brachte. Das Direktorium finanzierte auch akademische Konferenzen wie eine, die die Wichtigkeit von Trai Phum Phra Ruang, der buddhistischen Sukhothai-Kosmologie in der
Modernen behandelt. Über die einheitlich konservativen Besucher dieser Versammlungen schrieb ein Historiker: „… sie betonten die Wichtigkeit der Texte und deren fortwährende Bedeutung für die ethische Bildung im in der Modernen, für die Regierung
und die Nationale Sicherheit“. (Connors, Democracy and National Identity, New York
2003, S. 145)
(Handley, The King Never Smiles, Yale 2006, S. 295)
Inzwischen wird von den meisten internationalen (nicht thailändischen) Historikern
keine direkte Beziehung zwischen dem 13. Jahrhundert und der Chakri-Dynastie mehr
hergestellt, auch wenn dies noch die offizielle Geschichtsschreibung Thailands so darstellt. Giles Ji Ungpakorn schreibt in seinem Buch „A Coup for the Rich“ (in Deutsch
in „Thailand 2008“, epuli-Verlag., S 37 ff.)
„Die exakte Natur der thailändischen Monarchie bleibt in akademischen Kreisen umstritten. Auf einer Seite die Behauptung von Konservativen, dass die Monarchie eine
alte Institution wäre, die zurück auf die Sukhothai-Periode zu führen wäre, und dass die
thailändische Gesellschaft sich einig ist, den Monarchen vergleichbar zu einem Gott zu
sehen. Allem Anschein nach scheint dies zuzutreffen. Aber diese konservative Beschreibung übersieht die Frage der realen Machtverteilung zum heutigen Zeitpunkt, und
löscht bequemer weise einen großen Teil der thailändischen Geschichte aus dem Bewusstsein, insbesondere die wichtigen Änderungen im 19. Jahrhundert und die Revolution von 1932.“
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Thailand
zung des Animismus darstellt, den die Siamesen aus China mitgebracht
hatten.14
Die Siamesen haben keine Schwierigkeit, diese verschiedenen Glaubensrichtungen in Übereinstimmung zu bringen, denen sie oft noch einen Spritzer Astrologie hinzufügen.15 Ihre Anleihen der Religion und Kunst spiegeln
sich auch in der Anwendung der geschriebenen Sprache, die sich aber
ebenso in eine ganz typische siamesische Ausdrucksweise verwandelt hat.
Hier ist die früheste bekannte Textstelle, die Rama dem Tapferen zugeschrieben wird:
„Das Königreich „Morgenröte der Glückseligkeit“ ist gut. In den Gewässern gibt es Fische, und auf den Feldern wächst der Reis. Der König zieht
keine Vorteile aus seinen Menschen. Wer zu handeln wünscht, kann dies
tun. Die Gesichter der Menschen strahlen für Glückseligkeit.“ 16
Trotz von Enttäuschung geprägter Aggression des Westens und trotz der
schrecklichen Ereignisse, über die es zu berichten gilt, zeigt sich hier schon
das wahre künftige Gesicht einer Nation.
Die Linie von Rama dem Tapferen 17 verschwand. Sein Staat verband
sich mit anderen zu einem größeren Königreich, dessen Hauptstadt im Jahr
1350 ca. 50 Meilen nördlich des heutigen Bangkok am Ufer des gleichen
Flusses errichtet wurde. Es wurde die „göttliche und gesegnete Stadt von
14
Selbst im 21. Jahrhundert hält sich Animismus. Thailänder entschädigen die durch
einen Hausbau “enteigneten” Geister des Bodens und der Luft durch zwei Miniaturhäuser neben dem Neubau und versorgen selbige dort mit Opfergaben, um sie für den Verlust zu entschädigen und schützend für die Einwohner tätig zu sein. In modernen Siedlungen findet man oft einen zentralen Platz, der als ein Ersatzwohnort für alle Häuser
gilt. Berühmtestes Beispiel dieser Gattung ist der Wunder produzierende EriwanSchrein in Bangkok, der längst zu einer internationalen Wallfahrtsstätte und Institution
geworden ist.
15
Oder auch christliche Elemente, oft zu finden bei Menschen, die in christlichen
Schulen erzogen wurden.
16
Die Authentizität wird inzwischen angezweifelt. Die von König Mongkut als gefunden deklarierte Stele, die die Errungenschaften von Rama dem Tapferen beschreibt,
wird von Kritikern als erstes Beispiel von Geschichtsverfälschung und Propaganda in
Siam / Thailand angesehen. Die Stele wird vom Staat jedoch als nationales Heiligtum
angesehen, eine neutrale internationale Untersuchung mit modernen Methoden wird
daher nicht zugelassen. Sollte sich der Stein als Fälschung des 19. Jahrhunderts herausstellen, müsste die gesamte Geschichte Thailands neu geschrieben werden.
17
von Wikipedia Rama der Mutige genannt
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Ayudhya (Ayutthaya) . Die Könige von Ayutthaya herrschten fast in den
Grenzen des modernen Siam. Sie rächten sich an den Khmers, die sich zurück zogen und ihr Land Kambodscha nannten und Angkor für sechshundert Jahre dem Dschungel überließen.
Als die ersten Europäer ca. im Jahr 1500 auftauchten, Portugiesen in der
Folge von Vasco da Gamas Reise um das Kap der guten Hoffnung, fanden
sie Ayutthaya als Stadt mit einer Million Menschen und hunderten von
Wats (Klöstern) vor. 19 In diesen waren Schulen, Bibliotheken und Tempel
mit großen Buddhastatuen, eine davon fast fünfzig Fuß 20 hoch und mit
Gold bedeckt, das ein Gewicht von 800 Pfund 21 ausmachte.
Das Leben der Siamesen ist seit diesem Tage außergewöhnlich unverändert
geblieben. Man stelle es sich als drei konzentrischen Ringe vor mit der Regierung des Königs im Zentrum und der Familie an der Peripherie und den
Klöstern im mittleren Ring. Ein Siamese geht dort schon im Mutterleib als
Bittsteller hin. Er plagt sich dort über seinen Schulbüchern und kniet dort
nieder, um den Haarknoten entfernt zu bekommen, wenn er in die Pubertät
kommt. Er besucht zusammen mit seinen Eltern dort Festivals, um potentielle Ehepartner auszumachen und um Tugenden anhäufen, indem er den
Mönchen Geschenke bringt. Er zieht sich dorthin zurück, um vor seiner
Heirat für eine Saison 22 als Mönch zu dienen. (Man kann nach eigenem
Willen eintreten und auch wieder das Kloster verlassen). Man geht dorthin,
um religiöse Riten auszuüben oder sich die Zukunft vorhersagen zu lassen
oder aber auch für eine intellektuelle Diskussion. Am Ende wird der Körper
dorthin gebracht, um eingeäschert zu werden. Bauer oder König das Leben
ist mit dem Kloster verbunden wie Seidenspulen mit dem Webstuhl. Dies
ist auch heute noch für den Siamesen so, auch wenn er heute vielleicht in
18
Ca. 15 Meter
19
mit dem zutreffende Beinamen “Venedig des Ostens”, da die Anlage im Fluss vergleichbar mit Venedigs Anlage im Meer war. Die „Strassen” der Stadt waren die
Klongs.
20
Ca. 15 Meter
21
Ca. 226 Kilogramm
22
In heutigen Zeiten eine oder zwei Wochen. Vergleichbar mit Exerzitien im christlichen Glauben.
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das Kloster geht, um dort Fernsehen zu schauen, wenn er keinen eigenen
Fernseher besitzt. 23
Die Fortsetzung der althergebrachten Verherrlichungen findet ihren modernen Ausdruck 24 in dem Flugzeug, das den derzeitigen König, den Bruder
von Ananda, auf seinen Reisen um die Welt, transportiert.25 Mitglieder seiner Entourage in ihren Pariser Kleidern oder Savile Row 26 Anzügen kriechen auf der Höhe seiner Knie, wenn sie sich dem Monarchen nähern, um
ihm den Nutzen ihrer in Cambridge oder Harvard trainierten Gehirne anzubieten. (In den Häusern der konservativeren Aristokratie in Bangkok wird
man nur Diener sehen, die ihre Köpfe unter der Höhe ihrer Vorgesetzten
halten und sich entsprechend bewegen, obwohl sie ein Tablett mit Cocktails
27
tragen. Die Schmächtigkeit der Siamesen und die geschmeidige Grazie
der Thailänder lässt das Spektakel weniger absurd erscheinen als man denken mag. Und das Motiv des Respekts berührt einen Westler, der sonst so
empfänglich dafür ist, Verachtung vor Achtung zu empfinden.
Die monarchistische Attitüde in einem Düsenflugzeug in 9.000 Metern Höhe ist eine Reverenz an das Königreich Ayudhya, als die Menschen noch
Vasallen des Königs und nicht Bürger des Landes waren. Die Herrschaft
war absolut, weil sie in den Augen von Millionen göttlich war – und noch
immer ist. 28 Solch heiliges Blut durfte niemals vergossen werden: Verräte-
23
Dies galt für die 1960iger Jahre. Heute sind Fernseher so weit verbreitet, dass man
sich meist an anderen Orten trifft (Nachbar, Ortsvorstand, Freunde), wenn man Fernsehen will.
24
Die Situation beschreibt den Eindruck in den 1960iger Jahren. Allerdings hat sich
bis zum heutigen Tag wenig bzw. nichts geändert.
25
Für die königliche Familie steht ein Airbus, manche behaupten zwei, ständig zur
Verfügung, sowie mehrere Black Hawk Helikopter.
26
Savile Row ist eine exklusive Einkaufsstraße im Zentrum von London und spezialisiert auf hochwertige Herrenschneider. In den 1960iger Jahren waren dort Dutzende
von Schneidern ansässig, die die teuersten und besten Anzüge der Welt schneiderten.
Heute sind es vielleicht noch ein halbes Dutzend.
27
Im Jahr 2008 wurde eine CD in Thailand verbreitet, die auf einer Geburtstagsparty
des Kronprinzen aufgenommen worden war. Offensichtlich um den Ruf des Prinzen zu
beschädigen, hatte man ein privates Video verbreitet, das seine Ehefrau fast unbekleidet
zeigte und Diener in unterwürfigen Posen, die sich auf Knien näherten und den Kopf
geneigt hielten.
28
Dies war der Stand in den 1960iger Jahren. Noch bis 2006 hingen in praktisch jedem
Haus die Bilder des Königs oft über einem Altar, auf dem Opfergaben abgelegt wur-
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rische Verwandte wurden niemals enthauptet, sondern in einen Seidensack
gesteckt und mit Sandelholzstöcken zu Tode geprügelt. Der Herrscher hatte
viele Ehefrauen, denn er lebte polygam. Seine Hauptfrau diente als Königin
und ihr ältester Sohn folgte normalerweise auf den Thron. Eine komplexe
Ansammlung von Titeln, die je nach Beziehung zum König verliehen wurden, sollte die Aristokratie gegenüber den in wesentlich größerer Zahl vorhandenen Bürgerlichen ohne Titel schützen. Aber kein Titel kann oder
konnte länger als fünf Generationen fortbestehen, da mit jeder Generation
der Rang niedriger wurde. 29
Weit unterhalb der Aristokratie (und unterhalb der wenigen Bürgerlichen,
die ein höheres Amt erreicht hatten) standen die Bauern. Außer der gelegentlichen Einberufung für öffentliche Arbeiten 30 wurden sie in Ruhe gelassen, um ihre Äcker zu bestellen, von denen die meisten 10 Acres besaßen. 31 Auch heute ist der Bauer in der Regel noch Eigentümer. 32 Große
den. Seit dem offensichtlich durch den Palast gebilligten, wenn nicht unterstützten Militärcoup vom 19. September 2006 und den anschließenden Unruhen durch die People’s
Alliance for Democracy (PAD) mit offensichtlicher Billigung von Teilen des Palastes,
die schließlich sogar die internationalen Flughäfen besetzt hatten, ist die Popularität des
Königs drastisch gesunken. Im Juni 2009 forderte die Demokratiebewegung die Wiedereinführung des Jahrestages der Abschaffung der Absolutistischen Monarchie. Dieser
war seinerzeit unter einer Militärdiktatur zugunsten von ausschließlich auf die Monarchie bezogenen Feiertagen abgelöst worden.
29
Allerdings hatte der König die Möglichkeit, jeden Rang auch zu vergeben. Und so
erhielt im Laufe der Jahre die aus bürgerlichen Verhältnissen stammende Mutter des
derzeitigen Königs eine der höchsten aristokratischen Titel. Und der König entzog Titel, z.B. als seine Tochter Ubolrattana einen Bürgerlichen heiratete, und nobilitierte sie
erneut nach der Scheidung wenn auch nicht in gleicher Rangstufe. Titel konnten auch
durch Spenden und Unterstützung der Monarchie erworben werden. Dieser Titelkauf
nahm schließlich sogar überhand und führte zum Selbstmord des Verwalters dieser
Funktion.
30 Heute Zwangsarbeit genannt
31 Es ist nicht ganz klar, was damit gemeint ist. 10 Acres sind ca. 40.000 qm. Aber der
überwiegende Teil der Bauern war Pächter.
32 Der größere Teil der Bauern pachtet das Land heutzutage. Immer wieder wird versucht, mit Landreformen die Situation zu verbessern. Bisher wurde aber keine Landreform durchgesetzt, die die Konzentration von Landbesitz in den Händen einiger weniger Familien Thailands, deren Rechte noch aus der Zeit der absolutistischen Monarchie
stammen, beendet. Paul Handley schreibt die einzige ernsthafte Strukturreform in „The
King Never Smiles“ wie folgt:
“Unter König Chulalongkorn hatten die Aristokraten und die königliche Familie ihren
Besitz an landwirtschaftlicher Fläche enorm ausgebaut. Davon betroffen war besonSeite 23 von 408
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Teile des Landes sind so fruchtbar, dass die Reispflanzen praktisch schon
bei der ersten Berührung mit der Sonne sprießen. Das Fehlen von Hunger,
Überbevölkerung und Lehnsherrschaft hat die Landbevölkerung lange davon abgehalten, gegenüber den politischen Ideen aus Ost oder West empfänglich zu sein. Auch fühlte sie nie den Zwang, mehr als unbedingt notwendig in diesem glühend heißen Land körperlich zu arbeiten. 33 Der Handers die sehr fruchtbare Zentralebene, die durch staatliche Bewässerungsvorhaben voll
erschlossen war. Viele Zweige der königlichen Familie, zum Beispiel die Sanitwongs,
hingen von den Einnahmen der Landverpachtung an Reis und Obstbauern ab. Die
Weigerung der Prinzen, auf ihre Einkommen Steuern zu zahlen, hatte schließlich zur
Revolution von 1932 geführt
… 80% der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft und daher war die Gesetzesinitiative von Phibun höchst populär, als er 1952 den maximal möglichen Landbesitz auf
50 Rai (80.000 qm) für landwirtschaftliche Nutzung, und 10 Rai (16.000 qm) für industrielle Nutzung, beschränken wollte. Den Großgrundbesitzern sollte 7 Jahre Zeit gegeben werden, um ihren Überschuss zu verkaufen. Langzeitlandbesetzer ohne Eigentumstitel sollte zu einem Eigentum verholfen werden. …
… Der Vorschlag entfachte eine zweijährige Auseinandersetzung mit den größten
Landbesitzern einschließlich des Thrones. Der Palast bestand darauf, dass die Umverteilung unnötig wäre, weil im Land genügend Fläche vorhanden wäre. Aber diese Flächen gehörten dem Staat und waren für Bauern nicht legal zu nutzen. Der Palast argumentierte außerdem, dass kleinere Landbesitzer gefährdeter seinen, durch machtvolle Personen ausgenutzt zu werden.
Im Jahr 1954 passierte das Gesetz schließlich das Parlament. Als es Bhumibol zur Unterschrift vorgelegt wurde, weigerte er sich, es zu unterschreiben, vermied aber einen
Test seines schwachen Vetorechtes. Als das Parlament das Gesetz ein zweites Mal zusandte, ignorierte er es wieder. Im Dezember 1954 sandte das Parlament das Gesetz
zum dritten Mal. Das Prestige des Königs war nun auf der Kippe. Falls er sich weigerte, zu unterschreiben, konnte das Parlament ihn überstimmen. Also unterschrieb Bhumibol schließlich. Die Prinzen wussten, dass die sieben Jahre, die sie Zeit hatten, dem
Gesetz Folge zu leisten, in thailändischer Politik ein langer Zeitraum war.“ (Quelle:
Handley, The King Never Smiles, Yale 2006, S. 126-127.)
Anmerkung: Das Gesetz wurde nach dem Coup von Feldmarschall Sarit widerrufen.
33
Dies ist eine verklärte Ansicht eines Westlers der 1960iger Jahre. Tatsächlich hatte
die Kommunistische Partei Thailands in den ländlichen Gebieten Thailands durchaus
Zulauf, in erster Linie auf Grund der korrupten und brutalen Politik der herrschenden
Elite.
“Ironischerweise war die kommunistische Bedrohung in Thailand viel geringer als in
den meisten asiatischen Ländern, als sich die Veränderung Bhumibols vollzog. Es war
die Unterdrückung des korrupten Sarit und des Thanom-Praphas Regimes, kombiniert
mit einer fehlenden wirtschaftlichen Entwicklung des ländlichen Bereiches, welches die
Communist Party of Thailand (CPT), die kommunistische Partei des Landes, den Mitgliederzulauf brachte. Seit Ende des zweiten Weltkrieges waren weite Teile des Landes
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del wurde den immigrierten Chinesen überlassen, deren energische Art das
Land und die Blutlinie Anandas gestärkt hatten, aber sie stellten auch ein
akutes Problem dar, da sie eine nicht assimilierte Minderheit bildeten.
Nachdem die Portugiesen in Ayudhya angekommen waren, folgten die
Holländer, Engländer und Franzosen. Alle wurden willkommen geheißen,
erhielten Handelserlaubnisse, und der König selbst spendete für ihre erste
Kirche. Toleranz ist ein integraler Bestandteil des Buddhismus, der besagt,
dass die Suche jedes Menschen nach seinem Heil in der Kapelle seines eigenen Wesens erfolgt. Aber der Erleuchtete lehrte auch Sanftmut, und obwohl ich keine sanftere Rasse als die Siamesen kenne (außer wenn sie sich
gegenseitig in ihrer Art des Boxens treten), war Gewalt kein Fremdkörper
in der Hierarchie des Königreiches.
Mörderische Intrigen umrundeten oft den Thron: Bei einer Gelegenheit ermordete der König aus Vorsicht sieben seiner Söhne, um zu verhindern,
dass einer von ihnen auf die Idee kam, die vorzeitige Thronfolge anzustreben. Und es gab Kriege.
Zusätzlich zum Christentum brachten die Portugiesen die Kunst des Waffenbaus; aber der Elefant, der wie ein moderner Panzer benutzt wurde, war
die taktische Waffe in Kampagnen gegen benachbarte Staaten. Die Siamesen gewannen gewöhnlich außer gegen ihren größten Rivalen, Birma 34, mit
dem sie in einer langen und bitteren Fehde lagen.
Der Ärger begann wegen der Forderung eines birmanischen Königs nach
einem weißen Elefanten. Die Siamesen hatten dieses Tier lange verehrt.
Albinos, eher hellrosa als weiß, sind heilige Omen der königlichen Freude.
Ein Glauben hält sich, dass sie integrierter Bestandteil der Majestät sind,
obwohl sie in einem Zoo gehalten werden und nicht mehr in ihren Ställen
im Grand Palace, sie in der Jugend durch junge Frauen, die sich aufgereiht
hatten, um ihre bloßen Brüste dem gefräßigen Rüssel zum Trunk zu reichen, genährt wurden. Natürlich waren sie immer übertrieben verwöhnt
worden, der König fütterte sie mit den frischen Trieben von Zuckerrohr und
verlieh ihnen königliche Namen und Titel. Der König, gegenüber dem die
von Fortschritt unberührt geblieben. Ein großer Prozentsatz der Bauern mietete oder
pachtete sich Land für den Anbau. Für die schnell wachsende Bevölkerung wurde das
fruchtbare Land immer knapper, und der städtische Arbeitsmarkt bot keine gute Alternative”. (Handley, The King Never Smiles, Yale 2006, S. 182)
34 Auch Burma, oder neuerdings von den Diktatoren des Landes Myanmar genannt.
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Birmanen ihre Forderung stellten, hatte nicht weniger als sieben weiße Elefanten, was eine bemerkenswert große Zahl darstellte.
Das Zurückweisen der Forderung der Birmanen ließ eine dreihundert Jahre
andauernde, immer wieder aufflackernde Fehde entbrennen, die viele legendäre Helden gebar ebenso wie Schurken, fast so wie die Kriege zwischen England und Frankreich, bis die britische Unterwerfung von Burma
die ständig vorhandene Bedrohung einer Invasion vom Drei Pagoden-Pass
hinter dem River Kwai beendete. Aber davor, in einer Nacht des Jahres
1767, betraten die Birmanen die Stadt Ayudhya (Ayutthaya), um zu rauben,
plündern und die Stadt vollständig zu zerstören. Sie ermordeten den König
zusammen mit so vielen seiner Untertanen, dass diejenigen, die sie als
Sklaven mit nach Hause nahmen, sich nur auf Zehntausende beliefen, wo
einmal eine Million gelebt hatte.
In den vier Jahrhunderten des Königreichs von Ayutthaya hatten es 33 Könige regiert, von denen ein Drittel durch Rivalen ermordet worden war. Die
Mörder waren Staatsbeamte, Brüder und eine Mutter. Als Ananda starb,
und Personen jeder dieser Gruppen in der Nähe waren, hatte der Verdacht
eine Menge von Vorgängern, auf die er aufbauen konnte. Das von den Birmanen zerstörte Ayutthaya war eines der großen Handelszentren des Ostens
gewesen. Der sichere, breite Fluss, der an ihm vorbei führte, hatte das möglich gemacht, und die geistergläubigen Siamesen gaben diesem den Titel
eines Herzogs, Chao Phaya, obwohl die Westler darauf bestanden, ihn Menam zu nennen, was das siamesische Wort für Fluss bedeutet.
Seine Nutzung für den Handel wurde durch die Könige angeregt besonders
durch einen 35, der durch einen Griechen mit dem Namen Constantine
Phaulkon regierte. Dieser kam als einfacher Seemann in Britisch-OstIndien an und stieg auf bis zum Titel eines Lord of Cool Knowledge und
wurde dann im Jahr 1688 aus Angst vor dem Aufstieg des Westens in Stücke gehackt 36. Eine Palisade wurde daraufhin rund um Siam gegen den
35 König Narai
36
wohl insbesondere auch weil eine gross angelegte Missionierung durch Jesuiten im
Auftrage Ludwigs XIV. v. Frankreich zu Recht oder Unrecht befürchtet wurde, die als
Beginn eines Kolonisierungsversuchs verstanden wurde. Nicht zu unterschätzen ist dabei das Motiv des Ursupators, der die Dynastienachfolge des kinderlosen Narai – übrigens erfolgreich- anvisierte.
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Westen aufgestellt. Sie stand eineinhalb Jahrhunderte bis Anandas Urgroßvater sie nieder riss und so den Samen legte für Anandas Tragödie.
Also war die Chakri Dynastie aus den Ruinen Ayutthayas entstanden, die
Linie der Könige, zu denen Ananda gehört. Ein General mit dem Namen
Taksin entkam aus der Stadt und führte eine Widerstandsbewegung an, die
schließlich die Birmanen wieder vertrieb, errichtete eine neue Hauptstadt 37
und proklamierte sich selbst zum König 38. Zum Kommandeur seiner Truppen berief er den Sohn eines alten Palastbeamten und dessen chinesischer
Frau. Vor ein paar Jahrzehnten wurde der Name einer staatlichen Behörde
zum Namen ihres Amtsinhabers, der seinen Geburtsnamen aufgab 39 . Und
so nahm Taksins Kommandeur den Titel als eigenen Namen an. Während
Chakri auf einem Kriegszug war, brach eine Revolte gegen Taksin aus, der,
verrückt geworden40 , fastete und betete, um sich selbst das Fliegen zu ermöglichen. Der Rebellenführer bot Chakri den Thron an. Dieser akzeptierte
am 6. April 1782. Der neue König ließ Taksin exekutieren – mit einem parfümierten Sandelholz-Schläger- 41 und dann den Rebellenführer, damit Rebellion nicht zur Gewohnheit wurde 42.
Chakri wird Rama I 43 genannt. Neben dem Menam, ca. 20 Meilen entfernt
vom Meer, baute er die Hauptstadt aus einem Dorf mit wilden Pflaumen –
Bangkok – und nannte es um in „Juwelenbesetzter Wohnsitz des Gottes
Indra“, den Namen, den die Westler ignorierten. Sie entfaltete sich mit
37
38
Thonburi
Nicht ohne Absprache mit seinem Freund und Verbündeten Chakri
39
Nachnamen in unserem Sinne gab es zu dieser Zeit in Thailand noch nicht. Der ursprüngliche Name Chakris war Thong Duang.
40
Die offizielle Begründung für den Aufstand wie für die Entthronung war, dass er exzentrisch geworden wäre.
41
In dem obligatorischen Seidensack für Träger königlichen Blutes.
42
Diese Mal allerdings ohne Sandelholzschläger und Seidensack
43
Durch die Bearbeitung (s.a. Anm. 12a) des Ramayana schafft er eine Staatsideologie, die verfassungsähnliche Grundlage seines neuen Staates wird. Dabei war das Ramayana zu diesem Zeitpunkt den Thailändern bereits wohl bekannt und von erheblicher
Bedeutung. Schließlich hieß die untergegangene Hauptstadt Ayutthaya in Entlehnung
der Heimatstadt des Prinzen Rama. Aber erst die Thailandisierung des Epos und die
Gründung einer neuen Dynastie, deren Herrscher bis auf den heutigen Tage sich alle
Rama nennen, zieht die gewollte und durchdachte Parallele zur Reinkarnation Vishnus
und damit zur Göttlichkeit des Königs.
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Klöstern und Palästen in der Mitte einer Vielzahl von Kanälen. 44 Sein Herz
damals und heute ist der Grand Palace. Jeder Besucher kennt die hohe mit
Zinnen besetzte Mauer, die die Miniaturstadt mit Tempeln, Wohnhäusern,
Pavillons, Audienzräumen, Lustgärten, Theatern und der Verbotenen Zone,
genannt das Innere, -das Quartier der königlichen Frauen und ihrer Kinderinnerhalb der Stadt umzäunt.
Das Innere verbildlicht den Status von Frauen wie er heute noch vorherrscht. Die Idee einer Partnerschaft im Zusammenleben von Mann und
Frau wächst aber langsam durch die wenigen Frauen, die im Westen erzogen werden. Eine Frau glaubt, dass es genug ist, schön auszusehen und mit
unvergleichlicher Zärtlichkeit zu lieben, um das Wunderland zwischen der
glasklaren Welt Buddhas und den düsteren Mysterien der Horoskope zu
bewohnen, zu lächeln über ein überraschendes Leben, auch wenn die Tränen ihre großen schwarzen Augen füllen, schöne Juwelen zu horten, die
Söhne zu verwöhnen und die Töchter zu bestrafen, indem sie ihnen die
Finger zurück- biegen, um damit ihnen die Flexibilität ihrer eigenen Hände
weiterzuvermitteln; Essen zur Hand zu haben, wenn es am Morgen dämmert, und die Mönche mit ihren Sammelschalen vorbei kommen; still im
Haus zu sitzen bis der Gast ihres Mannes sie anspricht. So lebt sie wie der
Mond, bezieht ihren Glanz von der Sonne, aber wie der Mond ist sie nicht
ohne geheime Macht, die die Gezeiten beeinflussen kann 45.
44
Die Parallele zu Ayutthaya wird häufig übersehen, da einer der Söhne und Nachfolger Chulalongkorns die Klongs zuschütten ließ, um der Forderung der Gesellschaft
nach modernen, befahrbaren Avenuen nachzukommen aber den malerischen Charme
der Metropole somit für immer zerstörte. Dennoch war die „schwimmende“ Anlage der
Hauptstadt wie bei Ayutthaya Konzept eines Verteidigungsprojekts, dass im Vorgängerfall - nicht zuletzt durch Versagen der Regierung und der eigenen Bevölkerung, die
beide die burmesische Schlagkraft unterschätzt hatten, so schmählich versagt hatte.
45
Die Beschreibung ist in den romantischen 1960iger Jahren entstanden. Auch heute
noch haben die meisten mächtigen Männer nicht nur eine Frau, auch heute noch blicken viele ältere Männer eher mit Verachtung und Mitleid auf Frauen. Aber eine neue
energische Frau hat sich inzwischen aus der thailändischen Gesellschaft gebildet auch
ohne Ausbildung im Westen. Frauen, die die Familien ernähren, die sich als Aktivistinnen für ihre Gemeinschaften einsetzen, und die entweder sofort aus eigenem Antrieb
oder wenn ihre Männer ermordet werden oder verschwinden wie selbstverständlich deren Rolle übernehmen. Niemand sollte sich heute von dem von Rayne Kruger beschriebenen Bild verleiten lassen. Die Veränderung im Selbstverständnis der Frauen ist die
vielleicht größte Veränderung der letzten 30 Jahre in der Gesellschaft. Allerdings ist
auch heute noch oft mangels Ausbildung und Gelegenheiten sowie einer völlig fehlgeleiteten, aber staatlich geförderten Erziehung die eigene Schönheit die Waffe der Frau
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Diese Macht steht unveränderlich gegen eine andere, nämlich die Tradition,
die dem Mann erlaubt, mehr als eine Frau zu haben. Selbst da die modernen
Gesetze nur eine einzige Frau zu registrieren erlauben, akzeptiert die Gesellschaft, ohne zu hinterfragen, jede Anzahl von Frauen oder ihre Kinder.
Ein Mann mag ein Reihenhaus haben und eine Villa auf dem Land, einen
schnellen Wagen und eine gesetzte Limousine, aber materielle Besitztümer
sind in ihrer Vielfalt limitiert, während jede neue Frau eine unerforschte
Glückseligkeit verheißt. Und ein armer Mann gewinnt einen zusätzlichen
Verdiener. Es gibt oft geschäftliche oder diplomatische Gründe für Polygamie. Zum Beispiel hatte der erste Chakri, Rama I, 29 Frauen, aber viele
waren die Töchter von Edlen, die den Wunsch hatten, ein wertvolles Geschenk zu übergeben, welches er zweckdienlicherweise akzeptierte.
Die königlichen Frauen lebten im Inneren {des Palastes} und durften diesen mit ihren 42 Kindern und tausenden von Dienern, die alle Frauen waren
-selbst die Polizisten -, nie verlassen, da kein Mann außer dem König hineingehen durfte. Chakris Beachtung der Familie war tatsächlich nützlich.
Er war zu beschäftigt damit, Krieg zu führen oder Siam wieder aufzubauen,
indem er das Recht neu verfasste, heilige Schriften überarbeitete46, die
Künstler ermutigte, und sowohl eine Regierung als auch eine prächtige
Hauptstadt baute. Von dort bis zum derzeitigen Monarchen, Bhoomipol47,
dem Bruder von Ananda, waren die Chakris einzigartige Menschen und oft
außergewöhnlich begabt. Die Krönung Ramas I vollzog sich in einer Zeremonie, die für alle Nachfolger wiederholt wurde -außer für Ananda, dessen
Tod das Vorhaben durchkreuzte- und bezieht sich auf hinduistische Vorstellungen, dass, nachdem die Erde, die ursprünglich ein Feuerball war,
sich abgekühlt hatte, die Götter durch aromatische Düfte angezogen worden waren, Menschen wurden und ihre Anführer die Ahnen der Könige.
Auch heute noch können selbst die gebildeten Siamesen den Glauben kaum
abschütteln, dass der König quasi-göttlich ist48. Außergewöhnliche Erfolge
und damit ihre Rolle bestimmt (insbesondere gilt das, wenn sie aus den ländlichen Gebieten stammt).
46
Eine seiner wichtigsten Taten ist sicherlich die Übersetzung und Bearbeitung des indischen Epos Ramayana. Durch seine Überarbeitung und Thailandisierung der Personen und des Inhalts, nun Ramakien genannt, schafft er nicht nur das thailändische Nationalepos schlechthin, sondern transformiert aus ihm eine Staatsphilosophie und ideologische Grundlage für das moderne Thailand bis auf den heutigen Tag.
47
Bhumipol oder Bhumibol
48
Der Glaube an die Göttlichkeit war durch eine tiefe Dankbarkeit für die Arbeit des
Monarchen ersetzt worden. Inzwischen zweifeln aber immer mehr Menschen Thailands
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verliehen diesem Glauben eine gewisse Rechtfertigung ebenso wie die gewaltigen Titel, insbesondere der des „Gott des Lebens“.
Es gab eine versuchte Rebellion gegen den Chakri Thron in den letzten Tagen von Rama I und noch einmal in den ersten Tagen der Regentschaft von
Rama II , als der Sohn von Taksin durch den Geist seines Vaters zur Rache
angetrieben wurde. Dieser problembehaftete Start der Herrschaft Ramas II.
hatte zweifellos etwas damit zu tun, dass er gerade mal zwei weiße Elefanten besaß, wovon einer nicht vollständig war, weil sein eigentlicher Besitzer ihm den Schwanz kupiert hatte in der Hoffnung, er könnte ihn dadurch
behalten. Später jedoch wurden drei perfekte neue Exemplare angeschafft,
und alles wendete sich zum Guten.
Rama II49 reformierte viele Gesetze einschließlich dessen, welches die
Scheidung im gegenseitigen Einverständnis erlaubte. (Ohne Übereinstimmung konnte zwar der Ehebruch einer Frau der Grund für den Ehemann
sein, sich scheiden zu lassen, aber nicht umgekehrt.) Bekannt für seine
Nachsicht schrieb er doch ernste Strafen bei dem Versuch den Opiummissbrauch zu unterbinden vor, obwohl jeder in Siam wusste, dass die
schlimmste Strafe dem Tode folgte, wenn der Süchtige sich in ein furchtbares wahnsinniges Gespenst verwandelte. Aber ebenso wie Großbritannien
profitierte auch er vom Opium-Export. Obwohl es unwahrscheinlich ist,
dass er wegen der Weigerung Pekings, die Droge zu importieren, mit China
in den Krieg zog. Die britischen Expansionsbestrebungen waren in voller
Blüte und übernahmen für ihn die Unterwerfung Birmas. Aber mit der
sowohl an Göttlichkeit als auch an dem von der Propaganda jahrzehntelang gemalten
Bild und das erstaunlicherweise besonders in den weniger gebildeten und ländlichen
Bereichen. Aber die drakonischen und archaischen Gesetze gegen Majestätsbeleidigung
machen es unmöglich, ein genaues Bild über die Einstellung der Menschen zu ihrem
König zu erhalten. Zuletzt wurde sogar vom Innenministerium ein Projekt gestartet, um
Denunzianten, Spione mit Ausweisen zu versehen, die alle Menschen melden sollen,
die „unloyal“ gegenüber dem König wären. Auch eine Webseite wurde ins Leben gerufen, auf der man auch anonym seinen Nachbarn anzeigen kann. Seitdem sollen die
Verkäufe von Bildern des Königs wieder angezogen haben, berichteten einige Devotionalienhändler.
49
Er wird allerdings von der Geschichtsschreibung dafür kritisiert, dass er seine Nachfolgeregelung nicht präzise genug geregelt hätte. Abgesehen dass dies auch anderen
passiert, die ihren Tod nicht rechtzeitig voraussehen oder seine Unausbleiblichkeit
nicht wahrhaben wollen, bleibt zu bezweifeln, ob eine konkretere Regelung den ungestümen Machtwillen Rama III. zu bremsen in der Lage gewesen wäre. Wahrscheinlich
hätte eine zwingendere Regelung das Leben Mongkuts noch stärker gefährdet
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Übernahme von Cochinchina durch Frankreich wurde Siam unangenehm
zwischen die beiden Mächte positioniert. Der Westen drückte gegen die
Palisaden, die nach dem Tod von Phaulkon, dem Griechen, aufgestellt worden waren. Rama II schenkte dem wenig Beachtung. Er dachte mehr an die
Erstellung von poetischen Versen, was ihm von seinen führenden Konkurrenten in dieser Kunst den noblen Titel eines Sire der wunderbaren Rede
einbrachte.
Unter seinen 27 Kindern war ein Sohn von genialer geliebter Ungeschicklichkeit, der die gegen den Westen gerichtete Palisade überwachte und dazu
bestimmt war, ihre Zerstörung zu beginnen. Es war Anandas Urgroßvater
Mongkut, der am besten bekannte König Siams wegen Anna Leonowens51
Geschichten und der daraus resultierenden Hollywood Produktion „Der
König und ich“.
Er befand sich in seiner obligatorischen Mönchzeit, als Rama II starb, aber
obwohl er der älteste himmlische Prinz war – der Titel wird Söhnen der
Königin gegeben – machte sich ein älterer und ambitionierterer Halbbruder
zu Rama III. Mongkut blieb in seinem Kloster und reagierte auf ein siamesisches Prinzip, dass Diskretion der bessere Teil der Tapferkeit ist52. Es ist
50 Das Gebiet des heutigen Vietnams.
51
So segensreich das Wirken dieser Dame vielleicht für die Erziehung der Nachfolger
Mongkuts auch gewesen sein mag, für den Ruf der Dynastie und die modernere Geschichte Thailands war sie ein Desaster. Nach ihrem Weggang aus Thailand fühlte sie
sich zu literarischem Schaffen berufen und veröffentlichte angebliche Erlebnisse ihrer
Zeit am Hofe. Dabei kolorierte sie unbedenklich, erfand dazu, wenn es das Kaufsinteresse erhöhte und schilderte vieles falsch, weil sie bei ihrem defizitären Wissensstand
über die ihr fremde Kultur und Welt häufig zu falschen Schlüssen und Beurteilungen
kam. Es bedurfte erheblicher Zeit und noch umfangreicheren Schrifttums, um der literarische Verfälschung und politische Zweckaussage der Autorin entgegen zu wirken.
Jedoch ist es schwer festzustellen, was letztendlich als Gegenpropaganda zu werten ist,
und was tatsächlich eine Korrektur literarischer Verfälschung war. Ähnlich wie in anderen Fällen von verbotenen Büchern und Filmen wird die Kritik oft pauschal und quasi-religiös geäußert. So wurde der Film und das Buch mit folgender Begründung verboten: “Der König und seine Entourage sagte, dass das, was sie aus der Übersicht des
Musicals erkennen konnten, die Charakterisierung von Mongkut 90% übertrieben erschien. Mein Ur-Ur-Großvater war ein wirklich ziemlich milder und netter Mann.“(
Marguerite Higgins, 'Siam King Found Shy And Welfare-Minded', Washington Post
(30 August 1951), pg. B11)
52
Da macht es sich der Autor vielleicht etwas zu einfach. Mongkut fürchtete wohl
nicht unbegründet Seidensack und Sandelholzschläger. Als Mönch gehörte er Buddha
und war für die weltliche Exekutive unantastbar. Ihn anzurühren, konnte sich auch Rama III. nicht leisten, solange er im Kloster blieb. Bis auf den heutigen Tag haftet Rama
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ein Prinzip, das sie zu geschickten Diplomaten macht. Selbst wenn sie über
alle akzeptierbaren Grenzen hinaus zu Konzessionen genötigt werden, geben sie weiter nach: aber sie kommen sofort zurück, wenn die Möglichkeit
es zulässt, da die innere Feder des nationalen Bewusstseins unendlich zusammen gedrückt werden kann, ohne -wieder losgelassen- an Spannkraft
verloren zu haben.
Rama III53 arbeitete so hart, dass er morgens nicht aufwachen wollte. Niemand durfte königliche Persönlichkeiten berühren. Darauf stand die Todesstrafe. Dieses Mächtigste aller Palast-Tabus - dessen makabres Beispiel
wir sahen, als Ananda starb – zwang den Pagen von Rama III dazu, die Zeit
III. ein gewisser Ursupatorengeruch an, und er und seine Zeit werden gerne mit
Schweigen bedacht und nach Möglichkeit übergangen. Trotz Bemühungen seinerseits
war es ihm auch nicht möglich, seine Kinder auch nur in die Nähe einer Nachfolgeregelung zu platzieren.
53
Das Verhältnis Ramas III. zu seinem Halbbruder Mongkut bleibt während der gesamten Regierungszeit des Ersteren das einer komplizierten und delikaten diplomatischen Kohabitation.
Rama III. ist sich der Rolle Mongkut als Dauerkonkurrent wohl bewusst und geizt nicht
mit Zuwendungen, die die religiöse Position des Bruders stärken und seine kirchliche
Laufbahn fördern. Mongkut steigt in dieser Zeit bis zum Patriarchen der nationalen
buddhistischen Kirche und unbestrittenen Führer der Sangha auf, womit nicht die Intensität und Profundität dessen buddhistische Studien und daraus resultierender Kenntnisse negiert werden soll. Mongkut versuchte ernsthaft den Glauben und die Organisation zu reinigen und reformieren. Er gründete den Thammayut Nikaya Orden, der sich
für eine striktere und ursprünglichere Auslegung buddhistischer Regeln einsetzte, förderte die Kenntnis der Pali Sprache, die er für das buddhistische Studium für unerlässlich hielt, sorgte für die Revision des thailändischen Tipitaka auf Grund alter Schriften
und erreichte die Übersetzung des Pali-Kanons in die thailändische Sprache. Obwohl
das Verhältnis seines neuen Ordens zur alten Ordnung nur 1:35 zählte, beherrschte der
Thammayut Orden den Sangha (hier wird anfänglich die brüderliche Unterstützung gegen die träge Mehrheit hilfreich gewesen sein) und tut es bei ähnlichen Kräfteverhältnissen bis auf den heutigen Tag. Auch der jetzige Patriarch gehört dem Thammayut
Orden an. Verlockend in diesem Zusammenhang wäre eine Untersuchung der Unterschiede zwischen Thammayut und dem Rebellen-Orden von Santi Asoke, der ja ähnliche Forderungen nach Glaubenserneuerung stellt wie seinerzeit Mongkut.
Die Thammayut-Sekte ist bis heute das Werkzeug des Palastes, um auch durchaus weltliche Ziele zu erreichen. Ein Beispiel für die politische Auswirkung ist die Aufnahme
von Thanom Kittikhachorn, einen durch die Demokratiebewegung ins Ausland gezwungenen Diktator, durch das zur Sekte gehörende Wat Bovovirnes am 19. September
1976, das schließlich zum Massaker in der Thammasat-Universität führte. „Samak
Sundaravej erklärte dem Kabinett, dass der König und die Königin seine Rückkehr erlaubt hätten.“ (Morell and Chai-anan, Reform, Reaction, Revolution: Political Conflict
in Thailand, Boston 1980, S. 271)
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über eine Stunde lang anzusagen, immer und immer wieder bis sein Master
aufgebracht war. Dann war Rama aktiv. Die langen religiösen Zeremonien
in der Routine des Hofes behinderten nicht seine Aktivitäten, da er seinen
Ministern vor dem Hintergrund der klösterlichen Liturgie öffentlich Audienzen gab. Die Toleranz der buddhistischen Religion ist sehr entspannend. Einmal als der heutige König von einer verlängerten Auslandsreise
nach Bangkok zurückkehrte, ging ich in einen der führenden Tempel, wo
80 lebensgroße Mönche in zeitloser Unbeweglichkeit sitzen, als ob sie dem
aufragenden Buddha zuhören würden, und daneben sah ich drei oder vier
Mönche auf dem Marmorboden sitzen. Sie nippten an Teetassen, rauchten
und hörten einem Transistorradio zu, in dem jemand über die Ankunft von
König Bhoomipol redete. (Zigaretten und ungesüßter Tee hält den Hunger
zwischen dem letzten Essen gegen Mittag und dem nächsten Essen zum
Morgengrauen in Zaum. Man sieht keine fetten Priester in Siam54). Der
Tempel war kühl und wunderschön. Wie angenehm, so zu sitzen und dem
Radio zuzuhören, dachte ich und ging mit einem erneuerten Respekt für
den fehlenden Pomp und die unorthodoxe Art. Sicher, es wird erwartet,
dass man die Schuhe auszieht, aber das muss man auch, wenn man ein privates Haus betritt, um den feinen Teak-Boden sauber zu halten.
Die Toleranz des Buddhismus hilft das totale Versagen der westlichen Missionare zu erklären, die nicht in der Lage waren, die Siamesen zum Christentum zu bekehren. Ein Jahrhundert und ein halbes hingebungsvoller Arbeit haben gerade mal eine Handvoll Bekehrter trotz der Hilfe, die freimütig durch alle Könige bis auf einen gewährt worden war erzeugt.55 Das
war zu der Zeit, als Rama II versuchte, eine der immer wieder auftretenden
Epidemien, die Bangkok befielen, zu verhindern, und eine Zeit der Frömmigkeit verordnete. Zum Beispiel kaufte er Tiere, die eigentlich geschlachtet werden sollten, und fütterte sie. Solche Akte der Tugend, die von Siamesen an ihrem Geburtstag oder bei wichtigen Gelegenheiten vollbracht
werden, sind zum Beispiel der Kauf und die Freilassung von Hühnern oder
lebenden Fischen auf einem Markt. Einige der Missionare erklärten diese
Praktiken zum Aberglauben, was Rama III erzürnte und zu blinder Wut
anspornte, unter denen die Chakris oft gelitten haben, bis ein Bischof ihn
54
Heute sieht man durchaus auch fette Mönche.
55
Toleranz ist eine verklärte Sicht der Dinge. Wer die Gewalttaten sieht, wer die stillschweigende Duldung von Menschenrechtsverletzungen, von Unterdrückung und die
Exzesse von Intoleranz insbesondere in den letzten drei Jahren gesehen hat, der wird zu
der Auffassung kommen, dass Toleranz nicht auf diese Gesellschaft zutrifft.
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mit dem Geschenk von einigen Enten und Gänsen, die zum Freilassen bestimmt waren, wieder besänftigte.
Besser diente dem Zweck (der Vorbeugung gegen Epidemien) die Arbeit
eines Amerikanischen Missionars, Dr. Bradleys, der die Vorteile der Impfungen bewies. Rama III befahl ihm daraufhin, diese Methode den siamesischen Ärzten beizubringen, wodurch der Westen zum ersten Mal effektiv
erfolgreich in die Gebräuche eindrang und das an der Spitze einer Impfnadel.
Aber die Spitzen der Bajonette kamen auch immer näher. In Erinnerung an
Birmas und Malaysias Schicksal, und nachdem selbst China den Engländern Hong Kong verkaufen musste, unterzeichnete Rama II einen Vertrag
in dem „Die Engländer und die Siamesen sich in Frieden begegnen, in Liebe und Zuneigung, mit gegenseitigem Respekt, Vertrauen und Aufrichtigkeit
….“ Zumindest die Freundschaft, Liebe und Zuneigung bestehen fort. Ein
paar Jahre später wurde ein ähnlicher Vertrag mit den USA geschlossen,
die von „Edwin Rabad, einem Edelmann aus Amerika“ vertreten wurden,
der den Namen Edmond Roberts trug und ein Gesandter von Präsident
Andrew Jackson war.
Er förderte den Handel, vermehrte die Schönheiten von Bangkok, begradigte den Fluss, grub Kanäle, schlachtete dreitausend chinesische Immigranten
ab, die sich in geheimen kriminellen Gesellschaften organisiert hatten, er
nahm einen rebellische Vasallen wie den König von Laos gefangen und
stellte ihn öffentlich in einem Käfig aus. Die 27-jährige Regentschaft von
Rama III litt nicht unter Untätigkeit. Und in all der Zeit blieb Mongkut still
ein Mönch. Im Alter von 33 Jahren wurde er zum Abt eines Klosters gemacht, der Excellent Abode in Bangkok, wo er die gereinigte Form des
Buddhismus einführte.56
Er lernte auch Englisch, und wurde der erste in seinem Reich, der es sprach
und schrieb, oft in verwunderlicher Art, weil es für einen Siamesen schwer
ist, denn seine Worte haben unterschiedliche Bedeutungen je nachdem,
welche der fünf Tonlagen er zur Aussprache benutzt. Dabei haben seine
Worte nur Einzelsilben und daher werden sie aufgereiht wie auf einem chi-
56
Der königliche Bruder stellte ihm das Wat Bowornives zur Verfügung, in das der
frisch gekürte Abt am 11.06.1837 mit seinen Jüngern und Mitstreitern des Thammayut
Ordens einzog. Mongkut richtete dort eine Pali-Schule ein.
Der Monarch förderte alle religiösen Bemühungen seines Halbbruders und hielt ihn
damit auch gleichzeitig von Staatsgeschäften und “gefährlichen” Interessen fern.
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nesischen Abacus: Ein Arbeiter ist „Sohn-einer-Verdingung“, ein Daumen
ist „Mutter-der-Hand“, Elektrizität heißt „Himmels-Feuer“, Streichhölzer
sind „Holz-macht-Feuer“, der Fluss ist eine „Mutter-des-Wassers“. Da ein
Siamese keine Mehrzahl kennt, fügt er das Wort Körper hinzu: „Tisch-dreiKörper“ bedeutet drei Tische. Die Sprache hat auch keine Zeiten, aber er
kommt damit zurecht, indem er sagt „ich gehe nach Bangkok gestern“. Er
kennt in der Sprache auch kein Geschlecht, weshalb er evt. zu Beginn seines Englischunterrichts seinen Bruder als seine Schwester vorstellt, weil
das Wort für beide das gleiche in Siamesisch ist. Und die Worte werden
ohne Zwischenraum geschrieben. (UnddieWortewerdenohneZwischenraumgeschrieben) Während man das Gleiche wie eine Interpunktion durch
Lücken in dem Text erreicht.
Auch hat der Siamese eine separate Sprache der Monarchie, wenn er zum
König oder über den König spricht. So sind die Namen der Körperteile des
Königs unterschiedlich und für seine Aktionen wie Essen, Schlafen, Gehen
und für delikate Subjekte wie Schweine und so weiter. Bevor der Westler
jedoch irgendetwas über die Sprache lernt, gerät er in eine fast unvorstellbare Verwirrung der Nomenklaturen. Die Siamesen und Westler haben
nicht nur unterschiedliche Namen für das Land, seine Hauptstadt und den
wichtigsten Fluss, sondern außerdem wird kein Name so ausgesprochen
wie er geschrieben wird. Die Siamesen sind eine Rasse der Cholmondeleys 57
Mongkut lernte auch Latein und las die Bibel, aber Englisch erlaubte es
ihm, das Hochland des westlichen Wissens zu sehen. Dies wurde sehr
wichtig für ihn, als Rama III. starb, und er sich selbst aus dem Kloster entließ, um König zu werden. Als Englands Gesandter ihm im Jahr 1855 besuchte, so sah er ihn, wie er im Mondlicht gekrönt wurde und dabei einen
juwelenbedeckten Haarschmuck trug. Er bot dem Engländer Zigarren an
und nahm ihn dann in sein Arbeitszimmer mit, das mit einer Sammlung von
Uhren, Barometern und anderen Instrumenten vollgestopft war, und zu dem
dann eine Modelleisenbahn als Geschenk von Königin Victoria hinzugefügt
wurde. Es verkörperte das Abschütteln des Barbarismus und die Begierigkeit, in das 19. Jahrhundert einzutreten. Und er war sich sicher, dass sein
Land ihm folgen würde.
57
Eine britische Schriftstellerin, Mary Cholmondeley. die berühmt ist für ihre blumenreiche Sprache ohne Wiederholungen.
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Früher war der Bevölkerung verboten wurden, auf die geheiligte Person des
Königs zu schauen, und sie mussten damit rechnen, dass ihnen von den
Wachen des Königs die Augen mit Pfeilen ausgeschossen wurden, wenn sie
ihm mit dem Blick folgen sollten.58 In Zukunft, so verordnete er, konnten
sie ihn anschauen. Früher bedeckten die Männer und Frauen nur den unteren Teil ihres Körpers, ihre Torsos; er dekretierte, dass man zukünftig vollständiger bedeckt sein müsse. „Diese Körperteile könnten durch Narben
entstellt sein oder heftig schwitzen. In beiden Fällen wäre das äußerst abscheulich“. In über 500 Dekreten glaubte er, Siam zu modernisieren. Jedes
Dekret begann mit seinen zahlreichen Titeln und den Worten „durch königlichen Befehl, strahlend wie der Ruf eines Löwen.“ Sie reichten von der
Erlaubnis des Praktizierens von Religionen bis zum Verbot „die unelegante
Praxis durchzuführen, tote Tiere in die Wasserwege zu werfen.“
Während er mit der Arbeit seiner Vorgänger fortfuhr, Bangkok schöner zu
machen, war er auch der erste, der Straßen auf dem Land und im Wasser
einrichtete, und er fuhr mit einer zweispännigen Pferdekutsche zur Inspektion dieser Operationen. Er fuhr stolz mit seinem Raddampfer über den
Golf sowohl zum Spaß als auch, um seine dampfbetriebene Flotte von
Handelsschiffen zu überwachen, die er unter englischen Kapitänen zusammengestellt hatte.
Er ermutigte die Einführung von westlicher Medizin und Krankenhäuser
durch Missionare, er baute mit Hilfe von Dr. Bradley eine Druckerpresse,
richtete eine Münze ein, um Münzgeld zu schlagen, die an Stelle von Brocken Eisen zur Anwendung kamen, und er organisierte seine Armee unter
englischen Offizieren, während er ein dunkelrote englische Uniform trug.
(Sein Bruder war so interessiert an Artillerie, dass sogar seine Gärtner und
Köche im Schießen trainiert wurden.) Aber Mongkuts wichtigste Tat war
der Import von westlichen Beratern, die beim Regieren und der Modernisierung der Regierung helfen sollten. Dahinter steckte weit mehr als eine
Passion für Modernität: Er war überzeugt, dass er keiner westlichen Macht
einen Grund geben würde als Entschuldigung für eine „Intervention“. Aus
58
Am 17.04.2006 war ich auf die Insel Ko Chang gefahren. Auf dem Weg zu einem
Tauchgang in einem der landesüblichen, zum Taxi umgebauten Pick-Up, wurde das
Taxi angehalten. Der gesamte Verkehr wurde angehalten. Alle 100 Meter stand ein Polizist. Die Taxiinsassen wurden barsch aufgefordert, nicht auf die Straße zu sehen.
Nach ca. 20 Minuten fuhr eine Fahrzeugkolonne mit Mitgliedern der königlichen Familie vorbei. Ein Engländer in dem Taxi, der sich neugierig umsehen wollte, wurde
barsch von einem Polizisten in bedrohlicher Stellung aufgefordert, nicht auf die Kolonne zu schauen.
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diesem Grund machte er auch vertragliche Zugeständnisse, ohne auf die
Souveränität des Landes zu achten; er liberalisierte den Handel und stimulierte die Reisproduktion, die schon immer die Hauptstütze der Wirtschaft
gewesen war.
Da seine Familie die Nation mit ihren Führungskräften versorgte, stellte er
sicher, dass progressive westliche Lehrer seine Kinder unterrichteten. Er
hatte tatsächlich 82 Kinder von seinen 35 Frauen, ein siamesischer Rekord,
der um so bemerkenswerter ist, weil er bereits einmal verheiratet gewesen
war und zwei Kinder gezeugt, als er im Alter von 20 Jahren in den
Mönchsstand eingetreten war. Dort hatte er aber streng abstinent gelebt59,
bis er im Alter von 47 Jahren König von Siam wurde. Er starb im Alter von
64 Jahren. Der wichtigste seiner Söhne war Chulalongkorn, sein Nachfolger und Anandas Großvater. Zu seiner Ausbildung und die seiner Brüder
und Schwestern hatte Mongkut die Engländerin Anna Leonowens importiert, deren durch ihre politische Überzeugung gefärbten Berichte durch
Hollywoods verfälschende Linsen nicht besser wurden.
Jedoch was an Wahrheit übrig blieb: Mongkut hatte einen anmutigen Charakter trotz seiner Ausbrüche von Jähzorn und mit seiner intellektuellen
Neugierde bleibt er der attraktivste aller siamesischen Könige.
Einmal schrieb er ein Buch über weiße Elefanten und stellte fest, dass unter
ihren Vorzügen ein wunderschönes Schnarchen wäre, wobei er aber zugab,
dass im Urteil einer Frau der Geschmack variieren mag. Aber die Wissenschaft blieb seine Passion. Besonders die Astronomie. Wenn er ausritt,
stellte er immer den Sonnenstand fest, um seinen Längen- und Breitengrad
festzuhalten, und er konnte im Jahr 1869 den korrekten Zeitpunkt einer
Sonnenfinsternis vorhersagen. Er widerlegte damit den Glauben der Menschen, dass das Phänomen durch eine gigantische Schlange, die die Sonne
verschlänge verursacht würde.
Er lud ausländische Wissenschaftler ein, die Sonnensfinsternis mit ihm von
einem erhöhten Punkt außerhalb von Bangkok zu betrachten. Aber dort
wurde er mit Malaria infiziert. Sterbend, wie Buddha an seinem Geburtstag,
drehte er sich (wie Buddha es auch getan hatte) auf seine rechte Seite und
murmelte ruhig und belehrend wie immer. „Dies ist der korrekte Weg, um
zu sterben“.
59
Was für die aufrichtige Geradlinigkeit seines Charakters und seine tiefe Religiosität
spricht.
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Und so kam sein Sohn Chulalongkorn auf den Thron, um Siam mit der
gleichen Galanterie, den die europäischen Frauen bei seinen Staatsbesuchen
an ihm schätzten in das 20. Jahrhundert zu gleiten. Er war der erste siamesische König, der ins Ausland reiste60. Sein Vater stand halb im Schatten
der Vergangenheit, er selbst stand dickbäuchig und zuversichtlich in der
Gegenwart.
Er hatte gut von Mongkut gelernt, wie man Briten als Berater für Finanzen
importiert, Amerikaner als Berater für die Beziehungen mit dem Ausland,
Franzosen als Rechtsberater, und Dänen, Deutsche und insbesondere Belgier in den anderen Abteilungen. So richtete seine Regierung Bildungsstätten von Grund auf neu ein. Eine Polizeieinheit, Post und Telegraphenservices und eine Eisenbahn, Krankenhäuser, ein Haus für Geistesschwache,
eine medizinische Hochschule, eine Organisation für die öffentliche Gesundheit, eine Hochschule für Recht, ein Strafgesetzbuch, eine reformierte
Gerichtsbarkeit und ein neues Strafsystem. Die Regierung führte Urkunden
für Landbesitz ein, von denen er einen großen Teil selbst kaufte, um den
Reichtum seiner Nachfolger zu begründen. Und schon bald, als ob er an der
magischen Lampe gerieben hätte – da hatte er einen Staat des 20. Jahrhunderts geschaffen.
Was hätte angemessener sein können für jemanden, dessen liebstes Buch
die „Arabischen Nächte“ (The Arabian Nights) waren? Chulalongkorn
selbst schien wie die Schöpfung eines Geschichtenerzählers, der die tausend und eine Nacht betört. Beobachten sie ihn, den größten der Potentaten,
der zu einem Picknick mit zwei-, drei- oder viertausend Menschen in seiner
Entourage fuhr, die alle in unzähligen exotischen, von mit roten Uniformen
gekleideten stehenden Ruderern angetriebenen Booten unterwegs waren,
um dann an Bambus-Pavillons anzuhalten, die nur für die eine Nacht gebaut worden waren, und doch bedeckt waren mit Blütenblättern, die in farblichen Schichten zusammengesteckt waren.
Oder beobachten Sie ihn die glücklicheren seiner 77 Kinder zu unterrichten, während er unter ihnen sitzt. Oder wieder einmal, Gott des Lebens, wie
er gegen Mittag aufsteht, um bis um vier Uhr am Morgen zu arbeiten und
die ganze Verwaltung verpflichtet, das mit ihm zu tun nur Pause machend,
um in der City mit seinem offenen gelben Elektroauto zu fahren oder um
Mahlzeiten zu essen, die von chinesischen und indischen Köchen zubereitet
worden waren. Er liebte Essen so sehr, dass er ein Buch mit westlichen Re-
60
Abgesehen von Raubzügen und Kriegen.
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zepten schrieb einschließlich 14 für Sandwichs. Es ist wahrscheinlich, dass
diese Vorlieben ihn später heimsuchten und mit Diabetes und anderen
Krankheiten straften.
Und so starb er im Jahr 1910 im Alter von nur 57 Jahren. Seine Zeit als
Regent hatte 42 Jahre gedauert, da er Mongkut schon als Teenager auf dem
Thron gefolgt war. Während seiner Minderjährigkeit hatte er einen Regenten, der den gleichen Namen trug wie einer der Regenten, der einen der
Könige Ayudayas getötet hatte. Auch wenn dieses Beispiel nicht wiederholt wurde, passierte etwas Schlimmeres, nämlich der Aufbau einer Gruppe
von mächtigen Prinzen (also königlichen Verwandten), die die Abteilungen
der Regierung geschickt leiteten, die aber nur dem sehr beschäftigten König
Antworten gaben; sie wurden die Knotenpunkte, um die sich alles drehte,
besonders die zunehmenden Arten von Bildungsprogrammen; sie horteten
die Arbeit, den Fortschritt und den Wohlstand. Der Palast dieser Barone
wurde zu einem weniger wichtigen Hof, in dem Günstlinge herumschlichen
und schmeicheln konnten. Hier genau liegt die Ursache von Siams politischen Problemen im zwanzigsten Jahrhundert.
Wichtig für das Verständnis der Tragödie von Ananda war die Art des Verstreuens der Saat durch die königlichen Lenden. Viele der 92 Frauen Chulalongkorns teilten nie sein Bett. Unter seinen persönlichen Räumlichkeiten
im Inneren war ein Raum, der der Gelbe Raum genannt wurde, in dem
nicht bevorzugte Frauen durch all die Jahre voller Hoffnung jeden Abend
warteten, während er an ihnen vorbei ging, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Drei Frauen warteten nie dort. Diese Favoriten waren drei Schwestern, die als Töchter einer der Frauen seines Vaters auch seine Halbschwestern waren. Inzest innerhalb von Monarchielinien war nichts Neues, aber
die später folgenden Ereignisse lassen nicht vermuten, dass die ChakriLinie durch sie gestärkt wurde. Weniger wissenschaftlich nachprüfbar aber
ebenso wichtig für das Folgende waren die Persönlichkeiten seiner führenden Frauen. Aber deswegen hatte Ananda nicht sterben müssen, und er wäre sicher nicht geboren worden.
Im Alter von 21 Jahren fiel eine der drei Schwestern in den Fluss, als ihr
Boot kenterte61. Wegen des Tabus, nach dem niemand königliche Personen
anfassen durfte, konnten weder sie noch ihre zwei Kinder vor dem Ertrinken gerettet werden. Chulalongkorn wandte sich zum Trost den zwei über-
61
Am Bak-Pa-In Palast
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lebenden Schwestern zu. Beide waren Königinnen, aber die jüngere machte
er zu höchsten Königin.
Sie war die Macht hinter dem Thron. Er ernannte sie zum Regenten, wenn
er außer Landes war. Sie sandte ihm jede Stunde einen Bericht über ihre
Gefühle, das Essen und Trinken, den Status ihrer Gedärme und ihrer Blase.
Auf die winzige Person häufte er Titel und Juwelen einschließlich eines
100.000 Pfund teuren Perlenhalsbandes sowie Grundbesitz, der 90.000
Pfund Gewinn pro Jahr abwarf.
Sie folgte königlicher Tradition und machte ihren Hof zur Schule, in der die
Mädchen landestypische Wissenschaften lernten, gute Manieren und
Selbstdisziplin. Sie baute und stattete Mädchenschulen aus, und sie vergab
Stipendien für Mädchen, die dann im Ausland studieren konnten. Sie gründete die Siamesische Rot-Kreuz-Gesellschaft und sandte Mädchen zum
Lernen des Krankenschwesterberufs nach England. Sie ließ auch Hebammen ausbilden, um neue Geburtsmethoden anzuwenden (eine Frau der Arbeiterklasse gebar auf einem unhygienischen Boden, und das Neugeborene
wurde neben ein Feuer gelegt.) Nach Chulalongkorns Tod wurde ihr der
Titel „Königin mit zehntausend Jahren“ verliehen, und sie führte weiterhin
im Inneren das Kommando über die Chakri-Familie. Dabei hielt sie sich
weiter an die reichlich ungewöhnlichen Zeiten ihres Ehemanns (sie begann
mit dem Frühstück um 22:00 Uhr in der Nacht) und behielt ihre eigene Passion für Autos. Aus dem Katalog der London Motor Show wählte sie jedes
Jahr drei oder vier Modelle als Geschenke für ihre Verwandtschaft aus.
Ihre ältere Schwester, die Königin Sawang genannt wurde, war durch den
König nur einen Grad niedriger eingestuft worden. Auch wenn sie eine unheilbare Spielerin war (wie die meisten ihrer Landsleute) - im Alter von 57Jahren spielte sie einmal während 24 Stunden Poker bis zum Ende – folgte
sie doch in den meisten Dingen ihrer Schwester in den Pflichten des Staates. Die Wichtigkeit für uns in unserer Geschichte ist die Tatsache, dass
junge Mädchen zu ihr zur Ausbildung kamen, und sie zahlte für viele Mädchen, damit sie im Ausland studieren konnte. Dabei sollte es geschehen,
dass eines dieser Mädchen, die allerletzte, von der es jemand erwartet hätte,
mit einem ihrer Söhne verheiratet wurde. Und wenn dies etwas war, das
niemand vorhersehen konnte, dann konnte man noch weniger voraussehen,
welche noch extravagantere Chance die beiden Söhne des Mädchens haben
würden, die beide König werden sollten.
Der erste war Ananda. Der andere, sein Bruder Bhoomipol, nach Anandas
Tod.
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Wie das passierte, bringt uns direkt zu dem Geheimnis: die Fragen und
Tragödien dieses Todes, mehr als eines einzigen seitdem; wie wir sehen
werden, kann Töten ansteckend sein.
Genau so ansteckend wie die Gerüchte und Verdächtigungen, die an Anandas Bruder, seiner Mutter, den beiden führenden Männern im modernen
Siam und andern Menschen anhaften, wenn sich die Geschichte vor dem
Leser entwickelt. Ebenso wenig haben die Spekulationen über die Identität
des Mörders nachgelassen: Die Art von Anandas Tod selbst, ob durch
Mord, Unfall oder Selbstmord, alles wird immer noch diskutiert. Trotz eines Gerichtsverfahrens wegen Königsmord, so außergewöhnlich wie einige
in der Geschichte der Mordfälle, bleibt die Verwirrung immer noch bestehen, wird der Widerspruch immer wieder sichtbar.
Der Zweck dieses Buches ist diese Verwirrung zu beenden und der Nachkommenschaft ein klares Urteil zu überlassen.
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Das Leben von Ananda
Die Ereignisse, die entscheidend für Anandas Leben und Tod sein sollten,
passierten oft nicht einmal in der Nähe seines Geburtslandes. Sein eigener
Geburtsort ist Heidelberg in Deutschland. Es war im Jahr 1925, und zur
gleichen Zeit verpflichteten sich einige seiner Landsleute im benachbarten
Paris zu einem Schicksal, dass untrennbar von dem seinem war.
Aber niemand konnte damals daran gedacht haben. Sie waren gerade einmal Studenten, die zum größten Teil von Stipendien lebten. Sie trugen
normale westliche Kleider, sie erzeugten keinerlei besondere Aufmerksamkeit, weil viele Studenten aus dem Orient in den Zwanziger Jahren nach
Paris pilgerten. Und außerdem, wer kümmerte sich denn schon um sie in
diesem Ethos der überschäumenden Genusssucht. Wenn die Menschen ihre
Cocktailgläser herunter stürzten und sagten, „Hier ist Schmutz in Ihrem
Auge“, dann meinten sie nicht den Schmutz von Flandern. Das war vergessen im universalen notwendigen Vergessen.
Die natürliche siamesische Fröhlichkeit traf den Nerv der Stunde. Aber
daneben gab es Überlegungen und Nachdenken bei denen, die empfindsam
gegenüber dem Wohlergehen ihres Landes waren. Der Name eines dieser
Studenten wird am Ende wieder auftauchen:
Pridi Banomyong
Abbildung 3 Die Pariser Studenten, fotografiert auf dem Place de Trocadéro nach einem Besuch in der
Botschaft im Jahr 1927. Pridi sitzt als Vierter von links und FM Pibul ganz rechts, während Kuang
steht.
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Pridi war ein gut gebauter, fast grobschlächtiger junger Mann mit einem
kurzen Bürstenschnitt. Sein Aussehen war nicht ungewöhnlich bis auf den
Ausdruck seiner tiefen dunkelbraunen Augen, die noch mehr glänzten als
bei seinen Landsleuten üblich. Er war immer bereit zu lächeln, war leicht
zum Lachen zu bringen, aber er hatte eine undurchdringliche Art, eine
Maske über seiner Seele, wodurch seine Wärme, seine Freundlichkeit und
seine Geduld überraschten.
Er war der Sohn eines Reishändlers in einem kleinen Dorf in der Nähe der
historischen Hauptstadt Ayudhya im Norden von Bangkok, und ihm wird
nachgesagt, dass er chinesisches Blut geerbt hätte. Da eine große Zahl von
Siamesen vom König bis zu einfachen Bauern ähnlich gesegnet wurden, ist
das nicht unwahrscheinlich. Er begann mit dem schwächsten Anspruch zu
leben. Bei seiner Geburt am 5. Mai 1900 war seine Mutter so krank, dass
niemand dachte, dass er überleben könnte, und alle Aufmerksamkeit galt
seiner Mutter, bis jemand zufällig feststellte, dass das Kind am Leben war.
Nachdem er eine in der Nähe gelegene Grundschule besucht hatte, wurde er
in die glühende Hauptstadt geschickt, wo sein Namen heute solche Emotionen entfacht. Aber als der scheue respektvolle Junge ankam, konnte niemand etwas davon ahnen. Er war der arme Verwandte eines höheren Beamten, der ihn in sein Haus aufnahm, damit er seine Ausbildung in einer Klosterschule weiter führen konnte. Er liebte es, Fußball zu spielen, aber seine
hohe Begabung fand weniger Schwierigkeiten als Freude beim Lernen,
und er konnte sich ohne Mühen für die Hochschule für Recht immatrikulieren. Diese Schule hatte eine kurze aber signifikante Geschichte.
In der Einleitung hatte ich beschrieben, wie das 20. Jahrhundert durch den
brillanten und überschäumenden Potentaten, König Chulalongkorn, in Siam
eingeführt wurde. Er zeugte siebenundsiebzig Kinder und eine große Mengen Reformen: der frühe König regierte, der spätere modernisierte sein
Land. Aber zwischen seinen Nachkommen waren Erbstreitigkeiten ausgebrochen. Die Reformen produzierten gebildete Bürgerliche, die nur in
den Abteilungen der Regierungsbehörden Arbeit finden konnten, die wiederum von despotischen Prinzen beherrscht wurden. Und doch war es ironischerweise ein Prinz, der den Weg, das Ideal für die protestierende neue
Intelligenz aufzeigte. An der Schule für Recht, die von Chulalongkorn gegründet worden war, wurde eine neue, verwirrende und Begeisterung auslösende Idee gelehrt, die Demokratie genannt wurde.
Es begann mit kleinen Feuern an vielen Stellen. Als ein Kavallerieoffizier
bestraft wurde, weil er sich mit einem Mann in einer Taverne geprügelt
hatte, während der Mann ungestraft blieb, weil er unter dem Schutz eines
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der älteren Söhne von Chulalongkorn, des Kronprinzen stand, da marschierten die Soldaten mit gezogenen Schwertern auf, und ein Aufstand war
kaum zu verhindern. Andere nie dagewesene Geschehnisse im Dienste des
Staates beinhalteten ähnliche Herausforderungen gegenüber dem unsterblichen Konzept des monarchistischen Absolutismus. Tatsächlich wurde eine
Petition geschrieben und an Chulalongkorn gerichtet, in dem er aufgefordert wurde, dem Land eine Verfassung zu geben. Er antwortete, dass das
Land nicht bereit wäre, jedoch man vermutet, dass er in Wirklichkeit meinte, was Wellington bei einer anderen Gelegenheit schloss: „Das, was wir
heute benötigen, ist, nicht das Glück zu verlieren, welches wir erhalten hatten.“ Schon bald darauf starb er und sein Kronprinz folgte ihm auf dem
Thron. Ein dicklicher, wohlklingender Mann, der in Sandhurst und Oxford
ausgebildet worden war, und der sich selbst in die Exklusivität der Gesellschaft seiner männlichen Hofschranzen zurückgezogen hatte, mittels deren
er die ganzen Regierungsgeschäfte führte. Im 1. Weltkrieg sandte er eine
kleine Expeditionsarmee nach Frankreich, die zu spät ankam, um ernsthafte
Verluste zu erleiden, aber groß genug, um den patriotischen Idealismus anzuheizen, der überging in ein Nachkriegs- Missvergnügen über die Günstlingswirtschaft des Königs.
Es war diese Nachkriegsperiode, in der der junge Pridi die Schule für Recht
besuchte, dort war der Brunnen des Liberalismus Siams. Er trank viel davon. Das Recht, das er studierte, war nicht genug: Das Recht machte wenig
Sinn, außer wenn es von freien Männern in freier Vereinbarung gemacht
wurde: das war Demokratie. Vernunft und Mitgefühl für die Menschen waren hineingeboren worden in seine Überzeugung. Wenn es noch nicht so
stark in ihm war, so wurde es bald überwältigend, als er die Prüfungen absolvierte und ein Stipendium gewann, dass ihn in den Zwanziger Jahren
nach Paris brachte.
Er und seine Mitstudenten leben in verschiedenen Zentren, aber sie hatten
einen Aufpasser, den Botschafter. Er war ein Halbprinz, und er war jähzornig, despotisch und unmöglich. Ein Besucher beim Mittagessen in der Botschaft, einem kleinen Haus in Nummer 8 in der Rue Greuze in der Nähe
von Trocadéro, erinnert sich, dass der Sohn des Botschafters eine Anekdote
erzählte die jeden zum Lachen brachte, außer dem Vater, der ihn entschieden aufforderte, es zu wiederholen, nicht einmal, sondern zwei Mal und ein
drittes mal, und dann donnerte, „Ich habe kein Wort gehört. Geh und
schreibe es nieder.“
Zunächst bedeutete diese tägliche Tyrannei des kleinen Monsters der jungen intellektuellen Elite Siams wenig für Pridi. Er schrieb sich sowohl in de
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Hochschule für Recht als auch an die Hochschule für Politikwissenschaften
ein, er las eifrig und erforschte neue Gebiete. Mit seinen Freunden ließ er
aber auch das Tanzen nicht aus, die Billardspiele, das Moulin Rouge und
ähnliche Annehmlichkeiten des Pariser Lebens. Aber Sie hätten sie auch in
langen und ernsten politischen Diskussionen vertieft im Cafè Siefe im
Quartier Latin sehen können, oder bei politischen Treffen jedweder Art,
wobei sie den Geruch des Radikalismus schnupperten mit dem sich die Intellektuellen von Paris parfümierten. Sein eigener außergewöhnlicher Intellekt machte ihn zum Ersten unter seinen Freunden. Sie lernten von ihm und
gaben ihm den Spitznamen Mentor oder Lehrer, einen Namen, mit dem ihn
eine ganze Generation von Menschen rufen sollte.
Von Zeit zu Zeit trafen die Studenten von Paris einen jungen Prinzen, der
so sehr anders war, als der despotische Botschafter. Dieser Mann, von extremer Freundlichkeit und Idealismus, war eher eine Stein des Anstoßes in
der königlichen Chakri-Familie, zu der er, als Halbbruder des Königs, gehörte62. Sie freuten sich auf seine Reisen nach Europa und waren begeistert
von den Neuigkeiten aus Heidelberg im Herbst 1925, die berichteten, dass
er mit seinem ersten Sohn gesegnet worden war, dessen Namen Ananda
war. Für Pridi bedeutete dieser Namen keine Vorahnung, kein Finger zeigte
vom Himmel herab, von dort wo seine Sterne und die des neu geborenen
Kindes in einer tragischen Konjunktion funkelten.
Es schien so, als ob dies keine Konsequenzen hätte, und sicher irrelevant
hinsichtlich der alles beherrschenden Frage, wer auf dem Thron nachfolgen
würde. Die seine Günstlinge liebende Majestät lag in der irdischen Auflösung, nachdem er den Rest seiner Energie in jähzornigen Attacken innerhalb einer Ehe verbraucht hatte. Als Ergebnis seiner verspäteten Heirat gebar seine Frau nicht mehr als ein Mädchen, was den Thron für seinen Bruder öffnete, einen Soldaten mit dem Namen Prajadhipok.
Die Studenten in Paris waren erfreut. Einer der am wenigsten exzentrischen
der Chakri-Linie, sollte der neue König sein, der erste, der sich selbst beschränkte, indem er nur eine Gemahlin hatte. Ein Man von liberalen Impulsen, von Ehre, ohne eigensüchtige Ambitionen: Er wäre zufrieden gewesen,
in seiner Militärkarriere weiter zu leben, für die er in Woolwich, England
ausgebildet worden war. Die Studenten konnten mit Recht glauben, dass
62
Prinz Mahidol, der Vater von Ananda, hatte verzweifelt versucht zu verhindern, dass
seine Söhne einmal Aufgaben am Hofe übernehmen, vielleicht sogar den Thron besteigen sollten. Er hatte sich bis zu seinem Tod an Freunde und seine Frau gewandt mit der
Bitte, seine Söhne davor zu beschützen.
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diese Thronbesteigung das Ende der Privilegien eines Despotismus markieren würde. Und auch Prajadhipok selbst glaubte daran.
Abbildung 4 Prinzessin Mahidol, die Königinmutter, mit ihren drei Kindern - Ananda, Bhoomipol und
Bayani (Oben rechts Prinz Mahidol)
Aber die fortschreitende globale Wirtschaftsdepression verwandelte seine
Regentschaft schnell in einen Albtraum. Englands Abkehr vom GoldStandard verursachte eine Einkommenseinbusse beim Verkauf des siamesischen Reis. Prajadhipok vertraute die Regierung einer Exekutive von Prinzen an, die zwar aus Fähigen ausgewählt worden waren, aber unpopuläre
Wirtschaftspolitik betrieben. Dies brütete Unzufriedenheit aus, die verdächtig nach Verzweiflung zu riechen begann, als die Absicht des Königs, außen stehende Bürgerliche zu seinen Beamten zu machen, zu nichts führte,
weil seine mächtige Verwandtschaft dagegen in Opposition ging.
Als Reaktion auf diese düsteren Nachrichten von zu Hause, entstand in Pridi seine Überzeugung, die wichtig für alles war, was danach passierte, für
Siam, für den immer noch im Kindesalter befindlichen und unbeachteten
Ananda, für ihn selbst, auch noch unbeachtet, ein junger Bursche, der auf
ein armseliges Stipendium angewiesen war, und eine Menge heißer Luft
von den Höhen von Montmartre bis zu den Cafés auf dem Boulevard Saint
Germain blies. Er trug einen Hut und rauchte Gauloises, Es schien als ob
sein Geist aus Siam entführt worden wäre, als sein Körper in Paris präsent
war. Aber es gab Momente, in denen Siam weniger weit entfernt schien.
Zum Beispiel, wenn er auf der Pont Alexandre III im Sonnenuntergang
stand, und durch die Flügel der hoch aufragenden Statue starrte, dann konnten die Augen über die vergoldeten Wolken vom Invalidendom zur schlanken Eminenz des Eiffel-Turms wandern. Und dann konnte in der Phantasie
die Silhouette Bangkoks gar nicht mehr so entfernt scheinen. Auch Pridis
Herz noch seine Gedanken waren jemals weit weg. Er überzeugt davon,
seinen Landleuten helfen zu wollen. Und sie vielleicht sogar zu retten.
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Gegenüber seinen Freunden schlug der Mentor dringend eine Lösung von
Siams Problem vor. Die Monarchie musste wie im britischen System beschränkt werden. Und die Wirtschaft könnte nur durch eine allumfassende
Planung gerettet werden, denn Pridi war ein treuer Anhänger seiner Generation und deren begeisterte Antwort auf die großartigen Hoffnungen des
Sozialismus.
Er war unbeachtet von der Welt, und selbst der kleinen Einheit, die sein
eigenes Land darstellte, aber sein Einfluss hatte eine aufkeimende Kraft.
Und es störte bereits die alte Garde. Seine Mitstudenten die über ganz Europa verstreut waren, wählten ihn zum Präsidenten ihrer Vereinigung. Sie
kamen zu ihm mit ihren Geldproblemen, Liebesproblemen, Elternproblemen: und er stand zuverlässig zwischen ihnen und den Wütenden, die die
Jungen verurteilten. Gelegentlich vertrat er sie bei Konflikten mit den Behörden. Der halbtaube Botschafter hasste ihn deshalb noch mehr als für die
Bemerkungen, die seine Exzellenz über die flegelhaften Interessen an radikaler Politik hörte. Unweigerlich kam es zu einer Explosion.
Es geschah, dass Pridi und andere zu einem Treffen von siamesischen Studenten in London eingeladen worden waren. Der Botschafter verweigerte
gerade heraus die Erlaubnis. In einem wütenden Nachspiel schrieb er selbst
einen Brief an den König und beschwerte sich über den Haufen Bolschewiken, dessen Kommissar Pridi wäre. Die Studenten schrieben einen höflichen Gegenvorwurf: Der Botschafter hätte königliche Gelder veruntreut,
die Frau eines anderen Mannes verführt, und Siam im Bündnis der Nationen entwürdigt! Solche Dinge, gesagt über einen Prinzen, verdienten eigentlich die sofortige Abtrennung des Kopfes, aber nach dem Einholen von
Auskünften des fair eingestellten Königs Prajadhipok, sagte er, dass der
Haufen Bolschewiken seine Studien beenden müsste.
Pridi rieb dann Salz in die Wunden des Botschafters, indem er seine Doktorarbeit mit "Sehr Gut", „Très Bien“ abschloss. Aber der Despot war noch
nicht geschlagen. Er ordnete an, dass Pridi mit der dritten Klasse nach Hause reisen müsste, und dabei die braune Kleidung eines Arbeiters zu tragen
hätte. Die anderen Studenten schlossen sich prompt zusammen, um ihm ein
Erste-Klasse-Ticket zu kaufen sowie angemessene Kleidung. Mehr als
dass: Sie tauschten Schwüre aus, für die Demokratie zu leben und zu arbeiten.
Alle kamen rechtzeitig zuhause an. Sie erhielten Anstellungen in den Regierungsbehörden, und viele heirateten, richteten sich ein Heim ein und
gründeten Familien. So verstrichen sechs Jahre. Ihre Schwüre erschienen
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aufgeweicht unter dem gemütlichen Eindruck der Normalität. Pridi selbst
heiratete die Tochter eines Beamten, der ihn in seinem Haus aufgenommen
hatte, als er zum ersten Mal in Bangkok zur Schule ging. Er war kein Bauernlümmel aus der Provinz mehr. Im Justizministerium gaben sie ihm zunehmend wichtige Aufgaben. Und er kehrte an seine alte Schule für
Rechtswissenschaften als Lehrer zurück.
Dort, das ist wahr, rottete sich die Intelligenz des Landes zusammen, um
die Erklärungen der Demokratie zu hören, die er in seine Vorlesungen über
Recht einband, aber die Behörden, bequem wie sie waren, taten diese Geburt einer liberalen Bewegung als rein akademische Schaumschlägerei ab.
Sie waren zu sehr mit der Bekämpfung der großen Depression beschäftigt,
die drohte, dem Land den Lebensnerv zu rauben. Die Depression erzeugte
Arbeitslosigkeit und Leiden überall, selbst in der Armee, dessen Offiziere
in Massen in Rente geschickt wurden. So kam es, dass eine Fraktion der
Zivilisten, die Ideengeber, und eine Fraktion der Soldaten, der Männer der
Aktion, entstanden. Und wenn diese beiden zusammengebracht würden,
dann hätte man den Kopf und den Körper einer Revolution vereinigt.
Der Mann, der zu ihnen kam, war ein junger Artillerieoffizier mit dem Namen Pibul Songgram63. Seine Eltern gaben ihm den Spitznamen Plaek, was
„Seltsamer“ bedeutete, weil seine Augen über dem Niveau der Ohren waren, aber da er Feldmarschall werden sollte, würde man ihn leichter als FM
Pibul in Erinnerung behalten. Seine Familie waren Bauern, die außerhalb
von Bangkok Früchte anbauten, da wo er auch am 14. Juli 1889 geboren
wurde. Sie sagten, er wäre ein tränenreiches Kind gewesen und sehr empfindlich, ein Kind, dass immer in die Gräben fiel, was ihn dazu brachte,
früh das Lesen zu lernen, und er wuchs heran als energischer und liebenswerter junger Mann. Man sollte nicht vergessen: FM Pibul war ein liebenswerter Mann. Er liebte es, Uniformen zu tragen, und ging pflichtbewusst zur königlichen Kadettenschule. Bald nach seiner Graduierung als
Unterleutnant traf er ein Mädchen, das seinem Namen alle Ehre machte.
La-iat (sehr fein, empfindlich). Davor war er scheu vor den vielen Mädchen, die durch sein gutes Aussehen angezogen wurden, weggelaufen, aber
jetzt näherte er sich und sagte: „Kleine Schwester, halt an und rede mit
mir.“ La-iat, die 13 Jahre alt war, zeigte ihm die Faust und rannte weg.
Aber er schrieb Liebesgedichte für sie, warb beständig um sie, und nach ein
paar Jahren heiratete er sie. Diese Episode mag frivol erscheinen als Einleitung zu der Beschreibung des Lebens einer so bedeutungsschweren Persön63
auch Phibul oder Pibhul Songhkram
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lichkeit wie FM Pibul, aber dieser sanfte Ansatz, dieses angenehme Werben, und dieser entschlossene Abschluss seiner Absicht sind Teil eines
Mannes, der nicht selten auf diesen Seiten auftauchen wird.
Er erhielt seinen vollen Rang nach einem Kurs an der Generalstabsakademie, wo er außerdem ein Stipendium für die Artillerie-Schule in Fontainebleau vor Paris gewann. Als er 1924 dort ankam, wurde ihm schnell klar,
dass sein Geburtstag mit dem Sturm auf die Bastille übereinstimmte. Kein
Siamese kann die astrologische Signifikanz seines Geburtstags ignorieren,
aber wie es sich manifestieren würde, hätte man kaum dem jungen Mann
voraussagen können, der seinen Platz zwischen den Siamesischen Studenten in Paris der Zwanziger Jahre einnahm, den Argumenten des brillanten
Pridi aufmerksam zuhörte, und der Schwurgemeinschaft beitrat, der sie alle
angehörten, und in der sie versprachen, nach ihrer Rückkehr in die Heimat
für die Demokratie zu arbeiten.
Folgende Transfers und Beförderungen brachten FM Pibul – damals noch
Major Pibun – in die Nähe einiger der führenden Offiziere, die von der eisernen Faust der Exekutive der Prinzen betroffen waren. Und er war es, der
die Ideen seines Freundes Pridi zu ihnen brachte und ihnen eine klare Ideologie und ein Programm vermittelte, die den formlosen Protest ersetzen
sollten.
Demokratie ausgedrückt in dem Entwurf einer Verfassung, die Pridi für sie
entwarf, war die magische Formel, die sie fesselte, ohne dass sie sich um
die wirtschaftlichen Ideen und Vorschläge kümmerten, die sie auch gar
nicht verstanden. Sie bildeten eine Allianz mit den zivilen Anhängern, die
sich die Volkspartei nannten. Innerhalb dieser Volkspartei, einer Gruppe
von ca. 200 Menschen, war eine noch geheimere Gruppe von 57, die die
sogenannten Promotoren waren, angeführt von vier Obristen bekannt als
die vier Tiger. In tiefer und verzweifelter Geheimhaltung entwarfen sie den
Sturz der Macht der Chakri-Familie.
Während der ganzen Zeit war, unbekannt für sie, gerade ein Mitglied der
Chakri – Familie ebenso bestrebt, das Regime zu liberalisieren: König Prajadhipok selbst. Er könnte zu seiner Familie gesagt haben “Ich bin nur ein
Soldat. Wie kann ich solche Dinge wie den Gold-Standard verstehen?“
,aber er wusste, was zu dem gerade erfolgten Sturz des Zaren von Russland
und des Kaisers von China geführt hatte, und er wollte nicht Teil der Ungerechtigkeit sein, die den Menschen verweigerte, die Regierung zu beeinflussen, und sie ob ihrer Forderung energisch bedrängte. Deshalb drängte er
seine Prinzen, eine Verfassung zu genehmigen. Diese dagegen bestanden
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unterstützt vom amerikanischen Berater für auswärtige Angelegenheiten
darauf, dass die Zeit noch nicht reif wäre. Prajadhipok entschloss sich dann
eine Verfassung unter der Drohung seiner Abdankung durchzusetzen, und
um die Angelegenheit zu überdenken, nahm er dann einen kurzen Urlaub in
seinem Palast an der Küste der den Namen „Weit weg von Sorgen“ trug. 64
Am Morgen des 24.06.1932, der sich in das Gedächtnis der Siamesen eingebrannt hat, während der König Golf spielte, eilte ein Prinz auf den Golfplatz mit einem aschfahlen Gesicht und einer unglaublichen Neuigkeit.
64
Paul Handley schreibt in „The King never Smiles“ über diese Phase:
„In einem Gefühl nahe der Panik händigte Prajadhipok zu Beginn des März 1932 den
Entwurf der Verfassung den Prinzen aus. Er wollte sie am 6. April, dem 150ten Jahrestag der Dynastie, verkünden. Der hohe Rat lehnte den Entwurf glatt ab und auch
gleich jede andere Idee für eine politische Reform. Die Prinzen überstimmten die wirtschaftlichen Reformpläne des Königs erneut und gleich auch alle anderen Reformvorschläge. Sie befreiten sich selber von Steuern und verlagerten die Lösung der Krise auf
die Mittelklasse. Als Zeitschriften die Ungerechtigkeit aufgriffen, schrieb Prajadhipok
verspätet an Prinz Dhani und drückte seine Begeisterung für faschistische Regime aus,
die in der Lage waren, ihre Regierung zur Unterstützung zu zwingen.“ (Handley, The
King Never Smiles, Yale 2006, S.43) (Zitat aus: Lae Dilokvidhyarat, Transformation
and Persistence of Kinship in Thailand (M.A. thesis: Institute of Social Studies, The
Hague, 1982), 122)
Anmerkung zum geschichtlichen Verständnis der Situation:
Die Katastrophe von 1918 in Europa und ihre Folgen hatten althergebrachte, traditionsverwurzelte Staatsmodelle weggespült. Was Liebknecht und Scheidemann in übereifrigem revolutionären Aufbruchgeist an einem schicksalsschweren Mittag in Berlin produzierten, hat dem deutschen Volk eine kränkelnde, arbeitsunfähige Republik und einen Österreich-Import eingebracht, der es zur größten Katastrophe seiner Geschichte
führen sollte. Um die Nachfolge dieser alten und bekannten Staatsformen konkurrierten
in der Folge in den verschiedensten Staaten die unterschiedlichsten Modelle zu der sich
letztlich durchsetzenden repräsentativen Demokratie angelsächsischen Musters unter
dem Schlagwort: “one man, one vote“. Doch bis dahin offerierten sich daneben Rätesysteme, direkte Demokratie, bolschewickische Revolutionsregierungen nach sowjetischem Exportschlager, sozialistische Heilsbringer, Militärvariationen aller Schattierungen und eben syndikalistisch korporative Ständesysteme. Letztere hatten theoretisch eine Vielzahl von Varianten anzubieten, waren durch Wahrung altbekannter Elemente
vielen vertraut und präsentierten sich als rationale Alternative für alle diejenigen, die
der Tragfähigkeit und Verantwortlichkeit eines allgemein berechtigenden Votums in
Gleichheit skeptisch gegenüber standen. (Wer heute in Thailand die PAD hört, weiß
jetzt, wo er sie intellektuell anzusiedeln hat.) Jedenfalls hatte sich im Jahre 1932, von
dem wir ja sprechen, die totalitäre Fratze der später vorherrschenden FaschismusVersionen noch nicht durchgesetzt (zu diesem Zeitpunkt existierte in Deutschland in ihr
sogar noch eine sozialistisch gefärbte Fraktion in Form des Strasser Flügels). Bei Handley zeigt sich daher eine Formulierung, die zur falschen Interpretationen führen kann.
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Verstärkt durch die Einzelheiten, die in den schmerzhaften Stunden danach
folgten, entstand eine beachtliche Geschichte für die hier aber eine kurze
Zusammenfassung genügen muss.
Unter den öffentlichen Arbeiten, die Chulalongkorn von seinem elektrischen Wagen aus inspiziert hatte, war eine zeremonielle Prachtstraße, die
Rajdamnoen Avenue genannt wurde, inspiriert durch die London Mall und
die Champs-Elysées. Sie erstreckt sich eine Meile oder zwei vom Grand
Palace zum Platz vor dem Kuppeldach des Dusit Palast, der für hohe Regierungsfestlichkeiten benutzt wurde. Kurz nach dem Morgengrauen war eine
Abteilung von der Garnison in Bangkok auf den Platz marschiert, wobei
die Soldaten annahmen, die Demonstration einer Fliegerabwehrübung zu
sehen zu bekommen. Dies war ein Trick, um sicher zu stellen, dass sie unbewaffnet kamen, während die Panzereinheit, die die Promotoren kommandierten, ihre Waffen auf sie richteten. Auf diese Weise war entweder
die Kooperation oder die Neutralität der Armee sicher gestellt. Zum gleichen Zeitpunkt wurden die Ministerien und die Kommunikationseinrichtungen still und problemlos übernommen. Aber die Crux war die Verhaftung der führenden Prinzen in ihren Herrenhäusern während des Morgengrauens. Äußerst ungläubig fanden sie sich, einige immer noch im Pyjama,
zusammengetrieben in der Marmorhalle des Dusit Palastes wieder, die
gottähnlichen Privilegien von Jahrhunderten waren plötzlich auf eine Reihe
von unrasierten Gesichtern reduziert.
Die Öffentlichkeit hatte wenig Ahnung dieser sich entwickelnden Ereignisse. Ihre Desinteresse an den politischen Streitigkeiten wird ein sich wiederholendes Thema sein, ebenso wie die bemerkenswerte Abwesenheit von
Gewalt (Gesamtopfer: Ein erschossener Polizist). Die Öffentlichkeit reagierte kaum auf die eine oder andere Weise auf das Manifest, das von den
Promotoren verteilt wurde. Dieses Manifest machte auf eher unfaire Weise
den König verantwortlich für die Depression65 Und eher richtig machten sie
ihn verantwortlich für die Verwandten, die „tun konnten, was sie wollten,
auf ihre eigene aristokratische Art und dabei von ihrer eigenen Gier getrieben wurden“, während den Menschen eine Stimme verweigert wurde,
„denn Sie, die Menschen, wurden als dumm angesehen“. Die Revolution,
65
Der König fühlt sich von den Promotoren nicht fair behandelt und selbige erkennen ihn umgekehrt
nicht als fairen Partner an. Einerseits versuchen Sie mit Unterwerfungsgesten seine Gunst zu erhalten
und erlauben ihm außerdem eigenmächtig den Verfassungsentwurf zu ändern, andererseits scheinen Sie
den König als Gegner anzusehen, ohne ausreichend zu honorieren, dass er seit Jahren seine Bereitschaft
demonstriert hatte, einer Beendigung der absolutistischen Gewalt und aller sich ausgebildeten oligarchischen Elemente zuzustimmen.
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sagte das Manifest, wolle eine begrenzte Monarchie, und dementsprechend
wurde ein Ultimatum zum König geschickt. 66
Im Palast „Fern von den Sorgen“ wog Prajadhipok die schicksalsschweren
Ereignisse ab, die sich an einem Tag ereigneten, der so unschuldig mit einem Golfspiel begonnen hatte. Er könnte die Garnisonen aus der Provinz
rufen und das Land in einen Bürgerkrieg stürzen, was aber auch die Leben
der königlichen Geiseln gefährden würde. Stattdessen wählte er das Nachgeben. Was auch seine Befürchtungen waren, es erleichterte ihn, dass er
von der Unflexibilität seiner mächtigen Verwandten befreit worden war,
und er war voller Hoffnung, er könnte die Herausforderung der Demokratie
annehmen.
Für die nächsten sechs Monate arbeitete er zufrieden mit Pridi und anderen
zusammen, um die Verfassung zu entwickeln. Er unterzeichnete sie, geschrieben auf Palmblättern, am 10. Dezember 1932, womit er die absolutistische Macht von tausend Jahren aufgab. Die Aussage der Promotoren:
„Wir nehmen die Gelegenheit wahr, um vor Ihrer Majestät eine feierliche
Erklärung abzugeben, dass wir ihrer Majestät gegenüber für immer vertrauen.“
Ein neues Kabinett ging an die Arbeit, und da die Verfassung die Prinzen
aus der Politik ausschloss, bestand es vollständig aus Bürgerlichen, einigen
von Pridis zivilen Anhängern, einigen Soldaten – unter dem Vorsitz eines
ehemaligen vorsitzenden Richters. In Erwartung einer Wahl wurde eine
Versammlung durch die Mitglieder der Volkspartei gebildet. So wurden die
Ziele der glorreichen Revolution von 1932 erreicht, und die wundervolle
neue Ära der Freiheit und Demokratie wurde verbreitet. Kopien der Verfassung wurden zeremoniell in die abgelegenen Distrikte des Landes gebracht.
Wenn man den verwirrten Dorfbewohnern die Ankunft erklärte, fragten sie,
„Wessen Sohn ist dieser Mr. Verfassung?“ Der Mr. Verfassung blühte auf
– für vier Monate.
Pridi, der Finanzminister geworden war, um die Finanzkrise zu lösen, präsentierte einen mitreißenden Wirtschaftplan. Das Fett seiner sozialistischen
Ideen war kaum auf dem politischen Feuer, denn er wollte die Landwirt-
66
Mit “begrenzt“ ist wohl zweifelsfrei „konstitutionell“ gemeint. Sie wollen den dt. Fehler
nicht begehen. Aber schon hier und dann ganz besonders nach der Niederschlagung des
Boworadet-Aufstands übersehen sie, dass, wenn sie klugerweise das Organ des Königs wenn auch mit Limitationen - erhalten wollen, sie den Amtsinhaber nicht zu sehr beschädigen und diskreditieren dürfen.
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schaft und den Handel verstaatlichen, da spaltete sich das Kabinett. Pridi
trat zurück. Der Premierminister setzte die Verfassung außer Kraft, vertagte
die Versammlung und bildete das Kabinett um, um die Anhänger Pridis zu
entlassen. Pridi selbst wurde ins Exil nach Frankreich geschickt, weil der
Ex-Richter Reportern erklärt hatte, dass er ein Kommunist wäre – eine Sache, die er mit einem nach vorne gereckten Zeigefinger vorbrachte: „Jetzt
erwarte ich, dass Sie meine Erklärung so drucken, wie ich sie Ihnen mitteile, ohne irgend eine ihrer Zugaben und ohne Abzüge.
Es klang wieder sehr nach der Stimme des Despotismus, und tatsächlich
wurde darüber geredet, dass die Monarchisten einen Comeback durch Aristokraten und andere, die sich nach der Rückkehr zur Vergangenheit sehnten, planten. Es alarmierte die ehemaligen Protomotoren der Revolution,
die Rache fürchteten, wenn nicht sogar den Verrat an den Idealen, die die
desillusionierte Realität der Politik überlebt hatten. Die gefährdete Einheit
zwischen den Zivilisten und Soldaten wurde geflickt, und die Armee startete einen Coup, der den mit dem Finger zeigenden Ex-Richter absetzte und
einen echten Patrioten mit dem Namen Oberst Bahol zum Premierminister
machte. Pridi kehrte aus dem Exil zurück, um eine Befragung wegen behaupteten Kommunismus über sich ergehen zu lassen. Eine unabhängige
internationale Kommission rehabilitierte ihn vollkommen, und er wurde
kurz darauf Innenminister. Er führte dann ein Gesetz ein, dass den Kommunismus in Siam verbot.
Die Gefahr für das Regime lag jedoch an anderer Stelle – in dem Muskelspiel der Monarchisten, in den enttäuschten Erwartungen von einigen Armeeoffizieren und auch in einem gewissen Misstrauen gegenüber den Promotoren.
Im Oktober 1933 versammelte ein ungestümer und unausgeglichener Prinz
einige der Unzufriedenen um sich und marschierte mit in entfernten Provinzen stationierten Einheiten nach Bangkok. Nach vier Tagen Kampf,
bekannt als der Monarchistische Aufstand, versickerte er in einer Anhäufung von Verhaftungen. In den folgenden Verfahren wurden sechs Männer
zum Tode verurteilt und 103 zu Gefängnisstrafen. Diese waren die ersten
politischen Gefangenen wie sie verschiedene Male in der folgenden Geschichte auftreten werden. Eine weitere unmittelbare Konsequenz war, dass
der König seine verfassungsmäßige Funktion während des monarchistischen Aufstandes ausgesetzt hatte, weil er neutral blieb. Statt sich auf die
Seite der Regierung zu stellen, floh er zur Grenze nach Malaysia, wobei
ihm ein freundlicher Händler aus Großbritannien half. Seine Rückkehr,
nachdem die Angelegenheit bereits entschieden war, erzeugte ein nicht beSeite 53 von 408
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seitigbares Misstrauen, dass er bei dem Aufstand der Monarchisten seine
Hand im Spiel gehabt hätte.
Die folgenden Monate zeigten während der ersten allgemeinen Wahl eine
Apathie der Wähler, die sich bisher kaum geändert hat.67 Die Regierung
arbeitete unverändert unter Oberst Bahol weiter. Aber es gab eine Veränderung, die dem Auge verborgen blieb: Die Ereignisse hatten gezeigt, dass die
wahre Macht nicht bei den Menschen mit den demokratischen Idealen war,
sondern bei denen, die die Rückendeckung der Armee hatten. Wenn Oberst
Bahol diese Rückendeckung im Moment hatte, so weil jemand eng hinter
ihm stand, dessen Glück plötzlich zum Aufstieg führen sollte.68
Das entschlossene Eintreten für die Revolution von 1932 brachte ihm {Phibun} nur wenig persönlichen Gewinn ebenso wenig wie das Absetzen des
Ex-Richters. Ich vermute, dass es zu diesem Zeitpunkt seines Lebens war,
dass er begann das Wohl der Nation mit dem eigenen zu verbinden. Er behielt eine Kopie von Malaparitas „Technik des Staatsstreichs“, aber er
schien nicht weniger von Iago beeinflusst worden zu sein. Er hatte eine
Stimme und ein Benehmen, die ihm bei den Menschen den Spitznamen
„der mit der Goldzunge“ einbrachte. Er war es, der mit professioneller
Freundschaft hier und dem Aussähen von Misstrauen dort die verwickelten
Ereignisse, die Oberst Bahol an die Macht brachten, nach dem Coup manipulierte und eher versehentlich Pridi wieder restaurierte. Er wurde mit dem
Kommando der Garnison von Bangkok belohnt, da er es war, der verwegen
den monarchistischen Aufstand niederschlug.
Was König Prajadhipok anging, den armen Mann, der glaubte, er hätte die
glorreiche Vergangenheit der Chakris gegen die Zukunft mit einer vitalen
Rolle in einer erleuchteten Demokratie eingetauscht.69 Stattdessen fand er
sich selbst isoliert durch Misstrauen und beobachtete eine zunehmende Suche {unter den Politikern} nach individuellen persönlichen Vorteilen. Er
nutzte die Entschuldigung einer medizinischen Behandlung, um nach Eng67
Die Wahlbeteiligung hat sich seit den 1960iger Jahren erheblich verbessert.
68
Die Boworadet Rebellion beschleunigte den schnellen Aufstieg von Phibun und versorgte ihn mit der goldenen Möglichkeit, seine militärischen Fähigkeiten zu beweisen
und seine kraftvolle Führerqualität. Intelligent und ambitiös wusste Phibun schnell die
Situation zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen und stärkte seine Position sowohl in
der Politik als auch in der Armee“ (Kobkua, Thailand's Durable Premier: Phibun
Through Three Decades 1932-1957: Phibun Through Three Decades, 1932-57 1995,
S.179).
69
Dieser Satz charakterisiert treffend die Tragik der Amtsführung von Prajadhipok
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land zu fahren. Von dort verhandelte er mit seiner Regierung. Er weigerte
sich die Todesurteile für die verurteilten politischen Häftlinge zu unterzeichnen, und er wollte, dass die Menschen mehr Freiheit der Rede und
mehr Demokratie erhielten. Die Promotoren, die um die Stabilität des Staates fürchteten, stimmten nicht zu.70
70
Am 12. Januar 1934 schiffte der König nach England aus und zwar mit dem größten
Teil des Hofes. Er ließ Prinz Naris, einen 70-Jahre alten Sohn von König Mongkut als
Regent zurück. Von London aus stellte er ein Ultimatum. Als Gegenleistung für seine
Rückkehr wollte der König größere konstitutionelle Macht einschließlich des Rechts,
die Hälfte der Nationalversammlung zu ernennen, das königliche Budget zu verwalten
und ein Vetorecht zu erhalten, welches nur mit 75% iger Mehrheit überstimmt werden
konnte.
Der Forderung des Königs nach mehr Freiheit und Demokratie kurzerhand aus Gründen der Staatsräson abzulehnen, ist natürlich Polemik und setzt die Promotoren auf das
Niveau ihrer Gegner. Ihre Beteuerungen, für das Volk zu handeln, werden mit einem
Mal unglaubwürdig. Dieser Punkt wird in der Forschung noch weitere Beachtung finden müssen. Es sieht so aus, als habe es für einen radikaleren Teil gar keine Verhandlungen mit dem König mehr geben sollen. Da dies aber offensichtlich nicht für alle Beteiligten gilt, scheint der Schluss nahezuliegen, dass selbst die relativ kleine Gruppe der
Promotoren inhomogen war. Es scheint keine einheitliche Leitlinie für die Verhandlungen noch für die gewünschten Ergebnisse gegeben zu haben. Natürlich waren viele unter ihnen noch bloße Theoretiker, andere hatten sich vom Schwang der studentischen
Begeisterung noch nicht in der Realität zurückgefunden. Untersucht werden müsste
auch die Bedeutung der unproportional hohen Anzahl von Militär in der Gruppe, deren
Einfluss durch den gescheiterten Aufstand natürlich noch mal sehr an Gewicht zugenommen hatte. Jedenfalls werden im Stadium der Verhandlungen nach dem Aufstand
bis zur Abdankung diplomatisch unnötig Türen zugeschlagen, deren Benutzung vielleicht eine noch andere Möglichkeit eröffnet und Ananda sein Schicksal erspart hätte.
In der Tat hätten einige der Forderungen des Königs relativ problemlos ihm zugestanden werden können. Gerade die Form des “Gesichtwahrens“, dieser asiatischsten aller
Gepflogenheiten, hätte geraten, einen Kompromiss mit den akzeptablen Forderungen
des Königs zu suchen. Dass dieser allen Beteiligten geläufige Brauch des alltäglichen
Lebens nicht versucht wurde, lässt den Schluss zu, dass man schon frühzeitig nach dem
Bowaradet (bei Handley „Bowaradej“) Aufstand sich entschlossen hatte, sich dieses
Königs zu entledigen. Wird sich diese These weiter untermauern lassen, hätte Prajadhipok demnach seit dem Aufstand keine reale Chance mehr gehabt.
Gegen den Plan der Regierung, gefangen genommene Teilnehmer an dem Boworadej
Umsturz zu exekutieren, bestand der König auch darauf, bei Kapitalverbrechen traditionell die letzte Entscheidung zu haben, und in dieser Funktion wollte er die Freilassung
der Bowaradet Rebellen erwirken. Ohne dieses Zugeständnis, so sagte er, würde er abdanken und sein königliches Eigentum einschließlich der Paläste und des SmaragdBuddha verkaufen, wie man in einem Bericht der New York Times vom 22. Januar
1935 lesen kann. (Handley, The King Never Smiles, Yale 2006, S. 53) (Anmerkung:
Siehe kritische Bemerkung am Ende)
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Am 5. März 1935 dankte er ab. In einem Brief mit tiefer Trauer schrieb er
an seine Untertanen, sich nicht in seinem Namen zu erheben. Er wollte nun
ausschließlich den Frieden und die Grünen Wiesen von Virginia Water vor
London genießen, wo er zehn Jahre später verstarb.
Er hatte keine Kinder. Die Nachfolge ging daher auf seinen Halbbruder
über, den gleichen Prinzen, dessen Besuche die Studenten in Paris so willkommen geheißen hatten, der aber einige Jahre zuvor verstorben war. So
kam es in einer luxuriösen Etage der Avenue Tissot in der schweizerischen
Stadt Lausanne zu einer seltsamen Szene. Eine schmächtige junge siamesische Frau, scheu aber mit resolutem Charakter, ging zu ihrem zehn Jahre
alten Jungen, der mit einer leichten Erkältung im Bett lag: „Nand“ – das
war die Abkürzung für seinen Namen- „das sind drei Gesandte von der
Regierung. Sie sind gekommen, um zu fragen, ob du König werden willst.“
Der Junge hatte einen ernsthaften, nachdenklichen Charakter. Er sagte: „Ich
will das tun, was du für das richtige hältst, Mama.“ „Aber du musst entscheiden.“ Sie pausierte. „Du hast eine Verpflichtung“. „Dann muss ich …“
Sie nickte und lächelte; und im Nachhinein hatte sie zehntausende von Malen gewünscht, sie hätte gesagt „Nein, du musst nicht“. Aber in dem Moment fühlte sie nur die Verwirrung und das Wunder, einen Sohn zu haben,
der der König von Siam war: König Ananda.
Bemerkung zu König Prajadhipok:
Befreit von der Angst die Legitimation durch den König zu verlieren, wies die Regierung in Bangkok jeden Punkt zurück.. Als Konsequenz dankte der König zu Beginn
des März 1935 ab. „Es bleibt nichts als Bitterkeit“, schrieb er. Er würde im Exil in Europa für den Rest seines Lebens bleiben.
Als er auf die Krone verzichtete, machte Prajadhipok einen eleganten letzten Anspruch
auf königliche Überlegenheit geltend. Sein Argument wurde später ein Grundstein des
königlichen Ansehens in der Regentschaft seines Neffen Bhumibol: „Ich empfinde, die
Regierung und die regierende Partei nutzen Verwaltungsmethoden, die unvereinbar mit
individueller Freiheit und den Rechtsprinzipien sind.“ Der König schrieb weiter: „Ich
bin gewillt, die Macht, die ich früher ausgeübt habe, an die Bürger als Ganzes zu übertragen, aber ich werde sie nicht an eine Einzelperson oder eine Gruppe übergeben, die,
ohne auf die Stimme des Volkes zu hören, die Macht in autokratischer Weise benutzt.“
Interessanterweise bedeutete Prajadhipoks Brief eine Wende in der Auslegung der Monarchie, was königliche Werte seien. Statt Thotsaphit Rachatham, die zehn königlichen Gebote, die immer wieder als Leitlinie eines guten Monarchen zu dienen hatten,
wollte er jetzt als Führer moderner demokratischer Konzepte und Freiheit gelten. …
Die Regierung veröffentlichte ihre Antwort, in der seine Behauptungen bestritten wurden. (Handley, The King Never Smiles, Yale 2006, S. 53)
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Der obige Zeitungsartikel der Times darf nicht überbewertet werden. Die Ausverkaufsdrohung Thailands war vermutlich weder ernst gemeint noch wurde sie ernst genommen, sie war allenfalls der letzte
ungelenke und untaugliche Versuch mittels eines verbalen Arguments, das Gesetz des Handelns zurückzuerlangen.
Um der Person Prajadhipoks sowie seinen Gegenspielern gerecht zu werden, kann man die Entwicklung
bis zum Höhepunkt der Ereignisse, der Abdankung, wie folgt zusammenfassen.
Prajadhipok wurde zwar nicht durch die Berufung zum König überrascht, aber er war für diese Funktion
nicht ausgebildet worden, wie man das von einem dynastischen System bei einem so lange vorausschaubaren Ereignis hätte erwarten können. Da seine Amtszeit krisengeschüttelt ist und vor Weltproblemen bis dahin ungekannten Ausmaßes steht, ist er häufig überfordert. Die Bedeutung seines Charakters und seiner Person liegt darin, dass er diese Überforderung erkennt, bereitwillig zugibt und nach
einer geeigneten Abhilfe sucht. Als solche bietet sich ihm die Umwandlung des Systems in eine konstitutionelle Monarchie an. Diesen Weg will er gehen, aber man lässt ihn nicht. Dass man auch einen
absoluten Monarchen hindern kann, ist historisch ebenfalls nichts Neues. Außerdem steht er wie alle
Vertreter einer Dynastie in einer folgenschweren Doppelverantwortung einmal hinsichtlich seiner persönlichen Verantwortlichkeit und zum anderen als bloßes Glied einer dynastischen Kette, das im Interesse der Nachfolger nicht ungezwungen Positionen aufgeben darf. So bleibt ihm die Einsicht der Notwendigkeit der Einführung einer konstitutionellen Monarchie für seine Person. Aber konsequent überlegt er auch die Konsequenzen für sich in der Verantwortung als Glied der dynastischen Kette und
kommt dabei zu folgendem Schluss „ Aber … die Könige Siams sind erbberechtigt mit einer kleinen
Auswahl. Dadurch besteht die Gefahr, dass wir nicht immer einen guten König bekommen. Die absolutistische Macht kann eine Gefahr für das Land werden. …”. (Batson, End of Absolute Monarchy in
Siam, Sydney 1985, 40)
Damit ist für ihn die Entscheidung zugunsten der konstitutionellen Monarchie gefallen, weil sie in seiner dualen Verantwortlichkeit für beide Funktionen die richtige Lösung ist. Seine oligarchischen Hemmer und Quälgeister wird er somit durch Hilfe des Putsches von 1932 los. Während des BoworadetAufstandes bleibt er neutral, was man ihm vorwirft. Menschlich gesehen ist es dagegen verständlich.
Soll er sich für die Promotoren, die ihn aus seiner Sicht schon ungerecht behandelten, in die Bresche
schlagen gegen Familienangehörige, die ihm mehr Rechte geben wollen? Soll er sich andererseits Familienbanden zuliebe seinen oligarchischen Vormund zurückholen und im Falle des Scheiterns die ganze
Dynastie riskieren? Er bleibt unbeteiligt wie es ein konstitutionelles Staatsoberhaupt sich leisten kann.
Zu untersuchen wäre allerdings, ob er als Organ der Verfassung, die er ja unterschrieben und akzeptiert
hatte, nicht verpflichtet gewesen wäre, selbige zu verteidigen. Sollte man zur Bejahung dieser Frage
gelangen, wäre in der Tat dem König bei allem menschlichen Verständnis für sein Verhalten ein schwerer Vorwurf des Verfassungsbruchs anzulasten, was ja auch im Text bei Kruger anklingt. Seltsamerweise wurde dieser doch so naheliegende Vorwurf, der entscheidend gewesen wäre, von der Regierung
nicht erhoben. Warum die Regierung diesen entscheidenden Vorwurf nicht nutzte oder nicht nutzen
konnte, wird in der weiteren Forschung nachzugehen sein.
Unklug war es natürlich auch, sich nicht bei absehbarem Scheitern auf die Seite des Siegers zu schlagen, was von wohltuender Charakterstärke -eine Seltenheit in der Politik bis auf heutige Tage- zeugt.
Konsequent ist natürlich, dass die eh distanziert eingestellten Promotoren ihm jetzt noch misstrauischer
begegnen. Ebenso natürlich ist, dass die Position des Königs durch den Wegfall seines oligarchischen
Vormunds stärker geworden ist. Was ist menschlicher, als sich gegen jede weitere Beschneidung der
Amtsfunktionen zu wehren, denn selbst wenn er für sich einsichtig ist, kann er die geforderten Zugeständnisse mit Rücksicht auf die dynastische Verantwortung vor der Familie rechtfertigen?
Einige seiner Forderungen sind dabei gerechtfertigt. Das Begnadigungsrecht steht in der Regel dem
repräsentativen Staatsoberhaupt zu und dies noch mehr in einem System buddhistischer Prägung. Den
königlichen Wunsch nach Begnadigung der zum Tode Verurteilten als Sympathie für die Putschisten
auszulegen, ist eine unzulässige Simplifizierung. Auch die Promotoren und die Regierungsvertreter sind
Putschisten aus dem Jahre 1932. Was unterscheidet sie qualitativ von den Verurteilten. Ihr Putsch war
erfolgreich, der der Verurteilten nicht. Moralisch gesehen mag es einen großen Unterschied machen,
eine absolutistische Macht durch eine Verfassung ersetzen oder die Verfassung abschaffen und eine
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absolutistische Macht wieder einführen zu wollen . Rechtlich gesehen macht das aber keinen Unterschied. (Ähnlich wie zu Recht kritisiert wird, dass der PAD Coup auf die Flughäfen 2008 wohl folgenlos bleiben wird, weil er sich zugunsten der darauf folgenden Regierung auswirkte, die SongkranUnruhen 2009, die eine Folge des vorherigen Unrechts sind, dagegen mit aller Härte geahndet werden).
So zutreffend aber auch alle diese Überlegungen sein mögen, die normative Kraft des Faktischen lag
nun auf Seiten der Regierung, die zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass sie keine Zugeständnisse
mehr machen brauchte. Während dieser fruchtlosen Verhandlungen schwindet der taktische Spielraum
für Prajadhipok zusehends. Er spielt, er blufft, verliert die Übersicht über die Realität und seine tatsächlichen Möglichkeiten. Indem er Blutvergießen vermeiden will, was ihn ehrt, was ihn aber auch, da die
Gegenseite darum weiß, entscheidend schwächt, kommt unwiderruflich der Punkt, an dem seine Drohungen nicht mehr ziehen, und die Gegenseite erkennt, dass er nur noch über verbale Rhetorik verfügt.
Das Spiel ist zu Ende und verloren.
Er rettet die Dynastie durch seine Abdankung und reklamiert nicht einmal zu Unrecht, subjektiv gesehen, den Verdienst der Einführung der konstitutionellen Monarchie, auch wenn er sich ohne den Staatsstreich der Promotoren mit seiner Idee aller Wahrscheinlichkeit nach nicht hätte durchsetzen können.
Unbestritten hat er ihre Einführung als erster gefordert. Durch den unverständlichen Fehler der Regierung, die Forderungen des Königs in Bausch und Bogen abzulehnen und damit auch seine Forderung
nach „mehr Freiheit der Rede und mehr Demokratie“ aus Gründen der Staatsräson (sic !), bestätigen sie
Prajadhipok in seinem Abschiedsbrief. Allerdings könnte die Haltung der Revolutionäre dann gar nicht
so unverständlich sein, wenn sich im Lichte neuerer Forschung herausstellen sollte, dass es in den Gremien, insbesondere unter den Promotoren, vielleicht gar keine so entschiedene Mehrheit für eine allgemeine demokratische Neuorientierung gab.
Ist deshalb Prajadhipok eine tragische Figur? Eine gewisse Tragik ist ihm sicherlich nicht abzusprechen,
obwohl das Schicksal ihm zumindest vergönnt hat, in der entscheidend letzten Konsequenz erfolgreicher gewesen zu sein als mancher Kollege seiner Zeit (z.B. als Wilhelm II.), einen Verdienst, welchen
er allerdings auch mit seinen Gegenspielern teilen muss. Dennoch ist es für eine unausgebildete Laienbesetzung des Throns kein schlechtes Ergebnis, das einen aufrechten Gang in die Geschichte rechtfertigt.
Die Erbfolge
Wenn in England ein Mann auf dem Thron nachfolgt, sagt man: König von
Gottes Gnaden. Dieser Satz wird in Siam nicht genutzt, aber Anandas
Nachfolge konnte kaum ausgeklügelt werden ohne eine übernatürliche Beschwörung des Schicksals. Sein Großvater König Chulalongkorn hatte zwei
Königinnen, sie waren Schwestern. Die ältere gebar fünf Söhne, von denen
zwei jung starben und einer ausfiel, weil er eine Ausländerin heiratete. Der
ältere der verbleibenden zwei folgte als König, dessen Regentschaft durch
die Bevorzugungen von Männerbegleitung beachtliche Unzufriedenheit
hervorrief. Sein Tod ohne einen Erben hatte kein Beispiel in der ChakriDynastie, und es gab auch nur einen solchen Fall in der siamesischen Geschichte. So dass, als sein Bruder Prajadhipok folgte, der im Alter von 32
Jahren war und noch nicht lange mit einer gesunden jungen Frau verheiratet
war, jede Wiederholung dieses Bruchs mit der Tradition der Fruchtbarkeit
unwahrscheinlich erschien. Aber Prajadhipok legte sein Amt ohne Nachkommen nieder. Die Linie der Nachfolge wurde daher auf die Söhne Chulalongkorns von der jüngeren Königin übertragen. Diese hatte acht Kinder,
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aber nur ein Junge überlebte die Jugend bis zum Erwachsenenalter und nur
um vor Prajadhipoks Abdankung zu sterben. Jedoch hatte er drei Kinder
gezeugt, zuerst ein Mädchen, dann zwei Jungen, wobei auf dem Älteren die
Thronfolge wie eine springende RouletteProjektil hängen blieb: Ananda.
In der gesamten Geschichte der Könige waren die Streitigkeiten über eine
bestimmte Nachfolge noch nicht größer gewesen. Aber nun war er hier, im
Alter von 10 Jahren: Gott des Lebens.
Der Namen seines Vaters war Prinz Mahidol, geboren 1892, ausgebildet in
Harrow, England. Sein Leben und Charakter waren mehr als nur ein flüchtiger Eindruck für Anandas Leben. Chulalongkorn, der seine Söhne aus
diplomatischen und aus Bildungsgründen in verschiedene westliche Länder schickte, schrieb Mahidol in die Flotte des Königs ein. Als dieser jedoch seine Einberufung erhalten hatte, diente er nur kurz in der siamesischen Marine: Europa hatte seine Augen dafür geöffnet, dass das Land Experten für die öffentliche Gesundheit benötige, und er beschloss einer zu
werden.
Zu diesem Zweck war er in den USA am Massachusetts Institute für Technologie, als Siam in den Krieg einstieg. Er schrieb einem Verwandten:
… Obwohl ich in Deutschland ausgebildet wurde, und ich diesen meinen
Freunden in dem Land immer noch dankbar bin, habe ich trotzdem die entschlussfreudige Politik des Königs begrüßt. Mein Land und meine Landsleute zuerst und danach meine eigenen Gefühle. …. Wir senden Truppen
nach Frankreich. Wir senden die Söhne unserer Bauern, um zu kämpfen
und von den Deutschen getötet zu werden, aber wir haben die Söhne unserer Herrscher nicht geschickt, um ihr Schicksal zu teilen. …
Ihm wurde die Erlaubnis, selbst zu gehen, verweigert, aber ein mächtiges
Bedürfnis anderen zu helfen, ließ ihn nie in Ruhe. Indem er einfach lebte,
war er in der Lage, Stipendien für andere zu vergeben, die dadurch im Ausland arbeiten und lernen konnten. Und er machte es zu seiner Aufgabe, jeden siamesischen Studenten, der in die USA kam, zu treffen, und ihm zu
helfen. Es ist schwierig abzuschätzen, wie groß sein Bruch mit der geheiligten Tradition war, als er, ein Prinz, der zum Thron berechtigt war, nichts
anderes als ein Mensch sein wollte. Ein Student, der einige Tage im Appartement des Prinzen in Boston lebte, nachdem er in Richtung England gereist war, wo er gelernt hatte, seine Schuhe auszuziehen, damit sie über
Nacht poliert werden konnten, hat es nicht begreifen können, als er feststellte, dass sein Gastgeber dies selbst tat, da er keine Diener hatte.
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Die Krönung des Unorthodoxen war, als er sich selbst zum Angestellten
eines Bürgerlichen machte. Das war im Jahr 1919 und seine Verlobte war
eine hübsche, lebhafte, siamesische Studentin der Krankenpflege am Simmons College in Boston. Wir treffen {mit ihr} jemanden, der so wichtig
wie kaum jemand in dieser Geschichte ist. Viele Male im Verlauf meiner
Nachforschungen nahm ich die Fäden des Lebens auf und forschte nach,
wohin sie mich führen würden. Ihre Geburt ist in ein gewisses Geheimnis
gehüllt, jedoch liegt die Wahrheit in dem Glauben verborgen, dass ihre
Herkunft ärmlich war, und ihre Wichtigkeit lag nicht darin, dass sie jemand
war, der zwei Könige dem Haus der Chakris schenken würde, sondern in
Ihren Auswirkungen auf das Verhalten und die Beziehungen {zu den beiden Königen}.
Sie war acht Jahre jünger als Prinz Mahidol, den sie das erste Mal am Hof
ihrer Mutter, der jüngeren Königin Chulalongkorns gesehen haben mag.
Vollweise geworden bevor sie das Teenageralter erreicht hatte, wurde sie
durch die Verbindungen ihres Vaters, der ein kleiner Beamter war, in den
unzählige Köpfe zählenden Hof aufgenommen. Das Mädchen war ärmlich
– und alles war so formell, so snobistisch. Als sie einen kleinen Unfall hatte
und zum Arzt der Königin wegen einer Behandlung ging, fand sie die Atmosphäre in seinem Haus und die Freundschaft seiner kleinen Tochter
mehr nach ihrem Geschmack, und die Königin gab ihrer Bitte nach, sie dort
wohnen zu lassen.
Siamesische Familienbande scheinen mir sowohl stärker als auch schwächer als im Westen. Menschen können eine Feier in einem Wat durchführen zum Beispiel, um den Jahrestag des Todes eines Großvaters zu feiern.
Ein Prinz, der an einer öffentlichen Statue eines Vorfahren vorbeigeht, hebt
den Hut in Respekt, und wenn ein Mädchen heiratet, wird sie oft ein Haus
auf dem Grundstück des Vaters ihres Mannes errichten, und eher zu ihm als
zu ihrem Ehemann als Chef der Familie aufschauen71. Auf der anderen Seite sind die Menschen eher bereit, ihre Kinder wegzugeben. Eine Frau würde es erlauben, dass ein oder zwei Kinder von einer Großmutter aufgezogen
werden, die sonst alleine und einsam leben müsste. Oder wenn sie arm ist,
71
Die Schilderung von Kruger ist eigentlich untypisch und mag wohl sich auf Fälle
beziehen, in denen ein soziales Gefälle zwischen der höheren Mannesfamilie und einer
niedrigeren Brautfamilie besteht.
Eigentlich ist es in der thailändischen Gesellschaft so, dass der Mann seine Familie verlässt, die Dowries an die Familie der Frau zahlt und als Teil der neuen Familie von dieser aufgenommen wird und häufig dort auch seinen Wohnsitz nimmt
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könnte sie einen oder zwei Jungen einem Mönch abgeben, damit er dort als
Diener und Schüler leben könnte.
Also wurde das Mädchen dem Doktor und seiner Frau übergeben, die ihren
regen Geist und die Freundschaft mit ihrer eigenen Tochter schätzten. Sie
sandten beide Mädchen zu einer guten staatlichen Hochschule und dann zu
einer Krankenschwesternschule am Hauptkrankenhaus, Teil eines modernen dreistöckigen Gebäudes auf der anderen Seite des Tempels der Morgendämmerung. Das Waisenmädchen war hübsch. Sie gewann ein Stipendium, das von keiner anderen als der Königin ausgesetzt worden war, an
deren Hof sie gelebt hatte. Und den Sohn der Königin, Prinz Mahidol, traf
sie, als sie zu ihren Studien in die USA durch Boston fuhr.
Sie ging auf die Emerson School in Berkley und später zur North-West
School in Hartford, Conneticut, an beiden Plätzen lebte sie in amerikanischen Familien. Gelegentlich besuchte Prinz Mahidol sie, oder sie besuchte
ihn als ihren Prinzen, der ihr als Pate zugewiesen worden war. Liebe machte seltsame Bocksprünge über die Grenzen der Ränge hinweg. Als er ihr
sagte, dass er sie heiraten wollte, erzeugte die Nachricht eine Sensation und
einen Skandal in Bangkok.
Prinz Mahidol hatte tatsächlich eine gute Wahl getroffen. Prinzessin Mahidol, wie sie nach ihrer Heirat in den späten 1920er Jahren genannt wurde,
passte mit allen Qualitäten ihres Geistes und Herzens zu ihm. Als ich sie
traf, lebte sie in einem einfachen Appartement mit 3 Zimmern in der
Schweiz, nachdem sie sich vom Protokoll und der Hitze Siams zurück- gezogen hatte. Sie war über 60 Jahre alt und hatte furchtbare Erfahrungen
gemacht. Ich erkannte eine unaffektierte, graziöse Person, die flüssig mit
einem leichten Akzent mit mir sprach. Ihre Gesichtszüge waren beweglich,
ihr Lächeln häufig und verdeckten die Scham und Traurigkeit und eine tiefe
nachdenkliche Spiritualität. Aber ihr fehlte die Fröhlichkeit, die sie als junge Frau ausgezeichnet hatte, und die durch die Erfahrungen ausgelöscht
worden war. Ihre kleinen Finger irrten nervös herum. Mir öffnete sich ein
Geist, der sich bewusst war über die Welt, denn sie sagte, dass sie hoffte,
sie würde es erleben, wenn die Menschen zum Mond fliegen. Es war ein
Wunsch, der auch ihren Wunsch zu Reisen reflektierte, eine Liebe, die sie
mit ihren Ehemann teilte, und sie hatten ihre Flitterwochen damit verbracht,
durch Europa zu reisen und bei dieser Gelegenheit Lausanne das erste Mal
besucht.
Prinz Mahidol entschloss sich, dass sein Kurs für öffentliche Gesundheit
seine Fähigkeiten beschränkte. Er musste Medizin studieren. Er schrieb
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sich in Harvard ein, graduierte cum laude, jedoch nicht vor 1928, weil er
oft für offizielle Aufgaben nach Hause fahren musste, und er außerdem
Spezialkurse in Europa besuchte. Die Freude, die er Pridi und seinen Mitstudenten in Paris machte, wurde bereits erwähnt, aber hier ist eine aufschlussreiche Zusammenstellung eines Neffen, der auf eine Schule in England ging, als er zu den Mahidols zu Weihnachten zu Besuch kam.
“Wir wurden zu vielen Theatern und Kinos sowie Museen gebracht, Onkel
Mahidol war ein perfekter Führer mit einem breiten und vielseitigen Wissen. Und er war bestimmend darin, dass, wohin man auch ging, man immer
in das Museum gehen muss. Andernfalls wäre man unzivilisiert. Obwohl er
immens reich war, war Prinz Mahidol sparsam, und darin wurde er durch
seine charmante junge Frau unterstützt … deshalb wohnten wir in einem
billigen Apartmenthaus in der Cromwell Road.“
Es war in London im Jahr 1923, als ihr erstes Kind, ein Mädchen, geboren
wurde. Dann im Jahr 1925 verbrachten sie vier Monate in Heidelberg,
Deutschland, wo der Prinz sich einer Behandlung wegen Diarrhöe unterzog. Hier kam die Prinzessin im Zentralkrankenhaus mit Ananda nieder,
der am 20. September geboren wurde. Zwei Jahre später wurde das dritte
und letzte Kind in Boston, Massachusetts geboren: Bhumibol (Bhumipol),
der derzeitige König von Thailand und zufälligerweise der einzige König,
der jemals in den USA geboren worden war. Eine bedeutende Angelegenheit bei diesen Geburten ist, dass die deutschen Ärzte, anders als die Ärzte
in England und den USA, sich weigerten, Schmerzmittel einzusetzen trotz
der Bitten der Prinzessin nach Schmerzstillung, da sie über zwei Wochen
Wehen ertragen musste. Und so wurde Ananda, der rücksichtvollste
Mensch, unter Schmerzen geboren, so wie er unter seelischen Schmerzen
starb.
Die Geburten Ihrer heiteren Hoheiten, wie die Siamesen die MahidolKinder nannten, in drei verschiedenen Ländern, reflektierte die Wanderschaft ihrer Eltern durch die Zwanziger Jahre. Aber Boston war eigentlich
ihr wirkliches Zuhause. Sie hatten zunächst ein Appartement auf der
Longwood Avenue und später auf der Brookline Avenue. Beide Adressen
waren schlichte Vier- und Fünfzimmer-Appartments. Sie hatten keine Diener angestellt außer einem Kindermädchen, die eine der ehemaligen Mitstudentinnen der Prinzessin in Bangkok gewesen war und welche in einem
mädchenhaften Austausch von Freundschaft versprochen hatte, ihr in ihrer
Mutterschaft zu helfen. Als königliches Kindermädchen wird sie in der Geschichte während einer der tragischen Moment erscheinen, danach wird
man kaum noch etwas von ihr hören.
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Die Einwohner Bostons, die Ihre königliche Hoheit, den Erbprinzen Mahidol trafen, kannten ihn lediglich als Mr. Songkla, was von seinem Titel abgeleitet worden war. Auch wenn er sein Leben dem Dienst für sein geliebtes Vaterland widmete, hatte Amerika nichts von dem steifen Zeremoniell,
dass die königlichen Hoheiten in Bangkok umgab. Und seine Frau war in
einem Land, in dem die Herkunft das Geringste bedeutete.
So waren sie glücklich. Sie hatten ihre drei kleinen Kinder und die unvermeidbare Sammlung von Büchern, wie sie großzuziehen wären, ihr Appartement, das Kindermädchen und einen schlichten Ford Whippet. Sie tranken nicht und sie rauchten nicht (obwohl ich feststellte, dass die Prinzessin
jetzt rauchte). Sie war die Köchin und half beim Abwasch. Siamesische
Studenten kamen immer wieder vorbei, um lange Gespräche mit ihnen zu
führen meist über die Verbesserung der medizinischen Versorgung von
Siam. Gelegentlich gingen sie ins Theater aber selten an einen anderen Ort.
Obwohl beide Jungen sehr musikalisch waren, war seltsamerweise wenig
Musik in diesen Bostoner Tagen zu hören. Prinz Mahidol hatte eine intensiv ernsthafte Natur. Es war noch längst nicht die Schwermut des Westens,
und er konnte ein amüsanter Geschichtenerzähler sein, aber der meiste
Spaß wurde durch die Prinzessin erzeugt.
In all der Zeit studierte der Prinz Medizin in Harvard. Im Jahr 1928 erhielt
er seinen Doktorgrad, und sie kehrten nach Bangkok zurück, womit die
lange Reise der Prinzessin durch die Schatten begann.
Für die übliche einjährige Praktikumszeit, die ein neu qualifizierter Arzt zu
abzuleisten hatte, wollte Prinz Mahidol in Bangkoks wichtigstem Krankenhaus, dem Siriraj arbeiten. Er versuchte damit etwas, das weitaus schwieriger war als man denken mag. Ein anderer Prinz, der sich als Arzt qualifizierte, beschrieb seine Erfahrung bei der Rückkehr nach Bangkok wie folgt:
„Es war praktisch unmöglich für mich, zu praktizieren. Wenn ein Patient zu
mir kam, musste ich fragen, welcher Teil seines Körpers betroffen wäre.
Weil ich ein Prinz sei, könne ich nur seinen Kopf behandeln. Wenn es der
König wäre, könnte ich natürlich nur seine Füße behandeln.”
Die Erklärung für diese außergewöhnliche Abgrenzung liegt darin begründet, dass die Siamesen die größte Aufmerksamkeit dem Kopf schenken und
den Füßen Abscheu gilt. Wie das soziale Verhalten davon betroffen ist,
wurde in der Einleitung erwähnt. Man muss seinen Kopf unterhalb des Niveaus seines Vorgesetzten tragen. Außerdem sollte man vermeiden, den
Kopf eines anderen zu berühren. Jedoch falls er ein Untergebener ist, und
man muss ihn berühren, dann berühre man nur seinen Kopf, da dieser der
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am wenigsten verachtenswerte Teil von ihm ist. Dies hat nichts mit einem
verrückt gewordenen Klassenbewusstsein zu tun: Bei aller Beachtung der
Rangordnung respektieren sie sich gegenseitig. Das Verhalten hat seinen
Ursprung in Aberglauben und Tabus – dem Glauben zum Beispiel, dass der
Kopf der Wohnort der Seele wäre. Man sollte niemanden plötzlich aufwecken, da seine Seele auf der Wanderschaft sein könnte und nicht genügend
Zeit hat, um in den Kopf zurückzukehren. Darüber hinaus wird jeder Bruch
mit diesen Traditionen nicht nur als schlechte Manier angesehen, sondern
es bringt auch noch Unglück. Während einer langen Zeit, immer wenn
Westler liebevoll den Kopf eines siamesischen Kindes tätschelten, waren
sie erschrocken über diese bedrohliche Reaktion, aber jetzt wird diese außergewöhnliche Grobheit des Besuchers als unschädlich akzeptiert. Die
logische Folge der Wichtigkeit des Kopfes ist der niedrige Status der Füße.
Deshalb bedroht das Deuten mit den Füßen Unglück. Das erste mal, als ich
einen Siamesen in Bangkok besuchte, wurde ich durch einen ortsansässigen
Freund begleitet, dessen wilde Rippenstöße erklärt wurden durch eine geflüsterte Bitte, meine Beine nicht übereinander zu schlagen, weil sonst
mein erhöhter Fuß auf jemanden zeigen würde.72
Die entsetzliche Wichtigkeit dessen wird man heute erkennen, aber seine
unmittelbare Bedeutung war, dass Prinz Mahidol gezwungen war, jede
Hoffnung aufzugeben, am Siriraj Krankenhaus zu arbeiten. Die englischen
und amerikanischen Ärzte, die es betrieben, erklärten dem König, dass
durch Tabu und Etikette die Anwesenheit eines Prinzen die Arbeit im
Krankenhaus unerträglich beeinträchtige. Das Krankenhaus war auf der
entfernten Bank des Menam Flusses, und indem er mit einem normalen
Mietboot hingefahren war, statt mit einem dem Prinzen angemessenen Zeremoniell, hatte er bereits die Geduld des Königs strapaziert. Es sollte kein
unangemessenes Benehmen mehr geben und damit keine Arbeit im Siriraj.
Daher fuhr er weit in den Norden nach Chiangmai, wo das McCormickKrankenhaus lag, das von amerikanischen Presbyterianer-Missionaren gegründet worden war und von Dr. Cort geleitet wurde. Obwohl Prinz Mahidol selbst nicht stark war, warf er sich mit Begeisterung in die Arbeit.
72
noch heute ist es vor Gericht nicht erlaubt, Beine oder Füße zu kreuzen. Dies ist vor
allem für im Westen Aufgewachsene eine beschwerliche Übung, besonders wenn die
Anhörung sich hinzieht. Ich erinnere mich an einen Fall aus dem Jahre 2004 vor einem
Gericht in Rayong, wo sich eine Zeugenaussage durch langatmige Befragung und noch
umständlichere Übersetzung über Stunden hinzog, und die mehrfach reklamierte Korrektur an der Sitzhaltung des Zeugen selbigen sichtbar nervte und ihn am Ende weitgehend die Konzentration verlieren ließ.
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Schon bald erreichten alarmierende Berichte die königlichen Kreise, dass er
sogar die bäuerlichen Patienten wusch.
Er überließ die Familie der Sorge seiner Mutter, der alten, Poker spielenden
ehemaligen jüngeren Königin. Sie lebten im Mahidol Palast, genannt das
Srapatum. Es stand nur eine Meile oder zwei vom Grand Palace entfernt
mitten in den heißen und lauten City, aber sein großes Grundstück machte
den Eindruck eines unordentlichen ländlichen Anwesens, obwohl dort
nichts wirklich unaufgeräumt gewesen wäre, in dem streng organisierten
Haushalt mit seinen einhundert Dienern und den Anhängern, die vom ehemaligen Paten der Prinzessin Mahidol kommandiert wurden. Während dieser Zeit litt die junge Prinzessin ernsthaft an Kopfschmerzen, und möglicherweise waren diese nicht ohne Bezug auf Beengungen des Lebens weit
weg von der Einfachheit und der Unabhängigkeit der Brooklyn Avenue in
Boston. Außerdem war ihr Ehemann zum ersten Mal weit weg und dann
noch im Norden, wo er den Gefahren der tropischen Krankheiten ausgesetzt
war, und wo er auch nicht davor zurückschreckte, Leprakranken zu helfen.
An einem Morgen im Jahr 1929, drei Monate nach seiner Abreise nach
Chiangmai, wurde er beobachtet, wie er aus einem Boot am Siriraj Krankenhaus in Bangkok ausstieg. Er war kaum mit Shorts, einem offenen
Hemd und einem Tropenhelm bekleidet wie ein beliebiger westlicher Bürgerlicher, und wie jeder schwer beschäftigte Arzt trug er die Probe des
Darminhaltes eines seiner Patienten bei sich, die er analysieren lassen wollte. Er konsultierte Dr. Noble, einen englischen Professor für Chirurgie an
der Medizinischen Hochschule wegen seiner eigenen Gesundheit. Noble
sandte ihm geradewegs nach Hause ins Bett. Dann bemühte er sich zusammen mit William Perkins, einem amerikanischen Professor für Medizin, des
Prinzen Leben zu retten. Er litt an einem Amöbenabszess der Leber. Sie
konnten ihn nicht retten. Er zeigte großen Mut und unermüdliche Freundlichkeit bis zum Zeitpunkt seines Todes. Er war 37 Jahre alt und der beste
und am meisten geliebte der Chakri Prinzen.
Die Kummer war groß unter den nach vorne schauenden jungen Siamesen,
nicht nur unter denen, denen er direkt geholfen hatte, wie Pridi und seinen
Freunden, die kürzlich aus Paris zurückgekehrt waren, wo sie seine Besuche so genossen hatten. Für Prinzessin Mahidol war der Schlag zu groß als
dass sie sich hätte jemals davon erholen können. Von nun an sollten die
Kinder ihr ganzen Leben sein. Zu diesem Zeitpunkt war Ananda vier Jahre
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alt,
seine
Schwester
sechs
und
sein
Bruder
zwei.
Abbildung 5 Ananda (stehend in der Mitte) mit seiner Klasse im Mater Dei Convent in Bangkok, seiner
ersten Schule.
Ein oder zwei Jahre später begann Ananda seine Schulzeit am Mater Dei
Convent. Er steht gegenüber der netten, im klassischen Kolonialstil gehaltenen britischen Botschaft, auf der mit Bäumen und einem Kanal versehenen Hauptstraße, die durch den beliebten Bereich von Bangkapi führt. Und
wie die Straße selbst gehört der Konvent zu einem Zeitalter der Akazienbäume und glänzenden Pferdedroschken. Hinter Rasenflächen und tropischen Bäumen stand das langgestreckte zweistöckige hölzerne Gebäude auf
dicken Pfosten. Der Stil ist nur zum Teil siamesisch und in Wahrheit war
das Gebäude von einem Inder gebaut worden, der es als Harem benutzt hatte, kaum ein Erbe, um daraus einen Konvent zu machen. Jedoch verwandelten die in schwarz gekleideten Nonnen, getreu ihrem Motto Serviam, das
Gebäude in eine gefragte Akademie für junge Mädchen und Jungen bis zu
zehn Jahren. Die Tatsache, dass das internationale Personal römisch katholisch war, störte die Eltern, die meist Buddhisten wie Prinzessin Mahidol
waren, nicht.
Ananda ging in den Kindergarten, der in einer Ecke im Erdgeschoß zwischen den Pfeilern lag. Er wurde jeden Tag dorthin gebracht bekleidet mit
der Schuluniform, einem weißen Hemd, das an seiner marineblauen Hose
geknöpft war. Oft wurde er von seiner Mutter gebracht, gerade so wie die
anderen Kinder. Aber anders als sie, aß er sein eigenes Mittagessen, das das
Kindermädchen brachte. Er war schon als Kind sehr ernst. Ein Bild von
ihm findet man auf der Rückseite des Schulmagazins Inviolata. Trotz seiner
schleimigen Schmeichelei gibt der folgende Auszug, der einige Jahre später
geschrieben wurde, einen wichtigen Hinweis für die spätere Analyse.
Er war sehr an seinen Lektionen interessiert, aber er war auch immer bereit
für einen Spaß, und er liebte es, seine Freunde zum Lachen zu bringen. Da
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Seine königliche Hoheit nicht so stark waren, war es ihm nicht erlaubt, so
früh zu kommen, wie die anderen Kinder – seine spätere Ankunft war immer der Grund für einige Aufregung in der Klasse und eifrige kleine Stimmen riefen zur Lehrerin: „Mutter, Mutter, Ananda kommt gerade“. Ananda
kam mit einem Sprung in die Klasse, salutierte vor ihr mit einem „Guten
Morgen Mutter“ und nahm dann seinen Platz unter den anderen ein und
war schon bald eifrig damit beschäftigt, die verlorene Zeit aufzuholen. …
Immer wenn ihm ein neues Spielzeug geschenkt wurde, wurde es am
nächsten Tag triumphal in der Schule gezeigt. An diesen Tagen war seine
Aufregung so groß, dass er, in der Aufregung, seinen neuen Schatz, ein
mechanisches Boot, ein Flugzeug, das man beleuchten konnte oder ähnlich
faszinierende Objekt, zu zeigen, seinen „Guten Morgen“ vergessen hätte.
Bei diesen Gelegenheiten war es möglich, dass die Lektionen geringfügig
umorganisiert wurden, um ihm zu erlauben, die Schönheiten seines neuen
Spielzeugs vorzuführen. Prinz Anandas Spielzeuge waren immer schön,
weil Ihre königliche Hoheit ein gutes Auge für Farben hatte, und alles ablehnte, was seinem Geschmack widersprach. Er war gehorsam und hörte
aufmerksam dem Rat und den Anweisungen seiner Lehrer zu. Wenn er
Schmerz oder Leid sah, wurde er ausnahmslos bewegt und drückte sogar
sein Mitleid in Worten aus. Handarbeit war die Lieblingsbeschäftigung von
Prinz Ananda, und er war sehr gut darin. Er zeigte Initiative und bat seine
Lehrerin selten um Rat.
Nach etwa einem Jahr an der Mater Dei ging er zur Bepsirind Schule für
Jungen in der Nähe des Hauptbahnhofes im Herzen der Stadt. Es ist die
nächste erreichbare englischsprachige öffentliche Schule. Es war ein Paar
doppelstöckiger Gebäude aus Backstein, die sich durch eine Wiese getrennt
gegenüber standen. Ein mildes Ocker und ein ausgewaschenes Rosa und
Gelb konnten den Eindruck eines gotischen Stils nicht verleugnen. Ananda
ging dort im März 1932 zur Schule. Drei Monate später kam die Revolution.
Für den sieben Jahre alten Jungen waren die Ereignisse, die auf Siam am
Morgen des 6. Juni losgelassen wurden, aufregend aber auch voller unverständlicher Ängstlichkeit. Er würde sich erinnern, dass er die Ängstlichkeit
seiner Mutter nicht verstanden hatte, als sich die unglaublichen Neuigkeiten
verbreiteten, dass die mächtigsten Prinzen im Dusit Palast eingesperrt waren. Das waren bittere Stunden für die königliche Familie und bittere Jahre
folgten, als der Bann der neuen Verfassung die politische Macht der Prinzen unter das Niveau von Bürgerlichen reduzierte. Obwohl einige den Bann
als Hilfe zum Erreichen der Demokratie, die sie selbst wünschten, akzepSeite 67 von 408
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tierten, so erzeugte es bei vielen einen unsterblichen Hass auf die Promotoren und einen unstillbaren Argwohn gegenüber Pridi, dem Gehirn und der
ideologischen Leidenschaft hinter den "Vier Tigern". In diesem Zusammenhang hörte Ananda vermutlich den Namen zum ersten Mal.73
Seine Mutter war von gemischten Gefühlen beherrscht. Ihre Herkunft, ihr
Ehemann, die Jahre im Ausland, hatten dazu beigetragen, eine demokratische Gesinnung zu fördern. Sie hatte keine Blutbande mit den Leuten, die
wie gelähmt waren durch ihren abrupten Fall in die Bedeutungslosigkeit,
aber so lange König Prajadhipok ohne Kinder blieb, war ihr Sohn der
Thronerbe. Wie Prajadhipok selbst mag sie die Vorzüge einer Revolution
gegenüber den Nachteilen schwerer gewichtet haben, wurde dem König
doch die Last genommen, für die Fehler der Regierung in Haftung genommen zu werden: Großbritanniens konstitutioneller Monarch hielt den Thron
sicherer als jeder absolutistische Monarch es jemals könnte. Aber ruhige
politische Überlegungen waren kaum wahrscheinlich mitten in den überwältigenden Emotionen der Familie ihres Ehemannes. Und wenn sie sich
selbst sagte, dass ihre einzige Sorge der Erziehung der Kinder dienen sollte,
dann war auch dies durch die Präsenz gerade dieser gleichen Verwandten in
Frage gestellt. Die Ansichten der Erziehung ihrer Verwandten waren sehr
unterschiedlich zu denen, die die Prinzessin in westlichen Büchern gelesen
hatte.
Jede Hoffnung, dass die Revolution von 1932 eine utopische Demokratie74
begründen könnte, zerstob in dem Aufruhr über Pridis ökonomischen Plan.
Dann war da sein Exil in Frankreich, bis er zurück in die neue Regierung
geholt wurde, die von Oberst Bahol mit der Hilfe von FM Pibul gebildet
wurde. Diese Eruptionen verschafften Prinzessin Mahidol einen Vorwand
zu entkommen. Sie bestand mir gegenüber darauf, dass die offizielle Begründung ihres Weggangs aus Bangkok korrekt wäre – dass es zum Schutz
der Gesundheit der Kinder und ihrer Ausbildung gewesen wäre.
73
Hier bewegt sich Kruger völlig in spekulativem Raum. Einen Beleg für diese Vorstellungen gibt er nicht an, und zwingend schlüssig ist der Gedankengang dieses Absatzes auch nicht.
74
Kruger will mit „utopisch“ vermutlich beschreiben, wie weit jede demokratische
Entwicklung vom Zeitgeist innerhalb Siams entfernt war. Eine Utopie wäre ja auch gar
nicht wünschenswert gewesen. Wie der Begriff schon ausdrückt, hätte ein solches Modell in der Realität zwangsläufig versagen müssen. Es wäre wünschenswert gewesen,
ein für alle gesellschaftlich relevanten Faktore tolerierbares Demokratiemodell zu finden. Ein solches wurde aber durch den Übereifer und die fehlende Mäßigung durch die
Revolutionäre erst einmal verfehlt.
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Aber viel war geschehen, was ihre Erinnerung verdunkelt hat, und ich bin
sicher, dass sie glücklich über die Gelegenheit war, ihre Kinder in einem
Umfeld größerer Freiheit und Sicherheit aufzuziehen75. Der König konnte
leicht überzeugt werden, weil, sollte er keinen Sohn mehr bekommen,
Ananda der mögliche Thronerbe wäre und daher vor Schaden geschützt
werden sollte.
Prajadhipok stimmte ihrer Abreise im Mai 1933 zu und schlug selbst die
Schweiz vor. Da sie sich an Lausanne erinnerte, das sie auf ihrer Hochzeitsreise besucht hatte, zog die Prinzessin die Stadt gegenüber Genf vor.
Zunächst stieg sie im kleinen Windsor Hotel ab. Die Regierung dachte,
dass dies das Prestige Siams beschädigen würde und bewegte sie zum Umzug in ein großes und luxuriöses Appartement in der Avenue Tissot. Sie
mochte dieses nicht sehr, aber zumindest schien es weit weg vom Machtkampf in Bangkok zu sein.
75
Es ist nicht nachzuvollziehen, warum den beleglosen Vermutungen Krugers hier der
Vorzug gegenüber den nachvollziehbaren Argumenten der späteren Königin-Mutter
gegeben werden sollte. Die vorgebrachten Argumente der Prinzessin aus ihrem eigenen
Mund sind schlüssig und ausreichend, und es ist ebenso wahrscheinlich, dass der König
von deren Stichhaltigkeit überzeugt war. Für weitergehende Spekulationen gibt es an
Hand der augenblicklichen Quellenlage keinen Anlass.
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Der junge König
Aber kaum war die Familie eingezogen, da begann der Stein des monarchistischen Aufstandes Wellen bis an den Strand des Genfer Sees auszusenden. Die Todesstrafe, die über sechs der politischen Gefangenen ausgesprochen worden war, führte letztlich zur Krise und König Prajadhipoks
Abdankung. Deshalb war es die Avenue Tissot, zu der die drei hohen Beamten gingen, mit dem Geschenk des Throns für einen zehnjährigen Jungen
mit einer Erkältung.
Von diesem Moment an waren die Leben Siams, der Männer wie Pridi und
FM Pibul und von Ananda eng verknotet und voneinander abhängig. Sie
wurden mit unterschiedlichen Plänen weiter geführt, und die waren so unterschiedlich wie die Distanz, die zwischen den beiden Kontinenten lagen,
da Ananda bis zu seiner Volljährigkeit in der Schweiz leben würde, während ein Konzil von Regenten die königlichen Funktionen in Bangkok ausübte.
Einige altmodische Menschen brüteten aus, dass ein essentielles Omen einer glücklichen Majestät fehlen würde. Nie zuvor war ein Chakri König
geworden, ohne einen einzigen weißen Elefanten zu besitzen. Aber das war
doch sicher jetzt das 20. Jahrhundert, und bereits ein Drittel davon war bereits Vergangenheit?
Prinzessin Mahidol, die ehemalige Krankenschwester von niedrigem Stand,
fand sich selbst nun in den Rang einer „Prinzenmutter“ erhöht und ihr wurde die Erziehung eines höchst ungewöhnlichen Kindes übertragen. Dieser
Junge war plötzlich an die vorderste Front einer jahrtausend Jahre alten
Geschichte des Landes getreten, und er wurde von zwanzig Millionen Menschen als der lebende Teil einer Heiligkeit angesehen.
Um eine Umgebung zur Verfügung zu stellen, die angebrachter als eine
einfache Wohnung war, mietete die Regierung eine Villa in Pully. Stille
Straßen, geschwungenen Straßen und grüne Gärten vor komfortablen Chalets, die verlassene Nüchternheit mit Aussicht auf den See, so erzeugte Pully den Eindruck eines Dorfes. Es war jedoch ein Vorort, der nur 10 Minuten vom Zentrum Lausannes entfernt war, der geschmeidigen aber plumpen
Zierde des Kanton Vaud. Ananda wuchs in einer Villa auf, die von seiner
Mutter den Namen erhalten hatte, und die dabei diplomatisch den Namen
ihrer Schwiegermutter gewählt hatte, Watana, was so viel bedeutet wie
„Strahlen des Lichts“.
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Die Villa war auf einer Hügelböschung über dem Ufers des Sees gebaut
worden. Obwohl das Grundstück nun kleiner ist, ist das Haus noch zu sehen: 2 Etagen hoch, mit Dachkammer oben und Halbkeller unten, und mit
weißen Wänden und einem mit roten Dachziegeln gedeckten Dach. Es versuchte nicht zu verstecken, was es war: Ein Heim, das von einer schweizerischen Unternehmerfamilie gebaut worden war. Und die Dunkelheit dieses
Eindrucks wurde durch ein Grundstück von 2 Acres verringert durch ein
Grundstück von 2 Acres76 die von Tannen und Walnusssträuchern eingefriedet waren. Und an einer Seite war ein Gemüsegarten der Prinzenmutter,
die sich sorgfältig um die Ernährung ihrer Familie kümmerte.
Sie stattete das Innere der Villa Watana mit einer Mischung aus europäischen und Siamesischen Objekten aus. Es war unüblich einen offenen Kamin zu haben, jedoch hatte die Familie, die es gebaut hatte, die Vorliebe
aus England importiert. Eine schweizerische Haushälterin sorgte für das
Haus mit zwei siamesischen Hilfen. Ein alter Mann und eine Reihe von
Assistenten arbeiteten im Garten. Wohlerzogene Hofdamen, Beamte,
Nachhilfelehrer, ein Chauffeur, Wachen und andere Leute ließen die königliche Entourage immer wieder anschwellen. Das Haus mit den 12 Zimmern
war viel zu klein für alle, so dass ein weiteres Haus auf der anderen Straßenseite noch dazu gemietet wurde.
Die Prinzenmutter ging mit der unerwünschten Bürde ihrer drastisch erhöhten örtlichen Umständen so gut um wie es ihr möglich war, gleichzeitig
hielt sie das Leben des inneren Kerns der Familie soweit davon unberührt,
wie es ihr möglich war. Der Familienbuddha wurde in einem Raum aufbewahrt, in den sie sich zur Meditation zurück ziehen konnte, und das Ergebnis ihrer Nachdenklichkeit war, dass sie sich entschloss ihre Kinder so
normal wie es möglich war zu erziehen. Was bedeutete, dass sie sich daran
klammerte, was aktuell und real war, ihre Pflichten als Hausfrau und Mutter, wie sie jede andere Bewohnerin eines schweizerischen Chalets um sie
herum hatte.
Aber anders als die meisten von ihnen, hatte sie keine zufälligen Neigungen
hinsichtlich der Erziehung ihrer Kinder. Die Schriften von Jean Jacques
Rousseau hatten sie beeinflusst, und zu der Idee von Maria Montessori geführt: Ein Kind kann durch Verständnis und nicht durch Angst zur Selbstdisziplin gelangen, und das in einer Atmosphäre von Freiheit, die nur durch
die Rücksicht auf andere beschränkt wird.
76
ca. 8000 Quadratmeter
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Das schloss das Erlernen von guten Manieren nicht aus. Die drei königlichen Kinder mussten ihre Räume ordentlich halten (die Jungen teilten einen
Raum), und vielleicht war Ananda der erste Monarch der Geschichte, der in
seinem eigenen zuhause das Bett selber machen musste.
Die Prinzenmutter lernte Französisch, in erster Linie um ihren Kindern zu
helfen, die sie schon kurz nach ihrer Ankunft in eine Vorschule in Lausanne schickte. Sie wurden täglich abgeholt und gebracht, und das in einem Französischen Samson, später in einem Mercedes der von einem französischsprachigen Schweizer gefahren wurde. Dieser war eine sehr anerkannte Autorität in Hinsicht auf Autos, auf die Ananda und sein Bruder
verrückt waren, was sie ohne Zweifel von ihrer Großtante geerbt hatten. In
dem Jahr, es war 1935, in dem sie in die Villa Watana zogen, wurde Ananda in die Ecole Nouvelle eingeschult. (Bhoomipol ging auch dort hin, während ihre Schwester in einen Konvent ging.)
Das erste was er von der Ecole Nouvelle zu sehen bekam, die er nun für
acht Jahre besuchen würde, war eine Anzahl großer prosaisch aussehender
Häuser die verstreut auf dem hügeligen Gelände des Stadtzentrums lagen.
Der Eindruck von Eingeschlossenheit war jedoch in der entspannten aber
zum Ziel führenden Atmosphäre dieser Schule bald vergessen. „Wir sehen
es als unsere einzige Aufgabe an, unsere Schüler sowohl für die Herausforderungen des täglichen Lebens aber zur gleichen Zeit auch für die Prüfungen vorzubereiten. Das Leben an der Schule sollte ein Schule des Lebens
sein, ist unser Motto.“ Unter diesen Prinzipien arbeitete eine Gruppe von
Ausbildern, die aus mehreren Ländern rekrutiert worden waren daran, den
Geist ihrer einhundertundfünfzig Jungen und Mädchen, darunter Schweizer
und Ausländer, reifen zu lassen. Die praktische Bedeutung für Ananda war,
dass er das volle Programm einer Sekundarstufenausbildung erhielt, aber
auch Spiele und Handarbeit erlernte.
Letzteres beinhaltete auch das Anlegen eines Gemüsegartens. Indem er die
Produkte daraus verkaufte, steigerte er sein Taschengeld von zwei und einen halben Franken. Er erhielt während seiner Schulzeit nie mehr, da die
Mutter sich an die wirtschaftlichen Gewohnheiten seines Vaters hielt.
Seine Lehrer empfanden ihre neuen Schüler als aufgeschlossen, intelligent,
folgsam, höflich und ruhig. Er schloss leicht Freundschaften aber er hatte
eine reservierte Art an sich, die ihn davon abhielt, mit anderen familiär zu
werden. Das war in erster Linie nicht auf Grund eines Bewusstseins seiner
unterschiedlichen Herkunft, seiner Geschichte und dem Ruf des Schicksals,
sondern basierte auf seinem Charakter. Er war nicht wild. Seine Gedanken
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waren empfindsam: ein paar Jahre vorher war er gehört worden, wie er mit
einem Pferd sprach und es bedauerte, dass das Pferd arbeiten musste und
nicht so frei wie er war und spielen konnte. Er hasste Gewalt: Ein Junge der
dabei war ihn während eines freundschaftlichen Gerangel an seiner neuen
Schule anzugreifen, wurde von Anandas erhobener Hand mit einem imperialen Veto gestoppt.
Bis zum Jahr 1938, sicher behütet in der Villa Watana und der Ecole Nouvelle, wuchs er von einem kleinen Jungen in die größeren Abenteuer der
Jugend. Das Jahr ist wichtig: es markiert seinen ersten offiziellen Besuch in
Siam. Die Zeit war gekommen, dass der dreizehnjährige König seine Untertanen traf.
Mit seiner Mutter, dem Bruder und der Schwester ging er in Marseille am
17. Oktober an Bord der SS Meonia. Seine Entourage beinhaltete auch einen gewissen Mr. Pepys, der als sein Englisch-Tutor eingestellt worden
war. Während der einen Monat langen Reise berichtete der Kapitän, „Seine
Majestät der König zeigte sich als guter Seemann, genoss alle verfügbaren
Spiele an Bord, war niemals seekrank, und das obwohl die Wetterbedingungen, die sie im Indischen Ozean antrafen heftig waren.“ Aber da war
ein schwereres Gewitter in Bangkok zu bemerken, als er dort seine bemerkenswerte Einführung in das politische Klima erhielt.
Fast vier Jahre waren vergangen, seit König Prajadhipoks Abdankung, was
ein Produkt der Revolution war, von Coups und dem abortiven monarchistischen Aufstand. Nach so viel Aufruhr hatte das Land die Bemühungen in
Angriff genommen, aus der Depression zu gelangen und Demokratie aufzubauen. Oder besser gesagt, eine kleine Gruppe an der Spitze hatte das
versucht, denn die Massen dachten wenig darüber nach und kümmerten
sich noch weniger darum.
Man mag sich daran erinnern, dass der Premierminister ein aufrechter Soldat, Colonel Bahol war. Im Namen von König Ananda hatte seine Verwaltung sowohl die zentrale als auch die kommunale Verwaltung auf eine demokratischere Basis gestellt, und in vielen Bereichen Reformen wie in Bildung, Fiskalpolitik, Justiz, durchgeführt. Hinter all dem steckte der Geist
von Pridi. Seine eigene Verantwortlichkeit war die eines Innenministers
und dann des Außenministers. Mit der Hilfe seiner amerikanischen Berater
überzeugte er die westlichen Mächte auf die letzten Überreste der territorialen Sonderrechte zu verzichten, die sie aus Siam als Preis für dessen Unabhängigkeit herausgepresst hatten. Die neuen Verträge machten das Land
vollkommen frei und verbesserten seine Finanzen. Sie stellten auch die BeSeite 73 von 408
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ziehungen mit dem Westen auf einer freundschaftlichen Basis wieder her,
Beziehungen, die durch die Revolution abgekühlt waren. Dies war besonders wichtig in Zeiten da Japan begann den Osten mit einem Gesang über
Verbreitung des Wohlstandes in Aufruhr zu versetzen. Pridi hatte eine Lebensader eröffnet.
Obwohl er ein beschäftigter Minister des Kabinetts war, führte er seine Arbeit als Mentor weiter fort und lehrte an der ehemaligen Hochschule für
Recht, die er nun in eine Universität verwandelt hatte, die dazu bestimmt
war, die Fähigkeiten und das Wissen zu vermitteln, das für eine Demokratie
benötigt wird. Und Pridi, der niemals jung war, wurde niemals alt.
Er war ein Mann geworden für den Moral und Politik unteilbar waren.
Deshalb nannte er seine neue Institution die Universität für Moral und politische Wissenschaften (UMPS). Studenten füllten die Vorlesungsräume um
ihn zu hören. Wie er aber in einer solchen Nähe vor ihnen stand, etwas größer gebaut und bleicher als die meisten Siamesen, mit seinem Bürstenhaarschnitt, den funkelnden Augen und dem immer bereiten scheuen Lächeln,
dann hatte er etwas Unnahbares an sich, etwas Rätselhaftes. Aber das
dämpfte nicht ihre Leidenschaft für ihren Mentor. Neben seinen Vorlesungen schrieb er Bücher und eines hieß „An Outline for Boys and Girls and
Their Parents“ (Richtlinien für Jungen und Mädchen und ihre Eltern), das
die Demokratie mit einem liberal sozialistischen Geruch erklärt. Aber es
wurde unterdrückt. Und bei allem Fortschritt im Land gab es eine dunkle
Strömung.
Seine Auswirkungen konnte man an der wachsenden Zahl von seltsamen
offiziellen Treffen erkennen. Männer wurden Gouverneure in Provinzen
ohne eine andere Qualifikation als eine Karriere in der Armee. Oder in einem anderen Fall führten die Ernennungen der Armee zum Missbrauch von
öffentlichen Geldern, und da waren Verträge für öffentliche Arbeiten die
den privaten Gewinn wichtiger als die Einhaltung der Baustandards ansahen. Es war eine Regierung die mehr zum „Ausquetschen“, dem Einziehen
von „Provisionen“ oder „Teegeldern“ beitrug, oder wie die Siamesen sagten, „das System schmierten“ als jede vorherige monarchistische Regierung.
Dieser Zustand des Staates war weitgehend das Werk der Manöver eines
Mannes um an die Macht zu kommen. FM Pibul hatte stark an Einfluss
gewonnen weil er maßgeblich dabei geholfen hatte den Coup, der Colonel
Bahol das Amt des Premierministers verschafft hatte zu helfen, sowie von
der Niederschlagung des Aufstandes der Monarchisten. Er wurde zum VerSeite 74 von 408
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teidigungsminister und zum stellvertretenden Oberbefehlshaber ernannt
und baute sich eine Gefolgschaft in der Armee auf, indem er Beförderungen gezielt im Inneren einsetzte und Ernennungen der Regierung von außerhalb der Armee. Pridis Anhängern wurde dadurch der Zugang zur Macht
verwehrt, oder sie wurden aus Positionen gedrängt. Aus ihrer Abneigung
und ihrer Alarmierung im Angesicht einer drohenden Militärdiktatur erwuchs ein bitterer Kampf in den Hinterzimmern.
Der Einfluss von Oberst Bahol auf die Armee war immer noch allgegenwärtig und er tat sein Bestes um den Glauben an der Brüderlichkeit zwischen den Zivilisten und den Soldaten, die während der Revolution erreicht
worden war, zu erhalten, so dass seine einzige Funktion als Premierminister
so etwas wie ein Katalysator und Problemlöser zwischen den Fraktionen
wurde. Er wollte damit verhindern, dass eine Fraktion die andere entmachtet. Aber die Macht, die FM Pibul zum Zeitpunkt des Näherkommens der
ersten offiziellen Reise Anandas angesammelt hatte, war so groß, dass Pridis zivile Teile der Verwaltung praktisch nur noch tolerierte Staffage zur
Befriedigung des Obersts waren.
FM Pibuls Horoskop war einmal anonym einem Astrologen gezeigt worden, der die Meinung vertrat, dass das Subjekt eine seltene Gabe hätte, Unrecht als Recht anzusehen. In seiner Jugend war er von Mädchen davon
gelaufen, aber nun hatte er ein gutes Aussehen entwickelt, das durch sein
soldatisches Gehabe und sein lächelndes Selbstvertrauen verstärkt wurde.
Seine Kleider waren untadelig bis zu einem Grad der geckenhaft war. Er
war verrückt nach schönen Kleidern aus Haihaut und er betrug sich mit
nicht weniger guten Manieren. Er hatte eine große Anziehungskraft. Seine
feine Stimme war sein Pfund mit dem er wucherte, seine scheinbare offene
und umgängliche Art ein weiterer Vorteil, und er ließ keinen Trick aus um
zu überzeugen. Ich las gerne die Zeitungsberichte darüber, wie er die zerstrittenen Fraktionen der Politiker behandelte, mit Tränen77, die seinen
Wangen herunter liefen bat er darum die buddhistischen Prinzipien zu erinnern und Wut und Ärger zurück zu drängen. Niemand konnte diese Prinzipien vergessen als er selbst, wenn er sich dazu entschloss verärgert zu sein
77
Es drängt sich der Vergleich mit NeWin Chidchob auf, der am 07.04.2009 die Gegenoffensive gegen die Rothemden mit Tränen in den Augen einleitete, während er
durch das Innenministerium eine Plakataktion in nie gesehenem Ausmaß begann und
gleichzeitig die Blauhemden rekrutierte, die in Pattaya einen Demonstranten erschossen
und viele schwer verletzten.
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und wenn alles versagte zu überzeugen, dann nutzte er seine geheimen
Kräfte der Macht.
Während der Ansammlung seiner Macht war eine Frau seine zuverlässige
Gefährtin, die einst als kleines Mädchen durch seine Liebesgedichte überzeugt worden war. Mutter von sechs Kindern war sie Siams erste Frau im
Parlament geworden. Und als sie 26 Jahre verheiratet war, schreibe er einen
Artikel in einem Magazin über sie. „Ich bin nicht“ so schrieb er, „ein Mann
der eine Frau verderben möchte, aber ich liebe es sie so glücklich zu machen wie ich es kann.“ Auch wenn er nicht erwähnte, dass sie Schwierigkeiten damit hatte, genügend Juwelen zu sammeln, die jede siamesische
Frau als ihr Eigentum beansprucht, so betonte er doch, dass er ihr mit dem
Schreiben von Gedichten geholfen hätte, weil sie verrückt nach Gedichten
war, und er beschrieb sie als die perfekte Frau, schön, klug, loyal, und von
der er nie getrennt worden war, „außer wenn die Pflicht mich rief“. Sein
Ruf ließ vermuten, dass die Pflicht ihn oft zu den Waffen rief, obwohl er
lieber Zärtlichkeiten als den Tod austeilte. Ein Buch in der Nationalbibliothek in Bangkok mit dem Titel „Pibuls Liebesleben“ unterstützt jedoch
nicht die Legende eines ungezügelten Casanova. Das Buch, dass 30 Jahre
seines öffentlichen Lebens abdeckt, erwähnt nur eine Sängerin aus der
Gruppe der Public Relation Abteilung der Regierung und eine Teilnehmerin an einem Schönheitsköniginnenwettbewerb (die Bescheidenheit der siamesischen Frau steht auf sonderbare Weise im Wettstreit mit der nationalen Passion für Schönheitsköniginnenwettbewerbe), die ihm einen Sohn
gebar. Eine romantische Auseinandersetzung war der Grund für eine permanente Narbe auf seiner Wange. Er stieg gerade in seinen Wagen, nachdem er einen Siegespokal bei einem Fußballspiel verteilt hatte, als ein angeheuerter Mörder auf ihn schoss. Was auch immer die Wahrheit über seine Liebschaften sein mag, die unmittelbare Relevanz liegt in der Tatsache,
dass es einen großen Kontrast zu Pridi darstellte, dessen Namen niemals
mit einer anderen Frau außer seiner eigenen in Verbindung gebracht wurde.
In Siam, wo solche Dinge nicht einmal einen Augenbrauenrunzeln hervorrufen, war der Unterschied weniger auf Moral als auf Pridis Askese zurückgeführt worden.
Trotz des verbitterten Kampfes zwischen den Anhängern der beiden Männer, blieben sie selbst, zumindest von Außen betrachtet, immer die Freunde
aus den Pariser Studienzeiten. Pridi hielt sich tatsächlich immer von Intrigen und Korruption fern. Seine Egoismus und sein Idealismus trafen sich in
der Hoffnung, dass demokratische Gefühle und Verantwortlichkeit schnell
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genug wachsen würden, um die Dominanz der Armee zur Frustration zu
treiben.
Seine mächtigste Quelle des Vertrauens lag in der Nationalversammlung,
dem Parlament, dass nach der Revolution von 1932 eingerichtet worden
war. Unter der Verfassung wurde die Hälfte der Mitglieder durch die aufgelöste Volkspartei der revolutionären Promotoren ernannt und dort waren die
Zivilisten der militärischen Fraktion überlegen. Die andere Hälfte, die sich
nach den Wahlen von 1933 bildete, bestand zum größten Teil entweder aus
moderaten Konservativen oder Pridis Liberalen. Trotz des verbreiteten
Verdachtes, dass Pridi Kommunist wäre, arbeiteten die beiden Gruppen
zusammen um einer in Siam erwachenden Hoffnung auf Demokratie eine
Stimme zu geben.
Aber im Jahr 1937 kam die brutale Desillusionierung. Viel von König Prajadhipoks Eigentum vom Staat war als staatliches Eigentum beschlagnahmt
worden und Gerüchte sickerten durch, dass der Rat der Regenten vielen der
Promotoren, außer Pridi, aber einschließlich FM Pibul, erlaubt hatten, Teile
des Landes zu niedrigen Preisen zu kaufen und das zu günstigen Zahlungsbedingungen. In der Nationalversammlung war die Reaktion der informierten Öffentlichkeit so erzürnt, dass der Rat der Regneten und Oberst Bahols
Kabinett sich verpflichtet fühlten, zurück zu treten. Durch diesen unmissverständlichen Akt des Gehorsams der Regierung gegenüber dem Willen
des Volkes erschient zumindest Demokratie nunmehr endgültig eingeführt
zu sein. Aber im nächsten Moment zerstörte FM Pibul sie wieder.
Er umzingelte die Versammlung mit Panzern und drohte mit einem Staatsstreich, falls die Abgeordneten nicht gehorchten. Die Regenten und die Regierung behielten ihre Büros, aber es war ganz klar FM Pibul, hatte die
Schlüssel zur Macht in der Hand, und nur der Einfluss von Oberst Bahol
hielt ihn noch davon ab, ihn zu benutzen. Unruhen folgten. Gewisse Sympathisanten der politischen Gefangenen die seit dem fehl geschlagenen
Aufstand der Monarchisten im Jahr 1933 im Gefängnis waren, planten
Mordanschläge. Eine Woche bevor Ananda mit der SS Meonia ankam, zog
FM Pibul sich für eine offizielle Gelegenheit an und hatte gerade seine
Stiefel aber noch nicht seine Hosen angezogen78 als sein Kammerdiener
eine Pistole zog, auf ihn feuerte, ihn aber verfehlte. Schon innerhalb des
78
So schreibt es der Kruger. Warum man zuerst seine Stiefel und dann erst seine Hosen
anzieht ist unklar. Aber siamesische Bauern hatten Hosen, die ähnlich wie Kleider geschnitten waren.
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nächsten Monats brachen er und seine Frau beim Abendessen über dem
Dessert zusammen. Es war vom Koch vergiftet worden, dessen geliebte
von den Sympathisanten der politischen Gefangenen bezahlt worden war.
Wieder überlebte er. Seine wiederholten Rettungen waren so bemerkenswert wie die Tatsache, dass er alleine der einzige unter den modernen Führern Siams war, der für die Mordanschläge ausgesucht worden war.
Die gespannte Atmosphäre die durch diese Ereignisse erzeugt wurde,
schweißte die Versammlung zusammen um gegen den Rücktritt der Regierung aufzutreten. Erschöpft und krank vertagte Oberst Bahol die Versammlung und trat zurück. FM Pibul folgte ihm fast unmittelbar nach. In sechs
Jahren war der junge Artillerieoffizier zum Premierminister von Siam aufgestiegen.
Aber inzwischen war Ananda angekommen und die meisten Menschen
dachten entweder nicht daran oder waren nicht emotional bewegt, während
ihre Zukunft durch diese politischen Ereignisse bald wieder in Knechtschaft
münden sollte. Herzen und Verstand wurden durch den königlichen Besuch
beherrscht, und nichts bewegt Siamesen mehr als eine öffentliche Feierlichkeit. Während des Festes der Blumen zum Beispiel oder dem altehrwürdigen Willkommenheißen des Frühlings ist diese Freude enthusiastisch.
Wenn diese Freude mit der der Loyalität mit dem Thron vereinigt wird,
dann führt das zu Begeisterungsstürmen. Und jetzt um so mehr als der König da war, der ihnen fünf Jahre lang gefehlt hatte.
Der erste Besuch als König
König Ananda kam am 15.11.1938 an. Sein Empfang war denkwürdig. Der
hellgrüne Golf von Siam glitzerte unter der Sonne, als die Marine sich in
voller Stärke an der Mündung des Menam versammelte und die SS Meonia
erwartete, deren Schornsteine am Horizont auftauchten. Der Premierminister und die drei Männer des Rates der Regenten gingen an Bord, um den
dreizehn Jahre alten Monarchen zu begrüßen, und er, der noch vor ein paar
Wochen seinen Gemüsegarten in einer Schweizer Schule überdacht hatte
und sein Bett in einer Schweizer Villa selbst machte, wurde plötzlich in
einen transzendentalen Halbgott verwandelt.
Sie alle begaben sich auf den Stolz der Marine, die Ayudhya, während sie
einundzwanzig Salutschüsse abgab. Einhundert Flugzeuge seiner Luftwaffe
flogen über die Köpfe, und alle Arten von Flussfahrzeugen begleiteten geschmückt und unbekümmert das Kampfschiff in einer großen Prozession
flussaufwärts, und wie die offizielle Beschreibung aussagt, war es „der
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wunderschönste Augenblick, den das Venedig des Fernen Ostens jemals
gesehen hatte“. An der königlichen Anlegestelle am Grand Palace warteten
die Mitglieder der königlichen Familie, das Kabinett, die Botschafter in
voller Uniform des Palastes mit Rosen zu ihren Füßen, als Musik von Muscheln, Flöten, Trompeten und Trommeln die Ankunft von König Ananda
verkündeten. Er war in königlichen Roben gekleidet und trug das goldene
Schwert, das Symbol der Macht. Der neunteilige Schirm, den nur ein König
tragen darf, wurde über ihn gehalten, als er zu den Gesängen von Mönchen
an Land ging.
Nach Ansprachen der königlichen Gruppe, die am Radio von Millionen
mitgehört wurden, betrat er das verzauberte Gebiet des Grand Palace. Im
Tempel des Smaragd-Buddha betete er vor der heiligen Statue. Im Mausoleum ehrte er seine erhabenen Vorfahren des königlichen Hauses der
Chakri – eine Sammlung von Statuen von umstrittener Anmut. Und im Inneren warf sich seine Großmutter vor ihm auf den Boden. Beim Verlassen
des Grand Palace nahm er von der Barompiman Halle, in der das finale
Drama stattfinden sollte, keine größere Notiz.
Abbildung 6 Ananda während seines ersten Besuchs als König in Bangkok im Jahr 1938. Hinter ihm
geht sein Bruder und seine Schwester.
Wer hätte das Drama voraussehen können, was auf den Jungen, angezogen
mit einer weißen Uniform mit viel goldener Dekoration und einem großen
Helm, der in einer glänzenden Karosse die Rajdamnoen Avenue hinunter
fuhr, um von der Bevölkerung gehuldigt zu werden, wartete? Welche Anspielung konnte in den Beleuchtungen bei Nacht, den Flaggen bei Tag, den
vielen Menschen, die damit beschäftigt waren, die Delikatessen zu essen
oder den Zerstreuungen zuzuschauen, die an Land und auf dem Wasser
dargebracht wurden, stecken? Oder wer konnte etwas in dem lächelnd ge-
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nossenen Müßiggang erkennen – einem den nur Siamesen wirklich genießen können – in jedem Augenblick der Festlichkeiten?
Während der zwei Monate seines Besuchs, als die wahre Macht über sein
Königreich endgültig in die Hände von FM Pibul überging, wurde von
Ananda an Haltung und Selbstbeherrschung abverlangt, was ihm in Jahren
nicht zugemutet worden war. Es gab eine Würde und Vornehmheit um ihn
herum, die er königlich akzeptierte, auch wenn manchmal ein Schimmer
von Scheu oder ein Anflug von leichter Verwirrung den Jungen überkamen.
Jeder fühlte Befriedigung – die Bevölkerung sonnte sich im Schein der
Anwesenheit des Gottes des Lebens, Politiker wie FM Pibul, die sich ausrechnen konnten, dass dieser sanftmütige Mensch ihm keine Probleme bereiten würde, und die Monarchisten, die hofften, dass der öffentliche Enthusiasmus der Vorbote einer Rückkehr der eigenen Wichtigkeit war.
Als er am 13.01.1939 Siam wieder verließ versammelten sich dreihunderttausend Menschen an den Ufern des Flusses. Später würde man sich fragen,
wer in aller Welt als Mörder in Betracht kam, aber zu diesem Zeitpunkt
gab es nur tumultartige Devotion. Das Unvorhersehbare versteckte sich
unter einem Mantel und Kappe des Schweigens.
Das Studium
Die sieben folgenden Jahre waren die sieben mageren Jahre der modernen
Menschheit. Nur wenige Plätze nicht einmal die weit entfernten Tempel
und Plätze in Bangkok entkamen dem Wahnsinn des 2. Weltkrieges, nur
die Schweiz blieb ein Hort des Friedens. In der Villa Watana hätte man
kaum denken könnten, dass im Norden, Süden, Osten und Westen ein
Krieg tobte, hätte man nicht zwei Jungen und einen Erwachsenen gesehen,
die Manöverspiele mit Spielzeugsoldaten und Waffen genial mit Geschicklichkeitsübungen kombinierten, und die zwei Jungen, Ananda und sein
Bruder Bhoomipol, spielten immer wieder während all der Jahre mit dem
Erwachsenen, einem Monsieur Seraidaris, der selbst der Erfinder des Spiels
war.
In der Einleitung erwähnte ich kurz einen außergewöhnlichen Griechen aus
dem 18. Jahrhundert mit Namen Phaulkon, der zur rechten Hand des Königs79 aufstieg – Gott des kalten Wissens – bis ihn rachsüchtige Höflinge
ermordeten. Mr. Seraidaris liefert einen kuriosen Nachhall zu dieser Le-
79
König Narai der Große
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gende, da auch er ein Grieche und während der letzten sechs Jahre von
Anandas Leben fast ständig sein Begleiter war. In Bangkok, wo man ihn
nie sah, existierte „der Grieche“ als eine Legende im Schatten, ein namenloses Subjekt, über das man mutmaßte. Als nicht er, sondern der König ein
gewaltsames Ende fand, war es, als ob es um den Ausgleich der Geschichte
ging.
Cleon O. Reaidaris wie seine Visitenkarte ihn beschreibt, wurde in
Deutschland im Jahr 1907 geboren. Sein Vater, ein Tabakhändler, brachte
ihn im ersten Weltkrieg in die Schweiz. Er war eine aufsichtführende Person über die kleineren Kinder in der Ecole Nouvelle, während er an seiner
Doktorarbeit schrieb. Dort wurde die Königinmutter kurz vor Ausbruch
des 2. Weltkrieges auf ihn aufmerksam. Sie suchte jemanden, der sie unterstützen sollte, den Söhnen bei den Hausaufgaben zu helfen, und später
stellte sie ihn als Vollzeittutoren ein. Er lebte nicht bei ihnen, da er kurz
vorher geheiratet hatte, und zwei eigene Söhne bekam, aber er wurde ein
integraler Bestandteil der Familie. Ich fand in ihm einen Mann mit großen
Knochen mit einem gewissen kühnen Charakterzug und grauen Haaren. Er
hatte ein stilles Benehmen und vielleicht eine zu enthusiastische Ansicht
über die makellose Unfehlbarkeit der königlichen Familie, aber schließlich
sind viele gute Lehrer nur gut in der Welt der Kinder.
Er war nicht nur der akademische Coach der Brüder (sein Fach war die
Wissenschaft), sondern auch wurde er zu einem großen Maße ein Ersatz
für die Vaterfigur. Die drei, der Grieche und die beiden Jungen, hatten, was
sie den „Club“ nannten. Ihr Hauptquartier waren große Verpackungskartons am Ende des Gartens. Dort saßen sie und tranken Orangensaft und
sprachen oder grübelten über „Jane’s Fighting Ships“80, oder sie spielten
mit ihren weißen Mäusen und Kanarienvögel. Sie spielten auch auf dem
Dachboden mit ihrer elektrischen Modelleisenbahn oder mit anderen Spielzeugen und natürlich ihr Kriegsspiel. Aus den Spielzeugen wuchsen sie
heraus und loyale Untertanen sandten ihnen viele Geschenke, und sie wurden vom Klub für wohltätige Zwecke verkauft, oder sie kauften neue oder
Werkzeuge für M. Seraidaris, der ein sehr guter Schreiner war und Ananda
seine Begeisterung weiter gab.
Diese Aktivitäten waren zeitlich beschränkt, da Ananda nicht vor sechs Uhr
mit Schule und Hausaufgaben fertig war. Der halbe Tag in der Mitte der
Woche wurde durch ein Picknick mit einer Ausfahrt der ganzen Familie
80
Janes’s Fighting Ships ist ein Jahrbuch über die Schlachtschiffe der Welt.
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gefüllt, und in den Ferien fuhren sie in den Wallis zum Klettern oder nach
Arosa zum Skifahren. Und während der übrigen Zeit hatten sie jede Menge
Segeltraining, Ruder- und Schwimmübungen, und immer war M. Seraidaris
an ihrer Seite.
Aber hinter jedem Detail steckte die Hand, das Herz und der Verstand der
Königinmutter. Sie fällte die Entscheidungen, sie schrieb die Diät der Familie vor, sie brachte die Familie zu Picknicks und in die Ferien und sicherte die Überprüfung ihrer Schularbeiten. Sie ermutigte sie, alles zu lesen von
Detektivgeschichten bis zu Büchern über Astronomie und Briefmarken zu
sammeln und Interesse an Fotografie zu entwickeln, was eine zusätzliche
Aufgabe in ihrem Klub wurde. Mr. Seraidaris war ihr Instrument.
Sie hatte einen weiteren Vertrauten, einen gewissen Nai Anek, der noch zu
beschreiben wäre. Er und der Grieche waren im innersten Kreis der Familie. Es gab weitere Nachhilfelehrer – einen Schweizer Musiklehrer und eine
Engländerin, die von der Abschlussklasse der nebenan liegenden Schule für
junge Damen kam, und eine freundliche siamesische Maha (eine Art Doktor der Theologie), die die Siamesen Buddhismus lehrte. Aber diese Personen waren nur einen gewissen Grad höher als die Diener, die Beamten, die
aus geschäftlichen Gründen kamen, oder die Gäste, die wie einer Gesetzmäßigkeit folgend jeden Samstag auftauchten, wenn die Prinzenmutter einen Empfangstag ausrichtete. Dies war fast ihre einzige Konzession an die
sozialen Anforderungen. Sie nahm am Leben in der City nicht teil. Die Zeitungen, die nichts zu berichten wussten, erwähnten sie niemals. Ihre Welt
war die Villa Watana.
Trotz ihres sehr regulierten Tagesablaufs war das Leben sehr ungezwungen. Das Gespräch am Tisch war frei und ohne Umstände. Diener mussten
nie vor ihnen kriechen. Und der Hintergrund der schweizerischen Gleichheit sorgte dafür, dass beiläufige Überraschungsbesucher, die an der Haustür standen, die Tür auch schon mal von der Königinmutter selbst geöffnet
fanden und das in kurzen Hosen, falls sie gerade von der Gartenarbeit kam.
Sie hätte verschiedener kaum sein können als ihre Vorgängerinnen im
gleichen Rang, die exzentrischen Matriarchaten aus dem Inneren des Grand
Palace. Sie erreichte Gehorsam durch Liebe und Beispiel. Die Bestrafung
für ihre Kinder war in der Regel ein Bußgeld für jeden Schaden, den sie
verursachten. Ihre Tochter war vielleicht die schwierigste von allen dreien.
Ihre Ungeduld in der besten Chakri-Tradition {Jähzorn} und eine fast unsiamesische Geringschätzung für Reis unterschied sie von den anderen beiden, aber für die Hälfte des Krieges war sie entfernt von daheim in einem
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Internat in Genf. Das am Engsten mit der Mutter verbundene Kind war der
jüngste Sohn, Bhoomipol, der zwei Jahre jünger als Ananda war. Er spielte
den Clown der Familie und heute würde niemand im strengen gütigen Blick
des derzeitigen Monarchen den unzähmbaren komischen und bebrillten
Jungen wiedererkennen. Wenn Ananda Eifersucht oder Groll hegte, so ließ
er es sich nicht anmerken . Alle Belege deuten daraufhin, dass die Brüder
eine starke Bindung zueinander hatten. Sie teilten sich einen Raum und ihre
Begeisterung für ihren Klub. Anandas Gefühle zu seiner Mutter schienen
ebenso klar: er fragte sie immer, ob sie gut geschlafen hätte, drängte sie,
nicht so viel zu arbeiten und zeigte ständig seine Hingebung zu ihr.
Er schien perfekt in die Welt der Villa Watana zu passen, eine Welt, die sie
um ihn herum aufgebaut hatte. Das Zur- Schule-Gehen war ein Ausflug in
äußere Regionen. Seine Schulfreunde wurden nicht nach Hause eingeladen,
obwohl er sie von Zeit zu Zeit in ihren Häusern besuchte wie zum Beispiel
bei Professor Piccard, dem Ballonflieger, dessen Sohn auch an der Ecole
Nouvelle zur Schule ging. Bei solchen Gelegenheiten begleitete ihn M. Seraidaris möglicherweise als Attribut der Königswürde. Eine andere Ermahnung war die Wache, die in der Nacht und bei Tag durch eine besorgte
Schweizer Regierung an den Zäunen der Villa Watana aufgestellt wurde.
(Es war die Aufgabe eines mächtig gebauten Inspektors mit einem runden
Gesicht und schwarzen Haaren, der langsam sprach, sich aber schnell bewegte, ein ehemaliger nationaler Jiu-Jitsu Meister; er setzte sich später im
Alter von sechzig Jahren zur Ruhe und heiratete ein Mädchen im Alter von
fünfundzwanzig Jahren.
Innerhalb der Zäune verlor Ananda seine Jugend, während der Krieg vor
dem Zaun tobte. Bilder von ihm, die ihn größer als die meisten seiner
Landsleute zeigt, mit betont abfallenden Wangenknochen in einem ovalen
Gesicht, glatten Zügen und großen Rehaugen, die Brillengläser benötigen,
die er aber nur zum Lesen aufsetzte. Seine gewöhnliche Erscheinung war
ernst, sein Blick hatte einen Anflug von Zurückgezogenheit, er war fast
träumerisch. Wenn er das Gefühl hatte, etwas falsch gemacht zu haben,
wurde er selten ärgerlich, aber nach gründlichem Überlegen sprach er darüber, was er dachte. Er dachte nach, bevor er antwortete. Er hatte keine
Angst vor der Dunkelheit, und er sah sich sorgfältig um, bevor er die Straße
überquerte, weil man ihm beigebracht hatte, es so zu tun. Er machte alles
präzise so, wie man es ihm sagte, selbst das Aufschlagen eines gekochten
Eis. Bei all diesem Ernst wäre er kein Siamese gewesen, wenn er nicht einen starken Sinn für Humor gehabt hätte. Aber er machte nie Witze auf
Kosten anderer. Seine Abneigung, Sex zu diskutieren oder sich darüber
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lustig zu machen, macht es einfacher, ihn einen Tugendknaben zu nennen,
als die Fakten es hergeben würden. An der Schule genoss er echten Respekt
und schloss leicht Freundschaften, denn er war empfänglicher für Beziehungen, anders als der eher klügere Bhoomipol, der einige Schwierigkeiten
hatte, andere Menschen zu verstehen.
Ich hegte den Verdacht, dass die Darstellung von Anandas Vollkommenheit der Notwendigkeit königlicher Tugenden entsprang. Außerdem sollte
man die Erinnerung verändernde Wirkung von Tragödien nicht unterschätzen. Aber während der langen Befragung seiner früheren Lehrer und anderer Personen, die eher weniger in Beziehung zu ihm standen oder sentimentale Gefühle hatten, die die Fakten veränderten, verschwand meine Skepsis.
Ananda hatte keine schlechten Eigenschaften und seine Qualitäten waren
riesig. Verantwortungsbewusstsein, Humor, Zurückhaltung, eine verwirrende Ehrlichkeit bei Dingen, die er nicht begriff bis er sie verstand, und
besonders seine Art von innerer Güte, die schwer mit Worten zu beschreiben ist. Er war extrem intelligent, nicht brillant – „ausreichend gut für ein
intellektuelles Niveau“ ist der Ausdruck, den ein ehemaliger Lehrer gewählt hat, aber er hatte einen offenen Geist, der schnell lernte und Dinge in
Erinnerung behielt.
Im Jahr 1943, als er auf seinen achtzehnten Geburtstag zuging, verbrachte
er die letzten sechs Monate an seiner Ecole Nouvelle als Internatsschüler,
der am Wochenende nach Hause fuhr, weil seine Mutter wünschte, dass er
seine Tentakel ein bisschen in die Welt streckte. So als ob sie bemerken
würde, dass die Qualität des Lebens in der Villa Watana zu stark beschränkte. Er schloss mit einer guten Note ab, schrieb sich in die Hochschule für Recht an der Universität von Lausanne ein und schiffte sich für
die letzte Runde seiner Jugend ein, ja seines Lebens ein, und wenn da etwas in uns ist , das uns mit unserer Sterblichkeit vertraut macht, so hatte er
noch keine Ahnung davon.
Die Immatrikulierung an der Universität schien den größten Gegensatz mit
dem engen Leben im Familienkreis darzustellen. Am ersten Tag, als er die
Hochschule besuchte, stellte er fest, dass seine Klasse nur aus einem Dutzend Männern und einem Mädchen bestand, obwohl später mehr dazu kamen. Sie wurden alle Freunde und wurden manchmal in die Villa Wattana
eingeladen.
Die Mahidol-Kinder hatten eine Reihe von Musikinstrumente spielen gelernt – Ananda konnte Klavier spielen, Flöte, Gitarre und Banjo, und die
musikalischen Freunde kamen zu ihnen, um Jazz Sessions zu veranstalten.
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Aber meist ging er zu ihnen nach Hause, wo sie in studentischer Art bei
Wein und Kuchen diskutierten. Er ging nicht in Restaurants und, außer bei
gelegentlichen Besuchen in ein Kino oder in ein Konzert, normalerweise in
Begleitung seiner Mutter, hielt er sich aus der Öffentlichkeit fern.
Die Art der Beziehungen in dieser wichtigen Periode in Anandas Leben
wurde mir gegenüber von Mitgliedern der königlichen Familie und der Entourage hervorgehoben. Es waren, darauf bestanden sie, die Art von Zufallsbekanntschaften, die Studenten machten, nichts weiter. Niemand insistierte mehr darauf als M. Seraidaris, der offensichtlich als eine Art von außerplanmäßiger Studenten sein untrennbarer Begleiter gewesen war und die
Nabelschnur darstellte, die Ananda eng mit der Mutter verband.
Die Einheit der Familie wurde überzeugend dargestellt, als 1944 alle vier
zur Universität gingen. Anandas Schwester akzeptierte die Herausforderung einer Freundin und schrieb sich für ein Chemiestudium ein, Prinz
Bhoomipol besuchte die Wissenschaftsfakultät, und die Königinmutter
selbst besuchte einen Kurs über vergleichende Religionen. So wurde der
Besuch der Universität einfach eine weitere Familienaktivität. Im Grunde,
so schien es, existierte die Villa Wattana weiter, um Ananda zu beschützen.
Es war die Wärme im Inneren, der Rest, die Kälte, blieb außen vor.
Dann teilte er nicht länger einen Raum mit Bhoomipol. Sein Taschengeld
stieg an, wenn auch nur auf zehn Franken pro Woche. Und obwohl der
Klub noch existierte, so wandte er sich doch dem Schach oder Bridge mit
den wachsenden Freundesgruppen zu. Aber nichts von allem veränderte die
Qualität dieser Jahre in der Villa Watana, isoliert von der Welt und besonders vom Weltkrieg. Eine Idylle der familiären Zufriedenheit, sollte man
meinen, und der Möglichkeit für Jungen in das Mannesalter hineinzuwachsen.
Der Krieg kratzte kaum an der Oberfläche des Landes. Die Schweizer Regierung bot sich an, extra Rationen zur Verfügung zu stellen, aber die Prinzenmutter nahm nur eine Extraration Reis an und Benzin, während der
schwarze Mercedes sparsam verwendet wurde, was die Jungen und M. Seraidaris dazu brachte, die Fahrräder zu benutzen. Ein weiterer Effekt war
der Exodus von siamesischen Studenten von überall auf dem Kontinent in
die Schweiz. Einer von Ihnen verliebte sich an einem Samstagsempfang in
der Villa Watana in Anandas Schwester und heiratete sie dann im Juli
1944.
Aber wenn dies die direkten Auswirkungen des Krieges waren, dann waren
sie hauptsächlich an der Oberfläche. Was wichtig war, war das Donnern an
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den Gittern. Es konnte nie ausgeschlossen werden weder bei Nacht noch
bei Tag. Es wurde immer wieder lebendig in jeder Mitteilung, jeder Zeitung, jeder Unterhaltung unter den Studenten und besonders in den Nachrichten aus Siam.
Eines Tages erschien der japanische Botschafter in der Villa Watana mit
einem Geschenk, das aus Reis bestand, das die Königinmutter diplomatisch annahm und dann still an ein Krankenhaus stiftete. Der Besuch reflektierte die verkrampften Ereignisse, die Anandas orientalische Heimat im
Griff hielten. Einige waren beschämend, einige edel, aber Details für ein
ausgewogenes Urteil gab es nicht. Eines schien klar zu sein: die Unsicherheit der Zukunft.
Vor allem stellte sich die Frage: würde die Monarchie in Siam überleben,
wo überall sonst die Monarchen von ihren Thronen gestoßen wurden? Die
Antwort, die der Königinmutter gegeben wurde, kam von einer Quelle, die
wohl kaum erwähnt worden wäre, hätte sie sich nicht als vollkommen akkurat erwiesen. Um ihre Freunde zufrieden zu stellen, die sie dazu bewegen
wollten, einen gewissen Hellseher zu befragen, ließ sie sich, ohne groß
nachzudenken, dazu überreden. Und ihr wurde gesagt, dass, obwohl Ananda König wäre und seine Krönung nur eine Formalität, die auf seine Volljährigkeit und Frieden wartete, nicht er, sondern sein Bruder Bhoomipol
gekrönt werden würde.
Es war eine lustige Geschichte, die an Nai (Mr.) Anek weiter gegeben wurde, der vorher schon einmal kurz als ihr Vertrauter erwähnt worden war.
Die siamesische Regierung hatte einen Sekretär ernannt und nominell
Ananda zugeordnet, der mit den kleinen staatlichen Geschäften durch die
Botschaft in Bern beschäftigt war. Und die Königinmutter hatte diese aristokratische Würde gerne angenommen, aber sie fühlte keine Sympathie mit
ihren Vorgängerinnen, so dass sie sich mehr als je mit Nai Anek über politische aber auch familiäre Angelegenheiten beriet. Und weil er vielleicht
eine noch dubiosere Rolle in den Gerüchten Bangkoks inne hatte als M.
Seraidaris, war ich gezwungen, diesen Faden weiter zu verfolgen.
Anek Subrabhaya wurde im Jahr 1905 in einer Familie der Oberschicht
Bangkoks geboren und studierte Ingenieurswesen in Manchester und dann
Paris, wo Pridi ihm in persönlichen Angelegenheiten sehr half. Später wurde er wegen Tuberkulose in die Schweiz geschickt. Prinz und Prinzessin
Mahidol besuchten ihn dort im Jahr 1926, was in eine Hingebung resultierte, die er von da an den Mahidols entgegenbrachte. Auch wenn er seine
Gesundheit nie wieder voll herstellen konnte, so hatte er sich seinen läSeite 86 von 408
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chelnden guten Charakter bewahrt, und auch der fast ständige Aufenthalt
außerhalb der Heimat hatte ihm seine Ehrlichkeit, seine guten Manieren
und die für seine Landsleute typische Großzügigkeit nicht genommen.
Klein und gepflegt repräsentierte er das Abbild eines loyalen Siamesen, den
Europa noch nicht mit seinem mürrischen Junggesellendasein verschlungen
hatte.
Er handelte als der persönliche und vertrauliche Sekretär der Prinzenmutter
und als Freund der Familie. Von seinem Appartement zu der Villa Watana
radelte er täglich. Sie diskutierten alles zusammen, aber ein Thema kam
öfter vor als andere. Es wurde in dem Begriff wiederholt, der überall auf
der Welt der am meisten bemühte in diesen Jahren war: „Nach dem Krieg“.
Es war sowohl eine Ausgangstür zu unaussprechlichem Glück als auch eine
hohe Mauer die Schutz gegen das Unbekannte bot. Diese Doppeldeutigkeit,
die in der Ungewissheit bestand, wann der Krieg zu Ende sein, und wer am
Ende überleben würde, erzeugte die Aussicht auf das Ende des Krieges
gewisse phantasievolle Vorstellungen. Je länger der Krieg dauerte desto
irrealer wurden die Vermutungen, was vernünftig klingen würde. Selbst der
klare Hinweis auf den unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch der
Achsenmächte konnte den Fokus kaum schärfen, denn was gab es für einen
Fokus außer einem riesigen Fragezeichen?
Und dann brachte der offizielle Sekretär plötzlich ein Telegramm zur Königinmutter, die es an Nai Anek weitergab, und ihnen wurde etwas Unglaubliches bewusst. „Nach dem Krieg“ hatte begonnen, jetzt!
Das war es, was sie lasen. Es war nie veröffentlicht worden, aber der folgende Text kann als authentisch angesehen werden, außer dass in der Übersetzung Unterschiede zwischen den siamesischen Wörtern die für Bürgerliche genutzt wurden und solche, die bei der Ansprache eines Königs benutzt
werden, verwischt werden.
6. September 2488 Buddhist Era (1945)
Seine Majestät König Ananda Mahidol
Lausanne.
Sire,
Mit Bezug auf meine Ernennung als Regent durch Beschluss der Versammlung des Volkes und veröffentlicht durch den Präsidenten der Versammlung
am 1. August BE 2487 ist der Tag nun nahe, dass ihre Majestät förmlich
ihre königliche Funktion in der Leitung der Regierung des Staates werden
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übernehmen können, da ihre Majestät am 20. September diesen Jahres das
Alter von zwanzig Jahren vollendet haben werden.
Ich bitte daher Ihre Majestät dringlich, in die Hauptstadt zurückzukehren,
um die Regierung des Staates in Übereinstimmung mit den Bestimmungen
der Verfassung zu übernehmen. Vom 20. September dieses Jahres an wird
meine Regentschaft beendet sein. Ich bitte sie daher untertänig, das Obige
seiner Majestät zur Kenntnis zu bringen.
Der Name des Regenten, der das Telegramm unterschrieben hatte, wird
eine Überraschung für die Leser sein, die sich an Anandas offiziellen Besuch in Siam kurz vor dem Krieg erinnern und die damit verbundene politische Situation, die FM Pibul triumphal in das Amt des Premierministers
brachte. Da ein Regent nur als Bestätigungsstempel für die Regierung
agiert, und der Mann, der nun Regent war, dies sicher nicht geworden war,
er, der den Kampf um die Demokratie inspiriert und angeführt hatte. Oder
hatte er im Angesicht von FM Pibuls Erfolg den Kampf aufgegeben und
sich herabgelassen, seine Kreatur zu sein?
Wenn es so schien, so hatte ich doch die Wahrheit genau gegenteilig gefunden. Und seine Enthüllung wird uns näher an die wichtige Frage bringen, ob das Telegramm dazu bestimmt war, als was es sich herausstellte,
nämlich Anandas Todesurteil. Denn er sollte innerhalb von neun Monaten
nach dem Empfang sterben, und als sein Mörder würde der Mann bezeichnet werden, der das Telegramm verschickt hatte: Pridi.81
81
An dieser Stelle, da Regent Pridi das Telegramm schickt, der Monarch möge nach Thailand zurückkehren, möchte ich darauf hinweisen, dass sich während des Krieges die Unterschiede zwischen den zivilen Fraktionen der einstigen Revolutionäre und dem militärischen Teil, der eine
Diktatur versuchte, zu zementieren, weiter vergrößert hatten. Während der militärische Teil sich in
der Zusammenarbeit mit den japanischen Besatzern einrichtete und kooperierte, begannen die zivilen Kräfte um Pridi, einen bewaffneten Freiheitskampf gemeinsam mit den Alliierten vorzubereiten. Nur durch diese Anstrengungen wurde Thailand nach dem Krieg vor einer Besatzung durch
die Alliierten und vor drastischen Strafen geschützt. Damit hat der bürgerliche Pridi für Thailand
im 20. Jahrhundert das geleistet, was die Geschichtsschreibung ausschließlich den gekrönten
Häuptern Thailands als Verdienst zuweist, nämlich Thailand vor übermächtigem ausländischem
Einfluss geschützt.
Dies war demnach das zweite Mal in der Geschichte Thailands, dass Pridi Thailands Nationalstolz
wieder herstellte. Das erste Mal war es nach der Revolution die Revision der einseitig Ausländer
bevorzugenden Verträgen gewesen, die die Könige Thailands eingegangen waren, um Thailand
vor der drohenden Kolonialisierung zu schützen. Und nun war es der Aufbau eines bewaffneten
Widerstandes ähnlich zur Résistance in Frankreich. Auch wenn der Krieg vor der endgültigen
Einsatzfähigkeit der Widerstandstruppen beendet war, so schützte diese Politik Pridis das Land
vor weitreichenden Konsequenzen.
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Der Krieg in Siam
Wir müssen uns nun ansehen, was in Siam während der Jahre, die zum großen Teil durch den Krieg beherrscht wurden, zwischen seinem offiziellen
Besuch und dem Empfang des bedeutungsschweren Telegramms geschehen
war, während Ananda in Lausanne aufwuchs.
Als die königliche Familie Bangkok im Januar 1939 verließ, waren die Ereignisse, die FM Pibul an die Macht gebracht hatten, noch nicht voll ausgereift. Männer, deren Hoffnungen auf Demokratie in Frustration versunken
waren, planten eine Rebellion, und als FM Pibul davon erfuhr, nutzte er die
Chance, um die Armee von der letzten Opposition gegen ihn zu säubern,
wobei er die Behauptung verbreitete, dass das Komplott nur ein Versuch
der Monarchisten gewesen wäre, die absolutistische Monarchie wieder ein-
Während die reichen Thailänder, die Aristokratie und viele Ausländer ihre Söhne ins sichere Ausland, vorwiegend in die Schweiz schickten, herrschte in Thailand Krieg. Die Seri-Thai-Bewegung
schien unter Pridi die ideologischen Gegensätze der Revolution in einer gemeinsamen nationalistischen Begeisterung zu überwinden. Studenten und ehemalige Beamte von Botschaften oder Konsulaten im Ausland schlossen sich der Seri-Thai an, und unter diesen Personen waren viele, die
aus dem Adel stammten. Innerhalb von Thailand arbeiteten Mönche mit Bauern und Arbeitern zusammen daran, den Widerstand gegen die Besatzer aufzubauen.
Pridis Bedeutung hatte daher während des 2. Weltkrieges seinen erneuten Höhepunkt erreicht.
Phibul, dessen Vorbilder Mussolini und Hitler waren, und dem es daher leicht fiel, mit den Japanern zu kooperieren, hatte Pridi auf den anscheinend machtlosen Posten eines Regenten abgeschoben. Aber diese Position nutzte Pridi aus, um Thailand vor der Rache der Achsenmächte nach dem
Ende des Krieges zu schützen. Unter dem Einsatz seines Lebens arbeitete er daran, Washington zu
drängen, Einfluss auf die Briten zu nehmen, die ihre eigenen Pläne mit Südostasien hatten, ebenso
wie auf China, die einen Teil Thailands besetzen wollten. Durch die von Pridi aufgebaute Untergrundbewegung Seri-Thai oder Free Thai arbeitete er mit den Alliierten zusammen und vermied
deren Invasion. Aber so wie sich Pridi vor den Gefahren einer Nachkriegsbesetzung sah, so sehr
drohte auch eine Gefahr aus dem Inneren:
„Pridi sah sich einer ebenso komplexen Herausforderung an der Heimatfront gegenüber. Seine
Beziehungen mit dem Polizeigeneral Adun Adundetcharat und hohen Armeeoffizieren blieben bestenfalls beunruhigend. Zusätzlich musste er eine Fassade der freundlichen Kooperation mit den
Japanern wahren, wobei er sehr genau wusste, dass seine geheimen Absprachen mit den Alliierten
jederzeit durch Kempeitai aufgedeckt werden könnten oder durch einen politischen Rivalen an die
Japaner verraten werden konnte.”
(Thailand’s Secret War: OSS, SOE and the Free Thai Underground During World War II (Cambridge Military Histories),Bruce Reynolds, Cambridge 2005, S. 287)
Wenn nun dieser Pridi ein Telegramm schickte, um den König einzuladen, zurück nach Thailand
zu kommen und die Stelle des Monarchen einzunehmen statt zu versuchen, die Gunst der Stunde
und seine Popularität und die Nachkriegswirren zu nutzen, um Thailand zu einer Republik umzuformen, zeigt, dass Pridi Nationalist UND Monarchist war. Nie zuvor und danach hatte die Monarchie für jedermann offensichtlich eine weniger wichtige Rolle für Thailand gespielt als in diesem Moment.
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zuführen – eine These, die er untermauerte, in dem er viele Adlige einer
beispiellosen Erniedrigung aussetzte, indem er sie in einem normalen Kerker inhaftierte. Es folgten achtzehn Exekutionen und zehn Urteile zu lebenslanger haft, die die Popularität der politischen Gefangenen steigerte.
Unter diesen war jetzt auch einer mit Prinzenblut, Anandas Onkel, der
künstlerische, lustige und vollkommen unschuldige Prinz Rangsit82, dessen
Namen man sich merken sollte.
FM Pibul stieg ohne Widerstand auf und wurde der unangefochtene „Fürst“
von Siam. Er erreichte nicht nur die komplette Kontrolle über die Armee
sondern auch die abschließende Erniedrigung der Monarchisten, und er
brachte alle Tendenzen von Abtrünnigkeit zum Schweigen. Die Zivilisten,
besonders Pridis Liberale, waren machtlos. Ihre Vertretung in der Versammlung gab einen Anschein von Demokratie zu dem im Grunde faschistischen Regime. Pridi selbst wurde nur aus Gnade für einen Mann geschont,
zu dem man einmal wegen seiner Führungsqualität aufgeschaut hatte. Es
war das ironische Ergebnis der Fermentation einer Revolution, die durch
Pridis Leidenschaft für Demokratie begonnen hatte, und die nun anscheinend die letzten Hoffnungen darauf vernichtete.
Aber Pridi akzeptierte die Situation mit einer erstaunlichen Ruhe und ohne
Bitterkeit. So unerforschlich und geduldig wie immer, tat er seine Arbeit in
der Regierung, lehrte an seiner UMPS und wartete auf seinen Augenblick.
Er war nun fast achtunddreißig Jahre alt. Es war eine außergewöhnliche
Erscheinung, dass er als siamesischer Politiker in sechs Jahren fast ununterbrochener Arbeit für die Regierung noch keinerlei Vermögen angesammelt hatte. Manchmal hatte er sogar über Monate vergessen, am Monatsende sein Gehalt abzuholen, und die netten Erinnerungen seiner Frau hatten
erst eine Auswirkung, wenn das Essen auf dem Tisch spärlicher wurde. Zu
Beginn ihrer Ehe hatten sie ein Haus auf dem Grundstück ihrer Eltern gebaut. Später baute er ein modernes Haus auf einem Stück Land, das ihnen
geschenkt worden war. Er verkaufte seine Gesetzbücher, um zu helfen, die
Baukosten zu zahlen. Trotz seiner Vereinnahmung durch die Politik hatte er
eine glückliche Familie in erster Linie durch die Mithilfe von Mrs. Pridi, da
er an jeder wichtigen Entscheidungen des Landes teil hatte, verblieb ihm
wenig Zeit, um sich mit seinen Kindern zu beschäftigen. Davon gab es ins-
82
Prinz Rangit war der Berater der Königinmutter, und der adoptierte Sohn von Königin Sawang.
Er wurde zum Tode verurteilt und entkam angeblich nur der Vollstreckung, weil Sawang mit einer
Abdankung von Ananda gedroht hatte. (Thai Foreign Policy, 1931-1946, Charivat Santaputra,
Thammasat University, Bangkok, 1985, S.170 ff.)
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gesamt zwei Jungen und vier Mädchen, die meisten davon gingen natürlich
zur Universität und ein Mädchen graduierte vom königlichen Musikkolleg
für Musik in London.
Ohne Berücksichtigung seiner Studenten, die ihn anbeteten, und die Intelligenzelite, die ihm zu Füßen lag, hatte er auch viele Freunde. Einige waren
flapsig oder mit ordinärer Ausdrucksweise bis zu dem Punkt einer unsiamesischen Unverblümtheit, was überraschend war, weil er selbst unendlich
höflich war und einen altmodischen Respekt vor Älteren hatte. Aber es gibt
keine einfache Erklärung für Pridi. Er mochte es, wenn seine Freunde für
ein Essen hereinschauten, und oft kochte er den Hauptgang selbst, in der
Regel nach einem Rezept, das er in Frankreich gelernt hatte. Jedoch gab es
da etwas essentiell klösterliches in seinem Benehmen. Er arbeitete ohne
Unterbrechung, vermied Partys, machte einen großen Bogen um offizielle
Veranstaltungen, soweit er das konnte und trank kaum einmal Alkohol. Er
sprach einfach, er lebte einfach. Deswegen und wegen seiner scheuen
Wärme in seinem Benehmen, seiner Bereitschaft zu lachen, fühlte sich jeder sofort in seiner Gesellschaft entspannt. Trotzdem ging keine Beziehung
über eine leichte Erweichung der Auster. Er blieb unerreichbar.
Es war diese Unerreichbarkeit, die eindrucksvoller als seine bemerkenswert
leuchtenden Augen oder die Brillanz seines scharfen Verstandes war, der
sich in Französisch und Englisch sowie in Siamesisch ausdrücken konnte,
und der zum Magnetismus seiner Persönlichkeit beitrug. Seine Gegner
sprachen von einer geheimnisvollen Ambition, die auf der Jagd nach Macht
wäre. Seine Anhänger sprachen über seine Leidenschaft und seinen Idealismus. Ich denke, die Fakten werden ein Urteil ziemlich leicht für uns machen, aber ich zweifle daran, dass uns dies näher an die Persönlichkeit
bringen wird. Es ist aber beachtlich, dass, obwohl er manchmal Karten
spielte, er Schach bevorzugte – was zeigt, dass er spielen konnte, wenn es
notwendig war, er aber die Strategie vorzog, wenn er einen Gegner schlagen wollte.
Dieser Gegner war nicht FM Pibul. Es war die Ignoranz und die indifferente Fröhlichkeit der Massen. Er wartete auf den richtigen Zeitpunkt und das
Ereignis, um diesen fundamentalen Defekt der demokratischen Sache zu
heilen, und in der Zwischenzeit diente er dem Staat. FM Pibul war zufriedengestellt. Wenn die Popularität Pridis unter den Intellektuellen ihn ärgerte, was der Fall war, obwohl er sich selbst als Retourkutsche auf Pridis
Gründung der UMPS, zum Dekan der Chulalongkorn Universität gemacht
hatte, so störte es ihn nicht mehr, als die Macht vollkommen in seinen HänSeite 91 von 408
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den war: Er konnte es sich leisten, seiner natürlichen Toleranz nachzugeben, solange Pridi keinen feinseligen Schachzug machte.
Er {Pibul} nutzte sein Gehirn besonders in finanziellen Angelegenheiten:
Die Welt bewegte sich in einen Krieg, und Geld musste beschafft werden,
um Waffen zu kaufen. Mehr Waffen als man einfach für die Verteidigung
Siams brauchte, da FM Pibuls Ambitionen wuchsen. Er hatte ein palastartiges Gebäude als offizielles Hauptquartier, aber er behielt weiter seine
Wohnung in der Nähe der britischen Botschaft in Bangkapi am Ende der
Alleen neben den ebenso zahlreichen Kanälen bei. Und hier mitten in einer
großen und gepflegten Wohnanlage hatte er ein dreistöckiges Haus. Eine
Etage für seine Kinder, eine für sein Eheleben und die kleinste Etage in der
Mitte für seine persönliche Nutzung. Ich erinnere mich an die teure aber
nicht prahlerische Möblierung seines Empfangszimmer, wo ich vor Kurzem
von seinen zwei charmanten Söhne empfangen worden war, und deren
Stolz auf ihn ich gerne zu seiner und ihrer Ehre festhalte. Die Chesterfield
Suite war ausgestattet mit Möbeln mit eingelegtem grünem Leder, die
Ecken mit traditionellen Mustern in Gold gefasst, was einen gemütlichen
Hintergrund abgab. Ich fühlte mich wie inthronisiert und nicht nur einfach
sitzend mitten in etwas, das wie ein kaiserlicher Dekor aussah. Hier hatte
FM Pibul von neuer Größe geträumt, Hitler und Mussolini hatten seine
Vorstellungskraft beflügelt, und ganz in der Nähe gaben die Japaner ein
Beispiel von dynamischem Nationalismus zum Besten.
Er baute eine Jugendbewegung auf und gestaltete sie nach der Hitlerjugend
voller aggressiven patriotischen Fiebers. Er änderte den Namen von Siam
in Thailand um und erlaubte eine Propaganda für eine so genannte PanThailändische Bewegung, die dazu gedacht war, die umliegenden französischen und britischen Territorien zu besetzen, die früher einmal zu Siam
gehörten. Er wollte der Führer von ganz Südostasien werden.
Man vermutet von FM Pibul immer, dass er von Ambitionen angetrieben
wurde, oder vielleicht dass sie ihn überwältigten als er sie nicht suchte.
Deshalb war seine Absicht, der Führer zu sein, zu Beginn nicht offensichtlich. Als der Krieg in Europa ausbrach, erklärte er Thailand für neutral. Er
unterzeichnete sogar Nichtangriffspakte mit Frankreich, Großbritannien
und Japan.
Das war im Juni 1940. Aber der Fall Frankreichs war eine zu große Verführung. Drei Monate später ließ er seine Armee, die Marine und die Luftwaffe auf das von Frankreich besetzte Kambodscha los. Frankreichs bösartiges
Verhalten in den Verhandlungen {der Vergangenheit} mit Siam rechtfertigSeite 92 von 408
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Thailand
ten fast FM Pibuls Aasgeiern gleiche Verhalten. Jedenfalls schien es ein
großer Erfolg zu sein, da Japan darauf bestand zu “vermitteln” und Thailand einen Teil von Kambodscha zusprach. FM Pibul erlebte die zu Kopf
steigende Furore, die einen Führer umgibt, als die öffentliche Begeisterung
überschäumte, ein angeblicher westlicher Spionagering gesprengt, die Armee zu einer Triumphparade nach Bangkok geschickt, das abscheuliche
Siegesmonument auf einem Kreisverkehr errichtet wurde, und er sich selbst
zum Feldmarschall ernannte.
Aber Japans Freundlichkeit kannte nun keine Grenzen: Nippon wollte Siam
nun wirtschaftlich aufs engste einbinden. Wieder erklärte FM Pibul die
Neutralität seines Landes, und er behauptete, er hätte 1 Million Soldaten
unter Waffen, um sie zu verteidigen. Pridi drängte ihn noch weiter zu gehen
und ein Gesetz zu verabschieden, das jeden Thailänder verpflichtete egal ob
in der Heimat oder im Ausland, die Unabhängigkeit seines Landes mit seinem Leben zu verteidigen. Er begründete dies mit der Entmutigung jedes
potentiellen Aggressors durch eine so entschlossene Tat. Pibul aber, der nur
das Privileg der Macht behalten wollte mit der geringst möglichen Störung
anderer, war einverstanden. Schließlich konnte er jederzeit das Gesetz wieder ändern, wenn es denn notwendig sein sollte. Aber nach Pridi markierte
dieses Gesetz einen absoluten Punkt ohne Rückkehr, nachdem er so viel
stillschweigend hingenommen hatte, oder geschwiegen zu den lauthalsigen
Überraschungen und leeren Versprechungen von 1932.
Phibun feierte seinen Sieg als endgültigen Sieg der Revolution gegen die
absolutistische Monarchie. Um den Sieg endgültig zu feiern, baute er ein
großes Monument für die Verfassung, später Demokratie-Monument genannt. Der Bau des Monuments war zu dieser Zeit äußerst umstritten. Anlieger und Ladenbesitzer, meist Chinesen, wurden aus ihren Häusern und
Geschäften vertrieben und hatten nur 60 Tage Zeit, sie zu räumen. Die Erweiterung der Ratchadamnoen Avenue zur Bildung eines Boulevards erforderte die Zerstörung von hunderten von Schatten spendenden Bäumen, eine
ernste Angelegenheit in einer Zeit vor der Einführung der Klimaanlagen.
Wer es ansieht, dem wird schnell die Dominanz der darauf abgebildeten
Militärs auffallen, die als Relief sowohl als Beschützer der Demokratie als
auch als Personifizierung der Thailänder zu sehen sind. In den Reliefs erscheinen Zivilisten nur als dankbare Bezieher der Gaben der heroischen
und gütigen Streitkräfte.
Die Wohnung und noch verbliebenen Besitztümer von König Prajadhipok
wurden beschlagnahmt und das Aufstellen seiner Bilder verboten. Sie wurSeite 93 von 408
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Thailand
den in den Regierungsbüros durch Bilder von Pibun ausgetauscht (nicht
Anandas) !
Der wichtigste und entscheidende Test war näher als irgendjemand ahnte.
Das Gesetz wurde gerade verabschiedet, als Siam plötzlich vor einem Ultimatum stand.
In der tiefen Nacht des 07.12.1941 rief der japanische Botschafter beim
thailändischen Außenminister an. Sein Anliegen war vornehm ausgedrückt,
so höflich wie der Biss einer Schlange: Er forderte das Recht auf freien Zugang für Japanische Truppen, um Malaysia und Burma anzugreifen, das
von Großbritannien beherrscht wurde. Eine Antwort sollte innerhalb von
Stunden, bis ein Uhr am Morgen gegeben werden.
FM Pibul, so wird gesagt, war entweder schon in Deckung gegangen, oder
zu einer Stadt aufgebrochen, die in der Gefahr stand, angegriffen zu werden. Was auch immer die Wahrheit sein mag, die Verantwortung für die
Entscheidung wurde auf den ranghöchsten nächsten Minister übertragen,
und das war Pridi. Er hatte keine Zeit um eine Kabinettssitzung einzuberufen, keine Chance, um die Bürde der Entscheidung zu teilen. Man kann sich
die Seelenqualen kaum vorstellen, die er gelitten haben muss. Eine ruhelose
militärische Macht bedrohte ihn und sein Land mit der Ausradierung, falls
er, ein Mann des Friedens, sich gegen Ihren Willen entscheiden sollte. Das
war eine entscheidende Situation in seinem Leben, und er bewies, dass er
der Situation gewachsen war, weil er sagte: „Wir kämpfen“. Aber es war
auch die Schlüsselsituation im Leben von FM Pibul und er bewies seine
Schwäche, denn am nächsten Tag, als die Marine Japans angriff und auf
erstaunliche Gegenwehr stieß, da sandte er einen Befehl, der den von Pridi
konterkarierte. Auch wenn es weiter einige isolierte Kämpfe im Süden gab,
die mehreren hundert Thailändern das Leben kostete, drang der Feind ohne
großen Widerstand in Bangkok ein.
Ein Appell Churchills in letzter Minute war fruchtlos. Einige Meilen weiter
unten an der Küste sank der Stolz Britanniens, die The Prince of Wales neben der Repulse und seine Truppen wurden aus Europa vertrieben. Die
USA waren im Moment gelähmt durch Pearl Harbour, das am gleichen Tag
angegriffen wurde, an dem die Japaner in Bangkok einmarschierten. Es gab
keine Hoffnung am Horizont. Um sein Land vor der Verwüstung zu schützen, hatte FM Pibul daher einen vorweisbaren Grund – aber nicht für das
Eingehen eines Freundschaftsvertrages den er alleine im Tempel des Smaragdbuddha verfasste.
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Pridi weigerte sich, irgendetwas mit dem Vertrag zu tun zu haben. Bevor er
Teil der nationalen Entehrung werden konnte, trat er als Minister zurück.
FM Pibul wurde wegen Pridis Fortgang nervös: Außerhalb der Regierung
könnte er Ärger bedeuten. Es kam daher gelegen, dass das Regenten Konzil, dass auf ein das Niveau eines abnickenden Rates reduziert worden war,
vakant wurde. Pridi würde ausreichend entmachtet werden, falls man ihn
ernennen würde. Der Rat bestand tatsächlich nur noch aus ihm und einem
Prinzen mit dem Namen Aditya (pr. Ah-tit) wegen der einfacheren Identifikation hier Regent Aditya genannt, einem schwachen Dandy und literarischen Dilettanten mit einer impulsiven und lebhaften Frau.
Indem er sich mit Japan verbündet hatte, musste FM Pibul nun Großbritannien und die USA den Krieg erklären. Immer darauf bedacht den Demokraten zu mimen, drückte er das Gesetz durch die Nationalversammlung, wobei durch eine Abwesenheit der gewählten Mehrheit der Abgeordneten zum
größten Teil seine eigenen Marionetten abstimmten. Es ließ das Gesetz von
Regent Aditya in einem Moment unterzeichnen, als Pridi nicht in Bangkok
war. Bei Vollendung dieser Formalitäten waren die Japaner äußerst erfreut
und boten Thailand Teile von Malaysia und Burma an, während alles britische und amerikanische Vermögen eingezogen und ihre Eigentümer interniert wurden.
Die Japaner gingen nun beim Führen ihres Krieges mit dem Land nach Ihrem Willen um, aber sie begrenzten ihre Brutalität auf westliche Kriegsgefangene, wie die, die an der Bahnlinie nach Burma arbeiteten. Normalerweise benahmen sie sich gut gegenüber den Siamesen, und als Alliierte waren sie, zumindest technisch, nicht für die Regierung verantwortlich, die
weiter auf FM Pibul hörte. (Er hielt die Charade einer Nationalversammlung weiter aufrecht, obwohl das Kriegsrecht galt.) Kleinere alliierte Bombenangriffe verärgerten Bangkok, und alles in allem war der Krieg für ein
Land, das reich an Nahrungsmitteln war, schmerzlos.
FM Pibul schaffte es sogar eine Komödie in seiner Rolle als lokale Führer
zu spielen. Die englischsprachige Zeitung in Bangkok, die jetzt von den
Japanern kontrolliert wurde, erklärte täglich: „Ein Land – Thailand. Ein
Führer – Pibul. Ein Ziel – der Sieg“. Wie einer von FM Pibuls kriecherischen Minister erklärte: „Die Sonne ist mächtig, aber nicht mächtiger als
unser Premierminister“.
Ein „mächtig wie die Sonne-Premierminister“ kündigte eine neue Religion
an, die er Zivilisation nannte, worin er in seiner Blindheit die Prinzipien der
damaligen westlichen Zivilisation meinte. Frauen mussten Hüte tragen,
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Handschuhe, Seidenstrümpfe. Strafen wurden verhängt wenn sich jemand
weigerte. Niemand sollte Betelnuss mehr kauen, seine eigene Mutter musste widerstrebend aufgeben. Und er ließ alle Betelnussbäume fällen. Ein
Ehemann sollte nicht länger seine Frau kaum wahrnehmen, wenn er nach
Hause kam, sondern sie küssen. Auf der anderen Seite sollte jeder seinen
Patriotismus beweisen, indem er zu sozialen Versammlungen kam, oder
sogar selbst Partys ausrichtete, wobei mindestens ein traditioneller Tanz
gezeigt werden sollte. Die Bevölkerung gewann, aber in erster Linie verborgene, Ausgelassenheit. Aber die Tatsache würde bleiben, wäre dies die
ganze Geschichte, dass es eine große Schande für Thailand gewesen wäre,
weil es sich augenscheinlich für einen monströsen Aggressor entschlossen
hatte, und für ewige Entehrung. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte.
Als Thailand im Januar 1940 Großbritannien und Amerika den Krieg erklärten, war ein Mitglied der Chakrifamilie der Botschafter Siams in Washington. Seni Pramoj (pr. Say-nee prer-moat) ist einer der beiden vornehmen Brüdern, die Söhne eines Prinzen und deshalb berechtigt den Titel zu
tragen, der einen Rang darunter liegt, mom rachawan, normalerweise abgekürzt mit mom. Mom Seni graduierte an der Oxford Universität an der er
einen begehrten Preis erhalten hatte, den Birkenhead Preis, und bei seiner
Rückkehr nach Bangkok trat er in das Justizministerium ein und lehrte an
der UMPS. Dort wurde der Gründer Pridi auf ihn aufmerksam, dessen
Empfehlung ihm den Schlüssel für die Ernennung zum Botschafter in Washington verschaffte. Er war noch nicht lange in seinem Amt, als die Geschichte wie ein plötzlicher Donnerschlag über einen Mann kam, der keinen Schirm trug.
Ich kann ihn so beschreiben: Genial und raffiniert, seine gut gerundete Figur ist teuer und mit einer kalkulierten Achtlosigkeit bekleidet. Diskrete
Juwelen glitzern an seinen makellosen Manschetten und am Ringfinger
seiner Hand, die die Kriegserklärung, die er dem Außenministerium aushändigen sollte, in der Hand hielt. Für den „bon viveur war das Leben
plötzlich nicht mehr so „bon“. Er erinnerte sich daran, dass er ein Rechtsanwalt und ein Chakri war, und steckte das unangenehme Dokument zurück in seine Schreibtischschublade so dass, was die USA anging, sie nie
die Kriegserklärung Thailands erhalten hatte. Er berief sich dabei auf ein
Gesetz, dass Pridi so dringend verkündet haben wollte, das alle Thailänder
verpflichtete, die Unabhängigkeit seines Landes, egal unter welchen Umständen, verteidigen musste. Entsprechend verkündete er über das Radio in
einer berühmten Rede von San Francisco aus, dass er die MarionettenregieSeite 96 von 408
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Thailand
rung der Japaner, das von FM Pibul geführt wurde, nicht anerkannte, und
dass er die Free Thai Bewegung bilden würde, um dabei zu helfen, sein
Land zu retten.
Mehr als einhundert thailändische Studenten in den USA traten in diese
Free Thai Bewegung (FTM) ein und begannen ihre Ausbildung mit der USArmee.83 In Großbritannien sammelte sich eine ähnliche Anzahl von Männern um einen Mann der von besonderem Interesse für dieses Buch. Es war
König Mongkuts Enkel und Bruder der Witwe von König Prajadhipok dessen Leibwächter er kommandiert hatte: Der in Woolwich ausgebildete
Prinz Subha Svasti (pr. Soober ser-wot, obwohl besser bekannt unter dem
Spitznamen Tahn Chin). Beim Ausbruch des Krieges in Europa hatte er
Winston Churchill seine Dienste angeboten, der ihm einen Posten in der
britischen Armee verschaffte. Jetzt half er seine jungen Landsleute auszubilden und würde ihre Entbehrungen und Gefahren teilen.
In der Zwischenzeit hatte die Radiorede von Mom Seni Pramjo in San
Francisko ein noch wichtigeres Resultat erzielt. Die BBC hatte die Rede in
den Fernen Osten weiter getragen. Pridi hörte sie. Und als er sie hörte pochten seine Gedanken und drängten auf eine Antwort. Seine neue Position als
Regent könnte genutzt werden um sich im inneren Kreis der Regierung Informationen zu verschaffen und als Deckung für private Aktivitäten. Warum dann nicht FTM innerhalb von Thailand – eine UntergrundWiderstandsbewegung gegen die Japaner?
Mit kalter Bedächtigkeit begann er mit der Organisation. Überall im Land,
von den heißen Alleen Bangkoks zu den abgelegenen Dschungeln wurden
Gruppen für Guerillaaktionen und Sabotage rekrutiert. In den Städten waren es Ladenbesitzer, Angestellte und Selbständige die sich geheim in den
Häusern der Anführer trafen, um in der Nutzung von Waffen geschult zu
werden. Und sie entwickelten eine plötzliche Begeisterung für „Picknicks“
auf dem Land, bei denen sie gedrillt wurden und üben konnten. In den Distrikten waren es die Verwaltungsbeamten und die Bauern die zu ihnen kamen. Bis zum Jahr 1942 hatte das FTM an Stärke gewonnen. Zu Beginn
83
Von den Studenten in den USA kehrten nur 18 nach Thailand zurück. Darunter zwei
Söhne Phibuns. (Quelle Free Thai Committee, „Recent Developments in Thailand,“ 27.
Nov. 1942 (mimeo), 22; Chintana, „Seri Thai nai Amerika“ in Khana ed., Songkhram
khrang samkhan nai sawai krung Rattanakosin, 118-20; Seni, “Kwam samphan rawang
Thai kap Amerika rawang songkhram lok khrang thi song,” 177-78; u.a. zitiert in E.
Bruce Reynolds, “Thailand’s Secret War: OSS, SOE and the Free Thai Underground
During World War II (Cambridge Military Histories), Cambridge 2005, S.23)
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des Jahres 1943 kamen höhere Offiziere der Marine, die sich selbst von der
von der Politik beherrschten Armee fern gehalten hatten, und übten auch
mit ihnen. Schließlich waren es ca. sechzigtausend Männer, aber bis dahin
fehlte es ihnen an Waffen. Jeder von ihnen legte sein Leben in seine Hand
indem sie beitraten, aber keiner wagte mehr als Pridi, das Herz und die Seele der Bewegung.
Wenn auch FM Pibul nichts von der geheimen Organisation wusste, so war
ihm doch seine sinkende Popularität bewusst. An einem bestimmten Punkt
hatte er, um seine Position zu sichern, sogar geplant, sich selbst zum König
zu machen – war nicht auch der erste Chakri ein General gewesen? Aber
die Japaner, ehrfurchtsvoll in ihrem Monarchismus, brachten ihn davon
ab.84 Also zog er sich auf verschiedene Schachzüge aus Druck und Betrug
zurück. Im Februar 1943, als er versuchte, die Nationalversammlung zu
einer vollständig ernannten Organisation zu machen, versuchte er den Regenten Aditya zu nötigen, aber dieses Mal lief Aditya weg und hin zu der
offiziellen Residenz seines Co-Regenten Pridi, auf den Inseln des Menam,
in der Nähe der Hochschule für Recht (UMPS) und des Grand Palace. Die
Freunde von Pridis FTM in der Marine kontrollierten den Fluss und setzten
Marinesoldaten am Ufer ab, um den Zugang von Land zu schützen. So hinderten sie FM Pibul daran, die Angelegenheit zu einer blutigen Entscheidung zu bringen. Die Episode dauerte kaum mehr als ein Wochenende aber
es hatte ein wichtiges Ergebnis. Unter den Marineoffizieren die nun Pridi
zum ersten Mal trafen war ein gewisser Leutnant Vacharachai (pr. Watcher-er-chy) Einige Monate später wurden er Pridis ADC85 und in dieser
Funktion wurde er vom Schicksal hart getroffen, weil zwischen ihm und
der Tötung von Ananda eine Verbindung hergestellt wurde, die kaum in der
atemlosen Dringlichkeit der Angelegenheiten des FTM erahnt werden
konnten. Als Ergebnis von FM Pibuls letztem Zug fühlte Pridi den richtigen Moment gekommen um das FTM in Aktion zu setzen, wenn er die
Bewegung nur mit Waffen versorgen könnte.
84
Der Verdacht war des Öfteren geäußert worden, jedoch gibt es bisher keine eindeutige Zeugenaussage oder Beweis darüber.
85
Aide de Camp. (Persönlicher Adjudant, er Begriff ist seit dem 16. Jahrhundert im Französischen
belegt. Die Rolle eines (oder einer) Aide-de-camp wird meist durch jüngere Personen ausgeübt,
die sich durch besondere Auszeichnung für diesen Ehrenposten verdient gemacht haben. Sie haben
eine bedeutende Vertrauensstellung inne. Die Aufgaben des Aide-de-camp bestehen darin, als
Verbindungsglied zwischen seinem Vorgesetzten und den weiteren Teilen der Befehlskette zu
dienen. Daneben achtet der Aide-de-camp auf die Wahrung des Protokolls. Er unterstützt generell
seinen Vorgesetzten mit Rat und Beistand und nimmt sich seines Wohlbefindens an, z. B. durch
die Bereitstellung von Getränken oder Sitzgelegenheiten. (Quelle Wikipedia, Juli 2007)
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