A.3.1.1 Zuwanderung zu US-Staatsbürgern: absolu
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A.3.1.1 Zuwanderung zu US-Staatsbürgern: absolu
FAMILIENMIGRATION Die in Deutschland unbekannte Quotierung für bestimmte Gruppen von Nachziehenden ist in den USA seit Langem als Steuerungsinstrument etabliert. Im Gegenzug fehlt hier die in Deutschland und einigen anderen europäischen Einwanderungsländern bekannte Voraussetzung, dass die Bezugsperson ausreichenden Wohnraum und der zuziehende Ehegatte einfache Sprachkenntnisse nachweisen muss. A.3.1.1 Zuwanderung zu US-Staatsbürgern: absoluter Vorrang der Kernfamilie Immediate Relatives, also unmittelbare Verwandte von US-Staatsbürgern, haben Vorrang vor allen anderen Zuwanderern, die auf der Grundlage familiärer Beziehungen eine Green Card und damit ein Daueraufenthaltsrecht erhalten können. Für sie gibt es keinerlei Quotierung, und sie können prinzipiell sofort zuziehen. Zu dieser Kategorie zählen Ehepartner,61 unverheiratete Kinder (unter 21 Jahren)62 und auch die Eltern (sofern die Bezugsperson älter als 21 Jahre ist), was in europäischen Einwanderungsländern eher nicht der Fall ist. Darüber hinaus gibt es in den USA die Kategorie der Other Close Family Members, der weiteren engen Verwandten; dazu gehören unverheiratete und verheiratete Kinder ab 21 Jahren sowie Geschwister. Diese Personen können ebenfalls den Familiennachzug zu einem US-Bürger beantragen. Weitere (entferntere) Verwandte wie z. B. die Großeltern sind jedoch von der Familienzusammenführung ausgeschlossen. Bei den weiteren engen Verwandten sind die Visa zum Zweck der Familienzusammenführung quotiert. Hier gibt es sog. Vorzugskategorien (Preferences) mit unterschiedlichen Wartezeiten.63 Dabei gilt: Je höher die Vorzugskategorie, desto kürzer die Wartezeit. Erste Präferenz (First Preference, ‚F1‘) haben unverheiratete Kinder ab 21 Jahren.64 Sie sind zwar schlechter gestellt als ihre jüngeren Geschwister, die als unmittelbare Verwandte gelten und daher bei der Familienzusammenführung absoluten Vorrang haben, ihre Präferenzkategorie ist jedoch höher als die von verheirateten Kindern ab 21 Jahren (Third Preference, ‚F3‘).65 Diese wiederum haben eine höhere Präferenz als Geschwister (Fourth Preference, ‚F4‘), für die ein Antrag auf Familienzusammenführung zudem erst gestellt werden kann, wenn die Bezugsperson 21 Jahre oder älter ist. Die jährlichen Einwanderungsquoten und die daraus resultierenden Wartezeiten können dem monatlich veröffentlichten Visa Bulletin entnommen werden; die Wartezeit wird nach dem Datum der Antragstellung ermittelt (Tab. A.3).66 Aufgrund der Quoten besteht derzeit ein Rückstau von über vier Millionen Visaanträgen. Insofern ist der Bereich des Familiennachzugs ein wesentlicher Grund dafür, dass das Zuwanderungssystem in den USA allgemein als „broken immigration system“ wahrgenommen wird (Thym 2014b: 15).67 Die grundsätzlich größere Offenheit der USA gegenüber Familienmigranten, die sich im weiter gefassten Familienbegriff und den geringeren materiellen Anforderungen manifestiert, wird durch diese Wartezeiten erheblich relativiert. Vor allem die Möglichkeit, dass Verwandte jenseits der Kernfamilie nachziehen (die in europäischen Einwanderungsländern nicht besteht), wird durch Wartezeiten von einer Dekade und mehr zumindest teilweise entwertet. Denn es ist davon auszugehen, dass sich in dieser langen Wartezeit die Lebensperspektiven der zuzugswilligen Personen ändern, etwa durch eine mittlerweile abgeschlossene Berufsausbildung, durch Berufseinstieg oder Familiengründung, und dadurch ihr Zuzugswunsch möglicherweise gar nicht mehr besteht.68 Es gibt einen weiteren grundlegenden Unterschied zwischen Deutschland und den USA, auch wenn dieser zunächst nur eine kleine Gruppe betrifft, nämlich die Möglichkeiten des Zuzugs zu minderjährigen Kindern: Nach Deutschland dürfen im Rahmen der Familienzusammenführung grundsätzlich nur Ehegatten bzw. Lebenspartner und minderjährige ledige Kinder zuwandern. Ausnahmsweise dürfen Ausländer aber zur Ausübung der Personensorge zuziehen, wenn ihre in Deutschland 61 Voraussetzung ist, dass die Ehe rechtskräftig ist und dass es sich nicht um eine sog. Scheinehe handelt. Auch in Deutschland besteht kein Recht auf Familienzusammenführung, wenn es sich um eine sog. Schein- oder Zwangsehe handelt (Art. 27 Abs. 1a AufenthG). 62 Dies gilt auch für Stiefkinder, wenn die Ehepartner vor dem 18. Geburtstag des Stiefkindes geheiratet haben, und für adoptierte Kinder, wenn diese vor ihrem 16. Lebensjahr adoptiert wurden, schon mindestens zwei Jahre bei den Eltern wohnen und diese seit mindestens zwei Jahren das Sorgerecht für sie haben. 63 Über die Regelungen für enge und weitere Familienangehörige hinaus können nichtamerikanische Verlobte eines Amerikaners zudem ein Visum für 90 Tage erhalten, um in den USA zu heiraten (Fiancé(e) Visa, K-1). Im Anschluss an die Heirat können sie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Voraussetzung für die Erteilung des Visums ist, dass beide Partner heiraten dürfen bzw. vorherige Ehen rechtmäßig aufgelöst sind. Zudem müssen sich die beiden innerhalb der letzten zwei Jahre mindestens einmal gesehen haben. Für gleichgeschlechtliche Partner und Verlobte gelten nach einem Urteil des Supreme Court vom Juni 2013 die gleichen Regeln wie für Ehegatten und Verlobte (Supreme Court of the United States, US v. Windsor et al., No. 12-307, 26.06.2013). Darüber hinaus können Ehepartner und Kinder von US-Bürgern mit einem sog. K-Visum in den USA darauf warten, dass ihr Green-Card-Antrag bearbeitet wird. Ehepartner von US-Bürgern erhalten dafür ein K-3-Visum, ihre Kinder ein K-4-Visum. 64 Auch unverheiratete adoptierte Kinder und Stiefkinder über 21 Jahre können unter bestimmten Voraussetzungen in die Kategorie ‚F1‘ fallen. 65 Die Ehepartner verheirateter Kinder von US-Bürgern erhalten dann ebenfalls eine Green Card. 66 Vgl. http://travel.state.gov/content/visas/english/law-and-policy/bulletin/2015/visa-bulletin-for-december-2014.html, 23.01.2015. 67 Vgl. auch http://www.whitehouse.gov/issues/immigration, 23.01.2015. 68 Es gibt offenbar keine Statistik darüber, wie viele der Wartenden ihr Visum auch annehmen, wenn sie an die Reihe kommen. 54 Jahresgutachten 2015