„2014 Will Be The Year“.

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„2014 Will Be The Year“.
„2014 Will Be The Year“
Gender-Inszenierungen in aktuellen HipHop-Produktionen
Wissenschaftliche Arbeit im Fach Musikwissenschaft zur Erlangung des 1. Staatsexamens
Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen
Eingereicht von:
Quaas, David
geb. am 29.09.1985
Hochschule für Musik und Tanz Köln
Fachbereich 5
Gutachter
Prof. Dr. Michael Rappe
Prof. Dr. Jürgen Terhag
Köln, Mai 2014
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
2 Performativität, gender und queer
3
3 HipHop und gender
7
3.1
kurzer Einblick in die Entstehungsgeschichte von HipHop
8
3.2
Entstehung patriarchalischer Strukturen im HipHop
9
3.3
Derzeitige Situation
13
4 Femcess: Angel Haze – New York
17
4.1
Biographie Angel Haze
18
4.2
Angel Haze' Skills (und Begriffsklärung)
21
4.2.1
inhaltliche Skills (und Begriffsklärung)
21
4.2.2
Flow-technische Skills (und Begriffsklärung)
32
4.3
Authentizität und Stimme (und Begriffsklärung)
38
4.4
Visuelle Inszenierung im Videoclip
43
5 Queer Rap: Cakes Da Killa – Goodie Goodies
46
5.1
Biographie Cakes Da Killa
46
5.2
Cakes Da Killas Skills
47
5.2.1
inhaltliche Skills
47
5.2.2
Flow-technische Skills
57
5.3
Authentizität und Stimme
60
5.4
Visuelle Inszenierung im Videoclip
61
6 Ausblick
62
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
1
1. Einleitung
„Step out the crib / bi as a bitch /
dusty ass bitches be eyeing my shit /
you fucking consumers can dine on my clit!“
- Angel Haze „No Bueno“
Am 28. November 2013 wagte das online-Magazin PolicyMic einen Blick in die Zukunft
und veröffentlichte den von Musikjournalist Tom Barnes geschriebenen Artikel „2014
will be the year of the female rapper“. 1 Bornes stellte darin fest, dass im kommenden,
diesem, Jahr nicht nur Lauryn Hills Comeback nach ihrem Gefängnisaufenthalt in Form
von einem über Sony veröffentlichten Album ansteht. Drei weitere Rapperinnen
veröffentlichen 2014 ihre (Debut!-) Alben über Majorlabels: Azealia Banks, Iggy Azalea
und Angel Haze. Eventuell komme sogar noch das langerwartete Album von Missy
Elliot hinzu und auch Nicki Minaj kündigte an, mit einer Veröffentlichung zu ihren „hip
hop roots“ zurückkehren zu wollen. Was ist an diesen Veröffentlichungen so
außergewöhnlich, dass man ein ganzes Jahr unter ihre Zeichen stellen sollte? Zwei
Wochen zuvor war auf salon.com ein Artikel von Nico Lang mit dem Titel „10 queer
rappers you should be listening to instead of Eminem“ erschienen. 2 Lang stellte darin 10
Rapper_innen vor, die Geschlechtsidentitäten jenseits von Mainstream und Stereotypen
repräsentierten. Warum erlangen Veröffentlichungen weiblicher und queerer
Künstler_innen in einem Musikgenre so große Bedeutung?
HipHop hat in den letzten Jahren eine starke Rezeption als Musikkultur, die einseitige
Geschlechterstereotype vertritt, erfahren. In vielen Veröffentlichungen über HipHop
und künstlerischen HipHop-Produkten wird Patriarchalismus 3, Misogynie4 und
Homophobie5 betont und ausgedrückt. Männliche Inszenierungen und Rollenbilder
sind im HipHop häufig eindimensional und klar definiert, genauso deren weibliche
Gegenmodelle. Tom Barnes zitiert Latoya Peterson mit den Worten, dass weibliche
Rapperinnen, Femcees, sich nur dann im HipHop durchsetzen können, wenn sie
entweder die Rolle der sexuell verfügbaren Frau oder des weiblichen thug6 einnähmen.7
1 http://www.policymic.com/articles/74975/2014-will-be-the-year-of-the-female-rapper
2 http://www.salon.com/2013/11/16/10_queer_rappers_you_should_be_listening_to_instead_of_emi
nem/
3 Herrschaft des männlichen Geschlechts über das Weibliche
4 Frauenfeindlichkeit
5 Angst, bzw. Feindlichkeit gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe
6 Thug (engl.) hier: Gangster, allerdings im Gegensatz zum Gangsta weniger vermögend und einflussreich
und stärker mit Armut und Straßenkämpfen verbunden
7 Latoya Peterson: „'[W]hen a femcee is not performing the role of the sexually available coquette nor
the female thug, her power and agency are non-existent.'”,
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
2
Gerade im mainstream-HipHop,8 in dem trotz weltweitem kommerziellem Erfolg Frauen
schon immer eine extrem unterrepräsentierte Rolle gespielt hatten, und der sie in den
meisten Fällen als passive, verfügbare Ware darstellte, sei es für Frauen notwendig, diese
Rollenklischees zu erfüllen, um kommerziellen Erfolg zu haben, so Barnes. Und Nico
Lang stellt ähnliches für queere HipHop-Künstler_innen dar, die jeden Tag in der
Musikindustrie gegen Vorurteile und Stereotype zu kämpfen hätten. 9 Er spricht von
Künstler_innen wie den homosexuellen Le1f, Zebra Katz, Mykki Blanco, Cakes Da
Killa und der pansexuellen 10 Angel Haze. Die (gender-) Inszenierungen, die sich bei der
Entstehung von HipHop entwickelten, bzw. aufgegriffen wurden, schafften also eine
Realität, d.h. sie waren performativ. Diese performativ geschaffene Realität führte dazu,
dass Künstler_innen sich aus Verwertungsdruck dazu gezwungen sahen, bereits
bekannten Inszenierungen zu entsprechen.
Doch die 2014 mit ihren Debutalben auftretenden Rapper_innen Angel Haze und
Cakes Da Killa brechen mit diesen Klischees und tradierten Inszenierungen. Sie
machen ihr eigenes, neues Ding und Barnes wittert ein Wiedererwecken des wahren
„hip hop rebel spirit“. HipHop ist inzwischen fast 40 Jahre alt und kommt langsam in
die Jahre. Seine urbanen Geschichten, die davon handeln, durch die Kultur aus dem
Schwarzen Ghetto in den Reichtum und die Welt der Weißen vorzudringen, sind laut
Barnes armselig und standardisiert geworden. Schon längst hat HipHop Millionäre
gemacht, schon längst ist er an der „very forefront of pop culture“ 11 angekommen.
Diejenigen, die jetzt seine Geschichten erzählen könnten, sind die, die HipHop gelebt
haben, aber an seiner Kommerzialisierung keinen Anteil hatten, ja durch den Erfolg
HipHops sogar noch stärker in den Hintergrund gedrängt wurden: Femcees und Queer
Rapper.
Angel Haze und Cakes Da Killa vermitteln in ihren Singles „New York“ und „Goodie
Goodies“ ein neues feministisch-queeres Selbstbewusstsein innerhalb der HipHopKultur. Sie haben sich an vielen Stellen von bestehenden Stereotypen gelöst, bzw. sie
nicht eingelöst und haben damit erstaunlicherweise großen Erfolg in der Szene. Und
http://www.policymic.com/articles/74975/2014-will-be-the-year-of-the-female-rapper
8 Mainstream-HipHop meint hier den massenmedial und kommerziell erfolgreichen HipHop-Sektor
9 Nico Lang: „queer hip-hop artists, (...) battling prejudices and challenging stereotypes in the music
industry every day.“,
http://www.salon.com/2013/11/16/10_queer_rappers_you_should_be_listening_to_instead_of_emi
nem/
10 Diesen Begriff „Pansexualität“ werde ich im Verlauf der Arbeit noch erläutern
11 http://www.policymic.com/articles/74975/2014-will-be-the-year-of-the-female-rapper
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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das, wie ich darstellen werde, mit gutem Grund: sie sind „super-talented“ (Lang).
Im Verlauf der Arbeit werde ich erst die Grundbegriffe Performativität, gender und queer
erläutern. Anschließend werde ich einen Einblick in die Entstehung der HipHop-Kultur
und vor allem der randgruppenfeindlichen, und patriarchalischen Tendenzen in ihr
geben und daraufhin die derzeitige Situation betrachten.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der anschließenden close reading12-Analyse von
Angel Haze' „New York“ und Cakes Da Killas „Goodie Goodies“ und auf diese bezieht
sich dann auch die dieser Arbeit zu Grunde liegende Kernfrage:
Wie findet die Inszenierung der Femcee Angel Haze und des queeren Rappers Cakes
Da Killa als HipHop-Künstler_innen statt, und welche qualitativen Aussagen können
darüber getroffen werden? Dabei werde ich zunächst die Aussage Nico Langs über ihr
großes Talent hinterfragen und zwar mit Hilfe einer Untersuchung ihrer Skills
(inhaltlich und flow-technisch). Anschließend betrachte ich ihre Inszenierung auf
Authentizität, sowohl in ihrer Musik als auch in der Visualität.
2. Performativität, gender und queer
Die vorliegende Arbeit stützt sich auf den Begriff des Performativen, nach John L.
Austin und Judith Butler. Austin hatte diesen Terminus bereits 1955 in seiner HarvardVorlesung „How to do things with words“ eingeführt. 13 In seinem Verständnis bezieht
sich performativ auf Sprechakte, die Realitäten erschaffen. Demnach ist beispielsweise
der Satz „Ich erkläre Sie hiermit zu Mann und Frau“ aus dem Mund eines für die
Hochzeit verantwortlichen Pfarrers unmittelbar nach der Ringübergabe in der Kirche
performativ, da er die Realität erschafft, dass die beiden vor ihm stehenden Menschen
nun vor der Kirche verheiratet sind. Ebenso der Satz „Ich taufe dich auf den Namen
Michael Jordan“ des verantwortlichen Pfarrers in einem Taufgottesdienst, bei Vollzug
der Taufe eines Menschen. Ein weiteres Beispiel für einen derartigen performativen
Sprechakt wäre eine Urteilsverkündung eines Richters gegenüber einer angeklagten
Person, der auch im Falle deren Nicht-Anwesenheit gültig wäre. Allerdings müssen für
diesen Fall des performativen Sprechaktes mehrere Bedingungen erfüllt sein. So muss
die Situation eindeutig und ihr Fortgang zu erwarten gewesen sein und vor allem muss
die Person, die die performative Sprechhandlung ausführt, von einem vor der
12 Einer detaillierten, qualitativen Analyse. http://en.wikipedia.org/wiki/Close_reading
13 Fischer-Lichte 2004, S. 31
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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Gesellschaft gültigen Amt für diesen die Legitimation erteilt bekommen haben.
Ich folge jedoch dem erweiterten Verständnis Judith Butlers von Performativität, welches
sie 1988 in ihrem Aufsatz „Performative Acts and Gender Constitution: An Essay in
Phenomology and Feminist Theory“ darstellte. Nach ihr ist Sprache „ein Name für
unser Tun, d.h. zugleich das, was wir tun [...] und das, was wir bewirken; also die
Handlungen und ihre Folgen.“ 14 Demnach ist jeder Sprechakt eine performative
Handlung. Ich bin Judith Butlers Meinung, dass durch Diskurse Realitäten geschaffen
werden. Realitäten sind in meinen Augen nicht von der Natur vorgegeben und von
ewiger Dauer, noch nicht einmal im selben Zeitpunkt auf allen Punkten der Erde gleich.
Vielmehr werden sie durch die Personen einer Glaubens- und Realitäts-Gesellschaft
definiert, die sich auf bestimmte Realitäten geeinigt hat, um das „Reale“ zu bändigen
und in „Schubladen“ und Kategorien zu vereinfachen. Ich denke, dass eine, unsere,
Gesellschaft sich beispielsweise auch darauf geeinigt hat, dass ein Ball rund ist, dass
rechts nicht gleich links ist und dass ich nicht du bin. Auch, dass Gespenster nicht
existieren, da wir sie nicht sehen können, Gerüche beispielsweise jedoch schon. In der
Geschichte der Menschheit existierten und existieren Gesellschaften, die diese und
andere „Realitäten“ ganz anders gedeutet und gewichtet haben, so ist beispielsweise in
vielen Lateinamerikanischen Kulturen die Überzeugung, dass Geister existieren
selbstverständlich.
Diesem Verständnis folgend gehe ich mit Butler davon aus, dass auch Identitäten erst
durch den Diskurs entstehen. Der Diskurs ist also, wie Butler zitiert wird, „Quelle des
Ichs und seiner Identität“15. Allerdings definiert der Diskurs damit auch die
Koordinaten, in denen Identität überhaupt erst stattfinden kann, und er konstruiert
diese immer innerhalb einer Dichotomie. 16 Gut ist die Abwesenheit von böse, Schlauheit
die Abwesenheit von Dummheit. Auch Geschlechtsidentitäten sind so konstruiert, dass
die Frau sich durch den Gegensatz zum Mann definiert und nach Stefanie Monrath
nimmt auch das Subjekt selbst seine eigene (Geschlechts-) Identität so wahr. 17 Durch
Vorbilder und gesellschaftlich-historische Interpretationsvorschläge werden innerhalb
dieser Dichotomien Realitäten geschaffen. Allerdings sind diese „Realitäten“ eben
solche wie die, von denen ich im Vorfeld gesprochen habe.
14 Butler 1998, zitiert bei Monrath 2001, S. 21, Z. 18-21
15 Butler 1991, zitiert bei Monrath 2001, S. 22, Z. 24/25
16 Monrath 2001, S. 22, Dichotomie: Definition eines Sachverhaltes durch zwei einander
entgegengesetzte / komplementäre Bereiche
17 Monrath 2001, S. 23
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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Die hier präsentierten Überlegungen über Realität lassen sich endlos weiter denken, von
Realitäten in Form von moralischen Grundsätzen über jene physikalischer Gesetze bis
hin zum menschlichen Körper selbst. Diesen letzten Schritt vollzieht auch Judith Butler
in ihrer Definition des performativen Aktes. Sie wird bei Fischer-Lichte damit zitiert,
dass der Körper nicht einfach ist, sondern dass man seinen Körper macht, in dem
Sinne, dass der Körper als kulturelles Objekt durch Imitation, Wiederholungen und
Realitäten erst in seiner Form als Körper gemacht wird – genau wie jede andere
performative Identitätshandlung nur dadurch kohärent wird, dass sie eine dauerhafte
Ausführung erfährt.18 Butler benennt nach Erika Fischer-Lichte performative Akte als
„non-referential“, da sie sich nicht auf etwas „Vorgegebenes, Inneres, eine Substanz
oder gar ein Wesen (...), das sie ausdrücken sollen“ 19 bezögen. Fischer-Lichte betont
hierbei, dass diesem Performativen das Expressive diametral entgegengesetzt steht, was
für die späteren Betrachtungen zur Authentizität im HipHop wichtig werden wird. Es ist
also keinesfalls so, dass beispielsweise die Geschlechtsidentitäts-Interpretationen von
„männlich“ und „weiblich“, die nach Butler aus performativen Akten entstehen, aus
einer inneren Notwendigkeit heraus einander entgegengesetzte Stellungen einnehmen.
Die Möglichkeiten die nun jede einzelne Person zur Interpretation der körperlichen
Realität, also dem Prozess der Verkörperung hat, sind laut Butler weder gänzlich
unbegrenzt noch gänzlich vorgegeben. Eine Gesellschaft habe zwar die Möglichkeit zur
Sanktionierung bei einem Verstoß (beispielsweise schlechte Aussichten auf
Führungspositionen für transvestiv lebende Menschen), kann diesen jedoch nicht
komplett verhindern. Der Einfluss, den eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe dabei
auf die Person ausübt kann relativ schwach sein (zum Beispiel im Fall besonders
libertärer politischer Gruppen) oder er kann recht stark sein – wie es bis dato in der
patriarchalisch geprägten HipHop-Szene der Fall ist, worauf ich später genauer
eingehen werde. Bei allen performativen Möglichkeiten herrscht allerdings ein gewisser
Zwang zur Stellungnahme: eine nicht-performative Handlung in Bezug auf den eigenen
Körper zu vollziehen ist unmöglich. Butler vergleicht dies mit der Aufführung eines
Theaterstücks. Ein Text ist vorgegeben und bestimmte Interpretationsvorschläge sind
gegebenenfalls ebenso vorhanden, die letztendliche Interpretation obliegt allerdings
dem/der Ausführenden. Damit bleibt der einzelnen Person die Möglichkeit, dichotome
18 Interessant wird hierbei die Verbindung von Butler, die mit Bezug auf den Philosophen Maurice
Merleau-Ponty den Körper als Repertoire von Möglichkeiten zur Herstellung von Identität begreift
und dem Verständnis von Armut als Entzug von Möglichkeiten, das der indische Wirtschaftsprofessor
und Nobelpreisträger Amartya Sen verfolgt. Dieser Verbindung folgend stellt sich die Frage, inwiefern
eine Begrenzung der Möglichkeiten zur Identitätsbildung eine Form von erzwungener Armut darstellt.
19 Fischer-Lichte 2004, S. 37, Z. 18/19
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6
Interpretationsvorgaben zu erweitern, was für Judith Butler ausschlaggebend ist. In
ihren Augen ist die wichtigste Erkenntnis, die aus der Performativität von Geschlechtsund Identitätsrealitäten folgt die, dass die Handelnden sich deutlich machen, welche
politischen Interessen in den tradierten Interpretationsvorgaben stecken. Butler betont,
dass beispielsweise das „Feld der Geschlechter-Hierarchie und der
Zwangsheterosexualität [...] eine Überlebensstrategie in Zwangssystemen“ 20 darstellt.
Tradierte Identitätskonzepte stellen also vor allem eines dar – gewaltvollen
Systemerhalt. Betrachten wir die Umwelt nun als eine performativ konstruierte, so
bedeutet dies jedoch ebenfalls, dass es Möglichkeiten zur Veränderung dieser
dichotomen Identitätskonzepte gibt – und zwar durch die performativ handelnden
Menschen selbst. Es ist jedoch wichtig, dass derartige Veränderungen immer wieder
wiederholt und zudem von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Wer wäre also
besser für ein Aufbrechen des Zwangssystems geeignet als medial stark präsente
Künstler_innen, die zudem beim Publikum eh bereits einen von diesem selbst
inszenierten Sonderstatus besitzen. Wem hat das Publikum seit Jahrhunderten
beispielsweise Travestie zugestanden, wenn nicht den Menschen auf Bühnen?
Auch wenn der Begriff „weiblich“ nicht explizit pejorativ ist, so ist damit in der
Dichotomie „männlich-weiblich“ traditionell das dem männlichen Untergeordnete,
Weiche, Verletzliche gemeint, während mit dem „männlichen“ hingegen das dem
weiblichen Übergeordnete, Harte, Selbstbewusste verbunden wird. 21 Diese gender22Inszenierungen sind das deutlichste Beispiel für performative Sprechakte und es wird zu
zeigen sein, ob Menschen es schaffen, sich sprachlich und damit auch gedanklich davon
zu lösen. Der Begriff „queer“ hat einen explizit pejorativen Ursprung – das Oxford
English Dictionary nennt die Synonyme strange, odd, eccentric und unwell23 – und fand bald
Bedeutung in der Bezeichnung für Falschgeld. Aus dem Gegensatz zu dem geraden,
heterosexuellen und echten straight entwickelte sich anschließend die stark pejorative
Bezeichnung queer für homosexuelle Menschen. Ähnlich wie im Wort nigga jedoch, das
im HipHop aus dem Schimpfwort nigger eine positive Bezeichnung für Mitglieder der
20 Zitiert bei Monrath 2001, S. 23, Z. 22-24
21 Villa 2012, S. 72/73. Siehe außerdem männliche/weibliche Endung in der Poesie (im Sprachklang
hart endend, bzw. weich ausgleitend), männliche/weibliche Themenbezeichnung in der Symphonie
des 19. Jahrhunderts: zuerst auftretend, strahlend, forsch und häufig in Dur auf der einen Seite, später,
und nur durch den Kontrast zum ersterschienenen Thema Sinn erlangend, zurückhaltend, zart und
häufig in Moll auf der anderen Seite. (Dietrich 2009, S. 144) Siehe außerdem dazu das Textbeispiel
von Samy Deluxe im folgenden Abschnitt. Dass Geschlechterdichotomien in der Gesamtheit der
Lebewesen auf diesem Planeten teilweise auch ganz anders geartet sind, zeigt die Grafik im Anhang.
22 Der Begriff gender bezeichnet hier genau diese durch den Diskurs entstandenen und gesellschaftlich
tradierten Geschlechtsmodelle.
23 http://www.oed.com/view/Entry/156236?rskey=AXqdjK&result=2&isAdvanced=false#eid
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7
community werden ließ, begannen ab den 1990er Jahren homosexuelle Menschen den
Begriff queer untereinander füreinander zu nutzen und damit aufzuwerten. Heutzutage
wird er in der LGBT24-Szene und auch im akademischen Kontext verwendet, um (nicht
nur) sexuelle Lebensstile zu kennzeichnen, die sich außerhalb des Normalen bewegen.
Der australische Queer-Theoretiker David M. Halperin fasst unter den Begriff queer
„jede Person, die sich wegen ihrer Sexualpraktiken marginalisiert fühlt.“ 25 Und im
späteren Verlauf:
„Es gibt diese Idee, dass queer das ist, was passiert, wenn wir aus
lesbischer und schwuler Identität rausgewachsen sind, wenn wir aus
Identität rausgewachsen sind: queer zeigt an, dass Identitäten nicht
wirklich real sind, sie sind dynamisch, sie sind fließend, sie sind
provisorisch.“26
Beide von mir untersuchten Künstler_innen werden bei wikipedia unter queer hip hop
aufgelistet.27 Performative, von der Norm abweichende Lebensstile sind also beiden zu
eigen. Angel Haze hatte bereits auf dem ersten Track ihrer ersten Veröffentlichung
„Classick Mixtape“, ihrer Version von Lupe Fiascos „Bitch Bad“ dargestellt, inwiefern
sich misogyne role models28 in einer Gesellschaft durch Vorleben und performative
Sprache festsetzen.
Aus dem Genannten stellte sich mir nun die Frage, inwiefern der kreative Aspekt
performativer Identitätskonstruktion möglich ist oder inwiefern Identitäten „Zitate von
Stereotypen“29 bleiben, wie es Stefanie Monrath ausdrückt. Im Hinblick auf die von mir
untersuchten Künstler_innen interessiert mich dabei besonders, an welchen Punkten
Aspekte wie realness30 und Originalität in der Geschlechts- und Identitätskonstruktion auf
der einen Seite mit dem wirtschaftlichen Interesse und der patriarchalischen Strukturen
der populären HipHop-Szene der U.S.A. auf der anderen Seite aufeinander stoßen und
welche Wege aus dieser Kreuzung angetreten werden.
3. HipHop und gender
In der Musikwissenschaft hat die Verbindung von HipHop und gender , oder auch
24 Lesbian-Gay-Bisexual-Transsexual
25 http://web.archive.org/web/20061113051447/http://www.etuxx.com/diskussionen/foo309.php3,
Antwort auf Frage 4, Zeile 5/6
26 Ebd., Antwort auf Frage 4, Z. 25-29
27 http://en.wikipedia.org/wiki/LGBT_hip_hop
28 Role models (engl. für Rollenmodelle): meint beispielhafte Inszenierungen bestimmter Rollen, die
innerhalb einer Gruppe reproduziert werden.
29 Monrath 2001, S. 24, Z. 17
30 realness meint hier vor allem Authentizität
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
8
HipHop und Geschlechtergerechtigkeit, bereits starke Betrachtung erfahren, die
Literatur zu diesem Thema ist vielfältiger als in jedem anderen Popmusik-Genre. Die
Gründe dafür sind offensichtlich – kein anderes Musikgenre lebt so stark von
sexistischen Texten, Videos und role models wie der HipHop.31 Auf die Frage jedoch,
warum dies der Fall ist, lässt sich nicht so leicht antworten, eine mögliche Erklärung
möchte ich im Folgenden vorstellen.
3.1 kurzer Einblick in die Entstehungsgeschichte von HipHop
HipHop ist eine urbane Kultur, die Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts
entstand. Mit dem Bau des Cross Bronx Expressway, der 1959 in New York begonnen
wurde, wurde die South Bronx vom Rest New Yorks abgetrennt. Die 6-spurige
Schnellstraße, die sich nun quer durch New York zog, hatte erhebliche Auswirkungen.
So führte sie quasi über Nacht dazu, dass Weiße Mittelstandsfamilien aus den inneren
Bezirken an die nun besser erreichbaren Randbezirke New Yorks zogen. 32 Viele der
Menschen aus der South Bronx – zum Großteil afrikanisch-stämmige und Menschen
aus Puerto Rico und den West-Indischen Inseln – arbeiteten zudem in Jobs, die aus
Rationalisierungsgründen durch die einsetzende Rezession und durch Computerisierung
verschwanden und so war die Arbeitslosigkeit extrem hoch. Zudem war die
medizinische Versorgung miserabel, was dazu führte, dass in der South Bronx eine
sechsfach höhere Kindsterblichkeitsrate als im Rest New Yorks herrschte. Durch die
derartige Ghettoisierung standen viele Häuser leer, die nun nicht mehr lukrativ zu
vermieten waren. Das wiederum führte zur Technik der sog. „heissen Sanierungen“:
Hausbesitzer zündeten ihre Häuser an, um so die Versicherungsgebühr kassieren zu
können. 1975 verloren so bei 10.000 Hausbränden 13.000 Menschen ihre Obdach.
Verbunden mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen leicht über dem der
Hälfte des restlichen New Yorks lässt sich verstehen, warum Tony Silver (Regisseur des
berühmten Graffiti-Dokumentarfilms „Style Wars“) Martha Cooper (HipHopFotografin) gegenüber sagte, die South Bronx hätte an Berlin unmittelbar nach dem
Ende des 2. Weltkrieges erinnert. 33
Sie entwickelte sich immer mehr zu einem rechtsfreien Raum, in den sich noch nicht
mal die Polizei vorwagte und in dem so Straßengangs nach und nach die Herrschaft
übernahmen. Doch erstaunlicherweise wuchs auf diesem perspektivlosen und
31 Rose 2008, S. 114
32 Rappe 2010, S. 44. Man sprach darum später auch euphemistisch von den inner cities als den
„chocolate cities“ und den Randbezirken als den „vanilla suburbs“. (Rappe 2010, S. 60)
33 Tony Silver, zitiert bei Rappe 2010, S. 45, Z. 2/3
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
9
rechtsfreien Nährboden eine friedliche Jugendkultur – HipHop. Statt sich
Straßenkämpfe zu liefern, begannen Gangs ihre Kräfte in verschiedenen Formen
künstlerischer competitions34 zu messen, aus denen sich später die vier Elemente der
HipHop-Kultur (Breakdancing, DJing, MCing und Writing [Graffiti, was in den
leerstehenden Häusern problemlos möglich war]) entwickeln sollten. 35 In seinem 2013
erschienen Artikel „Masculinity and the mic: confronting the uneven geography of hiphop“ stellt Rashad Shabazz allerdings eindrucksvoll dar, welche Auswirkungen diese
Ghettoisierung auf die Entwicklung und Verstärkung sexistischer und patriarchalischer
Tendenzen im HipHop hatte. Dieses werde ich im folgenden Abschnitt untersuchen.
3.2 Entstehung patriarchalischer Strukturen im HipHop
Er argumentiert, dass die gesamte westliche Kultur auf einer hegemonialen
Männlichkeit fuße, die im HipHop nur ihre Verstärkung gefunden habe 36 (diese Position
stützt auch Tricia Rose in ihrem Buch „Hip Hop Wars“) 37, und dass dies gerade durch
den geographischen Aspekt verstärkt worden sei. In dem die Gesellschaft und Kultur
dominierenden „Weißen Mann“ 38 habe der „Schwarze Mann“ Shabazz' Einschätzung
nach schon immer Angst produziert. Die Gründe dafür reichen wohl bis in die Zeit der
Sklavenhaltung und der Figur des Nat Turner zurück, einem Sklaven, der um 1830
einen brutalen Aufstand gegen die Weißen Sklavenhalter anzettelte und sich im
kollektiven Bewusstsein des jungen Weißen Amerika festsetzte. Schwarze Männer seien
seitdem generell als gewalttätiger und krimineller betrachtet worden, was eine
Regulierung ihres Einflussbereiches in finanzieller, kultureller und nicht zuletzt
geographischer Hinsicht durch den Weißen Mann erfordert habe. Das wiederum habe
dazu geführt, dass in den USA der heutigen Zeit Weiße Männer unbegrenzte öffentliche
Bewegungsräume haben, Schwarze Männer jedoch jeder Illusion auf „räumliche
34 In jedem der folgenden vorgestellten Elemente des HipHop existiert eine Form des Wettbewerbs. Im
improvisierten Rappen (freestyle-battle), improvisierten breakdancing, im crossen (Übermalen) gegnerischer
Graffitis oder – vor allem seit dem Entstehen der scratch-Technik – im DJ-Battle.
35 Das war natürlich teilweise auch nur auf Grund der bestehenden Verhältnisse möglich – so konnte ein
Graffitikünstler leerstehende Häuser bemalen, ohne dass die Polizei ihn davon abhielt. (Rappe 2010,
S. 45)
36 Shabazz 2013, S. 370
37 Rose 2008, S. 151 f.
38 Den vorhergegangenen Abschnitt über das Performative der Sprache im Hinterkopf habend, hatte ich
beim Schreiben des Folgenden Probleme mit der Bezeichnung „schwarz“ und „weiß“ für Hautfarben
und Ethnienzugehörigkeit, da beide Worte traditionell mit der Dichotomie „unangenehm“ und
„angenehm“ verbunden werden. Nachdem Alternativen wie „europäisch“ und „afroamerikanisch“
jedoch nicht zufriedenstellend waren, blieb ich bei dieser Bezeichnung auf Grund der in der USamerikanischen HipHop-Szene genutzten Bezeichnungen „black“ und „white“. Allerdings schreibe
ich sie in dem Versuch, eine von den o.g. Konnotationen unabhängige, neue zu schaffen groß.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
10
Bevollmächtigung“ beraubt worden seien. 39 Historisch gesehen sei der öffentliche Raum
als Reservat der Weißen Männlichkeit charakterisiert worden, dem Schwarzen Mann sei
so also deutlich gemacht worden, dass er sich außerhalb der „männlichen“ Sphäre
befinde.40 Shabazz greift John Locke's philosophische These auf, dass Raum bereits vor
unser Erkenntnis seiner existiere und nur die Fähigkeit des Körpers, sich durch den
Raum zu bewegen diesen für uns erfahrbar mache. Locke's Darstellungen, die den
öffentlichen, Weißen Raum als erstrebenswert definieren – und damit den implizierten
nicht-Weißen Raum als nicht erstrebenswert – zeigen die geographischen Komponenten
rassistischer politischer Einflussnahme auf. Da Körper nach Locke den Raum
definieren, ist die Zugehörigkeit zu einem Raum Teil der Identität. Sobald sich ein
Schwarzer Mann außerhalb des ihm zugehörigen Raumes bewege, sei er „out of
place“.41 Die performative Konstruktion Schwarzer Männer als gewalttätig und
gefährlich führte also zu einer ungleichen Machtrelation, die sich nach Shabazz in der
räumlichen Einschränkung Schwarzer Männlichkeit zeigt.42 Aus diesem Grund ist der
Kampf gegen das Weiße Patriarchat grundlegend für die Konstruktion Schwarzer
Männlichkeit und dies führte wiederum dazu, dass hegemoniale Männlichkeit in der
Schwarzen Kultur einen so starken Zuspruch erfuhr. In diesem Drang nach Präsenz im
öffentlichen Raum entstand HipHop, eine urbane Kultur, die im öffentlichen Raum
kultiviert wird. Durch HipHop konnte der Raum nun in vier Richtungen erfahrbar
werden, die kongruent zu den vier Elementen der HipHop-Kultur sind: akustisch
(DJing), ästhetisch (Graffiti), sprachlich (MCing) und körperlich (Breakdancing). Nicht
Schulen, Studios oder Wohnzimmer, sondern Parks und Straßen wurden Orte, um die
Kunst zu üben, um auf sich aufmerksam zu machen und um den öffentlichen Raum
von dem Weißen Patriarchat, das von der Polizei dargestellt wurde, zurück zu erobern,
was bis in die heutige Zeit reicht. Nicht nur innerhalb des Ghettos bemächtigte sich die
neu entstehende Kultur des Raumes. Durch das train-bombing43 fuhren auf den Schienen
bald durch die gesamte Stadt die bunten, unkonventionellen und vor allem illegalen
pieces44 und tags45 der Untergrundkünstler. Der ehemals nicht erstrebenswerte Raum des
39
40
41
42
43
Wilkins 2007, S. 21 zitiert bei: Shabazz 2013, S. 371, Z. 30
Shabazz 2013, S. 371
Shabazz 2013, S. 382, Z. 9
Shabazz 2013, S. 371 f.
train-bombing (engl.) bezeichnet das heimliche bemalen / besprayen eines öffentlichen Zuges. Wenn
dieser Zug dann durch die Stadt fährt, ist das Graffito überall zu sehen.
44 Pieces (engl.): farbenreiches, elaboriertes Graffiti, häufig den eigenen Namen oder den der crew
(Gruppe) beinhaltend.
45 Tags (engl.): einfachere Schriftzüge, teilweise eindimensional oder nur mit dem Filzstift angefertigt.
Ermöglicht vielfaches, schnelles bomben (vollsprühen, bemalen). Ebenfalls häufig der eigene Name oder
der der crew.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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Ghettos ist so durch, wie Shabazz es nennt, „feierliche Heterotopie“ 46 nach und nach für
die Ausübenden zu einem wohnlichen, positiven Ort geworden.
Die Antwort, die Frauen auf die Position als Aussenseiter innerhalb der Gruppe fanden,
war nach Shabazz die Schöpfung ihrer eigenen Freiräume, innerhalb derer sie kreative
Gegenentwürfe produzierten und ihre eigene Sichtweise auf Rassismus, Sexismus und
wirtschaftliche Machtlosigkeit bildeten oder einfach nur Hauspartys, Straßen und Parks
rockten.47 Auch Tricia Rose unterstützt diese Position: „Females were always into rap,
and females always had their little crews and were always known for rockin' house
parties and streets or whatever, school yards, the corner, the park, whatever it was.“ 48 Die
große Leistung, die die HipHop-Kultur in diesem Zusammenhang erbrachte ist, dass sie
den „Schwarzen“ Raum, der sogar von den Schwarzen selbst als nicht-erstrebenswert
wahrgenommen wurde, in einen kreativen, arbeitsintensiven und gemeinschaftlichen
verwandelte, einen erstrebenswerten Raum, in dem Schwarz-sein nicht mehr als „out of
place“ wahrgenommen wurde.49 Für die Zeit, in der der Washington Square Park von
der „Lyricist Lounge“ besetzt wurde, bestimmten Schwarze, was dort normal war,
solange bis die Polizei dagegen vorging. 50 Allerdings schafften sie es nicht, mit dieser
Einheit die Weiße, patriarchische Hegemonie zu überwinden, sondern integrierten sie in
die entstehende Kultur. Neben dem notwendig aggressiven Auftreten Schwarzer
Männer im Zuge der Überwindung räumlicher Grenzen des Weißen Mannes ist in
meinen Augen auch die Sichtweise des Weißen Mannes auf die Schwarze Frau dafür als
Grund heranzuziehen. Über afroamerikanische weibliche Stereotypen ist an vielen
Orten bereits ausführlich berichtet worden, 51 darum möchte ich diesen Bereich nur kurz
anreissen. Wie wir nicht zuletzt an der Vielzahl großer Hollywood-Produktionen der
letzten Jahre mit dem Thema sehen („DJANGO“, „12 Years A Slave“), hat die Sklaverei
weiterhin einen enorm hohen Stellenwert im US-amerikanischen Bewusstsein. Auch die
vier großen stereotypen afroamerikanischen Frauenbilder, die in vielen massenmedialen
Populärkulturproduktionen auftreten entstammen dieser Zeit: Jezebel (die sexhungrige
und dauerhaft willige Frau), Sapphire (die aggressive, streitsüchtige Angry Black Woman),
Tragic Mulatto (die im Spannungsfeld zwischen Weiß und Schwarz stehende Sklavin) und
Mammy (die füllige Mutter, deren größte Erfüllung es ist, der Familie zu dienen). 52 Nach
46
47
48
49
50
51
52
Shabazz 2013, S. 374, Z. 14/15
Rose 1994, S. 146
Rose 1994, S. 154, zitiert bei Shabazz 2013, S. 375, Z. 34-36
Shabazz 2013, S. 376
Shabazz 2013, S. 375
u.A. zu finden bei Siemoneit 2010 S. 24 ff., Rappe 2010 S. 74 ff., Pilgrim 2009
diese sehr groben Darstellungen finden sich detaillierter bei Siemoneit 2010, S. 27 ff. und Rappe 2010,
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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Alexandra Siemoneit und Esther Donkor hatten Sklavinnen vor allem drei Nutzen für
Sklavenhändler: als Hausmädchen, als Konkubine oder als Erzeugerin weiterer Sklaven.
Unfruchtbarkeit wurde genauso unter Strafe gestellt wie sexuelle Verweigerung und
nicht selten wurde die Vergewaltigung als ein Mittel zur Demütigung nicht nur der
Frauen sondern auch der Schwarzen Männer eingesetzt. 53 Schwarze Frauen hatten also
von Anfang an eine Zwischenstellung zwischen ihrer eigenen Familie und der der
Sklavenhalter_innen, in der sie in verschiedener Form tätig waren, und dadurch auch
zwischen der Schwarzen und der Weißen community. Zur Teilnahme an der Weißen
waren sie durch ihre Arbeit als Haushälterin, Konkubine, Kindermädchen etc.
gezwungen, wodurch sie wiederum einen schweren Stand in der Schwarzen community
hatten. Gleichzeitig war ihre Stellung in der Weißen community extrem niedrig und sie
waren Opfer von Misshandlungen und Demütigungen. Auch in der Frage, ob sie (die
Schwarzen Frauen) mehr mit Weißen Frauen oder Schwarzen Männern verband, saßen
sie zwischen den Stühlen, was dazu führte, dass seitens der Schwarzen Männer ein
feministisches Engagement Schwarzer Frauen zusätzlich als Verrat an der Schwarzen
community wahrgenommen wurde. Dieses „Dilemma“, wie Alexandra Siemoneit es
bezeichnet, ist in meinen Augen mit eine Ursache für die misogyne Attitüde in weiten
Teilen der HipHop-Kultur. Wie beschrieben, entstand HipHop im Kampf gegen den
Weißen Mann um die öffentlichen Plätze der Stadt. Da Schwarze Frauen einen Teil der
Schwarzen community darstellen und auch in der gleichen Räumlichkeit leben, wurde die
gesamte Bewegung durch die niedrige Stellung der Schwarzen Frau in der Weißen
Gesellschaft verletz- und angreifbar. 54
Passend dazu streicht Tricia Rose heraus, dass im HipHop nicht nur die offensichtliche
Form des Sexismus existiert, die Frauen als bitch (Schlampe), hoe (Hure) oder slut (Nutte)
darstellt. Parallel gebe es eine höfliche Form des Sexismus, die auf dem (Weißen) USAmerika fußt, das, wie Präsident George W. Bush es proklamierte, „ein Ideal der
Männlichkeit [verfolgt], das Frauen respektiert und Gewalt zurückweist“. 55 Rose stellt
dar, dass diese Form des Respekts eine ist, die den Mann als machtvoll und
verantwortungstragend inszeniert, die Frau im Gegensatz dazu als „schützenswert“ 56
und nicht in der Lage, für sich selbst die Verantwortung zu tragen. 57 Hier spielt natürlich
auch die klassische Geschlechteraufteilung westlicher Gesellschaften hinein, die dem
53
54
55
56
57
S. 75 ff.
Donkor, S. 36 ff.
Shabazz 2013, S. 378
George W. Bush, State of the Union Adress, 03.02.2005, zitiert bei: Rose 2008, S. 116, Z. 21/22
Rose 2008, S. 118, Z. 23
Shabazz 2013, S. 378
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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forschen, maskulinen Mann den öffentlichen Raum zuschreibt, die Frau hingegen mit
dem häuslichen Raum assoziiert.58 Die Aussage Bushs, die zudem impliziert, dass junge,
Schwarze Männer und HipHop für das gegenteilige Ideal stehen, 59 ist ein trojanisches
Pferd, da sie einer echten Geschlechtergerechtigkeit im Weg steht. Siemoneit findet diese
höfliche Form des Sexismus auch im HipHop wieder, wo durch Bezeichnungen wie
shorty (Kleines), baby (Kleinkind), oder girl (Mädchen) Kindlichkeit, Naivität und
Unselbstständigkeit impliziert wird.
Wie dargestellt, lassen sich also für beide Formen des Sexismus im HipHop – die
aggressive und die höfliche – Ursachen finden, die in Unterdrückungspraktiken des
machttragenden Weißen gegenüber dem Schwarzen US-Amerika ihren Ursprung
haben.60
3.3 Derzeitige Situation
Wie Shabazz es dargestellt hat, hat die HipHop-Kultur dafür gesorgt, dass das Leben im
Ghetto von ausschließlich negativer Konnotation positive Aspekte bekommen hat:
Zusammenhalt, neues Schwarzes Selbstbewusstsein, Kultur und Kunst. War diese
positive Konnotation anfangs noch implizit, tauchte sie in den frühen 2000er Jahren in
einer nostalgischen Form auch in HipHop-Stücken auf, wie beispielsweise in „The
Corner“ von Common oder „On My Block“ von Scarface. Auch wenn Rassismus,
Unterdrückung und Stereotypisierung Schwarzer in den USA noch allgegenwärtig
bleiben, was soziale Situationen oder auch kulturelle Events wie Oscar-Verleihungen
deutlich machen, hat es HipHop gerade mit der Glorifizierung der positiven Aspekte des
Ghettos geschafft, der Schwarzen community eine vergrößerte Öffentlichkeit und
Räumlichkeit zu geben. Doch viele Jahre führte dies nicht dazu, dass Frauen und
alternative Männlichkeits-Modelle in der HipHop-Kultur eine stärkere öffentliche
Wahrnehmung erfuhren. Shabazz führt dies mit Bezug auf Neil Smith's Theorien zum
ungleichen Kapitalismus darauf zurück, dass im Kapitalismus Kapital immer dort
investiert wird, wo bereits Kapital existiert, damit sich dieses reproduzieren kann. 61 Das
führt dazu, dass aggressiv-maskuline Stereotype, die in der kapitalistischen Öffentlichkeit
durch den Kampf um Aufmerksamkeit eben diese Aufmerksamkeit und finanziellen
Erfolg bekommen haben, im weiteren Verlauf nur noch vertieft und verstärkt werden.
Gleichzeitig erleichtert es Menschen, die dem herrschenden Männlichkeitsbild
58
59
60
61
Vgl. Shabazz 2013, S. 382, Anmerkung Nr. 12
Rose 2008, S. 118
Siemoneit 2010, S. 19; Rose 2008, S. 119; Shabazz 2013, S. 370
Shabazz 2013, S. 376
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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entsprechen den Zugang und erschwert ihn allen anderen. Es ist wie mit
Entscheidungen oder Erfindungen: ist eine bestimmte Richtung eingeschlagen worden,
sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass noch einmal eine ganz andere Richtung eingeschlagen
wird, was in den Sozialwissenschaften als Pfadabhängigkeit beschrieben wird.
Zumindest wird diese Richtung so lange verfolgt, bis sie sich erschöpft hat. Dies zieht
sich auch durch viele populäre Musikkulturen, wie beispielsweise den Jazz.
Gegenentwürfe zum herrschenden Musikstil konnten sich erst durchsetzen, nachdem
dieser eine Weile verfolgt worden war. Aus diesem Grund tauchten beispielsweise
stilistische Abfolgen wie Swing (~1930), Bebop (~1940), Cool Jazz (~1950) und Free
Jazz (~1960)62 jeweils etwa im Abstand von 10 Jahren auf, in früheren weniger
schnelllebigen Zeiten (bedingt durch geringere Mobilität, geringere Vernetzung, länger
dauernde Produktionsprozesse) wiesen musikalische Epochen (Barock, Wiener Klassik,
Romantik...) noch viel größere Abstände auf. Dies würde dafür sprechen, dass diese
Wandel heutzutage noch schneller von statten gehen. Für die HipHop-Kultur lässt sich
das im Groben bereits erkennen, mit dem stark vereinfacht weniger als 10-jährigen
Wechsel von der Old School zur New School zum Gangsta-Rap, auch wenn sich
mehrere Stile parallel an verschiedenen Orten entwickelten. In kulturellen Strömungen
lässt sich häufig eine Wellenform beobachten, innerhalb derer ein Zeitgeist als
Gegenbewegung zum unmittelbar vorher herrschenden Zeitgeist entsteht, der
gleichzeitig retro63-Elemente eines etwa eine Generation zurückliegenden Zeitgeistes
aufweist. Wie lassen sich diese Stilumbrüche erkennen? Und: erlebt HipHop gerade eine
ähnliche Entwicklung?
2000 rappt Kool Savas auf dem Track „King of Rap“: „Rap ist halbtot“. Ende 2006
veröffentlicht New Yorks HipHop-Urgestein Nas ein Album mit dem Titel „Hip Hop is
dead“. 2008 beginnt Tricia Rose ihr Buch „Hip Hop Wars“ mit den Worten: „Hip Hop
is not dead, but it is gravely ill.“. 2011 schreiben die Berliner Rapper K.I.Z. das Stück
„H.I.T.“ (HipHop Ist Tot).
Es sieht so aus, als sei nach dem „Golden Age of Hip Hop“ 64 in der Szene die
Einschätzung eingetreten, dass die Kultur sich entweder von ihren Idealen verabschiedet
62 Diese Einteilungen sind extrem vereinfacht und beziehen sich auf die jeweiligen Wikipedia-Einträge.
63 Der Begriff „Retro“ taucht in Mode-Zusammenhängen immer wieder auf, wenn Kleidungsstile einer
bestimmten Epoche erneute Beliebtheit erlangen.
64 „The Golden Age Of HipHop“ ist ein Begriff, mit dem HipHop-Kritiker_innen und -Aktivist_innen
die stilistisch vielfältige und produktive Zeit zwischen Mitte der 80er und Ende der 90er Jahre
bezeichnen, http://de.urbandictionary.com/define.php?term=Golden%20Age%20of%20Hip
%20Hop
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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habe, oder es ihr an Qualität oder neuen Einflüssen und Ideen mangele. 65 Ich habe das
Gefühl, dass im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts im HipHop ein BedeutungsVakuum entstanden ist, das mit einfachen, maskulin-misogynen Stereotypen gefüllt
wurde, die nahezu vollständig auf den Stereotypen basieren, die Tricia Rose als die
Trinität des HipHop bezeichnet: dem Gangsta, dem Pimp und der Ho.66 In dieser Trinität
existieren weder eigenständige Weiblichkeits-Modelle die über die drei genannten
Stereotype hinausreichen noch alternative Männlichkeitsbilder. Der aggressive macho67
strotzt vor (sexueller) Dominanz, der sich das Weibchen gerne unterordnet und
Homosexualität existiert, wenn überhaupt, nur als die größte Beleidigung, die nichts mit
der Mutter des Beleidigten zu tun hat.
Die Zeichen stehen jedoch bereits seit längerem auf Wandel: 2005 sagt HipHopProduzent Kanye West in einem Interview mit MTV, dass sich die negative Konnotation
des Wortes „gay“ im HipHop und in der Gesamtheit der Gesellschaft ändern muss. 68
Schon 2001 wird in Oklahoma das PeaceOUT World Homo Hop Festival ins Leben
gerufen, welches bis 2007 einmal pro Jahr stattfindet 69 und welches in dem
Dokumentarfilm „Pick Up The Mic“ aus dem Jahr 2006 thematisiert wird. Darauf
aufbauend hat sich die Organisation „Black Girls Rock!“ besser durchgesetzt. 70 Mit
Shabazz' geographischer Perspektive bildet sie einen „Freiraum“, in dem sich Mädchen
zwischen 12 und 17 Jahren zusammenfinden, um sich künstlerisch-kreativ und
selbstbewusstseinsstärkend zu betätigen. Beverly Bond hatte die Organisation 2006
gegründet, um den herrschenden Bildern von Frauen in HipHop-Videos, Magazinen
und den visuellen Medien entgegenzutreten 71 und Schwarze, feministische Energie in
Richtung einer progressiven Veränderung im HipHop zu bündeln. 72 Es gibt
verschiedene Angebote, wie die „DJ Scratch Academy“, Poesie workshops oder das
„Hitmakers' Summer Camp“, in denen Mädchen ihr persönlicher und freier Zugang
65 Dazu passend fällt in Deutschland in das Jahr 2001 die Gründung des Berliner HipHop-Labels
„Aggro Berlin“, das in den Folgejahren einen massiven kommerziellen Erfolg mit technisch recht
unversierten Rappern einfährt, die sich relativ plump an den in den 90er Jahren im US-HipHop
entstandenen misogynen Gangsta-Stereotypen orientieren. Aus dieser Zeit stammt auch die
Einführung des Echoreims ohne Mehrdeutung in den deutschen Rap, wie ihn z.B. Aggro BerlinRapper Bushido immer wieder benutzt: „Ich bin nicht irgendjemand aus irgendwoher / Ich brauch
nix machen, weil die Scheiße kommt schon irgendwoher“ (aus: „Gemein wie 10“ vom Album „Vom
Bordstein Zur Skyline“, Aggro Berlin 2003)
66 Rose 2008, S. 4
67 macho (sp. für Männchen) ursprünglich ein Begriff aus der Biologie, bezeichnet heutzutage Menschen,
die sich besonders maskulin (im tradierten Verständnis) inszenieren.
68 http://www.queer.de/detail.php?article_id=3317
69 http://en.wikipedia.org/wiki/PeaceOUT_World_Homo_Hop_Festival
70 http://www.blackgirlsrockinc.com/
71 Shabazz 2013, S. 380
72 Rose 2008, S. 128
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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zur HipHop-Kultur ermöglicht wird. 73 Shabazz nennt dies eine free-play zone, ein
Bereich, den er auch in den Anfängen der HipHop-Kultur findet. 74 Diese free-play zones
ermöglichten schon früher Frauen, ihre eigenen Perspektiven darzustellen. 75 Doch in der
früheren Zeit wurden Frauen im HipHop, wie dargestellt, von der breiten Öffentlichkeit
nur bedingt wahrgenommen. Das hat sich inzwischen geändert. Der US-amerikanische
Fernsehsender BET (Black Entertainment Television) strahlt einmal im Jahr die Black
Girls Rock! Show aus, in der verschiedene Preise vergeben werden und weibliche Stars
wie Janelle Monáe, Eve, Jean Grae oder Kelly Rowland auftreten. 76 Seit 2010 häufen
sich die Ereignisse, die dafür sprechen, dass HipHop nach und nach von seinen
eindimensionalen Männlichkeits- und Weiblichkeits-Stereotypen löst, die mit
Homophobie und Misogynie einhergehen. 2011 bringt Lil' B das Album „I'm Gay, I'm
Happy“ auf den Markt. Was erst wie ein Coming Out-erschien und großen Aufruhr
verursachte, war einerseits ein PR-Gag, andererseits ein Fingerzeig. 2012 veröffentlichte
der US-Rapper Macklemore den Song „Same Love“, auf dem er über seinen
homosexuell lebenden Onkel rappt und über dessen Hoffnung, bald seinen Freund
heiraten zu können. Das Stück wurde im Rahmen des „Referendum 74“ aufgenommen,
das die gleichgeschlechtliche Ehe in Washington legalisierte. Ebenfalls 2012
veröffentlichte der Rapper Frank Ocean sein Debutalbum „Channel Orange“ auf dem
er über seine erste Liebe schreibt – mit einem Mann. Und überraschenderweise sprang
ihm die HipHop-Szene zur Seite. Def-Jam Mitbegründer Russel Simons sprach von
einem großen Tag für den HipHop und Jay-Z äußerte sich positiv über Frank Oceans
Mut.77 Sogar 50 Cent erklärte jeden, der ein Problem mit Frank Ocean hätte zum
Idioten. Dabei hatte er noch 2004 im Interview mit dem Playboy gesagt, dass er
Schwule nicht gerne um sich habe und ein Jahr später, 2005, dass HipHop nicht für
Schwule sei.78 War Schwul-sein in der HipHop-Szene salonfähig geworden? Die LGBTSzene von HipHop ist in den letzten Jahren enorm gewachsen und vielfältig geworden. 79
Rapper wie Cakes Da Killa, Big Dipper, Le1f, JbDubs, Mykki Blanco oder Zebra Katz
stellen natürlich ganz neue Herausforderungen an die Liberalität der HipHop-Szene,
doch auch diese erfahren eine mediale und szenen-interne Aufmerksamkeit und
73
74
75
76
77
Shabazz 2013, S. 380
Rose 1994, S. 146
Shabazz 2013, S. 375
http://www.bet.com/shows/black-girls-rock.html
Hierzu und zum Folgenden: http://www.rollingstone.de/news/meldungen/article310602/frankocean-ueber-sein-coming-out-ich-wusste-dass-die-leute-fragen-stellen-wuerden.html
78 Rose 2008, S. 238
79 http://www.salon.com/2013/11/16/10_queer_rappers_you_should_be_listening_to_instead_of_emi
nem/
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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Wertschätzung wie kein(e) LGBT-Künstler_in zuvor. Und auch in der über die HipHopSzene hinausgehenden Öffentlichkeit Deutschlands lässt sich diese neue Richtung
erkennen. Texte der angesprochenen Gangsta-Rapper hatten (und tun es weiterhin) nur
so vor schwulenfeindlichen und sexistischen Texten gestrotzt und sogar Samy Deluxe
hatte im Jahr 2000 auf der sehr erfolgreichen Single „Wie Jetzt?!“ noch gerappt: „Wie
jetzt, ihr Typen habt noch immer nicht genug gekriegt!? / Eure Outfits sind lächerlich,
eure Bewegung schwuchtelig / Eure Show wirkt vom Ablauf her eher wie'n Soundcheck
/ Und obwohl 'n paar Typen rappen hört sich's an wie Frauenrap!“. Zeitgenössische
deutsche Rapper allerdings, die von Festival zu Festival touren und für einen neuen
Aufschwung des deutschen Raps gesorgt haben, vertreten andere Auffassungen. Der
Berliner Rapper Marteria antwortet 2012 im Interview mit rp-online.de auf die Frage,
ob er sich outen würde, wenn er schwul wäre: „Absolut. Frank Ocean hat es in Amerika
ja gerade gemacht. Jeder Rapper, der sich outet, hat den absoluten Segen von mir.“ 80
Und Rapper Casper, dem selbst immer wieder vorgeworfen wird, schwul zu sein – unter
Anderem von Gangsta-Rapper Bushido – antwortet im Interview mit dem HipHopMagazin „Juice“ im Sommer 2011: „Was mich (...) annervt, ist diese wahnsinnige
Homophobie. Mich trifft das einfach nicht, wenn mich einer als »schwul« bezeichnet.“ 81
Und auch offen queere Künstler_innen wie die Berliner Rapperin Sookie treten aus dem
Untergrund ans Licht, und werden zu Fernseh-Interviews, Podiumsdiskussionen und
internationalen Festivals geladen.
Aus diesen Gründen glaube ich, dass 2014 die Zeit gekommen ist, dass genderInszenierungen und MCs wie Angel Haze oder Cakes Da Killa im HipHop möglich
und erfolgreich sein können. 82
4. Femcees: Angel Haze – New York83
Wie ich dargestellt habe, gab es seit Entstehung der HipHop-Kultur eine krasse
Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung von Frauen im HipHop und der
80 http://www.rp-online.de/kultur/musik/der-hip-hop-kumpel-von-campino-aid-1.2931080
81 https://juice.de/casper-interview/, im Interview mit der Zeit, sicher „ungefährlicher“ als das Juiceinterview, betont er 2013: „Es kommt ja immer wieder: "Der ist doch schwul! Was der macht, ist doch
alles schwul!" Ich denke mir aber: Erstens ist das für mich keine Beleidigung. Und zweitens, selbst
wenn ich schwul wäre, was ist denn das Problem?“, http://www.zeit.de/kultur/musik/201309/casper-hinterland-interview
82 http://www.policymic.com/articles/74975/2014-will-be-the-year-of-the-female-rapper
83 http://vimeo.com/45790839
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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tatsächlichen Partizipation dieser an der Kultur. Das hat sich auch 2014 nicht geändert.
Dennoch treten gerade mehrere junge weibliche MCs, genannt Femcees, auf den Plan,
die entweder relativ großen Erfolg haben oder denen eine große Zukunft vorausgesagt
wird und die neue Femcee-Inszenierungen wagen. Eine davon ist Rapperin Angel Haze,
deren Biographie ich zunächst kurz vorstellen werde. Daran anschließend werde ich ihr
Lied „New York“ analysieren, das 2012 auf Angel Haze' Reservation-EP veröffentlicht
und 2013 auf der New York EP re-released wurde. Dabei werde ich es erst in einer
inhaltlichen Analyse auf Angel Haze' textliche Skills hin untersuchen, anschließend in
einem close reading anhand eines ausgewählten Beispiels auf ihre flow-technischen Skills,
beide Begriffe werde ich zu Beginn kurz erläutern. Schließlich möchte ich im Zuge der
Inszenierungsüberlegungen auf die Frage nach ihrer Authentizität eingehen und den
Zusammenhang dieser mit ihrer Stimme betrachten und auch hier eine kurze
Einführung in die Begrifflichkeit geben. Anschließend gehe ich kurz auf die visuelle
Inszenierung in ihrem Video ein.
4.1 Biographie Angel Haze
Angel Haze wurde am 10. Juli 1991 als Raykeea Angel Wilson in Detroit, Michigan
geboren. Sie wuchs ohne ihren Vater in einer christlichen Sekte auf, die sich Greater
Apostolic Faith nennt und deren Mitglied ihre Mutter war. Angel Haze selbst nennt
diese Glaubensgemeinschaft einen „Kult“ und beschreibt das Leben darin
folgendermaßen:
„We all lived in the same community, within 10 minutes of each other
(...). You weren't allowed to talk to anyone outside of that, you weren't
allowed to wear jewellery, listen to music, to eat certain things, to date
people … you weren't allowed to do pretty much anything. “84
Sie scheint jedoch noch weit größere Leiden erduldet haben zu müssen. So beschreibt
sie in vielen ihrer Texte, aber auch in Interviews immer wieder Vergewaltigungen, die
von männlichen Kult-Mitgliedern an ihr verübt wurden, als sie noch ein Kind gewesen
war. Wohl auch aus diesem Grund scheint sie dem strengen und reglementierten Leben
im Kult von Anfang an ablehnend gegenüber eingestellt gewesen zu sein. Während der
Gottesdienste, die immer Mittwochs, Freitags und Sonntags stattfanden, habe sie sich
unter der Bank verkrochen und versucht zu schlafen. Auch entdeckte sie in dieser Zeit
84 http://www.theguardian.com/music/2013/jan/31/rapper-angel-haze-religion-rape-survival
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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ihre Bisexualität, die sie selbst als „pansexuality“ bezeichnet. In Interviews, in denen sie
immer wieder darauf angesprochen wird, definiert sie sich, bzw. einen pansexuellen
Menschen als jemanden, der Menschen als das sieht, was sie sind und nicht als (ihr)
Geschlecht: „I define it as someone who sees people for who they are and not gender.“ 85
Ihre Mutter reagierte darauf jedoch alles andere als verständnisvoll und voraussagte ihr,
sie würde entweder „burn in hell or probably die of AIDS“, wie Haze sich in ihrer
Version von Macklemore's „Same Love“ erinnert. Um den derart absolutistischen und
rigiden Wertvorstellungen in ihrer Familie zu entkommen, und auszudrücken, wie
„weird“ sie sich fühlte, begann Haze mit 11 Jahren Gedichte zu schreiben. In diesen
Gedichten, die sie anfangs nur in ihre Tagebücher schrieb, verarbeitete sie die
traumatischen Erlebnisse und erlebte dadurch eine gewisse Faszination für das Dunkle.
Die Poesie begann für sie die einzige Möglichkeit zur Flucht aus der physischen und
psychischen Gefangenschaft des Kults zu sein. „'I wrote a freaking suicide letter, and it
was kind of amazing to me,' she says. 'I had to mature much earlier than everyone
else.'“86 Erst als sie 16 Jahre alt war, brach ihre Mutter trotz der Drohungen, dass „Gott
ihre Kinder töten würde“ 87 mit dem Kult und die beiden flohen nach New York. Dort
angekommen fand Haze in dieser neuen, zügellosen Welt nur schwer Anschluss, brach
die Schule ab und wurde zu Hause unterrichtet. Doch sie kam auch mit HipHop in
Berührung, einer für sie so neuen und beeindruckenden Welt, dass sie sich noch Jahre
später an das erste HipHop-Lied erinnert, dass sie gehört hatte. “It was something
stupid, like Young Joc.”88 Nun begann sie, von einer Freundin überzeugt, statt Gedichten
Raps zu schreiben und gab sich dafür den Namen Angel Haze, zusammengesetzt aus
ihrem zweiten Vornamen und dem Künstlernamen ihrer Lieblings-Pornodarstellerin
Jenna Haze.89
In der allgemeinen Wahrnehmung und Kritik von Angel Haze und ihrer Musik werden
immer wieder zwei Punkte hervorgehoben, die sie auszeichnen. Zum einen ihre
außergewöhnlichen skills90, die zu Vergleichen mit dem jungen Notorious B.I.G.
85 http://fusion.net/Alicia_Menendez_Tonight/video/rapper-angel-haze-pansexuality-identity-162383,
0:46 Min ff.
86 http://www.thefader.com/2011/05/24/feature-angel-haze-has-got-talent-and-a-whole-lot-of-issues/, Z.
21/22
87 „God would kill the children“, http://www.bad-perm.com/2012/06/freshman-initiation-angel-haze/, Z.
7
88 http://www.bad-perm.com/2012/06/freshman-initiation-angel-haze/, Z. 4
89 http://www.bad-perm.com/2012/06/freshman-initiation-angel-haze/, Z. 3
90 skills (engl.): Fähigkeiten. Im Folgenden wird dieser Begriff und seine Verwendung im HipHop
genauer erläuert.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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führten91 und die ich im späteren Verlauf dieser Arbeit genauer betrachten werde. Zum
anderen ist es die Authentizität und der Mut, alles von sich preiszugeben. Bereits der
erste Song ihrer Debut-EP „Reservation“ erzählt von ihrer Kindheit, ihrer Mutter und
von der Flucht in die unbekannte, beängstigende Welt. Ich vermute, dass, auch weil ihre
ersten poetischen Erzeugnisse sehr persönlicher Natur waren und nur in ihren
Tagebüchern niedergeschrieben wurden, Angel Haze diesen sehr persönlichen und
authentischen Rapstil entwickelt hat, der sie nun auszeichnet. Als sie begann, ihre
Gedichte in Raps zu transformieren, kam es nicht in Frage, auf einmal neue
Perspektiven oder Inszenierungen zu wählen. Außerdem mit dafür verantwortlich ist
wohl der Schutzwall, den Angel Haze sich schon während des leidvollen Lebens im Kult
zulegen gemusst hatte. Bereits als Teenager hatte sie auf youtube.com das Video „How
To Give No Fucks“ hochgeladen, in dem sie Tips, um unangreifbar zu erscheinen
erteilt: „Rule number 2: The person who gives no fucks must master the arts of sarcasm.
For example: 'Raee'n, you're ugly as a motherfucker. Like, I don't know how anybody
could ever find you attractive you ugly bitch, you're the scum of this fuckin' world...'
Your answer: 'Oh really, bitch! Luckily for you I've hated my existence since the day I
was born, so we're kind of on the same page...“ 92 Diese Schutzfunktions-Mischung aus
Selbstverachtung und Sarkasmus zieht sich weiterhin durch ihre Raps und Interviews
und ermöglicht ihr, so persönliche Texte wie „Cleaning Out My Closet“, „Castle On A
Cloud“ oder „Same Love“ zu schreiben. Auf der anderen Seite ist sie aber auch, wie es
in einem Artikel formuliert wird, „zu 100% un-entschuldigend bei allem, was sie sagt
oder tut“.93 In den beef94 mit der New Yorker Rapperin Azealia Banks Anfang 2013 geht
sie mit voller Konfrontation und veröffentlicht eine Woche nach Beginn des Streits den
Diss-Track „On The Edge“ gegen Azealia Banks. Der beef hatte begonnen, weil Azealia
Banks einen allgemeinen Tweed95 über Nicht-New Yorker veröffentlicht hatte, die New
York für sich beanspruchen, und Angel Haze ihn auf sich und ihr sechs Monate zuvor
veröffentlichtes Stück „New York“ bezog. 96
91 http://www.thefader.com/2011/05/24/feature-angel-haze-has-got-talent-and-a-whole-lot-of-issues/
92 http://naturalbeautay.wordpress.com/2011/01/19/horrorstones-iraeen-how-to-give-no-fucks/, 0:421:11 Min.
93 „she's 100% unapologetic for anything she says or does“, http://www.badperm.com/2012/06/freshman-initiation-angel-haze/, Z. 13/14
94 beef bezeichnet im HipHop eine Form des battles, die sich allerdings über längere Zeit hinzieht und
teilweise über die rein künstlerisch-kreative Konfrontation hinausgeht. Berühmtestes Beispiel ist der
Eastcoast – Westcoast - beef zwischen Death Row Records (unter Suge Knight) und Bad Boy Records
(unter Puff Daddy), in dessen Zuge Mitte der 90er Jahre die Rapper 2Pac (auf Death Row Records
gesigned) und Notorious B.I.G. (auf Bad Boy gesigned) erschossen wurden.
95 Tweed eine Kurzmitteilung über den Kommunikationsdienst „Twitter“. Sowohl Angel Haze als auch
Azealia Banks veröffentlichen teilweise über 10 Tweeds pro Tag.
96 http://www.spin.com/blogs/azealia-banks-angel-haze-worst-beef-ever/
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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4.2 Angel Haze' Skills (und Begriffsklärung)
Wie ich im vorhergegangenen Punkt bereits anmerkte, sind ein wichtiges Merkmal, das
von Kritikern bei Angel Haze immer wieder hervorgehoben wird, ihre Skills. Dabei ist
oft gar nicht weiter definiert, was damit gemeint ist. Die allgemeine Übersetzung lautet
Fähigkeiten / Talente, auf Angel Haze angewendet müsste man also von Rap-Skills
sprechen, also dem, was ihre Raps als qualitativ hochwertig auszeichnet. Aber auch da
fehlt die genaue Definition. Shabazz spricht von „rhyming skills“, „MC skills“ oder
„performance skills“. Also einerseits den reimtechnischen Fähigkeiten, andererseits den
Fähigkeiten, mit der Performance zu beeindrucken. Die inhaltlichen Fähigkeiten
definiert Michael Rappe genauer. Er bezeichnet die „Verwendung von metaphorischer
Sprache, das gezielte Benutzen von Referenzen (Personen oder Ereignissen) sowie das
prahlerische und beleidigende Sprechen im Kontext einer Wettbewerbssituation“ 97
zumindest als „Charakteristikum von Hip Hop-Texten“, demnach also als einen Aspekt,
der die Bewertung eines Raps beeinflusst. Den Performance-Aspekt erläutern Oliver
Kautny und Fernand Hörner in der Einleitung zu ihrem Buch „Die Stimme im
HipHop“ genauer, sie sagen, dass „Flow (...) ein zentraler Maßstab zur Bemessung der
sogenannten Skills eines Rappers“ 98 ist. Flow bezieht sich hier auf den rhythmischklanglichen Einsatz des Raps. Wenn man diese beiden Sichtweisen in eine Definition
von Skills einfließen lässt, komme ich zu folgender Aussage:
Rap-Skills bezeichnen die Fähigkeiten und Talente eines Rappers / einer Rapperin,
einerseits innerhalb des Textes verschiedene inhaltliche Meta-Ebenen zu öffnen und
andererseits eine dem Inhalt entsprechende Vortragsweise an den Tag zu legen. 99
4.2.1 Inhaltliche Skills (und Begriffsklärung)
Im Falle von Angel Haze' inhaltlichen Skills kommen Techniken zum Tragen, die bereits
eine lange Tradition im BAE (Black American English) und im HipHop besitzen und
die ich hier kurz vorstellen möchte, das signifyin' und das verbal duelling.
Der Begriff signifyin' steht im BAE einerseits für metaphorisches Sprechen im
Allgemeinen, andererseits auch für rhetorische Strategien und verbale Verhaltensweisen
97 Rappe 2010, S. 191, Z. 16-19
98 Hörner/Kautny 2009, S. 11, Z. 24/25
99 Den Aspekt des prahlerischen und beleidigenden Sprechens habe ich aussen vor gelassen, da – wie in
der angegebenen Textstelle bei Hörner und Kautny – auch Rappern, die diesen Aspekt nicht
aufweisen, viele Skills bescheinigt werden.
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im Speziellen. Signifyin' ist jede Form von Umdeutung der gegebenen Sprache, was im
BAE seit Beginn der afroamerikanischen Geschichte häufig passiert ist, einerseits um
einen Code zu kreieren, andererseits im Zuge der Übernahme des SAE (Standard
American English). So ist beispielsweise schon das Wort hip (auf der Höhe der Zeit sein)
eine Umdeutung auf Grund des wolof 100-Wortes „hipi“ (jemandem die Augen öffnen),
genauso to dig (BAE: verstehen, gut finden; SAE: graben), angelehnt auf das wolof-Wort
„dega“ (verstehen),101 beides vielgenutzte Worte im BAE und auch im HipHop. Signifyin'
findet meist im Kontext verbaler Auseinandersetzungen (verbal duellings) statt und hat
seinen Ursprung in der afrikanischen Affengottheit Esu Elegbara, die sich unter
unterschiedlichen Namen in allen afrodiasporischen Kulturen erhalten hat. 102 In toasts
genannten traditionellen Nacherzählungen von verbalen Duellen tritt Esu Elegbara mit
List, Lüge und Tücke auf und triumphiert über seine Gegner (die er meist grundlos
aufstachelt und provoziert) indem er sie hintergeht. Wichtigste Merkmale des Signifyin'
Monkey, der auch in frühen Raps auftritt, sind: Parodie (markin'), Metaphorik (signifyin'),
doppeldeutiges Sprechen (double talk), Lügen (shuckin' and jivin'), weitschweifende
Erzählungen (runnin' it down), Prahlen (boastin'), Benutzung von Sprichwörtern (usin'
proverbs), Provokation (loud talkin'), Schmähen (dissin') und Wortspiele (punnin').103
Diese uralten Formen des verbal duellings werden im HipHop in Zuge des playin' the dozens
angewandt, der oben beschriebenen Form des Wettbewerbs in dem das Publikum über
Gewinner und Verlierer entscheidet.
Ebenfalls zum signifyin' gehört das flippin' the script, also die Veränderung von
Bedeutungen ein und desselben Wortes. Allerdings passiert dies nicht auf Grund von
Entlehnungen anderer Sprachen, sondern durch Kodierung der Mitglieder. Das zeigen
– als zwei Beispiele von vielen – die Worte „bad“ (wird zu gut) und „down“ (wird zu
dabei sein, verlässlich sein). Gleichzeitig bedeutet nach Michael Rappe flippin' the script
auch, dass Rapper_innen Beispiele aus Film, Sport, Politik etc. auf sich selbst beziehen,
um sich mit den jeweiligen Merkmalen auszuzeichnen. 104 Diese Technik hat im Zuge des
signifyin' große Bedeutung, sei es unter Zuhilfenahme von Martin Luther King (Schwarz,
politisch, einflussreich), Michael Jordan (Schwarz, sportlich und finanziell erfolgreich)
oder Muhammad Ali (Schwarz, ebenfalls sportlich erfolgreich, aber auch
100Die Wolof genannte Sprache des gleichnamigen Volkes ist eine westafrikanische Sprachfamilie und
wird überwiegend in Senegal gesprochen. Ein Großteil der afroamerikanischen Sklaven stammte aus
diesen Gegenden.
101Rappe 2010, S. 21
102Rappe 2010, S. 25
103Rappe 2010, S. 55
104Rappe 2010, S. 58
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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selbstbewusster Schwarzer und Mitglied der Nation of Islam). Ähnlich wie bei dem
Wort bad wird auch bei anderen Worten – teilweise durch leichte morphologische
Veränderung – ein negativ konnotiertes Wort ins Positive umgedreht. 105 Die bekannteste,
am weitesten verbreitete und dadurch auch häufig mit jeglichem Sprechgesang im
HipHop gleichgesetzte Form des signifyin' ist wohl das rappin', was soviel bedeutet wie das
Klarstellen einer Hierarchie. Kochman unterscheidet drei Typen des rappin'. Erstens:
runnin' it down, die Selbstdarstellung. Der Rapper/die Rapperin stellt sich selbst durch
ausführliche (bspw. mit Hilfe von flippin' the script) Beschreibungen und Metaphern dar.
Zweitens: askin' for pussy. Das sexualisierte Werben um einen Sexualpartner (im Großteil
der Fälle eine Frau, einhergehend mit dem Preisen der eigenen Vorzüge). Drittens:
whuppin' the game oder auch murphy game. Durch den whuppin' the game-rap soll der
Gegenüber überzeugt werden, dem Sprecher etwas Materielles, oder auch seinen
Körper zu überlassen. 106
Sowohl die von Rappe angeführten Charakteristika von HipHop-Texten als auch
Techniken wie das boastin', signifyin', double talk, loud talkin', oder dissin' lassen sich in dem
„New York“-Text an vielen Orten wieder finden. Angel Haze nutzt alle diese Techniken,
um deutlich zu machen, dass sie ihrem (fiktiven) Kontrahenten überlegen ist, dass das
battle also gar nicht stattzufinden braucht. Was ihre (vorerst nur inhaltlichen) Skills nun
so außergewöhnlich macht, sind zwei Punkte. Der eine ist, dass sie an vielen Stellen
mehrere dieser Techniken teilweise sogar gleichzeitig einsetzt. So dreht sie
beispielsweise in der Zeile „Told y'all niggas, better get these bitches“ die in HipHopTexten häufig auftretende Floskel get bitches dahingehend um, dass sie, die bitch nun so
schnell unterwegs ist (im Flow und auf der Karriereleiter), dass sie von y'all niggas nicht
mehr einzuholen ist. Der zweite Punkt ist der, dass sie den Text augenscheinlich an
einem einzelnen Tag geschrieben hat, wie der Refrain und folgendes Zitat beweist: „So I
write the chorus, then I write the verses around it, and I go and lay it down and
everybody’s like, ‘Holy shit. This shit is so hot.’ I’m like really. I was so nervous. I was
like fuck this shit sucks. Whatever, it worked out." 107
„I'm running, running through the jungle / running like a slave through the
underground tunnel“: Bereits die ersten beiden Zeilen tragen einen doppelten Verweis,
105Gleiches habe ich bereits in Punkt 2 mit dem Begriffspaar nigger – nigga beschrieben.
106Campbell 2005, S. 36
107http://www.complex.com/music/2012/09/who-is-angel-haze/making-new-york
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einmal auf ein für die HipHop-Kultur legendäres Lied, einmal auf einen für die
Schwarze community der USA sehr bedeutsamen historischen Ort. Gleichzeitig
beinhalten sie Aspekte des signifyin', da sowohl der jungle, als auch der underground auf
zwei Arten lesbar ist. Das setzt sich in den beiden folgenden Zeilen fort: „Told y'all
niggas better get these bitches / 'cause I spit till my lips need 16 stitches“. Auch hier sind
wieder mehrere Deutungen möglich, und gleichzeitig ist wieder ein Verweis auf die
Zugehörigkeit zur HipHop-Kultur interpretierbar. Gleichzeitig klingen boastin'-Aspekte
an, denn Angel Haze stellt sich als diejenige dar, die bereits im Vorfeld gewusst hat, was
y'all niggas hättet tun sollen. Diese Techniken setzt Angel Haze fort. Dabei verbindet sie
Bezüge zur HipHop-Kultur und Doppeldeutigkeiten und „boastet“ sich mit Hilfe von
Metaphern, die Größe vermitteln: Natur-Urgewalten (fire, intrusion, elliptical orbits, dragon,
anaconda), dicke, tanzende Menschen (like the asses of them thick bitches), Kriegsmetaphern
(crusade, general), Überirdisches (requiem, Satan), Metropolen-Politik (I run New York) und
Dinge aus dem alltäglichen Leben (Scorpion, y'all bitches on your knees like babies crawl, stoop
kid). Gleichzeitig vermittelt sie wie gesagt (nicht nur) inhaltlich, dass sie das alles
eigentlich gar nicht tangiert (I am whatever they say I am, y'all a bunch of niggas gettin' trippy
off of nothing, let me kick you off a bungee, I sit with an open mouth, yeah I hear you, don't talk bitch,
do):
Angel Haze – New York108
[Verse 1]
Uh
I’m running, running through the jungle
Der Titel entspringt wohl auch aus dem
Hauptsample des Stückes, dem Anfang
von “New York Is Killing Me” von Gill
Scott Heron aus 2010. Angel Haze hatte
nach eigenen Angaben Probleme, einen
Inhalt für das Stück zu finden, als sie im
Studio war: “I was on a rooftop in
Bushwick on Covert St. at a studio and I
was like, ‘Man, what the fuck is this song
gonna be about,’ and I go, ‘Sick bitch,
chicken noodle soup face... Rooftop
Brooklyn, made this shit in Covert.’ I’m
like okay whatever.”109 Da kam ihr wohl
auch der Titel des Samples zu Hilfe.
Referenz-Zeile: “It’s like a jungle, sometimes it
makes me wonder how we keep from going under."
aus: “The Message” von „Grandmaster
Flash and the Furious Five“)
108Viele der folgenden Interpretationen beziehen sich auf Hinweise auf http://rapgenius.com/Angelhaze-new-york-lyrics
109http://www.complex.com/music/2012/09/who-is-angel-haze/making-new-york
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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Diese Zeile bezieht sich einerseits auf den
Dschungel der Großstadt (wie in Melle
Mels Rap aus „The Message“), durch den
sie rennen muss, weil er gefährlich ist,
andererseits auch darauf, dass sie im
Dschungel des game, also in ihrer Karriere,
so schnell aufsteigt, als ob sie rennen
würde.
Running like a slave through the
underground tunnel
Referenz-Zeile: Die Underground Railroad
war ein Netzwerk geheimer Routen und
Schutzhäuser, dass sich von Kentucky und
Virginia bis zum Nordosten der USA
erstreckte. Im 19. Jahrhundert nutzten dies
Sklaven aus den Südstaaten, um in die
Freiheit im Norden Amerikas zu gelangen.
Gleichzeitig steht der Begriff underground
im HipHop für die ursprüngliche, echte
Szene, in der die Künstler_innen noch real
sind und nicht Teil der
Marketingindustrie.
Told y'all niggas better get these bitches
double talk: Doppeldeutigkeit von get: auf
der einen Seite bezieht es sich als Zitat von
Rappern darauf, Frauen (bitches) ins Bett zu
kriegen. Auf der anderen Seite bezieht es
sich auf die vorhergegangenen Zeilen: Sie,
die bitch, rennt zu schnell, als dass y'all
niggas sie jetzt noch kriegen könntet. Dabei
hatte sie euch vorgewarnt.
Cause I spit till my lips need 16 stitches
double talk: einerseits rappt sie so lange, bis
ihre Lippen genäht werden müssen.
Andererseits ist es ein Bezug auf die
berühmten 16 bars (Takte), die oft eine
Strophe in einem feature (Partizipation
anderer Rapper_innen) oder die Länge
eines freestyle-battles ausmachen. In
Deutschland existiert die darauf
beruhende Seite 16bars.de, die HipHopKünstler zum Interview und zum live-Rap
bittet.
I am lyrical intrusion
boastin'-Zeile mit Naturmetaphern: Sie ist
ein lyrischer, urgewaltiger Einbruch, wie
ein Vulkan-Ausbruch.
You bitches can’t see me like I’m really an
illusion
signifyin' von see: a) sehen, b) verstehen. Sie
ist zu ungreifbar, wie aus einer anderen
Dimension und zu unverständlich, weil sie
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zu genial ist.
I hop up on your face and do my
motherfucking two-step
boastin'-Zeile: Sie ist so schnell, dass sie
euch ins Gesicht springen und dort
rumtrampeln kann, ohne dass ihr
überhaupt etwas mitbekommt, wie das
Kaninchen aus Monty Pythons „Ritter der
Kokosnuss“110. „Two-step“ ist ein Tanz,
der aus dem schnellen, abwechselnden
Stampfen der Beine besteht.
Till I knock the meat out like a
motherfucking toothpick
double talk: Der Zahnstocher haut die
(fleischlichen) Essensreste aus den Zähnen,
sie haut das (menschliche) Fleisch aus dem
Gesicht.
Uh, I’m nasty nigga, like Nas, like Kim,
like Cassie pictures
Referenz-Zeile: nasty = (eigentlich)
anstößig, aber auch: exzellente Qualitäten
besitzend. Rapper Nas gab sich selbst den
Beinamen „Nasty“, Lil' Kim machte mit
anzüglichen Texten und Visualität von
sich reden, Cassie Ventura ist eine R'n'BSängerin und Model.
Like I’m fucking Chris Stokes or that Raz- Referenz-Zeile: 2007 hatte Raz-B, früheres
B nigga
Mitglied der Boygroup B2K seinen
ehemaligen Manager und Produzenten
Chris Stokes beschuldigt, sich an den
Mitgliedern der Band sexuell vergangen
zu haben.
Or the skin on the feet of a ashy nigga
runnin' it down-Zeile: Im Winter bekommen
Menschen oft trockene Haut, besonders an
den Unterschenkeln und Füßen. Auf
Schwarzer Haut erinnern die trockenen,
toten Hautschuppen an Asche. Das
Internet ist voll mit Tips, wie man diese
Haut wieder glatt und dunkel bekommt.
I am whatever they say I am
Referenz zu Eminems Zeile: „I am
whatever you say I am“ aus „The Way I
Am“ (der wiederum Rakim zitiert). Hier
dreht es Angel Haze um auf die Personen,
die über sie richten und diskutieren. Sollen
sie doch sagen was sie wollen, Angel Haze
steht drüber.
Bumping like the asses on them thick
bitches at Stadium
boastin'-Zeile: Sie ist schwer und groß, wie
schwingende Hintern dicker Frauen.
110http://www.youtube.com/watch?v=Nvs5pqf-DMA
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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Stadium ist ein gentlemen's club in
Washington D.C.
Fuck them other bitches I sound better in
the place of them
boastin'-Zeile: Scheiss auf alle anderen,
Angel Haze klingt besser.
I killed this shit, this the motherfucking
requiem
Doppeldeutigkeit: a) sie hat etwas getötet,
hier ist das Requiem (Nachruf). b) Sie hat
ihre Skills auf dem Track gezeigt, sie hat
ihn „gekillt“.
[Hook]
Sick bitch, chicken noodle soup face
Calls from overseas like a motherfucking
crusade
Referenz-Zeile: Chicken Noodle Soup gilt
in den USA als Heilmittel gegen
Erkältung. Dass Angel Haze sich darauf
bezieht, zeigt ein Tweed von ihr vom
03.09.2012: „What is a chicken noodle
soup with a soda on the side? That is some
confused shit. Like, do you want to get
better or what?“111
boastin'-Zeile: Bezug auf Religion und
Christentum, wie so häufig in ihren
Texten. Nach Angel Haze wird auf der
anderen Seite des Ozeans gerufen, wie
nach einem Kreuzzug.
Crack rock and you can hit it till your nose Doppelbedeutung von hit und crack rock: a)
du kannst dich mit einem Stein solange
hurt
auf die Nase schlagen bis sie weh tut. b) du
kannst so lange die Kristalle der Droge
„Crack“, also crack rocks, schniefen, bis dir
die Nase schmerzt.
Rooftop Brooklyn, made this shit in Covert Referenz-Zeile: An diesem Ort war das
Studio, in dem Angel Haze den Track
aufnahm. Covert Street, Brooklyn, New
York City, Rooftop.
I run New York, I run New York
Mehrfachbezug auf: Lil' Kim (I Get It),
Nicki Minaj (I Get Money) und 50 Cent (I
run New York). Außerdem Doppeldeutung
run: a) sie hat New York in der Hand, b) sie
läuft durch New York (Der New York
Marathon heisst: „Run New York“)
[Verse 2]
Referenz auf Nicki Minaj's line „I'm
I am zero past a hundred, spitting like a
staring to feel like a dungeon dragon“ aus
dragon
dem Stück „Roman's Revenge“ feat.
That went missing from a dungeon
111https://twitter.com/AngelHaze/status/242704601659363329
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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Eminem. Angel Haze hat sich allerdings
aus dem dungeon befreit.
Gleichzeitig boastin'-Zeile die auf der
Verwendung von spittin' für rappen beruht.
Angel Haze spittet nicht nur Reime – sie
spittet Feuer wie ein Drache.
Y’all a bunch of niggas getting trippy off
of nothing
dissin'-Zeile: Angel Haze regt sich - auch in
ihren Tweeds - immer wieder über nicht
näher bezeichnete Personen auf, die über
reagieren.
Tie a rope around your neck and let me
kick you off a bungee
dissin'-Zeile: Angel Haze kann dich dazu
überreden, dich von ihr umbringen zu
lassen.
I’m satan, and I’ma take your ass to
church now
boastin'-Zeile: Angel Haze zeigt auch im
Video immer wieder das umgedrehte
Kreuz. "'I think of religion as something
that stains the person,' she says. 'It's a
mindset you can never get free from, it's
always in the back of your head. Even
mine! I think, am I going to hell for this?
Then I have to remind myself that I don't
fucking believe in hell!' Haze laughs again,
even more uproariously.
Does she enjoy saying things others might
find blasphemous? She leans forward, eyes
flashing: 'I thrive off that shit.'“112
Running my fields and you midgets on
your first down
boastin'-, dissin'- und double talk-Zeile:
Doppelbedeutung fields und running,
einerseits mit Bezug auf American
Football, wo das Feld field genannt wird,
und andererseits mit Bezug auf das
Nutzbodenfeld, das bestellt wird. Running
erfährt hier die Doppelbedeutung die es
auch im Refrain hat. In ihrem Videoclip
zu „No Bueno“ zeigt Angel Haze skurrile
Gestalten jeglicher Couleur, die tanzen
und ihren Text rappen. Dort taucht auch
eine Kleinwüchsige auf. Hier gebraucht
Angel Haze den Begriff midget als
Beleidigung, um deutlich zu machen, dass
sie ihre Gegner überrennt, als wären sie
kleinwüchsig. Ihren first down, ein Terminus
aus dem American Football für den ersten
Touchdown in einem Spiel, erhalten ihre
Gegner nur so: indem Angel Haze sie
112http://www.theguardian.com/music/2013/jan/31/rapper-angel-haze-religion-rape-survival
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umrennt.
I love it when these bitches know I’m
better than them
boastin'-Zeile: Immer wieder heben
Kritiker_innen ihre außergewöhnliche
Qualität hervor. Sollte jemand versuchen,
sie zu battlen: Alle wissen, dass Angel Haze
besser ist. Und das ist ein entspanntes
Gefühl.
Cause I don’t hear, not a word or a letter
from them
dissin'-Zeile: Sie trauen sich noch nicht
mal.
I’m a fire in the midst of a forest ‘round
bitches
dissin'- und boastin'-Zeile: Wieder ein Bezug
zu Natur-Urgewalten und Mehrdeutigkeit:
a) Sie ist ein Waldbrand. b) sie ist inmitten
einer Vielzahl von Feinden, diesen also
zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen. c)
allerdings sind diese Feinde Bäume und
daher chancenlos gegen ihre Feuerbrunst.
And I rap elliptical orbits round bitches
runnin' it down-, dissin'- und boastin'-Zeile mit
Universum-Bezug: a) Angel Haze rappt
dauerhaft um ihre Gegner herum, wie das
Kind, das den Hund ärgert der an der
Kette liegt. Ihre Gegner sind einfach nicht
in der Lage, sie zu erreichen. Oder eben
wie der träge Planet, um den seine
Trabanten in Ellipsen kreisen. b) Angel
Haze baut wieder eine Natur-Allegorie mit
den Urgewalten und riesigen Dimensionen
des Weltalls auf, mit dem sie ihren Rap in
Bezug setzt.
Anaconda, I sit with an open mouth,
bitches
boastin'-Zeile: Hier ist es genau
andersherum, Angel Haze wartet – ganz
wie die riesige Anakonda – mit offenem
Maul auf ihre Feinde. Die Anakonda
verschlingt teilweise sehr große Tiere, wie
Kaimane, am Stück, indem sie ihren
Kiefer aus den Gelenken hebelt. Angel
Haze nimmt es also mit allen Arten von
Gegnern auf, und zwar mit einer aus ihrer
Überlegenheit rührenden Langsamkeit.
And you bitches are lyrically
Like some fucking down syndrome, no
offense
dissin'-Zeile: Wieder nutzt Angel Haze eine
körperliche und geistige Beeinträchtigung
als Beleidigung: Die Lyrik ihrer Gegner
klingt, als hätten sie die genetische
Veränderung Trisomie 21. Angel Haze
hofft, dass sie damit niemandem zu nahe
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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tritt.
No shade 'n all, but y’all bitches on knees
like babies crawl
dissin'-Zeile: shade = disrespect. Sie
wiederholt: ich meine es nicht respektlos,
aber ihr seid auf den Knien wie
Kleinkinder. Auf den Knien ist man aus
zwei Gründen: 1. man bittet um Gnade,
ordnet sich unter. 2. man ist zu erschöpft
um zu stehen. In jedem Fall steht der- oder
diejenige, der/die nicht auf Knien ist,
über dem/der Anderen.
You can catch me out in Covert, chilling
like a stoop kid
Diese Zeile unterstützt die Aussage von
Angel Haze, dass der Track innerhalb
eines Tages entstanden ist. Jetzt gerade,
während sie den Text schreibt, kannst du
sie in der Covert Street erwischen. Sie
chillt dort wie ein Stubenhocker-Kind (aus
einer Episode der Kinderserie „Hey
Arnold“)113
Yeah I hear you, don’t talk bitch, do
markin'- und loud talkin'-Zeile: Jetzt weißt
du, wo sie ist, also lass deinen Worten
Taten folgen. Komm und wage das Battle.
[Hook]
[Verse 3]
I’m lyrical criminal general
Take shots, but never subliminal
boastin'-Zeile: Sie ist ein lyrisch krimineller
General, der zwar shots – a) kleine,
hochprozentige Getränke, b) Schüsse –
annimmt, aber davon niemals betrunken
wird (Doppelbedeutung von take shots). Das
a (= ein) lässt sie aus.
Don’t stop, ever continual
Sie macht immer weiter.
Running and running but never in
intervals
runnin' it down-Zeile: Bezug auf den
Anfang: sie rennt immer weiter, weil sie
nicht anders kann. Allerdings ohne Pausen
und nicht in Abschnitten, wie im so
genannten Intervall-Training.114
Can’t even stomach the shit that I’m finna boastin'-Zeile. a) sie kann selbst nicht
verdauen, was sie alles vorhat zu erreichen
do
und zu tun. b) ihr könnt es nicht verdauen.
finna (BAE) kommt von (SAE) fixing to,
ähnlich wie gonna von going to und I'ma von
I will.
113http://heyarnold.wikia.com/wiki/Stoop_Kid_%28character%29
114http://de.wikipedia.org/wiki/Intervalltraining
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Y'all niggas want the shit that I’m giving
you
boastin-Zeile: Ihr alle wollt, was sie euch
gibt. Angel Haze war selbst überrascht
über den Hype115, den sie hervorgerufen
hat: „They’d go to war over me,
legitimately. They’d go like, ‘Angel Haze is
better than everyone. I hope you die.’ I’m
like whoa, relax.”116
If you front, I’m gon' put and end to you
loud talkin'-Zeile: Falls jemand von euch
gegen Angel Haze „aufmucken“ will, wird
sie ihm sein Ende bringen.
I’m like Scorpion, bitch I will finish you
dissin'-Zeile: Bei der Videospielserie
„Mortal Kombat“ gibt es die Möglichkeit
zu einem „Finish Him“-move. Dieser ist
besonders expressiv und brutal. Der
Charakter Scorpion hat sehr blutreiche
finish-him-moves.
'Make It Nasty', real real nasty
Referenz-Zeile auf das 2012 erschienene
Lied „Make it nasty“ von Tyga, in dem
Selbiger explizit und auf sexistische Art
Sexualpraktiken mit mehreren
anscheinend prostituierten Frauen
beschreibt. Bei ihm ist „Make it nasty“
eine Aufforderung an den Mann beim
Geschlechtsverkehr mit der Frau. Haze
dreht den Spieß um und bezieht sich auf
die vorherige Zeile: sie wird dich auf nasty
Art und Weise „beenden“.
Why you bitches running like you will get
past me?
punnin'-Zeile: Warum versucht ihr
überhaupt, sie zu überholen, sie ist eh
schneller als ihr.
Won’t happen, you bitches could get on,
when I’m off it
dissin'-Zeile: Jetzt ist Angel Haze am
Steuer, Drücker, Zug und hip. Ihr könnt
erst kommen, wenn sie wieder weg ist.
Try to cross me now, you be gone in a
coffin
loud talkin'-Zeile: Mehrfachbedeutung von
cross: a) sie bleibt in der Lauf- und
Straßenallegorie. Sie ist so schnell
unterwegs, wenn ihr sie jetzt auf ihrem
Weg kreuzt, schickt sie euch im Sarg
weiter. b) wenn ihr sie jetzt verärgert,
verschwindet ihr in einem Sarg.
115In den kurzlebigen Zeiten des Internets entstehen immer wieder für unterschiedlich lange Zeiträume
einzelne Hypes, also eine extrem schnelle Verbreitung eines vermeintlich kultigen Phänomens.
116http://www.complex.com/music/2012/09/who-is-angel-haze/making-new-york
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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Doppelbezug: das häufigste Zeichen auf
Friedhöfen ist – das Kreuz.
It’s just me, myself and I
Referenz- und boastin'-Zeile auf Lied- und
Albumtitel von Billie Holiday, De La Soul,
Fat Joe und Beyoncé. Angel Haze macht
deutlich, dass es a) niemanden (an der
Spitze) gibt außer ihr und dass sie b)
niemanden anders braucht. 117
Talk tough shit and I’ma beat you till you
die
loud talkin'-Zeile: Angel Haze hat vorher
schon angedeutet, dass ihre Feinde
größtenteils reden, den Worten aber keine
Taten folgen lassen. Wenn ihr euch mit
Worten hart machen wollt, wie es im
Gangsta-Rap alltäglich ist, wird sie euch
schlagen, bis ihr sterbt.118
Ask why? Because I’m better than you’ll
ever be
boastin'- und dissin'-Zeile: und warum? Weil
sie besser ist, als ihr je werden könnt.
Warum sollt ihr also leben?
That’s why my shit make your shit seem
lighter than Heavy D
Referenz-, dissin'-, boastin'- und double talkZeile: a) Heavy D ist ganz und gar nicht
leicht gewesen, sondern übergewichtig,
daher auch der Beiname heavy (schwer). b)
Heavy D starb 2011 an Lungenembolie,
zum Zeitpunkt der Entstehung von „New
York“ war sein Körper also vermutlich
sehr leicht, sofern Angel Haze nicht sogar
seine Seele meint. c) Heavy Ds Hautfarbe
wurde als light skin bezeichnet, da sie heller
als schwarz, aber dunkler als weiß war.119
Haze' shit (Kram) ist so dick und fett (im
HipHop allgemein und in diesem Stück
bereits vorher positiv konnotiert worden),
dass alles was du tust dagegen leicht wirkt.
[Hook]
4.2.2 Flow-technische Skills (und Begriffsklärung)
Sowohl von Interpret_innen als auch von Kritiker_innen wird immer, wenn eine
Wertung über einen Rapper/eine Rapperin oder einen Text gefällt wird, der Flow als
Qualitätskriterium betont. Flow bedeutet dabei, ganz im Sinne der englischen
Übersetzung und des griechischen Wortes rhythmos, das rhythmische Fließen. Oliver
Kautny nennt es die Verschränkung des Sprechgesangs mit der Begleitung, also den
117Nicht ohne Grund sang Randy Newman: „Oh, it's lonely at the top!“
118Die Realisierungsspanne von reden zu sterben ist extrem!
119http://hiphopwired.com/2013/09/16/the-greatest-11-team-light-skin-members-of-all-time/3/
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Sprach-Fluss über den beat, (das Instrumental) Keyes und Verlan/Loh sprechen vom
Zusammenspiel von Beat & Rap.120 Wie Dietmar Elflein in seinem Artikel „Mostly Tha
Voice?“ herausstellt, verschränkt sich im HipHop häufig die Dualität von Rap und
Instrumental, beispielsweise durch Sprachsamples die in den Rap eingebunden
werden.121 Ein relativ aktuelles, deutsches Beispiel dafür ist die Hitsingle „Easy“ von
Cro, oder eben auch der Track „Mostly tha voice“ von GangStarr oder „Ghostwriter“
von Mad Skillz.
Ein Rap, der gut flowt, fließt über den Beat, wie das Wasser in einem Fluss über den
Grund fließt, leicht, entspannt und ohne Hindernisse. Jedoch fehlen damit noch die
Eigenheiten, die den bestimmten, persönlichen Flow eines Rappers oder einer Rapperin
ausmachen und den Flow wiedererkennbar und interessant werden lassen. Die Mittel
dazu sind hochkomplex und schon diejenigen, die eine Analyse ermöglichen, reichen
von Betonungen über perkussive Elemente, Polyrhythmik und -metrik,
Tonhöhenvariation über den kompletten, komplexen Stimmklang bis zu
Reimverwendung und -art. Oliver Kautny stellt als eine grundlegende
Differenzierungsmöglichkeit den Unterschied zwischen On- und Off-Beat auf. Im Sinne
der populärmusikalischen Analyse des 20. Jahrhunderts benennt er Betonungen, die auf
den Zählzeiten (in der Regel 1, 2, 3 und 4) liegen als on-beat, alle anderen, die nicht auf
den Zählzeiten liegen (in der Regel 1e, 1u, 1ue, 2e usw.) als off-beat. 122 Adam Krims
führt eine weitere Unterscheidung ein, vor dem Hintergrund, dass Rap zwei Funktionen
gleichzeitig ausführt. Zum Einen ist er inhaltstragend, da er aus Sprache besteht,
sprachlich vorgetragen wird und sich somit auch am Klang, Rhythmus und Fluss der
gesprochenen Sprache orientiert. Zum Anderen ist er ein im musikalischen
Zusammenhang eingesetztes Instrument, im Gegensatz zum Gesang jedoch mehr ein
Rhythmus- als Melodieinstrument, das über Konsonanten, Vokale, Reime und Akzente
einen rhythmischen Teppich liefert, ähnlich dem eines nahezu unendlich erweiterbaren
Perkussions-Sets. Krims teilt Rap demnach in zwei Kategorien ein, in denen jeweils
einer der beiden Aspekte von Rap überschwänglich in den Vordergrund tritt. 123 Im
speech-effusive rap ist der Rap stark an seiner Eigenschaft als Sprache orientiert. Der
Rhythmus ist daher hochkomplex, polyrhythmisch, polymetrisch und oft durchgehend.
Wie Oliver Kautny jedoch überzeugend anführt, ist nicht davon auszugehen, dass diese
Komplexität einen geplanten Ursprung hat, sondern eher, dass sie im Zuge der
120Kautny in: Hörner/Kautny 2009, S. 141
121Elflein in: Hörner/Kautny 2009, S. 171 ff.
122Kautny in: Hörner/Kautny 2009, S. 142
123Kaunty in: Hörner/Kautny 2009, S. 143/144
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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rhythmischen Komplexität gesprochener Sprache in den Rap gelangt. 124 Im percussiveeffusive rap stehen die perkussiven Elemente der Sprache stärker im Vordergrund. Die
Artikulation ist im Allgemeinen „dicker“ und von mehr Plosiven 125 geprägt, besonders
die stimmhaften Plosive [b] und [d] haben sowohl einen satten attack, als auch entfalten
sie im tiefen Frequenzbereich durch Öffnung des Mundraumes eine starke Kraft. 126
Cheryl L. Keyes stellt – bezogen auf Melle Mel's Part in dem bereits angesprochenen
Stück „The Message“ – die Möglichkeiten zur Akzentuierung durch
Tonhöhenveränderung dar, die laut Krims jedoch stark old-school geprägt sind (er
bezeichnet es als sung rhythmic style). Auch in Deutschland erinnert dieser teilweise
gesungene Rap an die medial präsenten Partyrapper der Anfangszeit, bspw. Die
Fantastischen 4 oder Fettes Brot.
Nachdem nun etwas umrissen wurde, was Flow meint und welche Bewertungskriterien
dabei möglich sind, möchte ich nun untersuchen, wie Angel Haze' Flow in „New York“
charakterisiert ist. Beide im Vorfeld genannten Punkte, sowohl das boastin' als auch das
desinteressierte „Über-dem-battle-stehen“ bringt sie auch über ihren Flow rüber, also den
performativen Charakter ihrer Skills. Dazu habe ich beispielhaft vier Zeilen ausgewählt,
in denen dies besonders deutlich wird. Ich beginne wie auch in der inhaltlichen Analyse
wieder mit dem Anfang, da er vermutlich direkt nach dem Refrain entstanden ist und
deswegen – so ist auch meine eigene Erfahrung beim Schreiben – einen hohen
intuitiven Anteil aufweist. In diesen vier Zeilen wird sich in meinen Augen daher
besonders das natürliche Talent Angel Haze' bemerkbar machen, nicht nur was
124Kautny in: Hörner/Kautny 2009, S. 144
125Plosive (ling.): die jeweils stimmlosen und stimmhaften Konsonanten [p] und [b], [k] und [g] und [t]
und [d], bei denen die Artikulation durch Verschluss des Atemluftstromes und schnelles,
explodierendes Öffnen desselben entsteht.
126Eventuell lassen sich auch hier Rückschlüsse zur afroamerikanischen Geschichte ziehen, da diese
beiden Plosive in vielen westafrikanischen Sprachen eine große Verwendung finden (oft in Verbindung
mit den anderen Plosiven [t], [k], [g] [p]). (http://wwwhomes.unibielefeld.de/rvogel/ws0708/phonfolien/Folien3.pdf) außerdem existieren [d] und [b] im Swahili und
anderen afrikanischen Sprachen als Implosive, d.h. der Kehlkopf wird beim Lippenverschluss
zurückgezogen, wodurch der Raum zwischen Klangentstehung (Stimmlippen im Kehlkopf) und
Lippen vergrößert wird. Es kann dadurch sogar zu einem Lufteinzug bei Öffnen der Lippen kommen.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Swahili_(Sprache)) Der Klang, der entsteht, ist durch den größeren
Hohlraum nun tiefer und voller. Diese Artikulation, verbunden mit einer bestimmten Anatomie – wie
auch die Veränderung des labio-dentalen Frikativs [f] zu einem labio-dentalen Plosiv, oder der
Annäherung des Frikativs /th/ zum [d] – führt meiner Meinung nach mit dazu, dass
afroamerikanischer Rap oft als voller und perkussiver wahrgenommen wird, als Rap von weißen USAmerikanern oder gar deutscher Rap. Diese These müsste man mit Sicherheit noch stärker
untersuchen, auch die Frage, ob es damit zusammenhängt, dass es so wenige deutsche Rapper gibt, die
mit diesem perkussiven Element von Rap spielen, bzw. es so stark in den Vordergrund stellen, wie es in
den USA beispielsweise Busta Rhymes, DMX, Saukrates oder Mystical tun. Allerdings ist das ein
anderes Thema.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
35
inhaltliche Ausdrucksstärke, sondern auch was einen treibenden, aber entspannten Flow
betrifft.
Abb.1
In diesem Beispiel (Abb. 1) werden Angel Haze' flow-technische Qualitäten sehr
deutlich, da sie innerhalb dieser vier Zeilen eine sehr starke Steigerung schafft. Dieses
Phänomen lässt sich auch an vielen anderen Stellen im Stück beobachten und
interessanterweise wählt sie dabei häufig Formen, die bereits im musikalischen Satz seit
dem Barock Anwendung gefunden haben, in dem der dritte Zweitakter (von vieren) den
Höhepunkt darstellt. In diesen Fällen (beispielsweise die Zeilen 5-8) beginnt Haze die
erste von vier Zeilen entspannt, ruhig und mit vielen Pausen, steigert sich in der zweiten
sowohl in der rhythmischen Fülle als auch stimmlich, beides kulminiert in der vollsten,
dritten Zeile und in der vierten Zeile treten wieder mehr Pausen auf und zum Ende hin
ist Haze wieder entspannt. Nach diesem Muster verlaufen in der ersten Strophe alle vier
Vierzeiler. Ähnlich ist es auch in dem vorliegenden Beispiel. Der Anfang ist sehr
entspannt, weder wählt sie große Tonhöhen-Ausschläge noch harte Konsonanten und
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
36
lässt die Zählzeit eins sogar ganz frei für den Schlag der Bassdrum. Schon in der zweiten
Zeile werden die Betonungen stärker und durch die dreifache, nun aber auf der
schwersten Zählzeit 1 gewichtigste Wiederholung des Wortes „running“ bekommt das
Ganze einen rollenden Schwung, der von der entgegengesetzten und den
Sechzehntelfluss unterbrechenden Achtel „slave“ zwar kurz aufgehalten wird, aber
direkt vom reimenden „under“ weitergeführt wird. Würde das oppositionelle „slave“
ebenfalls den Klang [an] besitzen, wäre die vom dritten „running“ aufgebaute
Spannung schnell verpufft. Zeile drei ist hier – im Gegensatz zu den folgenden
Vierzeilern – zwar noch nicht der Höhepunkt, das liegt allerdings daran, dass nun ein
eigener, halbtaktiger Vierzeiler aufgebaut wird, der dann wiederum im dritten halben
Takt („spit till my lips need“) seinen Höhepunkt hat. Haze geht schon auf der Zählzeit 1
auf den höchsten Ton und leitet eine Sequenz von zwei Achteln und vier Sechzehnteln
ein, die nur in jener dritten Hälfte (Anfang der letzten Zeile) gebrochen wird, indem sie
statt der Sechzehntel quasi zwei Mal die beiden Achtel als eine Form von Anlauf bringt.
Dieser Anlauf ist nicht nur rhythmisch charakterisiert, sondern auch durch den Reim,
der sich auf das ebenfalls in grün gefärbte zweite Auftauchen der Achtelfigur bezieht.
Damit wird der Eindruck des zweimaligen Neustartens bestärkt. Ein berühmtes Beispiel
für diese Art Anlauf ist der Beginn des HipHop-Klassikers „LaDiDaDi“ von Slick Rick
und Doug E. Fresh, der mit „LaDi...LaDi...LaDi...LaDiDaDi, we likes to party...“
beginnt. Dieser wiederum bezieht sich auf eine Form des breakbeat-mixings127 der frühen
HipHop-Zeit, in der DJs vorerst nur den Anfang (zum Beispiel zwei Sechzehntel) eines
neuen breakbeats einspielten, die Platte stumm zurückzogen und in immer kürzeren
Abständen erneut abspielten, bspw. erst auf Zählzeit 1, dann auf 3, auf 1, 2, 3, 4, bis
der Beat komplett gestartet wurde. Hier lässt sich also Haze's intuitiver Bezug zur
HipHop-Kultur ersehen, obwohl sie dieser erst seit so kurzer Zeit angehört. Der Zug
dieses Anlaufs entwickelt sich so stark, dass Haze am Ende der Zeile einen quasi
lösenden Ausruf einbinden muss.
Allgemein hat Angel Haze einen stark percussive-effusive geprägten Flow mit satten
Plosiven und prägnanten on-beat-Betonungen, was ebenfalls ein Grund für das
treibende Element ihres Flows ist. Ähnliches lässt sich beispielsweise bei dem deutschen
Rapper Kool Savas beobachten, der gemeinhim als einer der best-flowenden MCs in
Deutschland gilt. Im Interview mit dem online-magazin laut.de sagte er 2002, dass er
durch die Orientierung an US-amerikanischen Rappern wie Tha Liks gemerkt habe,
127Das Ineinander-mischen von zwei schlagzeuglastigen Fills (breaks) auf zwei Plattenspielern. Auf diese
Art und Weise sind in der Anfangszeit der HipHop-Kultur nahezu alle Stücke entstanden.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
37
dass sie mit simplem Rap extrem effektiv arbeiten können. Also habe auch er begonnen,
stärker on-beat zu reimen und zu betonen. „Ich wollte einfach mehr fließen und ständig
vorwärts preschen wie eine Eisenbahn.“ 128
Es gibt jedoch auch Stellen, an denen Angel Haze diesen ständig vorwärts preschenden
Flow unterbricht und das ist, entsprechend der dargestellten Vierzeiler-Dramaturgie,
häufig in der letzten Zeile eines Vierzeilers. In den meisten Fällen verbindet Angel Haze
diesen gelassenen, stärker speech-effusive Flow mit Inhalten, die wiederum deutlich
machen, dass sie gelassen über dem Battle steht. So beispielsweise in der zweiten
Strophe: „I’m a fire in the midst of a forest ‘round bitches / And I rap elliptical orbits
round bitches / Anaconda, I sit with an open mouth, bitches / And you bitches are
lyrically like some fucking down syndrome, no offense“ Ähnlich wie das „running“ am
Anfang des Stückes führt hier die dreimalige Wiederholung von „bitches“ am
Zeilenende zu einem Spannungsaufbau, der nach einem kulminierenden Finale
verlangt. Haze steht jedoch darüber und lässt die Spannung in der letzten Zeile mit dem
eingeschobenen „no offense“ verpuffen, wie ein Silvesterknaller, der ausgeht, kurz bevor
die Lunte abgebrannt ist. Sowohl vom Flow löst sie sich von der Erwartung, als auch
inhaltlich schiebt sie mit „nicht persönlich gemeint“ eine Floskel hinterher, die alles
vorher Gesagte abschwächt. Sie steht über den Dingen, sie gibt „no fucks“. 129 Ein
zweites Beispiel für ein Loslassen der „Flow-Zügel“ findet sich am Ende der zweiten
Strophe: „Yeah, I hear you don't talk bitch, do.“ Hier löst sie sich komplett vom
vorherigen Sechzehntel-Flow, um in ein entspannt-lässiges Sprechen im Achtelrhythmus
zu wechseln, mit der Botschaft: Ja, ich höre dass du brüllst und mir drohst, jetzt hör auf
zu reden und lass deinen Worten endlich Taten folgen. Ich warte. Mit der letzten
Loslösung vom Sechzehntel-Flow am Anfang der letzten Strophe, die in ihrem
Schreibprozess wahrscheinlich direkt an die beiden vorherigen Stellen angeschlossen
hat, stellt sie diesmal ihre technischen Skills unter Beweis: Sie wechselt in die double-time:
„I'm lyrical criminal general / take shots, but never subliminal / don’t stop, ever
continual / running and running but never in intervals / can’t even stomach the shit
that I’m finna do / y'all niggas want the shit that I’m giving you / if you front, I’m gon'
put and end to you / I’m like Scorpion, bitch I will finish you“. Nun rappt sie nicht
mehr in Sechzehnteln, sondern in Zweiunddreissigsteln, was viel höhere kognitive und
artikulatorische Fähigkeiten erfordert. Auch dies meistert Angel Haze gekonnt, die
128http://www.laut.de/Kool-Savas/Interviews/Keinen-Bock-mehr-auf-Sex-Texte-11-11-2002-106,
Antwort auf Frage 5, Z. 20/21
129Siehe Punkt 4.1 dieser Arbeit
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
38
kompletten acht Zeilen sogar auf den gleichen Reim, auch wenn die Reime ab der
fünften Zeile nicht mehr ganz so konsonant (finish – end to) und einfallsreich (you – you
– you) sind wie davor.
4.3 Authentizität und Stimme (und Begriffsklärung)
Im HipHop ist die Authentizität von Beginn an eines der wichtigsten Kriterien für die
Reputation eines Künstlers / einer Künstlerin gewesen. Das keepin' it real bezieht sich
dabei sowohl auf den gerappten Inhalt, als auch auf Inszenierungen und (Bühnen-)
Performances im Allgemeinen. Mit dem Argument der Authentizität wurden seit Beginn
des Gangsta-Rap auch gewalt- und kriminalitätsverherrlichende, misogyne Texte
gerechtfertigt, da dies im Ghetto-Leben eben alltägliche Realität sei. 130 Robert Mogado,
ehemaliger Vize-Präsident von Warner Communication, betonte 1990
dementsprechend: „The music can be frightening. It is violent and hard to understand,
absolutely. Much of modern life is like that. Music and its lyrics reflect a reality that
can't be censored. One can work to keep from being reminded of it, but there it is.“ 131
Doch ganz ähnlich wie Angel Haze und Carrie Battan es mit Blick auf die Akzeptanz
von Homosexualität in den USA feststellen (Punkt 6 dieser Arbeit), stellt Tricia Rose
auch hier nur eine gewisse Sensationslust fest. Es ist reizvoll, den Verzweiflung stiftenden
Situationen, in denen sich arme Schwarze Jugendliche befinden, zuzuschauen.
Allerdings scheint die US-amerikanische Gesellschaft weitaus interessierter daran, von
derart Schrecken erzeugenden Szenarien unterhalten zu werden, als diese zu ändern. 132
Gleichzeitig ist neben dem Mythos „get rich or die trying“ (50 Cent) auch der Mythos
des keeping it real im HipHop dauerpräsent. Wie ich in Punkt 3.2 dieser Arbeit deutlich
gemacht habe, hat HipHop es geschafft, das alltägliche Leben im Ghetto als reizvoll
darzustellen. Das Ghetto ist das Zu Hause geworden und die Gewalt ist es, die den
jugendlichen, armen, Schwarzen Männern Gehör außerhalb des Ghettos verschaffte.
Dies spielt natürlich Medienkonzernen wie Warner Music in die Hände, da einerseits
das Ghetto, die Gewalt und „drug-dealing, hustling, gang-banging, hoes and pimping“ 133
mit seinem inszenierten abstoßend-anziehenden Vokabular viele sensationslustige
(hauptsächlich Weiße)134 Anhänger_innen gewinnt, gleichzeitig weder von Weißer Seite
etwas daran geändert wird, noch von Schwarzer Seite das Ghetto als abzulehnender
130Rose 2008, S. 134
131Robert Mogado 1990, zitiert bei: Rose 2008, S. 135, Z. 3-7
132Rose 2008, S. 135
133Rose 2008, S. 135, Z. 10/11
134Zwischen 1995 und 2001 machten Weiße 70-75% der HipHop-Käufer_innen aus, Rose 2008, S. 4
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
39
und abzuschaffender Ort etabliert wird. Um dem Ganzen aus Sicht der Vermarktung
die perfektionierende Spitze aufzusetzen, ist es in der HipHop-Kultur sogar verpönt,
eine negative Einstellung gegenüber denen zu haben, die „es geschafft haben“ und nun
kommerziell erfolgreich sind und außerhalb des Ghettos leben, aber dennoch weiterhin
mit Ghettoinszenierungen Musik und Geld machen. „Stop player hating“135 ist ein
geflügeltes Wort in der HipHop-Szene um diejenigen, die kommerziell erfolgreiche
Kolleg_innen kritisieren, als bloß neidisch zu diffamieren. Das ist laut Tricia Rose auch
ein Grund für den geringen Widerstand von Frauen gegen Misogynie und
Gewaltverherrlichung im Gangsta-Rap: „By remaining silent or feigning disinterest in
corporate mainstream hip hop, they could, it seemed, avoid being labeled „haters“ in a
world where haters are banished from hip hop and players are embraced.“ 136
Aber obwohl das keeping it real derartig selbstzerstörerische Züge trägt, bleibt es eine feste
Größe in der Kultur, und Rapper_innen, die – vor allem was ihre Vorgeschichte betrifft
– schummeln, erleiden einen schweren credibility137-Verlust, wie jüngst Rapper Akon.
Durch die Notwendigkeit des keeping it real ist die HipHop-Kultur weiterhin einer der
wenigen kreativen Orte, der Menschen wie Angel Haze ein zu Hause bietet, die ihre
Geschichte erzählen wollen. Wie Tricia Rose es formuliert: „HipHop remains a genre
largely valued for its seemingly autobiographical nature.“ 138 Gleichzeitig führt es dazu,
dass Künstler wie „The Game“ teilweise nur ihrer Vorgeschichte wegen zu fame139
gelangen, der jedoch selten von Dauer ist, wenn die Skills nicht überzeugen.
Eine wichtige Ursache für die Bedeutung der Authentizität im HipHop, die selten
angesprochen wird, ist in meinen Augen die Nähe des Raps zur Sprache. Bearbeitungen
von gesungenen Liedern durch andere Künstler finden sich zuhauf, Schulklassen singen
seit Jahrzehnten Beatles-Songs, am Lagerfeuer werden aktuelle Lieder in der Gruppe
gesungen und bei youtube.com laden Teenies ihre ganz persönlichen Coverversionen
ganz persönlicher Songs hoch. Niemanden verwundert das. Beim Rap sieht das ganz
anders aus. In den seltensten Fällen sieht man Coverversionen von Rapsongs, nicht nur
weil sie schwieriger zu memorieren sein könnten, sondern auch, weil dies schnell als
biten140 wahrgenommen wird. Rap ist ein Konglomerat aus Textinhalt, Flow und
135Der Player ist im HipHop-Jargon eine Person, die am game, also am HipHop-Business teilnimmt,
meistens verbunden mit kommerziellem Erfolg.
136Rose 2008, S. Xi, Z. 15-18
137Credibility meint einerseits Ansehen, andererseits auch Vertrauen und Glaubwürdigkeit
138Rose 2008, S. 136, Z. 15/16
139Ansehen und Respekt in der Szene
140Verwendung kreativer Ideen Anderer (vor allem Raps) ohne eigene kreative Leistung.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
40
Stimmklang und dabei viel näher an der natürlichen Sprechstimme als der Gesang. Die
Stimme selbst ist in der gesellschaftlichen Wahrnehmung eines der
Hauptreferenzobjekte für Authentizität, sie ist direkt mit dem Körper verbunden und
stellt Emotionen unbewusster und direkter dar als jedes Instrument. In Situationen
psychischer Unsicherheit oder Aufgeregtheit zittert sie, bleibt weg, ist gebrochen,
schwach oder versagt ganz. In Situationen von selbstbewusster, authentischer
Entscheidungsfähigkeit ist sie fest, voll oder sonor. Und wenn man über seinen tiefsten,
inneren Zustand berichtet, dann spricht man sich aus, sagt, was einem auf dem Herzen
liegt oder trägt das Herz auf der Zunge. Im Gegensatz zur Mimik, Gestik, den Augen
oder der Schrift ist die Stimme die einzige Kommunikationsmöglichkeit, die im Körper
entsteht, mit der physiologischen Anlage des Körpers gebildet und charakterisiert wird
und schließlich nach aussen getragen wird, sich vom Körper löst und im Raum steht,
frei und unerreichbar für ihren Ursprungskörper, diesen jedoch darstellend und
repräsentierend. Die Stimme liefert dabei ein – im Rezipienten / in der Rezipientin
inszeniertes – komplexes, komplettes Bild der Person, aus der sie entsteht, das die
Physiologie, die Herkunft, den psychischen Zustand und sogar Charaktereigenschaften
beinhalten kann. Die Berliner Theaterwissenschaftlerin Doris Kolesch hat sehr
detaillierte Aussagen zur Untersuchung der verschiedenen Funktionswirkungen der
Stimme getroffen. Dabei definiert sie die Stimme als „natürlich künstlich“, da sie zum
einen ein natürliches Organ ist, zum anderen ein Resultat verschiedener
Kulturtechniken, die erlernt und tradiert werden und historisch und kulturell
unterschiedlich sind.141
Die Stimme ist also performativ, denn sie schafft subjektive Identität, die nach George
Herbert Mead nicht nur in der Aktion und Eigenwahrnehmung, sondern gerade auch
in der Interaktion mit Anderen und der Wahrnehmung der eigenen Person mit den
Augen der Anderen entsteht. 142 Gleichzeitig repräsentiert die Stimme nicht nur die
eigene Person, sondern sie ist auch die „Stimme der Straße“, die „Stimme der Frauen“,
die „Stimme der Schwarzen“ etc., also die Repräsentation aller Zugehörigkeiten, die
einer Person von Anderen zugerechnet werden. 143 Ein Rapper aus dem Ghetto
repräsentiert das Ghetto nicht nur mit seinem Leben und seiner Visualität, sondern
ganz besonders mit seiner Stimme.
Im HipHop ist die Rolle der Stimme eminenter als in anderen Musikrichtungen, zum
141Kolesch 2006, S. 351 f.
142Mecheril 2003, S. 11
143Hörner/Kautny 2009, S. 15
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
41
einen aus der genannten Nähe zur Sprache und damit zum alltäglichen, persönlichen
Einsatz jedes Sprechers / jeder Sprecherin. Zum anderen, da in dem ursprünglichen
Konzept aus „two turntables and a mic, one phat emcee on the set“ (Buckshot) das
gesamte Instrumentarium dem Rap gegenüber steht. Die Anforderungen an eine RapStimme sind demnach auch ganz andere als an eine Gesangs-Stimme. In viel kürzerer
Zeit wird viel mehr (literarischer) Inhalt transportiert, es passiert gleichzeitig auch viel
mehr Artikulation in weniger Zeit, wodurch keine stehende Welle und also auch kein
Ton zu Stande kommt. Deswegen „trägt“ die gerappte Stimme viel weniger und setzt
sich selten so prägnant vom Rest ab, wie es beispielsweise der hohe Gesang tut. Hörner
und Kautny kritisieren in diesem Zusammenhang den oft unverständlichen Rapsound
auf live-Konzerten.144 Natürlich haben Rapper_innen für dieses Problem intuitive
Lösungen gefunden, wie das overdubbing145 der reimtragenden Zeilenenden und das
Arbeiten mit Effekten, aber auch prägnante, percussive-effusive Artikulation. Auch die
Präferenz tiefer Stimmen wie die KRS-Ones, Big Daddy Kanes oder Melle Mels
entstand nicht nur aus der gesellschaftlich tradierten Konnotation sonorer Stimmen mit
Autorität und Sicherheit, sondern auch aus dem besseren Absetzen dieser Stimmen vom
Rest der Musik, da die Sonorität einer tiefen männlichen Stimme in Frequenzbereichen
zwischen 100 und 150 Hz entsteht und damit genau zwischen Bassdrum (bis ca. 100 Hz)
und Snare (ab ca. 150/200 Hz) liegt.
In den seltensten Fällen ist die Bearbeitung jedoch so weit gegangen, dass der originäre
Klang der Stimme verändert wurde, in neuerer Zeit ist dies häufiger der Fall. So arbeitet
A$AP Rocky in seinem Stück „Goldie“ im Refrain mit einer sehr tief gepitchten
Bassstimme, während sich seine reale Stimme eher nach dem Tenor Kanye Wests anhört.
Auch Cakes Da Killa wird im Refrain von „Goodie Goodies“ von einer unnatürlich
hoch gepitchten Stimme unterstützt und Angel Haze arbeitet in „Wicked Moon“ mit
einem pitching146-Effekt, der ihre Stimme zu manchen Zeilenenden im glissando147 in die
Tiefe zieht, so als würden zwei Personen (repräsentiert durch zwei Stimmen!) in ihr
wohnen. Dies wird auch durch den Text unterstützt und passt zu der zerrissenen
Inszenierung, die ich im Abschnitt 4.4 dieser Arbeit anspreche. Im Zuge des keeping it real
entsprechen sich im HipHop auch stärker als in anderen Genres (Jazz, Punk) bestimmte
144Hörner/Kautny 2009, S. 8 f.
145Overdubbing bezeichnet im HipHop-Zusammenhang die Unterstützung durch einen backing-Rapper /
eine backing-Rapperin, der/die einzelne Zeilen mitrappt, damit der Hauptrapper / die
Hauptrapperin Luft holen kann oder sich gegenüber dem Instrumental stärker durchsetzt. Bei
Studioaufnahmen kann sich natürlich jeder Rapper / jede Rapperin selbst dubben.
146Digitale Tonhöhenveränderung
147Glissando (ital. für „gleitend“): Das stufenlose Gleiten zwischen zwei Tönen
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
42
Stereotype und ihre Stimmen im signature sound.148 So rappt und inszeniert sich Snoop
Dogg als smoother, eiskalter Pimp, Ice Cube als Gangster, oder Eminem anfangs als
wütender White-Trash-Rapper. Stereotype Inszenierungen haben sich also auch deshalb
im HipHop besser durchgesetzt, weil sie bekannt und erwartbar sind und deswegen
schneller als authentisch angesehen werden.
Nachdem ich nun auf die Entstehung von Authentizität und ihre Bedeutung für
HipHop-Aktivist_innen eingegangen bin und gezeigt habe, dass diese stark von der
Stimme abhängig ist, möchte ich im Folgenden schauen, inwiefern dies bei Angel Haze
zu Tage tritt.
Bei Angel Haze ist besonders ihre Vorgeschichte ein wichtiger Punkt, sowohl für die
Wahrnehmung ihrer Authentizität als auch für ihre Musik. Im Interview mit dem
französischen HipHop-Magazin “Booska-P” erklärt sie, wie stark ihre Geschichte ihre
heutige Musik beeinflusst: “Particularly it does effect how I write my music now. I feel
like everything about a person's past pretty much involves itself in (…) the person's
future. So, for me, all the time.” 149 Und auch für ihren fame war die explizite Darstellung
ihrer erschreckenden, authentischen Geschichte ein wichtiger Punkt. Als sie 2010
„Cleaning Out My Closet“ auf ihrer soundcloud-Seite hochlud, beeindruckte neben
ihren Skills vor allem die schonungslose Offenheit, mit der sie über ihre Geschichte und
ihren Missbrauch rappte. Jedem Zuhörer und jeder Zuhörerin wurde sofort klar: hier
rappt jemand über das, was er am eigenen Körper erlebt hat. Wie schrecklich das für sie
gewesen sein muss! Dem Erfolg von “Cleaning Out My Closet” entsprechend hat auch
die erste Singleauskopplung “Battlecry” ihres Debutalbums „Dirty Gold“ die gleiche
Thematik. Die Inszenierung von Angel Haze als Opfer, das erzählt und sich damit
wehrt und rächt, scheint also Marketing-Strategie zu sein, ob die weitere
Thematisierung ihrer Erlebnisse ihr eigener Wunsch war, ist zu bezweifeln. Immerhin
hatte sie im Interview auf die Frage, warum sie “Cleaning Out My Closet” geschrieben
habe, geantwortet: “You can't go into something good with a ton of (…) terrible
baggage from your past, (…) so for me at this stage of my life letting it go was very
important to me.”150 Aber die Verwertung dieses Themas passt sowohl in die in
Abschnitt 3.1 dargestellte Entstehung von HipHop als Form des Wehrens und des
148Signature sound (englisch für „Signaturen-Klang“): der charakteristische, persönliche Klang eines
Künstlers / einer Künstlerin
149http://www.youtube.com/watch?v=WK8Vrvs3JrQ , 02:55 – 03:09 Min.
150http://www.youtube.com/watch?v=WK8Vrvs3JrQ , 05:04 – 05:14 Min.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
43
kreativen Protests, als auch zu der von Tricia Rose angesprochenen Sensationslust vieler
Rap-Hörer_innen. Dass niemand sich wirklich um die Klärung der von Haze
dargestellten Verbrechen gekümmert hat, sagt sie im Interview selbst: „When I finally
told someone, they did nothing about it, and that's the worst thing of all.“ 151
Angel Haze' Stimme zeigt diese Mischung aus gebrochener, zerrissener Psyche und
kompromisslosem, wütendem Selbstvertrauen. Schon als Teenager artikuliert sie im
Video “How To Give No Fucks” ähnlich wie in ihren späteren Raps, mit prägnanten
Plosiven, breiten, offenen Vokalen und ins [sh] gehenden /s/. Paradoxerweise ist diese
authentische Art, in der sie in diesem Video spricht, mit der Anleitung zum Aufsetzen
eines Pokerface, zum Maskieren des gegebenenfalls wirklichen emotionalen Zustands
verbunden. Im HipHop hat sich dieses Paradox in meinen Augen größtenteils durch das
Battle herausgebildet. Einerseits müssen Rapper_innen so wirken, als prallen alle disses
und Beleidigungen an ihnen ab. Andererseits fordert die Szene von ihnen absolute
Authentizität. Dementsprechend präsentiert Angel Haze sich in Interviews als
“introverted person”, 152 was so gar nicht zu ihrem offensiven Flow und ihren boastin'Raps passen will. Aber im HipHop passt das gut übereinander, die junge, introvertierte
Frau mit der traurigen Geschichte und die wütende, “I Don't Give A Fuck”-Rapperin,
die durch HipHop ihr Sprachrohr gefunden hat.
4.4 Visuelle Inszenierung im Videoclip
In der visuellen Inszenierung in ihrem Video zu „New York“ stützt sich Angel Haze
einerseits auf Bekanntes und oft Verwendetes im HipHop, andererseits wagt sie auch
neue Schritte. Der von Adrienne Nicole produzierte Clip beginnt sehr düster, mit einem
stark verrauschten Bild der Skyline New York Citys, vor der sich ein tropfender „New
York“-Schriftzug zeigt, der einerseits an zu dick aufgesprühtes Graffiti, andererseits an
den Film „Scars of Dracula“ (deutsch: Draculas Blutrausch) von 1970 mit Christopher
Lee erinnert. Und dementsprechend düster ist der Clip und wird bis etwa 02:50 Min.
immer wieder von vielen Doppelbelichtungen und schnellen Schnitten zerrissen.
Entsprechend innerlich zerrissen zeigt sich Angel Haze, die als Anführerin einer
Vergewaltigungs- und Mordgruppe auftritt, die hinter Gasmasken versteckt durch das
nächtliche New York zieht. Die Inszenierung als Anführerin passiert dabei einerseits
dadurch, dass Haze an manchen Stellen als einzige der Gruppe keine Maske trägt, also
151http://www.theguardian.com/music/2013/jan/31/rapper-angel-haze-religion-rape-survival
152http://www.youtube.com/watch?v=WK8Vrvs3JrQ , 03:20 – 03:22 Min
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
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aus den uniformen und charakterlosen „Soldaten“ heraussticht, andererseits dadurch,
dass sie immer in der Mitte der anderen beiden steht und geht. Die Gruppe verfolgt ein
heterosexuelles Pärchen und nachdem die beiden im Streit auseinandergehen, umringen
sie die überraschte und ängstliche Frau. Angel Haze (hinter einer Gasmaske) drückt sie
an die Wand, nähert sich ihrem Gesicht, streicht über ihren Körper und scheint sie an
die Wand gedrückt zu vergewaltigen. Direkt danach sehen wir die Frau leblos im Gras
liegen, während Haze sich über sie beugt, die Maske abnimmt und den Mund an den
Hals der Frau drückt. Ob sie das tut, um sie zu küssen oder um ihr das Blut aus dem
Hals zu saugen bleibt unklar. Die folgenden Bildsequenzen, während des Refrains,
zeigen sie nun alleine, in einer Art Badezimmer (also an einem Ort, an den man sich
zurückziehen, den man abschließen kann) ohne Maske, von Weinkrämpfen geschüttelt
und die Hände vor dem Gesicht. Doch schon zu Beginn der zweiten Strophe geht die
Handlung weiter, Haze' „Soldaten“ bringen ihr nun den männlichen Teil des Pärchens,
der außer Gefecht gesetzt ist. Und mit einer gewissen lächelnden Gleichgültigkeit fesselt
Angel Haze ihn, schlägt ihn und scheint ihn auf zu schneiden. Anschließend wird seine
Leiche zu seiner bereits toten Begleiterin in den Schrank gezogen, woraufhin Angel
Haze es sich in einem sommerlichen Oberteil auf dem Sofa bequem macht und für eine
erste längere und beruhigtere Sequenz in die Kamera rappt. Doch auch diese Sequenz
wird immer wieder von transparenten Bildern überlagert, in denen sie alleine ist, und
innere Aufgewühltheit darstellt, indem sie Kissen wirft und sich die Haare rauft.
Allerdings entwickelt sich allgemein eine größere Ruhe und Entspannung im Bild, so als
hätte Haze ihren Job getan. Aber schon setzt sie sich wieder die Gasmaske mit dem
Kreuz darauf auf und taucht mit ihren Begleitern in die Nacht ein, unterbrochen von
Bildern, die sie allein und innerlich zerrissen zeigen. Schließlich trennt sie sich jedoch
auch von einem ihrer Gruppe, dem sie die Maske abnimmt und einen Fausthieb
verpasst. Anschließend ist Angel Haze ganz alleine, rauchend, tanzend und rappend
über der Stadt, in der langsam die Sonne aufgeht. Ab 02:55 Min. beginnt ein zweiter
Teil des Videos. Die Rap-Parts sind vorüber, Angel Haze' Nacht-Alter-Ego ist
verschwunden, der Tag fängt an und das Bild wird farbig. Jetzt tauchen Einblendungen
von ihrem Produzenten „the 83 rd“ auf, der auf seiner AKAI einen Beat produziert. Die
Kamera folgt Angel Haze, wie sie in eine Wohnung geht, man sieht wiederum the 83 rd
bei der Arbeit in seinem home-studio. Angel Haze geht eine Wendeltreppe herunter, wir
sehen die gleiche Wendeltreppe im Studio des Produzenten – und Angel Haze kommt
auf dieser in den Raum. Beide scheinen überrascht, sich zu sehen und begrüßen und
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
45
umarmen sich sehr herzlich.
In diesem Video ist manches an visuellem Vokabular urbaner HipHop-Videos
vorhanden. Am deutlichsten ist natürlich das Stereotyp des Bewegens in Gruppen durch
die Stadt, mit klarem, rappenden Anführer. Dieser visuelle Topos entstammt dem
Gangsta-Rap, legendäres Video ist „Straight Outta Compton“ von N.W.A. (Niggas With
Attitude) von 1988.
Was sich jedoch von vielen HipHop-Videos unterscheidet und in meinen Augen in
diesem sehr auffällig ist ist die Inszenierung von Authentizität. Wie ich in 4.3 dargestellt
habe, lebt die Inszenierung von Angel Haze stark von ihrer Authentizität und diese tritt
in beiden Teilen (bis 02:50 Min. und ab 02:50 Min.) zu Tage. Im ersten Teil präsentiert
sich Angel Haze als innerlich zerrissener Mensch, der seinem morbiden Tötungstrieb
folgen muss. Ihre Faszination für das Obskure hat Haze desöfteren in Interviews
dargestellt.153 Gleichzeitig ist ihr häufigster Topos der der eigenen Vergewaltigung und
daraus folgenden inneren Aufgewühltheit und Verzweiflung. Dass sie sich im Video
selbst als Vergewaltigerin inszeniert, wird deshalb vom Zuschauer als Rache und
gleichzeitige Referenz zu ihrer Persönlichkeit ( = Authentizität) wahrgenommen. Dass
sie schließlich nur die Frau und nicht den Mann vergewaltigt spricht einmal für ihre
persönliche Inszenierung als bisexuelle Person, andererseits für die Zwischenstellung
zwischen Mann und Frau, die sie wählt. Würde sie den Mann vergewaltigen, käme es
einem Genuss für ihn gleich. Wie in den in Punkt 5.2.1 beschriebenen Beispielen Missy
Elliots und Lil' Kims nimmt auch Haze eher die Rolle einer den anderen Frauen
entgegengesetzten Stellung ein.
In der zweiten Hälfte tritt die Authentizität ganz besonders zu Tage, da hier nicht mehr
der fiktive Charakter Angel Haze präsentiert wird, der – metaphorisch – durch die
Nacht zieht, vergewaltigt und mordet, sondern das Leben von Raykeea Wilson, die ihr
Alter Ego Angel Haze lebt. Auf ihr Smartphone blickend, geht Angel Haze alltäglich
durch die Küche, in der unbeteiligt zwei Personen sitzen, zur Wendeltreppe. Auch die
Ausstattung des home-Studios von the 83 rd ist nicht von einer anderen Welt – das
Kontrollerkeyboard AKAI MPK 61, was in Nahaufnahme gezeigt wird, kostet neu etwa
450! – und es werden auch keine Legenden darüber gebildet, wie er produziert. Alles in
allem wirkt die Inszenierung des Studios unter der Wohnküche sehr authentisch und
einfach. Genauso wie die sehr herzliche Begrüßung der Beiden am Ende, in der the 83 rd
Angel Haze wie eine gute Freundin in die Luft hebt und sie unbefangen mit ihm lacht.
153http://www.theguardian.com/music/2013/jan/31/rapper-angel-haze-religion-rape-survival
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
46
Ich vermute, dass mit diesem Ende die Authentizität Angel Haze' gestärkt werden sollte,
vor dem Hintergrund dass es ihr erster Videoclip war. Die erste Hälfte ist bereits sehr
aufwendig produziert, mit viel Technik, Einstellungen, Schnitten und Story, da war es
für den Ersteindruck notwendig, dass die Zuschauer nicht das Gefühl bekommen, hier
werde jemand künstlich produziert. Bei der Vermarktung des Charakters Angel Haze ist
und bleibt es wichtig, dass Menschen sich mit ihr und ihrer Geschichte persönlich
identifizieren können. Dafür müssen einerseits immer wieder Themen wie ihre innere
Situation und ihre Geschichte als missbrauchtes Kind auftauchen, andererseits auch ihr
Karriereweg verfolgbar und somit miterlebbar gemacht werden.
5. Queer Rap: Cakes Da Killa – Goodie Goodies 154
Im folgenden Abschnitt werde ich mich mit einem Bereich des HipHop befassen, der als
LGBT- oder Queer HipHop bezeichnet wird. Auch wenn sogar mainstream-Rapperin
Nicki Minaj sich öffentlich als bisexuell bezeichnet, werden unter diesen Begriff eher
Rapper_innen zusammengefasst, die ihre queere Sexualität besonders stark betonen.
Eindrucksvollstes, weil für den HipHop ungewöhnlichstes Beispiel, sind dabei bi- und
homosexuelle Rapper wie der aus New Jersey stammende MC Cakes Da Killa. Mit ihm
und seiner 2013 erschienenen Single „Goodie Goodies“ werde ich mich im Folgenden
beschäftigen.
5.1 Biographie Cakes Da Killa
Im Gegensatz zu Angel Haze ist Cakes' Biographie kein besonders Thema in seinen
Texten. Er wurde 1990 als Rashard Bradshaw in New Jersey geboren und studierte dort
bis 2013 Mode und Journalismus. Im College beginnt er zu rappen und entwickelt
seinen „Gully Cunt“-Stil. Nach dem Prinzip des flippin' the script deutet er, wie allgemein
in der LGBT-HipHop Szene üblich, die Beleidigung cunt155 um in eine Auszeichnung.
„My number one favourite word is cunt. I say that word a lot. Cunt. The Black
Community kind of takes things out of negative and kind of makes it to positive. They
just flipped it. Like if you're gonna call me a faggot, I'm gonna be the best faggot. And
the best faggot is... a cunt! Yeah...“156 Genau wie in dem Zitat von Raee'n Wilson (a.k.a.
Angel Haze) aus „How To Give No Fucks“157 findet hier also eine flippin' the script154http://vimeo.com/63066689
155Cunt: ursprünglich englisch für Fotze
156Cakes Da Killa: https://www.youtube.com/watch?v=xKI1wnHbGOA, 0:45-1:00 Min
157s. diese Arbeit, Punkt 4.1
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
47
Technik statt, um Formen der Unterdrückung in Formen der Selbstbehauptung
umzudrehen. 2011 veröffentlicht Cakes den Track „Easy Bake Oven“, in dem er bereits
deutlich macht, dass er den Namen Cakes Da Killa nicht zu Unrecht trägt. Diesen gab
er sich nach eigenen Angaben einerseits, da Cakes Hintern bedeutet und er einen dicken
Hintern habe. Den Beinamen Da Killa andererseits gab er sich wegen seines aggressiven
Rapstils, der an einen „wütenden Verbrecher, der im Knast war“ erinnere. 158 2012
veröffentlicht Cakes Da Killa das von Sean Anthony produzierte Video zu
„Cuntspiracy“ und im Januar 2013 folgt sein Debutalbum „The Eulogy“, mit der Single
„Goodie Goodies“, die im April 2013 mit einem von Ja'Tovia Gary produzierten Video
folgt. Relativ bald macht Cakes Da Killa im Umfeld von bekannten Queer-Rappern wie
Mykki Blanco oder Le1f, die er beide als Idole nennt, von sich reden. Zum einen wegen
seiner großen Persönlichkeit und Extravaganz, zum anderen wegen seiner Skills.
5.2 Cakes Da Killas Skills
Auf die Frage, wie er denn „dem Kugelhagel“ entgehe, der einem schwulen Rapper
doch entgegenschlagen müsse, antwortet Cakes, nachdem er lauthals über die Metapher
„Kugelhagel“ gelacht hat, im Interview mit arte_tracks: „Keine Ahnung, ich hab eben
Talent!“159 Ähnlich positiv fällt die externe Kritik über ihn aus, Carrie Battan schreibt
auf pitchfork.com, Cakes rappe mit einer „impossibly fast tongue“ 160 und auf der
gleichen Webseite bescheinigt ihm Miles Raymer in ihrer Kritik zu „The Eulogy“ genug
Mikrofon-Charisma, um die Zuhörer davon zu überzeugen, dass diese vulgäre bitch die
dort rappt, absolut bewundernswert ist. 161 Im Folgenden möchte ich wie bei Angel Haze
Cakes' inhaltliche und flow-technische Skills untersuchen.
5.2.1 inhaltliche Skills
Auch Cakes orientiert sich in „Goodie Goodies“ an traditionellen afroamerikanischen
Parametern des signifyin', besonders am boastin' und am askin' for pussy. Schon der Titel
und der Refrain sind boastin'-Beispiele: Cakes' Süßigkeiten sind so gut, dass alle sie
wollen: in der ersten Strophe ein homosexueller Mann, in der zweiten erst eine Frau
und schließlich auch ihr heterosexueller Lover.
Der Textinhalt ist stark sexuell geprägt. Cakes demonstriert seine sexuelle Macht über
seinen Gegenüber, im Imperativ fordert er ihn auf, seinen „Scheiß“ zu essen (eat my shit),
158http://videos.arte.tv/de/videos/cakes-da-killa—7711846.html, 3:48 Min ff.
159http://videos.arte.tv/de/videos/cakes-da-killa—7711846.html, 0:52 – 0:55 Min.
160http://pitchfork.com/features/articles/8793-we-invented-swag/
161http://pitchfork.com/reviews/albums/17684-the-eulogy/
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
48
und allgemein, ihn zu „essen“ (eat me). Cakes inszeniert sich als Lehrer, der – obwohl
jung und dumm (dumb young) – seinem Gegenüber einen Kurs in Anilingus (course in
rimming) erteilt, und ihn in all den Dingen unterrichten will, die homosexuelle Männer
tun (schooling y'all to all the shit that a cunt do). Allerdings gibt es einen entscheidenden
Unterschied zu explizit sexistischen HipHop-Tracks wie Lil John's „Skeet Skeet“: Cakes
rappt erstens nicht vom anderen Geschlecht und zweitens will er nicht ein als
unselbstständig inszeniertes Wesen dazu verführen, mit ihm ins Bett zu gehen, sondern
er übt Macht über einen Mann aus, der seinerseits vorher versucht hat, Cakes zu
imponieren und ihn zu zerstören, wie eine leicht herum zu kriegende Frau aus Harlem
(he tryna smash me like a harlem jump skeezy). Cakes dreht also den Spieß um, im wahrsten
Sinne des Wortes – der Spieß, der auf ihn gerichtet ist, richtet sich nun auf seinen
Gegenüber. Cakes übernimmt die Leitung, setzt sich seinem Gegenüber aufs Gesicht
(straight riding faces) gibt ihm, worum er bettelt (don’t beg cause you have it if you want it).
Allerdings nicht in der von seinem Gegenüber vermuteten Art und Weise, indem er ihn
bedient, Cakes möchte selbst bedient werden. In den seltensten Fällen ist es bei
heterosexuellen askin' for pussy-Raps der Fall, dass Männer davon rappen, was sie für gute
Liebhaber sind, also wie sehr ihre Sexpartner_innen es genießen würden. Das ist bei
weiblichen Rapperinnen, wie zum Beispiel Missy Elliot in „Work It“ oder Lil' Kim in
„Suck My Dick“, häufiger der Fall.162 Auch bei Cakes Da Killa geht es darum, dass sein
Ansprechpartner es will und sich schließlich nicht mehr kontrollieren kann (soaking wet,
biting pillows, pulling covers), was anscheinend eher mit männlichen als mit weiblichen
Personen gleichgesetzt wird. Cakes ist wie eine Droge, von der sich Männer nach einem
Schuss nicht mehr lösen können (after one hit these niggas just can't quit it). Ähnlich wie in der
Thematik der beiden genannten Femcee Tracks ist außerdem in Cakes' lyrics ein
Abwerben des Gegenüber von seinem derzeitigen (andersgeschlechtlichen) Partner
präsent.163 Die zweite Strophe scheint dementsprechend um einen heterosexuellen
Mann zu gehen, der sich erst an einer pussy versucht, in Wirklichkeit aber am Abend im
Club Cakes' Hintern streichelt, versucht, mit seiner Crew „süß“ für Cakes auszusehen
und bei Twitter ein Rendezvous mit ihm ausmachen möchte.
Cakes setzt sich demzufolge als homosexueller Mann gleichzeitig mit traditionell
weiblichen und traditionell männlichen Rap-Stereotypen gleich. So ist er in der
162In ersterem rappt Missy „I'm not a prostitute but I can give you whatchu want“, in zweiterem Lil' Kim
„Kidnap the senator, make him call his wife and say he never coming home“.
163Schließlich rappt auch Missy Elliot in „Work It“: „Girlfriend wanna be like me neva / You won't find
a bitch that's even betta“ und „Your girl acting stank than call me ova / Not on the bed, lay me on
your sofa“
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
49
Beschreibung des Sexualaktes einmal in der Rolle der empfangenden Person (And I bust
it open and twerk it just like I’m stripping) und einmal in der Rolle der gebenden Person (Put
that shit on mute, nigga fuck you, eat me).
Noch stärker als Angel Haze arbeitet Cakes Da Killa mit Doppel- und
Mehrfachdeutbarkeiten, wie aus den Anmerkungen zu ersehen ist. Seine Skills sind in
diesem Bereich sehr hoch. Allerdings bietet natürlich die Umgangssprache für sexuelle
Inhalte viele Metaphern, da dies traditionell ein Bereich mit vielen Tabus und
Unfeinheiten ist, die gerne umschrieben werden. Außerdem ist der Prozess des Werbens
um einen Partner/eine Partnerin bereits seit der Antike einer der poetischen und damit
metaphorischen Sprache.
Was besonders auffällig, ist die Allegorie zum Kochen, die Cakes am Ende der ersten
Strophe und am Ende des Stückes als metaphorische Sprache für den sexuellen Akt
benutzt. Er behält die Allegorie über längere Zeit bei, ein weiteres Indiz für seine
inhaltlichen Skills. (Wie ich im nächsten Abschnitt kenntlich machen werde, bindet er sie
auch in seinen Flow ein.) Dass er sowohl diese Allegorie, als auch das Bild des Autos als
Statussymbol am Ende nochmals aufgreift, ist ebenfalls ein Qualitätsmerkmal.
Cakes Da Killa – Goodie Goodies164
[Hook]
He only want me for my good good
He only want me for my goodie goodies
He only want me for my good good
He only want me for my goodie goodies
Goodies können Süßigkeiten sein, aber auch
Dinge, die eine Person von einer anderen
Person will (Telefonnummer, Küsse, aber
auch der Körper): “Goodies” are basically
what you make it. Goodies can be your
hugs. It can be your kisses, your numbers.
Anything that I give to anybody is worth
something.“165
Erinnert an Ciaras Song „Goodies“ von
2004. Darin rappt sie: „I bet you want the
goodies. Bet you thought about it. Got you
all hot and bothered. Mad cause I talk
around it. Looking for the goodies. Keep
on lookin' cuz they stay in the jar“ Der
Refrain ist von zwei Stimmen gleichzeitig
gerappt, einmal Cakes' normaler Stimme
und einmal einer hochgepitchten Stimme.
Dies könnte ein Verweis darauf sein, dass
diese vier Zeilen im heterosexuellen
Zusammenhang häufig von Frauen gesagt
164Viele der im Folgenden präsentierten Interpretationen beruhen auf den Anmerkungen auf
http://rapgenius.com/Cakes-da-killa-goodie-goodies-lyrics und auf www.urbandictionary.com
165Sängerin Ciara: http://thesource.com/2004/11/01/ciara-goodtimes/
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
[Verse 1]
Lets get it straight swerve up in it
50
werden, die beklagen, dass ein Mann sie
nur wegen ihrer körperlichen Vorzüge will.
Cakes inszeniert sich also direkt als
Mensch mit weiblich tradierten
Eigenschaften.
double talk von straight: a) heterosexuell, b)
lass es uns klarstellen. Dem wird allerdings
direkt widersprochen, durch swerve =
abschwenken, kreisen. Cakes öffnet hier
einerseits bereits die Bildebene zum Auto,
das in die Einfahrt einbiegt, andererseits
zum Sexualakt, bei dem, wie in Beyoncés
„Drunk In Love“ ein Partner auf dem
anderen „kreist“.166
This nigga tryna dig me out in his Honda
civic
runnin' it down- und markin'-Zeile und double
talk von digging out: a) ein Loch graben, b)
ein Loch graben im sexuellen Sinne, c)
jemanden angraben. Gleichzeitig ein diss,
denn ein Honda Civic ist nicht gerade das
teuerste, schnellste oder stilvollste Auto auf
dem Markt und deswegen nicht besonders
geeignet, um Cakes zu beeindrucken.
Want it I’m with it the cocky got me
climbing up ceilings
loud talkin'-Zeile: Wenn du es willst, ist
Cakes dabei. Und trotz des billigen Autos
ist Cakes beeindruckt von der Anmaßung
seines Gegenübers, sie lässt ihn (sexuell?) so
verrückt werden, dass er die Wände
hochgehen möchte.
He beat it up and skeet it up and pipe a
mile a minute (Damn)
markin'-Zeile: Sein Werber gibt sich viel
Mühe, Cakes zu beeindrucken, er tritt das
Gaspedal durch (beat it up) und spritzt dabei
beinahe ab (skeet it up), kommt dabei aber
trotzdem nur eine Meile pro Minute
voran. Verdammt! Der Ausdruck beat it up
and skeet it up bezeichnet außerdem den
Prozess des Anmachens einer Frau, um
letztendlich zum „Schuss“ (skeet) zu
kommen.167
He tryna smash me like a Harlem jump
skeezy
markin'- und double talk-Zeile: Cakes wird
von einem Mann angebaggert, der ihn im
sexuellen Sinne zerschmettern will, wie
166„To swerve, by itself, is to dodge or avoid something or someone, usually in a car. Swerving in a sexual
metaphor could be to utilize that same motion while in a girl on top position.“, chocopockey auf
http://rapgenius.com/2554931/Beyonce-drunk-in-love/Im-swerving-on-that-swerving-swerving-onthat-big-body-been-serving-all-this-swerve-surfing-all-in-this-good-good
167http://de.urbandictionary.com/define.php?term=beat%20it%20up%20and%20skeet%20it%20up
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
51
eine harlem jump skeezy, eine leicht
verführbare Frau aus Harlem.
Caught him in the coop blasting Touch
Me Tease Me
markin'-Zeile: coop = Käfig (das heißt sein
Auto ist eng und verschlossen) „Touch Me,
Tease Me“ ist ein smoothes Liebeslied von
Case feat. Foxy Brown aus dem Jahr 1996,
also aus einer anderen Ära.
Put that shit on mute, nigga fuck you, eat
me
loud talkin'-Zeile: Cakes ist das eindeutig zu
sanft. eat me bezeichnet Anilingus und ist
urprünglich eine Beleidigung. In Cakes
Fall könnte es jedoch durchaus als
wörtliche Aufforderung gemeint sein.
Cakes a bad bitch treat these niggas hella
greasy
boastin'-Zeile: Cakes ist eine bad bitch: Ein
Terminus, der ursprünglich talentierte,
eindrucksvoll-selbstbewusste Frauen
bezeichnet. Er behandelt seine niggas greasy,
d.h. fettig, intensiv, wollüstig, aber auch
unmoralisch.
Make a nigga take a course in rimming
boastin'-Zeile: Cakes gibt Unterricht in
Anilingus
Eat my shit like a feast and don’t forget the double talk von eat my shit like a feast: a)
trimmings
schluck, was ich dir vorsetze (meine Skills)
als wäre es ein Festmahl, b) iss meine
Exkremente als wären sie ein Festmahl, c)
bedien' mich mit Anilingus. Und zwar
nicht sanft und zart, sondern zügellos wie
in einer Orgie.
Und vergiss nicht die kleinen Accessoires!
Scuba gear surfboard sun bleached linens
double talk: Umdeutungen zwischen einer
Sommer- und Strandallegorie und Sex:
Scubagear = Tauchausrüstung zu
Sexstellung (facesitting), surfboard =
Surfbrett zu Sexstellung (die gebende
Person liegt auf dem Rücken der
empfangenden Person) 168, sun bleached linens
= weiße, sonnengebleichte
Leinentücher/Bettlaken zu einem
„gebleachten“ Intimbereich.
And this kitty so good got the pope
repenting (ahhh)
boastin'-Zeile: Synonymkette: kitty ist ein
Synonym für Katze, für die wiederum
pussy ein Synonym ist, was wiederum ein
Synonym für Vagina ist. Cakes' „Vagina“
168http://www.cosmopolitan.com/sex-love/positions/surfs-up-sex-position
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
52
ist so gut, dass selbst der Papst bereut. Hier
öffnet Cakes wieder eine Doppelebene,
denn: a) der Papst bereut, dass er gegen
Homosexualität ist, b) ursprünglich ist die
katholische Kirche die Instanz, die
anderen Menschen (beispielsweise
Homosexuellen) sagt, was sie zu bereuen
haben und ihnen nach der Beichte und
Reue desselben den Seelenfrieden gewährt.
All these niggas want mu-mu-mussy
Cause my shit stay gu-gu-gushy
boastin'-Zeile: mussy = man-pussy =
Analbereich
boastin'-Zeile: gushy = warm, feucht und
einladend wie eine Vagina.
See I bend it and drop it before I tick it
and tock it
boastin'-Zeile: Mit it meint Cakes wohl den
in der vorhergegangen Zeile
angesprochenen shit, mit dem er wiederum
seine mussy bezeichnet hat. Diese beugt er
und senkt sie einladend ab. tick-tock
beschreibt die abwechselnde
Muskelbewegung der Pobacken (tock:
Kurzwort für buttock)169
Cakes öffnet hier die Allegorie der
Anleitung zur Essenszubereitung,
entsprechend der eat my shit-Metapher. In
der Sprache, die in knappen Worten
manuelle Handlungen beschreibt, erinnert
es sehr an die Tätigkeitsbeschreibungen
eines Koches in einer Kochsendung.
Dementsprechend setzt er diese
Doppeldeutigkeit Fleischzubereitung /
sexuelle Handlung fort.170
And cakey season and jerk 'em before I
stick em and twock em
runnin' it down und double talk: cakey season =
a) sehr süße (kuchenähnliche) Essenswürze.
b) Powürze oder die Saison für große
Hintern. Jerk = a) stark gewürztes
jamaikanisches Hühnchen (jerk chicken), b)
manuelle Masturbation des Penis' bis zur
Ejakulation (jerk off). Stick em: a) Fixieren
eines Essens, wie beispielsweise einer
Roulade. b) Das Einführen des Penis'.
Twock = a) ein onomatopoetisches Wort für
das Geräusch beim Aufeinandertreffen
zweier hölzerner Gegenstände. b) Ein
Synonym für fuck.
169http://de.urbandictionary.com/define.php?term=tick-tock
170Der homosexuelle Rapper „Big Dipper“ benutzt die gleiche Allegorie in seinem Stück „Meat
Quotient“
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
53
And your orders up, so come get it
loud talkin' und double talk: Deine Bestellung
ist aufgenommen. Jetzt komm und hol' sie
dir.
Bitches can’t forget it my shit that terrific
boastin'-Zeile: bitches können den Sex mit
ihm nicht vergessen, weil er so gut ist.
After one hit these niggas just can't quit it
boastin'-Zeile und double talk von hit: a) nach
dem ersten Stoß im sexuellen Akt können
sie nicht mehr aufhören. b) Cakes ist wie
eine Droge, nachdem sie sie einmal
probiert haben, kommen sie nicht mehr
davon weg.
And I bust it open and twerk it just like I’m boastin'-Zeile: Er spreizt seine Pobacken
stripping
und twerkt damit, als ob er strippen würde.
Bow!
Hier baut Cakes eine Doppeldeutbarkeit
von it: a) allgemein es, b) sein Hintern.
Nun könnte das „quit“ in der
[Hook]
vorhergegangenen Zeile auch das
räumliche Verlassen meinen, das sein
Partner einfach nicht mehr kann, nachdem
er einmal drin ist.
[Verse 2]
Keep a bitch the same color as the frontal Cakes, der sich schon in der ersten Strophe
als bitch bezeichnet hat, möchte die gleiche
Farbe haben, wie the frontal, also der
Intimbereich einer Frau: rosa.
She so sick lay the pussy pon your frontal
punnin'-Zeile: a) Lege die Frau hin und
stecke deinen Vorderbereich hinein. Dass
Cakes das Wort pon für put benutzt, was
ursprünglich aus dem karibischen slang
kommt,171 könnte auch auf die Bedeutung
von pon = kurz für Tampon hindeuten.
Cakes disst damit die weibliche pussy, die
im Gegensatz zur mussy menstruiert.
Stop it 5 for we hit you with the 1-2
boastin'-Zeile und double talk: Lass es sein, du
bist nur eine 5 = durchschnittlich attraktive
Person. Cakes dagegen gibt dir das one-two:
die manuelle Befriedigung einer Frau.
Schooling y’all to all the shit that a cunt do boastin'-Zeile: Und dabei zeigt er euch
allen, wie cunts, also schwule Männer, es
tun.172
171Siehe Chino – Pon Your Head, Aidonia – Pon Your Toe oder Rihanna – Pon de Replay
172Der Begriff cunt für schwule Männer ist erst seit einigen Jahren gebräuchlich. So ist der erste Eintrag
auf www.urbandictionary.com, der cunt als Feminine Male oder Gay Man bezeichnet von 2009
(http://de.urbandictionary.com/define.php?term=cunt, Eintrag 453).
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
And when we kick it we ain't talking bout
the kung fu
54
double talk: Er spricht nicht von Kung-Fu
wenn er sagt „We kick it“. Vermutlich
bezieht er sich eher auf den sexuellen Akt.
I’m dumb young but still grown enough to boastin'-Zeile: Cakes ist gerade mal 23 Jahre
alt, aber trotzdem ist er alt genug, dich wie
son you
seinen Sohn zu behandeln.
But I’m sick a parlaying with you
wannabees
dissin'-Zeile: Aber er hat genug davon, mit
euch Pseudos zu diskutieren, die sich nicht
trauen, zu sagen was er sagt und ihm
deswegen Vorwürfe machen.173
So I’ma dip real sick in my dungarees
Darum verschwindet er in seine Jeans.
Dungarees ist ein New-Jersey-typischer
Begriff für diese Hose.
Check it - I keep a trade in my clutch
double talk: Und was findet er dort? Cakes
hat immer noch Aktien in der Klaue. Er
hat immer noch Kohlen im Feuer. Er spielt
noch mit.
And I never gave a fuck so I do what I
want
boastin'-Zeile: Cakes war schon immer egal,
was die Leute von ihm denken. Er tut und
sagt was er will.
Spitting all up in your ear with your hand
on my butt
boastin'- und markin'-Zeile: Zum Beispiel
rappt und spuckt er dir ins Ohr, während
deine Hand auf seinem Hintern liegt. In
Wahrheit bist du also scharf auf Cakes.
Cause my shit come tighter then a drag
when she tuck, what (yessss)
boastin'-Zeile und double talk: Denn sein shit
(wieder: a) Skills, b) sexuelle Fähigkeiten
und Körperbereiche) kommt tight.
Doppelbedeutung tight: a) wenn eine Drag
Queen ihren Penis verstecken will, klemmt
sie ihn zwischen den Beinen ein (= tuck). b)
der Begriff tight ist im HipHop positiv
konnotiert mit einem guten, rhythmisch
präzisen Flow. Gleichzeitig ist eine enge
Geschlechtsöffnung eine im HipHop
positiv konnotierte Eigenschaft einer
Frau.174 Dass Cakes' shit tight ist, ist also hier
eine – für einen Rapper eher
außergewöhnliche – weitere boastin'Möglichkeit.
173„Ich bin ein Heiliger mit Engelsgesicht, aber offenbar gefällt den Leuten nicht, was aus meinem Mund
kommt!“, http://videos.arte.tv/de/videos/cakes-da-killa--7711846.html 02:07-02:20 Min.
Übersetzung: arte_tracks
174http://de.urbandictionary.com/define.php?term=tight+pussy
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
55
But what you really tryna do
markin'-Zeile: Du kommst mit deiner crew
Seen you at the bar looking cute with your in den club, was im HipHop traditionell
crew
Macht und Gefahr ausdrückt. Was du
allerdings wirklich versuchst, ist süß
auszusehen,
In my DMs tryna rendezvous
boastin'-Zeile: ...und in Cakes Direct
Messages (Twitter) ein Treffen mit ihm
auszumachen,
Just to see if what you heard about cakes is boastin'-Zeile und double talk: ...um zu sehen
true (what)
was du über Cakes (Doppelbedeutung: a)
er, b) Ärsche)175 gehört hast, wahr ist.
[Hook]
[Bridge x4]
That's the power, that's the power of my
good good
That's the power, that's the power of my
goodies goodies
[Verse 3]
No time for wasting
boastin'-Zeile: Was er gerade beschrieben
hat – und was du gerade merkst – ist die
Macht seiner kleinen Süßigkeiten.
runnin' it down-Zeile: Cakes hat keine Zeit,
der er verschwenden kann.
If cakes come through I’m straight riding
faces
boastin'-Zeile und double talk: Wieder spielt
Cakes mit der Doppelbedeutung von
straight. außerdem mit der
Doppeldeutbarkeit von cakes come through,
die afluf dem Auslassen des „s“ in der
dritten Person im BAE (Black American
English) beruht: a) wenn sich Hintern
zeigen, b) wenn Cakes Da Killa kommt.
Baby lose the top and untie them laces
Zieh dich aus, baby!
Remove the jockstrap 'for I lose my
patience
Der jockstrap ist eine Unterwäsche zum
Hodenschutz beim Sport. Nachdem Cakes
eine Zeile gerappt hat, die sich auf Grund
von lose the top und baby (s. Punkt 3.2 dieser
Arbeit) eher auf eine Frau beziehen
könnte, macht er also direkt wieder
deutlich, dass er explizit einen Mann
meint.
Hit me on grindr so I know where to find
ya
Grindr ist eine app um andere schwule
Männer im Umkreis zu finden und
175http://videos.arte.tv/de/videos/cakes-da-killa—7711846.html, 3:48 Min.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
56
gegebenenfalls zu daten.
Pull up in your crib in your new pathfinder Doppeldeutung: Cakes rappt nicht, wie
oftmals falsch angegeben „Pull up to my
crib in your new pathfinder“. Er spielt
vielmehr mit der Doppelbedeutung von
pull up: a) anhalten und b) ejakulieren. Ein
neuer Nissan Pathfinder ist um einiges
besser als der Honda Civic aus der ersten
Strophe, zu dem er hier wieder den Bogen
schlägt. Entweder kommt Cakes hier selbst
zum Orgasmus oder er fordert seinen
Gesprächspartner dazu auf.
Smelling like sex with a twist a the ganga
Du riechst/Cakes riecht nach Sex, mit
einer Mischung Marihuana.
Thing in your lap looking like it’s a
problem
markin'-Zeile und double talk:
Mehrdeutbarkeit: Zum Einen könnte die
vorhergegangene Zeile darauf schließen
lassen, dass das „Ding in deinem Schoß“
nach dem Marihuanakonsum ein Problem
damit hat zu wachsen.176 Zum Anderen
könnte es bedeuten, dass Cakes nach
Marihuana riecht und dein Penis ein
Problem damit hat und sich aufrichtet, sich
groß macht, sich hart macht und
„aufmuckt“.
Dripping sweat I’ma need a fucking bucket markin'-Zeile: Das „Ding in deinem Schoß“
tropft (vor Schweiß?) so stark, dass Cakes
einen Eimer braucht.
Soaking wet, biting pillows, pulling covers
boastin'-Zeile: Klatschnass, Kissen beissend,
Bettlaken ziehend: Der Sex mit Cakes ist
wild und macht dich verrückt!
Don’t beg cause you have it if you want it
boastin'-Zeile: Cakes ist weiterhin Lehrer.
Und er ermahnt dich: Nicht betteln! Wenn
du es willst, kannst du es haben.
Don’t be greedy I got seconds in the oven
boastin'-Zeile und punnin': Und sei nicht
gierig! (Papa) Cakes hat noch einen
Nachschlag für dich im Ofen. Hier greift
er wieder die Allegorie des Kochens auf,
mit der Doppelbedeutung von oven: a)
Ofen, b) Vagina
[Outro 4x]
You think you're ready
Jetzt kennst du Cakes und seine Goodie
176http://www.shortnews.de/id/878712/cannabiskonsum-kann-erektionsstoerungen-verursachen
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
57
You think you're ready for this good good? Goodies. Meinst du, du bist bereit dafür?
You think you're ready
Think you're ready for these goodie
goodies?
5.2.2 Flow-technische Skills
Auch wenn im Zusammenhang mit Cakes Da Killa seine flow-technischen Fähigkeiten
zu weniger Begeisterungsausbrüchen und Vergleichen führen, als es bei Angel Haze der
Fall ist, möchte ich im Folgenden kurz zwei Beispiele betrachten, die mir
außergewöhnlich erscheinen.
Wie bei Angel Haze möchte ich wieder mit dem Anfang beginnen, da er, wie gesagt, oft
intuitiv geprägt ist und deswegen interessante Einblicke in die Skills eröffnet. Im Intro
und Refrain von „Goodie Goodies“ sind die hochgepitchte Stimme und Cakes' eigene,
hoch intonierte Stimme von einem durchgehenden Achtelbeat unterlegt, der ohne Bass
und sehr Snare-lastig daherkommt. Als Cakes' Rap einsetzt, fällt alles auf einmal ab, es
kommt ein liegender Synthie-Bass dazu, der Puls geht von Achteln zu Vierteln und die
Snare verschwindet völlig. Diesen Frequenz- und Inhaltsabfall übernimmt auch Cakes
in seinem Flow. So zieht er besonders in der ersten Zeile „Let's get it straight, swerve up
in it“ die Konsonanten [l] in Let's und [sw] in swerve gleich einem crescendo177 in die
Länge, um dem anschließenden, öffnenden Fall in die Vokale mehr Fülle zu geben.
Zusammen mit dem Abfall seiner Stimme, auf den ich in Punkt 5.3 eingehen werde,
und dem nun „dickeren“ Beat vermittelt der Anfang so einen sehr satten, autoritärcoolen Eindruck.
177Crescendo (ital. „wachsend“): ein in der Musik gebrauchter Begriff für eine dynamische (Lautstärke)
Steigerung
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
Abb.2
An diesem Beispiel (Abb.2) finde ich zwei Punkte interessant. Zum einen ist es die
Dramaturgie, in der die ersten beiden Zeilen sehr rhythmisch prägnant und recht leer
bleiben und die beiden letzten dafür sehr voll sind. Zum anderen ist es der Bezug des
Flows zum Inhalt.
Die blau markierten Worte und Töne in den ersten beiden Zeilen werden von einer
58
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
59
stark hochgepitchten Stimme gerappt, was den Effekt des Aus-dem-Flow-Gehens noch
verstärkt. An dieser Stelle gibt es einen Wechsel im von JXCannon produzierten
Instrumental, das größtenteils aus zwei gelegentlich variierten, alternierenden Teilen
(und einem Schlussteil) besteht. Der dem Beispiel vorhergegangene Part war, wie gesagt,
von einer Achtel-Bassdrum-Figur ohne Bass geprägt, die mit Sechzehnteleinwürfen der
Snare und des Samples gespickt war. Da passt in diesem nun folgenden zurückgelehnten
Teil, in dem der liegende Bass wieder einsetzt, eine ruhigere Bewegung sehr gut, und
auch das Freilassen der Zählzeit 1 von Cakes' Rap hilft dem Bass, sich in den
Vordergrund zu drücken. Durch den Fortgang der Achtelbewegung, den einsetzenden
Synthesizer-Bass und die zur Unnatürlichkeit gepitchten (aber sehr menschlich
artikulierten), rhythmisch zerschnitten wirkenden Silben entsteht in den ersten zwei
Zeilen ein recht artifizieller Eindruck, der nur durch Cakes natürlich gerappte Teile von
der Zählzeit 1u bis einschließlich Zählzeit 2u gebrochen wird.
Diesem breiten, künstlich abgehackten Teil setzt Cakes direkt im Anschluss eine
schnurgerade Sechzehntelkette entgegen, die weder in der Tonhöhe noch im Rhythmus
große Ausschläge liefert. Dafür wirft sie nun starke, sequenzierende off-beat-Akzente ein,
auf derselben Zählzeit wie die erste gepitchte Silbe, auf der 2ue. Diese
Sechzehntelsequenz erstreckt sich über eine Länge von zwei Vierteln (mit Betonung des
backbeats auf den Zählzeiten 2 und 4) und bildet wieder, wie in dem Beispiel von Angel
Haze, einen halbtaktigen Vierzeiler. Cakes entwickelte sie in meinen Augen intuitiv,
einerseits um einen Gegensatz zu den ersten beiden Zeilen zu bilden und andererseits
um eine Referenz zum Inhalt zu schaffen, der aus einer Kochsendung oder einem
Rezeptbuch stammen könnte: „See I bend it and drop it, before I tick it and tock it, and
cakey season and jerk 'em, before I stick em and twock em.“ Kurze, knackige Sätze und
gerade die grammatikalische Nachlässigkeit der Zeile „and cakey season“, der das Verb
fehlt, erinnern an Handlungsbeschreibungen eines Fernsehkochs, bzw. einer
Fernsehköchin. In Eile beschreibt Cakes während des Biegens, Wendens, Einreibens und
Feststeckens, was er gerade tut, damit die Zuschauer es nachvollziehen können. Erst am
Ende der letzten Zeile nimmt Cakes sich Zeit, um das „twock 'em“ etwas in die Länge
zu ziehen, mit der gleichen Intention wie Angel Haze, nämlich ein boastin'-Element
einzubauen: obwohl er so schnell und dicht gereimt gerappt hat, ist er weder gestresst
noch außer Atem und hat noch Ruhe, das „twock 'em“ zu dehnen.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
60
5.3 Authentizität und Stimme
Das Merkmal der Authentizität ist auch bei Cakes Da Killa wichtig, jedoch in einem
anderen Zusammenhang als bei Angel Haze. Denn wie erwähnt ist seine Biographie
nicht so starkes inhaltliches Thema seiner Musik, wenngleich sein Mode-Studium
natürlich visuell deutlich ist. Sein aktuelles Leben und sein Lebensstil hingegen ist
grundlegend für seine Raps und Inszenierung und in diesem Zusammenhang spielt
auch die Authentizität eine besondere Rolle bei ihm. Nicht nur in der westlichen Kultur
herrscht teilweise stumme Übereinkunft darüber, dass die exaltierte, „tuntige“ Art
mancher homosexueller Männer, die auch Cakes Da Killa zeigt, nicht authentisch
sondern „aufgesetzt“ ist, also nicht der Natur desjenigen entspricht. 178 Durch die relativ
leichte Erkennbarkeit ist tuntiges Verhalten in unserer Gesellschaft bereits so klischeehaft
geworden, dass zahlreiche Comedians wie Bastian Pastewka (in seiner Rolle als Brisko
Schneider) oder Michael „Bully“ Herbig (in seinen Filmen „Schuh des Manitu“ oder
„Traumschiff Surprise“) es in teilweise sehr eindimensionalen Rollen parodierten.
Eventuell jedoch auch durch diese Parodisierung, die ihre Hochphase von Ende der
90er bis Mitte der 2000er hatte, hat sich tuntiges (cunt-) Verhalten vielerorts etwas
etabliert und auch ich empfinde es selten als unauthentisch. Objektiv betrachtet ist bei
Cakes die Authentizität auf den ersten Blick sogar augenscheinlicher als bei Angel Haze,
da sich seine Inszenierung in Interviews nur minimal von der in seinen Stücken
unterscheidet. Die gleichen exaltierten Lacher und vielsagenden Blicke, die er in
„Goodie Goodies“ zeigt, lassen sich auch in den wenigen Interviews finden, die ich mit
ihm gefunden habe. Was sich allerdings stark zwischen Interview und Rap
unterscheidet, ist seine Stimme. Hier fällt auf, dass Cakes sein Dasein als cunt nicht im
Widerspruch zu einem aggressiven und tief intonierten Rapstil steht. „Goodie Goodies“
beginnt mit der hochgepitchten Stimme, die ich bereits in Punkt 5.2.1 beschrieben habe.
Für Zuhörer_innen, die Cakes noch nicht kennen, ist der Einsatz seines Raps daraufhin
sehr überraschend. Seine Stimme ist auf einmal um einiges tiefer als im Refrain – und
daher als vermutet – was gemeinsam mit der in Punkt 5.2.2 beschriebenen, autoritärcoolen Artikulation erstmal einen Widerspruch zu den femininen Gesten und der rosa
candy-Schrift im Refrain schafft. Es ist also die Stimme, über die Cakes deutlich macht,
dass er nicht so eindimensional ist, wie man ihn gegebenenfalls vermutet hat. In ihm
stecken eben der feminine, homosexuelle Cakes und gleichzeitig der aggressive,
178Mit Bezug auf die Überlegungen Butlers zur nicht vorhandenen inneren Notwendigkeit
heteronormativer und geschlechtsdichotomer Stereotypen in Abschnitt 2 dieser Arbeit, ist die Frage,
inwiefern andere, akzeptiertere Inszenierungen weniger „aufgesetzt“ sind.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
61
dominante Da Killa.
5.4 Visuelle Inszenierung im Videoclip
Im Gegensatz zu „New York“ ist Ja'Tovia Garys Videoclip zu „Goodie Goodies“ nicht
als Story konzipiert, obwohl Cakes' Text mehr Story bietet als der von Angel Haze.
Stattdessen inszenierte sie ihn als farbenfrohes Showcase179, das Cakes in verschiedenen
Farben, Kleidungen und Schminke zeigt. Schon der Titel erscheint in einer rosa Schrift,
die an candy, extrem süße Lutscher und buntes Cupcake-Topping erinnert.
Dementsprechend ist auch der Hintergrund rosa und trägt Cakes selbst künstliche
Wimpern und eine Art Sahnehäubchen aus weißen Plastikrosen, die später als Blickfang
an der Pofalte eines Tänzers wieder auftauchen. Der Bezug zu den Goodies, die ich als
Süßigkeiten übersetzt habe, ist also auch visuell sofort gegeben, später (01:09 Min.)
taucht Cakes geschminkt wie ein Cupcake-Topping selbst auf, voller Glitzer, Lippgloss
und rosa Make-Up, das an Zuckerguss erinnert. Schon beim Cover von „Easy Bake
Oven“ hatte Cakes sich als Schleckermäulchen mit von Sahne verschmiertem Mund
gezeigt. Es ist klar: Cakes zeigt sich wie er ist, ohne Rücksicht auf Traditionen: als
farbenfrohe, sexy cunt.
Auch er bedient gewisse visuelle Klischees von HipHop-Videos, zum Beispiel mit den
Tänzern.180 Allerdings hat er nicht die stereotypen weiblichen Tänzerinnen, sondern
zwei schlanke, halbbekleidete Männer, die in weichen, also „weiblichen“ 181 Bewegungen
synchron zur Musik tanzen. Gemeinsam tauchen alle drei nur an einer Stelle im Video
auf, die jedoch ähnlich wie bei Angel Haze zu einer Inszenierung Cakes' als Anführer,
bzw. Zentrum der Gruppe führt. Bei 01:42 Min. zeigt sich Cakes mittig positioniert vor
den beiden Tänzern und wedelt sich – ähnlich wie ein weiblicher Filmstar aus dem
50ern – mit der Hand Luft zu, während er verführerisch lächelnd und lachend nach
oben blickt. Seine beiden Tänzer bewegen sich in diesem Moment nur wenig. Das
Video lebt von Cakes' tuntig-exzentrischer Energie und Mimik, die ihn immer neue
Reize hervorbringen lässt. Er zwinkert, leckt sich über die Lippen, klimpert mit den
Wimpern, zeigt einen Schmollmund, blickt von unten in die Kamera herauf und
streichelt sich mit der Hand über die Wange: visuelles boastin': Cakes hat mehr
179Eine Produktpräsentation jeglicher Art.
180„Im Mittelpunkt dieser (HipHop-, Anm. des Verfassers) Videos steht meist ein (korpulenter) Rapper,
an dessen Seite sich halbnackte, superschlanke Frauen als ,schmückendes Beiwerk' inszenieren.“
Siemoneit 2010, S. 12, Z. 8-10
181Mit dieser Bezeichnung möchte ich auf die tradierten Kategorisierungen Bezug nehmen, die ich in
Fußnote 19 aufgeführt habe. Der Eindruck, dass weiche Bewegungen weiblich sein sollen (und damit
harte männlich), soll nicht entstehen.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
62
Sexappeal als jede Frau.
6. Ausblick
Angel Haze hat Femcees neue Möglichkeiten geschaffen. Die Analyse erweckte nicht
den Eindruck, dass sie sich mit Hilfe einer der vier großen weiblichen Stereotype im
HipHop inszeniert, die Cheryl Keyes aufgestellt hat: „Queen Mother“, „Fly Girl“,
„Sista With Attitude“ und „Lesbian“.182 Gleichzeitig bricht sie damit aus der räumlichen
Begrenzung seitens männlicher Rapper aus, indem sie sich (durch ihre Skills) aus der
Etikettierung „Femcee“ gelöst hat. Die Zeit war reif für Angel Haze und Angel Haze
hat sich ihre Zeit selbst gemacht, durch ihre kompromisslose Authentizität – sowohl was
ihre Geschichte und ihre Ziele als auch was ihre Sexualität betrifft – und durch ihre
Skills. Gleichzeitig hat sie von Anfang an sowohl die bitches in ihren Texten gedisst, als
auch die Seite der Frauen eingenommen, bereits auf dem ersten Track ihrer ersten
Veröffentlichung „Classick Mixtape“ (ihrer Version von Lupe Fascos „Bad Bitch“), in
dem sie misogyne Klischees und Tradierungen reflektiert und kritisiert. „I had to
embarrass Lupe Fiasco because he did it all wrong. He did the woman-shaming, 'It's
your fault, bitch' thing. The feminist in me wouldn't let this live. For me, it was important
to portray what he couldn't."183 Auch die Art und Weise, wie Frauen im HipHop
vermarktet werden, kritisiert sie im Interview mit BBC im Mai 2013: „I have (...) a
specific problem with women in HipHop, cause (...) certain people don't know how to
market women without pitting them against each other.“184 Dass sie selbst sich diesen
äußeren Einflüssen erwehren kann, zeigte der beef mit Azealia Banks, den die beiden
schließlich beendeten, bereuend, dass er so eine große Öffentlichkeit erlangt hatte. 185
Angel Haze ist ein Popstar geworden ist. Das zeigen nicht nur ihre neuerdings perfekten
Zähne und die Dauerwelle im Ombré-look – von ihrem burschikosen Aussehen und den
auseinanderstehenden Zähnen auf dem Cover der Reservation EP weit entfernt. Auch
die erste Single ihres jüngst erschienen Albums „Dirty Gold“ „Battlecry“ ist eine Hymne
im Stile Eminems „Stan“ oder Rihannas „Love The Way You Lie“ und featuret die
Sängerin Sia, die 2011 einen Hit mit Popproduzent David Guetta hatte. Wieder
behandelt der Text Haze' Biographie und den Missbrauch, den sie als Kind erleben
182Keyes 2006, S. 266
183http://www.theguardian.com/music/2013/jan/31/rapper-angel-haze-religion-rape-survival
184http://www.youtube.com/watch?v=5TQuGNqrbow, 02:10 Min ff.
185Angel Haze: „It shouldn’t have happened on such a public platform, so that’s all I regret.“,
http://rapfix.mtv.com/2013/03/18/azealia-banks-and-angel-haze-make-peace-after-twitter-beef/
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
63
musste. Es ist ein radiotauglicher „Schlachtruf“ für alle hilfsbedürftigen Menschen
draussen, ohne double-time Raps, boastin'-Techniken und allzu unverständliche
Mehrdeutbarkeiten. Der Videoclip ist aufwendig produziert und zeigt Angel Haze als
wunderschöne, gelockte Frau. Aber einzelne ungewohnte Eindrücke bleiben hängen,
wenn Angel Haze sich im Kleid nicht bewegt wie Beyoncé oder Rihanna, sondern wie
Pharell Williams. Auch die anderen Stücke ihres Debut-Albums verlassen den rohen,
urbanen Sound ihrer beiden Erstveröffentlichungen und klingen stellenweise mehr nach
David Guetta als Angel Haze (beispielsweise „Echelon“). Aber dennoch drängt sich bei
allen Stücken wie im Videoclip in den Vordergrund, was bei Angel Haze schon immer
im Vordergrund stand: Sie ist eine Rapperin.
Die Zeit scheint reif für Femcees, vielleicht sogar für jene, die neue Inszenierungen
wagen. Die aus Australien stammende Rapperin Iggy Azalea, die im Dirrrty South-Stil
und bei dem Label „Grand Hustle“ ihr zu Hause gefunden hat, verkörpert den
amerikanischen (HipHop-) Traum „From rags to riches“ und feiert als weiße Rapperin
mit den Flow-Skills eines Eminem (beispielsweise in „Work“) riesige Erfolge. Mit einer
Mischung aus jungem, naivem Mädchen, das nicht versteht, warum die Frage nach der
Hautfarbe im HipHop so ein „Big Deal“ sein muss 186 und die ihre Ex-Freunde an einer
Hand abzählen kann, und aus einer Ex-Stripperin, der man „auf Konzerten (...) schon
mal an den Arsch langen“187 darf, schafft sie es, ein authentisches, wenngleich weibliche
Stereotype erfüllendes Selbstbewusstsein zu verkörpern. 2014 kommt ihr Debut-Album
„The New Classic“ heraus. Die New Yorker Kunststudentin Azealia Banks, 2012 mit
dem Track „212“ durch ihren synkopischen, dichten Flow und aggressiven Rap zu
einem Hype geworden, inszeniert sich als „Young Rapunxel“ in einer Mischung aus Rap,
Elektro und Rock als bad bitch188 und spielt Privatkonzerte bei Karl Lagerfeld. 2014
erscheint ihr Debut-Album „Broke with Expensive Taste“. Und auch im Untergrund
treten immer mehr weibliche MCs auf den Plan. Gift-uh-gab aus Washington
beeindruckt mit tighten Flows auf Eminems „Dead Wrong“. Und Awkwafina aus New
York erreicht mit ihrem Song „My Vag“, in dem sie auf humorvolle Weise die Vorzüge
ihrer Vagina anpreist, die „50 mal besser als ein Penis“ ist, sogar 700.000 Klicks bei
YouTube. In ihrem aktuellen Song „Queef“ inszeniert sie sich als Befreierin ihrer
„Schwestern“ und fordert sie auf, öfter öffentlich zu „queefen“, also den Flatus Vaginalis
186http://www.complex.com/music/2013/09/iggy-azalea-interview-complex-cover-story/page/2
187http://www.br.de/puls/musik/bands/iggy-azalea-portraet-100.html, Z. 33-35
188Michael Rappe bezeichnet die bad bitch als eine Form des Jezebel-Typus, mit der positiven Bedeutung
bad als aggressiv, arrogant und trotzig. Rappe 2010, S. 197
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
64
wehen zu lassen.189 2014 veröffentlicht sie ihr Debutalbum „The Yellow Ranger“. Ein
derartiger Umgang mit dem eigenen Geschlechtsteil ist unter männlichen Rappern
normal, 2014 ziehen die Femcees also nach. Wie weit sich diese Inszenierungen fernab
der gesamtgesellschaftlichen dichotomen Geschlechter-Stereotype in der Öffentlichkeit
jedoch durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Der Erfolg, den „klassische“ und die
Stereotype erfüllende Femcees wie Iggy Azalea oder Nicki Minaj haben, ist auf einem
ganz anderen Level als der Angel Haze' oder Awkwafinas. Und die (nicht nur
äußerliche) Veränderung, die Angel Haze seit der Veröffentlichung der Reservation E.P.
durchgemacht hat, zeigt, dass sie nun einer massenmedialen Inszenierung als Popstar
gerecht werden muss.
Auch Cakes Da Killa ist auf einem aufsteigenden Ast und hat eine rosige Zukunft vor
sich – zwei Ausdrücke, die ihm selbst wahrscheinlich gefallen würden. Wie ich in Kapitel
3.3 dieser Arbeit dargestellt habe, waren die Zeiten nie besser für Queer-Rapper_innen
als 2014, vor dem Hintergrund des Paradigmenwechsels im HipHop im Laufe der
letzten 10 Jahre. Nico Lang hatte im November letzten Jahres, wie in der Einleitung
erwähnt, 10 Queer-Rapper_innen vorgestellt, die man statt Eminem hören sollte – der
Artikel war eine Reaktion auf die fortgesetzte Nutzung des Wortes faggot als Beleidigung
auf Eminems Marshall Mathers LP 2.190 Dort präsentiert er neben Angel Haze, Azealia
Banks und Cakes Da Killa auch Ms. Mykki Blanco, die als Alter Ego von Michael
Quattlebaum Jr. entstand und ein jugendliches Mädchen ist, das „cute and criminally
insane“ ist.191 außerdem Big Dipper aus Chicago, einen dicken, weißen, sexbesessenen
Rapper, der mit der Aggression eines Celph Titled rappt und der vom Vice Magazin als
„Nicki Minaj plus ein schwuler Bär“ bezeichnet wurde. 192 Oder Big Freedia aus New
Orleans, der in einer absolut tanz-zwingenden Shouting-Mischung aus KRS-One und
Fatman Scoop 2013 einen neuen Massen-twerkin'193-Weltrekord aufgestellt hat. 194 Oder
den Ballett-Tänzer JbDubs, von der Huffington Post mit Beyoncé verglichen, der in
seinem Video zu „I Hate My Job“ in Krawatte und Hemd, aber beinfrei und in High189http://www.youtube.com/watch?v=Zs6-o7Ci8J0
190http://www.salon.com/2013/11/16/10_queer_rappers_you_should_be_listening_to_instead_of_emi
nem/
191"'Mykki has two sides: Cute and criminally insane,' explains Quattlebaum.“,
http://pitchfork.com/features/articles/8793-we-invented-swag/
192http://www.vice.com/read/nicki-minaj-plus-a-gay-bear-equals-chicagos-the-big-dipper
193Twerkin': ein Tanzstil, bei dem hauptsächlich ruckartige Bewegungen der Hüfte ausgeführt werden, die
zu einem Zittern der Pobacken führt.
194http://www.fuse.tv/2013/09/big-freedia-twerking-guinness-world-records
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
65
Heels tanzt und rappt.195 Und natürlich Le1f, dessen Video zu „Wut“ auf youtube.com
über 2.200.000 mal geklickt wurde.
Die Vielfalt von Queer-Rapper_innen ist enorm. Über Cakes Da Killa selbst erschien
Anfang 2014 eine Dokumentation der „Goodie Goodies“-Regisseurin Ja'Tovia Gary, die
inzwischen auf internationalen Festivals läuft. Doch auch hier bleibt abzuwarten,
inwiefern sich queere role models im HipHop durchsetzen können. außerhalb des
liberalen New York, das neben Cakes Da Killa und Angel Haze auch Mykki Blanco,
Azealia Banks, Le1f, Zebra Katz und House of LaDosha beherbergt, fällt die Akzeptanz
von queer rap weitaus geringer aus. Wie Carrie Batan es in dem 2012 bei pitchfork.com
erschienen Artikel „We invented Swag: NYCs Queer Rap“ formuliert: „it's easy to
applaud topical gestures of gay acceptance without demanding to see them applied on a
tangible, more mainstream level“.196 Ein deutliches Beispiel dafür bringt sie mit Bezug
auf Rapper A$AP Rocky, dem jüngst viel Anerkennung zuteil wurde, weil er sich selbst
im Stile der afroamerikanischen Dandys des 19. Jahrhunderts als „pretty“ bezeichnet
und Homophobie im HipHop als „unreif“ bezeichnet hatte, nachdem ihm bewusst
geworden war, dass nahezu alle seine bevorzugten Modedesigner schwul waren. Er hatte
2011 in einem Interview mit der Autorin gesagt, dass ihn eine Gruppe schwuler Männer
mit ihrem „cult-chant-shit“ geängstigt hatten: „I was scared. I guess that's what happens
when square motherfuckers hear my music and shit."197 Und auch Angel Haze stellt fest,
dass die Situation homosexueller Menschen im HipHop nicht besser werden kann,
wenn sie sich nicht gesamtgesellschaftlich ändert. Mit Bezug auf Macklemores und ihr
„Same Love“ sagt sie:
„Nothing's changed in America. We're glad you liked that song, we're
glad you're (...) applauding the guy for coming out and (...) blatantly
stating his support for gay people in music, in life or anything like that.
But, are you doing anything to change shit? If not: fuck you and your
opinion, it doesn't really matter.“198
Ich habe jedoch das Gefühl, dass sich bereits viel getan hat. Dass überhaupt GenderInszenierungen wie die Angel Haze' oder Cakes Da Killas im HipHop möglich sind, ist
bereits eine starke Veränderung zu den Möglichkeiten vor 10 Jahren. Wie der zitierte
Artikel von Nico Lang zeigt, gibt es im HipHop viele Leute, die keine Lust mehr auf
Misogynie, Homophobie und Gewaltverherrlichung haben. HipHop ist eine
authentische Musik, HipHop sollte authentische Botschaften vermitteln. Um mich
195http://www.huffingtonpost.com/2011/12/11/jbdubs-i-hate-my-job_n_1141934.html
196http://pitchfork.com/features/articles/8793-we-invented-swag/
197http://pitchfork.com/features/articles/8793-we-invented-swag/
198http://www.youtube.com/watch?v=lYLTwed4NH0, 01:30 min. ff.
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
66
einmal selbst zu zitieren: „Deine Meinung ist dagegen zu sein, aber HipHop ist
Gesamtschule, jede(r) darf rein“. Für mich persönlich war die HipHop-Kultur schon
immer eine des Zusammenhalts, der gegenseitigen Unterstützung. Als darum Mitte der
2000er Aggro Berlin immer größeren Erfolg hatte und von immer mehr
Außenstehenden die komplette HipHop-Kultur mit Gangsta-HipHop gleichgesetzt
wurde, zog ich mich aus ihr zurück, weil auch ich das Gefühl hatte, zu vielen positiven
Menschen wäre die Kultur zu aggressiv geworden. Tricia Rose zitiert verschiedene
Frauen, denen es ähnlich ging. So sagte die Tochter eines ehemaligen HipHop-Fans, als
die beiden an einem Auto vorbeigehen aus dem laute, sexistische Musik schallt:
„ They're hurting me, Mommy. (...) They're hurting my feelings.“ 199 Aber ich merke
immer stärker den affirmativen, verbindene Kraft der immer noch existenten HipHopKultur. Während meine als allgemeine Musiklehrerin arbeitende Schwester sich darüber
beklagt, dass Kinder heutzutage überhaupt kein Körpergefühl mehr hätten und
niemand sich traue zu tanzen, treffen sich auf Tanzveranstaltungen von „Köln tanzt!“
einmal im Monat mehrere hundert Jugendliche aller Couleur zwischen 10 und 25
Jahren, feiern Jams und tanzen ungezwungen mit- und voreinander. Ein befreundeter
DJ aus Köln – DJ Burnt – , der seit Jahren jede Woche eine umsonst- und für alle
Freestyle-Cypher im Underground organisiert, sagte mir letztens, dass HipHop noch nie
so groß wie heute gewesen wäre, nur um direkt nach zu schieben dass zu viele von den
Kids schlecht und aggressiv rappten, weil sie sich an den falschen Rappern orientierten.
Aber wie die in Köln lebende Rapperin Akua Naru sagte im Interview mit Esther
Donkor: „We all love HipHop, we all grew up on HipHop why should HipHop be
male.“200 HipHop ist immer noch am Leben und in welche Richtung die Kultur sich
entwickeln wird, das bestimmt jede und jeder von uns, der in ihr aktiv ist.
Literaturliste:
Campbell, Kermit E.. 2005. Gettin' Our Groove on : Rhetoric, Language, and Literacy for the Hip
Hop Generation, Detroit
Dietrich, Thomas. 2009. „Dein Will' ist mir Gesetz“ und „Deine Liebe sey mein Lohn“ :
Hegemoniale Geschlechterordnung, Musiktheorie und Haydns Schöpfung. In: KreutzigerHerr, Anette und Losleben, Katrin: History, Herstory : Alternative Musikgeschichten,
Köln 2009, S. 140-154
199Rose 2008, S. 127, Z. 1-4
200Donkor 2014, S. 74, Z. 7-10
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
67
Donkor, Esther. 2014. Bitches & Queens : Frauen im U.S. HipHop. Norderstedt
Hörner, Fernand und Kautny, Oliver (Hg.). 2009. Die Stimme im HipHop : Untersuchungen
eines intermedialen Phänomens. Bielefeld
Keyes, Cheryl L. 2000. Empowering Self, Making Choices, Creating Spaces : Black Female Identity
via Rap Music Performance. In: The Journal of American Folklore, Vol. 113, No. 449
(Sommer), College Station, Texas 2000, S. 255-269
Kolesch, Doris und Krämer, Sybille (Hg.). 2006a. Stimme. Annäherung an ein Phänomen.
Frankfurt am Main
Mecheril, Paul. 2003. Kulturelle Identität : Anmerkungen zur pädagogischen Brauchbarkeit einer
Perspektive. In: SchulVerwaltung. Spezial, Bonn 2003, S. 11-13
Rose, Tricia. 2008. The Hip Hop Wars : What We Talk About When We Talk About Hip Hop –
and Why It Matters, New York
Rose, Tricia. 1994. Black Noise : Rap Music and Black Culture in Contemporary America,
Middletown
Rappe, Michael. 2010. Under Construction : Kontextbezogene Analyse afroamerikanischer
Popmusik, in: Jacobshagen, A. und Stöger, C: musicolonia, Band 6.1, Köln 2010
Schröder, Johanne. 2012.
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Sonstige:
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http://rapgenius.com/Angel-haze-new-york-lyrics
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http://rapgenius.com/2554931/Beyonce-drunk-in-love/Im-swerving-on-that-swervingswerving-on-that-big-body-been-serving-all-this-swerve-surfing-all-in-this-goodgood
Twitter:
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Angel Haze Interview 2013 : I Don't like rap music that much nowadays... Hochgeladen von
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Angel Haze talks growing up in a Cult. Hochgeladen von BBC Radio 1Xtra. 2013.
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Angel Haze on Miley Cyrus, THAT Kendrick verse and Hunger Games. Hochgeladen von
"Noisey". 2013. http://www.youtube.com/watch?v=lYLTwed4NH0
"Cakes Da Killa: NO HOMO". Hochgeladen von AFROPUNK. 2014.
https://www.youtube.com/watch?v=xKI1wnHbGOA
Anhang:
If Humans used Animal Mating Rituals: http://9gag.com/gag/aZP2zgz
71
„2014 Will Be The Year“ - D. Quaas
Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere, dass ich die schriftliche Hausarbeit – einschließlich
beigefügter Zeichnungen, Kartenskizzen und Darstellungen – selbstständig
verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel
benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinne
nach anderen Werken entnommen sind, habe ich in jedem Fall unter
Angabe der Quelle deutlich als Entlehnung kenntlich gemacht.
Köln, 19.05.2014
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