Chinas Filmwelt im Wandel - Mercator Institute for China Studies

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Chinas Filmwelt im Wandel - Mercator Institute for China Studies
Boomende Industrie ohne Weltstars – Chinas Filmwelt im Wandel
Von Anja Goette, MERICS
Die Berlinale ist ein wichtiger Ort für Chinas Filmwelt: 1988 gewann Zhang Yimous „Rotes Kornfeld“ den
„Goldenen Bären“ und brachte den chinesischen Film auf die internationale Bühne. 2007 erhielt Wang
Quan’an die begehrte Auszeichnung für „Tuyas Hochzeit“. Im vergangenen Jahr eröffneten die Berliner
Filmfestspiele mit dem Kampfkunst-Epos "The Grandmaster" von Wong Kar-wai. In diesem Jahr ist der
Hongkonger Star-Schauspieler Tony Leung Mitglied der Internationalen Jury. Und gleich drei Filme von
chinesischen Regisseuren laufen im Wettbewerb. Die Werke dieser Filmemacher - Lou Ye, Ning Hao,
Diao Yinan – sind seit mindestens zehn Jahren auf internationalen Festivals vertreten, und dennoch ist
außerhalb der Filmbranche kaum jemand mit ihren Namen vertraut.
Während die Filmindustrie in der Volksrepublik boomt und die Hoffnungen internationaler Produktionsgesellschaften nährt, wachen über die entscheidenden Schnittstellen des Vertriebs auch weiterhin
staatliche Monopole.
Junge Chinesen fasziniert das „Erlebnis Kino“
Der chinesische Kinomarkt ist inzwischen nach den USA der zweitgrößte Kinomarkt der Welt. 2012
wurden Tickets im Wert von umgerechnet 2,7 Milliarden US-Dollar verkauft (laut Statistiken des USFilmverbands MPPA). Über 900 neue Kinos wurden 2013 auf dem chinesischen Festland eröffnet .
Insgesamt gibt es mehr als 18.000 Kino-Leinwände in China. Die Zahl der Kinobesuche hat sich seit
2010 mehr als verdoppelt (2013: 612 Millionen). In Europa dagegen stagniert die Zahl der Kinobesuche
auf dem Stand von vor 20 Jahren.
Warum aber ist das Interesse an Kino gerade in China so groß, obwohl dort doch auch der Markt für
Raubkopien von Filmen aus dem In-und Ausland floriert? Die neue Generation der Kinogänger stammt
nicht aus den Metropolen Shanghai, Beijing oder Guangzhou. Sie kommen vor allem aus den
chinesischen „Kleinstädten“ (mit bis zu 3 Millionen Einwohner). Besonders junge Chinesen schätzen die
neuen, technisch hochwertigen Multiplex-Kinos als Freizeitangebot. Der Altersdurchschnitt der
chinesischen Kinobesucher lag 2013 bei 21 Jahren, mit einer deutlichen Tendenz zur weiteren
Verjüngung. Die jungen Leute sind bereit, für ein Kinoerlebnis kräftig in die Tasche zu langen: Zuschläge
für 3D-Versionen oder IMAX-Filme und die dazu gehörigen Snacks gehören für sie selbstverständlich
dazu. Mit dem Ausbau der Kinoinfrastruktur in den ländlichen Provinzen werden voraussichtlich die
technische Aufrüstung der chinesischen Filmtheater sowie die Zahl der Kinos und Kinosäle weiter
zunehmen - ebenso wie die Umsätze der Kinobranche.
Zahlentricks mit Tickets
Die staatliche Filmbehörde (SAPPRFT) geht unterdessen seit Jahren bekannte Probleme an: Häufig
verweigern Kinobetreiber es nämlich, ihre Umsatzzahlen an die Filmverleihe zu melden. Oder sie nutzen
Buchungssysteme, die auf illegal erworbener Software basieren. Auf diese Weise fallen die offiziell
gemeldeten Ticketverkäufe deutlich geringer aus. Die Kinobetreiber können so ihre Einnahmen
verbuchen, ohne die entsprechende Filmsteuer oder Verleihgebühren abzuführen.
Manche Kinobesitzer scheuen nicht mal davor zurück, Tickets mit der Hand zu fälschen, um offizielle
Besucherquoten zu erfüllen. So verbuchen sie ein verkauftes Ticket im System auf einen kulturpolitisch
erwünschten Film, während der Kinogänger eine handschriftlich ausgestellte Eintrittskarte für den Film
erhält, den er tatsächlich besucht.
Um dies künftig zu ändern, will die Filmbehörde zum 1. Mai 2014 eine landesweite digitale
Ticketplattform einführen, in der sich alle kommerziellen Kinos registrieren müssen. Zusätzlich sollen
Filmverleiher Routineüberprüfungen, wie auch hierzulande üblich, in den Kinos durchführen. Es wird
davon ausgegangen, dass die aktuellen Verkaufszahlen damit um 10 Prozent ansteigen.
Internationaler Filmmarkt in China
Während der Kinomarkt rasant wächst und die chinesische Filmindustrie auch internatioanl an
Bedeutung gewinnt, dominiert in China weiterhin ein staatlich reguliertes System Produktion und
Vertrieb. Lediglich eine Firma, die staatliche China Film Group Corporation (CFGC, auch: CFG), kann
die Rechte für die chinaweite Verwertung von internationalen Filmen erwerben. Die CFG ist dabei
gleichzeitig der größ te Produzent chinesischer Filme und Co-Produktionen sowie der größ te Verleiher
von nationalen und internationalen Filmen in der Volksrepublik. Neben der CFG ist die 2003 gegründete
Huaxia Film Distribution Co.,Ltd der einzig andere mögliche Verleiher von internationalen Produktionen
in China. Huaxia Film kann allerdings selbst keine Filme importieren und steht auch in seinen
Verleihkapazitäten weit hinter den Möglichkeiten der China Film Group.
Nur 34 ausländische Filme pro Jahr
Für die inhaltliche Abnahme von chinesischen wie ausländischen Filmproduktionen ist die staatliche
Filmbehörde (SAPPRFT) zuständig. Mehr als 20 ausländische Filme pro Jahr dürfen in chinesischen
Kinos nicht gezeigt werden. Seit 2012 dürfen zusätzlich 14 3D- oder IMAX-, d.h. mit High-DefinitionTechnologie produzierte, Filme, eingeführt werden. Den größten Umsatz versprechen USamerikanische Action- oder Science-Fiction-Streifen. Unter den Top 5 fanden sich im vergangenen Jahr
gleich zwei ausländische Produktionen: „Ironman 3“ und “Pacific Rim”. Die Ästhetik typischer HollywoodBlockbuster funktioniert auch in China.
Die internationalen Filmstudios sind mit 25 Prozent an den Verkaufseinnahmen aus China beteiligt, bis
vor zwei Jahren waren es lediglich 13 Prozent. Die Hoffnungen in den chinesischen Filmmarkt und auf
weitere Marktanteile sind auf beiden Seiten des Pazifiks deshalb groß.
Beijing will eigenes „Chinawood“
Chinas Führung wiederum hat großes Interesse an dem internationalen Erfolg der chinesischen
Filmindustrie, haben doch Filme das Potential, das China-Bild im Ausland positiv zu beeinflussen („SoftPower-Offensive“). Die Qingdao Oriental Movie Metropolis (Dongfang Jingdu) am Rande der
ostchinesischen Küstenstadt Qingdao gelegen, soll zur größten Film- und Fernsehstadt der Welt
werden. Hinter dem chinesischen Hollywood steht Wang Jianlin, Vorstandsvorsitzender des
Immobilienunternehmens Dalian Wanda Group und nach Berechnungen von Forbes, Bloomberg und
der Hunrun-Liste Chinas reichster Mann. Mit dem Kauf des amerikanischen Kinokette AMC Theatres
wurde die Wanda Group im September 2012 auf einen Schlag zum weltweit größten Kinobetreiber. Auf
beiden Seiten des Pazifiks besitzt das Unternehmen inzwischen 7.000 Leinwände.
Von 2018 an soll in der Qingdao Oriental Movie Metropolis ein internationales Filmfestival stattfinden.
Wang Jianlin trifft sich bereits mit Vertretern aus Cannes und verfolgt gleichzeitig in Paris weitere
Vorhaben im Kulturtourismus mit Europa.
Seit 1993 findet das Internationale Film Festival Shanghai statt, das offiziell in der gleichen Liga wie
Cannes oder Venedig spielt und zu den wichtigsten Filmfesten in Ostasien zählt. In Shanghai hat sich
die kalifornische DreamWorks Animation, bekannt für Produktionen wie „Shrek“ und „Kung Fu Panda“,
als Oriental DreamWorks angesiedelt. In einem Joint-Venture mit der China Media Capital (CMC),
Chinas führendem Investmentfond der Medien- und Entertainment-Branche, konzentriert sich Oriental
DreamWorks auf die Produktion von Animationsfilmen für den chinesischen Markt .
Verschiedene Filme in Ost und West
Während chinesische Arthouse- und Independent-Filme für das chinesische Publikum bislang keine
große Rolle spielen, stehen sie bei internationalen Festivals erfolgreich für China. Der chinesische
Kinomarkt setzt auf Entertainment, die chinesischen Filme, die auf der Berlinale zu sehen sind, gehören
dagegen in eine andere Kategorie. Sie versuchen, ein emotionales Verständnis der gesellschaftlichen
Entwicklungen in China zu transportieren. Genau darum schätzt man sie hierzulande. Umgekehrt ist
der chinesische Kassenhit 2013 „Journey to the West. Conquering the Demons“ (Regie: Stephen Chow,
Derek Kok), auch bekannt als „The Monkey King“, für Chinesen beste Unterhaltung, außerhalb Chinas
aber kaum bekannt. Dennoch belegte die humoristische Neuinterpretation des Klassikers „Die Reise
nach Westen“ aus der Ming-Dynastie Ende Januar, Anfang Februar Platz 1 in der Besucherstatistik der
umsatzstärksten Kino-Filme weltweit. Während der freien Tage zum chinesischen Neujahrsfest
demonstrierten die Chinesen einmal mehr, dass sie im Kino vor allem unterhalten werden wollen.
Für Fragen zu diesem Text steht Ihnen Anja Goette zur Verfügung: anja.goette(at)merics.de.
Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut (Think
Tank) mit Sitz in Berlin. MERICS betreibt gegenwartsbezogene und praxisorientierte China-Forschung.
MERICS vermittelt Erkenntnisse und Analysen in die Öffentlichkeit hinein, stellt Entscheidungsträgern
aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft China-Expertise zur Verfügung und ist Ansprechpartner für die
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