Erinnerungen an die Schulzeit 1925

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Erinnerungen an die Schulzeit 1925
Kleine Chronik für Kleinraming
Nummer 2
Erinnerungen an die
Schulzeit 1925 - 1933
von Barbara Binder
Herausgegeben von der Pfarre Kleinraming 2004
in Druck gebracht von Marianne Wiener
Mitarbeit: Roland Wiener
UNSERE SCHULZEIT 1925 - 1933
Ein kleiner Ausschnitt
aus meinen Erinnerungen an die Schulzeit.
Mit meinen 85 Jahren möchte ich,
Barbara Binder, geb. Schwödiauer,
Schmiedhaus in Kleinraming,
im Namen der noch lebenden Schulkameraden
einige Erinnerungen über unseren
Schulbesuch niederschreiben.
93 KINDER
Die Volksschule bestand aus zwei Klassen. In der 1. Klasse mit
insgesamt 93 Kindern wurden erstes, zweites und drittes Schul- 2
jahr von Oberlehrer Adolf Reiter unterrichtet.
DIE ZWEITE KLASSE
Die zweite Klasse mit Lehrer Friedrich Ziegler hatte 87 Schulkinder. Damals gab es noch keine Gardarobe.
Unsere bescheidene Oberkleidung wurde in den Klassenzimmern
an den Wänden aufgehängt. Es gab auch noch keine Hausschuhe.
Zur Ordnung wurden wir trotz allem sehr streng erzogen. Jeder
Schüler musste eine Holzspachtel bei sich haben, mit dieser wurden die Schuhe (teils noch genagelte) vor dem Schulhaus vom
Schmutz befreit. Von zwei älteren Schülern wurden die Schuhe überprüft. Das Motto hieß: Durch die Eingangstür, dann Füße heben - anschau'n lassen, und geh'! Nur so kamen wir in die Klasse.
KACHELOFEN
3 Im Klassenraum stand ein großer Kachelofen. Die größeren
Buben mussten das Holz von der Holzhütte hinter dem Schulhaus zum Klassenzimmer bringen. Oberlehrer Reiter war ein sehr
strenger Lehrer, was ja bei der großen Schülerzahl notwendig war.
Im ersten Schuljahr mussten wir sitzen "Hände auf die Bank".
Schiefertafel und Griffel waren notwendige Utensilien. Damals
gab es schon den Wettstreit, wer den schönsten Tafelschwamm
oder das schönste Tafeltuch zum Reinigen der Schiefertafel hatte.
RELIGION
Als Religionslehrer unterrichtete der damalige Pfarrer, Friedrich
Engelhardt, vor dem wir große Angst hatten.
Gar mancher Schulbub, sogar ich als Mädchen wurden über's Knie
gelegt und mit dem gefürchteten Staberl geschlagen. Als ich mit
sechs Buben diese Strafe bekam, schämte ich mich furchtbar. Warum wir sie bekamen? - Ich weiß es nicht mehr. Vielleicht waren
wir unaufmerksam. Anders erging es Amalia Burgholzer, geb.
Schoiber - Stockmayr, als sie vom Pfarrer gefragt wurde: Wie ist
Jesus in den Himmel hinaufgefahren? Sie hätte es gewusst, aber
getraute es sich nicht zu sagen.
So musste sie auf der Treppe vorne knien.
RELIGIONSPRÜFUNG
Einmal im Jahr kam der damalige Dechant StrobI von Steyr nach Kleinraming, um in der Kirche die Religionsprüfung vorzunehmen. Mit Glockengeläut wurde er vom Pfarrkirchenrat empfangen. Wir Kinder standen Spalier,
beim Einzug in die Kirche. Wir waren
sehr aufgeregt. Wochen vorher mussten
wir aus dem
Katechismus auswendig
lernen. Man wusste ja nicht, welche Fragen kommen wüden. Es war für uns
Schüler ein gefürchteter Tag. Ebenso für
den Pfarrer und Religionslehrer.
HANDARBEIT
Im zweiten Schuljahr lernten wir in Handarbeit häkeln und 4
stricken. Unsere Handarbeitslehrerin war die Ehefrau vom
Oberlehrer Reiter. Sie war ebenfalls sehr streng.
SCHULWEG
Oftmals kamen viele Schüler nicht zum Unterricht, besonders in
der kalten Jahreszeit. Es hatten doch manche Schüler einen Schulweg von 2,5 - 3 Stunden.
Ein Schüler - vom "Pramaleit'n -HäusI", hatte den weitesten Weg,
so kam er vielleicht einmal im Monat zum Unterricht. Dann sagte
Oberlehrer Reiter zu uns: "Der Huber Silvester ist wieder mal da,
scheibt es auf den Rauchfang:" Wir Kinder vom Ort, beneideten
die Schüler mit dem weitem Schulweg, unsere Eltern wussten sofort, dass wir zur Strafe nachsitzen mussten. Das Helfen im Gemüsegarten vom Oberlehrer freute uns gar nicht.
ERSTKOMMUNION
Im zweiten Schuljahr kamen wir zur Erstkommunion. Da gab es große Aufregung.
Pfarrer Engelhardt verlangte, dass alle Mädchen ihre Kerze in der Gemischtwarenhandlung von Anna Irnberger kauften. Elisabeth
Wimmer, Tochter vom Geschäft neben der
Kirche hatte selber welche zu verkaufen. So
durfte Liesi nicht bei unserer Feier dabei
sein, weil sie nicht die gleiche Kerze hatte.
Alle haben wir geweint, weil sie uns so leid
tat.
MITTAGSPAUSE
Für die ärmeren Kinder wurde eine Suppenanstalt gegründet.
5 Mit einem Markerl gingen sie in der Mittagspause mit ihrem
Lehrer ins Gasthaus Kloiber, dort bekamen sie eine Schüssel warme Suppe.
LEHRER ZIEGLER
Nach drei Schuljahren kamen wir in die 2. Klasse zu Lehrer Ziegler. Diese Jahre bleiben mir immer in Erinnerung. Bei den größeren Schülern mussten wir Kleinen uns durchsetzen, doch das lernten wir bald. Lehrer Ziegler war ein viel zu gutmütiger Lehrer. Es
war alles nicht so einfach bei dieser großen Schülerzahl. Erst spä-
ter wussten wir,
das er seinen Beruf verfehlt hatte. Als Komponist und Erfinder
hätte er bestimmt
mehr erreicht,
doch in dieser
Zeit war das kein
Beruf. Auf der
Straße durften
wir ihn nicht grüßen, weil wir ihn
beim Komponieren stören könnten. Wir mussten
bei ihm viel
schreiben und
auch vor allem schön schreiben.
Und wir mussten auch sehr viel lesen und Gedichte auswendig
lernen. Auch Notenlehre hatten wir bereits. Während seiner
Amtszeit spielte Lehrer Ziegler in der Kirche die Orgel. Er
komponierte eine lateinische Messe für einen vier-stimmigen
Chor und ein Tantum Ergo. Die Partitur, die Singstimmen und
die Orchesterstimmen sind von Hand geschrieben.
1932 wurde diese Messe in Kleinraming uraufgeführt. Etwas
später auch in der Stadtpfarrkirche von Steyr.
UNFUG
Zurück zur Schule: Während des Unterrichtes trieben wir viel
Unfug. Manches Staberl wurde auf der Bank entzwei gebrochen. Oft musste der Oberlehrer einschreiten und für Ordnung sorgen. Beim Sachunterricht mussten wir sitzen und die
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Von links: Rosina Schwödiauer (Sr. Aquelina), Grete Schmid, geb. Irnberger, Alfred
Nefe, Fritz Leitner (Wagnerei), Walter Nefe, Barbara Binder geb. Schwödiauer, Maria Soukup geb. Schwödiauer, hinten: Franz und Anton Hauser.
Im Kinderwagen der Bub von Lehrer Ziegler. 1929 vor dem Schultor
Arme rückwärts kreuzen. Bei mir und so manch anderem
Schüler stand im Zeugnis: "Sehr schwatzhaft, könnte mehr
leisten"! Als Strafe musste ich zu Hause eine Stunde auf einem
Holzscheit knien.
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UNTERSUCHUNG
Die jährliche Untersuchung für Gesundheit mit
Gemeindearzt Dr. Scheiber mochten wir gar
nicht.
Dr. Scheiber war recht dick und hatte sehr große
Hände. Wir drei Schwödiauer-Dirndln standen
ihm gar nicht zum Gesicht. Seine Worte waren
immer: " Den Hals besser waschen, man sieht's das
ihr vom Schmied kommt's!" Unserer Mutter tat das
sehr weh, wo sie und doch immer vor der Untersuchung in einem großen Holzschaff gebadet hatte.
Dieser Tag war für uns immer schrecklich.
Oberlehrer Adolf Reiter und Pfarrer Friedrich Engelhardt (rechts). Das Mädchen vor Oberllehrer Reiter ist Margareta Schmid, in der selben Reihe rechts sitzt Frau Amalia Burgholzer
DIE BUBEN
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Die Buben fingen bereits während des Unterrichts zu Essen an.
Schmid Maria (heute Mesnerin von Kleinraming) saß eine Bank
vor mir. Sie hatte zwei lange Zöpfe. Wenn mich das Schreiben
nicht freute, nahm ich einen Zopf und tauchte ihn in das Tintenfass, das in der Schulbank versenkt war, und wischte über
das Schreibheft. Dann zeigte ich auf und sagte: "Bitte, die
9 Schmid hat mir das ganze Heft verwischt." Die Antwort
vom Lehrer: "Schmid, schnei deine Zodn ab!"
DAS ERSTE MIKROFON
Wir hatten das erste Mikrofon in der Klasse, welches vom Lehrer Ziegler entwickelt wurde. Im Schulgebäude im Erdgeschoss
hatte er ein Zimmer. Wir mussten in der Klasse ins Mikrofon
lesen, er hörte in seinem Zimmer zu. Ein Bub sprach ins Mikrofon: „Der Herr Lehrer ist ein Esel !“ - Dieser kam in die Klasse
und fragte: „Wer war es?“ Die Antwort: „Bleibm's da, dann
wiss'n sie's eh!“
Oftmals haben die Schüler bestimmt, was sie lernen wollten. In
das Zimmer des Lehrers kam man nicht hinein, dies war vollgestopft mit Schachteln und Kisten. Dort baute er die ersten Radios für Kleinraming. Das Klavier durfte nicht fehlen. Als wir die
letzte Klasse besuchten, wurde er versetzt. Bei seinem Abschied
haben wir geweint, er war für uns ein zu guter Lehrer. Trotz dieser ungewöhnlichen Schulbildung haben sich die meisten im Leben mit etwas Hausverstand behauptet.
DIE FIRMUNG 1925
Links Firmling Barbara Binder mit Patin Maria Strasser,
erste Pfarrerköchin von Kleinraming,
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rechts Firmling Amalia Burgholzer mit Patin
Ein Jahr nach der Erstkommunion wurden wir im Religionsunterricht für die Firmung so recht und schlecht vorbereitet.
Ganz wichtig war für die Schüler, sowohl auch für die Eltern,
dass das weiße Kleid oder der Anzug vom Vorjahr noch passte.
Am Firmungstag ging ich mit meiner Firmpatin zu Fuß nach
Steyr, in die Kirche „St. Michael".
Gut in Erinnerung habe ich, dass ich mein erstes Eis dort bekommen habe. Vor dem Heimmarsch besuchten wir eine Vorstellung des „Kinomathographen".
Mit neun Jahren konnte man mit der Kraft des Hl. Geistes
noch nichts anfangen. Das Sakrament gehörte einfach dazu.
WOCHENSCHULE
Ganz wenigen von uns war es in dieser Zeit möglich, eine höhere Schule zu besuchen, da es keine Fahrgelegenheit gab. In
den zwanziger und dreißiger Jahren gab es noch die Wochen11 schule. Wer nach siebenjähriger Schulpflicht noch nicht 14 Jahre alt war, musste einmal wöchentlich am Schulunterricht teilnehmen.
Barbara Binder (geb. Schwödiauer)
Kleine Chronik Nummer 2: Schulzeit 1925 - 1933
Herausgeber: Mag. Reinhard Brandstetter, Pfarrassistent
Pfarramt Kleinraming Kirchenplatz 7
2004