Tierfreunde trauern

Transcription

Tierfreunde trauern
Einsatzbericht
Tierfreunde trauern
28 Spitzenpferde kamen bei einem Großbrand in einem
niederbayerischen Gestüt ums Leben – Nur fünf Pferde
konnten gerettet werden – 200 Einsatzkräfte kämpften
gegen das Flammenmeer – Der Schaden wird auf fünf
Millionen Euro geschätzt / Von Maximilian Kirschner*
Vorbemerkung
Seit Jahrhunderten ist das Ross untrennbar mit dem Landkreis RottalInn verbunden. Bereits aus dem
16. Jahrhundert gibt es Zeugnisse
darüber, dass die Pferdezucht im
Rottal vom bayerischen Herrscherhaus besonders gefördert wurde. In
Pfarrkirchen befindet sich die älteste
Trabrennbahn Bayerns. Neben den
Trabern stammen auch überdurchschnittlich viele Leistungsträger des
modernen Turniersports aus Rottaler Zuchtlinien. Das Gestüt Bachl
in Pfarrkirchen ist seit Jahrzehnten
eines der erfolgreichsten ZuchtstaLageplan:
a) Altes Wohnhaus
b) Stallgebäude mit Gewölbe
c) Stallgebäude, Stroh- und
Heulager im Obergeschoss
d) Stallgebäude und Futterlager
und Bewegungsband
e) Wirtschaftsgebäude
f) Hackschnitzellager
g) Neues Wohnhaus
h) Maschinenhalle
i) Reiterstüberl
j) Stallgebäude
k) Reithalle
l) Halle mit Bewegungskarussell
m) Turnierplatz
n) Koppel
Vollbrand der Gebäude a,b,c,d,e
1) Einsatzleitung
FF Pfarrkirchen 10/1, 11/1
Kater Rottal-Inn 12/1
Rottal-Inn 1, Rottal-Inn 2/1
2) FF Pfarrkirchen 21/1, 30/1,
40/1
3) FF Reichenberg 21/1
FF Bad Birnbach 21/1,
30/1, 40/1
FF Walburgskirchen 40/1
FF Johanniskirchen 21/1
4) FF Triftern 22/1, 48,1
Restliche Fahrzeuge und Feuerwehren in der Wasserförderung
von den Hydranten und der Rott.
182
tionen für Spring- und Turnierpferde
in Deutschland. Der alte Rottaler
Bauernhof verwandelte sich im
Laufe der Zeit in eine der größten
Hengststationen Westeuropas, mit
einer EU-Besamungsstation, 15
Deckhengsten, Aufzucht, Ausbildung und Turniervorstellung von
Nachwuchspferden sowie Verkauf
von Turnierpferden und Zuchtstuten. Bachl-Pferde waren im vergangenen Jahr vom Süddeutschen
Championat, über das BundesChampionat, der Weltmeisterschaft
bis hin zu den Olympischen Spielen
in London vertreten.
Das Brandobjekt liegt in der Gemeinde Postmünster, direkt an der
Stadtgrenze zu Pfarrkirchen. Die zuständige Ortsfeuerwehr aus Schalldorf verfügt über ein TSF. Weiter
wird im Gemeindebereich in Postmünster je ein MZF und LF 8 sowie
in Gangerbauer und Neuhofen je
ein TSF vorgehalten. Die Kreisstadt
Pfarrkirchen unterhält fünf Freiwillige Feuerwehren. Die Stadtfeuerwehr Pfarrkirchen ist mit je
einem KdoW, MZF, TLF 16/25,
LF 20/16, DLK 23/12, RW 1,
GW-A und ABC-ErkKW ausgestattet. In Reichenberg ist je ein
MZF, TLF 16/24 und LF 10/6 stationiert. Die FF Altersham verfügt
über einen GW-L2. In Untergrasensee und Waldhof ist je ein TSF
stationiert.
Allgemeine Lage
Nach einer wochenlangen Hitzeperiode zieht in der Nacht vom
3. auf den 4. August 2013 gegen
Mitternacht ein leichtes Gewitter,
verbunden mit böigem Wind über
das Rottal hinweg. Es besteht in
dieser Zeit in den Wäldern und auf
den teilweise bereits abgeernteten
Getreidefeldern erhöhte Brandgefahr.
Die Einsatzstelle befindet sich
im Ortsteil Fasselsberg in der Gemeinde Postmünster am westlichen
Stadtrand zu Pfarrkirchen, direkt
an der Eggenfeldener Straße. Das
Brandobjekt liegt im Schutzbereich
der FF Schalldorf, die Zufahrtsstraße
noch im Zuständigkeitsbereich der
FF Pfarrkirchen.
Das Gestüt besteht aus einem
alten Vierseithof mit drei Stallgebäuden und dem ursprünglichen
Wohnhaus. In unmittelbarer Nähe
befinden sich das neue Wohnhaus, zusätzliche Stallungen und
Scheunen, sowie eine Reithalle
und diverse weitere Hallen. Der
Gebäudekomplex des Vierseithofes besteht im Untergeschoß aus
Steinbauten, im Obergeschoß in
Holzbauweise. Die Zwischendecken
zwischen Stallungen und den darüber liegenden Stroh- und Futtervorräten sind überwiegend in Holzbauweise ausgeführt. Auf dem Gestüt
sind in der Brandnacht ca. 85 Pferde
untergebracht.
brandwacht 5/2013
Alarmierung
Nach dem Notruf erfolgt am 4.
August um 0.24 Uhr laut Notrufmeldung die Alarmierung durch
die ILS Passau. Der diensthabende Disponent alarmiert nach dem
Einsatzschlagwort „Brand Bauernhof/landwirtschaftliches Anwesen
am Heuweg in Pfarrkirchen“ nach
Einsatzstichwort „B4“ folgende
Feuerwehren: Pfarrkirchen (ELW,
LF 20/16, und DLK 23/12), Reichenberg (TLF 16/24), Postmünster (LF8), Altersham (GW-L2) und
Triftern (HLF 10). Weiter wurden
die UG-ÖEL (ELW), KBR Johann
Prex, KBI Helmut Niederhauser,
KBM Franz Gruber und das BRK
alarmiert. Bereits nach kurzer Zeit
trafen auch die Bürgermeister Georg
Riedl (Stadt Pfarrkirchen) und Ludwig Eder (Gemeinde Postmünster)
am Einsatzort ein.
Einsatzablauf
Der um 0.31 Uhr als Erstes an der
Einsatzstelle eingetroffene KBM
Franz Gruber gab über Funk folgende Lagemeldung auf Sicht ab: „Vier
Gebäude in Vollbrand – Nachalarmierung für Dispogruppe Wasser“.
Vom Disponenten in der ILS Passau
wurden daraufhin um 0.32 Uhr folgende Feuerwehren nachalarmiert:
FF Schalldorf (TSF) – wie bereits
eingangs erwähnt, liegt das Brandobjekt selbst im Schutzbereich der
FF Schalldorf, was aber beim ersten
Notruf nicht genau erkennbar war –,
Pfarrkirchen (MZF, TLF 16/25),
Triftern (TLF 16/24, V-LKW), Walburgskirchen (LF 20/16), Johanniskirchen (TLF 16/25) und Bad Birnbach (MZF, TLF 16/25, LF 20/16,
DLK 23/12).
Die weitere Erkundung am Vierseithof ergab, dass ein Vordringen
der Einsatzkräfte in das Hofinnere
nicht mehr möglich war. Ob sich
Menschen und in welcher Anzahl
sich Tiere im Hof in Gefahr befanden, war zu diesem Zeitpunkt noch
nicht bekannt. In Absprache mit dem
Kommandanten der FF Schalldorf,
Herbert Hopfenwieser, übernahm
der Kommandant der FF Pfarrkirchen, Georg Gründmeier, die Einsatzleitung. Die primäre Aufgabe
für die ersten Einsatzkräfte bestand
darin, das neue Wohnhaus und die
brandwacht 5/2013
direkt angrenzenden Stallungen
abzuschirmen und das durch den
enormen Funkenflug gegenüber der
Kreisstraße PAN 58 bereits in Brand
geratene, abgeerntete Getreidefeld
abzulöschen. Von der Einsatzleitung wurden drei Einsatzabschnitte
gebildet: EA I – Brandbekämpfung
im südöstlichen Bereich des Anwesens mit Abschnittsleiter Stefan
Niedermeier (stv. Kdt. FF Pfarrkirchen) mit dem Löschzug der FF
Pfarrkirchen und FF Walburgskirchen. EA II – Brandbekämpfung
im nordöstlichen Bereich mit Abschnittsleiter Chris-tian Obermaier (Kdt. FF Reichenberg) mit den
Walburgskirchen (TSF), Untergrasensee (TSF), Peterskirchen (GWL2), Brombach (TSF) und Neukirchen (TSF).
Durch massiven Löschwassereinsatz konnte trotz enormen Funkenflugs und starker Wärmestrahlung
der Brand eingedämmt werden.
Dadurch waren weitere detaillierte
Erkundungen möglich. Hierbei wurden in einem Gewölbeteil fünf lebende Pferde entdeckt und durch
die Feuerwehr gerettet. Zwei weitere
Pferde wurden lebend im nördlichen
Gebäudetrakt gefunden. Die Rettung dieser beiden Pferde gestaltete
sich durch die enorme Zerstörung
Feuerwehren Reichenberg, Triftern,
Johanniskirchen und Bad Birnbach.
Für die Abschnitte I und II standen
an der Einsatzstelle drei Hydranten
bereit. Von diesen wurden über vier
B-Leitungen 3.200 Liter Wasser pro
Minute aus dem Hydrantennetz entnommen. Dies war erst nach einer
Erhöhung des Förderdrucks in der
Wasserversorgung durch die Stadtwerke Pfarrkirchen gesichert. EA
III – Löschwasserförderung von der
Rott mit Abschnittsleiter Johann
Wimmer (Kdt. FF Altersham). Für
die Wasserförderung über lange
Schlauchstrecken wurden zur Unterstützung der FF Altersham (GW-L2)
hier folgende Feuerwehren nachalarmiert: Gangerbauer (TSF), Neuhofen (TSF), Postmünster (TSF),
der Stallung äußerst schwierig. Da
eine erfolgreiche Rettung nur durch
das zerstörte Stalldach möglich war,
wurde dazu der RW2 der FF Eggenfelden und ein Autokran nachalarmiert. Die zuletzt geretteten Tiere
wurden auf Rat eigens hinzugezogener Fachveterinäre in eine Großtierklinik nach München verlegt.
Da ca. 150 Meter neben der Einsatzstelle die Bahnlinie verläuft,
wurde um 1.58 Uhr die DB Notfallleitstelle verständigt. Von dort kam
die Rückmeldung, dass die nächsten
Zugbewegungen erst ab 6.00 Uhr
geplant sind. Um 5.18 fuhr ein Notfallmanager der DB aus Plattling in
Richtung Einsatzstelle los.
Nachdem gegen 3.00 Uhr „Brand
unter Kontrolle“ gemeldet wurde,
Bereits bei
Eintreffen der
Feuerwehr war
ein Vordringen
in den Innenhof
nicht mehr
möglich.
* Der Autor ist
Kreisbrandmeister und ÖEL
im Landkreis
Rottal-Inn.
183
Die Nachlöscharbeiten zogen
sich wegen
des gelagerten Heus und
Strohs noch vier
Tage hin.
keine Hinweise auf Brandstiftung
gefunden worden. Auch wenn eine
technische Ursache wahrscheinlich
scheint, sei es zum jetzigen Zeitpunkt
aber zu früh, Fremdverschulden auszuschließen, betonte der Sprecher
des Polizeipräsidiums Niederbayern,
Michael Emmer.
konnten von der Einsatzleitung die
ersten Feuerwehren wieder zurück
an den Standort entlassen werden.
Ab 8.00 Uhr übernahmen die FF
Schalldorf und FF Postmünster die
Brandwache.
Im Laufe des Sonntags rückten
die Feuerwehren aus Reichenberg
und Gangerbauer erneut an, um bei
verschiedenen Aufräumarbeiten zu
helfen und noch vor Ort befind-liche
Einsatzkräfte abzulösen. So wurden auch mit Hilfe von Vakuumfässern Strohballen abgelöscht und
anschließend auf naheliegende
Felder ausgebracht. Weiter waren
die Einsatzkräfte bei der Bergung
der toten Pferde enorm gefordert.
Die Pferdekadaver wurden von der
Tierkörperverwertung aus Plattling
abgeholt.
Hier gab es für
die Pferde kein
Entkommen
mehr.
Sämtliche
Aufnahmen:
Hermann
Schönhofer.
184
Um 15.31 Uhr konnte die Sperre der Kreisstraße PAN 58 wieder
aufgehoben werden. Um 19.03 Uhr
rückte der FF Schalldorf als letzte
Feuerwehr von der Einsatzstelle ab.
Der Einsatz war somit beendet.
Durch die großen Mengen an gelagertem Heu und Stroh, loderten auch
an den folgenden Tagen Glutnester
neu auf. Die Nachlöscharbeiten zogen sich noch über vier Tage hin.
Brandursache
Die Ermittlungen nach der Ursache für diesen verheerenden Brand
gestalteten sich durch die teilweise
völlige Zerstörung der Gebäude sehr
schwierig. Brandfahnder der Passauer Kripo sowie Brandgutachter
des Landeskriminalamtes waren über
mehrere Tage vor Ort. Es sind bisher
Schlussbemerkung
Der Großbrand im Gestüt Bachl
ging sehr schnell durch die verschiedenen Medien. Dadurch suchten neben
zahlreichen „Schaulustigen“ auch
eine Reihe Pferdebesitzer, die im
Gestüt ihre Pferde untergebracht
wussten, den Weg zur Einsatzstelle.
Auch hier war wieder einmal die Arbeit des Krisen-Interventions-Teams
(KIT) eine enorme Hilfe für die Einsatzkräfte. Die Notfallseelsorger
kümmerten sich neben den Besitzern
und Mitarbeitern des Gestüts überwiegend um diese Pferdebesitzer.
Durch das beherzte und umsichtige Eingreifen der Feuerwehren
und Führungskräfte, sowie durch
die kompetente Unterstützung durch
die ILS Passau, konnte eine weitere
Ausbreitung des Brandes verhindert werden. Kreisbrandrat Johann
Prex berichtete, dass er so ein Flammeninferno noch nie erlebt habe.
Er zeigte sich sehr erfreut, dass von
den Feuerwehren, trotz der enormen
Zerstörung noch fünf Pferde nahezu
unverletzt gerettet werden konnten.
Unter diesen Tieren war „Caretello
B“. Er ist 24 Jahre alt und einer
der berühmtesten Hengste in der
deutschen Springpferdezucht. „Unser Zugpferd“, wie es Tobias Bachl
formulierte. „Seine Rettung ist für
uns ein Zeichen, nicht aufzugeben
und wieder alles aufzubauen.“
Für Josef Bachl ist der Brand ein
schwerer Schlag: „Unsere besten
Tiere, die auch Turniere bestreiten,
waren alle in der Stallung. Sie hatten
leider keine Chance zu entkommen.
So ist beispielsweise auch Cinjo, ein
berühmter Zuchthengst, unter den
Opfern. Das Pferd gehört einer reichen Schweizerin. Diese Pferde sind
zwischen 50.000 und 500.000 Euro
wert.“ Versichert seien die meisten
übrigens nicht, im Gegensatz zu all
den Gebäuden. Somit beträgt allein
der Verlust durch die getöteten Tiere
o
3,5 Millionen Euro!
brandwacht 5/2013