Die neue VDI-Richtlinie 4704

Transcription

Die neue VDI-Richtlinie 4704
Krammer Verlag
Düsseldorf AG
G 19094
6-7 | 2015 Juni-Juli
REPORT
Das Magazin für das SHK-Handwerk
SONDERDRUCK
Die neue VDI-Richtlinie 4704
Warmwasser-Heizungsanlagen,
Wasserbeschaffenheit, Druckhaltung, Entgasung
SHK-REPORT FACHWISSEN
Die neue VDI-Richtlinie 4704
Warmwasser-Heizungsanlagen, Wasserbeschaffenheit, Druckhaltung, Entgasung
Ablagerungen führen immer
zu erhöhten Energiekosten.
Beispielrechnung:
Jahresverbrauch: 2.000 l Heizöl,
Preis (82,50 €/100 l), 1.650,-€/Jahr
Prognose Energiekostensteigerung
= 15 % jährlich
schaltungen und Systemeinbindungen
• Statische Druckhaltung
• Dynamische Druckhaltung
• Druckhaltung in Verbundsystemen
• Störungsanalyse und Fehlersuche
anhand praktischer Beispiele
Der Verein Deutscher
Ingenieure e.V. hat im
Juli 2014 eine wichtige
Richtlinie im Bereich der
Heizungstechnik herausgegeben. Diese Richtlinie stellt ein
Schulungskonzept zur
Verfügung und richtet
sich an alle Fachleute im
Bereich der Planung, der
Errichtung, des Betriebs
sowie der Instandhaltung von WarmwasserHeizungsanlagen.
Moderne Heizungsanlagen werden
immer komplexer. Um sicherzustellen,
dass sie für lange Zeit zuverlässig und
energieeffizient arbeiten, muss gewährleistet sein, dass die Richtlinienreihen VDI 2035 und VDI 4708 eingehalten werden. Die neue VDI Richtlinie
4704 vereinigt, was themenmäßig zusammen gehört – nämlich zwei bestehende allgemein anerkannte Regeln der Technik.
Durch Weiterbildung auf den Fachgebieten der Wasserbeschaffenheit,
Steinbildung, wasserseitigen Korrosion, Druckhaltung, Entlüftung und Entgasung soll die Wahrscheinlichkeit
2
vermindert werden, dass Schäden an
Anlagenkomponenten oder Betriebsstörungen auftreten.
Schulungen nach VDI 4704 berücksichtigen die Komplexität der Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Fachgebieten, so dass entsprechend der Zielgruppen zwei unterschiedliche Schulungskategorien angeboten werden.
Schulungskategorie A richtet sich an
den Personenkreis mit einer erfolgreich
abgeschlossenen Ausbildung zum Ingenieur, Meister oder Techniker in der
Wärme-, Kälte-, Raumluft- oder Sanitärtechnik. Kenntnisse, wie sie durch
vorgenannte Ausbildung erworben
werden, werden vorausgesetzt. Die
Schulungsinhalte werden theoretisch
und planungsorientiert vermittelt.
Schulungskategorie B richtet sich an
den Personenkreis mit einer erfolgreich
abgeschlossenen Berufsausbildung
in der Wärme-, Kälte-, Raumluft- oder
Sanitärtechnik. Die Schulungsinhalte
werden praktisch und anwendungsorientiert vermittelt.
Inhaltsschwerpunkte beider Schulungskategorien im Überblick:
1. Tag
• Einführung in VDI 2035
• Begriffe und Richtwertetabellen
in VDI 2035
• Steinbildung, Korrosion und Gaseintrag – Ursachen und Auswirkungen
Sonderdruck aus SHK-REPORT 6-7/2015
• Wasserchemische und technische
Planungsparameter
• Enthärtung – Grundlagen und
Planung
• Entsalzung – Grundlagen und
Planung
• Wasserbehandlung – Konditionierung
• Einrichtung und Inbetriebnahme
von stationären und mobilen
Wasseraufbereitungsanlagen
• Übergabe der Anlage an den
Betreiber
• Betriebliche Maßnahmen und Instandhaltung
2. Tag
• Einführung
in VDI 4708
• Begriffe in
VDI 4708
und relevante Richtwerte
aus VDI 2035
Blatt 2 und anderen
korrespondierenden
Richtlinien
• Gase in Flüssigkeiten
• Allgemeine Auslegungsparameter und
Berechnungen
• Arten der Druckhaltung
• Arten der Entlüftung
und Entgasung
• Typische Anlagen-
Die VDI-Richtlinie 2035 Blatt 1 behandelt den Schwerpunkt „Steinbildung“ in Warmwasser-Heizungsanlagen und Trinkwassererwärmungsanlagen sowie die Vermeidung von
Schäden durch Ablagerung.
Die Ursache für die Entstehung von
Steinbildung/Kalkablagerung liegt in
unserem natürlichen Trinkwasser. Wie
viel Kalkstein bzw. Kesselstein sich
bildet, hängt maßgeblich von der Wasserbeschaffenheit ab.
Um die Steinbildung zu quantifizieren,
muss die Analyse des Wasserversorgungsunternehmens eingesehen werden. Eine vereinfachte Beurteilung ist
JUDO i-fill
mit sogft
12000 Enthärtungspatrone
JUDO i-fill
mit PURE 7500
Vollentsalzungspatrone
anhand der Parameter „Summe Erdalkalien“ und „Gesamthärte“ möglich.
Wenn Wasser erwärmt wird, kommt
es auf Grund der Reaktion
Ca2+ + 2 HCO3– → CaCO3
+ CO2 + H2O
zu Steinbildung.
Weitere Faktoren sind die Wassermenge (z.B. Anlagenvolumina) sowie die
Betriebsbedingungen. Die Folgen von
Kalkablagerungen sind vielfältig: verminderte Leistung, Geräusche wie
Pfeif- oder Siedegeräusche, Dampfschläge etc. Eine weitere mögliche
Störung ist Rissbildung bedingt durch
örtliche Überhitzung.
Grundsätzlich gilt: Jede Ablagerung
durch Steinbildung/Schlammbildung
stellt eine Störung des Wärmeübergangs dar. Die logische Folge ist eine
Erhöhung der Energiekosten.
Um den effizienten und störungsfreien Betrieb einer Warmwasser-Heizungsanlage sicherzustellen, muss
Steinbildung/Schlammbildung vermieden werden.
Steinbildung kann durch Enthärtung
oder Entsalzung des Füll- und Ergänzungswassers sicher vermieden werden. Zwei Verfahren, die ähnlich in
der Handhabung sind, aber unterschiedliche Ergebnisse liefern.
Enthärtung
Die Wasserenthärtung ist ein Verfahren, bei dem durch das sogenannte
Ionenaustauschverfahren die im Wasser gelösten Härtebildner Calcium und
Magnesium gegen Natrium ausgetauscht werden. Somit bleibt die Leitfähigkeit des Wassers unverändert.
Dabei entsteht im Heizkreislauf Natriumcarbonat, welches in weiteren
chemischen Reaktionen zum Anstieg
des pH-Wertes führt. So können sich
pH-Werte von 10 und höher einstellen.
Die Beobachtung des pH-Wertes sowie die Konditionierung mittels geeigneter Inhibitoren sind unabdingbar.
Insbesondere bei Aluminium-Bauteilen
sowie Aluminium-Legierungen darf
der pH-Wert nicht über 8,5 (bei bestimmten Legierungen 9,0) steigen.
Entsalzung
Die Wasserentsalzung mittels Mischbettpatronen ist ein Verfahren ähnlich
der Enthärtung. Allerdings werden
hier mittels Ionenaustausch sämtliche
im Wasser gelösten Salze durch eine
Kombination aus Kationen- und Anionenaustauscherharz entfernt. Das Er-
JUDO JMHB-RO, Mobile Heizungsbefüllanlage zur Erzeugung
von vollentsalztem Wasser,
ca. 250 – 300 l/h, Salzrückhaltung
> 98 %
gebnis dieses Verfahrens ist vollentsalztes Wasser (VE-Wasser). Damit
wird die Wasserhärte auf 0°dH herabgesetzt und die Leitfähigkeit sinkt
deutlich unter den in der VDI-Richtlinie
2035 geforderten Wert von 100 µS/cm
(„salzarme Fahrweise“). Bei größeren
Warmwasser-Heizungs-Systemen
kann die Wasserentsalzung auch mittels Umkehr-Osmose erreicht werden.
Damit können größere Mengen an
vollentsalztem Wasser wesentlich günstiger erzeugt werden.
Gerade bei der Vielfalt der eingesetzten Materialien in einer modernen
hocheffizienten Warmwasser-Heizungsanlage spielt die Leitfähigkeit
eine entscheidende Rolle, denn die
Korrosionswahrscheinlichkeit steigt
mit steigender Leitfähigkeit.
Mit abnehmendem Salzgehalt können
geringe Mengen an Sauerstoff toleriert
werden. Gerade der Sauerstoffgehalt
im Wasserkreislauf ist der entscheidende Faktor, wenn es zu Schlammbildung (Magnetit) kommt.
gemein anerkannte Regel der Technik
beachtet werden muss.
Die VDI-Richtlinie 4708 gilt für Flüssigkeitskreisläufe, für die eine Unterbrechung der Beheizung bzw. der Umwälzung einen regulären Betriebsfall
darstellt, z.B. durch eine Nachtabsenkung. Die Grundsätze dieser Richtlinie
sind übertragbar auf andere Flüssigkeitskreisläufe wie z. B. Kälte-Anlagen
sowie Solarthermie-Anlagen.
Für den Luft-/Gaseintritt in den Wasserkreislauf ist absolut entscheidend,
welche Druckhalteanlagen eingesetzt
werden und ob diese richtig funktionieren. Dazu zählen insbesondere die
fachgerechte Inbetriebnahme und die
jährliche Wartung.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen offenen und geschlossenen Ausdehnungsgefäßen.
Da ein offenes Ausdehnungsgefäß in
direkter Verbindung zur Atmosphäre
steht, ist hier der Luft-/Gaseintrag sehr
hoch. Deren Einsatz in heutigen Warmwasser-Heizungssystemen ist abzulehnen, da diese nicht mehr dem Stand
der Technik entsprechen. Bestehende
Systeme mit offenen Ausdehnungsgefäßen sind auf geschlossene Druckhaltesysteme umzurüsten.
Aufgaben der Druckhalteanlagen/Ausdehnungsgefäße:
1. Volumenänderungen infolge von
Temperaturschwankungen auszugleichen
2. Systembedingte Wasserverluste in
Form einer Wasservorlage auszugleichen
3. Druckhaltung in zulässigen Grenzen, an jeder Stelle des Anlagensystems
Das bedeutet, dass es zu keiner Überschreitung des zulässigen Betriebs-
überdrucks kommen darf. Gleichzeitig
muss sichergestellt werden, dass ein
Mindestdruck eingehalten wird, so
dass Unterdruck im System vermieden
wird.
In der Praxis haben sich MembranDruckausdehnungsgefäße (MAG) mit
eingebauter Membrane und festem
Gaspolster durchgesetzt. Durch die
geringe Gasdurchlässigkeit der eingebauten Membrane wird das Eindringen von Gasen in den Wasserraum
nahezu vollständig verhindert.
Diese MAG arbeiten ohne Hilfsenergie,
sind einfach in der Handhabung und
stellen im Leistungsbereich bis 200
kW eine gute und wirtschaftliche Lösung dar.
Dennoch kann ein Gaseintrag in den
Wasserkreislauf nicht zu 100 % ausgeschlossen werden. Die in der Fachwelt diskutierten „Luftprobleme“
werden häufig als „Sauerstoffprobleme“ dargestellt. Allerdings sind
Luftprobleme keinesfalls gleichzusetzen mit Sauerstoffproblemen. Sauerstoff ist zwar die treibende Kraft,
wenn es um Korrosion von metallischen Werkstoffen im Wasserkreislauf
geht. Da Sauerstoff ein sehr reaktionsfreudiges Gas ist, wird er in dem
System, bei vorhandenen Eisenwerkstoffen, annähernd vollständig verbraucht.
Gase im Kreislauf:
- führen zu Unterbrechungen
- verursachen Geräusche im Heizkörper
- beeinträchtigen die Funktion der
Fußbodenheizung
- verlangen häufiges Entlüften
- erfordern eine häufige Heizungswassernachspeisung und führen dadurch
zu einem erhöhten Sauerstoffeintrag
Druckhaltung
Die Druckhaltung hat einen zentralen
Stellenwert in der Anlagentechnik, so
dass die VDI-Richtlinie 4708 als all-
Vgl. VDI 2035 Blatt 2, Tabelle 1 Punkt 8.1
Sonderdruck aus SHK-REPORT 6-7/2015
3
SHK-REPORT FACHWISSEN
- verursachen einen erhöhten Anlagenverschleiß durch Schlammablagerungen, zum Beispiel bei Pumpen
Umso wichtiger ist es, sich die anderen
Gase genauer anzuschauen, insbesondere Stickstoff, der mit 78 %
Hauptbestandteil unserer natürlichen
Luft ist und somit im Wasserkreislauf
für Störungen sorgen kann. Da Stickstoff sich als Inertgas nicht verbraucht,
verbleibt dieses Gas für lange Zeit im
System und führt so zu den bekannten
Problemen wie Erosion oder Kavitation.
Um den Anlagenverschleiß zu reduzieren, sind entsprechende Entgasungsgeräte bereits in der Planung zu
berücksichtigen.
Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass die wirkungsvollste Methode die thermische Entgasung über
Dampf ist. Sie ist leider die aufwendigste und benötigt sehr viel Energie.
Die bekannten Luftabscheider können
freie Gase sehr gut abscheiden. Die
Wirkung wird jedoch stark beeinflusst
vom Anlagensystem, dem Druck und
dem Einbauort.
Nach der thermischen Entgasung liefert die Vakuum-Entgasung die besten
Ergebnisse. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in der druckabhängigen Löslichkeit der Gase im Wasser. Differenziert wird zwischen der statischen und
der dynamischen Vakuum-Entgasung.
Die effektivere Variante ist die dynamische Vakuum-Entgasung. Hier wird
das Wasser in einem Behälter versprüht und gleichzeitig ein Vakuum
im Behälter erzeugt. In diesen Verhältnissen können Gase nicht mehr in gelöster Form bleiben, so dass die Gase
freigesetzt werden.
Vakuum-Entgaser werden in den
Rücklauf des Systems eingebunden
und arbeiten im Teilstromprinzip.
Hocheffiziente Wärmeerzeuger können
die Energie nur dann effektiv nutzen,
wenn auch das optimale Wärmeträgermedium zum Einsatz kommt. Ablagerungen von Magnetit und/oder
Kalk müssen vermieden werden. Diese
Ablagerungen führen unabwendbar
zu einem erhöhtem Anlagenverschleiß,
steigenden Energiekosten sowie einer
vermeidbaren, höheren Umweltbelastung.
JUDO HEIFI-AIR-FREE Automatisches
Vakuum-Entgasungssystem für Heiz-,
Kühlwasser- und Solarsysteme
Fazit:
Alle Beteiligte, insbesondere die Fachplaner und die Fachhandwerker aus
dem SHK-Bereich, sind gut beraten,
eine Schulung nach VDI 4704 zu besuchen. Diese Richtlinie bietet kom-
Unterschiedliche Entgasungssysteme
im Vergleich:
Autor: Georg-Uwe Schnell
Schulungsreferent
Installations- und Heizungsbaumeister
JUDO Wasseraufbereitung GmbH
Hohreuschstraße 39 - 41
71364 Winnenden
Effektiv: das Verfahren.
erreichbare Stickstoffkonzentration nach der
Entgasung in mg/l
Der JUDO HEIFI-AIR-FREE arbeitet nach dem
Prinzip der dynamischen Vakuum-Entgasung.
Dabei wird das Wasser in einem Behälter versprüht, wobei gleichzeitig der Druck bis zum
Vakuum abgesenkt wird. In diesen Verhältnissen können Gase nicht mehr in gelöstem
Zustand bleiben und werden freigesetzt.
JUDO HEIFI-AIR-FREE bringt den Gasgehalt
des Wassers praktisch auf Null – auch bei einem reaktionsschwachen Gas wie Stickstoff,
das in chemischen Verfahren nur schwer bekämpft werden kann.
JUDO Schulungen zur VDI 4704:
http://www.judo.eu/VDI4704
Druck am Einbauort in bar
4
primierte, themenübergreifende Informationen und Lösungen aus dem
Bereich der Wasserbeschaffenheit, der
Druckhaltung und der Entgasung. Die
Bereiche „Wasser, Druck und Gase“
gehören zusammen und wirken gemeinsam auf einen Kreislauf ein. Deshalb ist es zielführend, diese Themenbereiche auch zusammenhängend zu
behandeln und zu schulen.
Teilnehmer an einer Schulung nach
VDI 4704 Kategorie A oder B erhalten
nach erfolgreicher Prüfung entsprechend dem Themenbereich eine Teilnahmebescheinigung. Werden beide
Themenbereiche, Wasserbeschaffenheit und Druckhaltung/Entgasung,
zeitnah mit einer erfolgreichen Prüfung abgeschlossen, erhalten die Teilnehmer eine VDI-Urkunde.
Sonderdruck aus SHK-REPORT 6-7/2015