D-12 VR und C-451

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D-12 VR und C-451
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D-12 VR und C-451
von AKG im Test
AKG D-12 VR und AKG C-451 65th Anniversary Limited Edition
Von Christian Boche
Dynamisches Großmembran-Mikrofon und Kondensator KleinmembranMikrofon. Das muss schon ein cooles Gefühl sein, wenn man Mikrofonklassiker
produziert und Jahrzehnte später die hauseigenen Klassiker in einer
überarbeiteten Version dem fachkundigen Publikum zur erneuten Begutachtung
vorstellt. Zwei dieser „frisierten“ Klassiker haben wir auf dem Seziertisch.
Anlässlich des Jubiläums zum 65-jähringen Bestehen der „Akustische und KinoGeräte“
GmbH,
kurz
„AKG“,
präsentiert
das
österreichische
Traditionsunternehmen eine Reihe von Sondermodellen und Reissues.
Zwei davon landeten im Studio des
Autors, der neugierig die Neuauflage der bekannten AKG-Klassiker
D-12 und C-451 in den Händen
hielt. Logisch, dass wir die Kandidaten sofort zu Testaufnahmen
herangezogen haben. Mal sehen,
wie sich das AKG D-12 VR und der
Kollege AKG C-451 65th Anniversary Limited Edition in der Praxis
schlagen.
Geschichtsstunde
„Früher war alles besser“, das
könnte man annehmen, wenn man
die Gebrauchtpreise für Mikrofonklassiker aus den 1950er und
1960er Jahren beobachtet. Auch
AKG hat mit gleich mehreren Modellen seinen Teil zur Mikrofongeschichte beigetragen. Das AKG
D-12 ist nur ein Beispiel. Es erschien erstmals im Jahre 1953, fast
zeitgleich mit dem legendären
Röhrenmikrofon AKG C-12, und
stellte eine kleine technische Sensation dar. Das D-12 war das weltweit erste Tauschspulenmikrofon
der Welt und zudem das erste dy-
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namische Mikrofon mit Nierencharakteristik. Auch heute noch wird
dieses Mikrofon gerne in Bass
Drums verwendet, wenn es um
einen natürlichen Sound ohne
große Vorentzerrung geht. Auch
vor Bassverstärken ist das D-12
gerne gesehen.
Jüngeren Datums, aber ebenso gefragt sind die ersten Versionen des
1969 eingeführten AKG C-451
Kleinmembranmikrofons. Der Hype
um diese Mikrofone hat aktuell
einen Schub erfahren, als bekannt
wurde, dass einige bekannte amerikanische Tonkollegen das C-451
gerne zusammen mit einem Shure
SM-57 als Snare Mikrofon verwenden. So zu hören auf den letzten
Platten der Punkrocker von Green
Day oder den „Chris Lord Alge Drum
Samples“ aus dem Hause Steven
Slate Drums. Der Autor besitzt selbst
noch drei betagte AKG C-451 EB
samt -20 dB PAD und A-51 Knickgelenk, die wir natürlich zum Vergleich zu unserem Kandidaten ebenfalls aufgenommen haben.
AKG D-12 VR
Dieses Modell kommt in einer schicken schwarzen Transportbox mit
Magnetverschluss und der Seriennummer 000089 nebst Gravur
„Made in Austria“. Optisch ist die
Referenz an das originale D-12 offensichtlich. Stativaufnahme und
XLR-Anschluss sind in einem beweglichen Metallfuß eingelassen
und der Kandidat passt gerade
noch durch das 8 Zoll große Loch
im Resonanzfell. Apropos Resonanzfell, hier ein Originalzitat aus
dem gedruckten Manual: „Man ist
sich im allgemeinen darüber einig,
dass es für die Abnahme der Bassdrum von Vorteil ist, das Resonanzfell zu entfernen.“ What? Hab ich
etwas verpasst oder feiern die
1970er Jahre gar ein ungeahntes
Revival? Egal, jedenfalls lässt sich
das Mikro ordentlich platzieren
und benötigt aufgrund des moderaten Gewichts von 500 Gramm auch
kein spezielles Stativ. Ein interessantes Feature sind drei zusätzlich
zuschaltbare Filtereinstellungen,
die über einen auf der Oberseite an-
AKG D-12 VR
AKG D-12 VR: Frequenzgang und Polardiagramm – farbig dargestellt sind die vier unterschiedlichen Grundsounds
gebrachten Dreifach-Schalter samt
LED abgerufen werden können.
Somit bietet das Mikro vier unterschiedliche Grundsounds. Der
erste Sound ist der natürliche
Klang der dynamischen Nierenkapsel, welche eine extrem dünne
Membran für verbesserte Tieftonübertragung besitzt. Für die drei
zuschaltbaren Sounds muss das
Mikrofon mit Phantomspeisung
versorgt werden. Damit der Anwender auf der dunklen Bühne sichergehen kann, dass das richtige Filter
ausgewählt wird, besitzt der Schalter zur Anwahl eine dreifarbige
LED. Somit sind in den downloadbaren Klangbeispielen auch jeweils
diese Farben (grün, rot, blau) zur
besseren Unterscheidung angegeben.
AKG C-451 65th Anniversary
Limited Edition
Auch dieses Nierenmikrofon wird
als limitierte Auflage in Wien hergestellt. Es kommt ebenfalls mit
der schicken Aufbewahrungsbox
(Premiumbox) samt individuell angefertigtem Messschrieb, Softtasche, Mikrofonklemme, Windschutz und AKG-Aufkleber. Was ist
der Unterschied zum ebenfalls weiterhin erhältlichen AKG C-451 B?
Auf den ersten Blick fällt die Farbe
auf. Die herkömmliche Version ist
silbern, die Jubiläumsausgabe dagegen mit dem Farbton „Titanmatt“ veredelt. Auch die versenkt
angebrachten Schalter sind blau
statt rot. Gut möglich, dass es in
zehn oder zwanzig Jahren ein ähnlich gesuchtes Sammlerobjekt wird
wie die C-451 EB (die Urversion des
451) des Autors. Dass ein 451 vorzüglich klingt, dürfte niemanden
wirklich überraschen. Aber warum
ist dieses Mikrofon zu einem Klassiker geworden? Nach der bescheidenen Meinung des Autors gibt es
dafür zwei Gründe:
Auf die Ohren?
Studioassistent Manuel bedient für unsere Klangbeispiele das Studioschlagzeug: Hier trifft eine 20-Zoll-Bass Drum aus dem Hause Kirchhoff
auf eine 12-Zoll-Snare und als HiHat kommen Sabian HHX Becken zum
Einsatz. An besagter HiHat geht das AKG C-451 65th Anniversary Limited Edition in Stellung und in der Bass Drum logischerweise das AKG
D-12 VR. Zu jedem der abrufbaren vier Bass Drum Sounds gibt es ein
Hörbeispiel, darüber hinaus noch ein Take, in dem der Autor die Bass
Drum mit EQ bearbeitet hat. Ansonsten kommt bis auf einen Mastering
Limiter keine weitere Klangbearbeitung zum Zuge. Das AKG C-451
65th Anniversary Limited Edition haben wir in einer weiteren Aufnahme parallel zu einem alten AKG C-451 EB des Autors aufgenommen.
Das „historische“ 451 EB wurde 2010 von Andreas Grosser und Siegfried
Thiersch komplett restauriert und befindet sich technisch im Bestzustand. Wie immer sind die Klangbeispiele im Mehrwertbereich auf
www.tools4music.de als Download erhältlich.
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nommene Snare erzeugen kann
(speziell, wenn der Drummer richtig zulangt). Mit besagtem PAD hat
das 451 EB allerdings keine Probleme. Durch den leichten Höhenboost erweitert das 451 das
Klangspektrum und öffnet frequenztechnisch den Vorhang für
die Höhen. Ob das auch für die
C-451 65th Anniversary Limited
Edition gilt, haben wir im Studio
ausprobiert. Da die Neuauflage eine
fest installierte Kapsel besitzt (das
451 EB basiert auf dem Wechselkopfprinzip), integrierte AKG einen
Schalter mit zwei PAD-Positionen
(0, -10, -20 dB) im Mikrofonschaft.
Identisch mit der alten 451-Version
ist allerdings der ebenfalls zweifach
schaltbare Trittschallfilter (linear,
75 Hz, 150 Hz mit einer Flankensteilheit von -12 dB).
Polardiagramm und Frequenzgang AKG C-451 – hier ist die Wirkung der schaltbaren
Trittschallfilter sichtbar
AKG C-451 65th
Anniversary Limited Edition
Das AKG C-451 hat einen charakteristischen Boost in den Höhen
(breitbandig bei ca. 12 kHz). Diese
Höhen klingen schlichtweg edel,
samtweich und nicht aufdringlich.
Ein klasse Sound, um damit zum
Beispiel Becken oder HiHats abzunehmen. Top Producer/Mixer wie
Rob Cavallo, Chris Lord Alge oder
Drum-Sample-Papst Steven Slate
nutzen das klassische 451 EB (mit
-20-dB-PAD) gerne als Snare-Mikrofon. Viele alte KleinmembranKondensatormikrofone
haben
dabei allerdings Probleme mit dem
Schalldruck, den eine nah abge-
An der Schießbude
Das D-12 VR verschwindet in der
Bass Drum eines Kirchhoff „Artic“Set und das C-451 dient zur Abnahme der HiHat. Natürlich haben
wir davon auch Klangbeispiele gemacht, die im Mehrwert-Bereich
auf www.tools4music.de zum
Download stehen. Aufgenommen
wurde eine kurze Drum-Sequenz,
jedes Mal mit einer anderen Filtereinstellung am D-12 VR. Darüber
hinaus haben wir einige Takte
HiHat „eingefangen“, parallel mikrofoniert mit der Jubiläumsausgabe und einem alten 451 EB. Alle
Mikrofone wurden mit identischen
Das Setup für die Testaufnahmen. Ein Kirchhoff „Artic“ Drumset
Die Auferstehung einer Legende: Das AKG C-451 65th Anniversary Limited Edition ist
ein hervorragendes Mikrofon, beispielsweise für die Mikrofonierung von Becken
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Fakten
Hersteller
AKG
AKG
Modell
D-12 VR
C-451 65th Anniversary Limited Edition
Herkunft
Österreich
Österreich
Bauart
dynamisch, alternativ drei weitere abrufbare Sounds
(dafür +48 V notwendig)
Kleinmembran-Kondensator
Richtcharakteristik
Niere
Niere
Frequenzgang
17 - 17.000 Hz (±2 dB)
20 -20.000 Hz
Grenzschalldruckpegel
164 dB SPL (für 0,5 % Klirrfaktor)
135/145/155 (0/-10/-20 dB, k = 0,5 %)
Signal/Rauschabstand (A-Bew.)
k. A.
76 dB
Vorabschwächung
-
0, -10, -20 dB
Low Cut Filter schaltbar
-
Schaltbar auf linear, 75 Hz, 150 Hz mit 12 dB/Oktave
Impedanz
<200 Ohm (bei 1.000 Hz)
<200 Ohm
Speisespannung
48 Volt Phantomspeisung
9-52 Volt Phantomspeisung
Anschluss
XLR
XLR
Abmessungen
125 x 101 x 66 mm
160 mm, Ø19 mm
Gewicht
500 g
125 g
Listenpreise
479 Euro
599 Euro
Verkaufspreise
439 Euro
545 Euro
Info
www.audiopro.de; www.akg.com;
www.musicstore.de
Focusrite Preamps direkt auf die
Festplatte gebannt. Beide 451-Versionen hatten bei gleichem Preamp
Gain eine identische Verstärkung.
Verblüffend, beide Mikrofone klingen sehr ähnlich, obwohl fast 30
Jahre zwischen deren Herstellung
liegen. Wenn man bedenkt, dass wir
keinerlei EQ oder Low Cut für die
Aufnahme verwendet haben, dann
kann man die Begeisterung der
451-Anwender schon nachvollziehen. Das Mikro zeichnet detailreich
und natürlich ab, ohne dabei aufdringlich zu werden. Ein toller
Sound, vor allem mit der Erkenntnis, dass der Klang der Urversion
sich deutlich im Jubiläumsmodell
wiederfindet.
Das AKG D-12 VR geht historisch unbelasteter zur Sache. Es hat einen eigenen Klang, der natürlich auch zur
jeweiligen Bass Drum passen muss.
Ein Bass-Drum-Mikrofon, das in
jedem Kessel gut klingt, gibt es nicht
– dazu sind individuelle Parameter
wie Fellbestückung, Kesselgröße,
Kesselmaterial und Spielweise zu unterschiedlich. Daher sollen die Auf-
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In den Klangbeispielen auf www.tools4music.de vergleichen wir ein schon fast „historisches“ AKG C-451 EB mit
der C-451 65th Anniversary Limited Edition
Pro & Contra
+ top Verarbeitung
+ professioneller, charaktervoller
Sound
+ innovative Filterschaltung
(D-12 VR)
+ authentischer Klang zum
klassischen Vorbild (C-451)
+ aufwendige Verpackung
+ Made in Austria
- exklusiver Preis
nahmen eher als Orientierung und gleichzeitig als
Satter Tiefton mit eigenem Charakter: das AKG D-12 VR
Empfehlung dienen, das D-12
VR an der eigenen Bass Drum oder
einem bekannten Set auszuprobie- fertigten Testmikrofone bestechen in Ordnung. Zumal die Chance beren. Klanglich wird satte Basswie- mit ihrem charakteristischen Sound steht, dass man mit dem Erwerb der
dergabe ohne extremen Kick und einer tadellosen Verarbeitung. Kandidaten vielleicht zukünftige
geboten. So könnte sich das D-12 Wer das zu schätzen weiß, für den Klassiker zur eigenen MikrofonVR als echter Allrounder erweisen geht der stolze Preis der Testobjekte sammlung hinzufügt.
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und auch als Mikrofon vor einem
Bass-Amp die Hosenbeine zum
NACHGEFRAGT
Flattern bringen. Die unterschiedlichen Filtereinstellungen veränStefan Graf, Produktmanager, Audio Pro Heilbronn Elektroakustik GmbH:
dern den Klang wie in der
„Das C-451 nimmt neben den C-414 Modellen eine ganz besondere Stellung ein. Beide
Abbildung dargestellt (wahlweise
Mikrofone haben den weithin als ‚AKG Sound‘ bekannten Klang definiert. Am einfachsten zu
Bassanhebung bei 50 Hz, Mittenabbeschreiben als musikalischer Klang, der weniger auf Analytik denn auf Reproduktion des
senkung bei 700 Hz oder betonte
Gehörten setzt. Daher war der Aufschrei groß, als AKG die Einstellung der auch im Test erHöhen zwischen 5 und 7 kHz),
wähnten C-451 EB Modelle bekannt gab. AKG hat daraufhin diese Entscheidung überdacht
aber der grundlegende Klang des
und gleichzeitig mit der Wiedereinführung des C-451 B auch einige mechanische Schwächen
D-12VR setzt sich dennoch durch.
beseitigt, ohne den geschätzten Klang anzutasten. Diese Konstruktionsform findet auch beim
Ein wahrer Charakterkopf halt.
Finale
AKG beweist, dass man beides kann.
Man ist am Puls der Zeit und zeigt
mit dem D-12 VR, dass man mit den
schaltbaren Filtereinstellungen und
damit zusätzlichem Anwendernutzen zu überraschen weiß. Und
gleichzeitig darf der Hersteller ruhig
etwas stolz sein auf die bisher gebauten Evergreens. Dies wird mit dem
C-451 65th Anniversary Limited Edition dokumentiert. Die in Wien ge-
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Jubiläumsmodell C-451 65th Anniversary Limited Edition Anwendung und sichert damit die
Wertbeständigkeit dieses schönen Sammlerstücks.
Zum D-12 VR: Die wenigen Wochen, die das Mikrofon nun erhältlich ist, bringen täglich neue,
teils euphorische Anwenderkommentare, die wir in dieser Intensität nicht erwartet
hätten. Es scheint, dass AKG damit ein großer Wurf in Sachen dynamischer Großmembranmikrofone gelungen ist. Dabei liegt diesen Kommentaren meistens der Grundklang ohne Filter zugrunde. Das zeigt, dass die Konzeption des D-12 VR mit ultradünner Membran und
angepasster Bassresonanzkammer aufgegangen ist. Zusätzlich die Möglichkeit zu haben, mit
drei Filtereinstellungen insgesamt vier jederzeit reproduzierbare hochklassige Sounds zur Verfügung zu haben, ist einzigartig. Ich möchte auch dringend empfehlen, das D-12 VR nicht nur
als Bass- oder Bass-Drum-Mikrofon anzusehen. Sprache, Gesang, Posaune oder Percussion
sind nur einige Anwendungen, die andeuten, was mit diesem Mikrofon möglich ist.“