Der Fall [ kostenlos ]

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Der Fall [ kostenlos ]
Klausuren für das 2. Examen
D 140 Bln Aktenauszug
– Gerichtliche Entscheidung/Schulrecht/
Glaubensfreiheit
Bulut u.a. ./. Land Berlin
26.05.2014 Dr. Martin Stuttmann/Frank Hansen
Auszug aus dem Verwaltungsvorgang der Kopernikus-Grundschule in Berlin
Ärztliches Attest
zur Vorlage bei:
Grundschule
Herr
Frau
Frl.
Bulut, Sharuna, geb. 23. August 2005
Sharuna kann nicht am Schwimmunterricht teilnehmen. Sie hat große
Angst und leidet unter Panikattacken mit begleitender Atemnot, wenn
sie ins Wasser eintaucht.
Berlin, 7. Oktober 2013
Dr. med. Yüksel Özdemir
Facharzt für Allgemeinmedizin
–2–
D 140 Bln
LAND BERLIN
KOPERNIKUS-GRUNDSCHULE
Städt. Kopernikus-Grundschule
– Die Schulleiterin –
Höllerweg 7
13597 Berlin
Tel.: 030/203-6573
Fax: 030/203-6574
An die Erziehungsberechtigten
von Sharuna Bulut
Frau Aishe Bulut und Herrn Mustafa Bulut
Hafenstraße 12
13597 Berlin
Datum und Zeichen Ihres Schreibens
Mein Zeichen
8-14 Mü
Datum
09.10.2013
Befreiung vom Schwimmunterricht
Ärztliches Attest vom 7. Oktober 2013
Sehr geehrte Frau Bulut, sehr geehrter Herr Bulut,
seit dem Anfang des zweiten Schuljahres im August dieses Jahres halten Sie Ihre Tochter Sharuna
vom neu begonnenen Schwimmunterricht fern. Auf meine Bitte haben Sie nunmehr ein ärztliches Attest vom 7. Oktober 2013 über die Angstattacken Ihrer Tochter beim Schwimmen vorgelegt. Dieses
Attest überzeugt mich nicht davon, dass Ihre Tochter tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht
am Schwimmunterricht teilnehmen kann. Es handelt sich lediglich um eine Kurzdiagnose. Es ist nicht
ersichtlich, dass der bescheinigende Arzt über das erforderliche psychiatrische Fachwissen verfügt,
um eine Angststörung festzustellen. Außerdem ist nicht erkennbar, dass er nicht lediglich ihre Angaben übernommen hat, sondern eine eigene fundierte Diagnose auf der Grundlage einer hinreichenden Exploration gestellt hat. In Gesprächen mit Ihrer Tochter hat die Klassenlehrerin, Frau SedelmeyerGroßbaum, keine Anhaltspunkte für besondere Ängste Ihrer Tochter vor dem Wasser festgestellt. Sie
hat vor allem Angst davor, dass sie zuhause bestraft wird, wenn sie am Schwimmunterricht teilnehmen will.
Ich darf Sie daher bitten, künftig dafür Sorge zu tragen, dass Ihre Tochter regelmäßig am wöchentlichen Schwimmunterricht teilnimmt. Von häuslichen Strafmaßnahmen bitte ich abzusehen.
Mit freundlichen Grüßen
Schulleiterin
–3–
D 140 Bln
Ärztliches Attest
zur Vorlage bei:
Grundschule
Herr
Frau
Frl.
Bulut, Sharuna, geb. 23. August 2005
Sharuna kann in den nächsten beiden Wochen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen. Sie leidet derzeit unter Windpocken.
Berlin, 21. Oktober 2013
Dr. med. Yüksel Özdemir
Facharzt für Allgemeinmedizin
LAND BERLIN
SCHULAMT SPANDAU
Amtsärztlicher Dienst
Carl-Schurz-Straße 8
13597 Berlin
Tel.: 030/203-5364
Fax: 030/203-5365
An die Rektorin der
Kopernikus-Grundschule
– vertraulich –
Höllerweg 7
13597 Berlin
Datum und Zeichen Ihres Schreibens
22. Okt. 2013, 14-8 Mü
Mein Zeichen
34-398 Ge
Datum
30.10.2013
Befreiung vom Schwimmunterricht
Sharuna Bulut – Amtsärztliche Untersuchung am 29. Oktober 2013
Ich teile das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung des minderjährigen Kindes Sharuna Bulut
vom 29. Oktober 2013 mit. Sie hatten mich mit o.g. Schreiben gebeten festzustellen, ob bei Sharuna
Bulut Anzeichen für eine akute oder kurz zurückliegende Varizellenerkrankung (Windpocken) gegeben sind. Das Kind wurde gestern von seinen Eltern bei mir vorgestellt.
Es konnten bei Sharuna keine Anzeichen für eine akute oder durchgemachte Varizellenerkrankung
festgestellt werden. Anamnestisch ergaben sich Hinweise darauf, dass beim Vater des Kindes eine behandlungsbedürftige Angststörung vorliegt, die mit einer stark gesteigerten Religiosität einhergeht.
Der Vater hat mitgeteilt, dass er seine Tochter und seinen Sohn Ahmet nicht am Schwimmunterricht
teilnehmen lassen könne, weil ihm dies seine Religion (Islam) verbiete.
–4–
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Die Angststörung des Vaters kann sich durchaus auf die Tochter übertragen. Mit der psychischen Prädisposition des Vaters lässt sich auch die überstürzte einwöchige Fahrt der Familie in die Türkei erklären, von der Sie berichtet haben. Mangels Untersuchungsersuchens konnte der Erkrankung des Vaters
allerdings nicht weiter nachgegangen werden.
Im Auftrag
Dr. med. Stemmter
Städtischer Medizinaldirektor
Facharzt für Innere Medizin und Psychiatrie
Mustafa Bulut
Hafenstraße 12
13597 Berlin
An das
Schulamt Spandau
Carl-Schurz-Str. 8
13597 Berlin
Berlin, den 5. November 2013
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe mich entschlossen, meine Tochter Sharuna (2. Klasse) nicht mehr am Schwimmunterricht
teilnehmen zu lassen. Die Religionsfreiheit gilt in Deutschland auch für den Islam, zu dem wir uns als
aus der Türkei eingewanderte Bürger bekennen. Der Islam verbietet seinen Gläubigen aber, sich unzüchtig zu kleiden. Wir sind praktizierende Muslime und halten uns streng an die Gebote, die sich aus
dem Koran und den Verhaltensmaßregeln des Propheten Mohammed (Sunna) ergeben.
Zu den Pflichten einer islamischen Frau gehört es nach dem Koran, ihren Körper mit Ausnahme von
Händen und Gesicht zu verdecken und vor fremden Blicken zu verbergen (Sure 24, Vers 31). So
schützt sie sich davor, die Begierden der Männer zu wecken und behält auf diese Weise ihre Ehre. Dieser Glaubenspflicht folgend kleidet sich meine Tochter auch im Schulunterricht islamisch (weite Kleider, verhüllende Gewänder) und trägt ein Kopftuch. Ich lege Ihnen eine Übersetzung der Koranstelle
bei, damit Sie sich selbst überzeugen können, dass ich Recht habe. Bitte berücksichtigen Sie, dass
Schwimmunterricht nicht so wichtig ist wie Mathematik oder Englisch. Das gilt gerade hier in Berlin,
wo es kein Meer und nur wenige Seen gibt. Immer mehr städtische Hallenbäder werden geschlossen;
es gibt kaum Schwimmgelegenheiten. Außerdem darf Sharuna am normalen Sportunterricht auf dem
Sportplatz und in der Turnhalle teilnehmen, auch wenn ich dort aus ähnlichen Gründen Bedenken
habe. Meine Tochter bewegt sich also ausreichend unter schulischer Aufsicht.
Sehr geehrtes Schulamt, Sie müssen durch die Befreiung von Sharuna vom Schwimmunterricht nur
ein kleines Zugeständnis an die Glaubensfreiheit machen. Helfen Sie uns bei der Integration, indem
Sie uns entgegenkommen.
Mit freundlichen Grüßen
–5–
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Beiblatt
Koran, Sure 24, Vers 31
Und sprich zu den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham bewahren, ihren
Schmuck [d. h. die Körperteile, an denen sie Schmuck tragen; der Übers.] nicht offen zeigen, mit Ausnahme dessen, was sonst sichtbar ist. Sie sollen ihren Schleier auf den Kleiderausschnitt schlagen und
ihren Schmuck nicht offen zeigen, es sei denn ihren Ehegatten, ihren Vätern, den Vätern ihrer Ehegatten, ihren Söhnen, den Söhnen ihrer Ehegatten, ihren Brüdern, den Söhnen ihrer Brüder und den
Söhnen ihrer Schwestern, ihren Frauen, denen die ihre rechte Hand besitzt, den männlichen Gefolgsleuten, die keinen Trieb mehr haben, den Kindern, die die Blöße der Frauen nicht beachten. Sie sollen
ihre Füße nicht aneinanderschlagen, damit man gewahr wird, was für einen Schmuck sie verborgen
tragen. Bekehrt euch allesamt zu Gott, ihr Gläubigen, auf dass es euch wohl ergehe.
[„Schmuck“ wird häufig auch übersetzt als „Reize“, „Kleiderausschnitt“ wird häufig auch übersetzt als „Busen“]
Heckberts und Partner
12555 Berlin, den 27. Nov. 2013
Kaiserallee 5, Postfach 12345
An das Verwaltungsgericht Berlin
Kirchstraße 7
10557 Berlin
---------------------------------------Eingang: 28. Nov. 2013
VG BERLIN
---------------------------------------Unser Zeichen: 1609/13MS44 D5/5759
Eilantrag und Prozesskostenhilfeantrag
der
Frau Aishe Bulut und des Herrn Mustafa Bulut als Eltern des minderjährigen Kindes Sharuna Bulut, Hafenstraße 12, 13597 Berlin,
Antragsteller zu 1) und 2),
gegen
das Land Berlin, vertreten durch das Schulamt Spandau, Carl-Schurz-Str. 8, 13597 Berlin,
Antragsgegner.
Namens und im Auftrag der Antragsteller – Vollmacht liegt an – beantrage ich,
1.
die minderjährige Tochter der Antragsteller Sharuna Bulut vorläufig vom Schwimmunterricht
der Kopernikus-Grundschule in Berlin freizustellen,
2.
auf dem nächsten Jahreszeugnis der Tochter der Antragsteller im Fach Schwimmen einzutragen: „nicht erteilt“,
3.
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
4.
den Antragstellern für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter meiner Beiordnung zu gewähren.
–6–
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Begründung
I. Prozesskostenhilfe ist zu bewilligen, weil die Antragsteller arm im Sinne des Prozessrechts sind. Ablichtungen ihrer Bescheide über den Bezug der Regelsätze nach dem SGB II (Hartz IV) füge ich bei (Anlage) [vom Abdruck wurde abgesehen].
II. Der Antragsgegner weigert sich zu Unrecht, die Tochter der Antragsteller vom Schwimmen zu dispensieren. Bei einer Abwägung der Interessen wiegt die Glaubensfreiheit offensichtlich schwerer als
das Erlernen von Schwimmzügen. Zur Begründung verweise ich auf das Schreiben des Antragstellers
zu 2) an das Schulamt vom 5. November 2013, das ich in Kopie beifüge und vollständig zum Gegenstand meines Vortrags mache. Das Schulamt hat in einem Gespräch mit den Antragstellern deren Anliegen rundweg abgelehnt.
Es ist darüber hinaus in Erinnerung zu rufen, dass die Tochter der Antragsteller wegen ihres Glaubens
nicht benachteiligt werden darf. Das geschieht aber, wenn sie gezwungen würde, in einer verhüllenden Badebekleidung am Schwimmunterricht teilzunehmen, die sie zu einer Außenseiterin macht und
dem Spott und der Verachtung der Klassenkameraden preisgibt. Eine Benachteiligung tritt auch ein,
wenn bei ihr im Fach Schwimmen der Vermerk „nicht teilgenommen“ gesetzt wird. Um sie nicht als islamische Glaubensangehörige zu diskriminieren, muss vielmehr der Vermerk „nicht erteilt“ im Zeugnis aufgenommen werden.
Auch wenn die Freistellung aus der Sicht der Antragsteller zwingend ist, trage ich aus Gründen anwaltlicher Vorsicht ergänzend vor, dass bestimmte Bedingungen an den Schwimmunterricht erfüllt
sein müssen, falls das Gericht doch der Auffassung des Antragsgegners folgen sollte. Um den islamischen Bekleidungsvorschriften einigermaßen Genüge zu tun, muss der Schwimmunterricht nach Geschlechtern getrennt erteilt werden. Als Lehrkraft darf nur eine Person desselben Geschlechts wie die
Schülergruppe eingeteilt werden. Die Umkleidekabinen müssen so voneinander getrennt sein, dass
das jeweils andere Geschlecht keinen Einblick und schon gar keinen Zutritt zu den Räumen hat. Da
Frauen sich im Islam nicht unbekleidet vor anderen Frauen zeigen und unbekleidete Frauen nicht ansehen dürfen, ist es der Tochter der Antragsteller verboten, nackt mit den anderen Mädchen ihrer
Klasse zu duschen. Falls nur Sammelumkleiden vorhanden sind, muss für sie die Benutzung einer separaten Umkleidekabine gewährleistet sein.
Den Antragstellern ist es angesichts des schwerwiegenden Eingriffs in die Glaubensfreiheit nicht zuzumuten, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Überdies steht zu erwarten, dass die
Tochter der Antragsteller die Grundschule hinter sich gebracht haben wird, bis über eine evtl. Klage
rechtskräftig entschieden ist.
Eine eidesstattliche Versicherung der Antragsteller, dass die Angaben in diesem Schriftsatz und dem
beigefügten Schreiben des Herrn Bulut vom 5. November 2013 der Wahrheit entsprechen, füge ich
bei [vom Abdruck wurde abgesehen].
Dr. Simone Herleburg
Rechtsanwältin
–7–
D 140 Bln
LAND BERLIN
SCHULAMT SPANDAU
Schulamt Spandau
– Rechtsamt –
Carl-Schurz-Str. 8
13597 Berlin
Tel.: 030/203-5367
Fax: 030/203-5368
An das Verwaltungsgericht Berlin
Kirchstraße 7
10557 Berlin
Datum und Zeichen Ihres Schreibens
Mein Zeichen
8-14 Mü
Datum
11.12.2013
In der Sache
Aische Bulut u.a. ./. Land Berlin
VG Berlin, 18 L 8794/13
beantrage ich,
die Anträge abzulehnen.
I.
Ich verstehe das grundsätzliche Anliegen, die Bekleidungsvorschriften der eigenen Religion einzuhalten. Allerdings fällt es mir schwer, Familie Bulut zu glauben, dass es ihr tatsächlich nur darum geht. Es
ist kaum nachvollziehbar, warum die Familie Bulut zunächst lange mit angeblichen Krankheiten herumlaviert hat und sogar während der Schulzeit in die Türkei gefahren ist, anstatt von vornherein die
Karten auf den Tisch zu legen. Erst nachdem der Amtsarzt den Schwindel aufgedeckt hat, haben sich
die Buluts eine neue Erklärung zurecht gelegt und Zuflucht zur islamischen Religion genommen.
In der laizistischen Türkei hätte das Begehren der Antragsteller seit den Zeiten des Staatsgründers
Atatürk keine Aussicht auf Erfolg. Die Familie scheint allerdings darauf zu spekulieren, dass es die Kopernikus-Grundschule wie viele andere Schulen unter dem Druck der veröffentlichten Meinung und
der „political correctness“ nicht wagt, die deutsche Schwimmkultur und –tradition durchzusetzen, die
im verbindlichen Lehrplan für das Fach „Sport“ ihren Niederschlag gefunden hat. Ich bin allerdings
entschlossen, dem für alle Schülerinnen und Schüler geltenden Recht des Landes Berlins an den Berliner Schulen Geltung zu verschaffen. Dafür stehe ich auch aus pädagogischen Gründen ein.
Wer sein Kind vom Schwimmunterricht fernhält, schließt es aus der Klassengemeinschaft aus und
macht es zum Außenseiter. Auch im sonstigen Unterricht ist die Tochter von Herrn Bulut islamisch gekleidet, ohne dass es zu Schwierigkeiten in der Klassengemeinschaft käme oder Akzeptanzprobleme
bei den Mitschülern bestünden. Jedenfalls liegen die Befreiungsvoraussetzungen, die sich aus dem
Schulgesetz Berlin im Einzelnen ergeben, nicht vor.
–8–
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II.
Die Antragsteller irren, wenn sie meinen, Schwimmunterricht sei ein Lehrfach minderer Wertigkeit,
etwa im Vergleich zu den Fächern Deutsch oder Mathematik. Der Schwimmunterricht ist Teil des
Lehrfachs Sport, das im Zusammenwirken mit den übrigen lehrplanmäßigen Fächern den staatlichen
Erziehungs- und Bildungsauftrag erfüllt. Der Schwimmunterricht ist wichtig und vermittelt spezifische
Fähigkeiten und Kompetenzen. Hierzu möchte ich keine längeren Ausführungen machen, sondern
auf die geltenden Schulvorschriften verweisen, die ich als Anlage beifüge [vom Abdruck wurde abgesehen].
III.
Von alledem abgesehen: Ich sehe den Konflikt mit den islamischen Bekleidungsvorschriften gar nicht.
Der von den Antragstellern angeführten Koranstelle kann ich nicht entnehmen, dass sie das Schwimmenlernen verbietet. Sie handelt ausschließlich von der Bekleidung der Frau. Die Kinder der Antragsteller gehen jedoch in die zweite und dritte Klassenstufe. Die dortigen Mädchen und Jungen sind
sieben bis acht Jahre alt, also noch weit entfernt davon, Männer oder Frauen zu sein. Die angeführten
Bekleidungsvorschriften betreffen dieses Alter also noch gar nicht. Andere praktizierende islamische
Glaubensangehörige unserer Schulen haben mit dem Schwimmunterricht keine Schwierigkeiten; die
Antragsteller nehmen offenbar eine ungewöhnlich orthodoxe und strenge Haltung ein.
Außerdem ist es in Deutschland üblich, dass Schwimmunterricht in (öffentlichen) Schwimmbädern
durchgeführt wird und – nicht zuletzt aus hygienischen Gründen – Badebekleidung getragen wird.
Handelt es sich – wie hier – um Grundschulkinder, findet der Unterricht koedukativ (Mädchen und
Jungen gemeinsam) statt. Die Kinder sind zudem meistens im Wasser, sodass die überwiegende Zeit
gar nichts von ihren Körpern zu sehen ist, außer vielleicht Kopf und Hals. Die Sammelumkleideräume
sind nach Geschlechtern getrennt, es gibt neben der Lehrerkabine auch einige abgetrennte Kabinen.
Die Duschen sind ebenfalls nach Jungen und Mädchen aufgeteilt. Ob die Kinder mit oder ohne Badebekleidung duschen wollen, ist ihnen freigestellt. Nach unserer langjährigen Erfahrung duschen aber
zumindest alle Mädchen unserer Grundschulen in Badebekleidung; es ist nicht anzunehmen, dass sich
hieran während der Grundschulzeit der Kinder der Antragsteller etwas ändert.
Wenn die Antragsteller im Schwimmunterricht trotzdem noch Schwierigkeiten sehen, müssen sie sich
notfalls islamisch korrekte Badebekleidung beschaffen. Wie ich aus anderen Fällen weiß, werden inzwischen sogenannte „Burkini“ (Kunstwort aus der traditionellen Burka (Körperschleier) und Bikini) für
Mädchen und Frauen angeboten. Sie sehen etwa aus wie Anzüge von Eisschnellläuferinnen, sind aber
weiter geschnitten. Sie bedecken den ganzen Körper mit Ausnahme von Gesicht, Händen und Füßen
und besitzen eine kapuzenartige Kopfbedeckung. Sie sind so gefertigt, dass der Stoff auch nass nicht
am Körper klebt. Der Besuch der Badeanstalt in diesen Kleidungsstücken ist erlaubt.
IV.
Die Anforderungen, die die Antragsteller an einen ihnen genehmen Schwimmunterricht stellen, lassen sich unter den gegebenen Verhältnissen der Schulverwaltung nicht darstellen. Die KopernikusGrundschule verfügt nur über zwei Fachlehrerinnen für den Schwimmunterricht. Diese haben überdies weitere Unterrichtsverpflichtungen. Eine Geschlechtertrennung ist unabhängig davon nicht
möglich. Die Klassen sind geschlechtergemischt, und zwar meist nicht in gleicher Stärke. Ein geschlechtergetrennter Unterricht würde einen übermäßigen organisatorischen Aufwand verursachen,
und zwar sowohl für die Stundenplanerstellung als auch für die gleichmäßige Unterrichtsgestaltung
in halbleeren Klassen und schließlich für den notwendigen Busverkehr zum Schwimmbad.
Peter Eisert
Regierungsdirektor
–9–
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Vermerk für die Bearbeitung:
1. Nachdem Gespräche der Beteiligten beim Schulamt keine Einigung gebracht haben, ist die Entscheidung des Gerichts vom 16. Mai 2014 zu entwerfen. Richternamen sind zu fingieren. Die Festsetzung eines Streitwerts ist entbehrlich.
2. § 117 Abs. 5 VwGO ist nicht anzuwenden.
3. Für die Rechtsbehelfsbelehrung reicht es aus, die Art des Rechtsbehelfs und die zugrundeliegende(n) Vorschrift(en) anzugeben.
4. Wird ein rechtlicher Hinweis für erforderlich gehalten, so ist zu unterstellen, dass dieser ordnungsgemäß erfolgt ist. Eine solche Vorgehensweise ist in einer Fußnote kenntlich zu machen.
5. Werden eine richterliche Aufklärung oder Beweiserhebungen für erforderlich gehalten, so ist zu unterstellen, dass diese ordnungsgemäß erfolgt und ohne Ergebnis geblieben sind. Eine solche Vorgehensweise ist in einer Fußnote kenntlich zu machen.
6. Kommt die Bearbeitung zu dem Ergebnis, dass nur ein Teil des Streitgegenstandes zur Entscheidung reif ist, ist eine Teilentscheidung zu entwerfen. Kommt die Bearbeitung ganz oder teilweise zur
Unzulässigkeit, ist insoweit zur Begründetheit in einem Hilfsgutachten Stellung zu nehmen.
7. Die Formalien (Ladungen, Zustellungen, Unterschriften, Vollmachten, evtl. nötige Rechtsbehelfsbelehrungen) sind in Ordnung, soweit sich aus dem Sachverhalt nicht etwas anderes ergibt.
8. Nicht abgedruckte Schriftstücke haben den wiedergegebenen Inhalt.
9. Die behördlichen Zuständigkeiten sind gewahrt. Das Land Berlin ist Schulträger. Sport ist in Berlin
Pflichtfach an Schulen, an Grundschulen wird er in mehreren Schulstunden pro Woche koedukativ
(gemischt-geschlechtlich) erteilt.
10. Die Antragsteller können die Prozesskosten im prozesskostenhilferechtlichen Sinne nicht aufbringen.
11. Auszug aus dem Schulgesetz des Landes Berlin (SchulG Bln):
§ 1 Auftrag der Schule
Auftrag der Schule ist es, alle wertvollen Anlagen der Schülerinnen und Schüler zur vollen Entfaltung
zu bringen und ihnen ein Höchstmaß an Urteilskraft, gründliches Wissen und Können zu vermitteln.
Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie,
des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang
mit Natur und Umwelt zu gestalten. Diese Persönlichkeiten müssen sich der Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit bewusst sein, und ihre Haltung muss bestimmt werden von der Anerkennung
der Gleichberechtigung aller Menschen, von der Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung und von
der Anerkennung der Notwendigkeit einer fortschrittlichen Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse sowie einer friedlichen Verständigung der Völker. Dabei sollen die Antike, das Christentum
und die für die Entwicklung zum Humanismus, zur Freiheit und zur Demokratie wesentlichen gesellschaftlichen Bewegungen ihren Platz finden.
§ 3 Bildungs- und Erziehungsziele
(1) Die Schule soll Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen vermitteln, die die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, ihre Entscheidungen selbstständig zu treffen und selbstständig weiterzulernen, um berufliche und persönliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, das eigene Leben aktiv zu gestalten, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen und die Zukunft der Gesellschaft mitzuformen.
(2) Die Schülerinnen und Schüler sollen insbesondere lernen,
1. für sich und gemeinsam mit anderen zu lernen und Leistungen zu erbringen sowie ein aktives
soziales Handeln zu entwickeln,
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2. sich Informationen selbstständig zu verschaffen und sich ihrer kritisch zu bedienen, eine eigenständige Meinung zu vertreten und sich mit den Meinungen anderer vorurteilsfrei auseinander zu
setzen,
3. aufrichtig und selbstkritisch zu sein und das als richtig und notwendig Erkannte selbstbewusst
zu tun,
4. die eigenen Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeiten sowie musischkünstlerischen Fähigkeiten zu entfalten und mit Medien sachgerecht, kritisch und produktiv umzugehen,
5. logisches Denken, Kreativität und Eigeninitiative zu entwickeln,
6. Konflikte zu erkennen, vernünftig und gewaltfrei zu lösen, sie aber auch zu ertragen,
7. Freude an der Bewegung und am gemeinsamen Sporttreiben zu entwickeln.
(3) Schulische Bildung und Erziehung sollen die Schülerinnen und Schüler insbesondere befähigen,
1. die Beziehungen zu anderen Menschen in Respekt, Gleichberechtigung und gewaltfreier Verständigung zu gestalten sowie allen Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen,
2. die Gleichstellung von Mann und Frau auch über die Anerkennung der Leistungen der Frauen
in Geschichte, Wissenschaft, Wirtschaft, Technik, Kultur und Gesellschaft zu erfahren,
3. die eigene Kultur sowie andere Kulturen kennen zu lernen und zu verstehen, Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen, zum friedlichen Zusammenleben der Kulturen durch die Entwicklung von interkultureller Kompetenz beizutragen und
für das Lebensrecht und die Würde aller Menschen einzutreten,
…
7. ihre körperliche, soziale und geistige Entwicklung durch kontinuierliches Sporttreiben und eine
gesunde Lebensführung positiv zu gestalten sowie Fairness, Toleranz, Teamgeist und Leistungsbereitschaft zu entwickeln,
…
§ 4 Grundsätze für die Verwirklichung
(1) Die Schule, die Erziehungsberechtigten und die Jugendhilfe wirken bei der Erfüllung des Rechts
der Schülerinnen und Schüler auf größtmögliche Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Fähigkeiten zusammen. Die Schule achtet das verfassungsmäßige Recht der Erziehungsberechtigten auf die Erziehung ihrer Kinder und nimmt Rücksicht auf die Empfindungen und Überzeugungen Andersdenkender. Sie ermöglicht den Schülerinnen und Schülern gemäß ihrem Alter und ihrer Entwicklung ein
Höchstmaß an Mitwirkung in Unterricht und Erziehung, damit sie ihren Bildungsweg individuell und
eigenverantwortlich gestalten und zur Selbstständigkeit gelangen können.
…
(9) In den Schulen werden Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichtet und erzogen (Koedukation). Sofern es pädagogisch sinnvoll ist und einer zielgerichteten Förderung dient, können Schülerinnen und Schüler zeitweise nach Geschlechtern getrennt unterrichtet und erzogen werden.
(10) Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache sollen unter Achtung ihrer ethnischen und kulturellen Identität durch den Erwerb und sicheren Gebrauch der deutschen Sprache sowie durch besondere Angebote so gefördert werden, dass sie mit Schülerinnen und Schülern deutscher Sprache gemeinsam unterrichtet und zu den gleichen Abschlüssen geführt werden sowie aktiv
am Schulleben teilnehmen können.
§ 41 Grundsätze
(1) Schulpflichtig ist, wer in Berlin seine Wohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine
Ausbildungs- oder Arbeitsstätte hat. …
(3) Die Schulpflicht umfasst die allgemeine Schulpflicht und die Berufsschulpflicht. … Die Schulaufsichtsbehörde kann eine Schülerin oder einen Schüler von der Schulbesuchspflicht befreien, wenn ein
besonderer Grund vorliegt.
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§ 46 Rechte und Pflichten der Schülerinnen und Schüler
(1) Mit der Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers in eine öffentliche Schule wird ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis begründet.
(2) Die Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an den sonstigen
verbindlichen Schulveranstaltungen aktiv teilzunehmen, die erforderlichen Arbeiten anzufertigen
und die Hausaufgaben zu erledigen. … Die Schülerinnen und Schüler sind an die Vorgaben gebunden, die dazu bestimmt sind, das Bildungs- und Erziehungsziel der Schule zu erreichen sowie das Zusammenleben und die Ordnung in der Schule aufrechtzuerhalten.
…
(5) Schülerinnen und Schüler können aus wichtigem Grund auf Antrag vom Unterricht beurlaubt oder von der Teilnahme an einzelnen Unterrichts- oder Schulveranstaltungen befreit werden. Eine
Schülerin wird bis zu vier Monaten vor und sechs Monaten nach der Geburt ihres Kindes beurlaubt;
über den Antrag entscheidet die zuständige Schulbehörde.
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