programm - Sounds and Science

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programm - Sounds and Science
PROGRAMM
www.soundsandscience.com
„WAS BLEIBT
VON DER KUNST?
WIR ALS
VERÄNDERTE
BLEIBEN.“
ROBERT MUSIL
SOUNDS AND SCIENCE
MUSIK UND MEDIZIN
Mit „Sounds and Science“ präsentieren wir Musik mit Wissenschaft beziehungsweise Musik und Medizin. Wir haben dafür neben Mitgliedern
der Wiener Philharmoniker und anderen international bekannten Musikern besonders jene Wissenschaftler gewonnen, deren Arbeit einzigartig
ist, und von denen wir glauben, dass sie Interesse und Begeisterung für
das, was sie tun, wecken können. Eingebettet in die Musik, möchten wir
Sie, die Konzertbesucher, an Durchbrüchen der modernen Wissenschaft
teilnehmen lassen und Ihnen auf diesem Weg Erkenntnisse vermitteln,
mit denen Sie vielleicht nicht gerechnet haben.
Eine wesentliche Grundlage unserer heute im Wiener Konzerthaus
startenden Kammermusik- und Vortragsreihe liefern die Krankheitsgeschichten der großen Komponisten, über die wir in kurzen Vorträgen
berichten werden. Dass jedes Werk von körperlichen und seelischen
Einflüssen geprägt worden ist, steht außer Zweifel. Zusätzlich wollen
wir einen mitfühlenden Blick auf die Komponisten vermitteln, die als
Menschen, so wie wir alle, in ihrem Schaffen auch gegen Erkrankungen
kämpfen mussten. Das macht ihre Werke vielleicht noch herausragender.
Manfred Hecking
Marcus Säemann
Gere Sunder-Plassmann
Thilo Fechner
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„MUSIK IST EIN
WERKZEUG DER
ERKENNTNIS.“
BEAT FURRER
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WE
ARE SOUNDS AND SCIENCE
DIE ORGANISATOREN
UNIV. PROF. DR. GERE SUNDER-PLASSMANN
ASSOC. PROF. DR. MARCUS SÄEMANN
THILO FECHNER
DR. MANFRED HECKING
NEPHROLOGE
NEPHROLOGE
MUSIKER
ARZT UND MUSIKER
Oberarzt Klinische Abteilung für Nephrologie & Dialyse der Univ.-Klinik
für Innere Medizin III der Medizinischen Universität Wien. Wissenschaftliche Interessen u.a. Anämie
bei Niereninsuffizienz, erbliche
Nierenerkrankungen und Nierenersatztherapie inklusive Nierentransplantation. Mehr als 300 Artikel oder
Buchkapitel. Im Editorial Boards von
u.a. „American Journal of Kidney
Disease“ und „Clinical Nephrology“.
Oberarzt Klinische Abteilung für Nephrologie & Dialyse der Univ.-Klinik für
Innere Medizin III der Medizinischen
Universität Wien. Forschungsgruppenleiter „Translationelle Nephrologie und
experimentelle Immunsuppression“.
Mehr als 30 nationale und internationale Auszeichnungen, u.a. Theodor Billroth Preis, Karl Landsteiner Preis und
„Signaling Breakthrough of the Year“ in
„Science“. Im Editorial Board verschiedener internationaler Fachzeitschriften.
Als Bratscher Mitglied der Wiener Philharmoniker, nach langjähriger Anstellung
bei den Münchner Philharmonikern und
vorher im Orchestre de la Suisse Romande. Ehemaliger Stipendiat an der
Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker, bereits seit dieser Zeit Freundschaft mit Manfred Hecking. Gefragter
Kammermusiker und Gründungsmitglied
der Gruppe „The Philharmonics“, mit
internationalen Auftritten und zahlreichen
CD- und DVD-Produktionen.
Assistenzarzt in Ausbildung Klinische Abteilung für Nephrologie & Dialyse der Univ.-Klinik für Innere Medizin III der Medizinischen
Universität Wien. Vorher als Kontrabassist
Mitglied der Münchner Philharmoniker,
danach Wiener Philharmoniker. Langjährige Freundschaft mit Marcus Säemann und
Mitarbeiter in dessen Arbeitsgruppe. Forschungsschwerpunkte u.a. Post-Transplant
Diabetes und Dialyse; mehr als 10 nationale
und internationale Auszeichnungen für
rezente Publikationen.
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MEHR ALS EIN KONZERT
MUSIK UND WISSENSCHAFT WERDEN
MITEINANDER PRÄSENTIERT, VERSTÄRKEN EINANDER UND VERBINDEN
SICH ZU NEUEN EINSICHTEN. UNSERE KONZERT- UND VORTRAGSREIHE
„MUSIK UND MEDIZIN“ WIDMET SICH
INNERHALB DER KOMMENDEN DREI
JAHRE VERSCHIEDENEN ERKRANKUNGSKOMPLEXEN, ZUM BEISPIEL DIABETES, KREBS UND HERZVERSAGEN
IM KONTEXT KLASSISCHER MUSIK.
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NEUESTE WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE WERDEN DAFÜR DER
PATHOBIOGRAPHIE KLASSISCHER
KOMPONISTEN GEGENÜBERGESTELLT. FÜR DEREN ÜBERSETZUNG
TRETEN RENOMMIERTE WISSENSCHAFTLER IN DIALOG MIT HERVORRAGENDEN MUSIKERN, UNTER
ANDEREM MIT MITGLIEDERN DER
WIENER PHILHARMONIKER, UND
DEM PUBLIKUM.
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PROGRAMMABLAUF
MUSIK UND MEDIZIN
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Rainer Honeck / Herbert Kefer /
Patrick Demenga / Silke Avenhaus
Wolfgang Amadeus Mozart – Klavier-Quartett No. 2,
Es-Dur, KV 493, 1. Satz Allegro
19:30 – 19:45
Marcus Säemann / Manfred Hecking
„Über Mozart und Bach und ihre Erkrankungen“
19:45 – 19:55
Rainer Honeck
Johann Sebastian Bach – Chaconne aus der
Partita Nr. 2 für Violine solo, d-moll, BWV 1004
19:55 – 20:10
Josef Penninger
„Die neue Biologie des Lebens“
20:10 – 20:30
Pause
20:30 – 20:50
Christoph Zielinski
„Über Brahms“
20:50 – 21:00
Rainer Honeck / Daniel Nodel / Herbert Kefer /
Patrick Demenga / Silke Avenhaus
Johannes Brahms – Klavierquintett, f-moll, opus 34
21:00 – 21:45
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SOUNDS
THE MUSICIANS
RAINER HONECK / VIOLINE
DANIEL NODEL / VIOLINE
HERBERT KEFER / VIOLA
PATRICK DEMENGA / VIOLINCELLO
SILKE AVENHAUS / KLAVIER
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RAINER HONECK
VIOLINE
DANIEL NODEL
Rainer Honeck wurde 1961 geboren. Er studierte Violine ab dem
7. Lebensjahr in Wien an der Hochschule für Musik. Rainer Honeck wurde
1981 als erster Geiger in das Orchester der Wiener Staatsoper bzw. der
Wiener Philharmoniker aufgenommen. 1984 stieg er zum Konzertmeister
in der Staatsoper und 1992 zum Konzertmeister der Wiener Philharmoniker auf. Neben seiner Orchestertätigkeit trat er als Solist in bedeutenden
Musikzentren Europas (Royal Albert Hall, London), Amerikas (Carnegie
Hall, New York) und Japans (Suntory Hall, Tokio) auf.
Zu seinen persönlichen Höhepunkten zählen solistische Auftritte mit den
Wiener Philharmonikern, dem London Symphony Orchestra und dem Orchester des Mariinsky Theaters unter berühmten Dirigenten wie Herbert
Blomstedt, Adam Fischer, Daniele Gatti, Valery Gergiev, Daniel Harding,
Mariss Jansons, Riccardo Muti, Andres Oroczo-Estrada und Michael Tilson Tomas. Als Leiter der Wiener Virtuosen, der Wiener Streichersolisten,
Primarius des Ensemble Wien und des Kammerorchesters Wien – Berlin
hat sich Rainer Honeck auch immer intensiv der Kammermusik gewidmet.
Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung als Konzertmeister entstand der
Wunsch auch als Dirigent tätig zu werden. Es folgten wiederholte Einladungen zum Malmö Symphony Orchester, Schweden, Yomiuri Symphony
Orchestra und Kioi Sinfonietta in Tokyo, Nagoya Philharmonic Orchester,
Symphonieorchester des Mariinsky Theaters in St. Petersburg und die
österr.-ungarische Haydnphilharmonie. Rainer Honeck spielt auf einer
Violine von A. Stradivarius (ex Hämmerle, anno 1709), die ihm von der
Österreichischen Nationalbank zur Verfügung gestellt wird.
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VIOLINE
Daniel Nodel wurde 1968 in Minsk geboren. Seinen ersten Violinunterricht erhielt er an der Spezialschule für musikalisch begabte Kinder in
seiner Heimatstadt. Nach der Einwanderung nach Deutschland, 1980,
nahm er Unterricht bei Irina Goldstein und studierte bei Jens Ellermann in Hannover sowie bei seinem Vater, Roman Nodel, und bei Josef
Gingold an der Indiana University in Bloomington, USA. Er war mehrfacher Preisträger bei „Jugend musiziert“ und beim „Rodolfo Lipizer“
Wettbewerb in Gorizia, Italien, und Stipendiat der Studienstiftung des
Deutschen Volkes sowie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD).
Weitere musikalische Impulse bekam er von Dorothy DeLay, Ruggiero
Ricci, Felix Andrievsky und Walter Trampler (Viola). Von 1993 bis 1998
war Daniel Nodel Mitglied des Pittsburgh Symphony Orchestra. Danach
wechselte er zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Als
Solist und Kammermusiker ist er in vielen Ländern Europas und in den
USA aufgetreten, u.a. mit dem Minsker Philharmonischen Orchester
und dem Pittsburgh Symphony Orchestra. Er ist außerdem als Dozent
beim Bayerischen Landesjugendorchester und Kammermusiklehrer
sehr aktiv. Er spielte im Wanderer-Quartett mit Albena Danailova, Mario
Korunic und Yves Savary. Ebenso ist Nodel in Kammerkonzerten mit
Maximilian Hornung, Silke Avenhaus, Milana Tschernyavskaya, Eduard
Brunner, Sebastian Klinger, Julia Fischer und vielen anderen aufgetreten. Seit 2013 ist Daniel Nodel künstlerischer Leiter des Samos Young
Artist Festival in Griechenland.
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HERBERT KEFER
VIOLA
PATRICK DEMENGA
Herbert Kefer wurde 1960 in Eisenerz geboren, wo er im Alter von 5 Jahren
seinen ersten Violinunterricht erhielt. Später setzte er seine Ausbildung
bei Prof. Karl Frischenschlager in Leoben und bei Prof. Karl Stierhof an der
Universität für Musik in Wien fort – 1986 Diplom mit Auszeichnung.
1980 gründete er zusammen mit drei Kollegen das ARTIS-Quartett Wien,
mit dem er von 1984 bis 1985 beim LaSalle-Quartett in Cincinnati/Ohio
studierte. Danach begann eine internationale Karriere mit Konzerten bei
allen wichtigen Festivals, wie den Salzburger Festspielen, der Schubertiade Feldkirch, den Wiener Festwochen, dem Casals Festival u.v.m. Seit
1988 bestreiter er einen eigenen Zyklus im Wiener Musikverein und spielte
mehr als 30 CDs ein, die wiederholt mit Preisen wie dem Grand Prix du
Disque oder dem Diapason d‘Or ausgezeichnet worden sind.
1991 wurde Herbert Kefer als Leiter einer Ausbildungsklasse für Viola an
die UNIVERSITÄT FÜR MUSIK IN GRAZ / INSTITUT OBERSCHÜTZEN berufen. Seit 2005 ist er Intendant des WEINKLANG-FESTIVALS. Er ist mit der
Organistin ULRIKE THERESIA WEGELE verheiratet.
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VIOLINCELLO
Der 1962 geborene Musiker studierte am Konservatorium Bern, bei
Boris Pergamenschikow in Köln und bei Harvey Shapiro in New York.
Mehrere Preise dokumentieren den Beginn seiner Karriere und heute
zählt er international zu den renommiertesten Cellisten. Als Solist und
Kammermusiker tritt er regelmäßig bei den großen Festivals und in
bekannten Musikzentren auf und arbeitet mit namhaften Musikerpersönlichkeiten, wie Heinz Holliger, Mario Venzago, Dennis Russel Davies
u.v.m. und Orchestern, wie dem Tonhalle Orchester Zürich, RSO Wien,
Camerata Bern, Münchner Kammerorchester, Orchestre de la Suisse
Romande u.v.a. zusammen.
Zahlreiche Radio- und Fernsehaufnahmen sowie Schallplatten- und
CD Einspielungen haben ihn einem internationalen Publikum bekannt
gemacht.
Patrick Demenga leitet eine Konzertausbildungsklasse am Conservatoire de Lausanne und hält verschiedene internationale Meisterkurse.
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SILKE AVENHAUS
KLAVIER
Die Pianistin Silke Avenhaus überzeugt seit Jahren Publikum und Kritik
mit ihrem Künstlertum, zupackenden Interpretationen, ihrer Entdeckungsfreude und sorgfältigen Planung durchdachter Programme. Die
lustvoll kreative Herangehensweise an die pianistische und kammermusikalische Literatur führte zu zahlreichen Auszeichnungen durch die
Fachpresse, wie dem Diapason d’Or, dem Supraphon Award sowie zu
einer Nominierung für den Grammy Award und machte die Pianistin auch
zu einer begehrten Kammermusikpartnerin. Bei EMI, ECM, Koch, Tudor,
cpo, Berlin Classics, CAvi und harmona mundi sind bereits über 30 CDs
entstanden, worin sich die Künstlerin einem breiten solistischen und
kammermusikalischen Repertoire widmet.
Auf den Konzertpodien renommierter Konzertserien und Festivals in
Europa, USA und Südostasien schätzt man die Interpretin Silke Avenhaus. Regelmäßig ist sie in der Wigmore Hall, Concertgebouw Amsterdam und im Wiener Konzerthaus zu Gast. Sie trat im Salle Gaveau in
Paris, der Philharmonie in Köln, München und Berlin sowie der Carnegie Recital Hall in New York auf. Sie musizierte beim Marlboro Music
Festival, beim Spannungen Festival, bei den Berliner Festwochen und
beim Rheingau Musik Festival. Auch bei den Salzburger Festspielen,
dem Lucerne Festival, dem Schleswig-Holstein Musik Festival und dem
Klavier-Festival Ruhr war sie zu hören. Weitere Einladungen führten sie
zum Mondsee Festival und dem Kammermusikfestival Stavanger. Genreübergreifende Projekte, wie die über zwei Saisonen gespielte Produktion
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„Ludwig II“ mit Solowerken Richard Wagners an den Münchner Kammerspielen oder die Zusammenarbeit mit Schauspielern, zeigen die Vielseitigkeit und Offenheit der Interpretin.
Silke Avenhaus musiziert regelmäßig mit Künstlern, wie Marie Luise
Neuenecker, Christoph Poppen, Jörg Widmann, Thomas Zehetmair,
Tabea Zimmermann und Sabine Meyer im Ensemble Collage. Besonders
enge musikalische Partnerschaften verbinden sie mit Quirine Viersen
und Antje Weithaas, mit denen sie jeweils zahlreiche CDs eingespielt hat.
Verschiedene Komponisten schrieben Werke, die sie zur Uraufführung
brachte, so z.B. Magnar Aam, Helmut Eder, Detlef Glanert, Wilfried
Hiller, Akikazu Nakamura, Bernd Redmann und Jörg Widmann.
Ihre pianistische Ausbildung erhielt Silke Avenhaus bei Bianca Bodalia
und Klaus Schilde (Hochschule für Musik München), bei György Sebök
(Indiana University, Bloomington) wie auch bei Sandor Végh und Andras
Schiff.
Silke Avenhaus lehrt als Honorarprofessorin an der Hochschule für
Musik München und ist regelmäßig Dozentin bei der Villa Musica. Die
Vermittlung klassischer Musik an ein neues Publikum ist der Musikerin
ein besonderes Anliegen, sei es mit Hörbüchern für Kinder, Gesprächskonzerten, Workshops oder durch die Beteiligung an dem von Lars Vogt
initiierten Projekt „Rhapsody in School“.
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19:30 – 19:45
Rainer Honeck / Herbert Kefer /
Patrick Demenga / Silke Avenhaus
Wolfgang Amadeus Mozart – Klavier-Quartett No. 2,
Es-Dur, KV 493, 1. Satz Allegro
DAS KLAVIERQUARTETT
IN ES DUR, KV493, VON MOZART
Im Jahre 1785 erhielt Mozart von dem geschäftstüchtigen Wiener Verleger Franz Anton Hoffmeister den
Auftrag, drei Klavierquartette zu komponieren.
Da die Kammermusikformation des Klavierquartetts zur damaligen
Zeit ein absolutes Novum darstellte und folglich keinerlei Repertoire
vorhanden war, erhoffte sich Hoffmeister einen regen Absatz der Stücke. Doch er hatte seine Rechnung ohne Mozart gemacht: Bereits das
erste Klavierquartett in g-Moll KV 478 stieß beim Publikum nur auf
verhaltene Reaktionen. Viel zu virtuos war es für Klavier und Streicher
und viel zu gewichtig im musikalischen Anspruch. Hoffmeister dagegen hatte mit leichten, eingängigen Werken gerechnet, bei denen die
Streicher eine deutliche Begleitfunktion innehaben sollten. Er witterte bald einen wirtschaftlichen Misserfolg der geplanten dreiteiligen
Quartett-Reihe und bat Mozart um die Lösung des Vertrags. Hoffmeister verkaufte sogar die bereits entstandenen Druckplatten des zweiten
Klavierquartetts Es-Dur KV 493 an seinen Konkurrenten Artaria, bei
dem das Werk später auch erschien. Ein drittes Klavierquartett hat
Mozart (leider) gar nicht mehr geschrieben.
In der Tat scheint das Wiener Publikum von Mozarts Klavierquartetten überfordert gewesen zu sein. Man hatte wohl eher gefällige
Musik zum gemeinsamen „Dilettieren“ erwartet, die sich leicht vom
Blatt spielen lässt. Zwar lockerte Mozart den dichteren Satz des gMoll-Quartetts in seinem zweiten Quartett deutlich auf, die spieltechnischen Anforderungen bleiben aber dennoch erhalten. Zusätzlich
treibt Mozart den kammermusikalischen Dialog im Kopfsatz seines
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Es-Dur-Quartetts auf eine bis dahin nie erreichte Spitze: Das Hauptaugenmerk gilt dem Klavier und meist herrscht eine klare Trennung
zwischen Klavierpart und Streichtrio vor.
Allerdings finden die Gruppen von Zeit zu Zeit auch zusammen,
wie etwa beim eindrucksvollen Beginn des Satzes, der fast wie der
Anfang eines Orchesterwerks wirkt. Auch das daran anschließende fanfarenhafte Unisono trägt noch diese Züge, doch schon kurz
darauf zerfällt der Satz und mündet schließlich in die vom Klavier
dominierte Überleitung. Es folgen ein zweites Thema, das in seiner
Gestalt und mit der imitierten Einsatzfolge an ein Fugenthema erinnert, und schließlich ein drittes Thema. Insgesamt breitet die Exposition in ihrem Verlauf eine geradezu verschwenderische Vielfalt an
Themen aus, wie es auch in Mozarts erstem Klavierquartett der Fall
ist. Die Durchführung dagegen bezieht ihr musikalisches Material
interessanterweise fast ausschließlich aus dem zweiten Thema und
entfaltet dessen polyphones Potenzial. In dichten, enggeführter Einsätzen durchzieht es den Streichersatz, der nun die Hauptrolle übernimmt, während das Klavier mit aufwändigen Sechzehntelfiguren
begleitet. Über eine ausladende, breit angelegte Sequenz lenkt der
Satz schließlich in die Reprise ein, deren Aufbau sich weitgehend an
der Exposition orientiert. Nur kurz vor Schluss bricht Mozart die vermeintliche Schlusskadenz ab und gelangt über einen Trugschluss in
eine zweitaktige Phase der harmonischen Unsicherheit, aus welcher
der irritierte Hörer aber schnell durch den kadenzierenden Quartsextakkord des Klaviers „gerettet“ wird. Ein freudiges Schlusstutti
beendet den Satz in Es-Dur.
AUTOR Stefan Fuchs
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MOZART
1756 – 1791
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„DER GRÖSSTE KOMPONIST“
SO HAYDN ZU LEOPOLD MOZART „IST IHR SOHN“
Ein beinahe Zuviel an Möglichkeiten, an Talenten, ja
an Genie überhaupt war Mozart beschieden, selbst
seine Zeitgenossen wussten um Mozarts Übermaß
an Begabungen.
Verhältnismäßig jung verstorben gab es denn auch ein Zuviel an Theorien über Mozarts letzte Krankheit, welche schließlich zu seinem
Tode führte bis hin zur berühmt-berüchtigten Vergiftung. Minutiöse
biographische Details gemeinsam mit rezentesten Erkenntnissen aus
der epidemiologischen Forschung lassen jedoch keinen Zweifel: eine
über einen kurzen Zeitraum im Herbst und Winter 1791 grassierende bakterielle Infektionswelle, führte zum raschen Tod vieler junger
Männer darunter auch des noch jungen Musikgenies. Eine heftige
fieberhafte Reaktion von Mozarts Immunsystem gegen Streptokokken,
welche kollateral Gelenke, leider aber auch vitale Organe wie die Nieren schädigte traf auf eine Ärzteschaft, die fatalerweise einer Lehre
nachhing, die Mozart auch noch die letzten Energien rauben musste.
Infektionsausbreitung und –intensität sind neben dem Mangel an Antibiotika vor allem den damaligen schlechten hygienischen Zuständen
Wiens geschuldet; immer noch zählen immunologisch-vermittelte Organschäden ausgelöst durch bakterielle Infektionen zu den häufigsten
Krankheits- und Todesursachen in weiten Teilen der heutigen Welt.
Der Bedrohung
durch Viren und
Bakterien müssen
sich alle lebenden
Organismen durch
das hochkomplexe
und sich ständig
neu anpassende
Immunsystem
stellen; plötzliche
Überraschungen
sollten eigentlich
minimiert werden.
AUTOR Marcus Säemann
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BACH
1685 – 1750
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„ANFANG & ENDE ALLER MUSIK“
MAX REGER ÜBER BACH
Jedes menschliche Gefühl scheint Bach komponiert zu haben, das
bloße Individuum, getroffen von Krankheit, Schuld oder Tod bis hin zur
majestätischen Erhabenheit des Universums erschließt Bach musikalisch. Gleichzeitig aber mag man ihn auch als eine Form geistiger Ordnungsmacht empfinden, der die Kraft der „Wiederherstellung“, ja der
Bestätigung einer existentiellen Menschlichkeit innewohnt, welche dem
Menschen auch „Richtung“ geben kann. Einem langen, eifrigen wie arbeitsreichen und über weite Strecken gesunden Leben folgte in Bachs
letzten Lebensjahren offenbar ein Diabetes mellitus, der – unbehandelt –
seinen Tribut forderte: eine – wohl auch durch ärztliche Fehlbehandlung
beschleunigt – zur Blindheit führende Augenerkrankung sowie nachfolgende Schlaganfälle, die Bach letztlich das Leben kosteten.
Diabetes mellitus – der fließende Honig – welcher sich im Zuge der
Industrialisierung und bei ständigem Überfluss des gegenwärtigen
Nahrungsangebotes sich zu einer weltweiten epidemiologischen Gesundheitskatastrophe entwickelt, erfasst den gesamten Körper von den
kleinen bis zu den großen Blutgefäßen, wie Bach vom kleinsten bis zum
größten Gefühl alles erfasst hat.
„Nicht Bach, Meer
sollte er heißen“,
so Beethoven
bewundernd über
den offenbaren
Reichtum von
Johann Sebastian
Bachs Musik und
Brahms wusste:
„Studiert ihn, dort
findet ihr alles.“
AUTOR Marcus Säemann
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19:55 – 20:10
Rainer Honeck
Johann Sebastian Bach – Chaconne aus der
Partita Nr. 2 für Violine solo, d-moll, BWV 1004
DIE CHACONNE
VON BACH
„Sei Solo. a Violino senza Basso accompagnato.“ –
„Sechs Solo[werke] für Violine ohne Bassbegleitung“.
Diesen schlichten italienischen Titel gab Bach seiner einzigen Sammlung von Sololiteratur für Violine. Es handelt sich dabei um eine Auswahl von drei Sonaten und drei Partiten (d.h. Suiten mit stilisierten
Tanzsätzen), die wohl größtenteils noch aus Bachs Weimarer Zeit als
Konzertmeister (1708-1717) stammten, ja vielleicht sogar noch älteren
Datums sein könnten. Im Jahre 1720 fasste Bach, zu dieser Zeit Hofkapellmeister in Köthen, die sechs Werke in einer mit äußerster Sorgfalt
angefertigten, geradezu kalligraphischen Reinschrift zusammen, die
zu den schönsten uns erhaltenen Manuskripten des Meisters zählt.
Da diese Reinschrift jedoch wahrscheinlich hauptsächlich für Bachs
Eigenbedarf gedacht war (der Erstdruck erschien über 50 Jahre nach
dem Tod des Komponisten), zeugt seine Gewissenhaftigkeit von der
großen persönlichen Bedeutung, die er seinen Solosonaten und -partiten trotz ihres bescheidenen Titels zumaß. Vermutlich war sich Bach
schon damals über die neuen Maßstäbe, die er gesetzt hatte, im Klaren: Seine Sonaten und Partiten stellen den Ziel- und Höhepunkt der
barocken Geigenliteratur dar. Sie greifen gekonnt die violintechnischen
Errungenschaften früherer Komponistengenerationen auf und vereinen
Einflüsse der italienischen, französischen und deutschen Stilistik in
sich. Das Wohltemperierte Clavier mag das Alte Testament der Klavierliteratur sein, doch die Sonaten und Partiten sind dann mindestens das
Alte Testament der Violinliteratur!
Einen herausragenden Platz innerhalb der Sammlung nimmt die Chaconne der Partita Nr. 2 in d-Moll ein (im Original ital. Ciaccona überschrieben). Mit einer Länge von 256 Takten und einer Aufführungsdauer
von rund einer Viertelstunde dauert sie in etwa so lang wie die vier übrigen Sätze dieser Partita zusammengenommen. Eine Chaconne ist ursprünglich ein frivoler Tanz mit einem ostinaten Bassmodell, über dem
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sich immer neue Variationen und Figurationen ergeben. Das viertaktige
Thema der Bach-Chaconne dagegen kann harmonisch auf einen Lamentobass – den barocken Topos der Trauer schlechthin – zurückgeführt
werden. Insgesamt erscheint das Thema 64-mal, wobei der Satz formal
eine große Dreiteiligkeit aufweist: Der erste und gleichzeitig längste Teil
steht in d-Moll und umfasst 33 Themendurchläufe, anschließend wendet
sich der Satz nach D-Dur und bringt 19 Themendurchläufe, bevor die
Harmonik wieder zurück ins d-Moll kippt. Es folgen noch 12 Durchläufe. Immer wieder entfernt sich Bach vom Lamentobass-Modell, variiert
es, chromatisiert es, befreit es von seiner Bassfunktion usw. Bach nutzt
auch die sich hieraus ergebenden mannigfaltigen Variationsmöglichkeiten, von einstimmigen Passagen in verschiedenen Rhythmisierungen
und mit furiosen Läufen über zwei- und dreistimmige Abschnitte bis hin
zu vierstimmigen Akkorden. Die damit einhergehenden spieltechnischen
Anforderungen sind enorm und stellen die der meisten übrigen Sonaten
und Partiten in den Schatten.
Über die Bedeutung der Chaconne wurde und wird oft spekuliert.
Bach selbst hat seine Werke für Violine solo als absolute Musik, d.h.
ohne jede programmatische Einordnung der Stücke, hinterlassen. Es
ist allerdings wahrscheinlich, dass die Chaconne erst nachträglich
zur zweiten Partita hinzugefügt wurde. Helga Thoene interpretierte
den Satz deshalb als Tombeau (=franz. Grabstein) für Bachs 1720 verstorbene erste Frau und weist zahlreiche Fragmente protestantischer
Kirchenchoräle in der Chaconne nach. Judith Bernhardt sah in ihr gar
ein Denkmal für die gesamte Bach-Familie. Auch zahlensymbolische
Überlegungen machen immer wieder die Runde. Heinrich Poos beispielsweise verwies auf die Zahl 4 und ihre Bedeutung für den Aufbau
des Satzes: 4-taktiges Thema, 44=64 Variationen, 4x44=256 Takte insgesamt. Zwar werden derlei mystische Erklärungsversuche von der seriösen Musikwissenschaft skeptisch beäugt, doch eröffnen sie interessante neue Sichtweisen auf dieses großartige Werk.
AUTOR Stefan Fuchs
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SCIENCE
THE SCIENTISTS
JOSEF PENNINGER
CHRISTOPH ZIELINSKI
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UNIV. PROF. DR. JOSEF PENNINGER
GENETIK
Josef Martin Penninger (* 5. September 1964 in Gurten, Oberösterreich)
ist ein österreichischer Genetiker und seit 2003 wissenschaftlicher
Direktor am IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) in Wien.
Nach dem Besuch des humanistische Gymnasium in Ried im Innkreis
studierte er von 1982 bis 1988 an der Universität Innsbruck Medizin,
Kunstgeschichte und Spanisch. 1990 promovierte er mit der Arbeit
Phenotypical and functional analysis of intrathymic nurse (TCN)-Lymphocytes, die er beim Innsbrucker Altersforscher Georg Wick verfasst
hatte. 1990 bis 1994 arbeitete er als Post-Doktorand am Ontario Cancer
Institute, danach bis 2003 am Department of Immunology and Medical
Biophysics der University of Toronto (als Principal Investigator des USGentechnikkonzern Amgen).
Nach Penninger besteht gerade das Schöne in der
Wissenschaft darin, dass Ergebnisse nicht vorhergesagt werden können.
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Penninger hat u.a. die innere Uhr bei Mäusen entschlüsselt, entscheidende Durchbrüche bei der Immuntherapie gegen Krebs erzielt, und
weiters auch völlig neue Erkenntnisse auf den Gebieten der Herzinsuffizienz und Infektabwehr gewonnen. Er hat zudem das entscheidende
Osteoporose-Gen isoliert, welches zu innovativen Behandlungsstrategien gegen Knochenschwund, sowie zu Einsichten zum Wachstum
von Brustkrebs geführt hat. Penninger fokussiert sich neben vielen
anderen Projekten gegenwärtig vor allem auf Stammzellforschung,
auch mit dem Ziel ein internationales Stammzellzentrum in Österreich
zu errichten. Penninger hat in den wichtigsten Fachjournalen wie Cell,
Nature und Science publiziert und war Wissenschaftler (2003) sowie
Österreicher des Jahres (2004), Träger u.a. des Descartes Preis (2006),
Ernst-Jung Preis (2007), Innovator Award des US Department of Defense (2012) und zuletzt des Wittgenstein-Preis (2014).
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Christoph Zielinski wurde 1952 in der Nähe von Krakau als Sohn des
Schriftstellers Adam Zielinski und seiner Frau Sophie geboren. 1957 gelangte er mit seinen Eltern nach Wien, wo er die schulische Ausbildung
1970 beendete. Er studierte Medizin an der Universität Wien und promovierte 1976. Von 1976 bis 1978 war Zielinski Assistent am Institut für Immunologie der Universität Wien und begann 1978 seine Ausbildung zum
Facharzt für Innere Medizin an der II. Medizinischen Univ. Klinik in Wien.
Von 1979 bis 1981 war er in Boston (USA) und Fellow am Cancer Research
Center der Tufts University unter Professor Robert S. Schwartz. Nach
Wien zurückgekehrt, beendete Zielinski seine Ausbildung zum Facharzt
für Innere Medizin an der II. Medizinischen Univ. Klinik unter Georg Geyer.
Über ihn kam er Mitte der 1980er Jahre zu seinem „Lebensthema“ („Machen Sie doch Krebs“), habilitierte 1986 in Klinischer Immunologie sowie
1988 in Innerer Medizin, und wurde 1992 zum Professor für Klinisch-Experimentelle Onkologie ernannt. 2001 wurde Zielinski von Rektor Winckler
der Universität Wien zum Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie an
der Klinik für Innere Medizin I ernannt. Seit 2004 ist er Vorstand der I. Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Wien. Von
2008 bis 2010 war er Vizerektor der Medizinischen Univ. Wien. 2010 wurde
er zum Koordinator, 2013 seitens der Medizinischen Univ. Wien zum Leiter
des Comprehensive Cancer Center, einer gemeinsamen Einrichtung der
Universität und des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) ernannt.
1998 gründete Zielinski die PatientInnen-Initiative „Leben mit Krebs“ zur
Enttabuisierung von Krebserkrankungen in der Öffentlichkeit. Die Initiative
hat in Zusammenarbeit mit dem ORF-Landesstudio Wien in regelmäßigen
Abständen Informationsabende und seit 2000 den alljährlichen „Krebstag“
im Wiener Rathaus veranstaltet.
UNIV. PROF. DDR. CHRISTOPH ZIELINSKI
ONKOLOGIE
Zielinski setzt auf eine personalisierte Medizin in der
Onkologie und glaubt, dass die Gesellschaft durch
den Durchbruch in Genetik und Molekularbiologie vor
einer Vielzahl von neuen ethischen und moralischen
Fragestellungen steht.
Seit 1999 ist Zielinski Präsident der Central European Cooperative Oncology Group (CECOG). Seitens der European Society of Medical Oncology,
ESMO, wurde er für das Jahr 2014 ins Executive Committee – das Leitungsgremium der ESMO – gewählt. Zielinski ist Mitglied des Editorial
Boards einer Vielzahl von wissenschaftlichen onkologischen Journalen
und war über viele Jahre Herausgeber der deutschen Ausgabe des
renommierten Journal of Clinical Oncology.
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BRAHMS
1833 – 1897
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„FREI, ABER EINSAM“
JOHANNES BRAHMS
Eben kein reiner Traditionalist als der vielbesagte Nachfahre Beethovens, der die klassische Musik zu ihrem letzten Abschluss brachte,
sondern eher schon der tiefe und grundlegende Neuerer, in dessen
Werk sich die Klassik widerspiegelt, aber auch Voraussetzung für das
Neue wird. Als allgegenwärtig, mächtig und unbesiegbar erscheint
uns heute noch jene Erkrankung, die auch Brahms getroffen hat, ein
Karzinom der Bauchspeicheldrüse, welches den typischen Symptomenkomplex erzeugt hat, den wir heute klar verstehen: Brahms, der
schon deutlich geschwächt und gelb-leuchtend, aus dem Hintergrund
der Direktionsloge des Musikvereinssaals seiner 4. Symphonie, von
den Philharmonikern gespielt, zuhörte und dann mehrfach tosenden
Applaus des Publikums entgegennahm. Krebs, der dunkle Menschheitsbegleiter, zuweilen auch ehrfürchtig als „König der Krankheiten“
tituliert, beginnen wir gemeinsam mit unseren vitalen zellulären Regulationsmechanismen, erst seit kurzem und nach mehreren Revolutionen in der molekularen Biologie und Medizin zu verstehen: wir stehen
mit einem neuen Verständnis von uns selbst, auch erstmals an der
Schwelle mit Krebs zu leben und ihm auch wirksam entgegenzutreten.
„Brahmsianisch“, so
der wohl noch in einem
einzigen Wort beste
Versuch die Musik und
insgesamt das Phänomen
des Johannes Brahms
irgendwie zu erfassen,
wo dessen Kunst
doch gewissermaßen
außerhalb seiner Zeit
stand und steht – er
selbst bezeichnete sich
denn auch als „Abseiter“.
AUTOR Marcus Säemann
40
41
21:00 – 21:45
Rainer Honeck / Daniel Nodel / Herbert Kefer /
Patrick Demenga / Silke Avenhaus
Johannes Brahms – Klavierquintett, f-moll, opus 34
DAS KLAVIERQUINTETT
F-MOLL, OPUS 34, VON BRAHMS
„EIN MEISTERWERK VON KAMMERMUSIK, WIE WIR SEIT DEM JAHRE 1828 [DEM
TOD FRANZ SCHUBERTS] KEIN ZWEITES AUFZUWEISEN HABEN.“ HERMANN LEVI
„MIR IST NACH DEM WERK, ALS HABE ICH EINE GROSSE TRAGISCHE GESCHICHTE
GELESEN.“ CLARA SCHUMANN
„ES IST, SOVIEL IST MIR GLEICH KLAR, EIN STÜCK VON TIEFSTER BEDEUTUNG, VOLL
MÄNNLICHER KRAFT UND SCHWUNGVOLLER GESTALTUNG, ALLE SÄTZE BEDEUTEND,
SICH ERGÄNZEND.“ JOSEPH JOACHIM
Diese drei Zitate geben Zeugnis von dem großen Eindruck, den Brahms‘ Klavierquintett
in f-Moll bereits auf seine Zeitgenossen machte. Das viersätzige Werk entfaltet sich von
Beginn an im Ton der Tragödie und in einem Spannungsbogen von nie nachlassender
Intensität – kein Wunder also, dass Clara Schumann und Joseph Joachim davor geradezu in Ehrfurcht erstarrten.
Dabei hatte eben dieses Klavierquintett im Laufe seiner Entstehung eine für Brahms
einzigartige Klang-Metamorphose durchlaufen. Ursprünglich hatte es der Komponist
als Streichquintett für zwei Violinen, Viola und zwei Celli konzipiert. Allerdings fand diese Fassung nicht den Zuspruch seiner Freunde. Brahms zog deshalb das Werk zurück
und arbeitete es zu einer Sonate für zwei Klaviere um, die er später auch veröffentlichte. Doch auch diese Version erzielte nicht den gewünschten Klangeindruck – was für
die Streicher zuvor zu wild und ausladend war, klang nun zu monochrom, und sogar
die Pianistin Clara Schumann konstatierte, dass durch die Klavierfassung „eine Menge
der schönsten Gedanken” verloren gingen. Erst hierauf schrieb Brahms das Werk zu
seiner heutigen Form als Klavierquintett um.
Der 1. Satz beginnt gleich mit einem düsteren Unisono von erster Violine, Cello und
Klavier in f-Moll. Es schließen sich furiose Sechzehntelpassagen im Klavier an, die
schließlich in das erste Thema des Satzes münden. Ähnlich wie bei Mozarts Klavierquartettsatz zeigt auch der 1. Satz von Brahms‘ Klavierquintett eine ausgesprochene
Themenfülle: Auf das erste Thema folgt ein zweites, lyrisches Thema, ebenfalls in
f-Moll, bevor der Satz eine erstaunliche harmonische Wendung nach cis-Moll vollführt. Hier hält nun ein gespenstisches Thema Einzug, das wie aus einer anderen Welt
wirkt. Erst allmählich schälen sich romantischere Töne heraus und schließlich bringt
Brahms noch einen kurzen Seitensatz in As-Dur an einer Stelle, an der gewöhnlich
der Epilog der Exposition sitzt. Die Durchführung sucht zunächst nach einem harmo42
nischen Zentrum und findet schließlich zum cis-Moll-Thema der Exposition zurück,
das nun durch verschiedene Tonarten wandert. Ein langer Orgelpunkt im Cello über
dem Ton c kündigt die Wendung zur Reprise an, die sich größtenteils an der Exposition
orientiert. Die Coda im idyllischen F-Dur lässt einen friedlichen Schluss des Satzes
vermuten – doch die Ruhe ist trügerisch. Schnell führt das Klavier zur Klangfarbe des
Beginns zurück. Der Satz endet im unerbittlichen f-Moll.
Der 2. Satz bildet einen krassen Gegensatz zum stürmischen Ende des Kopfsatzes.
In seiner lyrischen Ruhe in As-Dur und mit seiner Wiederkehr melodischer Elemente
erinnert er an Schubert und insbesondere an die Gattung des Kunstliedes. Wie im
obigen Zitat deutlich wird, erkannte bereits Hermann Levi diese Parallele. Ähnlich wie
bei Schubert handelt es sich jedoch bei diesem Satz nicht um eine belanglose Idylle,
sondern eher um eine spannungsgeladene Ruhe. Hinter ihr verbirgt sich eine abgründige Tiefe – freilich eine Brahmssche Tiefe und keine Schubertsche.
Im 3. Satz, dem Scherzo des Werkes, klingen Bezüge zu einem Komponisten an, mit
dem Brahms nur selten in Verbindung gebracht wird: Richard Wagner. Der Satz entfaltet im 6/8-Takt in c-Moll nach anfänglichen, stechenden Synkopen und scheinbar
jubelnden Fortissimo-Ausbrüchen ein markantes, beinahe hämmerndes Thema, das
an Wagners Darstellung der unterirdischen Kluft in der dritten Szene von Rheingold
erinnert. Es bildet den Ausgangspunkt für ein strenges Fugato und führt den Satz
schließlich in ein trotziges C-Dur. Das Trio dagegen wirkt eher stolz und hymnisch,
verebbt aber schon nach kurzer Zeit und mündet in das DaCapo des Scherzos.
Die langsame Einleitung des Finales erinnert mit ihrer extremen Chromatik wieder an
Wagner, nun an dessen „Tristan und Isolde“. Tatsächlich geriet der knapp 30-jährige
Brahms bei seinem ersten Aufenthalt in Wien 1862/63, also zur Entstehungszeit seines
Klavierquintetts, kurzzeitig in den Bann Wagners, als er Zeuge der Vorbereitungen
zur – letztendlich abgesagten – Uraufführung des Tristan wurde. Im Anschluss an
diese Einleitung entwickelt sich der 4. Satz als Rondo im 2/4-Takt über einem düsteren
und von motorischer Energie durchdrungenen Thema, das in seiner Gestaltung wieder an Schubert und teils Beethoven gemahnt. Zwar zeigen sich im Satzverlauf auch
vereinzelte Inseln des Rückzugs und des Rastens, doch spätestens mit dem Beginn
der furiosen Stretta im 6/8-Takt ist das Schicksal des Werkes besiegelt: Es steigert
sich über einem unerbittlichen Fugato, hält noch ein letztes Mal inne, treibt sich aber
schließlich mit scharfen Synkopen im Klavier selbst ins dramatische Ende und stürzt
unter den abwärtsgerichteten Läufen der Streicher in sich zusammen.
AUTOR Stefan Fuchs
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MUSIK TRIFFT MEDIZIN
Musik hat Auswirkungen auf unsere Atmung, unseren Herzschlag,
unseren Schlaf. Sie kann unsere Emotionen und Stimmungen beeinflussen, uns beruhigen oder aktivieren. Sie ermöglicht das Abrufen von
Erinnerungen, Erlebtem oder Erlerntem. Musik spielt im Leben vieler
Menschen eine große Rolle, traditionell auch im Leben von Ärzten. Ist
sie doch auf der emotionalen Ebene beheimatet, einer Ebene, die in
der oftmals technokratischen Natur- und Medizinwissenschaft nicht
im Mittelpunkt steht und im Alltag daher leider meist zu kurz kommt.
UNIV.-PROF.DR. PAUL SEVELDA
Musik spielt auch im Leben vieler Krebspatienten eine große Rolle. Die
Auseinandersetzung mit einer »Lebenskrise«, wie sie eine Krebserkrankung darstellt, ist für jeden Menschen eine sehr große emotionale Herausforderung. Die Diagnose trifft meist wie ein Blitz, ohne »Vorwarnung
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emotionale Achterbahn. Musik wird seit vielen Jahren erfolgreich zur
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Gefühle wie Angst, Ärger und Trauer zu wandeln. Die Musik drückt das
aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist (Victor Hugo).
„Musik trifft Medizin“ – diese großartige Initiative ist gerade für die
Österreichische Krebshilfe besonders wertvoll. Wir freuen uns mit Ihnen
auf die Begegnung von Musik und Wissenschaft und danken den Initiatoren von „Sounds & Science“, den vortragenden Wissenschaftlern, den
großartigen MusikerInnen und Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren,
dass Sie durch den Besuch des heutigen Konzertes die Arbeit der
Österreichischen Krebshilfe unterstützen.
UNIV.-PROF.DR. PAUL SEVELDA
Präsident der Österreichischen Krebshilfe
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