Abiturprüfung 2010

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Abiturprüfung 2010
Abit u rpr üf ung 2 0 1 1
Hinweise zur Korrektur und Bewertung der Abiturprüfung sarbeiten in
MUS IK
Nicht für den Prüfling bestimmt
Die nachfolgenden Lösungsvorschläge deuten lediglich Ansatz und Richtung
einer Beantwortung an. Sie besitzen keine ausschließliche Gültigkeit. Andere,
ebenso zutreffende Lösungen sind mit entsprechender Begründung zulässig.
–2–
Umrechnung der erreichten Bewertungseinheiten in Notenpunkte:
Bewertungseinheiten
60
57
54
51
48
45
42
39
36
33
30
27
24
21
18
15
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
58
55
52
49
46
43
40
37
34
31
28
25
22
19
16
0
Noten mit
Tendenzangaben
+
1
1
1
–
+
2
2
2
–
+
3
3
3
–
+
4
4
4
–
+
5
5
5
–
6
Notenpunkte
15
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Diese Zuordnungstabelle ist nur auf die gesamte Prüfungsaufgabe, nicht aber auf
eine Teilaufgabe bzw. einzelne Aufgabenabschnitte anzuwenden.
–3–
Aufgabe I
Literaturhinweise:
Heinrich Schütz: „So fahr ich hin zu Jesu Christ“ SWV 379, aus: „Geistliche
Chormusik 1648“, hrsg. von Günter Graulich. Stuttgart (Carus) 1991
Eric Whitacre: „Sleep“. New York City (Walton Music) 2002
Eggebrecht, Hans Heinrich: Heinrich Schütz. Musicus Poeticus. Wilhelmshaven
u. a. (Heinrichshofen) 1984
Sharp, Tim: Eric Whitacre. Choral Music. Naxos 8.559677, 2009 (Booklet)
Kamlah, Wilhelm: Vorwort, in: „Heinrich Schütz. Geistliche Chormusik 1648“.
Kassel u. a. (Bärenreiter) 1979
Aufnahmen:
Heinrich Schütz. Geistliche Chor-Music 1648. Dresdner Kammerchor, Cappella
Sagittariana Dresden, Leitung: Hans-Christoph Rademann. Carus 83.232, 2007
Heinrich Schütz. Geistliche Chormusik. Tölzer Knabenchor, Musicalische
Compagney, Leitung: Gerhard Schmidt-Gaden. Capriccio 10 858/59, 1999
Eric Whitacre. Choral Music. Elora Festival Singers, Leitung: Noel Edison. Naxos 8.559677, 2009
Lösungsvorschlag:
1.1
Musikalische Gestaltung der Textstelle „So fahr ich hin zu Jesu
Christ“ (Takte 1 mit 8, Zählzeit 1) u. a.:
- aufsteigende Viertonfolge (g1 bis c2) in halben Noten in Sopran 1;
absteigende Viertonfolge (g1 bis d1) meist in Vierteln in Sopran 2
- polyphoner Satz: Gegenbewegung zwischen Sopran 1 und Sopran 2; Imitation der aufsteigenden Viertonfolge in allen Stimmen,
Imitation der absteigenden Viertonfolge in Tenor und Sopran 1
(Imitationen teilweise notengetreu, teilweise mit kleinen Veränderungen)
Musikalische Gestaltung der Textstelle „so schlaf ich ein und ruhe
fein“ (Takte 25 [mit Auftakt] mit 31):
Ruhiger Gestus u. a. durch:
- überwiegend kleinschrittige Melodik, meist ganze und halbe Noten
in tiefer Lage
- überwiegend homophoner Satz
- geringer Ambitus in allen Stimmen
–4–
1.2
Bestimmung der Akkorde:
Takt 25: C-Dur
Takt 26: A-Dur
Takt 27: A-Dur
Takt 28: A-Dur, g-Moll mit (hinzugefügter) Sexte
Takt 29: g-Moll mit (hinzugefügter) Sexte, A-Dur
Takt 30: D-Dur
Takt 31: D-Dur
Äußerungen zur Harmonik u. a.:
- ungewöhnlicher Übergang von C-Dur nach A-Dur
- wenig harmonische Bewegung (Akkordwiederholungen)
- Akkorde in Grundstellung (zur Darstellung einer Statik)
- (Modulation nach D-Dur)
–5–
1.3
Musikalische Gestaltung des Textes „mich führen zum ewigen Leben“
(Alt, Takte 53 [mit Auftakt] mit 56) u. a.:
wellenartige Bewegung zwischen g und d1, melismatische Wendung
auf dem Wort „ewig“
Besondere Bedeutung dieser Textstelle u. a. durch:
- Vertonung des Textes „mich führen zum ewigen Leben“ nimmt mit
über zwanzig Takten den größten Raum in der gesamten Vertonung
ein
- zahlreiche Wiederholungen des thematischen Abschnitts
- Imitation des thematischen Abschnitts im Unterchor (Takte 53 [mit
Auftakt] mit 56)
- Imitation des thematischen Abschnitts im Oberchor (Takte 62 [mit
Auftakt] mit 65)
- Verbindung von Unterchor und Oberchor: mehrfache Imitation des
thematischen Abschnitts im gesamten Chor (Takte 68 [mit Auftakt]
mit 82)
- (mehrmaliges Erreichen des höchsten Tons e2 in Sopran 1 und Sopran 2)
1.4
Klangliche Merkmale der Interpretation A (Hans-Christoph Rademann) u. a.:
- ausschließlich chorische Besetzung
- gemischter Chor
- keine Instrumentalbegleitung hörbar
- deutliche Artikulation des Textes
- homogener Gesamtklang
Klangliche Merkmale der Interpretation B (Gerhard Schmidt-Gaden)
u. a.:
- abwechselnd solistische und chorische Besetzung
- Besetzung: Knabenstimmen (Sopran, Alt) und Männerstimmen
(Tenor, Bass)
- Unterstützung durch Instrumente deutlich hörbar [Chitarrone und
Orgel]
- heterogenes Klangbild
Bezugnahme auf das Zitat:
Die Bewertung richtet sich nach der Schlüssigkeit der Argumentation
und der Art der Darstellung.
–6–
2.1
Erläuterung der Aussage u. a.:
Bei Whitacre wird die Sekunde nicht mehr als Dissonanz, die in eine
Konsonanz aufgelöst werden muss, aufgefasst; vielmehr wird sie als
eigene „Farbe“ wahrgenommen und trägt so entscheidend zum Klang
der Musik Whitacres bei. Viele Sekundreibungen finden sich auch an
Abschlüssen.
Belege u. a.:
Takt 4, Zählzeit 1
Takt 13
Takt 17
Takt 21
2.2
Musikalische Mittel zur Gestaltung u. a.:
Spannungsaufbau von Takt 44 (mit Auftakt) mit Takt 59:
- zu Beginn Erweiterung des Ambitus
- dynamische Entwicklung von p zu ff
- Auffächerung des Chorsatzes zur Achtstimmigkeit
- Wiederholungen des Textabschnitts „As I surrender unto sleep“ mit
aufwärts gerichteter Melodik
Spannungsabbau von Takt 59 mit Takt 74:
- Verringerung des Ambitus
- Zurücknahme der Dynamik von ff zu pp, später auch ppp mit anschließendem Decrescendo (Anweisung: „gradually reduce dynamic to a whisper; repeat and dim. al niente“)
- Reduktion des achtstimmigen Chorsatzes zur Vierstimmigkeit
- Reduktion des Textes auf das Wort „sleep“, häufige Wiederholungen mit „Seufzermotiven“ und (Atem-)Pausen
2.3
Aspekte für die Einbeziehung szenischer Elemente könnten u. a. sein:
- Beleuchtung
- „Choreographie“ beim Auf- und Abtreten
- Bewegungen, Gesten, Veränderung der Aufstellung während des
Singens (auswendiges Singen)
- Kleidung
Die Bewertung der Stellungnahme richtet sich nach der Schlüssigkeit
der Argumentation und der Art der Darstellung.
–7–
3
Unterschiedliche Bedeutung des Motivs „Schlaf“ u. a.:
Im Text der Motette von Heinrich Schütz ist der Schlaf gleichzusetzen
mit dem Tod, von dem kein Mensch durch einen Menschen wieder erweckt werden kann. Das lyrische Ich hofft auf eine Auferweckung
vom Todesschlaf zum ewigen Leben durch Jesus Christus.
Im Text von Silvestri ist der Schlaf ein angenehmer Zustand, der vom
lyrischen Ich herbeigesehnt wird. Das lyrische Ich, das zunächst trotz
seiner Müdigkeit nicht einschlafen kann, da die Bilder der Alltagswelt
ihn noch beschäftigen, gerät allmählich in einen Zustand des Einschlafens, des „Hinüberdämmerns“.
Musikalische Umsetzung der Thematik „Schlaf“ in den Kompositionen von Schütz und Whitacre u. a.:
Anlage
Lage bzw.
Ambitus
Rhythmik
Harmonik
Dynamik
Heinrich Schütz
(Takte 25 [mit Auftakt]
mit 37)
zweimalige Vertonung des
Textabschnitts „so schlaf
ich ein und ruhe fein“, analoge musikalische Gestaltung auf unterschiedlichen
Tonstufen
tiefe Lage
vorwiegend halbe und ganze Noten, eher statische
Wirkung
schlichte Akkorde
keine Angaben im Notentext
Eric Whitacre
(Takte 44 [mit Auftakt]
mit 74)
Darstellung des allmählichen Einschlafens über einen längeren Zeitraum;
Spannungsbogen (vgl.
Teilaufgabe 2.2)
Ausweitung und Reduktion
des Ambitus
überwiegend fließende
Viertelbewegung, am Ende
Unterbrechung durch
(Atem-)Pausen
Sekundklänge
differenzierte Dynamik
–8–
Aufgabe II
Literaturhinweise:
Vivaldi: Concerto grosso (aus: L’Estro armonico) für zwei Violinen, Violoncello, Streicher und Basso continuo d-moll op. 3 Nr. 11 RV 565. Wiesbaden u. a.
(Breitkopf) 1930
Vivaldi. Konzert d-Moll opus 3 Nr. 11. Für zwei Violinen und Klavier bearbeitet von Paul Klengel. Leipzig (C. F. Peters) 1930
Antonio Vivaldi: Concerto d-Moll opus 3 No. 11 aus L’estro armonico für 2 Violinen, Streicher und Basso continuo. Klavierauszug, bearb. und hrsg. von Walter Kolneder. Mainz (Schott) 1974
Adolph Menzel: Das Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci, Fertigstellung: 1852, Ausführung: Öl auf Leinwand, Größe: 142 × 205 cm, Original:
Berlin, Alte Nationalgalerie
Aufnahmen:
Antonio Vivaldi. Violin Concertos from L’estro armonico. The English Concert,
Cembalo und Leitung: Trevor Pinnock. DG Archiv Produktion 447 284-2, 1989
Lösungsvorschlag:
1.1
Merkmale des Generalbasses u. a.:
- meist durchlaufende Bass-Stimme als Fundament der Komposition
- Ergänzung der Basstöne zu Akkorden, deren harmonische Ausführung zum Teil durch Ziffern angegeben wird (= Kurzschrift)
- improvisierte Ausführung der ergänzten Akkorde
- Besetzung: meist Akkordinstrument (z. B. Cembalo, Orgel, Laute)
und/oder Bassinstrument(e) (z. B. Violoncello, Kontrabass, Fagott)
1.2
Funktion des Generalbasses u. a.:
- Takte 20 mit 31: Der Basso continuo spielt Grund- bzw. Basstöne
der Harmonien meist in repetierenden Achteln zum Cello-Solo.
- Takte 35 mit 54: Die Continuo-Stimme ist (zunächst unisono mit
dem Solo-Cello) gleichberechtigt am polyphonen Satz beteiligt.
- Takte 89 mit 104: Ein langer Orgelpunkt mündet in eine Kadenz.
–9–
1.3
Musikalische Gestaltung u. a.:
satztechnische Gestaltung:
- Kanon der beiden Solo-Violinen: Takte 1 mit 5 im Abstand einer
Viertel, ab Takt 6 (mit Auftakt) im Abstand eines Taktes
melodisch-rhythmische Gestaltung u. a.:
- Takte 1 mit 5: gebrochener d-Moll-Dreiklang in Achteln, melodisch
insgesamt ansteigend
- Takte 6 mit 9: Quartsprung aufwärts und absteigendes TonleiterMotiv in Sechzehnteln im Wechsel mit Tonrepetitionen auf dem
Grundton d in Achteln
- Takte 10 mit 20, Zählzeit 1: Wellenbewegung in Sechzehnteln mit
Höhepunkt in Takt 15, im Wechsel mit Tonrepetitionen auf dem
Grundton d in Achteln
- Vergrößerung der Intervallsprünge (z. B. Takte 15/16)
1.4
Musikalische Merkmale u. a.:
- konzertierender Stil: Wechsel von Solo- und Tuttipassagen, z. B.
Takte 55 (mit Auftakt) mit 62 (Soli), Takte 63 mit 78 (Tutti)
- Generalbass ab Takt 20
- polyphone Satztechnik (Imitation), z. B. ab Takt 35
- melodische Abschnitte mit Fortspinnungscharakter, z. B. Takte
20 ff. (Violoncello solo)
– 10 –
1.5
Motive u. a.:
- Motiv a: auftaktig, zwei Sechzehntel mit nachfolgenden Achteln,
kleinschrittig (Takt 35)
- Motiv b: absteigende Viertel mit fallenden Quinten (Takte 36,
Zählzeit 2, mit 38, Zählzeit 1)
- Motiv c: Synkope mit charakteristischem Quintsprung (Takt 39)
- Motiv d: auftaktig, drei Achtel mit Sechzehntel-Wechselnote
(Takt 40)
- Motiv e: absteigende Sechzehnteltonleiter mit nachfolgender Achtel
(Takt 44)
- Motiv f: auftaktige, absteigende Dreiklangsfolge in Achteln
(Takt 48)
Motiv-Varianten u. a.:
- Motiv e: umgekehrte Bewegungsrichtung (Violoncello solo,
Takt 81)
- Motiv e: abtaktig in umgekehrter Bewegungsrichtung (Violine 2,
Violine 1, Violoncello solo, Takte 85/86)
- Motiv a: melodisch verändert und in Umkehrung (Violoncello solo,
Takt 82)
- Motiv a: melodisch verändert (Violoncello solo, Takt 84)
- Motiv c: Synkope mit Oktavsprung (Violine 2, Takt 79)
- Motiv c: Synkope mit Terzsprung (Violine 1, Takt 80)
2
Unterschiede der beiden Ausgaben u. a.:
Tempo/
Agogik
Dynamik
Artikulation
Notentext
Besetzung
Ausgabe A
genaue Metronomangaben
poco ritardando (Takt 30),
ritardando (Takt 34),
Molto Adagio
differenzierte Dynamikangaben
Anfang: portato-Striche,
marcato
Adagio: portato
Violine pausiert nur vier
Takte nach dem AdagioTeil
Doppelgriffe im Adagio
keine Hinweis zu Solo
und Tutti
Ausgabe B
keine Metronomangaben,
Adagio,
keine weiteren Angaben
weniger differenzierte
Dynamikangaben
Anfang: keine Angaben
Adagio: spiccato
Violine pausiert mehrere
Takte vor und nach dem
Adagio-Teil
einstimmig im Adagio
Hinweise zu Solo und
Tutti
– 11 –
3
Beschreibung des Höreindrucks u. a.:
- Streicher-Tutti am Anfang und am Schluss
- Violin-Solo:
 sehr sangliche, wiegende Melodie in punktiertem (Siciliano-)
Rhythmus
 Orchesterbegleitung in gleichmäßigen Notenwerten
 Wiederholung von melodischen Abschnitten, zum Teil mit Veränderungen
- geringe dynamische Kontraste
- (langsames Tempo)
4
Die Bewertung erfolgt unter Berücksichtigung der zu erwartenden
Kenntnisse über die Zeitumstände. Die Szenerie kann beliebig gewählt werden. Auch Sprachwitz oder stilistische Raffinesse können in
die Bewertung mit einfließen.
– 12 –
Aufgabe III
Literaturhinweise:
Johannes Brahms: Lieder, Band II, hrsg. von Max Friedlaender. Frankfurt a. M.
u. a. (C. F. Peters) o. J.
Johannes Brahms: Sonate für Klavier und Violine op. 78, hrsg. von Bernhard
Stockmann. Wien (Wiener Urtext Edition) 1973
Johannes Brahms: Vier ernste Gesänge op. 121, hrsg. von Max Friedlaender.
Frankfurt a. M. u. a. (C. F. Peters) ca. 1930
Gerber, Rudolf: Brahms, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von
Friedrich Blume, Band 2. Kassel (Bärenreiter) 1952
Oehlmann, Werner: Reclams Liedführer. Stuttgart (Reclam) 1973
Stähr, Susanne: Lieder von Johannes Brahms, in: Berliner Philharmoniker. Programmheft Nr. 63 zum 27.03.2008
Göbel, Andreas: Der vergessene Gesang, in: Sendemanuskript Kulturradio
Rundfunk Berlin Brandenburg, 09.05.2008
Bolin, Norbert (Hrsg.): Johannes Brahms. Ein deutsches Requiem. Vorträge Europäisches Musikfest Stuttgart 2003 (= Schriftenreihe der Internationalen Bachakademie Stuttgart, Band 13) Kassel u. a. (Bärenreiter) 2004
Stockmann, Bernhard: Vorwort zu Johannes Brahms: Sonate für Klavier und
Violine op. 78. Wien (Wiener Urtext Edition) 1973
Michels, Ulrich: dtv-Atlas Musik. München (Deutscher Taschenbuch-Verlag)
2001
Aufnahmen:
Brahms: Lieder. Dietrich Fischer-Dieskau (Bariton), Wolfgang Sawallisch
(Klavier). EMI CMS 7 64820 2 A, 1974/1993
Johannes Brahms: Sonatas for Piano and Violin. Anne-Sophie Mutter (Violine),
Lambert Orkis (Klavier). Deutsche Grammophon DG 00289 477 8767, 2010
Schubert – Brahms – Martin. Christian Gerhaher (Bariton), Gerold Huber (Klavier). Arte Nova 74321 92771 2, 2002
Brahms: Vier ernste Gesänge op. 121. Hans Hotter (Bariton), Gerald Moore
(Klavier). EMI Mono CDH 7 63198 2, 1952/1989
– 13 –
Lösungsvorschlag:
1.1
Zusammenfassung des Textinhalts u. a.:
- Der niederfallende Regen ruft Erinnerungen des lyrischen Ichs an
Naturerlebnisse und Empfindungen aus der Kindheit wach (Strophen 1 mit 6).
- Das lyrische Ich sehnt sich danach, die erinnerten Empfindungen
abermals zu erleben (Strophe 7 und 8)
Formale Anlage u. a.:
Takte 1 (mit Auftakt) mit 4:
Vorspiel
a: Takte 5 (mit Auftakt) mit 24: Strophe 1 und Zwischenspiel
a': Takte 25 (mit Auftakt) mit 44: Strophe 2
b: Takte 46 (mit Auftakt) mit 53: Strophe 3
c: Takte 54 mit 70:
Strophe 4 und Zwischenspiel
d: Takte 71 (mit Auftakt) mit 80: Strophe 5 und Zwischenspiel
d': Takte 81 (mit Auftakt) mit 94: Strophe 6 und Zwischenspiel
a: Takte 96 (mit Auftakt) mit 115: Strophe 7 und Zwischenspiel
a'': Takte 115 mit 138:
Strophe 8
Takte 138 mit 147:
Nachspiel
Ggf. sind auch andere Zuordnungen von Buchstaben möglich.
Großformale Anlage: Es handelt sich um eine Bogenform.
1.2
Belege der Aussagen des Zitats u. a.:
„größte Einfachheit“:
- meist einfache Rhythmik aus überwiegend punktierten halben Noten und Viertelnoten, z. B. Takte 5 ff.
- meist verhaltene Dynamik
- überwiegend kleinschrittige Intervalle bzw. Dreiklangsmelodik
„strophischer oder variiert strophischer Aufbau und innerer Zusammenhalt“ u. a.:
- Wiederholung der Takte 5 (mit Auftakt) mit 24 (Zählzeit 1) in den
Takten 96 (mit Auftakt) mit 115
- abgewandelte Wiederholung der Takte 5 (mit Auftakt) mit 24
(Zählzeit 1) in den Takten 25 (mit Auftakt) mit 44
– 14 –
1.3
Ruhigere, nachdenklichere Stimmung u. a. durch:
- Taktwechsel
- Tonartwechsel
- Dynamikwechsel
- neues Motiv in der Singstimme
- Klaviersatz: rhythmisch ruhig, akkordisch geprägt, teilweise die
Gesangsmelodie stützend, portato
- (mezza voce)
1.4
Volksliedhafte Elemente der Gesangsstimme u. a.:
- melodisch und rhythmisch nur leicht verändertes Viertonmotiv in
mehrfacher Sequenzierung
- überwiegend kleinschrittige Intervalle
- Ambitus meist im Oktavbereich
- Gliederung der musikalischen Phrasen orientiert sich an den Versen
- strophische Vertonung (mit Ausnahme der Schlusstakte von Strophe 6)
2
Verarbeitung der Takte 1 mit 12 des „Regenlieds“ in der Violinsonate
u. a.:
- Melodie und Rhythmus der Gesangsstimme von Takt 5 (mit Auftakt) mit Takt 8 werden transponiert und diminuiert in der Violinstimme (Takt 1 und 2) übernommen
- mehrfache Wiederholung des Anfangsmotivs in der Violinstimme
bis Takt 6
- aufsteigendes Dreiklangs-Achtelmotiv mit fallender Terzbewegung
(„Regenlied“, Takte 5 ff.) diminuiert in Sechzehntelnoten (Sonate,
Takte 1 ff.); punktiertes Bass-Motiv („Regenlied“, Takte 5 ff.) im
Klavier (Sonate, Takte 1 ff., linke Hand), ebenfalls diminuiert
- motivische Abspaltung aus dem diminuierten Dreiklangsachtelmotiv (Sonate, Takte 10 ff.) und komplementärrhythmische Wiederholung in Klavier (rechte Hand) und Violine
- leicht veränderte Wiederholung der Takte 1 (mit Auftakt) mit 9
(Sonate) in den Takten 14 mit 22
– 15 –
3.1
Gestaltung der düsteren Stimmung u. a. durch:
- Tonart g-Moll
- getragenes Tempo (Andante)
- Melodie der Gesangstimme: übermäßige bzw. verminderte Intervalle (a–es, as–d, dis–c); überwiegend abwärts gerichtete Tendenz im
Melodieverlauf; mehrfache Tonwiederholungen
- Generalpausen
- dissonante Klänge
- extrem tiefe Lage im Klavierbass
3.2
Vergleich der beiden Interpretationen
(A: Christian Gerhaher, B: Hans Hotter):
Mögliche Ansatzpunkte können u. a. sein: Tempo, Tonart, Klangfarbe, Tongebung, Artikulation, dynamische Differenzierung, Agogik
Beschreibung des interpretatorischen Ansatzes:
Die Bewertung richtet sich nach der Schlüssigkeit der Argumentation
und der Art der Darstellung.
4
Stilistik und Wahl der Mittel sind dem Schüler freigestellt.
Aspekte der Bewertung sind die Wahl der Textstellen sowie die angemessene Beschreibung einer musikalischen Umsetzung.
Die Bewertung richtet sich nach der Schlüssigkeit der Argumentation
und der Art der Darstellung.
– 16 –
Aufgabe IV
Literaturhinweise:
Johann Sebastian Bach: Weihnachts-Oratorium BWV 248, hrsg. von Walter
Blankenburg und Alfred Dürr. Kassel u. a. (Bärenreiter) 1990
Engel (Rammstein) für gemischten Chor, hrsg. von Stefan Kalmer, arr. von Oliver Gies und Jan Bürger (Maybebop). 2. Auflage Kassel (Bosse-Verlag) 2009
Hiller, Johann Adam: Anweisung zum musikalisch-richtigen Gesange mit hinlänglichen Exempeln erläutert. Leipzig (Junius) 1774
Dürr, Alfred: Einführung zum Weihnachtsoratorium. Begleitheft zur Gesamteinspielung von Nikolaus Harnoncourt. Teldec 1973/74
Aufnahmen:
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium. Arnold Schönberg Chor, Concentus musicus Wien, Leitung: Nikolaus Harnoncourt. deutsche harmonia mundi
88697 112252, 2007
J. S. Bach: Weihnachtsoratorium BWV 248, I–III. Kammerchor der Augsburger
Domsingknaben, Residenz-Kammerorchester München, Leitung: Reinhard
Kammler. Ars Musici 231734, 2010
Georg Philipp Telemann: „Ehre sei Gott in der Höhe“ aus der Kantate „Allein
Gott in der Höh sei Ehr“ TVWV 1:58, in: Göttlichs Kind. Advents- und Weihnachtsmusik. ensemble stimmkunst, Ensemble 94, Leitung: Kay Johannsen. Carus 83.180, 2005
Engel. Voices in time, Leitung: Stefan Kalmer. 2007
– 17 –
Lösungsvorschlag:
1.1
Unterschiede der beiden Interpretationen u. a.
A (Harnoncourt)
Artikulation der deutlich
Singstimme
Besetzung des
Frauenstimme
„Engels“
Begleitung
differenzierte Dynamik
(akzentuierte Akkorde)
B (Kammler)
stellenweise undeutlich
Knabenstimme
in gleichbleibender
Lautstärke ausgehaltene
Akkorde, mit deutlichem
Vibrato
Erläuterung des Zusammenhangs zwischen Zitat und den Interpretationen u. a.:
In Aufnahme B werden das Metrum und der notierte Rhythmus exakter (statischer) umgesetzt; in Aufnahme A wird agogisch deutlich freier musiziert (z. B. Orchestereinsatz in Takt 5).
1.2
Ergänzung der Generalbassstimme:
2.1
Musikalische Mittel u. a.:
- zahlreiche Textwiederholungen
- zum Teil sehr hohe Tonlagen
- dichtes polyphones Satzbild: Imitation des Anfangsmotivs im Sopran (Quartsprung aufwärts in längeren Notenwerten mit Synkope,
Erweiterung zur Sexte in Takt 3) in den übrigen Stimmen
- melismatische Vertonung des Wortes „Ehre“
- Takt 7: homophone Führung der Stimmen
- zunehmende Verkürzung der Notenwerte ab Takt 4
– 18 –
2.2
Aussagen des Zitats mit Belegen u. a.:
„syntaktische Abschnitte“:
- Takte 25 mit 31 „und Friede auf Erden“
- Takte 31 mit 49 „und den Menschen ein Wohlgefallen“
- Takte 49 mit 65 verkürzte Wiederholung der Textabschnitte „Ehre
sei Gott“, „und Friede auf Erden“, „und den Menschen ein Wohlgefallen“
„textbezogene, jeweils eigene Thematik“:
- „und Friede auf Erden“:
 abwärts gerichtete Melodik („auf Erden“)
 melismatische Gestaltung, auch in langen Notenwerten,
Legatocharakter („Friede“)
 lang ausgehaltene Töne im Generalbass
- „und den Menschen ein Wohlgefallen“:
 auftaktiges Motiv, wellenartige Bewegung („Und den Menschen
ein …“)
 Koloratur („Wohlgefallen“)
 imitatorischer Satz
 durchlaufende Achtelbewegung im Generalbass
„Chorsatz dominiert, die Instrumente gehen mit den Singstimmen
oder begleiten unthematisch“:
Das Orchester ist dem Chor weitgehend untergeordnet:
- es spielt colla voce (z. B. Flöten und Streicher ab Takt 31)
- es begleitet „unthematisch“ (z. B. ganzes Orchester ab Takt 49)
3
Charakteristische Merkmale u. a.:
- Besetzung: Streicher (mit Generalbass)
- vorwiegend colla voce-Spiel des Orchesters, gelegentlich eigenständige Figuren in den Streichern
- Textwiederholungen
- schlichter homophoner Chorsatz (teilweise Unisono, teilweise Beschränkung auf zwei Chorstimmen)
- durchweg syllabisch vertont
- (meist einfache Harmonik)
– 19 –
4.1
Gliederung des ganzen Stücks:
Abschnitt
Intro
(Takte 1 mit 4)
Vers 1
(Takte 5 mit 12)
Chorus 1
(Takte 13 mit 20)
Satztechnik
aufsteigende Einsatzfolge der vier Chorstimmen
Melodie im Tenor, ausgehaltene Akkordtöne in
den anderen Stimmen
Melodie im Sopran, Begleitstimmen durch Synkopen rhythmisch belebt, ab Takt 19 Parallelbewegung zwischen Sopran und Tenor
Interlude
polyphon, imitatorisches Einsetzen der Stimmen
(Takte 21 mit 35) von oben nach unten; Oktavierung der Bassstimme
ab Takt 30 ad libitum
Vers 2
Melodie im Alt, Tenor verläuft dazu teilweise
(Takte 36 [mit
rhythmisch parallel, hat aber auch Liegetöne und
Auftakt] mit 43) eigene Einwürfe; in Bass und geteiltem Sopran
durchlaufender rhythmischer Groove
Chorus 2
Melodie im Sopran, ab Takt 50 im Bass; Beglei(Takte 44 mit 52) tung ausschließlich durch Liegetöne
Outro
Melodie im Sopran, Liegetöne im Alt, Ausschmü(Takt 53 mit 68) ckungen im Tenor, rhythmischer Groove im Bass,
am Ende Beruhigung durch längere Notenwerte
4.2
Merkmale eines Fugenbeginns:
Themeneinsätze:
Sopran auf fis (Takt 21)
Alt auf cis (Takt 23, Dominante), gleichzeitig Kontrapunkt im Sopran
Tenor auf fis (Takt 26)
Bass auf e (Takt 30)
Abweichung gegenüber der Definition: Vierter Themeneinsatz nicht
auf der Dominante
Verwendung des Kontrapunkts:
Takt 23 (Sopran) kehrt wieder in Takt 26 (Alt) und in Takt 30 (Tenor)
– 20 –
4.3
Gründe für die Beliebtheit u. a.:
- Verse und Strophen sind abwechslungsreich gestaltet (Begründungen vgl. Teilaufgabe 4.1)
- Mischung aus „klassischen“ Elementen (z. B. Fuge) und typischen
Pop- bzw. Jazz-Elementen (z. B. Groove, Verwendung von Tonsilben)
- Chorsatz bietet stimmliche Herausforderungen
- ansprechender, vielfältiger Chorklang
- besondere Klangeffekte (z. B. nasale Stimmgebung, Geräuschelemente)
- kreativer, eindringlicher Text
Die Beurteilung richtet sich nach der Schlüssigkeit der Argumentation
und der Art der Darstellung.