Ein Quantum Kompetenz - interculture journal: Online Zeitschrift für
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Ein Quantum Kompetenz - interculture journal: Online Zeitschrift für
online-Zeitschrift für Interkulturelle Studien Inhalt I Jahrgang 10 I Ausgabe 14 I www.interculture-journal.com Vorwort [Preface] Christoph Barmeyer/ Jörg Scheffer Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen [Bridging Cultural Gaps? Intercultural Competence and Portrayals of Otherness in James-Bond Films] B. Alexander Dauner Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz [The Organizing Function of Competence – Layout of a Two-Level-Model of Intercultural Competence] Hanna Pułaczewska Intercultural Competence for Unequal Business Encounters [Interkulturelle Kompetenz für Asymmetrische Geschäftsbeziehungen] Jasmin Mahadevan / Stefan Weißert / Franziska Müller From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-German Example Quantum of competence Interculturalism between East and West [Von bestehenden Kulturunterschieden zu einer neuen Interkultur: Ein Chinesisch-Deutsches Fallbeispiel] Elias Jammal Eros-Face [Eros-Face] Anja Scherpinski – Lee Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion [Importance of Emotions in Interpersonal Relationships and Social Networks in Korea] Herausgeber: Jürgen Bolten Stefanie Rathje unterstützt von: / supported by: 2011 Herausgeber: Prof. Dr. Jürgen Bolten (Jena) Prof. Dr. Stefanie Rathje (Berlin) Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Ahrens (Würzburg) Prof. Dr. Manfred Bayer (Danzig) Prof. Dr. Klaus P. Hansen (Passau) Prof. Dr. Jürgen Henze (Berlin) Prof. Dr. Bernd Müller-Jacquier (Bayreuth) Prof. Dr. Alois Moosmüller (München) Prof. Dr. Alexander Thomas (Regensburg) Chefredaktion und Web-Realisierung: Mario Schulz Editing: Susanne Wiegner Fachgebiet: Interkulturelle Wirtschaftskommunikation Friedrich-Schiller-Universität Jena ISSN: 1610-7217 www.interculture-journal.com Inhalt / Content 1 Vorwort der Herausgeber [Preface] 3 Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen [Bridging Cultural Gaps? Intercultural Competence and Portrayals of Otherness in James-Bond Films] Christoph Barmeyer/ Jörg Scheffer 25 Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz [The Organizing Function of Competence – Layout of a Two-Level-Model of Intercultural Competence] B. Alexander Dauner 47 Intercultural Competence for Unequal Business Encounters [Interkulturelle Kompetenz für Asymmetrische Geschäftsbeziehungen] Hanna Pułaczewska 55 From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-German Example [Von bestehenden Kulturunterschieden zu einer neuen Interkultur: Ein Chinesisch-Deutsches Fallbeispiel] Jasmin Mahadevan / Stefan Weißert / Franziska Müller 77 Eros-Face [Eros-Face] Elias Jammal 87 Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion [Importance of Emotions in Interpersonal Relationships and Social Networks in Korea] Anja Scherpinski – Lee Vorwort der Herausgeber Vorwort der Herausgeber Die aktuelle Ausgabe von Interculture Journal „Ein Quantum Kompetenz: Interkulturalität zwischen Ost und West“ stellt erneut das Thema interkulturelle Kompetenz in den Mittelpunkt. Damit ergänzt sie die 12. Ausgabe von Interculture Journal, die aktuelle Beiträge zur interkulturellen Kompetenzforschung vorstellte. Die Wahl des Titels spielt auf den James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“ an. Inspiriert wurde die Titelwahl durch den Beitrag von Christoph Barmeyer und Jörg Scheffer, die sich in ihrem Artikel „Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James Bond-Filmen“ auf die Suche nach der speziellen interkulturellen Kompetenz der berühmten Filmfigur begeben. Dabei beleuchten sie kritisch die Kulturkontakte des Agenten 007, deren filmische Darstellung und mögliche Implikationen für die interkulturelle Bildung. Alexander Dauner entwickelt in seinem Beitrag „Die organisierende Funktion von Kompetenz. Entwurf eines zweiEbenen-Modells interkultureller Kompetenz“ ein neue Perspektive auf das Konzept interkultureller Kompetenz, auf dessen Grundlage interkulturelle Begegnungssituationen sowohl durch essentialistische als auch durch konstruktivistischprozessuale Kultur-Verständnisse der Handelnden bestimmt werden können. Hanna Pułaczewska untersucht in ihrem Beitrag „Intercultural Competence for Unequal Business Encounters“ die Problematik von interkultureller Schulungen, die im Kontext des Machtgefälles von Investor und Tochtergesellschaft durchgeführt werden. Der Beitrag von Jasmin Mahadevan, Stefan Weißert und Franziska Müller „From given cross-cultural difference to a new Interculture: A Sino-German example“ beschreibt auf Basis einer deutsch-chinesischen Industrie-Kooperation die Entstehung von Interkultur in organisationalen Zusammenhängen. Die Autoren plädieren in ihrem Beitrag für ein neues Verständnis von Interkulturalität, das sich von der kulturvergleichenden Perspektive – und den durch Kulturdimensionen vorgegebenen Unterschieden – löst zugunsten einer Perspektive emischer Prozesse des kulturellen Sinnmachens. Elias Jammal widmet sich in dem Beitrag „Eros-Face“ dem in der Forschung bisher noch nicht untersuchten arabischen Eros-Face-Konzept. Forschungen zu Face-Konzepten wurde in den letzten Jahren vorwiegend für asiatische Länder betrieben. Mit dem Beitrag eröffnet der Autor daher ein neues Forschungsfeld für die interkulturelle Forschung. 1 © Interculture Journal 2011 | 14 Vorwort der Herausgeber Im abschließenden Beitrag „Über die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion“ beschreibt Anja Scherpinski-Lee zwei indigene koreanische Gefühlsmodi – Shimjung und Jung. Diese werden als Schlüsselkonzepte für das Verständnis koreanischer Interaktionsmechanismen vorgestellt und anhand zahlreicher Beispiele illustriert. Ergänzt wird diese Ausgabe durch drei Rezensionen. Alexandra Stang rezensiert das Buch von Barbara Sterner „Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“ und das Buch von Christine Zapf „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“. Kathrin Best widmet sich dem Sammelband von Katharina Knüttel und Martin Seeliger: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen“. Die Herausgeber bedanken sich an dieser Stelle bei allen Autorinnen und Autoren und freuen sich auf zahlreiche weitere Beiträge für zukünftige Ausgaben des Interculture Journal. Stefanie Rathje (Berlin) und Jürgen Bolten (Jena) im September 2011 © Interculture Journal 2011 | 14 2 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-BondFilmen [Bridging Cultural Gaps? Intercultural Competence and Portrayals of Otherness in James-Bond-Films] Christoph Barmeyer Prof. Dr., Lehrstuhl für Interkulturelle Kommunikation an der Universität Passau Abstract [English] Films communicate views on the world. The James Bond film series, which has been hugely successful and popular for decades, can be seen as a particularly influential medium of conveying world views. Based on the plots taking place in different regions of the earth, the audience is confronted not only with cultural foreignness, but also with the ability of the traveling agent to deal successfully with cultural differences. From an intercultural perspective, the question is nevertheless raised if intercultural competence is in fact communicated here. Based on this concept of intercultural competence, the article undertakes a critical analysis of Bond´s cultural encounters, their cinematic portrayal as well as their implications for the intercultural education of his international audience. Keywords: intercultural competence, James Bond, cinematic portrayal, intercultural education Abstract [Deutsch] Jörg Scheffer Dr., Lehrstuhl für Anthropogeographie an der Universität Passau Filme vermitteln Sichtweisen auf die Welt. Die überaus verbreitete und seit Jahrzehnten erfolgreiche Serie der JamesBond-Filme kann als besonders einflussreiches Medium der Weltbildvermittlung gelten. Aufgrund der Handlungen in verschiedenen Erdregionen wird dem Zuschauer nicht nur kulturelle Fremdheit vorgelebt, sondern auch immer wieder die Fähigkeit eines reisenden Agenten gezeigt, mit kultureller Alterität erfolgreich umzugehen. Aus interkultureller Perspektive stellt sich dabei allerdings Frage, ob dies tatsächlich im Sinne einer interkulturellen Kompetenzvermittlung geschieht. Auf der Grundlage einer Auseinandersetzung mit dem Konzept der interkulturellen Kompetenz analysiert der Beitrag kritisch Bonds Kulturkontakte, ihre filmische Darstellung und ihre Implikationen für die interkulturelle Bildung einer weltweiten Fangemeinde. Stichworte: Kulturrepräsentation, James Bond, Interkulturelle Kompetenz, Fremdheitsvermittlung 1. Einführung Durch interkulturelle Begegnungen in privaten und beruflichen Kontexten handeln immer mehr Menschen interkulturell, sei es bei Auslandsaufenthalten oder innerhalb der eigenen Gesellschaft, die zunehmend multikulturell wird. In interkulturellen Begegnungen treffen Interaktionspartner mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Orientierungssystemen aufeinander (Bolten 2001, Thomas 2004), die nicht selten – durch gegenseitiges Missverstehen – problematisch 3 © Interculture Journal 2011 | 14 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen verlaufen. Die Existenz und Entwicklung interkultureller Kompetenz kann dazu beitragen, eine Verstehensbasis zu schaffen, die dazu beiträgt, dass Interaktionspartner zielführend und friedvoll interagieren und Interkulturalität als bereichernd wahrnehmen (Barmeyer 2000). In der interkulturellen Forschung existieren zahlreiche Definitionen und Modelle Interkultureller Kompetenz (vgl. im Überblick Bolten 2001, Deardorff 2009, Scheitza 2007, Straub 2007, Thomas 2003); selten wird jedoch berücksichtigt, dass sie immer in spezifischen Kontexten durch Akteurkonstellationen in sozialen Interaktionen realisiert wird (Barmeyer 2010, Otten 2007, Scheffer 2007). Diese Realisierung erfolgt normalerweise in realen Kontexten, sie kann jedoch auch in fiktiven Kontexten stattfinden, wie Autoren und Vertreter von Kultur-, Literatur- und Filmwissenschaften belegen, die interkulturelle Wahrnehmungs-, Transfer- Kommunikations- oder Interaktionsprozesse auf medialer Ebene analysieren (Lüsebrink 2008). Beide Kontexte, die mediale Inszenierung und die reale Praxis interkulturellen Handelns, können stark ineinandergreifen: Sind es doch mediale Repräsentationen, die erheblichen Einfluss auf die alltägliche Wahrnehmung fremder Kulturen nehmen. Es werden Bilder von kulturellen Gruppen gezeichnet, die als real angenommen werden und die in persönliche Denk- und Handlungsroutinen Eingang finden können (Hopkins 1994:47). Auch die individuelle Vorstellung, was „interkulturelle Kompetenz“ ausmacht, speist sich aus der als normal und nachahmenswert empfundenen Darstellung in Text und Film. Zuschauer sind für unkritische Übernahme medialer Repräsentationen insbesondere dann anfällig, wenn ein hohes Maß an Identifikation mit den Handelnden oder mit einem einzelnen Protagonisten hergestellt werden kann (Wegener 2008:59ff.). Das Potenzial einer breitenwirksamen Beeinflussung ist nicht zuletzt von der Rezeption des jeweiligen Mediums abhängig. In dem folgenden Beitrag wird eine fiktive Figur untersucht, die Sympathiewerte und Bekanntheit wie kaum eine andere auf sich vereint und als Ikone der Popkultur gilt (Chapman 2007, Rauscher 2007). Es handelt sich um den britischen Geheimagenten James Bond, der auch die Dienstbezeichnung 007 trägt. Dieser stellt nicht nur eine bekannte Figur der Literaturwelt dar (Chapmann 2008, Lindner 2003, Reitz 2009), sondern erreicht vor allem als Held der weltweit erfolgreichsten KinoSerie ein globales Publikum (Cork 2008, Evin 2008, HacheBissette 2007). Mit einem Einspielergebnis von 4,44 Mrd. USDollar liegen die Bond-Filme vor „Star Wars“ (4,23 Mrd.) und „Herr der Ringe“ (2,95 Mrd.).1 Seine Rolle als vermeintlich interkulturell kompetenter Akteur legen die Missionen des © Interculture Journal 2011 | 14 4 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen Geheimagenten 007 nahe: In mehr als bisher 22 offiziellen Filmen der EON-Productions bereist er seit 1962 vier der fünf Kontinente und eine Vielzahl von Ländern. Dabei findet er sich in vielen interkulturellen Situationen wieder, in denen Verständigungsprobleme, Fehlinterpretationen und Schwierigkeiten aufgrund unterschiedlicher Werte und Verhaltensweisen auftreten können. Da 007 jedoch diese Situationen stets erfolgreich meistert, scheint er interkulturelle Kompetenz seinen Zuschauern geradezu vorzuleben.2 Darüber hinaus implizieren die vielfältigen Handlungskontexte an den exotischsten Schauplätzen der Erde eine überaus breite Illustration von kulturellen Unterschieden und Interkulturalität insgesamt. Der Zuschauer, so wäre zu folgern, wird über das Anschauen der 007-Filme in besonderer Weise für die globale kulturelle Vielfalt interessiert und sensibilisiert. Obwohl James Bond seit langem ein beliebtes Untersuchungsobjekt nicht nur bei seinen Fans, sondern auch bei zahlreichen Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen3 darstellt (Gresh / Weinberg 2009), hat sich die Forschung bislang in „klassischen“ und wenig originellen Themen wie Fremdwahrnehmungsmuster und Stereotypen (Hache-Bissette 2007, Rauscher 2007) erschöpft. Weitergehende und komplexere Themen der Interkulturalität, wie interkulturelle Kompetenz, wurden bislang jedoch ausgespart. In diesem Sinne zielt der folgende Beitrag darauf ab, die interkulturelle Kompetenz des Agenten und die filmische Darstellung interkultureller Handlungskontexte kritisch zu beleuchten. Als medial überaus mächtiger Mittler von Kulturunterschieden erhält dieser Aspekt bei 007 Relevanz für die interkulturelle (Un-)Bildung eines Millionenpublikums. Auf der Grundlage einer konzeptionellen Einführung zur interkulturellen Kompetenz, die sowohl drei zentrale Funktionen als auch drei zentrale Komponenten aufführt (Abschnitt 2), folgt die Analyse mit einer kurzen Biographie des Protagonisten, die auf seine interkulturelle Sozialisation verweist (Abschnitt 3.1). Anhand ausgewählter Filmsequenzen, die interkulturelle Begegnungssituationen darstellen, gilt es im folgenden zu prüfen, inwieweit James Bond Eigenschaften interkultureller Kompetenz aufweist (Abschnitt 3.2) und wie kulturelle Fremdheit insgesamt filmisch transportiert wird (Abschnitt 3.3). Die Ergebnisse und Implikationen für die Wahrnehmung der Zuschauer werden schließlich in einem dritten Teil als Fazit zusammengefasst (Abschnitt 4). 5 © Interculture Journal 2011 | 14 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen 2. Zum Begriff der Interkulturellen Kompetenz Ausgehend von angelsächsischer Forschung und Praxis, aus der wesentliche Modelle, Konzepte und Definitionen interkultureller Kompetenz hervorgingen (Deardorff 2009, Dinges / Baldwin 1996), hat sich auch im deutschsprachigen Raum eine Erforschung interkultureller Kompetenz etabliert (Barmeyer 2010, Bolten 2001, Bolten / Rathje 2010, Müller 1993, Rathje 2006, Scheitza 2007, Straub et al. 2007, Thomas 2003). Das Konzept der interkulturellen Kompetenz umfasst Einstellungen, Persönlichkeitsmerkmale, Wissen und Eignungen, die einer Person die Kommunikation oder Interaktion mit Individuen anderer kultureller Umwelten erleichtern soll. Interkulturelle Kompetenz soll dazu beitragen, dass die interkulturell Interagierenden trotz kultureller Unterschiedlichkeit eine subjektive Zufriedenheit empfinden, erfolgreich ihre Ziele erreichen und wechselseitig tragfähige soziale Kontakte eingehen (Brislin / Yoshida 1994): „Interkulturelle Kompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, von Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten und einer Entwicklung hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung.“ (Thomas 2003:143) Interkulturelle Kompetenz kann verschiedene Funktionen aufweisen, von denen drei wesentliche aufgelistet und später anhand der Figur James Bond thematisiert werden: Zielorientierter Pragmatismus: Aus einer handlungsorientierten und zielorientierten Perspektive hilft interkulturelle Kompetenz Kulturkontakte effizient und erfolgreich zu gestalten, um persönliche oder berufliche Ziele zu erreichen. Dies kann die persönliche Zufriedenheit betreffen, aber auch bestimmte Interessen und Vorgaben der Organisationen bzw. des Arbeitgebers, die es gilt durchzusetzen (Thomas 2003). Zielorientierter Pragmatismus kann dazu führen, dass die interkulturelle Beziehung eher asymmetrisch und einseitig geprägt ist bzw. dass die erreichten Ziele eher den Vorstellungen einer Person entsprechen und Reziprozität nicht unbedingt gegeben ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine interkulturelle Beziehung von Machtbeziehungen (wie stark vs. schwach, Mehrheit vs. Minderheit) geprägt ist. Eben dann kann Wissen über andere kulturelle Systeme als Wettbewerbsvorteil genutzt werden kann. Rathje (2006) referiert die Diskussion um die von Thomas (2003) verfassten Überlegungen zu Interkultureller Kompetenz. Demnach führt das „Effizienz“-Kriterium dazu, dass die Definition interkultureller © Interculture Journal 2011 | 14 6 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen Kompetenz das Erreichen der zugrundeliegenden Handlungsziele der gesamten interkulturellen Interaktion schon in sich einschließt. Somit wäre eine Person, die sonst nicht interkulturell kompetent ist, durch das bloße Erreichen des eigenen Zieles interkulturell kompetent. Die Zieldefinition interkultureller Kompetenz sollte deshalb enger gefasst und nicht nur mit dem Gesamterfolg der Interaktion verknüpft sein. Gesellschaftlicher Humanismus: Aus einer gesellschaftlichen Perspektive trägt interkulturelle Kompetenz zur besseren Verständigung von Menschen bei, die unterschiedliche kulturelle Referenzsysteme aufweisen und deshalb Gefahr laufen, Irritationen und Missverständnisse zu erleben (Hall 1981). Verständnis für kulturelle Unterschiedlichkeit ist Voraussetzung für ein wertschätzendes Miteinander und friedvolles und harmonisches Zusammenleben und Zusammenarbeiten, bei dem die Interessenlagen aller Interaktionspartner ausgeglichen respektiert werden (Barmeyer 2010). Insofern wird hiermit das „Effizienz“-Kriterium um die humanistische Dimension erweitert oder gar in den Hintergrund gedrängt. Ein zentraler Begriff ist „Angemessenheit“. Er bezieht sich darauf, dass auf kulturell bedingte Regeln und Erwartungen der anderskulturellen Interaktionspartner Rücksicht genommen und entsprechend gehandelt wird, so dass alle Interaktionspartner Zufriedenheit empfinden. Anders als beim zielorientierten Pragmatismus interkultureller Kompetenz, der von Asymmetrien und Einseitigkeit geprägt ist, steht hier Reziprozität und Gegenseitigkeit im Vordergrund. Diesem Verständnis interkultureller Kompetenz wiederum kann Idealismus vorgeworfen werden, denn viele Personen interagieren nicht auf der Basis völkerverständigender und humanistischer Motive, sondern sind individuell, etwa ökonomisch oder mikropolitisch begründetet (Crozier / Friedberg 1976). Persönliche Weiterentwicklung: Aus einer individuellen Perspektive führen die reflektierten und verarbeiteten interkulturellen Erfahrungen und die Entwicklung interkultureller Kompetenz auch zu einer Persönlichkeitsentwicklung (Rathje 2006). Dies geschieht durch Selbstreflexion, Rollendistanz, Relativierung eigener Grundüberzeugungen und Haltungen. Nicht nur die Beschäftigung mit anderen Kulturen, auch die mit der eigenen Kultur und Identität bewirkt einen Entwicklungsprozess beim Individuum (Bennett 1993). Interkulturelles Lernen ist somit zugleich individuelles Lernen. Wie bei der humanistischen Perspektive kann kritisch hinterfragt werden, inwieweit interkulturelle Interaktion bewusst vom Willen zur Persönlichkeitsentwicklung motiviert wird – etwa durch die Entscheidung für einen Auslandaufenthalt – oder eher Ergebnis und Konsequenz der reflektierten interkultureller Erfahrung ist. 7 © Interculture Journal 2011 | 14 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen Wie lässt sich nun interkulturelle Kompetenz konkretisieren? Eine eingängige und allgemein akzeptierte Strukturierung von Eigenschaften und Fähigkeiten (Komponenten) stammt aus der US-amerikanischen sozialpsychologischen Forschung (Rosenberg / Hovland 1960). Demnach setzt sich Interkulturelle Kompetenz aus emotionalen, kognitiven und verhaltensbezogenen Komponenten zusammen (Bolten 2001a, Landis / Bhagat 1996, Scheitza 2007). Abbildung 1 zeigt eine Übersicht von Komponenten interkultureller Kompetenz. Emotional Einstellungen, Werte, Sensibilität • • • • • • • • • Empathie Offenheit Flexibilität Respekt Rollendistanz Wertfreie Haltung Polyzentrismus Ambiguitätstoleranz Frustrationstoleranz Kognitiv Begriffe, Wissen, Verständnis • • • • Verhaltensbezogen Fähigkeiten, Eignungen, Handeln • Kenntnis der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systeme Kenntnis von Kulturdimensionen und Kulturstandards Fremdsprachenkenntnisse Selbstkenntnis Abb. 1: Schlüsselkomponenten interkultureller 2000, Bolten 2001, Scheitza 2007) Kompetenz • • • • • (Barmeyer Die in tabellarischen Listen abgebildeten Eigenschaften werden in der Forschung verständlicherweise kritisiert (Scheitza 2007, Straub 2007). Hierzu formuliert Thomas (2003b:142): „Oft lesen sich diese Listen wie das Persönlichkeitsprofil des modernen Menschen, mit stark idealisierten, von allen angestrebten, aber von niemand erreichten Leistungsmerkmalen.“ Es stellt sich nun die Frage, ob die fiktive Figur James Bond als Alleswisser, -versteher und -könner gerade diese Leistungsmerkmale in sich vereint und in seinen Missionen in vielen interkulturellen Situationen auf der ganzen Welt zum Einsatz bringt. Anhand einiger Filmausschnitte wird folgend illustriert und diskutiert werden, inwiefern die Figur James Bond den Funktionen und Komponenten interkultureller Kompetenz gerecht wird. 3. Interkulturelle Kompetenz und kulturelle Fremdheit in den James-Bond-Filmen Seit dem Erscheinen des ersten Bond-Films „James Bond jagt Dr. No“ im Jahr 1962 hat die Figur 007 in ihrer 50-jährigen Geschichte mehrfache Neubesetzungen erfahren, wobei ihr jeder Darsteller zweifellos einen eigenen Akzent verliehen hat. © Interculture Journal 2011 | 14 8 Fähigkeit, die kognitiven Kenntnisse anzuwenden Kommunikationsfähigkeit Fähigkeit, Sprachkenntnisse in die Praxis umzusetzen Fähigkeit zur Metakommunikation Flexibles Verhalten Selbstdisziplin Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen Vom rauen und doch charmanten Ur-Bond Sean Connery über den snobistisch-lakonischen Roger Moore bis hin zum zürnenden Daniel Craig manifestieren sich unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale, die eine übergreifende Beurteilung der interkulturellen Kompetenz erschweren. Auch die Darstellung der Handlungskontexte hat sich über die Jahrzehnte gewandelt. In den jüngeren Filmen taucht der Agent immer weniger in fremdkulturelle Kontexte ein. Ein Umstand, der wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass der Reiz fremder Schauplätze den Zuschauer auch oberflächlich fasziniert und kulturelle Exotik durch soziale Exklusivität kompensiert wird (Cappi 2006). Für die Figur 007 lassen sich aufgrund der filmischen Anlehnung an die Romanvorlage nichtsdestoweniger deutliche Konstanten im Umgang mit kultureller Fremdheit aufzeigen. Immer wieder rekurrieren die Filme auf die von Autor Fleming festgelegten Charakteristika, die sich aus einem ebenfalls für alle Bond-Figuren einheitlich vorgegebenen Sozialisationsprozess speisen. 3.1 „Third culture kid“: Sozialisation des Agenten Liegt die Annahme zugrunde, dass sich die kulturelle Prägung eines Menschen im Rahmen von Enkulturations- und Sozialisationsprozessen vollzieht (Hofstede 2001, Thomas 2003), die in bestimmten institutionell und kulturell geprägten Kontexten stattfinden, so sollte auch die Figur James Bond diesbezüglich untersucht werden. Die kulturelle Prägung führt zum Aufbau eines oder mehrerer kultureller Orientierungssysteme. Auch kann in der Phase Enkulturation die Entwicklung interkultureller Kompetenz stattfinden; vorausgesetzt ein Individuum ist geographisch (Sozialisation in verschiedenen Ländern) oder sozial (Erziehung durch Elternteile, die aus unterschiedlichen Ländern stammen, Besuch von Schulen in unterschiedlichen Ländern oder in multikulturellen Kontexten) verschiedenkulturellen Einflüssen und damit interkulturellen Lernprozessen ausgesetzt. Auch wenn klar ist, dass James Bond eine fiktive Romanbzw. Filmfigur ist, dient ihre Biographie zur Analyse und Argumentation der Thematik dieses Beitrags und versucht gleichzeitig der fiktiven Figur eine „realistische“ Grundlage zu verleihen. Passagen aus Filmen, insbesondere dem 1964 erschienen Roman „You only live twice“ und der Sekundärliteratur (Cork 2008, Eco 1966, Habsburg-Lothringen 2008, Pearson 1973) geben Informationen über James Bonds Biographie, liefern jedoch teils unterschiedliche oder gar widersprüchliche Angaben zu seiner Person. 9 © Interculture Journal 2011 | 14 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen James Bond wächst in eine bikulturelle Familie hinein: Er ist der Sohn von Monique Delacroix Bond, einer FrancoSchweizerin, und Andrew Bond, einem schottischen Ingenieur. Er kommt am 11. November 1920 – genau zwei Jahre nach dem Waffenstillstand des 1. Weltkriegs – in Wattenscheid (!), Deutschland, zur Welt. Die für die kulturelle Prägung wichtigsten Jahre verbringt James Bond bis zum seinem elften Lebensjahr in Deutschland und der Schweiz (Tornabuoni 1966). Generell lebt der Jugendliche Bond in verschiedenen Ländern (England, Österreich, Schweiz) und entwickelt sich, auch aufgrund der Herkunft seiner Eltern, mehrsprachig und in einem multi-kulturellen Umfeld. In den Publikationen zu James Bond wird nachgewiesen, dass die Figur James Bonds viele autobiographische Elemente seines Schöpfers Ian Fleming trägt (Chancellor 2005, Lycett 2009). „Die [von Fleming] geschaffene Figur James Bond trägt so viele Züge seines Schöpfers, dass man von einem idealisierten Alter Ego reden muss [...]“ (Marti / Wälty 2008:40).4 James Bond besucht wie Ian Fleming mit 12 Jahren das Elite-Internat „Eton College“ in England. Er wird allerdings schon nach einem Jahr wegen disziplinarischer Vergehen der Schule verwiesen. Daraufhin wird Bond auf „Fettes“, ein Elite-Internat in Edinburgh, geschickt. Im Alter von 17 Jahren verlässt er dieses und ist von da an bis zu seinem Eintritt in den MI6 mit 30 Jahren im MarineNachrichtendienst tätig (Tornabuoni 1966). Während dieser Zeit geht Bond auch seiner Leidenschaft für Fremdsprachen mit einem Sprachen-Studium in Cambridge nach, wie aus dem Film „You only live twice“ zu entnehmen ist. Aus der Biographie James Bonds lassen sich Entwicklungsansätze interkultureller Kompetenz erkennen, da er sich bereits in seiner Kindheit an verschiedene Lebenswelten anpassen muss, mit vielen Kulturen in Kontakt tritt und so verschiedene kulturelle Orientierungssysteme entwickelt. Durch die unterschiedlichen Nationalitäten seiner Eltern und seine häufig wechselnden Wohnorte (Deutschland, Schweiz und England) sammelt er Sensibilität für und Erfahrungen mit kulturellen Unterschieden und lernt, sich anderskulturellen Interaktionspartnern anzupassen. Während seiner Jugend erwirbt er nicht nur „kulturelles Kapital“ und einen bestimmten weltgewandten und selbstsicheren Habitus (Bourdieu 1982, Tornabuoni 1966) in elitären Bildungsstätten, er erlernt auch neben den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch, die er von seinen Eltern vermittelt bekommen hat, weitere wie Japanisch und Russisch. Auch verfügt er über Grundkenntnisse in Dä5 nisch, Spanisch, Afghanisch und Arabisch. Anhand der Biographie der Figur von James Bond wird deutlich, dass diese im Rahmen ihrer Sozialisation von verschiedenkulturellen Ein- © Interculture Journal 2011 | 14 10 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen flüssen geprägt wurde und eigentlich die geeigneten Voraussetzungen für einen Träger interkultureller Kompetenz mit sich bringt. Die Forschung bezeichnet die so herangewachsenen Menschen als „Third culture kids“ (Pollock et al. 2007). Sie werden so bezeichnet, „weil in der Symbiose zweier Kulturen eine neue, und ganz eigene Mischung entsteht (Mahadevan 2010:28). Ihre Stärke ist es, zum einen den Herausforderungen des Lebens durch den Rückgriff auf verschiedene kulturelle Orientierungssysteme zu begegnen und zum anderen sich in unterschiedliche Lebenswelten hineinversetzen zu können. Third culture kids interagieren somit sehr flexibel, anpassungsfähig, tolerant, sicher, offen und integrativ in unterschiedlichsten Handlungskontexten. James Bond konnte somit interkulturelle Kompetenz entwickeln, die ihm in vielen verschiedenen Situationen des internationalen Agentenlebens dienlich sind und ihn – auch in schwierigen Situationen – handlungsfähig und zielsicher erscheinen lassen. Gleichzeitig weist er jedoch eine starke Verbundenheit und einen ausgeprägten Patriotismus zu England (Green 2002, Roberts 2006) und individualistische, zielorientierte westliche Verhaltensweisen auf. Der folgende Abschnitt soll sich anhand von Filmszenen mit dieser These auseinandersetzen. 3.2 Global im Einsatz: Interkulturelle Interaktionen und Kompetenzen in der Analyse James-Bond-Filme folgen stets einem ähnlichen Handlungsmuster: Nach der Vergabe eines neuen Auftrags in der Londoner Zentrale des Britischen Geheimdienstes beginnt die Mission an einem Einsatzort im Ausland. Hier trifft Bond meist zunächst auf einen befreundeten Kontaktmann, der ihn mit ersten Informationen vor Ort versorgt. Über mehrere Stationen an unterschiedlichen exklusiven und exotischen Schauplätzen rückt Bond seinem Gegner näher, der schließlich in einem großen Showdown in seinem Versteck zur Strecke gebracht wird. Allein mit dem Bond-Girl, das zwischenzeitlich in die Fänge des Bösen geraten ist, bleibt Bond nach erfüllter Mission an einem romantischen Ort zurück (Eco 1966). Entsprechend dieses Ablaufs konzentrieren sich die interkulturellen Begegnungen Bonds auf den großen Mittelteil der Filme, der einführend immer die Interaktion mit dem Kontaktmann in einem neuen, fremden Regionalkontext zum Inhalt hat. Zur Analyse der interkulturellen Kompetenz von 007, und in Orientierung an den oben herausgestellten Schlüsselkomponenten, bieten sich speziell jene Kulturkontexte an, die sich 11 © Interculture Journal 2011 | 14 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen von Bonds (west)europäischen Sozialisations- und Enkulturationskontext deutlich unterscheiden. Entsprechende Szenen aus Ägypten (Der Spion, der mich liebte, 1977), Japan (Man lebt nur zweimal, 1967), Türkei (Liebesgrüße aus Moskau, 1963) und Afghanistan (Der Hauch des Todes 1986) sollen im Folgenden exemplarisch herausgegriffen werden. In „Der Spion, der mich liebte“ spielt eine längere Szene in der ägyptischen Wüste, wo 007 einen Kontaktmann erstmals trifft. Den äußeren Umständen angepasst, sieht man den Agenten in einem landestypischen Gewand auf einem Kamel durch die Wüste reiten, bis er ein Beduinenzelt erreicht. Beim Absatteln übergibt er das Kamel mit der Selbstverständlichkeit eines Einheimischen in die Hand einiger Bediensteter, wobei größte Vertrautheit mit den vorherrschenden Konventionen und der Rangordnung demonstriert wird. Selbstsicher wechselt der Agent einige Worte auf Arabisch. Seinen Kontaktmann begrüßt er formvollendet in einem ausgedehnten Begrüßungsritual und die Gastfreundschaft wird dankbar gewürdigt. Schließlich nimmt Bond den zugewiesenen Platz zu Füßen des Gastgebers auf dem Boden ein, natürlich akzeptierend, während sein Kontaktmann erhöht auf Kissen liegt. Liest man diese Verhaltensmuster vor dem Hintergrund arabischer Höflichkeitskonventionen (vgl. dazu Jammal / Schwegler 2007:142 und 160ff.), so kann Bond hier zweifellos eine erhebliche Fähigkeit zur kulturellen Anpassung nachgewiesen werden. Tatsächlich kommt es im Film auch zu keinem Zeitpunkt zu Irritationen oder Missstimmungen zwischen den Interaktionspartnern, der Agent versteht es vielmehr im Sinne der eingangs aufgeführten Kriterien eine subjektive Zufriedenheit bei seinem Gegenüber herzustellen. Allerdings schlägt Bond im Folgenden das Angebot landestypischer Speisen und Getränke – immerhin in arabischer Sprache – aus, um stattdessen geradeheraus auf sein Anliegen zu sprechen zu kommen. Eine solche Zielstrebigkeit und Sachorientierung würde Bond in der arabischen Welt sicher als unangemessen angekreidet werden, kommt doch dem Beziehungsaspekt eine überragende Bedeutung zu, der mit dem ausführlichen Begrüßungsritual allein erst im Ansatz Rechnung getragen wurde (vgl. dazu Bouchara 2002:75f.). Immerhin entpuppt sich der Kontaktmann fortan als alter Studienkollege, was dem Agenten im weiteren Verlauf einen neuen Rahmen für angemessenes und zugleich effizientes Handeln beschert. Die kulturangepassten Rituale weichen nun einem entspannten Gespräch alter Vertrauter mit einem teils gemeinsamen Sozialisationshintergrund. Letztlich kommt es in keiner Szene zu kulturbedingten Missverständnissen, vielmehr besticht Bond auch auf der kognitiven Ebene im Gesprächsverlauf durch erhebliche Kenntnisse © Interculture Journal 2011 | 14 12 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen über die regionalen Gegebenheiten. Zum Ende der Szene bietet ihm sein Gastgeber an, die Nacht im Zelt zu verbringen, was Bond kultursensibel – und in Anbetracht der anwesenden Frauen – bereitwillig annimmt. Ähnlich lassen sich für Bond auch in anderen Begrüßungsszenen, etwa in der Türkei (Liebesgrüße aus Moskau), interkulturelle Schlüsselkomponenten herausarbeiten. Dass der Agent selbst in Japan mit fremdkulturellen Kontakten keine Probleme hat, zeigt der Film „Man lebt nur zweimal“. Bond scheint auch hier stets zu wissen, dass in einer Hoch-Kontext-Kultur (Hall 1990) der erfolgreiche Informationsaustausch von Vertrauen und der Errichtung eines gemeinsamen Rahmensystems abhängt, welches durch Rituale und geteilte Erfahrungen aufgebaut werden muss (vgl. auch Moosmüller 1997). Entsprechend umsichtig geht der Agent vor: In einem unterirdischen Privatzug trifft Bond auf den Kontaktmann „Tiger“, den Chef des japanischen Geheimdienstes. Schon beim Eintreten in den Zug spricht Bond dem japanischen Kollegen höchste Anerkennung in Bezug auf die japanische Technologie aus. Auch die Mitarbeiterin wird im folgenden Gespräch mit Komplimenten bedacht. Bonds Bereitschaft, sich auf die Fremdkultur einzulassen, kommt nicht zuletzt in der Wahl der angebotenen Getränke zum Ausdruck. Nicht das obligatorische Stammgetränk Wodka Martini wird präferiert, sondern der japanische Sake, für den er sich selbstverständlich auf Japanisch bedankt. Anschließend brilliert Bond mit seinem Wissen über die japanische Trinkkultur, indem er auch die genaue Temperatur des Reisweins kennt. Im späteren Verlauf des Filmes nehmen beide ein gemeinsames Bad, wobei 007 wiederum seine Flexibilität und Kenntnisse über das japanische Reinigungsritual unter Beweis stellt. Dieses Anpassungsvermögen auf der Grundlage eines fundierten Wissens über die fremde Kultur führt Bond letztlich zu einem engen Verhältnis zu Tiger. Die Effizienz seines Handelns zeigt sich im weiteren Verlauf des Films, da der intensive Kontakt zu Tiger entscheidend für den Erfolg der gesamten Mission ist. Dass sein Kulturinteresse dabei eher von strategischen Erwägungen und weniger einer tatsächlichen Neugier am kulturell Fremden geleitet wird, muss indes unterstellt werden. In „Liebesgrüße aus Moskau“ besucht Bond zusammen mit seinem Kontaktmann Kerim Bey ein Zigeunerlager und dort eine mit Bey befreundete Familie. Gleich zu Beginn wird Bonds Ambiguitätstoleranz herausgefordert, da zwei Mädchen, die den gleichen Mann lieben, um Leben und Tod gegeneinander kämpfen sollen. Die stammesinterne Angelegenheit verbietet jede Einmischung von Außen, was Bond ohne sichtbare Irritation zur Kenntnis nimmt. Gelassen beo- 13 © Interculture Journal 2011 | 14 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen bachtet er die ihm fremde Art der Konfliktlösung und enthält sich seiner persönlichen Meinung. Seine Rolle verändert sich erst, als er sich bei einem zwischenzeitlichen Überfall auf das Lager als Verteidiger profilieren kann und von dem Familienoberhaupt daraufhin als „Sohn“ bezeichnet wird. Als Teil der „Familie“ äußert Bond nun im kleinen Kreise seinen Wunsch den Kampf zu beenden. Mit dem ironischen Tadel, dass Bond für einen echten Zigeuner ein zu weiches Herz habe, wird dem Wunsch schließlich stattgegeben. Zweifellos lassen sich in den Filmen auch Situationen finden, die Bonds interkulturelle Kompetenzen relativieren – speziell wenn der Agent unter hohem Druck steht und der fremdkulturelle Kontakt nicht über die Londoner Zentrale angebahnt wird. In einer Szene aus „Der Hauch des Todes“ werden Bond und sein Bondgirl von einem Anführer der Mujaheddin, Kamran Shah, in ein Lager in Afghanistan gebracht. Der angebotene Tee wird verhalten angenommen, Bond zeigt Ungeduld und ausschließliche Sachorientierung im Auftrag ihrer Majestät. Die Forderungen, die er als Fremder an die Mujaheddin unvermittelt stellt, finden entsprechend wenig Gehör. Als Bond bereits drängend auf Kamran Shah zugeht, muss er durch einen Leibwächter zurückgehalten werden. Bonds angespannte Körperhaltung und sein direkter Blick lassen jegliche Verhaltensnormen des fremdkulturellen Kontexts außer Acht. So ist es hier interessanterweise letztlich der interkulturellen Kompetenz von Kamran Shah zu verdanken, dass die Mission durch Bonds Fehlverhalten nicht gefährdet wird. Mehrere Filme enthalten zudem Tabubrüche, die entweder unmittelbar mit dem Erreichen eines wichtigen, höheren Ziels des Agenten begründet werden oder einfach zum Amüsement der Zuschauer in die Handlung eingeflochten sind. So entleiht sich 007 in Indien das Arbeitsgerät eines Schwertschluckers zur Verteidigung (Octopussy), macht sich in der Karibik über den Voodoo-Zauber lustig (Leben und Sterben lassen) oder streckt in einer Kampfschule in Hongkong seinen Partner bereits während des Verbeugungsrituals nieder, um sich dann anschließend zu verneigen (Der Mann mit dem golden Colt). Das Liebesspiel in einem buddhistischen Tempel (Stirb an einem anderen Tag) hat nicht zuletzt auch bei den südkoreanischen Kinogängern erhebliche Proteste hervorgerufen. Daneben lassen sich Szenen mangelnden Respekts gegenüber Mensch und Kulturgütern identifizieren, die der actiongeleiteten Handlung – meist vor reizvollen Kulissen – geschuldet sind. Dabei kann es auch zur teilweisen Zerstörung von Stadtzentren etwa in Saigon (Der Morgen stirbt nie), St. Petersburg (Goldeneye) oder gar einer ausländischen Botschaft (Casino Royale) kommen. © Interculture Journal 2011 | 14 14 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen Betrachtet man die Serie aber insgesamt und legt den Fokus insbesondere auf die persönlichen Interaktionen, so treten die nachweisbaren Kompetenzmängel des Agenten deutlich hinter jene Sequenzen zurück, die Bonds Geschick, interkulturell kompetent zu agieren, klar herausstellen. 3.3 Die Vermittlung von Kulturinformationen: Die filmische Repräsentation des Fremden Geht es um die filmische Vermittlung interkultureller Kompetenz, so erscheint eine Analyse der Kompetenzen der Leitfigur allein unzureichend. Deren Handlungen offenbaren zwar einen – in Teilen vorbildhaften – Umgang mit Fremdheit, sind aber zugleich in filmisch konstruierte Kontexte eingebunden, die es Bond möglicherweise besonders leicht machen, interkulturell kompetent zu erscheinen. Akzeptiert man aus der fiktiven Welt des Filmes Hinweise auf interkulturelle Kompetenzen für die Praxis im Realen, so erfordert auch der Umgang mit den jeweils zugrunde liegenden kulturellen Kontexten eine Prüfung, inwieweit diese generell mit den Gegebenheiten der realen Welt in Einklang zu bringen sind. Entsprechend gilt es, auf einer zweiten Analyseebene nach der Darstellung dieser fremdkulturellen Kontexte zu fragen, inwieweit sich die Figur wirklich in fremden, interkulturell herausfordernden Kulturen bewegt und wie diese dem Zuschauer filmisch vermittelt werden? Obwohl ein Großteil der Filme an den unterschiedlichsten Schauplätzen spielt, bekommt der Zuschauer nur einen sehr engen Ausschnitt des dortigen Alltags zu sehen. Traditionell bewegt sich Bond an diesen Orten auf sehr exklusive Weise: Er reist luxuriös in teuren Autos oder in Hubschraubern und Flugzeugen, diniert in vornehmen Restaurants, besucht das obligatorische Casino und nächtigt in der westlichen Sphäre des teuersten Hotels der Stadt. In dieser Welt zeigt sich kulturelle Fremdheit auf oberflächliche Weise. Sie lässt sich festmachen an der Optik des Umfeldes, fordert Bond aber nicht – und auch nicht den Zuschauer – durch grundsätzlich andere Denk- und Handlungsweisen heraus. Nur selten gestatten die Sequenzen einen schmalen Einblick in andere Lebenswirklichkeiten. In „Leben und Sterben lassen“ wird 007 mit der Bevölkerung Harlems und der einer Karibikinsel konfrontiert: In „Die Welt ist nicht genug“ oder „Ein Quantum Trost“ kommen protestierende Bevölkerungsgruppen ins Bild, die unabhängig von ihrer Repräsentation zumindest darauf aufmerksam machen, dass es auch diese Wirklichkeit gibt. Ansonsten erschöpft sich Darstellung kultureller Fremdheit häufig in Stereotypen, die das bei den Zuschauern verbreitete Fremdbild aufgreifen und reproduzieren (vgl. dazu auch Escher 2006). Die oben erwähnte Begrüßungsszene aus „Der 15 © Interculture Journal 2011 | 14 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen Spion, der mich liebte“ in einem Zelt in Ägypten steht auch hierfür Beispiel: Neben den zuvor gezeigten Elementen Pyramiden, Wüste und Kamel wird der Betrachter nun mit einer Welt aus „Tausendundeiner Nacht” konfrontiert. Im Vordergrund sieht man einen großen Obstkorb, überall liegen oder hängen Teppiche und es räkeln sich einige leicht bekleidete Frauen am Boden. Auch die anderen Requisiten lassen sich für das westliche Publikum sehr schnell mit Exotik „des Orients“ assoziieren. Ähnlich stellt der Film „Octopussy“ das Land Indien mit einem Anflug Bonds auf das Taj Mahal in Agra vor, lässt ihn wenige Sekunden später den Ganges entlang nach Varanasi im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh fahren, wo in farbige Gewänder gehüllte Hindus gerade ihr religiöses Bad nehmen. Die Szene spielt gleich darauf schließlich in Udaipur im Bundesstaat Rajasthan weiter, um dort die bekannten Paläste exotisch in Szene zu setzen. Bonds Weg durch die Stadt zeigt durchaus unterschiedliche Bevölkerungsteile, ist jedoch wiederum durchsetzt mit den Klischees gängiger Reiseführer. Zu einem Fakir und Schlangenbeschwörer treten kurz darauf noch der indische Tiger, Elefanten und exotische Frauen ins Licht und vervollständigen das Erwartete im allgemeinen Assoziationsnetz. Die Praxis, durch architektonische Wahrzeichen, der Reproduktion bekannter Bilder und der Kollage von Symbolen eine Örtlichkeit herzustellen, lässt sich in nahezu jedem 007-Film wiederfinden. Die Repräsentation des Fremden reduziert sich damit letztlich auf das Vertraute. Zugespitzt formuliert: Das Fremde wird durch das Bekannte ersetzt. Für die Sensibilisierung kultureller Unterschiede und die exemplarische Demonstration interkultureller Kompetenzen bleiben derartige Ausschnitte wenig erhellend. Kritisch ließe sich vielmehr einwenden, dass die scheinbare Realitätsnähe der James-Bond-Filme eine Kulturwirklichkeit suggeriert, in der interkulturelle Missverständnisse weniger relevant werden. Auch wenn man nicht über die emotionalen, kognitiven und verhaltensbezogenen Schlüsselkomponenten eines Agenten verfügt, scheinen sich in einer Welt, die faktisch den globalen Tourismusdestinationen oder exklusiven Wohlstandsräumen entspricht, fremdkulturelle Kontakte stets reibungslos zu gestalten. In dieser Sicht stellen die gezeigten Handlungskontexte letztlich die Notwendigkeit einer Aneignung jener interkulturellen Kompetenzen in Frage, die über die Person James Bond vordergründig vermittelt werden. © Interculture Journal 2011 | 14 16 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen 4. Fazit Die Antwort auf die Frage, inwieweit James Bond interkulturell kompetent ist und die James-Bond-Filme demzufolge interkulturelle Kompetenz exemplarisch vermitteln, muss angesichts der aufgezeigten Diskrepanzen zwischen den Handlungen und den repräsentierten Handlungskontexten ambivalent ausfallen. Unter Berücksichtigung der einen von drei genannten Funktionen interkultureller Kompetenz, des zielorientierten Pragmatismus, die besonderen Wert auf Zielerreichung legt, ist James Bond grundsätzlich eine gewisse interkulturelle Kompetenz zuzusprechen. In den meisten Situationen handelt 007 effizient und zielorientiert. Damit geht aber auch einher, dass er seinen anderskulturellen Interaktionspartnern nicht mehr als das notwendige Maß an Interesse und Entgegenkommen erweist. Streng genommen profitiert nur Bond, beziehungsweise die „Auftragserfüllung“ im Namen der Queen (und England), von seiner interkulturellen Kompetenz. Es handelt sich also meist um asymmetrische Konstellationen, bei denen Bond eine dominante und beherrschende Rolle einnimmt. Die Interessen und Bedürfnisse der anderskulturellen Interaktionspartner werden nicht entsprechend berücksichtigt, wie es die zweifelhafte Aufrichtigkeit hinter seiner Empathie und seinem Interesse vermuten lässt. Insofern werden weder die Funktion des gesellschaftlichen Humanismus noch die der individuellen Weiterentwicklung berücksichtigt. Bezüglich der geforderten Eigenschaften und Fähigkeiten (Komponenten) interkultureller Kompetenz weist 007 den Großteil der vor allem kognitiven – wie Kenntnis der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und Systeme, Fremdsprachenkenntnisse, Selbstkenntnis – und verhaltensbezogenen Komponenten – wie Fähigkeit, Kenntnisse und Fremdsprachen anzuwenden, Kommunikationsfähigkeit, Flexibles Verhalten, Selbstdisziplin – auf und findet in den meisten Situationen das Maß zwischen Effektivität und Angemessenheit. Lediglich bei den zentralen, von sozialer Kompetenz geprägten, persönlichen emotionalen Komponenten fällt Bond zurück: Eigenschaften wie Ambiguitätstoleranz, Frustrationstoleranz, Flexibilität und eine gewissen Rollendistanz sind ihm sicherlich zuzuschreiben, nicht jedoch Empathie, Offenheit, wertfreie Haltung oder gar Polyzentrismus (vgl. Abb. 2). 17 © Interculture Journal 2011 | 14 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen Emotional Einstellungen, Werte, Sensibilität • • • • • • • • • Empathie Offenheit Flexibilität + Respekt Rollendistanz O Wertfreie Haltung Polyzentrismus Ambiguitätstoleranz + Frustrationstoleranz + Kognitiv Begriffe, Wissen, Verständnis • • • • Kenntnis der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systeme + Kenntnis von Kulturdimensionen und Kulturstandards O Fremdsprachenkenntnisse + Selbstkenntnis O Verhaltensbezogen Fähigkeiten, Eignungen, Handeln • • • • • • Abb. 2: Schlüsselkomponenten interkultureller Kompetenz bei James Bond (Legende: + = ausgeprägt, O = neutral, - = schwach ausgeprägt) Wenn die James-Bond-Reihe damit unterm Strich einen Protagonisten beschreibt, der seiner Vorbildfunktion zumindest in Teilen gerecht wird, relativiert sich die interkulturelle Bedeutung der Filme insgesamt durch einseitige Fremdheitsrepräsentationen. Der Zuschauer bekommt interkulturelle Kompetenz auf der Grundlage oberflächlicher Fremdheitskonstrukte vorgelebt, wobei ihm die tieferliegenden Differenzen zwischen Kollektiven hinter den exklusiven Bildern des Filmes stets vorenthalten bleiben. Vergegenwärtigt man sich die Wirkmacht filmischer Darstellungen in ihrem Einfluss auf das individuelle Weltbild (Aitken / Dixon 2006, Lukinbeal 2004) und die globale Verbreitung der James-Bond-Filme im Besonderen, von denen die Hälfte der Weltbevölkerung nach Schätzungen mindestens einen kennen soll (Chapman 2007:13), so unterstützen die Filme interkulturelle Bildung nur sehr bedingt: Sie wecken zwar Neugier auf die Exotik der Fremde, dies jedoch um den Preis einer radikalen Ausblendung und Entproblematisierung jener Interaktionssituationen, die den globalen Alltag unser Zeit tatsächlich bestimmen. Auf dieser schiefen Grundlage können Eigenschaften wie Empathie, Wertfreiheit, Offenheit oder spezifisches Kulturwissen kaum transportiert und interkulturelle Kompetenzen letztlich schwer angebahnt werden. Gegenwärtig und wohl auch zukünftig scheinen sowohl die Vermittlung von fremdkulturellen Kontexten als auch die Demonstrationen interkulturell kompetenten Verhaltens in der Serie noch stärker in den Hintergrund zu treten. Während im erwähnten Film „Man lebt nur zweimal“ noch Ian Flemings Sympathie und Faszination für die Kultur Japans durchscheint (Lycett 2009), in der Bond respektvoll und sensibel agiert, werden in den folgenden Filmen sowohl Kulturrepräsentationen oberflächlicher als auch interkulturelle Be- © Interculture Journal 2011 | 14 18 Fähigkeit, die kognitiven Kenntnisse anzuwenden + Kommunikationsfähigkeit + Fähigkeit, Sprachkenntnisse in die Praxis umzusetzen + Fähigkeit zur Metakommunikation O Flexibles Verhalten O Selbstdisziplin + Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen gegnungen seltener. Die Filme mit Pierce Brosnan und schließlich mit Daniel Craig eignen sich mangels fremdkultureller Darstellungen kaum noch für die Analyse interkultureller Begegnungen. Kann sich die Serie ansonsten rühmen, aktuelle Fragen unserer Zeit oft sehr realitätsnah und weitblickend aufzugreifen, so will die verkürzte und zuletzt gänzlich vernachlässigte Beschäftigung mit kultureller Alterität gar nicht ins Bild passen. Zählt doch die Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden einer global interagierenden Weltgesellschaft zu den zentralen Fragen der Gegenwart. Insofern ist zu hoffen, dass die Filmfigur James Bond der Zukunft wieder interkulturell kompetenter begegnet und die Kulturrepräsentationen selbst eine adäquatere und intensivere Darstellung erfahren. Dies würde die Serie nicht nur von den anderen ActionheldenVerfilmungen der Moderne unterscheiden, sondern würde sie auch aus interkultureller Perspektive im Jetzt verorten und nicht in der Vergangenheit eines post-kolonialen Englands verstauben lassen. Literatur Aitken, S. / Dixon, D. (2006): Imagining geographies of film. Erdkunde 60(4), S. 326-336. Barmeyer, C. 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The cultural politics of 007“, Indiana University of Bloomington, USA; 2006: „Warten auf Bond“ Universität Bochum und Dortmund; © Interculture Journal 2011 | 14 22 Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen 2007: „James Bond (2)007. Histoire culturelle et enjeux esthétiques d‘une saga populaire“, Université Nanterre et Versailles Paris, Bibliothèque Nationale de France; 2009: „The Cultures of James Bond“, Universität des Saarlandes. 4 Allerdings wird Ian Flemings Verlobte Monique Panchaud de Bottens in den Romanen zu James Bonds Mutter. 5 „Man lebt nur zweimal“, „GoldenEye“, „Der Morgen stirbt nie“, „Octopussy“, „Der Hauch des Todes“, „Der Spion, der mich liebte“. 23 © Interculture Journal 2011 | 14 © Interculture Journal 2011 | 14 24 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz [The Organizing Function of Competence – Layout of a Two-Level-Model of Intercultural Competence] B. Alexander Dauner Dipl.-Päd., wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Duisburg-Essen Abstract [English] In this paper a two-level-model of intercultural competence is developed in order to offer a basis for describing and explaining interculturally competent behaviour. Cognitive, affective and behavioural resources (knowledge, attitudes, skills etc.) constitute the first level of this model of competence. However, in this paper the claim is made that competence cannot only be explained by these components, but that processes are involved which organize and control how these components are applied, how they interact and how they are further developed. These processes constitute the second level of the model. On the basis of this model, a concept of intercultural competence is proposed, assuming that intercultural encounters are determined by both an essentialist and a constructivistprocedural understanding of culture. Keywords: intercultural competence, cross-cultural competence, competence research, culture Abstract [Deutsch] Um interkulturell kompetentes Handeln beschreiben und erklären zu können, entwickelt der Autor ein Zwei-EbenenModell interkultureller Kompetenz. Die erste Ebene des Kompetenzmodells bilden kognitive, affektive und verhaltensbezogene Ressourcen (Wissen, Einstellungen, Fähigkeiten etc.). Es wird argumentiert, dass sich Kompetenz aber nicht allein über diese Komponenten fassen lässt, sondern auf Prozesse zurückgegriffen werden muss, die die Anwendung, das Zusammenwirken und die Weiterentwicklung dieser Komponenten steuern und kontrollieren. Die Prozesse bilden die zweite Ebene des Modells, eine Meta-Ebene. Auf Grundlage dieses Modells wird weiterhin ausgeführt, was unter interkultureller Kompetenz verstanden werden kann, wenn man davon ausgeht, dass interkulturelle Begegnungssituationen sowohl durch essentialistische als auch durch konstruktivistisch-prozessuale Kultur-Verständnisse der Handelnden bestimmt werden. Stichworte: Interkulturelle Kompetenz, Kompetenzforschung, Kulturbegriff 25 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz 1. Einleitung Betrachtet man das Handeln von Personen in (inter)kulturellen Situationen, dann zeigt sich, dass - zunächst einmal ganz allgemein formuliert - manche Menschen in und mit diesen Situationen besser zurecht kommen als andere. Was also befähigt diese Menschen dazu, in interkulturellen Situationen erfolgreich und angemessen zu handeln? Das ist die zentrale Frage, der die Forschung zur interkulturellen Kompetenz nachgeht. Interkulturelle Kompetenz-Forschung möchte ergründen, was eine interkulturell kompetente Person weiß, was sie kann, welche Einstellungen und Motivationen sie an den Tag legt. Mittlerweile liegen zahlreiche Modelle, Theorien und empirische Befunde vor, die Antworten auf diese Fragen liefern (Überblicke finden sich z.B. bei Bolten 2007, Scheitza 2007, Spitzberg und Changnon 2009). Weit fortgeschritten ist beispielsweise die Forschung zur Rolle, die die Intercultural Sensitivity (Bennett 2004, Hammer 2008) als eine Komponente interkultureller Kompetenz, in interkulturellen Begegnungen spielt (u.a. Altshuler et al. 2003, Medina-López-Portillo 2004, Jackson 2008). Ein Aspekt, der bisher vergleichsweise wenig Beachtung gefunden hat, ist die Betrachtung des Konstrukts „Kompetenz“ (Straub 2007). An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag an. Zunächst soll der Blick auf die Konstruktionsweisen von Kompetenz mit ihren Konsequenzen für die Erklärung des Phänomens „Interkulturelle Kompetenz“ gelenkt werden. Im Anschluss daran wird ein Modell interkultureller Kompetenz entworfen, mit dem es möglich ist, weitere Aspekte einzubeziehen, um so zur Aufklärung der Funktionsweise interkultureller Kompetenz beizutragen. 2. Kompetenz - Sammelbegriff oder organisierende Funktion? Wick (2009:25) verweist in Bezug auf Kompetenz im Allgemeinen auf einen Aspekt, der auch für die Diskussion interkultureller Kompetenz relevant ist. Betrachtet wird dabei die Art und Weise, wie Kompetenz konstruiert wird; gefragt wird danach, ob es sich um einen Sammelbegriff handelt, mit dem Kompetenz-Komponenten zusammengefasst werden oder ob Kompetenz eine eigenständige Funktion besitzt und somit ein von anderen Konstrukten, wie z.B. Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen, unterscheidbares Konstrukt darstellt. © Interculture Journal 2011 | 14 26 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz 2.1 Kompetenz als Sammelbegriff In Ansätzen, die der ersten Gruppe zugeordnet werden können, wird Kompetenz verstanden als ein „Sammelbegriff für die (Ausprägungen der) Motive, Eigenschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse, Selbstkonzepte, Einstellungen und Werte, die die Effektivität einer Person mit der Umwelt bestimmen [...]“ (Wick 2009:25). Die Kompetenz eines Individuums entspricht der Summe dieser Komponenten und ihrer jeweiligen Ausprägungsgrade. Kompetenz steigt also (quasi automatisch) mit der Zunahme an Wissen, Fähigkeiten / Fertigkeiten, dem Aufbau adäquater Einstellungen etc.; Inkompetenz lässt sich zurückführen auf ein Fehlen oder eine mangelhafte Ausprägung einer oder mehrerer Teilkompetenzen. Das ist ein Konzept des Konstrukts Kompetenz, das auch in Bezug auf interkulturelle Kompetenz gängig ist. Bolten (2007) verweist beispielhaft auf die Ansätze von Brislin (1981) und Ruben (1976) und konstatiert, dass in solchen Modellen interkulturelle Kompetenz „additiv als Summe verschiedener Teilkompetenzen“ (Bolten 2007:22) verstanden wird. Ausschlaggebend für die Klassifizierung eines Kompetenzansatzes als Sammelbegriff ist, ob ein summatives Verständnis von Kompetenz vorliegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Komponenten (unsortiert) in Form von Listen präsentiert werden oder ob eine Strukturierung der Komponenten stattfindet. Häufig anzutreffen ist eine Systematisierung der Elemente - mit unterschiedlichem Zuschnitt der Kategorien und variierender Terminologie - in kognitive / wissensbezogene, affektive / motivationale und verhaltensbezogene Bestandteile (für Überblicke zu Listen- bzw. Strukturmodellen interkultureller Kompetenz siehe Bolten 2007, Scheitza 2007, Straub 2007). Die Popularität solcher Modelle in Forschung und Praxis lässt sich darauf zurückführen, dass sie sich (relativ) einfach operationalisieren lassen (Bolten 2007). Mit den Modellen kann aber nicht erklärt werden, wie kompetentes Handeln zustande kommt, also wie Kompetenz funktioniert. Dafür sind einige Punkte in den Modellen nicht ausreichend spezifiziert (siehe dazu auch Straub, Nothnagel und Weidemann 2010:22): Erstens ist die Auswahl der einzelnen Komponenten in den jeweiligen Modellen fragwürdig. Sollte z.B. eine Person in einer interkulturellen Situation erfolgreich und angemessen handeln, ohne dabei auf ausgewählte Komponenten eines bestimmten Modells zurückzugreifen, handelt sie dann nicht kompetent? Boltens Fazit in Bezug auf Listenmodelle kann auf alle Modelle, die mit einem summativen Kompetenzbegriff operieren, ausgeweitet werden: Die Zusammenstellung der Komponenten erscheint beliebig und unvollständig (Bol- 27 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz ten 2007). Zweitens ist das Verhältnis der (ausgewählten) Komponenten untereinander nicht hinreichend bestimmt. (Werden alle Komponenten (immer) benötigt? Oder lassen sich z.B. einzelne durch andere kompensieren?) Schließlich ist aus kompetenztheoretischen Überlegungen heraus davon auszugehen, dass das Vorhandensein von Wissen, Fähigkeiten und den richtigen Einstellungen allein noch nicht zu kompetentem Handeln führt. Entscheidend ist das „Zusammenspiel“ (Bolten 2007:25) oder Zusammenwirken der Komponenten. Dieses Zusammenspiel ist ein zentrales Charakteristikum der Ansätze, die der zweiten Gruppe zugeordnet werden können. 2.2 Kompetenz als organisierende Funktion In Ansätzen der zweiten Gruppe von Kompetenz-Konstrukten werden Wissensbestandteile, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen, Motive etc., eben all das, was als Komponenten auch in den anderen Ansätzen eingebracht wurde, als Basis für Kompetenz betrachtet. Sie stellen Ressourcen für kompetentes Handeln dar, aber sie machen noch keine Kompetenz aus. „Diese Ressourcen werden durch einen organisierenden psychischen Mechanismus oder Prozess zusammengefügt, der die Realisierung zielgerichteter Aktivitäten, sei es durch Handlung oder Reflexion, ermöglicht [...]“ (Wick 2009:25). Erst wenn man von einem Zusammenwirken der Komponenten ausgeht, entfaltet das Kompetenzkonzept seine Wirkung, weil Kompetenz dann mehr ist als eine Ansammlung von Bestandteilen. „Auf diese Weise stellt Kompetenz ein genuines, unterscheidbares Konstrukt dar“ (Wick 2009:25). Das ist ein Konzept von Kompetenz, das z.B. im Bereich der beruflichen Kompetenzen Verbreitung gefunden hat. Erpenbeck und von Rosenstiel verstehen Kompetenz beispielsweise als „Selbstorganisationsdispostionen“ (Erpenbeck / Rosenstiel 2003:XV). Das DeSeCo-Projekt (Defining and Selecting Key Competencies) der OECD, das sich auf allgemeine Kompetenzen bezieht, die für eine erfolgreiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben notwendig sind, hebt insbesondere auf „Reflexion“ als „Kern der Schlüsselkompetenzen“ ab (OECD 2005:10). In Bezug auf interkulturelle Kompetenz hat Bolten (2007) einen solchen Kompetenzbegriff unter der Bezeichnung „Prozessmodelle“ besprochen. Um interkulturelle Kompetenz für Forschungs- und Bildungszwecke operationalisieren zu können, bedarf es einer klaren Vorstellung des Konstrukts. Zu fragen ist also danach, wie die organisierenden Prozesse, die Kompetenz ausmachen, konkretisiert werden können. Ein Rahmenmodell für ein solches Konzept soll im Folgenden entwickelt werden. © Interculture Journal 2011 | 14 28 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz 2.3 Zwei-Ebenen-Modell (Tintenfischmodell) Der Zusammenhang von Ressourcen und einer organisierenden Instanz lässt sich in Analogie zu psychologischen Modellen, die sich auf die Lösung komplexer Probleme beziehen, modellieren (Wick 2011). Die Problemlösepsychologie bietet sich als Bezugspunkt an, da man mit ihr auf theoretisch ausgearbeitete und empirisch fundierte Modelle zurückgreifen kann, mit denen ein ähnliches, wenn auch spezifischeres und weniger umfassendes, Ziel verfolgt wird wie in der Kompetenzforschung, nämlich die Erklärung von erfolgreichem Handeln bzw. Denken in Bezug auf komplexe, in der Regel kognitive, Aufgaben. Konkret wird insbesondere auf das Modell von Dörner (1979) zurückgegriffen, da Dörner den Zusammenhang von Ressourcen und organisierenden Prozessen deutlich herausarbeitet (Wick 2011). Dörner vertritt in seiner Psychologie des Problemlösens eine „2-Ebenen-Hypothese“ (1979:8), mit der er erklärt, wie Individuen komplexe (kognitive) Probleme lösen. Bei der ersten Ebene, der so genannten epistemischen Struktur, handelt es sich um die Wissensstruktur in Bezug auf ein Themen- bzw. Problemfeld. Die epistemische Struktur umfasst sowohl das inhaltliche Wissen über einen speziellen Bereich als auch Kenntnisse über die kognitiven Handlungsmöglichkeiten, die so genannten Operatoren, in diesem Feld (Dörner 1979:26). Bei der zweiten Ebene handelt es sich um die so genannte heuristische Struktur. Die Funktion dieser heuristischen Struktur ist es, geeignete Operatoren, sprich Handlungskonzepte, in den Beständen der epistemischen Struktur zu suchen, auszuwählen und, falls keine passenden zur Verfügung stehen, zu entwickeln (Dörner 1979:8). Diese Ebene „organisiert und kontrolliert“ (Dörner 1979:38) dabei die Problemlösungsprozesse. Ähnlich werden Vorgänge beim komplexen Problemlösen z.B. auch bei Anderson (2007:289ff.) beschrieben. Gut verdeutlichen kann man das Grundprinzip des Zusammenwirkens der beiden Strukturen, mit Hilfe einer Metapher, die Dörner als „Tintenfischhypothese“ (1979:37) bezeichnet: Als Bild für die Beziehung der epistemischen und heuristischen Struktur dient dabei ein Tintenfisch, der sich an einem Fischernetz entlang hangelt. Dabei lässt der Tintenfisch einige Knotenpunkte des Netzes los, hält sich weiterhin an anderen fest und nimmt mit den freien Armen neue Knotenpunkte auf. Durch den Tintenfisch werden Teile des Netzes (neu) zusammengeführt. Das Fischernetz repräsentiert in dieser Analogie die epistemische Struktur, der Tintenfisch die heuristische. Ein heuristischer Prozess greift, wie der Tintenfisch, auf einige Punkte der epistemischen Struktur (Knotenpunkte des Netzes) zu, verbindet diese, kombiniert sie - zum Teil auch neu. Wie jede Analogie hat auch diese Schwächen. 29 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz Die relevanteste in diesem Zusammenhang ist, dass in dem Bild nicht dargestellt werden kann, dass es auch zu den Funktionen der heuristischen Struktur gehört, die epistemische Struktur zu erweitern, wenn kein geeignetes Wissen verfügbar ist. Der Tintenfisch müsste also über eine Möglichkeit verfügen, das Netz zu verfeinern und zu erweitern, also z.B. mit Strickzeug ausgerüstet werden (Dörner 1979:37). Mit Hilfe solcher Modellvorstellungen lässt sich eine Vielzahl von Vorgängen beim Lösen komplexer kognitiver Probleme erklären. Analog zu diesem Modell kann eine Vorstellung der Funktionsweise von Kompetenz entwickelt werden (Wick 2011): Die erste Ebene bilden - im Unterschied zur rein kognitiven epistemischen Struktur in der Psychologie des Problemlösens und im Einklang mit der Erkenntnis der Kompetenzforschung, dass Kompetenz sich neben Wissensbestandteilen auch auf Fähigkeiten, Einstellungen und Motive etc. bezieht (Hesse 2008) - kognitive, affektive und verhaltensbezogene Elemente. In diese Struktur aus kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Komponenten, den Ressourcen, greifen, analog zur heuristischen Struktur beim kognitiven Problemlösen, Prozesse ein. Diese bilden die zweite Ebene des Modells. Ausgerichtet auf die spezifischen Anforderungen von Handlungssituationen, organisieren, integrieren und kontrollieren diese Prozesse die Nutzung der kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Ressourcen. In Anlehnung an die Psychologie des Problemlösens kann der Instanz auf der zweiten Ebene außerdem eine weitere Funktion zugeschrieben werden. Sie ist neben der Organisation der Ressourcen in der Handlungsgenese auch für die Weiterentwicklung der Ressourcen-Basis zuständig. Dies ist insbesondere in jenen Situationen und Fällen relevant, in denen das Individuum nicht über ausreichend Ressourcen oder auf einem ausreichenden Niveau verfügt, um adäquat handeln zu können. Im Sinne des vorgestellten Modells kann Kompetenz folgendermaßen definiert werden: Kompetenz soll als Bezeichnung dienen für die kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Ressourcen und die Prozesse, welche die Nutzung und die Weiterentwicklung der Ressourcen in Bezug auf die adäquate Bewältigung von Anforderungen in und durch komplexe Situationen organisieren und kontrollieren (vgl. Wick 2011). 3. Zwei-Ebenen-Modell interkultureller Kompetenz Mit dieser Vorstellung von Kompetenz steht ein Rahmenmodell zur Verfügung, mit dem zum einen Kompetenz im Allgemeinen und interkulturelle Kompetenz im Speziellen beschrieben und erklärt werden kann. Zum anderen können © Interculture Journal 2011 | 14 30 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz durch diesen veränderten Blick auf interkulturelles Handeln viele Ansätze und Erkenntnisse, die bisher unverbunden oder z.T. auch widersprüchlich neben einander zu stehen scheinen, zusammen geführt werden - ohne dabei die spezifischen Eigenheiten der einzelnen Ansätze zu ignorieren. Zugleich kann durch diesen Rückbezug auf bestehende Ansätze, Modelle und Theorien das hier entwickelte Modell interkultureller Kompetenz weiter konkretisiert werden. Eine weitere Konkretisierung ist geboten, da mit dem Rahmenmodell, wie es bis hierher entwickelt wurde, zwar ein theoretisches und begriffliches Instrumentarium vorliegt, mit dem die Grundidee von Kompetenz als Prozess beschrieben werden kann, die Darstellung der stattfindenden Prozesse aber bisher recht abstrakt verbleibt. 3.1 Die Ebene der kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Ressourcen interkultureller Kompetenz Um in einem zweiten Schritt Prozesse konkretisieren zu können, bedarf es zunächst einmal einer Betrachtung der Komponenten, die durch solche Prozesse organisiert werden. Da das Verständnis von Kompetenz, wie es hier entwickelt wird, nicht in Konkurrenz zu Listen- und Strukturmodellen interkultureller Kompetenz steht, sondern diese vielmehr ergänzt, indem organisierende psychische Prozesse hinzugefügt – gewissermaßen „aufgesetzt“ –werden, kann bei der Modellierung der Ressourcen-Ebene auf die Erkenntnisse aus bestehenden Modellen zurückgegriffen werden. Aus Sicht dieses Zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz beschreiben die Listen- und Strukturmodelle (nur) die Ressourcenebene. Damit kommen prinzipiell alle Wissensbestandteile, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen, Motive usw., die auch bisher als Bestandteile interkultureller Kompetenz betrachtet wurden, als potentielle Ressourcen in Frage (ein Überblick über Komponenten aus den Bereichen Skills, Knowledge und Motivation aus der englischsprachigen Literatur findet sich bei Spitzberg und Changnon 2009). Darüber hinaus lassen sich über diese Konstruktionsweise von Kompetenz viele Erkenntnisse einbinden, die auf den ersten Blick ohne direkt erkennbare Bezüge nebeneinander zu stehen scheinen. Maas, Over und Mienert (2008) z.B. fassen individuelle interkulturelle Kompetenz als „Konstruktiver Umgang mit kultureller Vielfalt“, „Sensibilität für kulturelle Einflüsse“ und „Kulturelle Vielfalt respektieren“. Shaftel, Shaftel und Ahluwalia (2007) hingegen heben u.a. auf „openmindedness“ und „emotional resilience“ ab. Solche Studien liefern wichtige Erkenntnisse zu speziellen Fragen bezüglich 31 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz interkultureller Kompetenz. Es stellt sich aber aus einer kompetenztheoretischen Sicht die Frage, in welchem Zusammenhang die Ergebnisse zu einem Gesamt-Konstrukt interkultureller Kompetenz stehen. Wie in anderen empirischen Wissenschaftsgebieten auch erschweren die hohe Spezifität, sowie unterschiedliche theoretische Bezüge und Operationalisierungen den Blick auf übergreifende Zusammenhänge und Strukturen. Aus Sicht eines zwei-EbenenModells, wie es hier entwickelt wird, können die untersuchten Fähigkeiten, Einstellungen etc. als (potentielle) Ressourcen gelten, die zu gelingendem Handeln beitragen können und so in ein umfassenderes Modell interkultureller Kompetenz integriert werden. Vor dem Hintergrund einer solchen Vorstellung von Kompetenz erscheinen die Erkenntnisse der bisherigen interkulturellen Kompetenzforschung in einem anderen Licht. In Modellen, die mit einem summativen Kompetenzbegriff operieren, wird, ganz allgemein gefasst, davon ausgegangen, dass mehr und besser ausgeprägte Komponenten zu höherer Kompetenz führen. Dieser Vorgang kann mit dem Modell der Kompetenz als organisierende Funktion differenzierter beschrieben werden: Mehr verfügbare Komponenten, z.B. mehr Wissen über eine spezielle Kultur, führen nicht zwangsläufig zu einem höheren Kompetenzniveau, aber das Individuum kann bei der Generierung adäquater Handlungen auf eine qualitativ und quantitativ weiter entwickelte Ressourcen-Basis zugreifen, wodurch die Wahrscheinlichkeit auf gelingendes Handeln steigt; der Tintenfisch – um das Bild aufzugreifen – hat mehr und stabilere Knotenpunkte, die er aufnehmen und miteinander verbinden kann. 3.2 Die Prozess-Ebene: Organisierende Prozesse und ihre Funktionen Kompetenz im Sinne des Modells bedeutet allgemein zunächst einmal Organisation der kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Ressourcen im Prozess der Handlungsgenese. Anhand eines fiktiven Beispiels lassen sich die Prozesse in ihren Grundzügen veranschaulichen. Stephanie macht nach Abschluss ihres Studiums ein Praktikum bei einer Firma in Japan. Sie hat eine Idee zur Lösung eines Problems, das in dem Projekt aufgetreten ist, an dem sie mitarbeiten darf. Wie könnte die Genese einer kompetenten Handlung in einer solchen Anforderungssituation aussehen? Stephanie ist sich ihrer niedrigen Stellung als „Junior“ (Kouhai) innerhalb der Gruppe bewusst (SelbstWahrnehmung in Verbindung mit konkretem kulturspezifischen Wissen), sie weiß, dass das Kommunikationsverhalten von vielen Japanern als indirekt, kollektivistisch und © Interculture Journal 2011 | 14 32 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz Harmonie-wahrend charakterisiert werden kann (kulturspezifische Wissensbestandteile). Sie weiß auch, dass ein direkt vorgebrachter Veränderungsvorschlag erstens als Kritik an der bisherigen Arbeit des Teams aufgefasst werden kann, da viele Japaner stärker kontextorientiert kommunizieren, also auch zwischen den Zeilen „hören“ (kulturelles Wissen), und zweitens zu Kommunikationsproblemen führen kann, da mit der Ablehnung der Idee einer Person auch Kritik an der Person bzw. ihrer Urteilsfähigkeit verbunden ist und somit der Grundsatz der Wahrung der Harmonie verletzt werden kann (kulturelles Wissen). Hinzu kommen affektive Ressourcen. Stephanie besitzt genügend Offenheit, die von ihr wahrgenommenen kulturellen Unterschiede zu akzeptieren. Da sie darüber hinaus auch über ausreichend Frustrationstoleranz verfügt, damit leben zu können, „ihre eigene“ Idee nicht explizit als ihr „geistiges Eigentum“ gekennzeichnet einbringen zu müssen (Einstellungen), eröffnet sich für sie die Möglichkeit, ihre Idee indirekt zu platzieren. Ihren Vorschlag formuliert sie also nicht als ihre eigene Idee, sondern behauptet, sie habe gehört, dass eine andere Firma das so machen würde. Ihre Idee wird vom Team aufgegriffen, weiterentwickelt und umgesetzt. Zur Generierung der Handlung „indirekter Vorschlag“ griff die organisierende Instanz, die sich über den Tintenfisch verbildlichen lässt, auf ausreichend viele kognitive, affektive und verhaltensbezogene Ressourcen zu und konnte diese in Bezug auf die Anforderungssituation sinnvoll zusammenführen. Kompetenz zeigt sich in einem solchen Fall darin, dass es dem organisierenden Mechanismus gelingt, in Bezug auf die speziellen Anforderungen und Gegebenheiten einer konkreten Situation Wissensbestände, Einstellungen und Fähigkeiten auszuwählen, auf die Situation anzupassen und in Verbindung zueinander zu setzen. Weitergehend kann (interkulturelle) Kompetenz in Anlehnung an die Konzepte der allgemeinen Metakognition bei Flavell (1979) und der Fortschreibung als kulturelle Metakognition bei D.C. Thomas et al. (2008) verstanden werden als eine Metafunktion zur Steuerung und Regulation der Handlungen i.w.S. sowie zur Überwachung und Kontrolle der dabei stattfindenden Abläufe und Erreichung des Handlungszieles (siehe auch Weinert 2001:54ff.). Die Vorstellung von interkultureller Kompetenz als Ressourcenbasis, bestehend aus kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Komponenten und einer steuernden und kontrollierenden Organisationsinstanz, bietet Erklärungsmöglichkeiten für eine Reihe von Phänomenen, die, insbesondere mit Komponenten-Modellen, nicht oder nur unzureichend abgebildet und erklärt werden können, z.B. der Transfer von Komponenten aus einem Kontext heraus auf 33 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz andere (siehe z.B. Barmeyer / Laue 2010) oder die „Kompensation“ von fehlenden Komponenten (siehe z.B. D. C. Thomas et al. 2008). Soeben wurde ausgeführt, dass kompetentes Handeln entsteht, wenn es dem Individuum gelingt, kognitive, affektive und verhaltensbezogene Ressourcen zusammenzuführen. Dieses Zusammenführen, das Zusammenspiel der Komponenten ist jedoch als ein komplexer und damit auch störanfälliger Prozess zu verstehen – u.a. weil die vorhandenen Komponenten in Bezug auf die Anforderungen der jeweiligen Situation aktualisiert werden müssen (vgl. Straub, Nothnagel und Weidemann 2010:22f.). Um ein erfolgreiches Zusammenspiel zu ermöglichen, muss die organisierende Instanz also weitere Leistungen erbringen. Auf einige dieser Funktionen wird im Folgenden näher eingegangen. 3.2.1 Funktion Anwendung auf konkrete Situationen Eine Funktion bezieht sich auf die Anwendung der Komponenten auf die konkrete Situation in ihrer Besonderheit und Einmaligkeit. Weidemann beschreibt dieses Grundproblem treffend, indem der darauf hinweist, dass sich interkulturelle Kompetenz auf „die Fähigkeit zum Umgang mit Unbekanntem, über das sich per definitionem im Vorfeld kein kontextspezifisches Wissen aneignen lässt, sondern das [...] in situ erschlossen werden kann und muss“ (Weidemann 2010:489), bezieht. Gut veranschaulichen lässt sich der Vorgang anhand der kognitiven Komponenten. Unabhängig davon, ob Wissen über andere Kulturen in Form von mehr oder weniger abstrakten Kulturbeschreibungen, wie in Kulturstandards (A. Thomas 1996), Kulturdimensionen (Hofstede 2003), Dichten Beschreibungen (Geertz 1973) etc. oder in Form von konkretem Erfahrungswissen vorliegt, die Herausforderung in einer Anwendungssituation besteht darin, das Wissen auf die aktuelle Situation mit ihren Gegebenheiten und Anforderungen zu beziehen. Kompetentes Handeln wird erst durch die Verbindung von Kenntnissen (hier: über andere Kulturen) und der Fähigkeit, die Kenntnisse auf konkrete Situationen beziehen zu können, ermöglicht. Interkulturelle Kompetenz zeigt sich also z.B. nicht bereits darin den japanischen Kulturstandard „Konsensorientierung“ (Petzold et al. 2005) zu kennen, sondern setzt zumindest voraus, Konsensorientierung im tatsächlich praktizierten Handeln, also in ihren jeweiligen Varianten und Spielformen identifizieren zu können. Eine zentrale Herausforderung für die interkulturell Handelnden ist die Anwendung der Komponenten auf die konkrete Situation mit ihren Spezifika. © Interculture Journal 2011 | 14 34 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz Mit dem Modell der Kompetenz als Ressourcenbasis und einer organisierenden Instanz können solche Vorgänge differenziert erfasst und analysiert werden. Über die Beschaffenheit der Ressourcen hinaus ist dann zu fragen, inwieweit eine Person auch über die notwendigen Fähigkeiten zur Steuerung, hier konkret zur Applikation der Komponenten in Bezug auf die konkrete Situation, verfügt. 3.2.2 Funktion „korrekte“ Anwendung Vorausgehend wurde argumentiert, dass das situative Anwenden von Komponenten als eine Funktion der organisierenden Instanz betrachtet werden kann. Inkompetentes Handeln kann also auf eine mangelnde Komponentenausstattung oder unzureichende Steuerung zurückzuführen sein. Ein Spezialfall der unzureichenden Steuerung, nämlich „fehlerhafte“ Steuerung, bedarf genauerer Betrachtung. Man stelle sich die Praktikantin Stephanie mit all den beschriebenen Ressourcen beim Ausgehen mit gleichaltrigen japanischen Bekannten vor. Ihr indirekt vorgebrachter Vorschlag in Kneipe xy weiter zu feiern, geht schlicht und einfach unter. Der organisierende Mechanismus hat auf die gleichen Ressourcen zugegriffen, wie beim Vorschlag im Projektteam (Indirektheit, Kontextorientierung, Kollektivismus etc.). Erklärt werden kann eine solche Situation über Verallgemeinerungsfehler in dem Sinn, dass es u.a. signifikante intergenerationelle Unterschiede in Japan z.B. in Bezug auf Kollektivimus und Individualismus gibt, diese aber nicht berücksichtigt wurden. Junge Japaner sind weniger kollektivistisch orientiert als der gesamtgesellschaftliche Durchschnitt und somit auch stärker individualistisch, als eine stereotypische Sichtweise nahelegt (Matsumoto 2002:37ff.). Das Problem ist nicht, dass keine Ressourcen vorhanden wären, sondern dass – bezogen auf die konkrete Situation und deren spezifische Anforderungen – die „falschen“ Komponenten aktiviert wurden, noch treffender, die Komponenten „falsch“ aktiviert wurden. Die Nutzung des vorhandenen Wissens etc. war nicht auf die konkreten Anforderungen der Situation abgestimmt. Dieser Fall verdeutlicht noch einmal aus einer anderen Perspektive, warum mit einem summativen Kompetenzverständnis, kompetentes oder inkompetentes Handeln nicht hinreichend erklärt werden kann. Legt man ein (beliebiges) Modell, das mit einem summativen Kompetenzbegriff arbeitet, an, dann erscheint eine Person, die über einen ausgeprägten Fundus an kulturellem Wissen, Einstellungen, Fähigkeiten etc. verfügt, als kompetent. Da inadäquate Handlungen zum Teil nicht durch das Fehlen von Komponenten verursacht werden (auch nicht durch das Fehlen einer steuernden / organisieren- 35 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz den Funktion), sondern, wie im Beispiel, durch falsche Anwendung der Komponenten, empfiehlt es sich Vorgänge, die sich auf die Anwendung der Komponenten beziehen, in das Kompetenzkonstrukt zu integrieren.1 Zur theoretischen und empirischen Fundierung kann man an dieser Stelle auf die Stereotypisierungsforschung zurückgreifen, da diese u.a. Prozesse der Kategorisierung von Individuen und unzutreffender Generalisierungen thematisiert. Stereotypisierung umfasst nach Tajfel (1969) die drei Prozesses Kategorisierung, Generalisierung und Akzentuierung (Jonas / Schmid Mast 2007). Im Prozess der Kategorisierung werden Individuen einer Kategorie zugeordnet. Einzelne Personen werden z.B. als Deutsche, als Japaner etc. wahrgenommen. Im Prozess der Generalisierung werden den Personen einer Kategorie gemeinsame Merkmale zugeschrieben. Schneider (2005) erkennt darin das zentrale Merkmal von Stereotypen und definiert demgemäß: „Stereotypes are qualities perceived to be associated with particular groups or categories of people“ (Schneider 2005:24). Der dritte Prozess bezieht sich auf die Akzentuierung der wahrgenommenen Merkmale einer Gruppe (Jonas / Schmid Mast 2007:72). Stereotypen können in diesem Sinn als „unjustified generalizations“ (Schneider 2005:42) verstanden werden. Das inkompetente Verhalten der Praktikantin im Beispiel lässt sich mit Hilfe der Akzentuierung und den daraus resultierenden ungerechtfertigten Verallgemeinerungen erklären. Existierende Unterschiede wurden unzulässig verallgemeinert und auf Kollektive und Individuen transferiert, auf welche die angenommenen Merkmale nur eingeschränkt oder nicht zutreffen. Im Anschluss an die Psychologie der Stereotypisierung lässt sich ein Teil der Prozesse, die Kompetenz ausmachen, deutlicher fassen. Dabei können die Stereotypisierung und das kompetente Organisieren der Ressourcen als zwei Seiten des gleichen Vorgangs verstanden werden. Während Stereotypisierung den einen Fall, nämlich zu undifferenzierte Kategorisierung, unangemessene Generalisierung etc., behandelt, kann mit der Umkehrung der Vorgänge die Organisationsfunktion der Kompetenz näher beschrieben werden. Kompetenz lässt sich demgemäß u.a. ausmachen in der metaFähigkeit, die kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Ressourcen angemessen, im Sinne von nichtstereotypisierend, den situativen Gegebenheiten und Anforderungen gemäß, anzuwenden. Anders formuliert heißt dies: Kompetent ist nicht unbedingt, wer kulturelle Eigenheiten einer gegebenen Kultur kennt und anderskulturelle kommunikative Handlungen, wie Begrüßungsformen, beherrscht, sondern diejenige Person, die darüber hinaus über die (Meta)Fähigkeit verfügt, die Anwendung der Komponenten adä- © Interculture Journal 2011 | 14 36 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz quat zu steuern, um z.B. entscheiden zu können, wann, auf wen, wie diese Komponenten angemessen angewendet werden können. 3.2.3 Interkulturelle Kompetenz unter den Bedingungen des dualen Kultur-Diskurses Mit der vorausgegangen beschriebenen Funktion liegt ein Konzept vor, mit dem sich auch das Verhältnis der beiden Konstrukte „Interkulturelle Kompetenz“ und „Kultur“ neu bestimmen lässt. Dazu muss aber zunächst einmal der Kulturbegriff genauer betrachtet werden. Mit einem Modell interkultureller Kompetenz sind auch - explizit oder implizit - Aussagen über das zu Grunde liegende Kompetenzverständnis verbunden. Was unter Kultur zu verstehen sei, wird in den einzelnen Ansätzen unterschiedlich beantwortet, die Diskussion über den (angemessenen) Kulturbegriff dabei zuweilen vehement geführt (Rathje 2006). Löst man sich von den einzelnen Ansätzen mit ihren Spezifika und betrachtet dafür die grundlegenden Verständnisse von Kultur, dann lassen sich in den Sozialwissenschaften im Allgemeinen wie auch im Feld der interkulturellen Kommunikation und Kompetenz zwei Grundverständnisse von Kultur ausmachen (Baumann 1999, Moosmüller 2004, Otten / Geppert 2009). Im ersten Konzept bezieht sich Kultur auf eine irgendwie geartete Gleichheit des Denkens, Fühlens, Wahrnehmens oder Verhaltens von Mitgliedern bestimmter Gruppen (Hansen 2003). „Kultur ist eine tradierte Struktur, sie ist den Menschen gegeben und prägt ihr Wahrnehmen, Denken und Handeln [...]“ (Moosmüller 2004:61). Anschaulich charakterisiert und problematisiert zugleich Baumann diese Sichtweise: „Culture [...] appears as a mold that shapes lives or, to put it somewhat polemically, as a giant photocopy machine that keeps turning out identical copies“ (Baumann 1999:25). Entsprechend dieses Verständnisses von Kulturen können solche Ansätze als „essentialistisch“ bezeichnet werden (Baumann 1999:24, Moosmüller 2004:60). Essentialistische Vorstellungen von Kultur sind im Feld der interkulturellen Kommunikation (Moosmüller 2004) wie auch im Alltag (Baumann 1999) weit verbreitet. Beispielsweise zeigt Moosmüller (2004) auf, dass die Kulturbegriffe, wie sie von Hall oder Hofstede verwendet werden, einer solchen Kategorie zugerechnet werden können. Dem gegenüber stehen Kulturverständnisse, die u.a. in kritischer Abgrenzung zu einem essentialistischen Verständnis entstanden sind. Moosmüller führt aus, 37 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz „[...] ,dass sich die Auffassungen von Kultur bzw. vom Verhältnis zwischen Individuum und Kultur in neuer Zeit grundlegend gewandelt haben. Im Unterschied zu klassischen [...] Ideen, wonach das Individuum als eine Art Automat präformierte Regeln umsetzt, wird es heute als Gestalter seiner sozialen Umwelt gesehen [...]. Mit 'Kultur' werden keine uranfänglich gegebenen, abgrenzbaren, geschlossenen, homogenen Entitäten mehr gemeint, sondern konstruierte, fluide, unscharfe und in sich widersprüchliche Phänomene [...]." (Moosmüller 2004:47) Grundlegend für solche nicht-essentialistischen Kulturbegriffe ist die Erkenntnis, dass „Kultur“ für die jeweiligen Gruppen und für die Einzelnen nicht per se gegeben ist, sondern konstruiert wird und durch die handelnden Akteure erst hervorgebracht wird. „Culture in this second understanding, which may be called the processual, is not so much a photocopy machine as a concert, or indeed a historically improvised jam session. It only exists in the act of being performed, and it can never stand still or repeat itself without changing its meaning.“ (Baumann 1999:26) Weiter in den Fokus der Betrachtung rücken in diesem Zusammenhang z.B. Phänomene wie die Erschaffung von Kulturen (siehe z.B. „doing culture“ bei Hörning / Reuter 2004), der Wandel von Kulturen und die Hybridität von kulturellen Identitäten (siehe z.B. Sökefeld 2007). Welche Berechtigung und welchen Nutzen die jeweiligen Konzepte von Kultur besitzen, soll hier nicht weiter thematisiert werden. Stattdessen wird betrachtet, welche Vorstellungen von Kultur in der (Alltags-)Praxis interkultureller Situationen handlungswirksam werden. Damit ändert sich die Perspektive auf den Kulturbegriff; es wird nicht mehr gefragt, welcher Kulturbegriff der richtige, angemessene oder ertragreichere sein mag, sondern auf welches Verständnis von Kultur Menschen beim Handeln in mehrkulturellen Kontexten zurückgreifen. Dieser Frage geht Baumann (1999) auf Grundlage (s)einer qualitativ-ethnografischen Studie in einem hochgradig multikulturellen Londoner Stadtteil nach (Baumann 1996). Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, dass ein essentialistisches Kulturverständnis zwar aus Sicht der Wissenschaft als überholt eingestuft werden kann und dem prozessualen Verständnis der Vorzug zu geben ist, man sich aber trotzdem nicht vom diesem Kulturbegriff verabschieden kann, solange essentialistische Vorstellungen von Kultur Teil der Wirklichkeitskonstruktion von Personen sind, die in kulturellen Überschneidungssituationen agieren (Baumann 1999:90f.). Baumann betrachtet die essentialistische und die prozessuale Auffassung von Kultur als zwei Formen des Diskurses über Kultur (Baumann 1999:93) und untersucht, wie diese in einem multikulturellen Umfeld praktiziert werden. Er kommt dabei zu folgendem Schluss: © Interculture Journal 2011 | 14 38 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz „Most people practice a double discursive competence when it comes to their discourses about culture [...]. In some situations, they can speak of, or treat, their own culture or somebody else‘s as if it were the tied and tagged baggage of a national, ethnic, or religious group. They can thus essentialize their discourse of culture to the point of creating totally static stereotypes [...]. In other situations, however, they can speak of, and treat, their own culture or somebody else‘s as if it were plastic and pliable, something that is to be shaped rather than has been shaped, something you make rather than have.“ (Baumann 1999:93f.) In der sozialen Wirklichkeit zeigt sich also, dass Personen flexibel zwischen den beiden Diskursformen wechseln (können), eigene wie andere Kulturen also in manchen Situationen essentialisieren und reifizieren, in anderen wiederum kulturelle Unterschiede relativieren (Baumann 1999:132). Bei der Betrachtung von Kultur rückt damit die Frage nach den Kulturbegriffen und ihrer Gültigkeit in den Hintergrund und wird ersetzt durch die Frage nach den Gründen für einen Wechsel von einer Diskursform in die andere (Baumann 1999:132, Risager 2009). Weiterführend wäre diesbezüglich, zu klären, in welchem Zusammenhang unterschiedliche Machtkonstellationen und insbesondere die darin anzutreffenden Machtasymmetrien, auf die z.B. Auernheimer (2008) in Bezug auf interkulturelle Kompetenz hinweist, mit der Wahl der Kultur-Diskursformen und einem möglichen Wechsel von einer Diskursform in die andere stehen. Auf Grundlage eines Verständnisses von Kultur als dualer Diskurs, wie oben dargestellt, soll hier das Konstrukt interkulturelle Kompetenz weiter entwickelt werden (vgl. Risager 2009)2. Analog zur Diskussion des Kulturbegriffs geht es bei der Entwicklung eines Modells interkultureller Kompetenz vor dem Hintergrund eines dualen Kulturverständnisses nicht mehr um die Frage, welcher Kulturbegriff der angemessenere oder nützlichere ist, sondern um die Frage, wie sowohl essentialistische als auch konstruktivistisch-prozessuale Vorstellungen von Kultur berücksichtigt werden können. Wenn nämlich Personen im Alltag kultureller Begegnungen auf zwei prinzipiell unterschiedliche Weisen mit Kultur umgehen und wenn sie darüber hinaus flexibel und situativ zwischen den beiden Diskursformen wechseln, dann ergibt sich daraus die Anforderung an interkulturell kompetentes Handeln, erstens zu erkennen, welche Diskursform (und in welcher Rigidität) in einer konkreten Situation praktiziert wird, zweites adäquat auf die jeweilige Diskursformen reagieren zu können und drittens zu erkennen, wann es zu einem Wechsel der Diskursformen kommt.3 Mit Hilfe des Modells der interkulturellen Kompetenz als organisierende Funktion lässt sich interkulturelle Kompetenz unter den Bedingungen, die der duale Kultur-Diskurs stellt, 39 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz beschreiben. Die Struktur und Prozesse interkultureller Kompetenz in Bezug auf die Kulturkonzepte können als ein spezieller Aspekt des allgemeinen Modells verstanden werden und analog zu diesem entwickelt werden. Verfügt eine Person nur über kognitive, affektive und verhaltensbezogene Ressourcen, die sich auf eine der beiden Kultur-Diskurs-Formen bezieht, verringert sich die Wahrscheinlichkeit auf adäquates Handeln in Situationen, die durch die jeweils andere Diskursform bestimmt werden. Es erscheint aus dieser Sicht als angebracht in ein Modell interkultureller Kompetenz kognitive, affektive und verhaltensbezogene Komponenten für beide Kontexte bzw. Diskurse einzubeziehen. Zum Beispiel kann Wissen über „andere“ Kulturen auch in Form von Kulturstandards (A. Thomas 1996) oder Kulturdimensionen (Hall / Hall 1983) hilfreich sein, um Situationen zu navigieren, die durch einen essentialistischen Kulturdiskurs geprägt werden. In Situationen hingegen, in denen ein prozessuales Verständnis anzutreffen ist, können z.B. Fähigkeiten zur Bildung von Dritt-Kulturen (Matoba 2011) ihre besondere Wirkung entfalten. Allein das Vorhandensein der entsprechenden Ressourcen für beide Formen des Kulturdiskurses ist auch hier noch kein Garant für interkulturell kompetentes Handeln. Als entscheidend kann angesehen werden, ob es einem Individuum gelingt, den Einsatz der Komponenten entsprechend, also situationsangemessen, zu steuern, wobei die dabei stattfindenden Prozesse entsprechend den allgemeinen Vorgängen modelliert werden können. Unter Übergeneralisierung kann hier der Vorgang verstanden werden, Komponenten, die sich auf ein essentialistisches Kulturverständnis beziehen, auch auf und in Situationen anzuwenden, in denen die Beteiligten einen prozessualen Kultur-Diskurs praktizieren und umgekehrt. Interkulturell kompetent zu handeln bedeutet in diesem Sinn also auch, sich nicht an Differenzen zu orientieren und auszurichten, wo Kultur prozessual gedacht und entsprechend gehandelt wird. Zusammengefasst, interkulturelle Kompetenz bedeutet im Hinblick auf dualen Kultur-Diskurs, wie er im Alltag kultureller Überschneidung anzutreffen ist, die Befähigung zum Handeln in Situationen, die von essentialistischen Kulturvorstellungen strukturiert wird, als auch in jenen Situationen, in denen ein prozessualer Diskurs stattfindet. Kompetentes Handeln kann vor dem Hintergrund eines solchen Kultur-Konzepts erklärt werden über kognitive, affektive und verhaltensbezogene Ressourcen für beide Diskurs-Formen sowie eine Instanz, die den angemessenen Einsatz der Ressourcen, in Bezug auf den jeweiligen Handlungskontext und hier insbesondere das anzutreffende Kulturkonzept steuert. © Interculture Journal 2011 | 14 40 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz 3.2.4 Funktion Steuerung von Lernprozessen Im Zusammenhang mit der Anwendung von Komponenten auf konkrete Situationen wurde bereits darauf hingewiesen, dass Handeln in kulturellen Überschneidungssituationen auch bedeutet, auf Unbekanntes reagieren zu können (Weidemann 2010). Das handelnde Individuum wird immer wieder damit konfrontiert werden, dass die vorhandenen Ressourcen, z.B. das kulturelle Wissen, nicht genügen, um unmittelbar erfolgreich agieren zu können. Die Fähigkeit sich Wissen, Fähigkeiten usw. anzueignen, sprich die Fähigkeit zu lernen i.w.S., wird damit zu einem wichtigen Bestandteil interkultureller Kompetenz (Byram 1997, Weidemann 2010). Ob ein Individuum kompetent handeln kann, wird dadurch mitbestimmt, ob und wie schnell es sich Wissen, Können etc. aneignen kann. Legt man das Zwei-Ebenen-Modell interkultureller Kompetenz, wie es hier entwickelt wird, an, dann kann der Vorgang wie folgt beschrieben werden. Fehlendes Wissen, unzureichende Fähigkeiten und Einstellungen können als „Lücken“ in der Ressourcenbasis verstanden werden. Greift man das Bild des Tintenfisches auf, dann sind dies „Lücken“ oder „Schwachstellen“ im Netz. Diese Lücken durch Lernprozesse zu schließen, kann als eine weitere zentrale Funktion der organisierenden Instanz angesehen werden. 4. Fazit Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, dass es nicht gelingt (interkulturelle) Kompetenz allein über ihre Komponenten abzubilden, sondern dass es einer Erweiterung um organisierende Prozesse bedarf. Wie interkulturelle Kompetenz modelliert werden kann, damit mit diesem Konstrukt kompetentes wie inkompetentes Handeln umfassender und differenzierter erklärt werden kann, wurde vorausgehend dargestellt. Mit einem Einbezug solcher organisierender Prozesse, unabhängig davon, ob man sich der Ausgestaltung der Funktionen im Einzelnen anschließt oder nicht, bietet sich die Chance, interkulturelle Forschung und Praxis konzeptionell weiterzuentwickeln. Für die Gestaltung von Bildungs- und Trainingsveranstaltungen z.B. bedeuten die Überlegungen, dass es sich empfiehlt, zusätzlich zur häufig bereits praktizierten Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten / Fertigkeiten und Einstellungen das Augenmerk verstärkt auf Steuerungs-, Kontroll- und Lernprozesse zu legen. Denn erst das Vermögen, die einzelnen Komponenten (korrekt) anwenden, zusammenführen und bei Bedarf selbst-lernend erweitern zu können, ermög- 41 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz licht es in interkulturellen Überschneidungssituationen adäquat, angemessen, erfolgreich – kompetent eben – zu handeln. Die Aufgabe besteht dementsprechend darin, neben den einzelnen Komponenten, auch die organisierenden Prozesse theoretisch zu beschreiben, empirisch zu erfassen und praktisch umzusetzen – dieser Artikel versteht sich als ein Beitrag dazu. Literatur Altshuler, L. / Sussman, N. M. et al. (2003): Assessing changes in intercultural sensitivity among physician trainees using the intercultural development inventory. International Journal of Intercultural Relations 27(4), S. 387-401. Anderson, J. R. (2007): Kognitive Psychologie. Berlin & Heidelberg: Spektrum, Akad. Verl. Auernheimer, G. 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Dieser Einwand wird aber spätestens obsolet, wenn man individuelle Abweichungen mit in die Betrachtung einbezieht. 2 Risager (2009) hat auf den Nutzen des Baumannschen Kulturkonzepts für die interkulturelle Kompetenz hingewiesen; ohne allerdings dieses Kulturverständnis in ein eigenes Kompetenzmodell zu integrieren. 45 © Interculture Journal 2011 | 14 Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz 3 Ob das auch die Fähigkeit beinhaltet, einen Wechsel der Diskursform, von einer essentialisitischen zu einer prozessualen zu initiieren, sei zunächst einmal dahingestellt. © Interculture Journal 2011 | 14 46 Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters Intercultural Competence for Unequal Business Encounters [Interkulturelle Kompetenz für Asymmetrische Geschäftsbeziehungen] Hanna Pułaczewska Prof., Academy of International Studies in Łódź, Poland; M.A., Dr. phil. and professorial qualifications in General and Comparative Linguistics with Focus on English, University of Regensburg Abstract [English] The article treats the issue of teaching intercultural competence in courses organised by business enterprises for their employees. It is proposed that more scholarly attention should be devoted to the commodity character of intercultural training that enforces its adaptation to the market’s demands. The idealised academic view of such training as happening under conditions unaffected by power relations needs to be replaced with a more realistic picture of power imbalance, fuelling the concept of cultural superiority on the part of the economically stronger party. Methods are suggested for reducing such an ethnocentric bias. Besides, the article indicates the ways in which the training might be used to subtly and tactfully raise the awareness of problems resulting from asymmetrical adaptation of the economically weaker party to the linguistic requirements of the stronger partner. Keywords: business, coaching, inequality, power, language Abstract [Deutsch] Der Aufsatz thematisiert die Problematik von Schulungen interkultureller Kompetenz in der freien Wirtschaft. Solche Schulungen finden oft im Kontext eines wirtschaftlichen Machgefälles zwischen dem Investor und der Tochtergesellschaft statt, was in akademischen Erwägungen außer Acht gelassen wird. Ein kultureller Relativismus ist von den Teilnehmern nicht zu erwarten. Stattdessen wird die Machtasymmetrie von der stärkeren Partei als die Konsequenz der kulturellen Unterschiede interpretiert, d.h. als ein sichtbarer Beweis für den höheren Nutzwert der eigenen Kultur. Asymmetrische sprachliche Anpassung von der Tochtergesellschaft an den Investor wird ebenfalls unreflektiert akzeptiert. Der Aufsatz deutet an, wie ethnozentrische Interpretation von kulturellen Unterschieden gemildert und eine sprachbezogene Reflexion herbeigeführt werden kann. Dabei muss stets beachtet werden, dass dies potentiell in Opposition zu den pragmatischen Interessen des Dozenten steht und sein professionelles Image gefährden kann. Stichworte: Wirtschaft, Coaching, Machtgefälle, Sprache, Dominanz 1. Introduction Wilson and Wilson (2001) noted that while much of intercultural communication research and training rests on the presumption that the key to intercultural communication and understanding is the knowledge of the relevant culture, an 47 © Interculture Journal 2011 | 14 Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters essential piece is missing from this perspective: the consideration of power relations. Indeed, it seems that the idealised view of intercultural training as happening under conditions unaffected by power relations should be replaced with a more realistic picture of power imbalance that fuels the concept of cultural superiority on the part of the economically stronger party. In what follows, methods are presented that are claimed to be useful in reducing such an ethnocentric bias. At the same time, it is proposed that more attention should be paid to the commodity character of intercultural training that enforces its adaptation to the market’s demands, informed first of all by the customers’ economicallyoriented objectives. Thus, an IC instructor is sometimes caught in a vulnerable position, between conflicting incentives resulting from his/her position as an insider of the “weaker” society in the intercultural encounter on the one hand, and his/her economic dependence on the fulfilment of the customer’s expectations on the other. In what follows proposals are made for taking the inequality issue into account when teaching intercultural competence for business encounters, in courses that are offered as a component of professional training in business and commerce operating across national borders. This has two essential aspects which will be discussed in their logical order: the cultural superiority view (which is non-linguistic), and the linguistic issue of language proficiency and language choice. The outsourcing of production to countries offering lower cost of labour and lower taxes leads to commercial and business ventures in which three main economic assets - capital, technology, and knowledge - flow from highly developed countries to weaker partners and daughter companies, creating the conditions of unequal encounters. In such encounters, the power is with the investing party, who dictate the rules of the game. Frequently enough, a training of intercultural competence is offered to the employees, sometimes only in the investor’s country/mother company. In that case, the objective is to prepare the members of the stronger partner to successfully and efficiently communicate with the less advanced. The training is expected to inform the members of a business unit of the cultural specificity of the Other, and an unfamiliar set of communicative principles based on a hierarchy of societal values that differs in many respects from the one that has been internalised and is taken for granted. © Interculture Journal 2011 | 14 48 Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters 2. Hierarchical interpretations of cultural distance As a rule, a course in intercultural competence for the employees of a business enterprise is meant to give them an orientation in dealing with members of a particular foreign culture. The trainer’s task is to present the range of cultural differences and provide specific knowledge about a particular culture of the partner country, rather than share universal deliberations and insights. The course participants seldom bring in strong educational background in human sciences. The evaluation of the professionalism of the coach (which decides his/her chance of being re-hired) and the value of the training depends largely on the degree to which the trainees feel that the course has prepared them precisely for surprisefree communication with people from a particular partner country. The time allocated to such trainings is very limited and rarely exceeds three days. These factors explain why the practical handbooks of intercultural competence and training curricula worked out by trainers typically focus on contrasts between particular two cultures and do not offer much space to general explanations, which are predominant in more general and more scholarly courses found in higher education. In academic courses, parameters of social and cultural differences identified by social psychologists and anthropologists are dealt with extensively, and the differences between particular two cultures are analysed against the background of this theoretical knowledge, which is viewed as the more essential aspect of learning. In non-academic business courses, with their focus on two particular cultures and practical, operational objectives, general explanations pertaining to parameters of difference such as individualism and collectivism, high and low social distance, monochronony and polychrony, low and high context are offered only as pendants to the specific knowledge about a specific partner (cf. also practical handbooks such as e.g. Schroll-Machl 2001, 2003, SchrollMachl / Wiskoski 2003, Schmid 2002). This has two immediate disadvantages. The first of them is the limitation of the cognitive gain, which means that even if the training may prepare the participants for current communicative tasks, it equips them only poorly for crossing different borders, that is, for further experience-guided learning on their own in different constellations. Secondly, it holds an imminent danger of misattribution whenever such trainings 49 © Interculture Journal 2011 | 14 Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters take place in the context of inequality in economic and technological spheres. The more powerful party frequently tend to interpret cultural difference as a source and, at the same time, an effect of the difference in achievement – and, thus, an indicator of the lower value of the partner’s cultural makeup. This results in the impression on the part of the members of the stronger partner that the future shape of the intercultural encounter should be guided by the partner’s gradual shift towards their own set of principles and values. Such a change is conceived as the measure of progress prerequisite to sharing in the economic success and general social advancement. To put it briefly, the degree of cultural difference from “me, now” is viewed by the more powerful as a measure of inferiority. This belief encompasses several simple ideas: that cultural differences between two societies measure the level of civilisation they achieved; that “they” are different from us because they are not “so far” yet; and that “they” will become like “us” when they have learned enough (from “us”), which is due to happen as an effect of the long-time interaction – which “we” are going to control. Paradoxically, the intercultural training itself, in particular in view of the fact that it is being offered more frequently to (a greater number of) employees in the daughter company, turns into one of the means of remaining in control. A distance between two countries on a given “parameter” (cf. Hofstede 1980, 1991) of culture is unlikely to be misconceived as a measure of the utilitarian value of each of the respective attitudes when the task focus is on ordering and systematising a heterogeneous set of countries that are similar in one respect and different in another, and when this set includes both prosperous and economically weak countries. The two countries on which the training focuses should be presented as just two among many (cf. Pułaczewska 2010). As suggested at the beginning, the misconception “they will become like us” relies on the underlying assumption that there exists a rather universal path to modernity; and that all countries need to follow it on their way to technological (and social) advancement – becoming, for example, increasingly more monochronic, more specific, less contextual, and less indirect than the Czechs and closer to the Germans as time goes by and economy grows. In an attempt of uncoupling cultural similarity (or distance) from achievement (or its lack), © Interculture Journal 2011 | 14 50 Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters Japan comes in handy as a country very different from both Western Europe and North America (e.g. Japan is low on directness and high on context-dependence) in matters of culture but high in the hierarchy of economic power and technological progress. It is recommendable that the dissociation of cultural similarity and similarity in economic achievement is introduced covertly, without visibly pre-supposing negative attitudes to the interaction patterns of the weaker partner on the part of the course participants. Also, an overt insistence on cultural relativism on the trainer’s part should be avoided. It can be evaluated as pushy and biased in particular if the trainer is perceived as a member of the weaker partner’s culture. 3. Linguistic competence and language choice One of the central issues in communication under conditions of unequal enounter is the language used. Paradoxically enough, language is typically being downplayed or ignored by comparative social psychologists in studies of intercultural communication and its failures. In such studies on international industrial and business communication, the linguistic forms used in communication are viewed as a merely peripheral, surface manifestation of different norms and values; it is the latter that are believed to cause communicative tensions and disturbances. The fact that both parties differ in their linguistic competence, sometimes to the extent that only one party in the encounter uses a foreign language (typically, the daughter company, i.e. the economically weaker partner), while the other party consists of native and near-native speakers, is disregarded. The lack of linguistic competence is an issue for language pedagogy, which deals with the linguistic component of intercultural communication by its very nature – both as a subject of theoretical reflection and in the applied sense. Culturally conditioned thinking habits on the one hand, and linguistic proficiency on the other, are kept cleanly apart; linguistic competence is something to be dealt with in a language course, not in courses on intercultural competence. In the latter, when role-plays are conducted in linguistically homogeneous groups simulating contacts with foreign business partners, the participants’ mother tongue is typically used even if the actual business contacts take place in a foreign language. While this clean division of labour between a language course and a course on culture has some practical merits, intercultural training should deal with language insofar as the prob- 51 © Interculture Journal 2011 | 14 Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters lem of language deficiency touches upon social issues with which language courses are not even remotely concerned: the difference in power and its social and communicative consequences. The way in which a training of intercultural competence can interact with the issue of language use is through raising the awareness of the effects of linguistic discrepancy upon the social aspects of the encounter. These effects can be roughly differentiated into two interrelated factors, both rooted – to put it briefly – in the less proficient speakers being less able to make visible their professionalism, social skills and personality. The first factor is the influence of foreign language skills in the inferior party’s group upon the relationship within this group, including intergroup power relations. An example of how in a business setting some group members can gain prominence alone by way of having superior foreign language skills is given in San Antonio (1987). Also Kim and Paulk (1994) analyse the role of language proficiency in informal group structuring and Knapp (2002) analyses the “fading out of the non-native speaker” in communication with native and more proficient near-native speakers in an organisational setting. The second, more essential issue is the contribution of the linguistic component into the inequality of the encounter whenever the investing party/mother company speak their own language and the receiving party do not. Nekula (2002) and Nekula et al. (2005) in German-Czech plants in the Czech Republic showed that using the employer’s language (German) affected badly the attitudes of Czech employees to the employer and were a cause of resentments, while the socalled symmetrical adaptation with both parties using lingua franca English produced the opposite effect. While the international dominance of English has been subject to harsh criticism as tantamount to linguicide (cf. e.g. Tsuda 1998), these studies show that availability of English as a lingua franca also can contribute to re-constituting unequal relationships in a way more satisfactory to the weaker party. The functions of intercultural training do not include influencing strategic decision-making on issues such as the choice of language for international intra-company communication, and consultation on this issue is not asked for in such courses. In fact, an overt attempt to transgress the usual frame and offer ideological indoctrination instead of staying focused on the expected and paid-for contents (i.e., cultural differences) might even provoke a remedial action on the part of the senior stuff present in the course, an event that poses a severe threat to the instructor’s professional “face”. However, the instructor who wishes to address the relation be© Interculture Journal 2011 | 14 52 Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters tween language choice and inequality, as well as suggest alternative solutions, can opt for a covert way of inducing reflection in the course participants. This can be done e.g. through job-related role-plays conducted in a foreign language. Another possibility is to use role-plays in which the issue of language choice is introduced as a controversial agenda for a discussion in a simulated work meeting, with a different task in focus – such as practicing some culturedependent negotiation strategies. Such reflection is not likely to occur spontaneously because, for the people involved, asymmetrical adaptation looks just common sense, given the asymmetry in the relationship. 4. Final remarks While overtly stressing the power distance between two parties to a business encounter would be both “politically incorrect” and tactless, i.e. face-threatening to both sides alike, there is little use in the coaches pretending to themselves that communication for which they are supposed to prepare their short-time trainees is going to take place in a power vacuum. It would be equally mistaken to presuppose an openness to value relativism (which few people really embrace) on the part of the course participants. However, before methods are developed to address the inequality issue on a pragmatic level, i.e. in teaching intercultural competence, the current deficit in theoretical reflection needs to get reduced. Intercultural (business) encounters and unequal ones coincide with each other frequently, and it should not be ignored in theoretical inputs to the pedagogy of intercultural communication. References Hofstede, Geert (1991): Cultures and Organisations. 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It is based on participant observation in a Sino-German company. Culture is conceptualized as intersubjective sensemaking. Emic and etic perspectives on culture are differentiated. The study asked to what extent given cross-cultural difference based on large-scale cultural constructs determine behavior and to what extend employees in a Sino-German service company create a new inter-culture when interacting with each other. In our Sino-German case, employees bridged cultural difference via a new concept of ‘practicality’. The main implication is: Cross-cultural dimensions merely describe initial cross-cultural difference, but not the nature and the outcome of Intercultural Creation. These findings encourage interculturalists to rethink their cultural practice. Hence, we implement a paradigmatic shift towards an intercultural understanding of emic cultural meanings instead of focusing on cross-cultural difference based on predefined cross-cultural dimensions. Keywords: emic, culture, cross-culture, cross-cultural dimensions, Interculture, social identity, GLOBE Abstract [Deutsch] Der vorliegende Beitrag zeigt die Entstehung einer neuen Inter-Kultur für eine konkrete deutsch-chinesische Unternehmenskooperation auf. Die Daten wurden mittels teilnehmender Beobachtung erhoben. Kultur wird in diesem Kontext als intersubjektive Bedeutungsherstellung verstanden. Es wird zwischen emischen und etischen Perspektiven auf Kultur unterschieden. Die Kernfrage bestand darin herauszufinden, inwieweit bestehende kulturelle Unterschiede, die auf sozio- und nationalkulturellen Dimensionen basieren, kontextualisiertes Verhalten determinieren und inwieweit MitarbeiterInnen eines chinesisch-deutschen Dienstleistungsunternehmens in der Interaktion miteinander eine neue Inter-Kultur erschaffen. In dem hier diskutierten Fall geschieht dies durch den kollektiven Gebrauch eines Umdeutung von „Praktikabilität“ (practicality). Der Hauptbeitrag dieser Artikels ist folgende Erkenntnis: Kulturdimensionen beschreiben lediglich anfängliche kulturelle Unterschiede, sagen jedoch nichts aus über den von uns identifizierten Prozess kultureller Neuschöpfung, den wir als 55 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example Intercultural Creation benennen. Diese Erkenntnis Interkulturalisten Denkanstöße für die Praxis liefern. soll Mit unserem Beitrag verlassen wir den Fokus auf kulturvergleichende, durch Kulturdimensionen vorgegebene Unterschiede (im Englischen als cross-cultural benannt). Wir implementieren einen paradigmatischen Wandel hin zu einem inter-kulturellen Verständnis emischer Prozesse des kulturellen Sinnmachens. Stichworte: Emisch, Kultur, Interkulturell, Kulturdimensionen, Interkultur, Soziale Identität, GLOBE 1. Introduction Current cultural research is conducted based on various paradigms. We will classify them into two major perspectives. We will call them the given cross-cultural difference or Given Culture perspective and the Intercultural Creation perspective. We intend to show how they differ with regard to the relation between culture and individual, the concept of culture, their research paradigm and methods, and their presentation of culture. In contrast to mainstream comparative cross-cultural research, we conceptualize culture as a process of intersubjective sensemaking (based on Geertz 1973, e.g. Van Maanen 1998). This means: (1) Culture is a shared process of sensemaking; (2) Individuals are not the victims of given national culture but the creators of cultural meanings; (3) borders between cultures are not static but fluid. Our argument is: As creators of culture, individuals might overcome initial crosscultural difference through the creation of new interculture. We call this a state of Intercultural Creation and research upon it qualitatively. Our research setting is a Sino-German service company, the employees of which interact across national cultural borders. We show that Chinese and German employees create a new interculture when interacting with each other that goes beyond initial cross-cultural difference. The contribution of our study is to suggest a shift towards the management of emergent intercultural meanings instead of focusing on management of given cross-cultural difference. Only then will intercultural practice help to bridge the national cultural divide. Our paper is structured as follows: First, we define our research problem and question. Second, we review existing literature and show the significance of our study. Third, we introduce research setting and methods, and our means of data collection. Next, we present our findings which will be discussed afterwards. Finally, we draw conclusions. © Interculture Journal 2011 | 14 56 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example 2. Theoretical background A large bulk of cultural research compares national or societal cultures. It is therefore called cross-cultural. Comparative cross-cultural theory and practice of such kind is based on the assumption that aggregated national/societal cultures differ from each. This means: “Who I am” and how I interpret the world is to a large extent pre-shaped and limited by external cultural influences. In cross-cultural management literature, this perspective has been called the contingency hypothesis (overview in Thomas 2008). As McSweeney (2010: 933-937) has pointed out, comparative cross-cultural studies implicitly assume the contingency hypothesis to be correct; they are based on the paradigm that cross-cultural difference is an external given and that individuals are contingent upon this cultural imprint. We name this perspective the Given Culture perspective. The most prominent cross-cultural studies based on the Given Culture perspective are those by Hall (1976) and Hall and Hall (1990), Hofstede (1980, 2003, Trompenaars and HampdenTurner (1997), and House et al. (2004). An extensive literature review of comparative cross-cultural studies can be found in Dorfman and House (2004:51-73). This review shall not be repeated here. The reason for this is the fact that the specific content of these comparative cross-cultural studies does not matter for our purpose. What matters, is their perspective on culture and the cross-cultural border. This perspective is shared. The following dimensions are well established with regard to Sino-German cultural difference. 57 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example dimension definition / source GER PRC institutional collectivism Degree to which organizational and societal institutional practices encourage and lower reward collective distribution of resources and collective action (House et al. 2004) higher In-group collectivism Degree to which individuals express pride, loyalty, and cohesiveness in their organiza- lower tions or families (House et al. 2004) higher Humane orientation Degree to which a collective encourages and rewards individuals for being fair, altruistic, generous, caring, and kind to others (House et al. 2004) lower higher Assertiveness Degree to which individuals are assertive, confrontational, and aggressive in their relationship with others (House et al. 2004) higher lower Degree to which communication is direct high context and verbal vs. indirect and implicit; high vs. context also implies differentiation below context tween in-group and out-group (Hall and Hall1990) low high context context specific vs. diffuse relationship Personal and public sphere overlap vs. private sphere is reserved for close friends (Hall and Hall 1990; Trompenaars / Hampden-Turner) specific diffuse neutral vs. affective Low vs. high degree to which emotionality affective is shown (Trompenaars / Hampdon-Turner neutral (if in1997) group) Exh. 1: Relevant cultural dimensions for Sino-German cooperation Source: own figure, based on Hall and Hall (1990: 6-12), Trompenaars / Hampden-Turner (1997: 70, 83), House / Javidan (2004:1114), Javidan / House / Dorfman (2004:30), Brodbeck / Frese (2007:162), Fu / Wu / Yang / Ye (2007:887) These dimensions refer to communication (assertiveness, high vs. low-context); the nature of relationship (specific vs. diffuse, neutral vs. affective); and the relationship dimension in work practice (collectivism, humane orientation). Following the Given Culture perspective, cross-cultural difference with regard to these dimensions is to be expected in a SinoGerman setting. On the other hand, individuals constantly ask themselves “Who am I?”, thereby creating concepts of the self. Some answers to the question “Who am I?” will include concepts of the self that are derived from group membership of various kinds (see overview in Stelzl / Seligman 2009). This means “Who I am” as a social being is constructed through sensemaking processes in interaction with others. We call this © Interculture Journal 2011 | 14 58 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example perspective the Cultural Creation perspective. In contrast to the Given Culture perspective, the Cultural Creation perspective researches upon the intra-cultural, i.e. the shared meanings that individuals create and negotiate through social interaction (e.g. Stelzl / Seligman 2009). We assume: If such a creation of new meanings takes place between and amongst individuals from different national or societal cultural backgrounds, it can be conceptualized as inter-cultural creation. It results in a new inter-culture. The cultural scope of the Given Culture perspective and the Cultural Creation perspective differs. The Given Culture perspective mostly focuses on the nation or the society. The Cultural Creation perspective mostly focuses on small-scale cultural settings, e.g. organizations which are called cultural fields (overview in Martin 2003). Given Culture and Cultural Creation lead to different concepts of culture. Following the Given Culture perspective, culture and cultural borders exist “as such” and can be defined objectively. The cultural border is given; hence, it is crosscultural. Yet, following the Cultural Creation perspective, culture is a process of collective sense-making (based on Berger / Luckmann 1966). This means: Culture and cultural borders cannot be defined “as such”; they do not exist objectively. Rather, one has to differentiate between two different sensemaking perspectives, namely the inside, “emic”, perspective and the outside, “etic”, perspective (overview in Martin 2003). Only the emic perspective will deliver the cultural meanings that groups of people give to themselves and to the world. The minimum of emic meaning that is needed in order to signify a state of Cultural Creation is a shared understanding of “who we are” as opposed to “who we are not” (based on Geertz 1973, Ricoeur 1992). In this way, individuals enact ‘same-ness’ and ‘other-ness’ in order to position themselves in relation to each other (based on Ricoeur 1992). The result is perceived difference between perceived groups of self and other (Ricoeur 1992). The cultural border created is fluid and can be bridged; hence, it is inter-cultural. In summary, the Cultural Creation perspective focuses on the hermeneutical process of creating and constructing categories of collective self and other (Hatch / Yanov 2003). Institutions, structure and cultural artifacts are seen as secondary to this hermeneutical process (Hatch / Yanov 2003). Therefore, our study does not focus upon these structural elements of culture. Based on these different concepts of culture, cultural research methods differ as well: If culture exists objectively, then it can be aggregated and measured, and researched upon and interpreted independently from the researcher. Therefore, the 59 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example Given Culture perspective favors quantitative methods that compare large-scale cultures. Yet, if culture is an intersubjective process that is based on perspective, then it can only be approximated through deep interpretation (based on Geertz 1973) of emic sensemaking. Therefore, the Cultural Creation perspective requires deductive qualitative research of small-scale cultural fields (for details see Martin 2003 and McSweeney 2010). During research, the researcher herself/himself becomes part of emic sense-making and is therefore an integral part of data collection and interpretation (e.g. Czarniawska 2008). Throughout our article, we will use the word “culture” as consistent with the Cultural Creation paradigm. We define it as a process of making and remaking collective sense under changing boundary conditions, the goal of which is to provide a sense of collective belonging (own definition based on Geertz 1973). Following the thought that the border of the collective self is not pre-defined, we will use the term “culture” and “social / collective identity” interchangeably. We will call the organizational setting a “cultural field” and refer to members of this setting as “cultural actors” or simply “actors”. We name their ability to create culture “cultural agency” (for agency see Martin 2003). The previous lines have briefly sketched the difference between Given Culture and Cultural Creation. It is summarized in the following table: © Interculture Journal 2011 | 14 60 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example Given Culture Cultural Creation theoretical paradigm objectivist reality reality is constructed socially main assumption individuals are victims of their cultural imprint individuals are agents and creators of culture scope of culture large-scale (nation or society) small-scale: social or collective identity in a specific cultural field layers of culture single culture multiple cultures perspective not considered emic vs. etic cultural meanings cultural difference exists “as such” is created cultural border given: cross-cultural blurred or fluid: inter-cultural research method quantitative / comparative qualitative / deductive cultural data exists “as such” created inter-subjectively through researcher-field relationship intended results aggregated relative difference between nations or societies deep interpretation of emic sense-making in single fields Exh. 2: Conceptual differences between Given Culture and Cultural Creation As exhibit 2 shows, each cultural perspective influences how culture is conceptualized, researched upon and interpreted. When trying to integrate both perspectives, the main problem lies in conceptualizing to what extent individuals are free creators of culture and to what extent external national cultural difference limits their sense-making possibilities. We propose that this problem can be best researched upon at a given and perceived cultural border. We do so because we assume that it will be at the cultural border where the cross-cultural and the cultural in-between (which we call inter-cultural) meet, and where the construction and negotiation of collective self and other takes place. We hypothesize the following: If cross-cultural difference remains and is perceived as such, then cultural actors are indeed limited by the given cross-cultural border. If the cultural border is bridged through the creation of new emic concepts of the collective self, then intercultural actors indeed shape new cultural meanings. We call this process Intercultural Creation. With the word “intercultural” we intend to stress the potential emergence of new integrative meanings beyond initial crosscultural difference. The result will be a new interculture. 61 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example So far, the term ”intercultural´” has mainly been used as an adjective in English language studies on culture. It is almost exclusively used to describe bi-cultural individuals’ specific cultural imprint or competencies; sometimes, it also refers to a perceived need to go beyond comparative (cross-) cultural training that acknowledges the emergence of hybrid, so called “third”, cultures (see Szkudlarek 2009). We use “interculture” as a noun and in its etymological origin as an ”inbetween” culture as conceptualized from a Cultural Creation perspective. Thereby, we give it a new meaning which is linked to the idea of “third” cultures. The major methodological issue when researching upon Cultural Creation is the extent to which emic cultural meaning is shared by cultural actors (overview in Hatch / Yanov 2003). For Cultural Creation it is both, homogenous / unifying and heterogenous / dispersing, resulting in shared and contested cultural meanings. Some cultural meanings will be more homogenous than others. For the state of Intercultural Creation as defined previously, we assume the same, namely that some aspects of a new interculture are homogeneous and unifying, others are heterogeneous and dispersing. Following the anthropological paradigm that culture gives a group of people perceived collective identity as opposed to another group of people, we furthermore assume that the minimum of unification that is needed for a shared culture / collective identity is a shared understanding “who we are” and “who we are not” in a specific context. We next assume that this meaning needs to be exchanged intersubjectively through symbolic language or symbolic interaction (Jones 1996). Otherwise, these categorizations of collective self and other could not be meaningful categories for making collective sense out of social reality (Jones 1996). Therefore, we hypothesize that a similar symbolism must exist for the case of Intercultural Creation. Hence, we intend to look for cultural symbols that signify those “who used to be part of the collective other but are now part of the collective self” and those “who used to be part of the collective other and still are”. When looking for these symbols, we focus on the shared, homogenous and unifying part of cultural meaning. Therefore, we do not mean to say that there is no cultural variance within the field: We simply do not focus on this variance in this paper. © Interculture Journal 2011 | 14 62 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example 3. 3.1 Field and field methods Details to the field We studied culture in a field in which assumed given etic national cultural difference and emic Cultural Creation at the border between collective self and other met. Our field was a Sino-German service company that provides consulting and support to German small and medium-sized enterprises (SMEs) from technical industries which intend to enter the Chinese market or have already done so. For this purpose, Chinese employees at a site in the PRC and German employees at the German headquarters constantly work together across national cultural borders. These conditions made the research setting ideal for our purposes due to three reasons: Firstly, the service industry requires frequent external interactions with external clients, partners, and suppliers across organizational and national cultural borders. This demands for collective identity work by those acting at and across these borders (Swann / Russell / Bosson 2009), involving national cultural dimensions. Secondly, the organization itself spans different national and societal cultures, having sites in both the P.R. China and in Germany. Therefore, we can investigate into potential emic intercultures that bridge assumed etic national/societal cultural differences. China Service Ltd. was founded in 1996 with 31 employees during the time of research. It provides consulting and support to German small and medium-sized enterprises (SMEs) from technical industries which intended to enter the Chinese market. The company also manages and administers customer and supplier relationships for clients who have already entered the market. Furthermore, it conducts market research and quality control, and searches for potential Chinese partners on behalf of its corporate clients. For customer service, German employees at the German headquarters and Chinese employees in an office in the People’s Republic of China (PRC) cooperate and interact across national borders. Chinese employees in the PRC are assigned to German corporate clients, sometimes exclusively, and act on behalf of the client while still being employed by China Service Ltd. Yet, with Chinese partners, suppliers, and customers, and with governmental institutions, they present themselves as representatives of the clients. During the time of research in 2009, 15 of such employees worked at the Chinese office, all of them being ethnic Chi- 63 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example nese. They represented 46 German SMEs. Employees at both sites were between 30 and 46 years old; managers being slightly older. About one quarter of staff was female; the percentage was lower among management at both sites. Taking care of German clients on the Chinese market demanded frequent and regular communications between Chinese and German employees. Most of the time, management did not interfere into project-based communications. The main channels used were e-mail and telephone. Even though most Chinese employees had visited German headquarters at least once, none of them had worked in Germany for longer than one month at a time. All of them spoke German and/or English fluently through previous university education. Language abilities were a major criterion for recruitment. One of the authors entered this field in the role of an intern who was to assist staff in purchasing and sales of engineering goods, in quality control and in negotiations. As the researcher has an academic background in international industrial engineering with a focus on sales and purchasing, this role was welcomed by the field. The interactions observed and the conversations held depended on the researcher role: As in every holistic participant observation that intends to deduct emic meanings, the researcher did not steer interaction but took in those interactions that happened to him (Bate 1997, Martin 2003, Van Maanen 2006). In this way, the researcher is guided through the field by cultural actors themselves. Basically, the researcher reflects upon what happens to her/him, while acting in a certain role in the field. The researcher is a native German who is fluent in the English language, yet does not speak Mandarin Chinese. It was the researcher’s first visit to China and his first work-experience outside Germany. This condition made him experience significant cultural difference in the beginning which he later categorized as a higher humane orientation and collectivism, a higher degree of relationship, and less assertiveness when compared to the German cultural norm (based on House / Javidan 2004). Furthermore, he experienced relationships to be more diffuse and affective, and context-orientation to be higher (see exhibit 2). This experience made him aware of his own cultural imprint (Bennett 1986) and encouraged Chinese employees to ‘teach’ cultural practice to him. This proved to be a major means of access for uncovering what was considered to be ‘normal’ work-practice and behavior in this specific field. © Interculture Journal 2011 | 14 64 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example 3.2 Data collection and interpretation Data was gathered through a four-month period of full-time participant observation that was conducted by one of the authors at China Service Ltd. between February and June 2009. The initial two weeks were spent at the German headquarters; three and a half months were spent at the China operations, including visits to partners, suppliers and customers. While in the field, the researcher put observations, accounts of conversations, his daily-routines and reflections upon himself and the field into a field-diary. Entries were made either directly after a social interaction or every evening at the latest. Every week, the researcher re-read, re-interpreted and recategorized his entries, thereby densifying his interpretation. Next, interpretations were correlated and triangulated with internal field data and external comparative cultural constructs and further literature. Throughout the research process, the researcher exchanged his interpretations with actors in the field, either verbally or through social interaction. This process is called “mirroring” (Marcus 1998) and intends to make sure that research interpretations are inter-subjectively meaningful from an emic perspective. Though this process, cultural patterns were identified. Exhibit 3 provides an overview of the data collection methods employed: data collection technique participant observation German headquarters Chinese operations 2 weeks 3 ½ months No No informal interviews 5 37 meeting attendance 4 15 informal interaction in the field Yes / high Yes / high social activity beyond the field Yes / low Yes / high documents, websites, reports Yes Yes 2 weeks 3 ½ months formal interviews total duration of research Exh. 3: Data collection and interpretation techniques 65 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example 3.3 Interpretative process As has been stated, the Cultural Creation assumes that actors construct culture and identity through discourse and embodied action, thereby creating intersubjective emic meanings. This process can only be deduced qualitatively (Bate 1997, Van Maanen 2006). As we assumed the potential creation of a new inter-culture to be a highly contextualized process that might be embodied, emotional, tacit or otherwise non-verbal and prereflexive, we chose participant observation as our main tool of research. We employed it over four months, both at the German and at the PRC site of China Service Ltd. (for multisited participant observation see Hine 2007). Participant observation makes the researcher the main tool of research (Van Maanen 2006). As common in qualitative research, we approached the field holistically and deducted research questions from the field. In an interactive process of sensemaking with the field, the researcher observes, experiences, learns, enacts, and voices emic meanings herself/himself, thereby uncovering categories of what is considered ‘normal’ and ‘not normal’ in the field (Van Maanen 2006). For doing so, participant observation provides two options: Either the researcher learns and applies accepted behavior and discourses to the field, or she/he consciously violates accepted behavior and discourses, thereby locating the boundary of the cultural norm (Marcus 1998, Van Maanen 2006). Through this process, cultural norms and “patterns” (Geertz 1973) become visible. In the case of virtual cross-site interaction which takes place virtually, the researcher is limited by the fact that such communication cannot be observed directly (Hine 2007). In this case, the researcher has to largely rely on the verbal sense that cultural actors make of their doings through symbolic language. Critical voices have argued that participant observation results in an “invention” of the field by the researcher (Bate 1997) mainly due to two arguments. Firstly, it has been argued that cultural meaning in the field itself is subjective. However, cultural actors are never free in constructing their own meaning of the world (based on Berger / Luckmann 1966, overview in Hatch / Yanov 2003). Rather, their scope of interpretation is limited by context, social norms, power relations, and many more influencing factors (Hatch / Yanov 2003). These boundary conditions will result in inter-subjective meaning which can be learned as cultural patterns, norms and rules by the participant observer (based on Geertz 1973). Secondly, it has © Interculture Journal 2011 | 14 66 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example been argued that the researcher is subjective herself/himself. And indeed, participant observation can never deliver findings beyond the researcher’s own limitations. The task for the researcher is to make her/his findings inter-subjective through conscious interaction with and reflection upon the field (Marcus 1998, Van Maanen 2006). Hence, we argue that participant observation has to meet processual criteria of excellence to be sure of the meaning it produces and to possess rigor. We define them as oscillation and densification (Mahadevan 2011b). With oscillation, we mean the researcher’s constant self-reflexive and systematic re-positioning between insider and outsider perspective, between participation and observation, and between inner and outer view. With densification, we mean the systematic circular process of (1) data collection, (2) data interpretation, (3) identification of cultural patterns, (4) application or conscious violation of cultural patterns by the researcher, (5) interpretation of field-researcher interaction, which is used for new data generation and leads back to (1). Through oscillation and densification, internal validity in the sense of intersubjectivity and processual rigor will be guaranteed. The participative researcher can also employ oscillation and densification when observing virtual interaction, namely by telling the same stories and employing the same narrative patterns in the same contexts or by consciously doing otherwise, thereby violating cultural norms. In retrospect, the research question with regard to this paper was to find out whether employees in a Sino-German service company, named China Service Ltd., create a new interculture when interacting with each other. 4. Elements of a new interculture: the integrative concept of practicality Holistic participant observation deduces cultural patterns from the field through oscillation and densification. In this way, data is generated and interpreted in a circular process. It was not our purpose to analyze the field diary and lived researcher-field interaction on the level of linguistic discourse. Rather, the aim was to identify cultural patterns as represented through communication that signify unifying elements of a potential new inter-culture that bridges assumed given national cultural difference. For doing so, we looked for key dichotomies in the field diary that might signify constructs of collective self and collective other. We did so during research; the researcher mirrored our interpretations back to the field. 67 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example Early in this process, we discovered a frequent use of the words “practical person” vs. “impractical person” in the English language and “praktischer Mensch” vs. “unpraktischer Mensch” in the German language when Chinese employees spoke about their German counterparts. This dichotomy turned out to be the characterization of German counterparts by Chinese employees that was verbalized towards the researcher the most frequently. We therefore conceptualized it as a verbal expression that signifies broader cultural meaning beyond its immediate wording. As we have stated, any culture / collective identity needs to have a shared understanding of “who we are” as opposed to “who we are not”, i.e. a minimum of unified cultural meaning. Therefore, we assume that the categories of collective self and collective other in a cultural field are rather homogenous and unified throughout the field. Yet, we only make this claim for this cultural element. We do not assume that all cultural meanings in the field are equally unified. With regard to the key dichotomy of “practical vs. impractical person”, we will present five examples that are typical in certain aspects; we classify them as quote types 1-5. Quote 1: “I am a huge fan of Peter! Since he has been with the company, everything has been working out just fine. He is a practical person.” (Chinese employee, male, aged 34, describing a German employee) Quote 2: “I have daily telephone conversations with Klaus, funny person. He is always joking. We work together well. We always help each other when working together. (…) Klaus owns a beautiful house. Last time, I was at his home. He always buys computer games for his children here in China. When I was at his home, we played games together. He is a very practical person.” (Chinese employee, male, 36, describing a ‘practical’ German colleague) Quote 3: “The visit to company X was very nice. During my last visit, we drank a lot of beer. I can show a picture to you! The boss will come back to China as well; he is going to attend a trade fair in May. (…) He is a very practical person.” (Chinese employee, male 32, describing the visit to a client in Germany) Quote 4: “Next, you have to send [this template, the authors] back to Germany, and they will clean it up a little bit, and then I can continue working on it (…). You know, [my German counterpart, the authors] is a very practical person.” (Chinese employee, telling the researcher what to do with a certain template) Quote 5: “I don’t know exactly what their [the German client’s, the authors] intentions are, but I filled in this list [of potential partners, the authors] for them. I also don’t know them [the German client, the authors]. He [the German client’s representative, the author] © Interculture Journal 2011 | 14 68 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example has never been to China. Why not just go to a trade fair together and have it done? This would be practical. Still, I have to do something; he is the client, after all. (…) But this is very difficult, if the client is such an impractical person.” (Chinese employee commenting on a German client’s request to acquire new partners via telephone) Based on these quote types, we identified key characteristics of how to identify whether someone is a ”practical” and ”impractical person” to work with. We classified these cultural meanings into major categories as defined by cultural dimensions, namely work-practice, relationship and communication. They are summarized in exhibit 4 below: category Practical Person (quotes 1-4) Impractical Person (quote 5) things work out well (quote 1) working together well (quote 2) relationship dimension in work practice helping each other (quote 2) cleaning up work (quote 4) Making me feel that “I don’t know what they want” working interdependently (quote 4) going to trade fair together (quotes 3 and 5) Making me “a huge fan of...” (quote 1) Is always joking (quote 2) nature of relationship I have visited them (quotes 2 and3) Making me feel that “I don’t know them” Inviting me to his home (quote 2) Coming to China (quote 5) communication Daily phone conversations (quote 2) Lack thereof Exh. 4: Cultural meanings of a ‘practical’ and ‘impractical’ person The researcher mirrored them back to the field in informal interaction and through norm-oriented or norm-violating behavior. Based on this process, we summarized practical work practice as interdependent; a practical relationship as emotional, affective and close; and practical communication as frequent interactions. We interpreted impractical work practice as cooperation lacking interdependency, relationship, affectivity, and interaction (based on exhibit 2). These characteristics will be analyzed with regard to their significance for Intercultural Creation in the following section. 69 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example 5. 5.1 Interpretation and discussion of findings The Given Culture interpretation Following GLOBE, the Chinese cultural norm compared to Germany is characterized by a much higher tendency towards collectivism and humane orientation, and by much lower assertiveness. These assumptions are associated with highcontext orientation (exhibit 2). Indeed, German employees are referred to with personal detail (quote 2). Having been welcomed into a colleague’s home or having met a client in an informal setting is highly valued (quotes 2 and 3). A lack of personal relationship is said to impact work outcome (quote 5). This could signify higher humane orientation (GLOBE) and a higher orientation towards affective and diffuse relationship (exhibit 2). The deduction of a more affective relationship is supported by another employee’s statement who concedes to being “a huge fan of” a German employee (quote 1). In summary, quotes 1-3 link a ”practical person” to descriptions of good relationship and being in a type of personal contact which also involves emotions. Quote 4, however, links ”practicality” to interdependency and a helping each other out. One could interpret all these aspects with the help of specifically Chinese cultural standards. In contrast to comparative cross-cultural dimensions that describe relative difference between societal/national cultures, cultural standards describe norms within societal/national cultures from the Given Culture perspective. For greater China, harmonious interpersonal relationships governed by guanxi (interpersonal relations), human-centred obligations and reciprocity have been identified (Warner 2010). Quotes 1-4 might signify these standards; quote 5 might signify the lack thereof. In summary, the German cultural norm in relation to the Chinese cultural norm is characterized by a much lower tendency towards collectivism and humane orientation and by much higher assertiveness. These dimensions are associated with low-context and task-oriented communication at work (based on Hall and Hall 1990) and with specific and sober relationships (based on Trompenaars / Hampdon-Turner 1997). The term ”practicality” fits these norms. Therefore, it could signify specifically Chinese cultural dimensions and standards. © Interculture Journal 2011 | 14 70 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example 5.2 The Cultural Creation interpretation From a Cultural Creation perspective, however, one has to ask why the specific term “practical person” emerged in this cross-cultural field to signify a person who belongs to the collective we from Chinese perspective. If the concept were to denote specifically Chinese concepts, why not call it guanxi (relationship) or renqing (human-centered obligations)? When only the immediate (denotative) meaning is considered, “practicality” does seem to denote a neutral and sober relationship and a high task-orientation. If this be the symbolic meaning of this expression, then a ”practical person” would be an indicator of German cultural norms. Yet, as has been said, the broader (connotative) narrative explanations to ”practicality” as visible through the given quotes also signify a combination of good personal relationship and interdependency (quote 1-4). Therefore, a ”practical person” might represent the Chinese cultural norms of high humane orientation, high in-group collectivism and low assertiveness (GLOBE), diffuse relationship (Hall 1976, Trompenaars / Hampden-Turner 1997), affectivity (Trompenaars / Hampden-Turner 1997), and harmonious interpersonal relationships (Warner 2010). This combination between immediate wording and broader meaning makes the term “practicality” an ideal term to bridge given national cultural difference. In summary, the broader meaning of a ”practical person” and their behavior reflects Chinese cultural norms, whereas the immediate wording of ”practicality” reflects German cultural norms. Due to this ambiguity, this expression ‘makes sense’ from both a Chinese and German perspective. Therefore, it has the power to transport inter-cultural meaning and can therefore symbolize a new interculture. The German counterparts’ strategy to invite Chinese business partners and colleagues into their own private sphere can be interpreted as a first appropriation of the Chinese cultural norm. The use of the term ”practicality” by Chinese employees could be interpreted in the same way. Following Bennett (1986), this signifies intercultural learning through adaptation and integration. Following our previous definition, this signifies a state of Intercultural Creation. ”Practicality” could also be conceptualized as a cultural “ante-narrative” (Boje 2008). According to Boje, antenarratives are not yet finite processes of verbal sense-making that integrate previously unrelated cultural elements. The inherent ambiguity of ”practicality´” can be interpreted along 71 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example these lines: It serves to integrate previously unrelated cultural concepts. In the future, the inherent contradiction between the broader (connotative) and immediate (denotative) meaning of ”practicality” might either remain an asset or might lead to interpretative conflict. In any case, the key dichotomy of ”practical” vs. ”impractical person” indicates an emergent process of Intercultural Creation and might preclude a shift in collective identity. It does not yet signify a finite interculture. 5.3 Implications For interculturalists, the Intercultural Creation perspective has three consequences for their practice: (1) be aware that cultural meaning cannot be prescribed; (2) acknowledge that intended etic sense-giving can be interpreted in many ways; (3) constantly aim to uncover emic categories of collective self and other. The first two require a shift in cultural paradigm. The third aspect requires interpretative action. We suggest the following approach for uncovering emic meanings in small intercultural fields: (1) First try to identify symbols that might signify Intercultural Creation. In our study, a new dichotomy of collective self and other beyond German versus Chinese was indicated by the verbal expressions of ”practical person” and ”impractical person”. (2) Investigate into the meanings that are given to these new categories and classify them into (a) given difference based on initial cross-cultural dimensions and cultural standards and (b) into new emic meanings. (3) Assess whether these new meanings have the power of bridging given cross-cultural difference. If so, design and implement a strategy and action that strengthens the unifying elements of Intercultural Creation, e.g. through reflexivity in work-practice and joint team-development activities. (4) Investigate into the emic sense that is made out of your action. Revise strategy and action, if necessary. 5.4 Limitations Two limiting issues have to be reflected upon in order to judge quality and nature of access and of researcher-field relationship, namely language and power. Firstly, the researcher did not speak Chinese. Therefore, he was limited to German and English language conversations. Due to his background, he was categorized as German by actors in the field. Therefore, he was not the right person to © Interculture Journal 2011 | 14 72 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example uncover emic intra-cultural elements of Chinese culture. Yet, we were interested in how the given Sino-German border is bridged through inter-cultural strategies. In our research setting, this had to be done in either German or English as no German employee spoke Chinese. Towards a German researcher, Chinese employees would most likely use the same bridging strategies they would use with any other German employee. Therefore, for the purpose of our research, we considered this researcher’s cultural identity more an asset than a liability. Secondly, the researcher was most likely categorized as representative of German headquarters by Chinese employees. German headquarters is dominant towards them, as it prescribes corporate language and establishes contact to the client. Combined with the fact that the researcher did not speak Chinese, this made it very unlikely for him to gain access to patterns of resistance towards German headquarters. Therefore, we could only focus on the unifying elements of a potential inter-culture and not on potential dispersing resistance towards German headquarters. The fact that we did not include potential issues of power and resistance is solely due to the stated limitations of our access and not due to our neglect of unequal power relations in modern business. In fact, we advocate that more cultural research be conducted from this perspective and have done so in other cases (Mahadevan 2011a). To summarize the limitations of our study: Due to the language barrier, we could not deliver insights on intra-cultural emic meanings at the Chinese site. Due to specific power relations, we could not focus upon the dispersing elements and the heterogeneity of emic cultures. With regard to the research problem, these limitations mean: We could find proof for the existence of unifying elements of emic interculture, yet, we could not counterweigh it with uncovering dispersing elements under the condition of asymmetric power relations. 6. Conclusion Our study contributed to intercultural research and practice by providing an example of how cultural actors in a crosscultural field create new emic meanings beyond given national cultural dimensions. We have called this state Intercultural Creation and have researched upon it qualitatively. It was not our argument that the state of Intercultural Creation implies that given cross-cultural difference as defined by cultural dimensions does not exist initially in a cross-cultural 73 © Interculture Journal 2011 | 14 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example field. For the researcher as a new arrival to the field, crosscultural dimensions helped to conceptualize own experiences of cross-cultural difference. Rather, it is our argument that cross-cultural dimensions and large-scale cultural standards are too simplified and deterministic in order to explain which emic sense intercultural actors will make out of initial difference. Furthermore, cross-cultural dimensions cannot foresee to which degree cultural actors have the cultural agency to bridge them through Intercultural Creation. We argued that such processes of Intercultural Creation can be identified through symbolic meanings that integrate previous difference of collective self and collective other. In our study, the symbol that integrated previously unrelated cultural meanings was the verbal construct of a “practical person”. We have uncovered difference between the immediate wording and the broader meaning of ”practical person”: Whereas the immediate wording seems to indicate German cultural norms, the broader cultural narrative seems to signify Chinese cultural norms. Through this ambiguity, given cultural difference is linked. Due to the qualitative nature of our study, our generalizable contribution is the perspective and not the actual findings. To increase practitioners’ and researchers’ understanding of intercultures in various fields, further qualitative and explorative longitudinal research has to be conducted in different organizational settings. Special attention should be given to emergent processes of interculture and not to finite and given cross-cultures. As our study has shown, the latter are merely the initial conditions of emic sensemaking but by no means its outcome. Hence, we propose a paradigmatic shift towards an integrative intercultural management of emic cultural meanings instead of focusing on comparative cross-cultural management based on predefined cross-cultural dimensions. References Bennett, M. (1986): A developmental approach to training for intercultural sensitivity. International Journal of Intercultural Relations 10(2), pp. 179– 195. Berger, P. / Luckmann, T. (1966): The Social Construction of Reality. New York: Routledge. Boje, D.M. (2008): Storytelling Organizations. Los Angeles / London: Sage. Dorfman, W. / House, R. (2004): Cultural influences on organizational leadership: literature review, theoretical rationale and GLOBE project goals. In: House, R. / Hanges, P. / Javidan, M. / Gupta, V. (Eds.): Culture, Leadership, and Organizations. The GLOBE Study of 62 Societies. Thousand Oaks / London / New Delhi: Sage, pp. 51-73. © Interculture Journal 2011 | 14 74 Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example Fu, P.P. / Wu, R. / Yang, Y. / Ye, J. (2007): Chinese culture and leadership. In: Chokar, J. / Brodbeck, F. / House, R. (Eds.): Culture and Leadership Across the World. The GLOBE Book of In-Depth Studies of 25 Societies. Mahwah / London: Lawrence Erlbaum, pp. 877-907. Gabriel, Y. (2000): Storytelling in organizations. Facts, fictions, and fantasies. Oxford / New York: Oxford University Press. Geertz, C. (1973): The Interpretation of Cultures. Selected Essays. New York: Basic Books. Hall, E.T. (1976): Beyond Culture. Garden City: Doubleday. Hall, E.T., / Hall, M.R. (1990). Understanding cultural differences. Yarmouth: Intercultural Press. Hatch, M.Y. / Yanov, D. (2003): Organization theory as an interpretative science. In: Tsoukas, H. / Knudsen, C. 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Einleitung Konzepte von Face sind in den letzten Jahren intensiv in asiatischer Perspektive beleuchtet worden (für einen Überblick siehe Ting-Toomey 2005 sowie Henze 2008). Abgesehen von populären Ratgebern (vgl. z.B. Al-Sabt 1996) ist die arabische Perspektive auf Face bislang kaum erläutert worden. Die Frage nach Face-Konzepten im Arabischen ist in der Forschungsliteratur nicht zu finden. Vorliegender Beitrag widmet sich in einer ersten Annäherung dieser Thematik. Detaillierte Analysen und eine empirische Fundierung stehen noch aus. Die Leitfragen des Beitrags lauten: Gibt es Face-Begriffe und -konzepte im Arabischen? Wenn ja: Welche sind es und zu welchen Ergebnissen führt der Vergleich dieser mit den bekannten Begriffen und Konzepten von Face, die vornehmlich in Auseinandersetzung mit chinesisch geprägten Kulturräumen entwickelt wurden? 2. Was ist Face? Nach Goffman ist Face eine Maske, die je nach Audienz und der sozialen Interaktionssituation variiert (Goffman 1955 und 1971). Das Image einer Person ist eine Anleihe von der Gesellschaft (Goffman 1971:15) und Goffman versteht Image „[…] als de[n] positive[n] soziale[n] Wert […], den man für sich durch die Verhaltensstrategie erwirbt, von der die anderen annehmen, man verfolge sie in einer bestimmten Interaktion“ (Goffman 1971:10). 77 © Interculture Journal 2011 | 14 Jammal: Eros-Face Die Politeness-Ansätze des Linguisten Lakoff (1973) sowie von Brown und Levinson (1978) fokussieren die Bemühungen, Face in Anbetracht von „face threats“ aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen. Mills schreibt: „Politeness is the expression of the speakers’ intention to mitigate face threats carried by certain face threatening acts toward another” (Mills 2003:6, vgl. auch Watts 2005). In einer verbreiteten Definition bezeichnet Face „the negotiated public image, mutually granted each other by participants in a communicative act” (Henze 2011:81ff.). Entscheidend an dieser Erläuterung ist, dass Face in kommunikativen Akten zum Tragen kommt. Ting-Toomey und Kurogi (1998) unterstreichen diesen Aspekt und weisen sowohl auf die Beziehungs- und Netzwerkeaspekte hin, die für die kommunikativen Akte konstitutiv sind, als auch auf die Identitätsbildung: Face ist “[…] an individual’s claimed sense of favorable social self-image in a relational and network context. Facework is defined as clusters of communicative behaviors that are used to enact self-face and to uphold, challenge/threaten, or support the other person’s face. Face is a cluster of identity - and relational-based issues that simmers and surfaces before, during and after the conflict process. Face is associated with respect, honor, status, reputation, credibility, competence, family/network connection, loyalty, trust, relational indebtedness and obligation issues.” (Ting-Toomey / Kurogi 1998:190) Im Folgenden belege ich dieses Verständnis, das von einem konstruierten Image als variable Maske ausgeht, die in Beziehungen und Netzwerken verhandelt wird, mit dem Begriff allgemeines Face und deute im Vergleich zu chinesischen Face-Konzepten an, dass zwar ein Pendant dafür in arabischer Perspektive zu finden ist, genannt „waģh“. Jedoch wird darüber hinaus angenommen, dass ein Gender-spezifisches Face-Konzept im Arabischen existiert, für das ich zur Abgrenzung den Namen „Eros-Face“1 gewählt habe. 3. Allgemeines Face: Mianzi und Lian In seiner detaillierten Analyse chinesischer Perspektiven auf Face geht Henze (2011) folgerichtig auf die Kommunikation ein und erläutert die vier Modi bzw. Prinzipien situationsbezogener Kommunikation: Der Modus der impliziten Kommunikation (hanxu), das Prinzip der „auf (Zu)Hören“ zentrierten Kommunikation (tinghua), das Prinzip der an Höflichkeit ausgerichteten Kommunikation (keqi), die auf die Vermeidung von Disharmonie (oder anders ausgedrückt: die Sicherung von Harmonie) im Kommunikationsakt abzielt, und die prinzipielle Unterscheidung bzw. den Modus der insider © Interculture Journal 2011 | 14 78 Jammal: Eros-Face versus outsider Kommunikation (zijiren versus wairen) (Henze 2011, Gao / Ting-Toomey 1998:37ff.). Unterschieden wird im Chinesischen zwischen zwei FaceKonzepten: Mianzi und Lian (King 2010): Mianzi benötigt „a social context whereas lian [is] an inherent aspect of a person's existence and may not have a social context” (King 2010:37). King führt weiter aus, dass Lian „an all or nothing element” ist, während mianzi „can wax and wane as events unfold”. Mithin ist lian „more important and infinitely more precious than mianzi“ (King 2010:37). Gao schlägt zur weiteren Differenzierung zwischen den beiden Konzepten vor, Mianzi als „interactive face“ und Lian als „evaluative face“ zu bezeichnen (King 2010:38). King erläutert diesen Vorschlag wie folgt: „Gao defined evaluative face as a social evaluation that includes both cognition and emotion but either existed or did not exist and was not available for exchange for social resources“. Interactive face hingegen „involves cognition and behavior and could be changed into a social resource thus inductively equating to mianzi“ (King 2010:38). Sowohl die oben angegebenen Erläuterungen und Differenzierungen von Face als auch die vier Kommunikationsmodi bzw. -prinzipien lassen sich in arabisch-islamisch geprägten 2 Kulturräumen finden - auch wenn die Modi zwischen den unterschiedlichen Kollektiven stark variieren können (vgl. Feghali 1997). So weicht z.B. die Kommunikation zwischen Managern moderner Unternehmen von der zwischen den Mitarbeitern und dem Firmeninhaber in traditionellen Kleinund Kleinstbetrieben merklich ab (Jammal 2007). Lässt man dies außer Acht, so kann das arabische Pendant zum Mianzi-Face in dem Konzept „waģh“ gesehen werden (Wehr 1977, Rosen 1984). „Waģh“ bedeutet so viel wie allgemeines Gesicht und auch Fassade. Das Gesicht von jeman3 dem in Verruf zu bringen, heißt, „sein Gesicht schwärzen“ , das Gesicht eines anderen verbessern, heißt „Gesicht weißeln“. Es gilt ebenfalls für das arabische „waģh“, dass es in kommunikativen Akten konstruiert, bewahrt, „geschwärzt“, „geweißelt“ bzw. wiederhergestellt und im Extremfall ruiniert werden kann. Zentral für die Aufrechterhaltung eines positiven Gesichts ist die Würde, arabisch „karãma“ ()ڪراهه. Auch wenn es hier im Einzelnen nicht gezeigt werden kann, ist davon auszugehen, dass dieses Face-Konzept im Arabischen zu finden ist (das öffentliche Bild ist konstruiert, es ist eine variable Maske, die in Beziehungen und Netzwerken verhandelt wird). 79 © Interculture Journal 2011 | 14 Jammal: Eros-Face 4. Das Eros-Face und seine zwei Begriffsvarianten 4 Im Arabischen gibt es ein weiteres Face-Konzept: Das ErosFace. Es wird mit drei Begriffen umrissen5: „ãr“ ()عا ر, „ird“ ( )عرضund „´aib“ (Wehr 1997). Letzterer wird an späterer Stelle erläutert. Der erste Begriff „ãr“ meint Schmach, Schande oder Unehre und verweist auf die Notwendigkeit von Ehre und Würde. „Ird“ hingegen ist guter Ruf. Der Begriff wird in zweifacher Hinsicht verwendet. Erstens bezeichnet er die Ehre und Würde eines Menschen (Eros-Face eines Individuums). In dieser Verwendung beruht der gute Ruf bei einem Mann in vielen Fällen auf verbreiteten Männlichkeitsvorstellungen. Der Begriff des guten Rufs (Eros-Face) kann somit in dieser Begriffsverwendung nicht nur, sondern auch mit Intimität zu tun haben. Die diesem Begriff zugrundeliegenden sozialen Konstruktionen von Männlichkeit sind historisch wandelbar und in unterschiedlichen Varianten nicht nur in arabisch-islamisch geprägten Kollektiven zu finden (vgl. z.B. Bosse / King 2000, Meuser 1998). Wichtig für die weitere Differenzierung des Begriffs des guten Rufs im Arabischen ist, dass das Eros-Face in dieser Verwendung individuell ist. Das heißt: Der Begriff verweist nicht auf bestimmte Frauen und Kollektive6, sondern lediglich auf ein anonymes Kollektiv. Lässt man den Gender-Aspekt bzw. den Intimitätsaspekt außer Acht, so stellt „ird“ in der angegebenen Begriffsverwendung ein Pendant zum chinesischen Lian dar. „Individualistisch“ meint bei beiden Konzepten, dass der Bezug zu einem anonymen und nicht zu einem bestimmten Kollektiv besteht, das Werte wie Würde und Respekt definiert. Der Begriff ist im Übrigen in dieser individualistischen Verwendung auch auf Frauen anwendbar. Ihm liegen historisch gewachsene soziale Konstruktionen von Frauen zugrunde. Die zweite Begriffsverwendung ist spezifisch kollektivistisch, in hohem Maße Gender-„biased“ und sie bezieht sich ausschließlich auf Intimität. Der Begriff „Ird“ meint in dieser Verwendung zum einen das öffentliche Image eines Kollektivs, dem Frauen angehören, und zum anderen das öffentliche Image einer Frau oder eines Mannes, jedoch auch nur in Bezug zu den ihm zugeschriebenen Frauen. Der Begriff verweist also hier auf bestimmte Frauen und Kollektive. Im Zentrum stehen stets die Frau und ihre Jungfräulichkeit. Öffentlich meint hier nicht nur die Beziehung zu Fremdgruppen, sondern auch zu den Mitgliedern des eigenen Kollektivs - gleichviel wie groß oder wie klein dieses ist (Rosen 1984). In einer negativen Bestimmung geht es bei diesem kollektivistischen Eros-Face im Kern um die Abwehr von Eindringlingen © Interculture Journal 2011 | 14 80 Jammal: Eros-Face in die Privatsphäre des Kollektivs, um die Verhinderung von außerehelicher und gewaltsamer Geschlechtlichkeit zwischen Mitgliedern anderer Kollektive und Frauen des eigenen Kollektivs und schließlich vor allem um die Unterbindung von Wollust, soweit diese außerhalb des ehelichen Bereichs vorliegt. Letztlich ist der gute Ruf („ird“) nur unter der Abwendung von Schmach („ãr“) möglich. In positiver Bestimmung: Bewahrt werden soll ein Bild unbefleckter und stets keuscher Privatsphäre eines Kollektivs oder einer Person. Konstitutiv für das Eros-Face der Männer eines Kollektivs ist, dass sie für die Bewahrung von Unbeflecktheit und Keuschheit ihres Kollektivs in Bezug auf die Frauen desselben Kollektivs verantwortlich sind. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, verliert das Eros-Gesicht. Wer es bewahrt, hat prima facie einen positiven öffentlichen Ruf („ird“). Dies ist entscheidend für die Identitätsbildung eines Mannes. Wer seinen guten Ruf („ird“) verloren hat, ist bestenfalls bedauernswert und hat eigentlich die Prüfung aller Prüfungen, eben die der Männlichkeit, nicht bestanden. Die Frauen eines Kollektivs bilden im Eros-Face-Konzept den verletzbarsten Kern sowohl des öffentlichen Bildes („ird“) als auch des Schmachkonstrukts („ãr“). Die Schmachgefahr lauert und es herrscht daher - je nach Kollektiv - eine starke Reglementierung, die mit dem Wort „´aib“ ( )عيبbelegt wird. „´Aib“ meint so viel wie „zum Verderben bzw. zur Schande führend“. Alles, was den guten Ruf („ird“) gefährdet, ist etwas, das zum Verderben führt („´aib“). Und so kann man sich vorstellen, dass diejenige Instanz in einem Kollektiv die größte Macht hat, welche darüber bestimmt, was „´aib“ und folglich zu unterlassen ist. Im Übrigen: Nicht alle „´aib“-Bestimmungen sind auf das Eros-Face bezogen. Es gibt „´aib“-Bestimmungen innerhalb der Erziehung für das, was „man nicht tut“. Bezogen auf das Eros-Face sind die „´aib“-Bestimmungen häufig nicht nur moralisch, sondern auch volksreligiös beladen. Damit wird der Eros-bezogene Ruf („ird“) sakral umhüllt.7 Interessant ist des Weiteren, dass es einen Begriff dafür gibt, Verpöntes zu verdecken, um kein Unheil in dem Kollektiv anzurichten: Es heißt „sitr“ und das Wort kommt vom „sitar“, das Vorhang oder Schleier bedeutet (Wehr 1977). Ein „verschmutztes“ Eros-Face kann - wie es im arabischen heißt - gewaschen werden. Der Preis einer solchen Waschung ist in der Regel sehr hoch. Es erfolgt häufig durch Mord an der betroffenen Frau und / oder an demjenigen, der die Schande verursacht hat8. 81 © Interculture Journal 2011 | 14 Jammal: Eros-Face Beide Begriffe - Schmach („ãr“) und guter Ruf („ird“) - sind im Bereich der nahöstlichen Tradition und des Volksislam anzusiedeln und weniger mit dem Koran zu begründen. Stammes- und Clandenken bzw. -strukturen sind es, die beide Begriffe begründen. Im Koran kommen zwar die Begriffe vor (3,26-27; 49,13; 70,23-35), aber es geht dabei um die Ehre, 9 die Gott dem rechten Gläubigen gibt . 5. Besonderheiten des Eros-Face Es ist sicherlich erkennbar geworden, dass das Eros-Face Gender-spezifisch ist. Dies wurde meines Wissens in der bisherigen Face-Literatur - zumindest im arabischen Kontext nicht thematisiert, obwohl die Sachverhalte, um die es dabei geht, grundsätzlich bekannt sind. Auch existiert der Genderaspekt in der chinesisch-orientierten Faceliteratur nicht. Mianzi und Lian kennen keine Genderaspekte. Eine weitere Besonderheit des Konzepts Eros-Face ist, dass es sowohl individuell als auch kollektivistisch sein kann. Letzteres ist Gender-„biased“ zu Ungunsten der Frauen. Das Phänomen des kollektiven Face im chinesischen Kontext wurde in der Literatur schon mehrfach diskutiert (siehe z.B. Muders 2008 mit der dort aufgeführten Literatur). Im arabischen Kontext gibt es das Eros-Gesicht einer Frau, eines Mannes und auch das des Kollektivs, dem die Frau angehört (arabisch „ird“). Auch besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Eros-Face eines Individuums auf der einen und dem Eros-Face eines Kollektivs auf der anderen Seite. So obliegt es dem Mann in einer Familie (dem Vater bzw. dem ältesten Sohn), das Image des Kollektivs (also der Familie in diesem Fall) zu schützen und dafür geeignete Strategien einzuschlagen. Das Face eines Mannes kann also sowohl individuell als auch kollektivistisch sein. Beim Letzteren steht es in einem Verweisungszusammenhang zu einem bestimmten Kollektiv. Das kollektivistische Eros-Face lässt keinen großen Spielraum für die Konstruktionen eines Selbstbildes zu. In dieser Hinsicht ist es, wie das Lian-Konzept, evaluativ. Auch variiert es nicht, so wie es beim „waģh“ oder beim chinesischen Pendant Mianzi der Fall ist, je nach Audienz und Interaktionssituation. Es ist eher vorgegeben und gegen Änderungen resistent. Was zum Verderben führt („´aib“) und was nicht, steht nicht zur Debatte. Es ist auch zu bedenken, dass die Werte, um die es beim Eros-Face geht, keinen Spielraum für Schattierungen zulassen: Es gibt eben kein Drittes zwischen Jungfräulichkeit und nicht Jungfräulichkeit. „´Aib“ wird durch Reglementierungen in einem Kollektiv bestimmt, die im Bereich des ErosFace häufig auf impliziten bipolaren Wertvorstellungen beru- © Interculture Journal 2011 | 14 82 Jammal: Eros-Face hen. Über die der Reglementierung zugrundeliegenden Werte wird nicht verhandelt - schon gar nicht, wenn sie einen ausgesprochen sakralen Charakter haben. Gleichwohl gilt auch beim Eros-Face wie auch beim „waģh“ (allgemeines Face), dass es in kommunikativen rituellen Handlungen vermittelt wird (Goffman 1955 und 1971). Es gibt sehr viele Strategien der Pflege eines Bildes von Reinheit und Keuschheit. Performative Sätze - Eheschließung als performativer Sprechakt (vgl. Austin 1962) oder andere Ausgleichs10 handlungen - dienen der Wiederherstellung des Eros-Face, wie z.B. die Auslöschung der Ursache des „Übels“. Letzteres ist im Übrigen nicht durch die Frauen, sondern ausschließlich durch die Männer zu bewerkstelligen. Was den Verlust des Eros-Gesichts anbelangt, so hat er gravierendere Auswirkungen als der Verlust des allgemeinen Gesichts „waģh“. Auch lässt sich der Verlust kaum durch „Politeness“ reparieren. Es sind meistens existenzielle Schritte, die benötigt werden, um das Eros-Gesicht halbwegs zu kitten. 6. Zusammenfassung Es wurde holzschnittartig gezeigt, dass zwei begriffliche Konzepte im Arabischen für Face existieren: Das eine ist „waģh“ (allgemeines Face), was so viel bedeutet wie öffentliches Image einer Person, das kommunikativ-rituell konstruiert und verhandelbar ist. Das chinesische Pendant dazu ist Mianzi. Daneben gibt es ein anderes Konzept, genannt Eros-Face, das sowohl individuell als auch kollektivistisch sein kann. In der individualistischen Variante kommt es dem chinesischen LianKonzept nahe. Hier stellt die anonyme Gesellschaft den Bezug dar und nicht ein bestimmtes Kollektiv. Beim kollektivistischen Eros-Face bildet die Familie oder der Clan etc. den Bezug und es kann sich zum einen um das Face eines bestimmten Kollektivs und zum anderen um das Face eines Individuums in Bezug zu dem spezifischen Kollektiv handeln. Jedenfalls unterscheidet sich das Eros-Face vom allgemeinen Face „waģh“ darin, dass es in seinen Konstruktionen rigider und weniger verhandelbar ist. Die Rigidität nimmt bei einer sakralen Umhüllung der Face-Werte durch Bezüge zum Volksislam zu. Damit geht eine stärkere Repression gegenüber Frauen einher. Deshalb wurde oben betont, dass das kollektivistische Eros-Face-Konzept Gender-„biased“ ist. Des Weiteren: Einem Verlust des Eros-Face kann wohl kaum mit Höflichkeit begegnet werden und die Konsequenzen daraus sind weitaus gravierender als beim Verlust des allgemeinen Face „waģh“. 83 © Interculture Journal 2011 | 14 Jammal: Eros-Face 7. Offene Fragen Die vorgestellte Unterscheidung zwischen Face-Konzepten im Arabischen stellt eine erste Annäherung an das Thema dar. Sie bedarf einer eingehenden Analyse unter Einbeziehung einer empirischen Fundierung, um auch zu zeigen, welche Varianten davon in unterschiedlichen arabischen Kollektiven bestehen. In diesem Papier wurde noch eher allgemein von arabischen Face-Konzepten gesprochen. Es liegt auf der Hand, dass dies einer Differenzierung bedarf. In diesem Papier wurde das Eros-Face als Konzept bezeichnet. Eventuell wäre es analytisch und systematisch sinnvoller, das Eros-Face als eine Unterkategorie des allgemeinen Face zu verstehen. Es stehen des Weiteren noch die Fragen aus, welche Kollektiv-allgemeinen und Kollektiv-spezifischen Maßnahmen zur Pflege des Eros-Face und welche angesichts von „Eros-Face Threats“ ergriffen werden. Auch wäre genauer zu klären, wie die Zusammenhänge zwischen dem individuellen und dem kollektiven Eros-Face sind. Und schließlich: Es müsste noch genauer herausgearbeitet werden, was Intimität im Einzelnen meint bzw. welche Lebensbereiche davon betroffen sind, und das unter Einbeziehung vor allem der ethnologisch orientierten Forschungsergebnisse zu Ehre und Face. Literatur Al Sabt, M. (1996): Arabian Business and Culture Guide. Honolulu: International Export Connections. Austin, J. L. (1962): How to Do Things with Words. Oxford: Clarendon. Bosse, H. / King, V. (Hrsg.) (2000): Männlichkeitsentwürfe, Wandlungen und Widerstände. Frankfurt / New York: Campus. Brown, P. / Levinson, S. C. (1987): Politeness. Some universals in language usage. Cambridge: Cambridge University Press. Diner, D. 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In: Bosse, E. / Kreß, B. / Schlickau, S. (Hrsg.): Methodische Vielfalt in der Erforschung interkultureller Kommunikation an deutschen Hochschulen. Frankfurt/Main et al.: Peter Lang, S. 81-101. King, P. C. (2010): An Examination of the Role of Lian (Face) in Mainland Chinese Business Practices. Dissertation Submitted in Partial Fulfillment of the Requirements for the Degree Doctor of Management in Organizational Leadership at Phoenix University. URL: http://gradworks.umi.com/3437009.pdf [Zugriff am 17.04.2011]. Lakoff, G. P. (1973): The logic of Politeness; or minding your p's and q's. Papers from the 9th Regional Meeting, Chicago Linguistics Society. Chicago: Chicago Linguistics Society. Meuser, M. (1998): Geschlecht und Männlichkeit. Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsmuster. Opladen: Leske + Budrich. Muders, K. (2008): Höflichkeit – ein universales Konzept? Inwiefern behaupten die Theorien von Lakoff und Brown & Levinson eine universale Gültigkeit ihrer Modelle und lassen sich diese Behauptungen vertreten? München: Grin Verlag. Mills, S. (2003): Gender and Politeness. Cambridge: Cambridge University Press. Rosen, L. (1984): Bargaining for Reality. The construction of social relations in Muslim law and society. Oxford: Oxford University Press. Ting-Toomey, S. / Kurogi, A. (1998): Facework Competence in Intercultural Conflict. An Updated Face-Negotation Theory. International Journal of Intercultural Relations 22(2), S. 187-225. Ting-Toomey, S. (2005): The Matrix of Face. An Updated Face-Negotiation Theory. In: Gudykunst, W.B. (Hrsg.): Theorizing about intercultural communication. Thousand Oaks, CA: Sage, S. 71-92. Watts, R. (2005): Linguistic Politeness Research. Quo Vadis? In: Watts, R. J. / Ide, S. / Ehlich, K. (Hrsg.): Politeness in Language. Studies in its History, Theory and Practice. Berlin, New York: Mouton de Gruyter, S. xi–xlvii. Wehr, H. (1977): Arabisches Wörterbuch. Beirut: Librairie du Liban. 1 Für die Wahl dieses Begriffes siehe z.B. die MetamorphosenErzählung von Apuleius. Man kann sicherlich auch „Intimitäts-Face“ sagen. 85 © Interculture Journal 2011 | 14 Jammal: Eros-Face 2 Darauf detailliert einzugehen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. 3 Wie auch im Deutschen gibt es im Arabischen mehrere Begriffsverwendungen mit negativem Bezug zur schwarzen Hautfarbe. Leider gelten diese im arabischen Sprachraum längst noch nicht als inakzeptabel. 4 Viele wertvolle Hinweise zu den arabischen Begriffen und Ehre-Konzepten verdanke ich meiner Halbschwester Frau Yasmeen Hamdan. 5 Es gibt einen weiteren Begriff im Arabischen, der in diesem Zusammenhang relevant ist: Ehre - arabisch „sharaf“. Darauf einzugehen und diesen Begriff von den anderen drei Begriffen abzusetzen, kann hier nicht geleistet werden. 6 Interessanterweise gibt es im syrischen Dialekt (Alltagsarabisch in Syrien, Palästina, Jordanien und im Libanon) ein Schimpfwort, das sich auf den individuellen guten Ruf bezieht. Es lautet in der Übersetzung: „Verflucht sei dein guter Ruf“. 7 Vgl. Diner (2005): Bis auf die Idee der sakralen Umhüllung sind den Analysen Diners des angeblichen Stillstands in der arabischen Welt nicht zuzustimmen – schon gar nicht im Lichte der jüngsten Demokratisierungsrevolutionen in vielen arabischen Ländern. 8 Es erübrigt sich geradezu zu sagen, dass das Phänomen des Eros-Face nichts spezifisch Arabisches ist und dass es sehr wohl im „Abendland“ in rigiden Formen vorhanden war (was aber nicht ausschließt, dass es in der jeweiligen Ausgestaltung kulturspezifisch sein kann). Man denke nur an Mozarts Don Giovanni. Da muss der Komtur, der Vater von Donna Anna in der Ausgleichshandlung des Kampfes mit Don Giovanni sterben. Anlass ist natürlich, dass das Eros-Face der Donna Anna und der Familie durch die „Schandtat“ des „Wüstlings“ ramponiert wurde. Und was die Gegenwart anbelangt: Ehrenmorde gibt es nicht nur in islamisch geprägten Ländern, sondern auch in christlich geprägten Ländern, wie z.B. in Brasilien, Italien und Ecuador (UN-Bericht 2000: Civil and Political Rights). 9 Auch darauf kann hier leider nicht näher eingegangen werden. 10 „Die Handlungssequenz, die durch eine anerkannte Bedrohung des Images in Bewegung gesetzt wird und mit der Wiederherstellung des rituellen Gleichgewichts endet, werde ich Ausgleichshandlung nennen“ (Goffman 1971:25). © Interculture Journal 2011 | 14 86 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion* [Importance of Emotions in Interpersonal Relationships and Social Networks in Korea] Anja Scherpinski – Lee Lektorin für deutsche Sprache und Kultur an der Hankuk University for Foreign Studies in Seoul, Südkorea Abstract [English] Compared to Germany, Korea is a collectivist culture. Collectivism is considered to be a result of Confucianism which has influenced the Korean culture for hundreds of years. Confucian ethical values still play an essential role in the manner and ways Koreans establish and maintain interpersonal relationships and integrate themselves in social groups. Whereas Germans consider involvement in relationships and networks optional and reciprocally symmetrical, Confucian ethics view relationships asymmetrical and obligatory. While interacting with others high emphasis is placed on emotions that bind people together and lead to a sentiment of “we-ness” felt by partners of a relationship. Two unique indigenous phenomena – shimjung and jung – are regarded as key concepts one has to grasp in order to understand how Koreans interact with each other. The aim of this article is to explain these concepts and to point out crucial characteristics in the Korean ways of networking. Keywords: Korea, Confucianism, indigenous psychology, emotions, collectivism Abstract [Deutsch] Im Vergleich zu Deutschland lässt sich Korea als kollektivistische Kultur verstehen. Der Kollektivismus kann als Resultat des Konfuzianismus betrachtet werden, der Korea jahrhundertelang geprägt hat. Konfuzianische ethische Wertvorstellungen spielen auch heute noch eine essentielle Rolle in der Art und Weise, wie Koreaner interpersonale Beziehungen pflegen und sich in sozialen Netzwerken verhalten. Während in Deutschland das Engagement, das in interpersonale Beziehungen und sozialen Gruppen eingebracht wird, eher als optional und symmetrisch reziprok betrachtet wird, betonen konfuzianisch geprägte Wertvorstellungen bedingungslose gegenseitige Verpflichtung und den Aufbau und Erhalt eines „Wir-Gefühls“. Dabei bildet der Umgang mit Emotionen, die sich zwischen den Interaktionspartnern entwickeln, den Kern der Beziehungspflege. Zwei indigen koreanische Gefühlsmodi – Shimjung und Jung – werden als Schlüsselkonzepte für das Verständnis koreanischer Interaktionsmechanismen verstanden und sollen im vorliegenden Beitrag genauer betrachtet werden. Stichwörter: Korea, Konfuzianismus, indigene Psychologie, Emotionen, Kollektivismus 87 © Interculture Journal 2011 | 14 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion 1. Einleitung Die Kultur, in der wir sozialisiert werden, beeinflusst unser Denken und Verhalten. Wir bilden uns ein Weltbild vor dem Hintergrund unserer Kultur und handeln und urteilen beeinflusst von kulturell geprägten Normalitätsannahmen und Wertvorstellungen. Auch die Art und Weise, in der wir Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen und uns in interpersonalen Beziehungen, sozialen Gruppen und Netzwerken bewegen, ist durch unsere Kultur geprägt (Matsumoto / Juang 2008:200). Vergleicht man deutsche mit koreanischen Vorstellungen von Zielen und Wirkungsweisen interpersonaler Beziehungen, so treten gravierende Unterschiede zutage: Koreaner messen dem adäquaten Umgang mit den Gefühlen, die zwischen Menschen in einer Beziehung aufkommen, eine weitaus wichtigere Bedeutung für das Funktionieren der Interaktion bei als Deutsche. Die Anstrengungen beider Interaktionspartner, Harmonie und affirmative Emotionen in ihrer Dyade widerzuspiegeln, sowie die Fähigkeit, den Gefühlsstatus des Gegenübers folgerichtig zu interpretieren, entscheiden maßgeblich über Qualität und Fortbestehen der Beziehung. Diese starke Gewichtung der emotionalen Dimension lässt sich durch die konfuzianische Prägung der koreanischen Kultur erklären, aufgrund der Werte von Zwischenmenschlichkeit und Harmonie sowie die Entwicklung eines emotionalen „Wir-Gefühls“ in der Interaktion über die zweckgerichtete Umsetzung persönlicher Absichten gestellt werden. Mit dem Eintritt Koreas in den globalisierten Geschäftsalltag sind in den USA und Europa zahlreiche Publikationen erschienen, die Korea als kollektivistische Kultur in kulturkontrastiven Studien verorten und so die „rätselhafte“ koreanische Kultur für Westler erhellen wollen. Als Gegenbewegung zu solchen „eurozentrischen“ Theorien hat die koreanische Sozialwissenschaft in den letzten zwei Jahrzehnten einen Schwerpunkt auf die Untersuchung psychosoziologischer Wirkungsmechanismen in Netzwerkbeziehungen gelegt, um aus einer „asiazentrischen“ Perspektive indigene Konzepte freizulegen, die für das Verständnis der koreanischen Kultur eine bedeutende Rolle spielen. Im folgenden Beitrag sollen zwei indigen koreanische Phänomene – Shimjung und Jung –, die als die affektivemotionale Basis der koreanischen Interaktionen betrachtet werden, erläutert werden. Zum besseren Verständnis dieser beiden Konzepte werden vorerst Merkmale der koreanischen kollektivistischen Kultur aufgeführt und der Konfuzianismus als Fundament des koreanischen Wertesystems beleuchtet sowie sein Einfluss auf die Art und Weise, wie Koreaner sich in Interaktionen verhalten, herausgearbeitet. Abschließend sollen in der Fachliteratur bereits benannte Konzepte aus dem © Interculture Journal 2011 | 14 88 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion koreanischen Kommunikationsusus auf ihren Zusammenhang mit Shimjung und Jung nochmals betrachtet werden. Es handelt sich dabei um das Konzept des „Gesichtswahrens“ sowie um die soziale Kompetenz Nunchi. 2. Korea – eine kollektivistisch orientierte Kultur Kulturen lassen sich aus kulturkontrastiver Perspektive u.a. in Bezug auf ihre kollektivistische bzw. individualistische Orientierung unterscheiden. Triandis (1994) differenziert in Hinsicht auf das Verhalten von Menschen in interpersonalen Beziehungen und Gruppen zwischen allozentrischer und idiozentrischer Selbstwahrnehmung von Individualität und Kollektivität. Demzufolge tendieren Menschen aus individualistisch orientierten Kulturen dazu, sich selbst idiozentrische Attribute zuzuschreiben. Solche Attribute umfassen u.a., dass das Individuum als Grundelement sozialer Gefüge und das Selbst als eine eigenständige, autonome Einheit mit eigenen Zielen wahrgenommen werden. Gruppenzugehörigkeiten und Netzwerkbeziehungen werden eher als freiwillige, lockere Verbindungen betrachtet, in denen weiterhin persönliche Absichten verfolgt und diese über kollektive Gruppenziele gestellt werden. Bei Bedarf kann man sich ohne größere soziale Sanktionen wieder aus einer Beziehung zurückziehen oder aus einem Netzwerk aussteigen (Triandis 1994:47f.). Demgegenüber neigen Menschen aus kollektivistisch orientierten Kulturen zu allozentrischen Zuschreibungen. Sie betrachten Gruppen als Grundbausteine der Gesellschaft. Das Individuum wird als interdependent wahrgenommen und über seine Positionen und Eingebundenheit in Beziehungsnetze definiert. Konformität mit Gruppenzielen steht über der Umsetzung persönlicher Ziele, die zugunsten von Harmoniewahrung innerhalb der Gruppe zurückgestellt werden. Die Involviertheit in Beziehungsnetzwerke wird als essentielle Voraussetzung für das soziale Überleben betrachtet (Triandis 1994:47f. und 2006:23f.). Netzwerke sind dabei nach Alter, Geschlecht, beruflicher Position etc. stark hierarchisch strukturiert und interpersonale Beziehungen zwischen Menschen in diesen Netzwerken horizontal ausgerichtet, d.h. man ist sich der eigenen über- bzw. unterlegende Position in einer Beziehung deutlich bewusst und verhält sich dementsprechend angemessen in der Interaktion, wobei es am wichtigsten ist, sich in das Netzwerk einzupassen, anstatt hervorzustehen (Triandis 1994:47f.). Menschen aus individualistischen Kulturen hingegen fühlen sich in vertikalen interpersonalen Beziehungen, z.B. mit Freunden, am wohlsten, wobei persönliche Freiheit und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung 89 © Interculture Journal 2011 | 14 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion geschätzt werden (Triandis 1995 zit. nach Gudykunst / Matsumoto 1996:25). Triandis‘ Ausführungen zufolge lässt sich die deutsche Kultur als individualistisch orientierte Kultur verstehen, während Menschen der koreanischen Kultur zu allozentrischen Wertvorstellungen und Zuschreibungen tendieren. Sie handeln und urteilen vor dem Hintergrund eines konfuzianisch geprägten Normen- und Wertesystems, das auch heute noch nach tausendjähriger Bestehensgeschichte des Konfuzianismus in Korea wirksam ist. Um also zu einem Verständnis für koreanische Verhaltensweisen in interpersonalen Beziehungen und Netzwerken zu gelangen, ist es notwendig, den Blick auf die Werte zu lenken, die von der konfuzianischen Ethik betont werden. 3. Der Konfuzianismus – Fundament des koreanischen Wertesystems Südkorea wird oft als das konfuzianischste aller asiatischen Länder bezeichnet. Obwohl die konfuzianische Ethik heute kaum noch in ihrer Urform durch Institutionen vermittelt wird1 und auch nicht explizit im Curriculum von Schuleinrichtungen und Universitäten oder in der Gesetzgebung verankert ist, haben sich grundlegende Prinzipien durch konstante Tradierung und Reproduktion insbesondere im Bereich der Familie bis heute erhalten. Der Kern der Familie spielt dabei im Vergleich zu deutschen Verhältnissen eine übergeordnete Rolle im Alltag der Koreaner. Koreanische Kinder haben eine extrem starke, oft exklusive Bindung an ihre Mütter, mit denen sie die meiste Zeit verbringen und von denen sie bis zum Eintritt ins Schulleben den Großteil an Bildung und Erziehung erhalten. Das Wort der Eltern gilt in den meisten Lebenssituationen als maßgebend2. Koreaner begeben sich nach wie vor zu den wichtigsten Feiertagen in ihre Heimat, um den Eltern, Großeltern und Vorfahren durch traditionelle Zeremonien und Rituale ihre Ehrerbietung zu zeigen3. Im Vergleich zu anderen konfuzianisch geprägten asiatischen Ländern scheinen sich in Korea konfuzianische Werte und Verhaltensmuster besonders tiefgreifend und hartnäckig durchgesetzt zu haben (Koh 2004:107). Vom Kern der Familie aus erstrecken sich die konfuzianischen Wertvorstellungen in alle Dimensionen der koreanischen Lebenswelt. Im Folgenden soll die wesentliche Wirkweise der konfuzianisch geprägten Ethik knapp erläutert werden: © Interculture Journal 2011 | 14 90 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion Gesellschaftliche Netzwerke Vertrauen Shin Netzwerke aus Schul-/ Universitätsleben Wissen/Kultiviertheit Chi Angemessenheit/Schicklichkeit Ye Familienbeziehungen Rechtschaffenheit Eu Interpersonale Beziehungen in Dyaden Humanität/ Zwischenmenschlichkeit In Abb. 1: Konfuzianische Wertvorstellungen in Bezug auf interpersonale Beziehungen im gesellschaftlichen Netzwerk (Kim / Park 2006:39, Übersetzung d. A.) Die konfuzianische Gesellschaftsethik betrachtet den Menschen immer in Bezug auf seine Beziehungen zu anderen Menschen. Der geordnete Platz eines Individuums in der gesellschaftlichen Hierarchie sowie konkret definierte reziproke Beziehungen zwischen Menschen machen den Hauptinhalt aus. Solche Beziehungen sind in ihrer Urform die Beziehung zwischen Herrscher und Untergebenen, zwischen Vater und Sohn, zwischen Ehemann und Ehefrau, zwischen Jüngeren und Älteren und die Beziehung zwischen Freunden. Dabei sollen im Wesentlichen fünf ethische Verhaltensregeln diese Beziehungen steuern: 1.) Humanität und Zwischenmenschlichkeit (In 인) 2.) Rechtschaffenheit (Eu 의) 3.) Angemessenheit und Schicklichkeit (Ye 예) 4.) Kultiviertheit und Wissen (Chi 지) und 5.) gegenseitiges Vertrauen (Shin 신). Humanität bzw. Zwischenmenschlichkeit (In 인) bilden das Kernprinzip der konfuzianischen Ethik. Aufgrund dieses Prinzips werden in Korea, stärker als in westlichen Ländern, Emotionen, die Menschen miteinander verbinden, in den Vordergrund gestellt. Kim / Park (2006:38) fassen die Lehrsätze, die aus konfuzianischen Schriften überliefert wurden und in kon91 © Interculture Journal 2011 | 14 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion fuzianischen, asiatischen Kulturen wirksam sind, wie folgt zusammen: „The Chinese, Japanese, and Korean word for human being is 人人, which can be translated literally as ‚human between‘. It is not what happens within an individual, but between individuals that makes us human. [...] The human essence is basically relational and can be defined in terms of the emotions people feel for one another.“ Diese Gefühle von Verbundenheit werden prototypisch zwischen Familienmitgliedern empfunden. Daher steht die Familie im Zentrum des konfuzianischen Gesellschaftssystems. Eltern und Kinder stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander, das sich auf elterliche Fürsorge und Liebe auf der einen Seite sowie Respekt, Gehorsam und Kindespietät auf der anderen Seite gründet. Gefühle wie Respekt und Fürsorge entstehen demzufolge aufgrund einer Rolle, die man in einer Beziehung einnimmt. Jeder Mensch wird nach traditionell konfuzianischen Vorstellungen mit einem definierten Status in eine Familie hineingeboren. Dieser Status wird durch das Prinzip der Rechtschaffenheit (Eu 의) bestimmt und bringt konkrete Rollenzuteilungen und Verpflichtungen gegenüber den anderen Familienmitgliedern mit sich, die entsprechend den ethischen Kodes erfüllt werden müssen. So befinden sich z.B. Geschwister in einer reziproken Beziehung, die sich auf Verantwortungsbewusstsein für jüngere Geschwister gründet und dafür Respekt gegenüber den älteren Geschwistern einfordert. Ehemann und Ehefrau wiederum stehen sich in einem Verhältnis aus materieller Fürsorge und Gehorsam gegenüber. Die Prinzipien der Zwischenmenschlichkeit und Rechtschaffenheit, die das emotionale Fundament bilden, sind somit die zwei Seiten einer Medaille. Das primäre Ziel der konfuzianischen Ethik besteht in der Bewahrung von Harmonie, die realisiert wird, indem jeder Mensch seine ihm zugeschriebene Rolle im sozialen Netzwerk einnimmt und im Umgang mit Mitmenschen die Erwartungen, die an seine Rolle gestellt werden, gemäß den konfuzianischen Vorstellungen von Angemessenheit und Schicklichkeit (Ye 예) erfüllt. Unter diesem Prinzip lässt sich die äußere Form der konfuzianischen Gesellschaftsethik verstehen, zu der die konkreten Verhaltenskodes wie z.B. angemessene Anredetitel, Begrüßungsformeln und grammatische Höflichkeitsstufen sowie Durchführung von Ritualen und Zeremonien, Wissen über erwartete Pflichterfüllung etc. gehören. Indem Harmonie bewahrt wird, wird gesellschaftliche Ordnung gesichert. Diese Verhaltenskodes im Sinne von Kultiviertheit und Wissen (Chi 지) werden in erster Linie während der Sozialisation durch familiäre Indoktrinierung erworben und wurden im alten Ko- © Interculture Journal 2011 | 14 92 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion rea außerdem durch formelle Ausbildung in Schulen vermittelt. Da im modernen Korea die institutionelle Vermittlung konfuzianischer Verhaltensregeln kaum noch eine Rolle spielt, ist heute eine Form von „familiärem Konfuzianismus“ (Koh 2004:114) wirksam, der, wenn auch in einer verwaschenen Form, immer noch als Grundsubstanz des koreanischen Wertesystems betrachtet wird und koreanische Menschen in ihrem Handeln und Denken beeinflusst (Miike 2009 und 2007, Shim / Kim / Martin 2008, Choi / Han 2008, Choi / Kim 2006, Kim / Park 2006, Kim 2003, Lim / Choi 1996, Koh 1996, 2004, Kim 1996, Cha 1994). Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, ziehen sich die Verhaltensregeln vom Kern der Familie bis in die gesellschaftlichen, öffentlichen Sphären. Verhaltensweisen, die im Kreis der Familie praktiziert werden, sollen demzufolge auf das Leben im Alltag vorbereiten und auch in Beziehungen zu nichtfamiliären Menschen wirksam werden. Interpersonale Beziehungen und soziale Netzwerke sollen nach konfuzianischen Vorstellungen also als eine Imitation des Familienlebens fortgeführt werden und sich auf gegenseitiges Vertrauen (Shin 신) auf Einhaltung der ethischen Prinzipien zwischen Mitmenschen gründen (Choi / Han 2008:219, Shim / Kim / Martin 2008:88, Koh 2004:215, Han / Choe 1994:223 u.a.). Diese Fortführung der familiären Verhaltensweisen lassen sich auch im modernen koreanischen Alltag beobachten. So herrscht an Schulen und Universitäten das Senioritätsprinzip, nach dem ältere Schüler und Studenten den Anfängern Hilfe und Unterstützung bieten und dafür den Respekt und ein gewisses Maß an Unterwürfigkeit einfordern. Ebenso gelten diese Regeln am Arbeitsplatz, wo sich jüngere Kollegen den älteren bedingungslos unterordnen müssen. Lehrer oder Vorgesetzte nehmen die Rolle einer Vater- oder „Herrscher“figur ein und stehen in der gesellschaftlichen Hierarchie weit oben. Koreanische Großunternehmen sind auch heute noch stark hierarchisch-paternalistisch strukturiert und fördern Firmen„familien“zugehörigkeit durch regelmäßige Veranstaltungen wie gemeinsame Abendessen, Ausflüge, Firmentrainings etc. (Kim 1996). Auch in der Sprache macht sich die Imitation des Familienlebens bemerkbar. So werden ältere Freunde und Freundinnen als „großer Bruder“ bzw. „große Schwester“ gerufen; ebenso können Verkäuferinnen oder Kellnerinnen als „Schwester“ oder ältere Kundinnen als „Tante“ oder „Mutter“, unbekannte ältere Männer als „Onkel“ oder Senioren als „Großmutter“ bzw. „Großvater“ gerufen werden. In diesen Fällen wird das Konzept des Respektierens, das innerhalb der Familie Anwendung findet, auf den außer-familiären Bereich übertragen mit den Ziel, ein harmonisches Verhältnis 93 © Interculture Journal 2011 | 14 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion zum Gegenüber zu schaffen (Choi / Han 2008:207, Koh 2004:114f.). Soziale Netzwerke, in die Koreaner eingebunden sind, lassen sich in allen gesellschaftlichen Alltagsbereichen wiederfinden. Wie bereits angesprochen, bildet die Familie die Urform aller Netzwerke, wobei hier Zusammengehörigkeit über Blutsverwandtschaft (Hyolyon 혈혈) definiert wird. Es folgen chronologisch im Leben eines Koreaners die Netzwerke, die durch Schul- bzw. Universitätsbesuch entstehen, die sogenannten Hakyon (학혈). Aus diesen Hakyon entstehen nicht nur interpersonale Beziehungen zu Kommilitonen, sondern Netzwerkdenken wird auch systematisch durch Alumnivereine gefördert und bleibt lebenslang intakt4. In der Arbeitswelt etablieren sich Netzwerke, die sich auf Zugehörigkeit zu einer bestimmten Firmen“familie“ gründen. Ebenso lassen sich Netzwerke im Privatbereich finden in Form von kommunalen Vereinen und Nachbarschaftshilfegruppen (Kyae 계, Donghohwae 동동동) oder Kirchengruppen (Chongkyoyon 종종동); und kaum ein erwachsener Koreaner ist nicht in einer oder mehreren Gruppen aktives Mitglied. Zwischen Mitgliedern solcher Netzwerke besteht, wesentlich stärker als in Deutschland, eine emotionale Verbundenheit, die sich aus der Praktizierung konfuzianischer Prinzipien von Menschlichkeit, Angemessenheit und Schicklichkeit entwickelt. Natürlich wird der Konfuzianismus im Zeitalter von Globalisierung, Technologisierung des Alltags und Jobmobilität auch von anderen Tendenzen überlagert und befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Aufweichung und forcierter Wiederbelebung (Koh 2004:103). Shim, Kim und Martin (2008) verwenden in ihren Ausführungen die Bezeichnung “koreanischer Konfuzianismus-Kapitalismus”, in dem Wirkungsmechanismen aus Kollektivismus und Individualismus koexistent ins Spiel kommen. Auf der einen Seite beweisen zahlreiche Studien und Umfrageergebnisse eine wachsende Generationskluft, da insbesondere junge Menschen sich gerade im Berufsleben zunehmend individualistisch verhalten und die Umsetzung ihrer persönlichen Ziele der unbedingten Ein- und Unterordnung in Netzwerkgefügen voranstellen (Shim / Kim / Martin 2008:47ff., Koh 2004:105f. und 1996, Han / Choe 1994:221 u.a.). Auf der anderen Seite werden konfuzianische Werte über die Indoktrinierung im Familienbereich hinaus auch zur Bewahrung der nationalen Identität durch Öffentlichkeitsarbeit und Medien reproduziert und tragen somit zur weiteren Tradierung bei. So startete beispielsweise ein College einen Zeichentrickwettbewerb für Kinder und Jugendliche, der als Kampagne die Bedeutung von traditionellen Werten wie Kindespietät (Hyo 효) und Zwischenmenschlichkeit (Jung 정) wiederbeleben will5. Auch durch © Interculture Journal 2011 | 14 94 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion zahlreiche koreanische Fernsehserien, die die Joseon-Ära zum Schauplatz nehmen und sich um konfuzianische Lehren und Verhaltenskodes drehen, werden konfuzianische Wertvorstel6 lungen am Leben erhalten . Zusammenfassend scheinen sich koreanische Soziologen einig zu sein, dass der Konfuzianismus so tief in der Lebenswelt der Koreaner verankert ist, dass er auch heute noch als das Fundament der koreanischen Gesellschaft betrachtet werden kann, das Kollektivismus, Interdependenz und Netzwerkdenken betont oder sogar „glorifiziert“ (Kim 1994:25). 4. Indigene Psychologie als Theorie zum Verständnis koreanischer Handlungsmuster Kulturkontrastive Studien, in denen Korea als kollektivistische Kultur beschrieben wird, liegen in Fülle vor. Zu den wohl einflussreichsten gehören u.a. sicherlich Hofstedes Arbeiten. In aktuellen koreanischen Publikationen, die psychosoziologische Phänomene der koreanischen Gesellschaft zum Schwerpunkt nehmen, wird betont, dass der Konfuzianismus als Erklärungsmuster für die kollektivistische Orientierung durchaus Berechtigung findet und unbedingt Ausgangspunkt der Forschung sein muss. Jedoch kann er nicht Endpunkt der Forschung sein, denn durch ihn allein können individuelle Unterschiede im Verhalten von Menschen nicht erklärt werden (Kim / Park 2006:41). Aus diesem Grund sowie als Reaktion auf die westlich geprägte Psychologie der 1960er Jahre und perspektivisch beschränkte kulturkontrastive Studien der 1980er Jahre, die Kulturunterschiede in den meisten Fällen lediglich im Kontrast zu westlichen Ländern herausfilterten, haben in den letzten zwei Jahrzehnten Ansätze der indigenen Psychologie große Aufmerksamkeit in Korea wie auch in anderen nicht-westlichen Ländern gefunden. Azuma (1984:49) formulierte die Problematik, die die indigene Psychologie auflösen will, wie folgt: „When a psychologist looks at a nonWestern culture through Western glasses, he may fail to notice important aspects of the non-Western culture since the schemata for recognizing them are not provided by his science.“ Ansätze, die die indigene Psychologie zum Ausgangspunkt nehmen, setzen sich zum Ziel, Wahrnehmungskonzepte und Handlungsmuster, die interpersonalen Interaktionen zugrunde liegen, aus der Innenperspektive der Mitglieder einer Gruppe zu untersuchen. Im Mittelpunkt stehen beispielsweise Fragen, auf welche Wissensbestände und Fähigkeiten Menschen zur Gestaltung von Interaktionen zurückgreifen, unter welchen Überzeugungen sie ihr eigenes Handeln steuern und bewerten und welche psychologischen Einstellungen sie zu 95 © Interculture Journal 2011 | 14 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion sich selbst und ihrem Handeln vertreten. Psychologische Phänomene in spezifischen lebensweltlichen Kontexten des eigenkulturellen Alltags sollen aus innenkultureller Sicht untersucht und indigene, native Konzepte freigelegt werden, die das Handeln und die (Selbst-)Wahrnehmung von Menschen aufgrund ihrer Vernetzung in interpersonalen Dyaden und Gruppen beeinflussen könnten (Kim / Yang / Hwang 2006:4, Kim / Park 2006:34). Der Fokus liegt dabei in sozialen Interaktionen in Korea insbesondere auf den Emotionen, die Individuen miteinander verbinden (Kim / Park 2006). Der Wert einer Beziehung wird nicht per se anhand des Verhaltens bemessen, mit dem sich Interaktionspartner um ihre Beziehung bemühen, sondern anhand der Qualität und Stärke der gefühlsmäßigen Verbundenheit und eines „Wir-Gefühls“, das beide Parteien in ihrer Dyade reflektieren (Choi / Kim 2006:208, Choi / Han 2008:257). In vielen westlichen Ländern werden Beziehungstiefe und Zusammengehörigkeitsgefühl vornehmlich durch aktive Kommunikation hergestellt. Gefühle von Vertrautheit und Verbundenheit sind davon abhängig, in welchem Maße sich die Interaktionsteilnehmer verbal an der Kommunikation beteiligen, sich dem Partner gegenüber öffnen und inwiefern sie sich engagieren, die Kommunikation am Laufen zu halten. Längere Schweigepausen werden meist als unangenehm empfunden, da sie eine fehlgelaufene Kommunikation suggerieren. Im Konfuzianismus hingegen wird Schweigsamkeit bzw. bedachte, wortkarge Redeweise als primäre moralische 7 Tugend im Umgang mit Anderen betrachtet . Die Grundsätze von Humanität und Harmonie bedeuten dabei, dass Wünsche und Absichten nicht explizit verbalisiert werden brauchen, sondern auf Basis einer inneren, emotionale Verbundenheit zum Gegenüber wahrgenommen und gedeutet werden können. Anstelle der verbalen Kommunikation soll zwischen zwei Menschen in einer Beziehung idealerweise unausgesprochenes Einverständnis herrschen (Choi / Han 2008:318, Kim / Park 2006:434, Choi / Kim 2006:366, Kim 2003:95f.). Die zentralen Konzepte, die die zwischenmenschliche Psychologie in einer Dyade beschreiben, sind Shimjung und Jung. Sie werden als einzigartig indigene Phänomene der koreanischen Lebenswelt in verschiedenen Aufsätzen immer wieder hervorgehoben; und das Verständnis für diese genuin koreanischen Gefühlsmodi gilt als Schlüssel zum Verstehen der koreanischen Mentalität (Shim / Kim / Martin 2008:72ff., Choi / Han 2008:205, Kim / Park 2006:44f., Choi / Kim 2006, Kim 2003:110, Lim / Choi 1996:125f., Yum 1988:380 u.a.). In Korea hat sich vor allem Sang-Chin Choi der Untersuchung dieser indigen Konzepte zugewandt und in den letzten Jahren eine Fülle an Publikationen hervorgebracht. Die folgenden © Interculture Journal 2011 | 14 96 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion Ausführungen beziehen sich insbesondere, soweit nicht anders angegeben, auf die Arbeiten von Choi / Kim (2006) und Choi / Han (2008). 4.1 Umgang mit Gefühlen in interpersonalen Beziehungen – Shimjung (심정) Der Begriff Shimjung (심정) besteht aus zwei Teilen: Shim (심) bedeutet so viel wie „Psyche“, „Gemüt“, „seelischer Zustand“; Jung (정) lässt sich mit „Zuneigung“ umschreiben. Shimjung ist ein unmittelbares, spontanes, meist negativ besetztes Gefühl, das in einer bereits länger bestehenden Beziehung zwischen zwei Menschen aufkommen kann. Es wird durch eine Verhaltensweise oder Handlung eines Interaktionspartners A hervorgerufen, die entgegengesetzt zur Erwartungshaltung des Gegenübers B steht, wodurch der bisherige Status Quo der Beziehung zwischen A und B infrage gestellt wird. Deutsche Äqivalente, die Shimjung ansatzweise beinhalten, sind Konzepte von Empathie, Sympathie, Mitleid, Mitgefühl. Doch anders als diese Gefühle, die vorrangig auf einem subjektiven, intrapsychischen Level stattfinden und gegen ein externes Objekt (z.B. den Partner) gerichtet sind, ist mit Shimjung zusätzlich eine interpsychische Analyse verbunden: Auf der intrapsychischen Ebene werden sich entstandene Gefühle als Reaktion auf die Situation bewusst gemacht. Auf der interpsychischen Ebene werden darüber hinaus die gemeinsame Interaktionsgeschichte sowie vergangene Gesprächsepisoden als Interpretationsrahmen zur Analyse des Verhaltens des Partners herangezogen. Aus dieser reflexiven Retrospektive wird Rechtfertigung und Verständnis für das Handeln des Gegenübers abgeleitet und somit der negative Gefühlszustand aufgelöst. Findet sich keine Erklärung für das Verhalten des Partners, wird die Aufmerksamkeit zurück auf sich selbst gelenkt und in einer kritischen Selbstevaluation auf einer kognitiven Metaebene nach Ursachen für die Fehleinschätzungen gefahndet. Dadurch kann es zu einer negativen Selbsteinschätzung kommen, die bei Nichtauflösung die Qualität der Dyade verschlechtern könnte. Insbesondere die Phase der negativen Selbstevaluation scheint den gravierenden Unterschied zu deutschen Verhaltensmustern auszumachen: Der Fortbestand der „Wir-Einheit“ wird in einem so starken Maß angestrebt, dass individuelle Absichten oder Ziele völlig zugunsten der Harmoniewahrung zurückgestellt werden, während man in Deutschland wohl eher den Abbruch einer Beziehung vorziehen würde. Beide Partner müssen nun über entsprechende Empathiefähigkeit verfügen, um erstens den Störfaktor in ihrer Dyade überhaupt zu erkennen und nonverbale Signale, die vom Partner kommen, wahrzunehmen. Zweitens müssen sie über 97 © Interculture Journal 2011 | 14 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion die Fähigkeit zur Inferenzbildung und zum Interpretieren des Verhaltens des Gegenübers sowie zur Bewusstmachung und kritischen Hinterfragung der eigenen, als Reaktion entstandenen Gefühle verfügen. Drittens müssen sie das Feingefühl besitzen, einen Shimjung-Diskurs zu initiieren, in dem der negative Gefühlsstatus gelöst, die Beziehung im Dialog extern validiert und neu austariert werden kann. In solch einem Dialog werden Gefühle offengelegt, es wird sich „ausgesprochen“, wobei die gemeinsame Interaktionsgeschichte betont und die Notwendigkeit des weiteren Zusammenhaltens aufgrund des gemeinsamen Schicksals, das beide verbindet, über die empfundenen Differenzen gestellt wird. Choi / Kim bezeichnen diese Phase als „shimjung pour-out“ (2008:218). Oberstes Ziel ist bei beiden Interaktionspartnern, sich gegenseitig durch das Gespräch über den Wert ihrer Beziehung zu versichern, einander für beidseitiges Verständnis zu motivieren und ihre Dyade zugunsten von Harmonieerhalt unbedingt aufrecht zu erhalten und möglichst zu vertiefen. 4.2 Jung (정) – Zwischenmenschlichkeit und Wir-Gefühl Ein Shimjung-Diskurs findet dabei immer auf dem Hintergrund von Jung (정) statt. Anders als Shimjung ist Jung ein post hoc empfundenes Gefühl, das den Status Quo, also die qualitative, affektiv-emotionale Tiefe einer Beziehung umschreibt. Es ist im Gegensatz zu Shimjung statisch und entsteht aufgrund der gemeinsamen Interaktionsgeschichte, gemeinsamer Erlebnisse sowie gemeinsamer Ziele und der Empfindung eines gemeinsamen Schicksals, was beide Partner miteinander verbindet. Es ist Grund für das empfundene „Wir-Gefühl“ in einer Dyade. Jung ist also der „Leim“, der eine Beziehung zusammenhält. Kommt es zu einer ShimjungEpisode, so bildet Jung die Interpretationsbasis sowohl zur Analyse nonverbaler Signale, die in der Interaktion gedeutet werden müssen, als auch zur Aushandlung der Problemsituation. Je länger und enger die gemeinsame Interaktionsgeschichte der beiden Partner ist, desto mehr Jung bzw. „WirGefühl“ hat sich zwischen beiden entwickelt und desto detaillierter ist der Interpretationsrahmen, auf dem das Verhalten des Partners inferiert werden kann, und daraus folgend, desto vertrauter, wortloser, sprich harmonischer „from one mind and shimjung to another“ (Choi / Kim 2006:364) können sich beide in ihrer Beziehung bewegen. Jung findet sich im aktiven Alltagswortschatz des Koreanischen wieder. So ist ein Mensch mit viel Jung warmherzig, umgänglich und menschlich, während ein Mensch ohne Jung als kaltherzig, egoistisch und beziehungsunfähig gilt. Jung ist ein Konzept, das Reziprozität impliziert: Menschen geben Jung an Menschen, die auch viel Jung zeigen. Aber Men- © Interculture Journal 2011 | 14 98 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion schen teilen ihr Jung nicht mit Menschen ohne Jung (hierzu Lim / Choi 1996:134). Wie eingangs beschrieben, wertet der Konfuzianismus reziproke Beziehungen zu anderen Menschen als Fundament einer funktionierenden Gesellschaft. Das Fortbestehen einer interpersonalen Beziehung ist also essentiell für Koreaner. Selten werden Beziehungen aufgrund von Differenzen abgebrochen. Vielmehr bemühen sich Menschen unbewusst, affektiv-emotional um ihre Netzwerke und sind bestrebt, diese um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Den Unterschied zu westlichen Konzepten von „Gemeinschaftssinn“ oder „Hingabe“ beschreiben Lim / Choi (1996:132f.) wie folgt: „ [...] jung comprises the forces of inertia of a relationship. Jung is what ties two or more persons together, what keeps a relationship going. This aspect of jung, that is, the force of inertia of a relationship, is very different from the Western concept of commitment. Whereas commitment is conscious and obligatory, jung is unconscious and voluntary.“ Choi / Han definieren einen westlichen „Faktenmodus“ (2008:114), demzufolge Menschen aus westlichen Kulturen in ihren Beziehungen vorrangig am Austausch von Inhalten und Meinungen sowie der Umsetzung gemeinsamer Ziele interessiert sind und die Interaktion zwischen zwei Individuen stattfindet, die sich trotz Beziehung als eigenständige Einheiten betrachten. Im koreanischen „Shimjung-modus“ (Choi / Han 2008) hingegen werden das „Ich“ und individuelle Ziele zugunsten eines harmonischen „Wir-Gefühls“ aufgelöst, und beide Interaktionspartner verschmelzen zu einer Einheit (2008:214). Dieses „Wir-Gefühl“, so führen sie aus „[...] is a mentality that transcends an agreggate of individuals. For Koreans, forming a close relationships with others has special meanings to their self – the me-self is extended to become we-self“ (Choi / Han 2008:206). Dabei wird das „Wir“, das in Beziehungen zu NichtFamilienangehörigen etabliert wird, eben als Ausdehnung familiärer Bande betrachtet und empfunden (Choi / Han 2008:207). Jung ist also eine solide, emotionale Verbundenheit zwischen Menschen, die Beziehungen stabil und langfristig machen. Damit verbunden ist eine Form „komplementärer, assymmetrischer Reziprozität“ (Yum 1988:375), die im Sinne konfuzianischer Prinzipien Humanität, Solidarität und Altruismus hervorheben, Kollektivismus betonen und als das gegenteilige Konzept von kalkuliertem Profit und individueller Selbstverwirklichung gewertet werden. Gegenseitige Abhängigkeit und Schuld werden dabei, im Kontrast zu deutschem Denken, nicht als etwas Negatives oder Unangenehmes betrachtet, sondern vielmehr als notwendiges Element menschlicher Beziehungen (Park / Kim 2006:424, Yum 1988:377f.). 99 © Interculture Journal 2011 | 14 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion Aus den engen interpersonalen Verflechtungen entstehen exklusive Beziehungsnetzwerke, in denen sich Mitglieder aufgrund der emotionalen Bindung einander verpflichtet fühlen und füreinander ein hohes Maß an Fürsorge und Loyalität empfinden. Daraus entsteht eine Neigung zu partikulärem Verhalten, das die Gruppe fast resistent gegenüber äußeren Einflüssen macht. In den Untersuchungen von Trompenaars und Hampden-Turner (1998) lassen sich Bestätigungen dieses Partikularismus finden: Beide befragten ihre Teilnehmer in interkulturellen Trainingsseminaren, wie sie das Verhalten eines Freundes beurteilen würden, der einen Gesetzesbruch oder Vertragsverstoß begangen hat. Teilnehmer aus universalistischen Ländern, in denen Gesetze und Regeln als weniger flexibel verhandelbar und eher als absolute Gegebenheiten betrachtet werden, tendierten dazu, das Verhalten zu sanktionieren und plädierten für Bestrafung. Koreanische Teilnehmer neigten dazu, das Verhalten des Freundes zu entschuldigen, die Schwere des Vergehens zu relativieren, und hätten im Falle einer Gerichtsverhandlung zugunsten des Freundes Falschaussagen in Betracht gezogen (Trompenaars / Hampden-Turner 1998:29ff.). Koreaner scheinen also das Verhalten von Menschen, mit denen sie in einer Beziehung stehen, in spezifischen Situationen weniger in Hinblick auf abstrakte juristische Gesetzmäßigkeiten oder ethischmoralische Normen zu urteilen, sondern zu empathischen Urteilen zu neigen, in die sie ihre gemeinsamen Beziehungsgeschichte und Beziehungstiefe in die Bewertung des Verhaltens einfließen lassen und so Loyalität über Objektivität stellen (Kim 1994:47f.). 4.3 Harmonie durch Gesichtwahren – Chemyon (체체) Das Jung-Gefühl, das zwischen Mitgliedern einer Beziehung bzw. einer Gruppe wirksam ist, macht das Beziehungsnetzwerk resistent gegenüber äußeren Einflüssen und führt zu exklusivem Ingroup/Outgroup-Verhalten (Nisbett 2009). Mitglieder eines Netzwerks sind stark motiviert, Harmonie, Konformität und Konsens zu bewahren und Risiken zu vermeiden, die die Verbindung verletzten könnten. Solche Risiken in der koreanischen Interaktion sind verbunden mit der „Wahrung des Gesichts“. Ebenso wie in vielen anderen asiatischen Ländern spielt auch in Korea das soziale „Gesicht“ eine weitaus bedeutendere Rolle als in westlichen Kulturen. Allgemein umfasst das „Gesicht“ drei Dimensionen: Es ist das persönliche Image des Selbst, das sich aus positiven sozialen Wertvorstellungen ableitet und in Interaktionen mit Anderen beansprucht wird (Goffman 1967 zit. nach Lim / Choi 1996:129ff.). Lim und Choi (1996) vergleichen das Konzept von „Gesicht“ in westlichen, individualistischen Kulturen und das Konzept © Interculture Journal 2011 | 14 100 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion von Chemyon (체체) der koreanischen, kollektivistischen Kultur. Dabei differenzieren sie Unterschiede in eben diesen drei Dimensionen: In westlichen Kulturen wird das Gesicht zum größten Teil als individuelles, psychologisches Image des Selbst betrachtet, das ein Mensch aufgrund seiner bisherigen Leistungen und Taten für sich selbst beansprucht. In der Interaktion mit Anderen bekräftigt er seinen „soziale Wert“. Er hat bspw. aufgrund seines „Gesicht-Wertes“ die Freiheit, seine Ansichten durchzusetzen und Anderen zuzustimmen bzw. zu widersprechen. Das Gesicht wird eher als Eigentum des Individuums und als individuelle Errungenschaft angesehen, was auf die Betonung des Selbstbildes des Menschen als autonomes, selbstverantwortliches Wesen zurückzuführen ist. In Interaktionen geht es für Menschen aus individualistischen Kulturen vor allem darum, das eigene Gesicht zu schützen (Lim / Choi 1996:124ff.). Im Gegensatz dazu wird das Konzept des Gesichts in der koreanischen Kultur eher als etwas betrachtet, dass einem aufgrund seiner Position und seines Status´ im hierarchischen Gesellschaftsgefüge zugeschrieben wird. Es wird gewahrt, indem man den Erwartungen, Normalitäts- und Wertvorstellungen der Gesellschaft durch sein Auftreten und Handeln entspricht. Es ist also ein kollektives Konzept und weniger individuell erstanden als in westlichen Kulturen. Um eine harmonische Interaktion gestalten zu können, ist es wichtig, das Chemyon des Interaktionspartners zu respektieren und empathisch und sensibel vorzugehen, um es nicht zu verletzen. Besonders in Shimjung-Situationen ist es für den Shimjung-empfindenen Partner wichtig, nicht sein Gesicht zu verlieren, indem er durch kritische Selbstreflexion seine Rolle in der Dyade prüft und einen offenen Gefühlsausbruch wie Enttäuschung oder Wut vermeidet. Gleichzeitig ist es wichtig, durch empathisches Vorgehen bei der Auflösung der Problemsituation das Chemyon des Gegenübers ebenso zu wahren und ihm darüber hinaus Gesicht „zu verleihen“. In diesem Aspekt unterscheiden sich asiatische Konzepte von „Gesicht“ von westlichen, was von Shim, Kim und Martin (2008:36) wiefolgt zusammengefasst wird: „In general, face giving seems to be more of an Eastern concern […]. To Asians, face giving means allowing room for the other person to recover his/her face – room to maneuver, to negotiate – so one can gain face in the end. For Westerners, face seems to be a dichotomous concept: we either lose face or save face. For Easterners, face is considered to be a mutual, interdependent concept, and is a relational and group phenomenon.” Koreaner verwenden im Vergleich zu Deutschen einen immensen Teil ihrer Freizeit darauf, ihre interpersonalen Beziehungen und Netzwerke zu pflegen, um so weitere Beziehungsgeschichte und Jung zu schaffen, die Verbindungen vertiefen und hamonisieren. Im Arbeitsleben sind zwischen 101 © Interculture Journal 2011 | 14 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion Kollegen regelmäßige informelle Abendessen mit anschließendem Kneipenbesuch gang und gäbe. Ebenso gehören Alumnitreffen dazu sowie aktive Mitgliedschaft in Vereinen. Lim / Choi (1996:128) bezeichnen diese Anstrengungen als „chemyon maintenance activities“. Trotz zunehmender individualistischer Tendenzen ist Kim (2003:112) der Ansicht, dass sich solche Anstrengungen vor allem im Arbeitsleben in den letzten Jahren aufgrund zunehmender Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt sogar verstärkt haben und prognostiziert, dass sie weiterhin eine essentielle Rolle im Alltag der Koreaner spielen werden. Darüber hinaus vermutet u.a. Koh (2004:118f.), dass konfuzianische Werte bei der Beziehungspflege als Gegenbewegung zu Individualisierung und damit verbundener wachsender menschlicher Isolierung eine Art Renaissance erleben und dadurch auch zukünftig weiterleben werden. 4.4 Nunchi (눈눈) – die soziale Kompetenz in Kommunikationssituationen Die Betonung von Emotionen und nonverbaler Kommunikation machen Korea zu einer „high-context-culture“ (Hall 1989:105ff.), die sich durch ein hohes Maß an Implizitheit und Indirektheit auszeichnet. Koreaner betrachten effektive Kommunikation eher als partikulär statt universell: Durch die Notwendigkeit, kommunikative Akte immer auch mit hierarchischer Positionierungen und Chemyon zu balancieren, wird oft vermieden, Äußerungen direkt, explizit zu vermitteln, sondern sie werden bevorzugt durch den situativen Kontext kommuniziert. Die interpersonale Beziehung, in der Kommunikationspartner zueinander stehen, spielt also eine weitaus wichtigere Rolle als der rein inhaltliche Austausch von Äußerungen (Lim / Choi 1996:130). Um non- und paraverbale Signale, die in kommunikativen Akten mittransportiert werden und Wünsche oder Absichten implizieren oder ShimjungEruptionen anzeigen, interpretieren zu können, ist es für ein angemessenes Verhalten unabdinglich, „zwischen den Zeilen zu lesen“. Diese Fähigkeit wird im Koreanischen Nunchi (눈눈) genannt, was auch mit Taktgefühl, Weitsichtigkeit oder Empathievermögen umschrieben werden kann. Nunchi wird als die Determinante für Erfolg oder Misserfolg in der Interaktion betrachtet (Kim 2003:99). Es hilft sowohl, die situative Gefühlslage des Interaktionspartners einzuschätzen, als auch implizite oder ambigue Äußerungen zu interpretieren, um das eigene Handeln danach ausrichten zu können. Daher ist es eine wichtige kommunikative Fähigkeit, um das Chemyon des Gegenübers zu schützen und ggf. anzuheben, Jung aufzubauen und sich ganz allgemein angemessen in koreanischen Kommunikationssituationen verhalten zu können. Je mehr Wissen Interaktionspartner voreinander haben, desto größer © Interculture Journal 2011 | 14 102 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion ist die Interpretationsbasis, auf der Nunchi wirksam werden kann und desto reibungsloser und harmonischer funktioniert die Kommunikation. Folgende Beispiele sollen die Wirkungsweise von Nunchi verdeutlichen: Wäre ein Freund in Geldnot, so würde er dieses Problem, um sein Chemyon zu wahren, nicht direkt ansprechen. Durch Nunchi jedoch könnte sein Freund diese Situation erfassen und ihm ohne direkte Aufforderung Geld leihen bzw. ihn einladen. Ebenso wird Nunchi im Arbeitsleben unter hierarchisch Untergebenen und Vorgesetzten aktiv, wenn es um die Klärung von Problemen geht. Der richtige Zeitpunkt bspw. für die Bitte um Urlaubstage wird durch Nunchi ausgelotet oder mögliche Erwartungen des Vorgesetzten über Arbeitspensum oder zu erledigende Aufgaben können mittels Nunchi vorausgesehen werden. Beim Diskutieren spielt Nunchi eine wichtige Rolle, die Position des Gegenübers richtig zu verstehen und nicht durch zu direktes Vorgehen die Integrität seiner Person infrage zu stellen und ihm so das Chemyon zu verletzen8. Nunchi besteht also aus zwei Komponenten: Dekodierung nonverbaler Signale sowie Ausführung der erwarteten Handlung bzw. Reaktion (Shim / Kim / Martin 2008:74). Generell gilt in Korea die Fähigkeit, sich angemessen in interpersonalen Beziehungen zu bewegen und sie aufrecht zu erhalten, nicht nur als individuelles Charaktermerkmal, sondern als soziale Kompetenz (Kim 2003:107, Lim / Choi 1996:132, Kim 1994:48). Einer Studie von Park und Kim (2006) zufolge betrachtet die Mehrheit der Koreaner Erfolg im Schul- und Arbeitsleben als ein Resultat aus Selbstregulation (Einsatzbereitschaft, Wille, Geduld, Ausdauer) und Unterstützung aus dem sozialen Umfeld. Gleich an zweiter Stelle wurden Faktoren wie die Fähigkeit, harmonische Beziehungen zu erhalten, als Erfolgsgrund genannt, während die Rolle von Kenntnissen und fachlichen Qualifikationen an letzter Stelle angegeben wurden (2006:431ff.). 5. Die asiazentrische Perspektive in der Kommunikation Um sich in Kommunikationssituationen, insbesondere im interkulturellen Kontext, angemessen verhalten zu können, ist es unabdinglich, das kulturgeprägte Weltbild, vor dessen Hintergrund Kommunikation stattfindet und Menschen miteinander agieren, zu begreifen. Weltbilder sind verschieden. Daher spielen bspw. in Korea in interpersonalen Beziehungen und Kommunikationssituationen andere Prämissen eine Rolle als in Deutschland. Miike (2007:273ff. und 2009:41ff.) fasst diese Prämissen zusammen und formuliert sie gleichzeitig als Proposition an westliche Kulturen, ihr eigenes Weltbild um 103 © Interculture Journal 2011 | 14 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion eine asiazentrische Perspektive zu erweitern. Demzufolge wird Kommunikation aus asiazentrischer Sicht als ein Prozess betrachtet, 1.) in dem Menschen sich ihrer Abhängigkeit und Verbundenheit mit anderen Menschen bewusst werden und ihren Platz in sich erweiternden Netzwerken von Beziehungen immer wieder neu bestätigen bzw. neu definieren. 2.) in dem Menschen egoistische Absichten zugunsten von Zwischenmenschlichkeit und Kooperationsfähigkeit mit Mitmenschen zurückstellen. 3.) in dem Gefühle der Interaktionspartner ebenso wie inhaltliche Absichten wahrgenommen und berücksichtigt werden. 4.) in dem Menschen ihre humanen, reziproken Verpflichtungen gegenüber Mitmenschen wahrnehmen und sie über Kommunikationsabsichten wie Manipulation, Profit- oder sozialen Prestigezuwachs stellen. 5.) in dem das Hauptziel aus der Wahrung und Herstellung von Harmonie besteht. Kommunikationstheorien, die Mentalität und Weltbilder nicht-westlicher Kulturen durch eine „westliche Brille“ betrachten, so kritisieren asiatischen Wissenschaftler, sind geprägt von eurozentrischen Weltbildern, die unter dem Wirkungskreis der Aufklärung stehen, die Rationalität, Individualität, Autonomität und Selbst-Bewusstsein zu den obersten Prinzipien im philosophischen Denken erhob (Miike 2007, 2009, Kim / Park 2006, Hwang 2006, Choi / Han 2008, Choi / Kim 2006 u.a.). Im Gegensatz dazu werden in der koreanischen Kultur, die unter dem Wirkungskreis des Konfuzianismus steht, andere Werte hervorgehoben: Kommunikation bedeutet, sich in Abhängigkeitsverhältnisse zu begeben und Individualität zugunsten von Harmonie in interpersonalen Beziehungen aufzulösen. Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, für einige genuin koreanische Phänomene zu sensibilisieren und die herausragende Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion zu verdeutlichen. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft die indigene Psychologie im asiatischen Raum weiterhin eine wichtige Rolle dabei spielen wird, kulturgebundene Besonderheiten im Interaktions- und Kommunikationsverhalten freizulegen und somit hilfreiche Beiträge zur interkulturellen Verständigung leisten zu können. © Interculture Journal 2011 | 14 104 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion Literatur Azuma, Hiroshi (1984): Psychology in a Non-Western Country. International Journal of Psychology 19 (1), S. 45-55. Brüch, Andreas / Thomas, Alexander (2007): Beruflich in Südkorea. Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht. Cha, Jae-Ho (1994): Aspects of Individualism and Collectivism in Korea. In: Kim, Uichol et al. (Hrsg.): Individualism and Collectivism. Theory, Method, And Application. Thousand Oaks CA: Sage, S. 157-174. Choi, Sang-Chin / Han, Gyuseog (2008): Shimcheong Psychology. 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Communication Monographs 55, S. 374-388. *This work was supported by Hankuk University of Foreign Studies Research Fund 2011. 1 Eine der ältesten Institutionen in Korea, die auch heute noch die Lehren des Konfuzius´ vermittelt und sich aktiv für den Erhalt und die Förderung konfuzianischer ethischer Werte einsetzt, ist beispielsweise die Sung Kyun Kwan Universität, die mit der Sung Kyun Kwan Confucian Association Seoul zusammenarbeitet (hierzu insbesondere ein Interview mit © Interculture Journal 2011 | 14 106 Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion dem Präsident der Sung Kyun Kwan Confucian Association von Lee Hyo-won (2010) „Confucianism is in synch with modern times“; abrufbar unter www.koreatimes.co.kr/www/news/special/2010/05/178_667 46.html [29.1.2011]). Darüber hinaus gibt es Vereinigungen konfuzianischer Gelehrter wie Yurim und Dam-soo-hoe in Andong sowie Regionalverbände, die sich um Tempelpflege und Wissenstransfer konfuzianischer Lehren kümmern. 2 Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen zu Umfrageergebnisse von Park / Kim (2006) und Han / Choe (1994) zum elterlichen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten von Jugendlichen. 3 Koh zählt durchschnittlich 10 Riten pro Jahr, die von Koreanern im Sinne konfuzianischer Traditionen durchgeführt werden (1996:195). 4 Genauere Ausführungen zum Wirken von Alumnivereinigungen finden sich insbesondere in Shim / Kim / Martin (2008) und Han / Choe (1994). 5 Siehe Shim Jae-yun (2010): „Kyungmin College focuses on practical education based on filial piety.“ Korean Times vom 6.12.2010. 6 Siehe Kim Ji-soo (2010): „Filling the philosophical void.“ Korean Times vom 28.1.2011. 7 Auch die absolute Kontrolle über die eigene Gefühlswelt wurde im alten Korea als konfuzianische Grundtugend betrachtet. Gefühlsausbrüche wurden als Hindernis bei der Erlangung des vollkommenen Wissens und der Wahrheitsfindung betrachtet. Selbstkultivierung bedeutete vor allem Beherrschung von Emotionen und Unterdrückung solcher irrationaler Störfaktoren (Koh 2004, Kim 2003, Kim 1996). 8 Das Trainingsprogramm von Brüch / Thomas (2007) bietet einen lesenswerten, reichhaltigen Fundus an authentischen critical incidents, die zwischen Deutschen und Koreanern im Geschäftsleben entstanden sind und insbesondere das Wirken von Nunchi und Chemyon weiter verdeutlichen können. 107 © Interculture Journal 2011 | 14 Rezensionen 109 Sterner, Barbara (2010): Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienst-leistungsunternehmen Rezensiert von: Alexandra Stang 113 Zapf, Elke Christine (2009): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum Rezensiert von: Alexandra Stang 117 Knüttel, Katharina / Martin Seeliger (Hrsg.) (2011): Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen. Rezensiert von: Kathrin Best Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“ von Barbara Sterner „Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“ von Barbara Sterner Rezension Alexandra Stang Überall dort, wo eine „pankollektive Klammer“ (Hansen 2009:129) in Form eines gemeinsamen Codes, zum Beispiel einer Sprache oder gleichen Werten, fehlt, entstehen in der internationalen Praxis häufig Reibungsverluste und Widersprüche im öffentlichen Auftritt. Öffentlichkeitsarbeit ist eine von zahlreichen Elementen interkultureller Öffnung. Wer länderübergreifend Public Relations verantwortet, sollte sich aus diesem Grunde über kulturspezifische Sachverhalte Gedanken machen, denn Kommunikation ist immer auch eine Konstruktion von Wirklichkeit (Luhmann 1995). Projektmitarbeiterin Publikationen und Interkulturelle Bildung an der TU Kaiserslautern Durch die Globalisierungsprozesse hat die Relevanz internationaler Public Relations als eine Form der Organisationskommunikation in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Glaubwürdige und nachhaltige Kommunikation ist daher das Öl im Getriebe eines jeden international aufgestellten Unternehmens, da diese das kritische Urteil der Öffentlichkeit bedenken müssen. Die Art und Weise, wie jedoch miteinander kommuniziert wird, ist stark vom jeweiligen kulturellen Hintergrund geprägt. Interne wie externe Unternehmenskommunikation muss die unterschiedlichen Themen, Interessen und Anliegen der einzelnen Bereiche kennen, aufgreifen, gegebenenfalls vermitteln und ausgleichen. Kommunikation schafft den Rahmen für einen glaubwürdigen, werteorientierten und Vertrauen schaffenden Dialog mit allen internen und externen Stakeholdern. So lassen sich Prozesse harmonisieren und eine weitgehend geteilte Unternehmenskultur entwickeln, die die jeweiligen kulturellen Stile mit berücksichtigt. In der Wissenschaft wurde bereits mehrfach auf den Einfluss von kommunikativen und kulturellen Spezifika hingewiesen (vgl. hierzu Bolten et al. 1996, Bolten 1999). Anders herum gefragt: Wie global oder lokal müssen heute PR Strategien in multinationalen Wirtschaftsorganisationen sein? Die vorliegende Publikation „Public Relations in multinationalen Unternehmen“ von Barbara Sterner ordnet sich thematisch in die Schriftenreihe der Saarbrücker Studien zur Interkulturellen Kommunikation mit Schwerpunkt Frankreich und Deutschland ein. Die durchgeführte Fallstudie greift den beschriebenen Sachverhalt auf. Sie widmet sich inhaltlich der Öffentlichkeitsarbeit und ihrer kommunikativen Ausgestaltung am Beispiel eines multinationalen Finanzunternehmens in Deutschland und seinen Tochtergesellschaften in Frankreich und den USA. Die Untersuchung gliedert sich dabei in einen theoretischen Abschnitt zur Entwicklung und Bedeutung der Public Relations und einen empirischen Analyseteil. Dazu führt die Autorin neben einer kommunikativen Stilana109 © Interculture Journal 2011 | 14 Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“ von Barbara Sterner lyse als Methodik der Kulturbeschreibung auch eine qualitative Befragung von Mitarbeitern in internationalen Pressestellen in der Versicherungswirtschaft durch. Die Ergebnisse geben einen interessanten Aufschluss darüber, wie ein multinational aufgestelltes Unternehmen heute seine Öffentlichkeitsarbeit koordiniert. Darauf aufbauend entwirft die Autorin ein Modell zur Ausgestaltung von PR-Maßnahmen in internationalen Kontexten, das auf andere kulturelle Kontexte übertragbar ist. Im ersten Abschnitt der Ausarbeitung beschäftigt sich Barbara Sterner dazu ausführlich mit den vielfältigen Ansätzen der aktuellen PR-Forschung und ihren Anwendungsfeldern in der Wirtschaft. Dabei grenzt sie Public Relations von der klassischen Werbung ab. Danach schließt eine kritische Diskussion von bekannten Kommunikations- und Kulturmodellen den theoretischen Grundlagenteil der Arbeit ab. Dieser verweist gleichsam auf den Zusammenhang von Unternehmenskommunikation und Unternehmenskultur. Der zweite Teil beschäftigt sich ausführlich mit dem methodischen Vorgehen der Auswertung. Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung, Interviewund Dokumentenanalyse. Den Kern der Arbeit bildet eine vergleichende Medienanalyse von Geschäftsberichten und Webseiten bei ausgewählten Tochterunternehmen in Frankreich und den USA und der Konzernzentrale in Deutschland. Diese werden auf ihre kommunikativen Unterschiede hin analysiert und mit den Ergebnissen der Interviewaussagen der PR-Mitarbeitern und der teilnehmenden Beobachtung in Bezug gesetzt. Daraus leiten sich abschließend die Einflussfaktoren auf die Ausgestaltung und Koordination von PR-Maßnahmen im deutschfranzösisch-US-amerikanischen Kontext ab. Die Publikation vermittelt Kenntnisse und Kompetenzen zur optimalen und zielgerichteten Gestaltung von Kommunikationsprozessen im Rahmen der internationalen Öffentlichkeitsarbeit. Um den spezifischen Wahrnehmungs- und Kommunikationsgewohnheiten der unterschiedlichen Zielgruppen gerecht werden zu können, plädiert die Autorin für eine differenzierte Herangehensweise, die die jeweiligen Stilmerkale berücksichtigt. Die Autorin wendet sich mit ihrer Dissertation insgesamt an eine breite Leserschaft und möchte für die Herausforderungen in der grenzüberschreitenden Public Relations und einem mehrsprachigen Umfeld sensibilisieren. Kommunikationswissenschaftler als auch Fach- und Führungskräfte, die in internationalen Unternehmen die Öffentlichkeitsarbeit auf opera- © Interculture Journal 2011 | 14 110 Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“ von Barbara Sterner tiver oder strategischer Ebene verantworten, können gleichsam von der Lektüre des Buches profitieren. Sterner, Barbara (2010): Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag. 347 Seiten. Preis 36,00 EUR. ISBN 978-3-86110-484-1. Literatur Bolten, Jürgen / Dathe, Marion et al. (1996): Interkulturalität, Interlingualität und Standardisierung bei der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen. Gezeigt an amerikanischen, britischen, deutschen, französischen und russischen Geschäftsberichten. In: Baumann, Klaus-Dieter / Kalverkämper, Hartwig (Hrsg.): Fachliche Textsorten. Komponenten - Relationen – Strategien. Tübingen: Narr Verlag, S. 389 - 425. Bolten, Jürgen (1999): Kommunikativer Stil, kulturelles Gedächtnis und Kommunikationsmonopole. In: Geißner, Hellmut (Hrsg.): Wirtschaftskommunikation in Europa = Business Communication in Europe. Tostedt: Attikon Verlag, S. 113 - 131. Hansen, Klaus P. (2009): Kultur, Kollektiv, Nation. Passau: Stutz Verlag. Luhmann, Niklas (1995): Die Soziologie und der Mensch. 6. Soziologische Aufklärung. Opladen: Westdeutscher Verlag. 111 © Interculture Journal 2011 | 14 © Interculture Journal 2011 | 14 112 Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf Alexandra Stang Projektmitarbeiterin Publikationen und Interkulturelle Bildung an der TU Kaiserslautern Rezension „Die Internationalisierungsprozesse gehen mit weltweiten Veränderungen einher und stellen nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche vor neue Herausforderungen“, schreibt die Autorin Elke Christine Zapf (2009:15). Die zitierten gesellschaftlichen Veränderungen erfordern heute von Berufstätigen interkulturelle Handlungskompetenz und Mehrsprachigkeit. Sie zählen im 21. Jahrhundert von daher zu den unabdingbaren Schlüsselqualifikationen, um ein konstruktives Miteinander ermöglichen zu können. Die deutsch-französischen Beziehungen bilden bereits seit Unterzeichnung des Elysée-Vertrags einen festen Bestandteil des wirtschaftlichen Lebens in beiden Nachbarländern. Reibungsverluste, die auf unzureichende interkulturelle Kommunikationsfähigkeit und mangelnde Sprachkenntnisse schließen lassen, gibt es jedoch bis heute genügend. Den skizzierten Herausforderungen wird sich jedoch besonders im Berufsschulwesen nur am Rande gestellt, denn Französischunterricht in Berufsschulkontexten ist bis heute kein verbindliches Unterrichtsfach. Barmeyer (2000:127) spricht von daher zurecht von „kultureller Kurzsichtigkeit“. Mit anderen Worten: Interkulturelle Wirtschaftskompetenz - besonders in Grenzregionen - bedeutet weit mehr, als nur Englischkenntnisse in Form einer Lingua franca zu erwerben! Die vorliegende Publikation „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen“ von Elke Christine Zapf ordnet sich thematisch in die Schriftenreihe der Saarbrücker Studien zur Interkulturellen Kommunikation mit Schwerpunkt Frankreich und Deutschland ein. Die Dissertation widmet sich im Fortgang „der Schnittstelle von interkultureller Forschung, Fremdsprachendidaktik, Wirtschaft und der Praxis im beruflichen Schulwesen“ (Zapf 2009:16). Dabei stehen drei inhaltliche Schwerpunkte im Mittelpunkt des Interesses: a) die Bedeutung der interkulturellen deutschfranzösischen Wirtschaftskommunikation, b) die persönliche Sichtweise von Französischlehrkräften bezogen auf das Thema interkulturelle Kommunikation und c) die Frage nach einer angemessenen Verankerung in Lehrmaterialien. Das Buch beschäftigt sich mit der Rolle, den gemachten Erfahrungen und Herausforderungen des wirtschafts- und berufsbezogenen Französischunterrichts in den Grenzregionen. Die dafür notwendige Bedarfserhebung und Analyse der Interviewaussagen bezieht sich auf den Zeitraum von April bis September 2004. Die getätigten Interviewaussagen und Ergebnisse sind aus diesem Grunde auch als eine zeitliche Ist- 113 © Interculture Journal 2011 | 14 Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf Momentaufnahme zu verstehen. Auf diesen Aspekt weist die Autorin selbst mehrfach im Methodenteil ihrer Arbeit explizit hin. Dies ist von besonderer Relevanz, um die Aussagen der Interviewpartner bezogen auf Herkunft, Alter, Bildungsstand und Tätigkeitsbereiche heute angemessen deuten zu können. Im ersten Abschnitt der Ausarbeitung stehen das historisch gewachsene deutsch-französische Beziehungsgeflecht in der Wirtschaft und im Bildungswesen nach 1945 im Mittelpunkt. Im Anschluss folgen didaktische Überlegungen zur Förderung einer berufsbezogenen interkulturellen Kompetenz und adäquate Vermittlungsmöglichkeiten. Diese schließen landeskundliches Wissen, eine sprachliche Analysefähigkeit, interkulturelles Prozesswissen und verhaltensbezogene Aspekte mit ein. Im zweiten Teil ihrer Dissertation betrachtet die Autorin den aktuellen Französischbedarf und Kenntnisstand von kaufmännischen Mitarbeitern in Wirtschaftsorganisationen (Stand 2004). Die Analysen der Aussagen zeigen einen deutlichen Handlungsbedarf in der Förderung der produktiven und rezeptiven berufsbezogenen Sprachfertigkeiten der befragten Personen auf. Problematisch weisen sich gleichsam die diffusen Vorstellungen der Befragten zum Begriff „Interkulturelle Kompetenz“. Dies macht deutlich, dass es einen erheblichen Klärungsbedarf gibt, um insbesondere künftige Mitarbeiter für interkulturelle Herausforderungen und Chancen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu sensibilisieren. Der dritte Abschnitt des Buches beschäftigt sich mit der persönlichen Sichtweise der befragten Lehrkräfte und ihrer Unterrichtskonzepte. Insgesamt zeichnet sich hier ein sehr heterogenes Bild und Unsicherheit darüber ab, wie eine berufsbezogene interkulturelle Wirtschaftskompetenz im Fremdsprachenunterricht am besten umgesetzt werden kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die in der Studie befragten Lehrkräften in ihrer eigenen Ausbildungssozialisation mit explizit interkulturellen wirtschaftsbezogenen Fragestellungen aus didaktischer Sicht selten konfrontiert wurden. So wundert es auch nicht, dass ein Teil des älteren Lehrpersonals mit den heute an sie gestellten Erwartungen schlichtweg überfordert ist (vgl. Bolten 2001). Dies muss stärker in der Lehrerfortbildung berücksichtigt werden. Sprachvermittlung beinhaltet immer auch eine Kulturmittlerfunktion bzw. eine Förderung des Bewusstseins der eigenen als auch der fremdsprachigen Kultur. Aus diesem Grund beschäftigt sich die Arbeit abschließend mit der Analyse der eingesetzten französischen Lehrwerke. Aus der Perspektive der Lehrwerkanalyse zieht die Autorin insgesamt ein positives Fazit. Diese hat ergeben, dass die meisten Lehrwerke heute © Interculture Journal 2011 | 14 114 Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf Wert darauf legen, ihre Zielgruppe zum sprachlichen und kulturell angemessenen Handeln zu befähigen. Mit ihrer Publikation wendet sich die Autorin primär an Französischlehrkräfte, die sich mit den Herausforderungen der interkulturellen Fremdsprachendidaktik im Unterricht an beruflichen Schulen beschäftigen. Letztlich geht es darum, interkulturelle Aspekte und Fremdsprachenerwerb proaktiv und langfristig in berufs- und wirtschaftspädagogische Fragestellungen zu integrieren und damit verbundene Stärken und Schwächen zu beleuchten. Die Autorin appelliert an ihre Leserschaft, „dass das Fremdsprachenlernen und der Erwerb interkultureller Kompetenz zu einer originären Aufgabe der beruflichen Bildung gehören“ (Zapf 2009: 449). Eine konkrete Anleitung dafür, wie dies umgesetzt werden könnte, bietet das Buch jedoch nicht. Es lädt vielmehr dazu ein, über neue Wege eines interkulturellen Lehrens und Lernens im Rahmen eines integrierten ganzheitlichen didaktischen Konzeptes nachzudenken. Ziel aller Bemühungen des Berufsschulwesens sollte es sein, künftige Fachkräfte darauf vorzubereiten, erfolgreich ein Auslandspraktikum durchzuführen bzw. in deutsch-französischen Kontexten gemeinsam effektiv und verständnisvoll miteinander arbeiten zu können. Die Autorin fordert daher zu einer aktiven Auseinandersetzung mit diesem komplexen Thema auf. Dazu gehören freilich auch entsprechende Qualifzierungs- und Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte an beruflichen Schulen. Zapf, Elke Christine (2009): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag. 471 Seiten. Preis 48,00 EUR. ISBN 9783-86110-471-1. Literatur Barmeyer, Christoph I. (2000): Mentalitätsunterschiede und Marktchancen im Frankreichgeschäft. Zur Zur interkulturellen Kommunikation im Handwerk (mit Schwerpunkt Saarland-Lothringen). St. Ingbert: Röhrig Universitäts Verlag. Bolten, Jürgen (2001): Thesen zum interkulturellen Lernen in der Schule. In: Jürgen Bolten, Daniela Schröter (Hrsg.). Im Netzwerk interkulturellen Handelns (S. 106-113). Sternenfels: Wissenschaft und Praxis. 115 © Interculture Journal 2011 | 14 © Interculture Journal 2011 | 14 116 Best: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel und Martin Seeliger „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel und Martin Seeliger Kathrin Best M.A. in Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Architektur, Universität Wien, Teilnehmerin des Promotionsprogramms „Performance and Media Studies“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Rezension Der Begriff der Intersektionalität gewinnt in den Kulturwissenschaften mit Beginn der 1990er Jahre zunehmend an Bedeutung. Er bezeichnet die Überlagerung beziehungsweise Komplexion sozialer Diskriminierungen in einer Person (Behrens 2011:56) und betont dabei insbesondere die Tatsache, dass diese sich nicht ausschließlich addieren, sondern sich ebenso gegenseitig verstärken oder abschwächen können. Mit dem Sammelband „Intersektionalität und Kulturindutrie“ wollen Katharina Knüttel und Martin Seeliger einen Beitrag zur Intersektionalitätsdebatte innerhalb der modernen Kulturwissenschaften leisten. Ziel der Soziologen ist es, eine analytische Verbindung zwischen kulturellen Artefakten und der Reproduktion von Differenzmerkmalen herzustellen, das heißt, „dem Zusammenwirken unterschiedlicher sozialer Kategorien mit Blick auf konkrete Kulturphänomene auf die Schliche zu kommen“ (Knüttel / Seeliger 2011:8). Adäquat zu dieser Fragestellung betrachten Knüttel und Seeliger Kultur als ein „dynamisches Set von Symbolen, Artefakten und sozialen Praktiken“ (Knüttel / Seeliger 2011:15), das von den Akteuren permanent neu ausgehandelt wird. Die Gliederung des Sammelbandes erscheint nachvollziehbar: In einem einleitenden Beitrag diskutieren die Herausgeber richtungsweisende soziologische Konzepte und legen so den eigenen fachlichen Zugang offen. An diese Einführung schließen zwei weitere Grundlagentexte an, von denen der eine verstärkt den Begriff der Intersektionalität, der andere den der Kulturindustrie behandelt: Nina Degele und Gabriele Winkler schlagen in ihrem Beitrag „'Leistung muss sich wieder lohnen'. Zur intersektionalen Analyse kultureller Symbole“ ein Instrumentarium vor, mit dessen Hilfe Intersektionalität im Kulturbereich konkret erfasst werden kann; Roger Behrens liefert mit seinem Aufsatz „Unterhaltung als Unterdrückung. Kulturindustrie, Intersektionalität und Herrschaft“ einen kritischen Blick auf die historische Entwicklung des Kulturindustrie-Begriffs. An diese einleitenden Texte schließen sich insgesamt acht weitere Beiträge an, die jeweils ein konkretes Phänomen der Populärkultur im Hinblick auf die Reproduktion sozialer Differenzkategorien genauer unter die Lupe nehmen. Dem interdisziplinären Anspruch der Herausgeber wird der Sammelband insofern gerecht, als die vertretenen Wissenschaftler in unterschiedlichen Fächern wie beispielsweise der Soziologie, den Kultur- oder den Sprachwissenschaften beheimatet sind. 117 © Interculture Journal 2011 | 14 Best: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel und Martin Seeliger Wenngleich die Publikation schon aufgrund des Themas eindeutig an ein Fachpublikum gerichtet ist, so ist zumindest die Mehrzahl der Texte auch für interessierte Laien verständlich: Von den einschlägigen Fachtermini abgesehen kommen die Autoren überwiegend ohne unnötige Verkomplizierungen aus. Störend bezüglich der Lesbarkeit ist allerdings das nachlässige Lektorat, dem nicht nur zahlreiche Rechtschreib- und Tippfehler, sondern auch grammatikalische Schnitzer entgangen sind. Leider korrespondiert die sprachliche Einfachheit zudem mit der Inhaltsebene, so dass die Texte insgesamt kaum neue Erkenntnisse liefern, sondern stattdessen grundsätzlich Bekanntes wiederholen. Der Eindruck von Banalität wird außerdem dadurch verstärkt, dass die Autoren zum großen Teil keine wissenschaftlichen Methoden anwenden, sondern ihre vermeintlichen Erkenntnisse als bloße Behauptungen in den Raum stellen. Dabei scheinen sie oftmals derart auf eine bestimmte Perspektive fixiert zu sein, dass bar jeder Grundlage Argumente gesucht und Tatsachen, die nicht ins Bild passen, schlichtweg ignoriert werden. Besonders deutlich wird dies anhand des Beitrags „Zeitgenössische Frauenzeitschriften als kulturindustrieller Schnittpunkt“ von Thomas Hecken und Isabelle Middeke. Die von den Autoren im Zuge ihrer Forschungsarbeit entworfenen InterviewFragen sollen die Zielgruppenpolitik von Frauenmagazinen aufdecken, wirken dabei aber derart suggestiv, dass es kaum verwundert, dass von den neun adressierten Redaktionen nicht eine einzige an der Untersuchung teilnehmen wollte. Dieser Umstand hält die Autoren allerdings nicht davon ab, den entstandenen Freiraum mit Spekulationen zu füllen, die sich lediglich auf die Webpräsenz einer einzigen Zeitschrift stützen und in erster Linie – nicht wissenschaftlich, sondern in beleidigtem Ton – den Frust der Forscher über die gescheiterte Untersuchung zum Ausdruck bringen: „In acht von neun Fällen wurden nicht einmal elementare Höflichkeitsregeln eingehalten; auf eine kurze Antwort bzw. Absage glaubte man verzichten zu können“ (Hecken / Middeke 2011:109). Die folgenden Seiten verwenden die Autoren dazu, wenig originell die Abwertung von Frauenzeitschriften als Unterhaltungsstoff beziehungsweise minderwertige journalistische Produkte zu beklagen. Dabei fällt auf, dass sie selbst die entsprechenden Vorurteile reproduzieren, indem sie die Leserinnen der Hefte gegenüber der als überwiegend männlich charakterisierten Leserschaft politischer Magazine deutlich abgrenzen und gleichsam abwerten: „Ihre eigene minderwertige oder unwerte Position im kulturellen, politischen und journalistischen Bereich wird von den Frauenzeitschriften selbst nicht auf vergleichbare Weise zur Sprache gebracht und versuchsweise aufgehoben. In einer Hinsicht besteht dazu tatsächlich kein Bedarf: ihr Anklang bei großen zwar nicht mit ökonomischem und kulturellem Kapital © Interculture Journal 2011 | 14 118 Best: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel und Martin Seeliger ausgestatteten, aber wenigstens am Kiosk zahlungskräftigen Käuferschichten legitimiert ihr Vorgehen immerhin im unternehmerischen Sinne hinreichend.“ (Hecken / Middeke 2011:116f.) Von einer wissenschaftlichen Analyse intersektionaler Prozesse sind die Autoren damit meilenweit entfernt, zumal soziale Differenz in ihrem Beitrag auf die Kategorie männlich / weiblich reduziert bleibt. Ein verhältnismäßig erfreuliches Beispiel ist demgegenüber der Beitrag „'King Kong und die weiße Frau'. Konstitution eines zivilisierten Selbst“ von Joe Schaefer-Rolffs. Der Autor zeigt anhand seines Filmbeispiels schlüssig auf, wie rassistische und sexistische Stereotype miteinander verwoben sind. Damit konzentriert er sich zwar auch nur auf zwei Differenzkategorien, lässt jedoch zumindest die Tendenz zu einer intersektionalen Betrachtungsweise erkennen. Insgesamt muss den Herausgebern zugestanden werden, dass die formulierte Fragestellung ein brisantes und weitgehend neues Forschungsfeld eröffnet. Richtungsweisend ist zudem der interdisziplinäre Zugang, da gerade fächerübergreifendes Denken häufig zu neuen Erkenntnissen führt. Bezüglich der inhaltlichen Tiefe sowie des Innovationscharakters der Beiträge lässt die Publikation – von einigen positiven Ausnahmen abgesehen – allerdings noch Wünsche offen. Das eingangs formulierte Ziel, die Intersektionalitätsdebatte für die Analyse kultureller Artefakte nutzbar zu machen, kann der Sammelband schon deshalb nicht einlösen, weil Intersektionalität in der Mehrzahl der Beiträge gar nicht erst verhandelt wird. Knüttel, Katharina / Martin Seeliger (Hrsg.) (2011): Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen. Bielefeld: Transcript Verlag. 285 Seiten, Preis: 29,80 Euro, ISBN: 97838376-1494-7. 119 © Interculture Journal 2011 | 14 Best: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel und Martin Seeliger Literatur Behrens, Roger (2011): Unterhaltung als Unterdrückung. Kulturindustrie, Intersektionalität und Herrschaft. In: Knüttel, K. / M. Seeliger (Hrsg.): Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen. Bielefeld: Transcript Verlag, S:53-82. Thomas Hecken / Isabelle Middeke (2011): Zeitgenössische Frauenzeitschriften als kulturindustrieller Schnittpunkt. In: Knüttel, K. / M. Seeliger (Hrsg.): Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen. Bielefeld: Transcript Verlag, S.105-129. © Interculture Journal 2011 | 14 120