Ein Quantum Kompetenz - interculture journal: Online Zeitschrift für

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Ein Quantum Kompetenz - interculture journal: Online Zeitschrift für
online-Zeitschrift für Interkulturelle Studien
Inhalt I Jahrgang 10 I Ausgabe 14 I www.interculture-journal.com
Vorwort
[Preface]
Christoph Barmeyer/ Jörg Scheffer
Im Auftrag der Kulturvermittlung?
Interkulturelle Kompetenz
und Fremdheitsdarstellungen
in den James-Bond-Filmen
[Bridging Cultural Gaps?
Intercultural Competence and Portrayals of
Otherness in James-Bond Films]
B. Alexander Dauner
Die organisierende Funktion
von Kompetenz –
Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells
interkultureller Kompetenz
[The Organizing Function of Competence –
Layout of a Two-Level-Model of
Intercultural Competence]
Hanna Pułaczewska
Intercultural Competence for
Unequal Business Encounters
[Interkulturelle Kompetenz für
Asymmetrische Geschäftsbeziehungen]
Jasmin Mahadevan /
Stefan Weißert / Franziska Müller
From Given Cross-Cultural
Difference to a New Interculture:
A Sino-German Example
Quantum of competence
Interculturalism
between East and West
[Von bestehenden Kulturunterschieden
zu einer neuen Interkultur:
Ein Chinesisch-Deutsches Fallbeispiel]
Elias Jammal
Eros-Face
[Eros-Face]
Anja Scherpinski – Lee
Die Bedeutung von Emotionen in der
koreanischen Interaktion
[Importance of Emotions in Interpersonal
Relationships and Social Networks in Korea]
Herausgeber:
Jürgen Bolten
Stefanie Rathje
unterstützt von: / supported by:
2011
Herausgeber:
Prof. Dr. Jürgen Bolten (Jena)
Prof. Dr. Stefanie Rathje (Berlin)
Wissenschaftlicher Beirat:
Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Ahrens (Würzburg)
Prof. Dr. Manfred Bayer (Danzig)
Prof. Dr. Klaus P. Hansen (Passau)
Prof. Dr. Jürgen Henze (Berlin)
Prof. Dr. Bernd Müller-Jacquier (Bayreuth)
Prof. Dr. Alois Moosmüller (München)
Prof. Dr. Alexander Thomas (Regensburg)
Chefredaktion und Web-Realisierung:
Mario Schulz
Editing:
Susanne Wiegner
Fachgebiet:
Interkulturelle Wirtschaftskommunikation
Friedrich-Schiller-Universität Jena
ISSN: 1610-7217
www.interculture-journal.com
Inhalt / Content
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Vorwort der Herausgeber [Preface]
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Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz
und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
[Bridging Cultural Gaps? Intercultural Competence and Portrayals of
Otherness in James-Bond Films]
Christoph Barmeyer/ Jörg Scheffer
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Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines
zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
[The Organizing Function of Competence – Layout of a
Two-Level-Model of Intercultural Competence]
B. Alexander Dauner
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Intercultural Competence for Unequal Business Encounters
[Interkulturelle Kompetenz für Asymmetrische Geschäftsbeziehungen]
Hanna Pułaczewska
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From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture:
A Sino-German Example
[Von bestehenden Kulturunterschieden zu einer neuen Interkultur:
Ein Chinesisch-Deutsches Fallbeispiel]
Jasmin Mahadevan / Stefan Weißert / Franziska Müller
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Eros-Face
[Eros-Face]
Elias Jammal
87
Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
[Importance of Emotions in Interpersonal Relationships and
Social Networks in Korea]
Anja Scherpinski – Lee
Vorwort der Herausgeber
Vorwort der
Herausgeber
Die aktuelle Ausgabe von Interculture Journal „Ein Quantum
Kompetenz: Interkulturalität zwischen Ost und West“ stellt
erneut das Thema interkulturelle Kompetenz in den Mittelpunkt. Damit ergänzt sie die 12. Ausgabe von Interculture
Journal, die aktuelle Beiträge zur interkulturellen Kompetenzforschung vorstellte.
Die Wahl des Titels spielt auf den James-Bond-Film „Ein
Quantum Trost“ an. Inspiriert wurde die Titelwahl durch den
Beitrag von Christoph Barmeyer und Jörg Scheffer, die sich in
ihrem Artikel „Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James
Bond-Filmen“ auf die Suche nach der speziellen interkulturellen Kompetenz der berühmten Filmfigur begeben. Dabei beleuchten sie kritisch die Kulturkontakte des Agenten 007, deren filmische Darstellung und mögliche Implikationen für die
interkulturelle Bildung.
Alexander Dauner entwickelt in seinem Beitrag „Die organisierende Funktion von Kompetenz. Entwurf eines zweiEbenen-Modells interkultureller Kompetenz“ ein neue Perspektive auf das Konzept interkultureller Kompetenz, auf dessen Grundlage interkulturelle Begegnungssituationen sowohl
durch essentialistische als auch durch konstruktivistischprozessuale Kultur-Verständnisse der Handelnden bestimmt
werden können.
Hanna Pułaczewska untersucht in ihrem Beitrag „Intercultural
Competence for Unequal Business Encounters“ die Problematik von interkultureller Schulungen, die im Kontext des
Machtgefälles von Investor und Tochtergesellschaft durchgeführt werden.
Der Beitrag von Jasmin Mahadevan, Stefan Weißert und
Franziska Müller „From given cross-cultural difference to a
new Interculture: A Sino-German example“ beschreibt auf
Basis einer deutsch-chinesischen Industrie-Kooperation die
Entstehung von Interkultur in organisationalen Zusammenhängen. Die Autoren plädieren in ihrem Beitrag für ein neues
Verständnis von Interkulturalität, das sich von der kulturvergleichenden Perspektive – und den durch Kulturdimensionen vorgegebenen Unterschieden – löst zugunsten einer
Perspektive emischer Prozesse des kulturellen Sinnmachens.
Elias Jammal widmet sich in dem Beitrag „Eros-Face“ dem in
der Forschung bisher noch nicht untersuchten arabischen
Eros-Face-Konzept. Forschungen zu Face-Konzepten wurde in
den letzten Jahren vorwiegend für asiatische Länder betrieben. Mit dem Beitrag eröffnet der Autor daher ein neues Forschungsfeld für die interkulturelle Forschung.
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Vorwort der Herausgeber
Im abschließenden Beitrag „Über die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion“ beschreibt Anja Scherpinski-Lee zwei indigene koreanische Gefühlsmodi –
Shimjung und Jung. Diese werden als Schlüsselkonzepte für
das Verständnis koreanischer Interaktionsmechanismen vorgestellt und anhand zahlreicher Beispiele illustriert.
Ergänzt wird diese Ausgabe durch drei Rezensionen.
Alexandra Stang rezensiert das Buch von Barbara Sterner
„Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine
explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung
von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“ und das Buch von Christine Zapf „Interkulturelle
Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen.
Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“.
Kathrin Best widmet sich dem Sammelband von Katharina
Knüttel und Martin Seeliger: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller
Repräsentationen“.
Die Herausgeber bedanken sich an dieser Stelle bei allen Autorinnen und Autoren und freuen sich auf zahlreiche weitere
Beiträge für zukünftige Ausgaben des Interculture Journal.
Stefanie Rathje (Berlin) und Jürgen Bolten (Jena) im September 2011
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und
Fremdheitsdarstellungen
in den James-BondFilmen
[Bridging Cultural Gaps?
Intercultural Competence
and Portrayals of Otherness
in James-Bond-Films]
Christoph Barmeyer
Prof. Dr., Lehrstuhl für Interkulturelle Kommunikation an der Universität Passau
Abstract [English]
Films communicate views on the world. The James Bond film
series, which has been hugely successful and popular for decades, can be seen as a particularly influential medium of conveying world views. Based on the plots taking place in different regions of the earth, the audience is confronted not only
with cultural foreignness, but also with the ability of the traveling agent to deal successfully with cultural differences.
From an intercultural perspective, the question is nevertheless
raised if intercultural competence is in fact communicated
here. Based on this concept of intercultural competence, the
article undertakes a critical analysis of Bond´s cultural encounters, their cinematic portrayal as well as their implications for
the intercultural education of his international audience.
Keywords: intercultural competence, James Bond, cinematic
portrayal, intercultural education
Abstract [Deutsch]
Jörg Scheffer
Dr., Lehrstuhl für Anthropogeographie an der Universität Passau
Filme vermitteln Sichtweisen auf die Welt. Die überaus verbreitete und seit Jahrzehnten erfolgreiche Serie der JamesBond-Filme kann als besonders einflussreiches Medium der
Weltbildvermittlung gelten. Aufgrund der Handlungen in verschiedenen Erdregionen wird dem Zuschauer nicht nur kulturelle Fremdheit vorgelebt, sondern auch immer wieder die
Fähigkeit eines reisenden Agenten gezeigt, mit kultureller Alterität erfolgreich umzugehen. Aus interkultureller Perspektive stellt sich dabei allerdings Frage, ob dies tatsächlich im
Sinne einer interkulturellen Kompetenzvermittlung geschieht.
Auf der Grundlage einer Auseinandersetzung mit dem Konzept der interkulturellen Kompetenz analysiert der Beitrag
kritisch Bonds Kulturkontakte, ihre filmische Darstellung und
ihre Implikationen für die interkulturelle Bildung einer weltweiten Fangemeinde.
Stichworte: Kulturrepräsentation, James Bond, Interkulturelle
Kompetenz, Fremdheitsvermittlung
1.
Einführung
Durch interkulturelle Begegnungen in privaten und beruflichen Kontexten handeln immer mehr Menschen interkulturell, sei es bei Auslandsaufenthalten oder innerhalb der eigenen Gesellschaft, die zunehmend multikulturell wird. In interkulturellen Begegnungen treffen Interaktionspartner mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Orientierungssystemen aufeinander (Bolten 2001, Thomas 2004), die nicht
selten – durch gegenseitiges Missverstehen – problematisch
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
verlaufen. Die Existenz und Entwicklung interkultureller Kompetenz kann dazu beitragen, eine Verstehensbasis zu schaffen, die dazu beiträgt, dass Interaktionspartner zielführend
und friedvoll interagieren und Interkulturalität als bereichernd
wahrnehmen (Barmeyer 2000).
In der interkulturellen Forschung existieren zahlreiche Definitionen und Modelle Interkultureller Kompetenz (vgl. im Überblick Bolten 2001, Deardorff 2009, Scheitza 2007, Straub
2007, Thomas 2003); selten wird jedoch berücksichtigt, dass
sie
immer
in
spezifischen
Kontexten
durch
Akteurkonstellationen in sozialen Interaktionen realisiert wird
(Barmeyer 2010, Otten 2007, Scheffer 2007). Diese Realisierung erfolgt normalerweise in realen Kontexten, sie kann jedoch auch in fiktiven Kontexten stattfinden, wie Autoren und
Vertreter von Kultur-, Literatur- und Filmwissenschaften belegen, die interkulturelle Wahrnehmungs-, Transfer- Kommunikations- oder Interaktionsprozesse auf medialer Ebene analysieren (Lüsebrink 2008). Beide Kontexte, die mediale Inszenierung und die reale Praxis interkulturellen Handelns, können
stark ineinandergreifen: Sind es doch mediale Repräsentationen, die erheblichen Einfluss auf die alltägliche Wahrnehmung fremder Kulturen nehmen. Es werden Bilder von kulturellen Gruppen gezeichnet, die als real angenommen werden
und die in persönliche Denk- und Handlungsroutinen Eingang
finden können (Hopkins 1994:47). Auch die individuelle Vorstellung, was „interkulturelle Kompetenz“ ausmacht, speist
sich aus der als normal und nachahmenswert empfundenen
Darstellung in Text und Film. Zuschauer sind für unkritische
Übernahme medialer Repräsentationen insbesondere dann
anfällig, wenn ein hohes Maß an Identifikation mit den Handelnden oder mit einem einzelnen Protagonisten hergestellt
werden kann (Wegener 2008:59ff.). Das Potenzial einer breitenwirksamen Beeinflussung ist nicht zuletzt von der Rezeption des jeweiligen Mediums abhängig.
In dem folgenden Beitrag wird eine fiktive Figur untersucht,
die Sympathiewerte und Bekanntheit wie kaum eine andere
auf sich vereint und als Ikone der Popkultur gilt (Chapman
2007, Rauscher 2007). Es handelt sich um den britischen Geheimagenten James Bond, der auch die Dienstbezeichnung
007 trägt.
Dieser stellt nicht nur eine bekannte Figur der Literaturwelt
dar (Chapmann 2008, Lindner 2003, Reitz 2009), sondern
erreicht vor allem als Held der weltweit erfolgreichsten KinoSerie ein globales Publikum (Cork 2008, Evin 2008, HacheBissette 2007). Mit einem Einspielergebnis von 4,44 Mrd. USDollar liegen die Bond-Filme vor „Star Wars“ (4,23 Mrd.) und
„Herr der Ringe“ (2,95 Mrd.).1 Seine Rolle als vermeintlich
interkulturell kompetenter Akteur legen die Missionen des
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
Geheimagenten 007 nahe: In mehr als bisher 22 offiziellen
Filmen der EON-Productions bereist er seit 1962 vier der fünf
Kontinente und eine Vielzahl von Ländern. Dabei findet er
sich in vielen interkulturellen Situationen wieder, in denen
Verständigungsprobleme, Fehlinterpretationen und Schwierigkeiten aufgrund unterschiedlicher Werte und Verhaltensweisen auftreten können. Da 007 jedoch diese Situationen
stets erfolgreich meistert, scheint er interkulturelle Kompetenz seinen Zuschauern geradezu vorzuleben.2 Darüber hinaus implizieren die vielfältigen Handlungskontexte an den
exotischsten Schauplätzen der Erde eine überaus breite Illustration von kulturellen Unterschieden und Interkulturalität insgesamt. Der Zuschauer, so wäre zu folgern, wird über das
Anschauen der 007-Filme in besonderer Weise für die globale
kulturelle Vielfalt interessiert und sensibilisiert.
Obwohl James Bond seit langem ein beliebtes Untersuchungsobjekt nicht nur bei seinen Fans, sondern auch bei
zahlreichen Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen3
darstellt (Gresh / Weinberg 2009), hat sich die Forschung bislang in „klassischen“ und wenig originellen Themen wie
Fremdwahrnehmungsmuster und Stereotypen (Hache-Bissette
2007, Rauscher 2007) erschöpft. Weitergehende und komplexere Themen der Interkulturalität, wie interkulturelle Kompetenz, wurden bislang jedoch ausgespart.
In diesem Sinne zielt der folgende Beitrag darauf ab, die
interkulturelle Kompetenz des Agenten und die filmische Darstellung interkultureller Handlungskontexte kritisch zu beleuchten. Als medial überaus mächtiger Mittler von Kulturunterschieden erhält dieser Aspekt bei 007 Relevanz für die
interkulturelle (Un-)Bildung eines Millionenpublikums.
Auf der Grundlage einer konzeptionellen Einführung zur
interkulturellen Kompetenz, die sowohl drei zentrale Funktionen als auch drei zentrale Komponenten aufführt (Abschnitt
2), folgt die Analyse mit einer kurzen Biographie des Protagonisten, die auf seine interkulturelle Sozialisation verweist
(Abschnitt 3.1). Anhand ausgewählter Filmsequenzen, die
interkulturelle Begegnungssituationen darstellen, gilt es im
folgenden zu prüfen, inwieweit James Bond Eigenschaften
interkultureller Kompetenz aufweist (Abschnitt 3.2) und wie
kulturelle Fremdheit insgesamt filmisch transportiert wird
(Abschnitt 3.3). Die Ergebnisse und Implikationen für die
Wahrnehmung der Zuschauer werden schließlich in einem
dritten Teil als Fazit zusammengefasst (Abschnitt 4).
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
2.
Zum Begriff der Interkulturellen Kompetenz
Ausgehend von angelsächsischer Forschung und Praxis, aus
der wesentliche Modelle, Konzepte und Definitionen interkultureller Kompetenz hervorgingen (Deardorff 2009, Dinges /
Baldwin 1996), hat sich auch im deutschsprachigen Raum
eine Erforschung interkultureller Kompetenz etabliert
(Barmeyer 2010, Bolten 2001, Bolten / Rathje 2010, Müller
1993, Rathje 2006, Scheitza 2007, Straub et al. 2007, Thomas 2003).
Das Konzept der interkulturellen Kompetenz umfasst Einstellungen, Persönlichkeitsmerkmale, Wissen und Eignungen, die
einer Person die Kommunikation oder Interaktion mit Individuen anderer kultureller Umwelten erleichtern soll. Interkulturelle Kompetenz soll dazu beitragen, dass die interkulturell
Interagierenden trotz kultureller Unterschiedlichkeit eine subjektive Zufriedenheit empfinden, erfolgreich ihre Ziele erreichen und wechselseitig tragfähige soziale Kontakte eingehen
(Brislin / Yoshida 1994):
„Interkulturelle Kompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren,
zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, von Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten und einer Entwicklung
hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung.“ (Thomas 2003:143)
Interkulturelle Kompetenz kann verschiedene Funktionen
aufweisen, von denen drei wesentliche aufgelistet und später
anhand der Figur James Bond thematisiert werden:
Zielorientierter Pragmatismus: Aus einer handlungsorientierten und zielorientierten Perspektive hilft interkulturelle Kompetenz Kulturkontakte effizient und erfolgreich zu gestalten,
um persönliche oder berufliche Ziele zu erreichen. Dies kann
die persönliche Zufriedenheit betreffen, aber auch bestimmte
Interessen und Vorgaben der Organisationen bzw. des Arbeitgebers, die es gilt durchzusetzen (Thomas 2003). Zielorientierter Pragmatismus kann dazu führen, dass die interkulturelle Beziehung eher asymmetrisch und einseitig geprägt ist
bzw. dass die erreichten Ziele eher den Vorstellungen einer
Person entsprechen und Reziprozität nicht unbedingt gegeben ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine interkulturelle Beziehung von Machtbeziehungen (wie stark vs.
schwach, Mehrheit vs. Minderheit) geprägt ist. Eben dann
kann Wissen über andere kulturelle Systeme als Wettbewerbsvorteil genutzt werden kann. Rathje (2006) referiert die
Diskussion um die von Thomas (2003) verfassten Überlegungen zu Interkultureller Kompetenz. Demnach führt das „Effizienz“-Kriterium dazu, dass die Definition interkultureller
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
Kompetenz das Erreichen der zugrundeliegenden Handlungsziele der gesamten interkulturellen Interaktion schon in sich
einschließt. Somit wäre eine Person, die sonst nicht interkulturell kompetent ist, durch das bloße Erreichen des eigenen
Zieles interkulturell kompetent. Die Zieldefinition interkultureller Kompetenz sollte deshalb enger gefasst und nicht nur
mit dem Gesamterfolg der Interaktion verknüpft sein.
Gesellschaftlicher Humanismus: Aus einer gesellschaftlichen
Perspektive trägt interkulturelle Kompetenz zur besseren Verständigung von Menschen bei, die unterschiedliche kulturelle
Referenzsysteme aufweisen und deshalb Gefahr laufen, Irritationen und Missverständnisse zu erleben (Hall 1981). Verständnis für kulturelle Unterschiedlichkeit ist Voraussetzung
für ein wertschätzendes Miteinander und friedvolles und
harmonisches Zusammenleben und Zusammenarbeiten, bei
dem die Interessenlagen aller Interaktionspartner ausgeglichen respektiert werden (Barmeyer 2010). Insofern wird
hiermit das „Effizienz“-Kriterium um die humanistische Dimension erweitert oder gar in den Hintergrund gedrängt. Ein
zentraler Begriff ist „Angemessenheit“. Er bezieht sich darauf, dass auf kulturell bedingte Regeln und Erwartungen der
anderskulturellen Interaktionspartner Rücksicht genommen
und entsprechend gehandelt wird, so dass alle Interaktionspartner Zufriedenheit empfinden. Anders als beim zielorientierten Pragmatismus interkultureller Kompetenz, der von
Asymmetrien und Einseitigkeit geprägt ist, steht hier Reziprozität und Gegenseitigkeit im Vordergrund. Diesem Verständnis interkultureller Kompetenz wiederum kann Idealismus
vorgeworfen werden, denn viele Personen interagieren nicht
auf der Basis völkerverständigender und humanistischer Motive, sondern sind individuell, etwa ökonomisch oder mikropolitisch begründetet (Crozier / Friedberg 1976).
Persönliche Weiterentwicklung: Aus einer individuellen Perspektive führen die reflektierten und verarbeiteten interkulturellen Erfahrungen und die Entwicklung interkultureller Kompetenz auch zu einer Persönlichkeitsentwicklung (Rathje
2006). Dies geschieht durch Selbstreflexion, Rollendistanz,
Relativierung eigener Grundüberzeugungen und Haltungen.
Nicht nur die Beschäftigung mit anderen Kulturen, auch die
mit der eigenen Kultur und Identität bewirkt einen Entwicklungsprozess beim Individuum (Bennett 1993). Interkulturelles
Lernen ist somit zugleich individuelles Lernen. Wie bei der
humanistischen Perspektive kann kritisch hinterfragt werden,
inwieweit interkulturelle Interaktion bewusst vom Willen zur
Persönlichkeitsentwicklung motiviert wird – etwa durch die
Entscheidung für einen Auslandaufenthalt – oder eher Ergebnis und Konsequenz der reflektierten interkultureller Erfahrung ist.
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
Wie lässt sich nun interkulturelle Kompetenz konkretisieren?
Eine eingängige und allgemein akzeptierte Strukturierung von
Eigenschaften und Fähigkeiten (Komponenten) stammt aus
der US-amerikanischen sozialpsychologischen Forschung (Rosenberg / Hovland 1960). Demnach setzt sich Interkulturelle
Kompetenz aus emotionalen, kognitiven und verhaltensbezogenen Komponenten zusammen (Bolten 2001a, Landis /
Bhagat 1996, Scheitza 2007). Abbildung 1 zeigt eine Übersicht von Komponenten interkultureller Kompetenz.
Emotional
Einstellungen, Werte, Sensibilität
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Empathie
Offenheit
Flexibilität
Respekt
Rollendistanz
Wertfreie Haltung
Polyzentrismus
Ambiguitätstoleranz
Frustrationstoleranz
Kognitiv
Begriffe, Wissen, Verständnis
•
•
•
•
Verhaltensbezogen
Fähigkeiten, Eignungen, Handeln
•
Kenntnis der politischen,
sozialen und wirtschaftlichen Systeme
Kenntnis von Kulturdimensionen und
Kulturstandards
Fremdsprachenkenntnisse
Selbstkenntnis
Abb. 1: Schlüsselkomponenten interkultureller
2000, Bolten 2001, Scheitza 2007)
Kompetenz
•
•
•
•
•
(Barmeyer
Die in tabellarischen Listen abgebildeten Eigenschaften werden in der Forschung verständlicherweise kritisiert (Scheitza
2007, Straub 2007). Hierzu formuliert Thomas (2003b:142):
„Oft lesen sich diese Listen wie das Persönlichkeitsprofil des
modernen Menschen, mit stark idealisierten, von allen angestrebten, aber von niemand erreichten Leistungsmerkmalen.“
Es stellt sich nun die Frage, ob die fiktive Figur James Bond als
Alleswisser, -versteher und -könner gerade diese Leistungsmerkmale in sich vereint und in seinen Missionen in vielen
interkulturellen Situationen auf der ganzen Welt zum Einsatz
bringt. Anhand einiger Filmausschnitte wird folgend illustriert
und diskutiert werden, inwiefern die Figur James Bond den
Funktionen und Komponenten interkultureller Kompetenz
gerecht wird.
3.
Interkulturelle Kompetenz und kulturelle Fremdheit
in den James-Bond-Filmen
Seit dem Erscheinen des ersten Bond-Films „James Bond jagt
Dr. No“ im Jahr 1962 hat die Figur 007 in ihrer 50-jährigen
Geschichte mehrfache Neubesetzungen erfahren, wobei ihr
jeder Darsteller zweifellos einen eigenen Akzent verliehen
hat.
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Fähigkeit, die kognitiven
Kenntnisse anzuwenden
Kommunikationsfähigkeit
Fähigkeit, Sprachkenntnisse in
die Praxis umzusetzen
Fähigkeit zur Metakommunikation
Flexibles Verhalten
Selbstdisziplin
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Vom rauen und doch charmanten Ur-Bond Sean Connery
über den snobistisch-lakonischen Roger Moore bis hin zum
zürnenden Daniel Craig manifestieren sich unterschiedliche
Persönlichkeitsmerkmale, die eine übergreifende Beurteilung
der interkulturellen Kompetenz erschweren. Auch die Darstellung der Handlungskontexte hat sich über die Jahrzehnte
gewandelt. In den jüngeren Filmen taucht der Agent immer
weniger in fremdkulturelle Kontexte ein. Ein Umstand, der
wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass der Reiz fremder
Schauplätze den Zuschauer auch oberflächlich fasziniert und
kulturelle Exotik durch soziale Exklusivität kompensiert wird
(Cappi 2006).
Für die Figur 007 lassen sich aufgrund der filmischen Anlehnung an die Romanvorlage nichtsdestoweniger deutliche
Konstanten im Umgang mit kultureller Fremdheit aufzeigen.
Immer wieder rekurrieren die Filme auf die von Autor Fleming
festgelegten Charakteristika, die sich aus einem ebenfalls für
alle Bond-Figuren einheitlich vorgegebenen Sozialisationsprozess speisen.
3.1
„Third culture kid“: Sozialisation des Agenten
Liegt die Annahme zugrunde, dass sich die kulturelle Prägung
eines Menschen im Rahmen von Enkulturations- und Sozialisationsprozessen vollzieht (Hofstede 2001, Thomas 2003), die
in bestimmten institutionell und kulturell geprägten Kontexten stattfinden, so sollte auch die Figur James Bond diesbezüglich untersucht werden. Die kulturelle Prägung führt zum
Aufbau eines oder mehrerer kultureller Orientierungssysteme.
Auch kann in der Phase Enkulturation die Entwicklung interkultureller Kompetenz stattfinden; vorausgesetzt ein Individuum ist geographisch (Sozialisation in verschiedenen Ländern) oder sozial (Erziehung durch Elternteile, die aus unterschiedlichen Ländern stammen, Besuch von Schulen in unterschiedlichen Ländern oder in multikulturellen Kontexten) verschiedenkulturellen Einflüssen und damit interkulturellen
Lernprozessen ausgesetzt.
Auch wenn klar ist, dass James Bond eine fiktive Romanbzw. Filmfigur ist, dient ihre Biographie zur Analyse und Argumentation der Thematik dieses Beitrags und versucht
gleichzeitig der fiktiven Figur eine „realistische“ Grundlage zu
verleihen. Passagen aus Filmen, insbesondere dem 1964 erschienen Roman „You only live twice“ und der Sekundärliteratur (Cork 2008, Eco 1966, Habsburg-Lothringen 2008,
Pearson 1973) geben Informationen über James Bonds Biographie, liefern jedoch teils unterschiedliche oder gar widersprüchliche Angaben zu seiner Person.
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
James Bond wächst in eine bikulturelle Familie hinein: Er ist
der Sohn von Monique Delacroix Bond, einer FrancoSchweizerin, und Andrew Bond, einem schottischen Ingenieur. Er kommt am 11. November 1920 – genau zwei Jahre
nach dem Waffenstillstand des 1. Weltkriegs – in Wattenscheid (!), Deutschland, zur Welt. Die für die kulturelle Prägung wichtigsten Jahre verbringt James Bond bis zum seinem
elften Lebensjahr in Deutschland und der Schweiz
(Tornabuoni 1966). Generell lebt der Jugendliche Bond in verschiedenen Ländern (England, Österreich, Schweiz) und entwickelt sich, auch aufgrund der Herkunft seiner Eltern, mehrsprachig und in einem multi-kulturellen Umfeld.
In den Publikationen zu James Bond wird nachgewiesen, dass
die Figur James Bonds viele autobiographische Elemente seines Schöpfers Ian Fleming trägt (Chancellor 2005, Lycett
2009). „Die [von Fleming] geschaffene Figur James Bond
trägt so viele Züge seines Schöpfers, dass man von einem
idealisierten Alter Ego reden muss [...]“ (Marti / Wälty
2008:40).4 James Bond besucht wie Ian Fleming mit 12 Jahren das Elite-Internat „Eton College“ in England. Er wird allerdings schon nach einem Jahr wegen disziplinarischer Vergehen der Schule verwiesen. Daraufhin wird Bond auf „Fettes“, ein Elite-Internat in Edinburgh, geschickt. Im Alter von
17 Jahren verlässt er dieses und ist von da an bis zu seinem
Eintritt in den MI6 mit 30 Jahren im MarineNachrichtendienst tätig (Tornabuoni 1966). Während dieser
Zeit geht Bond auch seiner Leidenschaft für Fremdsprachen
mit einem Sprachen-Studium in Cambridge nach, wie aus
dem Film „You only live twice“ zu entnehmen ist.
Aus der Biographie James Bonds lassen sich Entwicklungsansätze interkultureller Kompetenz erkennen, da er sich bereits
in seiner Kindheit an verschiedene Lebenswelten anpassen
muss, mit vielen Kulturen in Kontakt tritt und so verschiedene
kulturelle Orientierungssysteme entwickelt. Durch die unterschiedlichen Nationalitäten seiner Eltern und seine häufig
wechselnden Wohnorte (Deutschland, Schweiz und England)
sammelt er Sensibilität für und Erfahrungen mit kulturellen
Unterschieden und lernt, sich anderskulturellen Interaktionspartnern anzupassen. Während seiner Jugend erwirbt er nicht
nur „kulturelles Kapital“ und einen bestimmten weltgewandten und selbstsicheren Habitus (Bourdieu 1982, Tornabuoni
1966) in elitären Bildungsstätten, er erlernt auch neben den
Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch, die er von seinen Eltern vermittelt bekommen hat, weitere wie Japanisch
und Russisch. Auch verfügt er über Grundkenntnisse in Dä5
nisch, Spanisch, Afghanisch und Arabisch. Anhand der Biographie der Figur von James Bond wird deutlich, dass diese
im Rahmen ihrer Sozialisation von verschiedenkulturellen Ein-
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
flüssen geprägt wurde und eigentlich die geeigneten Voraussetzungen für einen Träger interkultureller Kompetenz mit
sich bringt. Die Forschung bezeichnet die so herangewachsenen Menschen als „Third culture kids“ (Pollock et al. 2007).
Sie werden so bezeichnet, „weil in der Symbiose zweier Kulturen eine neue, und ganz eigene Mischung entsteht (Mahadevan 2010:28). Ihre Stärke ist es, zum einen den Herausforderungen des Lebens durch den Rückgriff auf verschiedene
kulturelle Orientierungssysteme zu begegnen und zum anderen sich in unterschiedliche Lebenswelten hineinversetzen zu
können.
Third culture kids interagieren somit sehr flexibel, anpassungsfähig, tolerant, sicher, offen und integrativ in unterschiedlichsten Handlungskontexten. James Bond konnte somit interkulturelle Kompetenz entwickeln, die ihm in vielen
verschiedenen Situationen des internationalen Agentenlebens
dienlich sind und ihn – auch in schwierigen Situationen –
handlungsfähig und zielsicher erscheinen lassen. Gleichzeitig
weist er jedoch eine starke Verbundenheit und einen ausgeprägten Patriotismus zu England (Green 2002, Roberts 2006)
und individualistische, zielorientierte westliche Verhaltensweisen auf. Der folgende Abschnitt soll sich anhand von Filmszenen mit dieser These auseinandersetzen.
3.2
Global im Einsatz: Interkulturelle Interaktionen
und Kompetenzen in der Analyse
James-Bond-Filme folgen stets einem ähnlichen Handlungsmuster: Nach der Vergabe eines neuen Auftrags in der Londoner Zentrale des Britischen Geheimdienstes beginnt die
Mission an einem Einsatzort im Ausland. Hier trifft Bond
meist zunächst auf einen befreundeten Kontaktmann, der ihn
mit ersten Informationen vor Ort versorgt. Über mehrere Stationen an unterschiedlichen exklusiven und exotischen
Schauplätzen rückt Bond seinem Gegner näher, der schließlich in einem großen Showdown in seinem Versteck zur Strecke gebracht wird. Allein mit dem Bond-Girl, das zwischenzeitlich in die Fänge des Bösen geraten ist, bleibt Bond nach
erfüllter Mission an einem romantischen Ort zurück (Eco
1966).
Entsprechend dieses Ablaufs konzentrieren sich die interkulturellen Begegnungen Bonds auf den großen Mittelteil der
Filme, der einführend immer die Interaktion mit dem Kontaktmann in einem neuen, fremden Regionalkontext zum Inhalt hat.
Zur Analyse der interkulturellen Kompetenz von 007, und in
Orientierung an den oben herausgestellten Schlüsselkomponenten, bieten sich speziell jene Kulturkontexte an, die sich
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
von Bonds (west)europäischen Sozialisations- und Enkulturationskontext deutlich unterscheiden. Entsprechende Szenen
aus Ägypten (Der Spion, der mich liebte, 1977), Japan (Man
lebt nur zweimal, 1967), Türkei (Liebesgrüße aus Moskau,
1963) und Afghanistan (Der Hauch des Todes 1986) sollen im
Folgenden exemplarisch herausgegriffen werden.
In „Der Spion, der mich liebte“ spielt eine längere Szene in
der ägyptischen Wüste, wo 007 einen Kontaktmann erstmals
trifft. Den äußeren Umständen angepasst, sieht man den
Agenten in einem landestypischen Gewand auf einem Kamel
durch die Wüste reiten, bis er ein Beduinenzelt erreicht. Beim
Absatteln übergibt er das Kamel mit der Selbstverständlichkeit eines Einheimischen in die Hand einiger Bediensteter,
wobei größte Vertrautheit mit den vorherrschenden Konventionen und der Rangordnung demonstriert wird. Selbstsicher
wechselt der Agent einige Worte auf Arabisch. Seinen Kontaktmann begrüßt er formvollendet in einem ausgedehnten
Begrüßungsritual und die Gastfreundschaft wird dankbar
gewürdigt. Schließlich nimmt Bond den zugewiesenen Platz
zu Füßen des Gastgebers auf dem Boden ein, natürlich akzeptierend, während sein Kontaktmann erhöht auf Kissen
liegt. Liest man diese Verhaltensmuster vor dem Hintergrund
arabischer Höflichkeitskonventionen (vgl. dazu Jammal /
Schwegler 2007:142 und 160ff.), so kann Bond hier zweifellos eine erhebliche Fähigkeit zur kulturellen Anpassung nachgewiesen werden. Tatsächlich kommt es im Film auch zu keinem Zeitpunkt zu Irritationen oder Missstimmungen zwischen
den Interaktionspartnern, der Agent versteht es vielmehr im
Sinne der eingangs aufgeführten Kriterien eine subjektive Zufriedenheit bei seinem Gegenüber herzustellen.
Allerdings schlägt Bond im Folgenden das Angebot landestypischer Speisen und Getränke – immerhin in arabischer Sprache – aus, um stattdessen geradeheraus auf sein Anliegen zu
sprechen zu kommen. Eine solche Zielstrebigkeit und Sachorientierung würde Bond in der arabischen Welt sicher als
unangemessen angekreidet werden, kommt doch dem Beziehungsaspekt eine überragende Bedeutung zu, der mit dem
ausführlichen Begrüßungsritual allein erst im Ansatz Rechnung getragen wurde (vgl. dazu Bouchara 2002:75f.). Immerhin entpuppt sich der Kontaktmann fortan als alter Studienkollege, was dem Agenten im weiteren Verlauf einen
neuen Rahmen für angemessenes und zugleich effizientes
Handeln beschert. Die kulturangepassten Rituale weichen
nun einem entspannten Gespräch alter Vertrauter mit einem
teils gemeinsamen Sozialisationshintergrund.
Letztlich kommt es in keiner Szene zu kulturbedingten Missverständnissen, vielmehr besticht Bond auch auf der kognitiven Ebene im Gesprächsverlauf durch erhebliche Kenntnisse
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
über die regionalen Gegebenheiten. Zum Ende der Szene bietet ihm sein Gastgeber an, die Nacht im Zelt zu verbringen,
was Bond kultursensibel – und in Anbetracht der anwesenden Frauen – bereitwillig annimmt.
Ähnlich lassen sich für Bond auch in anderen Begrüßungsszenen, etwa in der Türkei (Liebesgrüße aus Moskau), interkulturelle Schlüsselkomponenten herausarbeiten. Dass der Agent
selbst in Japan mit fremdkulturellen Kontakten keine Probleme hat, zeigt der Film „Man lebt nur zweimal“. Bond scheint
auch hier stets zu wissen, dass in einer Hoch-Kontext-Kultur
(Hall 1990) der erfolgreiche Informationsaustausch von Vertrauen und der Errichtung eines gemeinsamen Rahmensystems abhängt, welches durch Rituale und geteilte Erfahrungen aufgebaut werden muss (vgl. auch Moosmüller 1997).
Entsprechend umsichtig geht der Agent vor: In einem unterirdischen Privatzug trifft Bond auf den Kontaktmann „Tiger“,
den Chef des japanischen Geheimdienstes. Schon beim Eintreten in den Zug spricht Bond dem japanischen Kollegen
höchste Anerkennung in Bezug auf die japanische Technologie aus. Auch die Mitarbeiterin wird im folgenden Gespräch
mit Komplimenten bedacht. Bonds Bereitschaft, sich auf die
Fremdkultur einzulassen, kommt nicht zuletzt in der Wahl der
angebotenen Getränke zum Ausdruck. Nicht das obligatorische Stammgetränk Wodka Martini wird präferiert, sondern
der japanische Sake, für den er sich selbstverständlich auf Japanisch bedankt. Anschließend brilliert Bond mit seinem Wissen über die japanische Trinkkultur, indem er auch die genaue Temperatur des Reisweins kennt. Im späteren Verlauf
des Filmes nehmen beide ein gemeinsames Bad, wobei 007
wiederum seine Flexibilität und Kenntnisse über das japanische Reinigungsritual unter Beweis stellt.
Dieses Anpassungsvermögen auf der Grundlage eines fundierten Wissens über die fremde Kultur führt Bond letztlich zu
einem engen Verhältnis zu Tiger. Die Effizienz seines Handelns zeigt sich im weiteren Verlauf des Films, da der intensive Kontakt zu Tiger entscheidend für den Erfolg der gesamten Mission ist. Dass sein Kulturinteresse dabei eher von strategischen Erwägungen und weniger einer tatsächlichen Neugier am kulturell Fremden geleitet wird, muss indes unterstellt
werden.
In „Liebesgrüße aus Moskau“ besucht Bond zusammen mit
seinem Kontaktmann Kerim Bey ein Zigeunerlager und dort
eine mit Bey befreundete Familie. Gleich zu Beginn wird
Bonds Ambiguitätstoleranz herausgefordert, da zwei Mädchen, die den gleichen Mann lieben, um Leben und Tod gegeneinander kämpfen sollen. Die stammesinterne Angelegenheit verbietet jede Einmischung von Außen, was Bond
ohne sichtbare Irritation zur Kenntnis nimmt. Gelassen beo-
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bachtet er die ihm fremde Art der Konfliktlösung und enthält
sich seiner persönlichen Meinung.
Seine Rolle verändert sich erst, als er sich bei einem zwischenzeitlichen Überfall auf das Lager als Verteidiger profilieren
kann und von dem Familienoberhaupt daraufhin als „Sohn“
bezeichnet wird. Als Teil der „Familie“ äußert Bond nun im
kleinen Kreise seinen Wunsch den Kampf zu beenden. Mit
dem ironischen Tadel, dass Bond für einen echten Zigeuner
ein zu weiches Herz habe, wird dem Wunsch schließlich
stattgegeben.
Zweifellos lassen sich in den Filmen auch Situationen finden,
die Bonds interkulturelle Kompetenzen relativieren – speziell
wenn der Agent unter hohem Druck steht und der fremdkulturelle Kontakt nicht über die Londoner Zentrale angebahnt
wird. In einer Szene aus „Der Hauch des Todes“ werden
Bond und sein Bondgirl von einem Anführer der Mujaheddin,
Kamran Shah, in ein Lager in Afghanistan gebracht. Der angebotene Tee wird verhalten angenommen, Bond zeigt Ungeduld und ausschließliche Sachorientierung im Auftrag ihrer
Majestät. Die Forderungen, die er als Fremder an die Mujaheddin unvermittelt stellt, finden entsprechend wenig Gehör.
Als Bond bereits drängend auf Kamran Shah zugeht, muss er
durch einen Leibwächter zurückgehalten werden. Bonds angespannte Körperhaltung und sein direkter Blick lassen jegliche Verhaltensnormen des fremdkulturellen Kontexts außer
Acht. So ist es hier interessanterweise letztlich der interkulturellen Kompetenz von Kamran Shah zu verdanken, dass die
Mission durch Bonds Fehlverhalten nicht gefährdet wird.
Mehrere Filme enthalten zudem Tabubrüche, die entweder
unmittelbar mit dem Erreichen eines wichtigen, höheren Ziels
des Agenten begründet werden oder einfach zum Amüsement der Zuschauer in die Handlung eingeflochten sind. So
entleiht sich 007 in Indien das Arbeitsgerät eines Schwertschluckers zur Verteidigung (Octopussy), macht sich in der
Karibik über den Voodoo-Zauber lustig (Leben und Sterben
lassen) oder streckt in einer Kampfschule in Hongkong seinen
Partner bereits während des Verbeugungsrituals nieder, um
sich dann anschließend zu verneigen (Der Mann mit dem
golden Colt). Das Liebesspiel in einem buddhistischen Tempel
(Stirb an einem anderen Tag) hat nicht zuletzt auch bei den
südkoreanischen Kinogängern erhebliche Proteste hervorgerufen. Daneben lassen sich Szenen mangelnden Respekts gegenüber Mensch und Kulturgütern identifizieren, die der
actiongeleiteten Handlung – meist vor reizvollen Kulissen –
geschuldet sind. Dabei kann es auch zur teilweisen Zerstörung von Stadtzentren etwa in Saigon (Der Morgen stirbt
nie), St. Petersburg (Goldeneye) oder gar einer ausländischen
Botschaft (Casino Royale) kommen.
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
Betrachtet man die Serie aber insgesamt und legt den Fokus
insbesondere auf die persönlichen Interaktionen, so treten die
nachweisbaren Kompetenzmängel des Agenten deutlich hinter jene Sequenzen zurück, die Bonds Geschick, interkulturell
kompetent zu agieren, klar herausstellen.
3.3
Die Vermittlung von Kulturinformationen: Die filmische Repräsentation des Fremden
Geht es um die filmische Vermittlung interkultureller Kompetenz, so erscheint eine Analyse der Kompetenzen der Leitfigur
allein unzureichend. Deren Handlungen offenbaren zwar einen – in Teilen vorbildhaften – Umgang mit Fremdheit, sind
aber zugleich in filmisch konstruierte Kontexte eingebunden,
die es Bond möglicherweise besonders leicht machen, interkulturell kompetent zu erscheinen. Akzeptiert man aus der
fiktiven Welt des Filmes Hinweise auf interkulturelle Kompetenzen für die Praxis im Realen, so erfordert auch der Umgang mit den jeweils zugrunde liegenden kulturellen Kontexten eine Prüfung, inwieweit diese generell mit den Gegebenheiten der realen Welt in Einklang zu bringen sind. Entsprechend gilt es, auf einer zweiten Analyseebene nach der Darstellung dieser fremdkulturellen Kontexte zu fragen, inwieweit sich die Figur wirklich in fremden, interkulturell herausfordernden Kulturen bewegt und wie diese dem Zuschauer
filmisch vermittelt werden?
Obwohl ein Großteil der Filme an den unterschiedlichsten
Schauplätzen spielt, bekommt der Zuschauer nur einen sehr
engen Ausschnitt des dortigen Alltags zu sehen. Traditionell
bewegt sich Bond an diesen Orten auf sehr exklusive Weise:
Er reist luxuriös in teuren Autos oder in Hubschraubern und
Flugzeugen, diniert in vornehmen Restaurants, besucht das
obligatorische Casino und nächtigt in der westlichen Sphäre
des teuersten Hotels der Stadt. In dieser Welt zeigt sich kulturelle Fremdheit auf oberflächliche Weise. Sie lässt sich festmachen an der Optik des Umfeldes, fordert Bond aber nicht –
und auch nicht den Zuschauer – durch grundsätzlich andere
Denk- und Handlungsweisen heraus. Nur selten gestatten die
Sequenzen einen schmalen Einblick in andere Lebenswirklichkeiten. In „Leben und Sterben lassen“ wird 007 mit der Bevölkerung Harlems und der einer Karibikinsel konfrontiert: In
„Die Welt ist nicht genug“ oder „Ein Quantum Trost“ kommen protestierende Bevölkerungsgruppen ins Bild, die unabhängig von ihrer Repräsentation zumindest darauf aufmerksam machen, dass es auch diese Wirklichkeit gibt.
Ansonsten erschöpft sich Darstellung kultureller Fremdheit
häufig in Stereotypen, die das bei den Zuschauern verbreitete
Fremdbild aufgreifen und reproduzieren (vgl. dazu auch
Escher 2006). Die oben erwähnte Begrüßungsszene aus „Der
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Spion, der mich liebte“ in einem Zelt in Ägypten steht auch
hierfür Beispiel: Neben den zuvor gezeigten Elementen Pyramiden, Wüste und Kamel wird der Betrachter nun mit einer
Welt aus „Tausendundeiner Nacht” konfrontiert. Im Vordergrund sieht man einen großen Obstkorb, überall liegen oder
hängen Teppiche und es räkeln sich einige leicht bekleidete
Frauen am Boden. Auch die anderen Requisiten lassen sich
für das westliche Publikum sehr schnell mit Exotik „des Orients“ assoziieren.
Ähnlich stellt der Film „Octopussy“ das Land Indien mit einem Anflug Bonds auf das Taj Mahal in Agra vor, lässt ihn
wenige Sekunden später den Ganges entlang nach Varanasi
im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh fahren, wo in
farbige Gewänder gehüllte Hindus gerade ihr religiöses Bad
nehmen. Die Szene spielt gleich darauf schließlich in Udaipur
im Bundesstaat Rajasthan weiter, um dort die bekannten Paläste exotisch in Szene zu setzen. Bonds Weg durch die Stadt
zeigt durchaus unterschiedliche Bevölkerungsteile, ist jedoch
wiederum durchsetzt mit den Klischees gängiger Reiseführer.
Zu einem Fakir und Schlangenbeschwörer treten kurz darauf
noch der indische Tiger, Elefanten und exotische Frauen ins
Licht und vervollständigen das Erwartete im allgemeinen Assoziationsnetz. Die Praxis, durch architektonische Wahrzeichen, der Reproduktion bekannter Bilder und der Kollage von
Symbolen eine Örtlichkeit herzustellen, lässt sich in nahezu
jedem 007-Film wiederfinden. Die Repräsentation des Fremden reduziert sich damit letztlich auf das Vertraute. Zugespitzt formuliert: Das Fremde wird durch das Bekannte ersetzt. Für die Sensibilisierung kultureller Unterschiede und die
exemplarische Demonstration interkultureller Kompetenzen
bleiben derartige Ausschnitte wenig erhellend. Kritisch ließe
sich vielmehr einwenden, dass die scheinbare Realitätsnähe
der James-Bond-Filme eine Kulturwirklichkeit suggeriert, in
der interkulturelle Missverständnisse weniger relevant werden. Auch wenn man nicht über die emotionalen, kognitiven
und verhaltensbezogenen Schlüsselkomponenten eines Agenten verfügt, scheinen sich in einer Welt, die faktisch den globalen Tourismusdestinationen oder exklusiven Wohlstandsräumen entspricht, fremdkulturelle Kontakte stets reibungslos
zu gestalten.
In dieser Sicht stellen die gezeigten Handlungskontexte letztlich die Notwendigkeit einer Aneignung jener interkulturellen
Kompetenzen in Frage, die über die Person James Bond vordergründig vermittelt werden.
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4.
Fazit
Die Antwort auf die Frage, inwieweit James Bond interkulturell kompetent ist und die James-Bond-Filme demzufolge
interkulturelle Kompetenz exemplarisch vermitteln, muss angesichts der aufgezeigten Diskrepanzen zwischen den Handlungen und den repräsentierten Handlungskontexten ambivalent ausfallen.
Unter Berücksichtigung der einen von drei genannten Funktionen interkultureller Kompetenz, des zielorientierten Pragmatismus, die besonderen Wert auf Zielerreichung legt, ist
James Bond grundsätzlich eine gewisse interkulturelle Kompetenz zuzusprechen. In den meisten Situationen handelt 007
effizient und zielorientiert. Damit geht aber auch einher, dass
er seinen anderskulturellen Interaktionspartnern nicht mehr
als das notwendige Maß an Interesse und Entgegenkommen
erweist. Streng genommen profitiert nur Bond, beziehungsweise die „Auftragserfüllung“ im Namen der Queen (und
England), von seiner interkulturellen Kompetenz. Es handelt
sich also meist um asymmetrische Konstellationen, bei denen
Bond eine dominante und beherrschende Rolle einnimmt. Die
Interessen und Bedürfnisse der anderskulturellen Interaktionspartner werden nicht entsprechend berücksichtigt, wie
es die zweifelhafte Aufrichtigkeit hinter seiner Empathie und
seinem Interesse vermuten lässt. Insofern werden weder die
Funktion des gesellschaftlichen Humanismus noch die der
individuellen Weiterentwicklung berücksichtigt.
Bezüglich der geforderten Eigenschaften und Fähigkeiten
(Komponenten) interkultureller Kompetenz weist 007 den
Großteil der vor allem kognitiven – wie Kenntnis der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und Systeme, Fremdsprachenkenntnisse, Selbstkenntnis – und verhaltensbezogenen
Komponenten – wie Fähigkeit, Kenntnisse und Fremdsprachen anzuwenden, Kommunikationsfähigkeit, Flexibles Verhalten, Selbstdisziplin – auf und findet in den meisten Situationen das Maß zwischen Effektivität und Angemessenheit.
Lediglich bei den zentralen, von sozialer Kompetenz geprägten, persönlichen emotionalen Komponenten fällt Bond zurück: Eigenschaften wie Ambiguitätstoleranz, Frustrationstoleranz, Flexibilität und eine gewissen Rollendistanz sind ihm
sicherlich zuzuschreiben, nicht jedoch Empathie, Offenheit,
wertfreie Haltung oder gar Polyzentrismus (vgl. Abb. 2).
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Emotional
Einstellungen, Werte, Sensibilität
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Empathie Offenheit Flexibilität +
Respekt Rollendistanz O
Wertfreie Haltung Polyzentrismus Ambiguitätstoleranz +
Frustrationstoleranz +
Kognitiv
Begriffe, Wissen, Verständnis
•
•
•
•
Kenntnis der politischen,
sozialen und wirtschaftlichen Systeme +
Kenntnis von Kulturdimensionen und
Kulturstandards O
Fremdsprachenkenntnisse +
Selbstkenntnis O
Verhaltensbezogen
Fähigkeiten, Eignungen, Handeln
•
•
•
•
•
•
Abb. 2: Schlüsselkomponenten interkultureller Kompetenz bei James Bond
(Legende: + = ausgeprägt, O = neutral, - = schwach ausgeprägt)
Wenn die James-Bond-Reihe damit unterm Strich einen Protagonisten beschreibt, der seiner Vorbildfunktion zumindest
in Teilen gerecht wird, relativiert sich die interkulturelle Bedeutung der Filme insgesamt durch einseitige Fremdheitsrepräsentationen. Der Zuschauer bekommt interkulturelle
Kompetenz auf der Grundlage oberflächlicher Fremdheitskonstrukte vorgelebt, wobei ihm die tieferliegenden Differenzen zwischen Kollektiven hinter den exklusiven Bildern des
Filmes stets vorenthalten bleiben. Vergegenwärtigt man sich
die Wirkmacht filmischer Darstellungen in ihrem Einfluss auf
das individuelle Weltbild (Aitken / Dixon 2006, Lukinbeal
2004) und die globale Verbreitung der James-Bond-Filme im
Besonderen, von denen die Hälfte der Weltbevölkerung nach
Schätzungen mindestens einen kennen soll (Chapman
2007:13), so unterstützen die Filme interkulturelle Bildung
nur sehr bedingt: Sie wecken zwar Neugier auf die Exotik der
Fremde, dies jedoch um den Preis einer radikalen Ausblendung und Entproblematisierung jener Interaktionssituationen,
die den globalen Alltag unser Zeit tatsächlich bestimmen. Auf
dieser schiefen Grundlage können Eigenschaften wie Empathie, Wertfreiheit, Offenheit oder spezifisches Kulturwissen
kaum transportiert und interkulturelle Kompetenzen letztlich
schwer angebahnt werden.
Gegenwärtig und wohl auch zukünftig scheinen sowohl die
Vermittlung von fremdkulturellen Kontexten als auch die
Demonstrationen interkulturell kompetenten Verhaltens in
der Serie noch stärker in den Hintergrund zu treten. Während
im erwähnten Film „Man lebt nur zweimal“ noch Ian
Flemings Sympathie und Faszination für die Kultur Japans
durchscheint (Lycett 2009), in der Bond respektvoll und sensibel agiert, werden in den folgenden Filmen sowohl Kulturrepräsentationen oberflächlicher als auch interkulturelle Be-
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Fähigkeit, die kognitiven
Kenntnisse anzuwenden +
Kommunikationsfähigkeit +
Fähigkeit, Sprachkenntnisse in
die Praxis umzusetzen +
Fähigkeit zur Metakommunikation O
Flexibles Verhalten O
Selbstdisziplin +
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gegnungen seltener. Die Filme mit Pierce Brosnan und
schließlich mit Daniel Craig eignen sich mangels fremdkultureller Darstellungen kaum noch für die Analyse interkultureller Begegnungen.
Kann sich die Serie ansonsten rühmen, aktuelle Fragen unserer Zeit oft sehr realitätsnah und weitblickend aufzugreifen,
so will die verkürzte und zuletzt gänzlich vernachlässigte Beschäftigung mit kultureller Alterität gar nicht ins Bild passen.
Zählt doch die Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden einer global interagierenden Weltgesellschaft zu den
zentralen Fragen der Gegenwart. Insofern ist zu hoffen, dass
die Filmfigur James Bond der Zukunft wieder interkulturell
kompetenter begegnet und die Kulturrepräsentationen selbst
eine adäquatere und intensivere Darstellung erfahren. Dies
würde die Serie nicht nur von den anderen ActionheldenVerfilmungen der Moderne unterscheiden, sondern würde sie
auch aus interkultureller Perspektive im Jetzt verorten und
nicht in der Vergangenheit eines post-kolonialen Englands
verstauben lassen.
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1
Quelle: http://www.rankaholics.de/w/die+erfolgreichsten+
kino-serien_1850?addfav
2
Dieser Beitrag basiert auf einer Lehrveranstaltung zu James
Bond Filmen, die die beiden Autoren an der Universität Passau durchführen und auf einem Referats- und Hausarbeitsthema, das von den Studierenden Jonas Lang, Julius Schindler
und Karin Müller bearbeitet wurde.
3
Anglisten, Cultural Studies, Filmwissenschaftler, Geographen, Historiker, Interkulturalisten, Kommunikationswissenschaftler, Kulturwissenschaften, Literaturwissenschaftler, Musikwissenschaftler, Ökonomen, Physiker Politikwissenschaftler, Soziologen.
Allein in den vergangenen Jahren wurden mehrere internationale wissenschaftliche James-Bond Kongresse durchgeführt:
2003: „Ian Fleming and James Bond. The cultural politics of
007“, Indiana University of Bloomington, USA; 2006:
„Warten auf Bond“ Universität Bochum und Dortmund;
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle Kompetenz und Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen
2007: „James Bond (2)007. Histoire culturelle et enjeux esthétiques d‘une saga populaire“, Université Nanterre et Versailles Paris, Bibliothèque Nationale de France; 2009: „The
Cultures of James Bond“, Universität des Saarlandes.
4
Allerdings wird Ian Flemings Verlobte Monique Panchaud de
Bottens in den Romanen zu James Bonds Mutter.
5
„Man lebt nur zweimal“, „GoldenEye“, „Der Morgen stirbt
nie“, „Octopussy“, „Der Hauch des Todes“, „Der Spion, der
mich liebte“.
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
Die organisierende Funktion
von Kompetenz – Entwurf
eines zwei-Ebenen-Modells
interkultureller Kompetenz
[The Organizing Function
of Competence – Layout
of a Two-Level-Model of
Intercultural Competence]
B. Alexander Dauner
Dipl.-Päd., wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Duisburg-Essen
Abstract [English]
In this paper a two-level-model of intercultural competence is
developed in order to offer a basis for describing and explaining interculturally competent behaviour. Cognitive, affective
and behavioural resources (knowledge, attitudes, skills etc.)
constitute the first level of this model of competence. However, in this paper the claim is made that competence cannot
only be explained by these components, but that processes
are involved which organize and control how these components are applied, how they interact and how they are further
developed. These processes constitute the second level of the
model.
On the basis of this model, a concept of intercultural competence is proposed, assuming that intercultural encounters are
determined by both an essentialist and a constructivistprocedural understanding of culture.
Keywords: intercultural competence, cross-cultural competence, competence research, culture
Abstract [Deutsch]
Um interkulturell kompetentes Handeln beschreiben und erklären zu können, entwickelt der Autor ein Zwei-EbenenModell interkultureller Kompetenz. Die erste Ebene des Kompetenzmodells bilden kognitive, affektive und verhaltensbezogene Ressourcen (Wissen, Einstellungen, Fähigkeiten etc.).
Es wird argumentiert, dass sich Kompetenz aber nicht allein
über diese Komponenten fassen lässt, sondern auf Prozesse
zurückgegriffen werden muss, die die Anwendung, das Zusammenwirken und die Weiterentwicklung dieser Komponenten steuern und kontrollieren. Die Prozesse bilden die
zweite Ebene des Modells, eine Meta-Ebene.
Auf Grundlage dieses Modells wird weiterhin ausgeführt, was
unter interkultureller Kompetenz verstanden werden kann,
wenn man davon ausgeht, dass interkulturelle Begegnungssituationen sowohl durch essentialistische als auch durch
konstruktivistisch-prozessuale Kultur-Verständnisse der Handelnden bestimmt werden.
Stichworte: Interkulturelle Kompetenz, Kompetenzforschung,
Kulturbegriff
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
1.
Einleitung
Betrachtet man das Handeln von Personen in (inter)kulturellen Situationen, dann zeigt sich, dass - zunächst einmal
ganz allgemein formuliert - manche Menschen in und mit
diesen Situationen besser zurecht kommen als andere. Was
also befähigt diese Menschen dazu, in interkulturellen Situationen erfolgreich und angemessen zu handeln? Das ist die
zentrale Frage, der die Forschung zur interkulturellen Kompetenz nachgeht. Interkulturelle Kompetenz-Forschung möchte
ergründen, was eine interkulturell kompetente Person weiß,
was sie kann, welche Einstellungen und Motivationen sie an
den Tag legt.
Mittlerweile liegen zahlreiche Modelle, Theorien und empirische Befunde vor, die Antworten auf diese Fragen liefern
(Überblicke finden sich z.B. bei Bolten 2007, Scheitza 2007,
Spitzberg und Changnon 2009). Weit fortgeschritten ist beispielsweise die Forschung zur Rolle, die die Intercultural
Sensitivity (Bennett 2004, Hammer 2008) als eine Komponente interkultureller Kompetenz, in interkulturellen Begegnungen spielt (u.a. Altshuler et al. 2003, Medina-López-Portillo
2004, Jackson 2008).
Ein Aspekt, der bisher vergleichsweise wenig Beachtung gefunden hat, ist die Betrachtung des Konstrukts „Kompetenz“
(Straub 2007). An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag
an. Zunächst soll der Blick auf die Konstruktionsweisen von
Kompetenz mit ihren Konsequenzen für die Erklärung des
Phänomens „Interkulturelle Kompetenz“ gelenkt werden. Im
Anschluss daran wird ein Modell interkultureller Kompetenz
entworfen, mit dem es möglich ist, weitere Aspekte einzubeziehen, um so zur Aufklärung der Funktionsweise interkultureller Kompetenz beizutragen.
2.
Kompetenz - Sammelbegriff oder organisierende
Funktion?
Wick (2009:25) verweist in Bezug auf Kompetenz im Allgemeinen auf einen Aspekt, der auch für die Diskussion interkultureller Kompetenz relevant ist. Betrachtet wird dabei die
Art und Weise, wie Kompetenz konstruiert wird; gefragt wird
danach, ob es sich um einen Sammelbegriff handelt, mit dem
Kompetenz-Komponenten zusammengefasst werden oder ob
Kompetenz eine eigenständige Funktion besitzt und somit ein
von anderen Konstrukten, wie z.B. Wissen, Fähigkeiten und
Einstellungen, unterscheidbares Konstrukt darstellt.
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
2.1
Kompetenz als Sammelbegriff
In Ansätzen, die der ersten Gruppe zugeordnet werden können, wird Kompetenz verstanden als ein „Sammelbegriff für
die (Ausprägungen der) Motive, Eigenschaften, Fähigkeiten,
Fertigkeiten, Kenntnisse, Selbstkonzepte, Einstellungen und
Werte, die die Effektivität einer Person mit der Umwelt bestimmen [...]“ (Wick 2009:25). Die Kompetenz eines Individuums entspricht der Summe dieser Komponenten und ihrer
jeweiligen Ausprägungsgrade. Kompetenz steigt also (quasi
automatisch) mit der Zunahme an Wissen, Fähigkeiten / Fertigkeiten, dem Aufbau adäquater Einstellungen etc.; Inkompetenz lässt sich zurückführen auf ein Fehlen oder eine mangelhafte Ausprägung einer oder mehrerer Teilkompetenzen.
Das ist ein Konzept des Konstrukts Kompetenz, das auch in
Bezug auf interkulturelle Kompetenz gängig ist. Bolten (2007)
verweist beispielhaft auf die Ansätze von Brislin (1981) und
Ruben (1976) und konstatiert, dass in solchen Modellen
interkulturelle Kompetenz „additiv als Summe verschiedener
Teilkompetenzen“ (Bolten 2007:22) verstanden wird.
Ausschlaggebend für die Klassifizierung eines Kompetenzansatzes als Sammelbegriff ist, ob ein summatives Verständnis
von Kompetenz vorliegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die
Komponenten (unsortiert) in Form von Listen präsentiert werden oder ob eine Strukturierung der Komponenten stattfindet. Häufig anzutreffen ist eine Systematisierung der Elemente - mit unterschiedlichem Zuschnitt der Kategorien und variierender Terminologie - in kognitive / wissensbezogene,
affektive / motivationale und verhaltensbezogene Bestandteile (für Überblicke zu Listen- bzw. Strukturmodellen interkultureller Kompetenz siehe Bolten 2007, Scheitza 2007, Straub
2007).
Die Popularität solcher Modelle in Forschung und Praxis lässt
sich darauf zurückführen, dass sie sich (relativ) einfach operationalisieren lassen (Bolten 2007). Mit den Modellen kann
aber nicht erklärt werden, wie kompetentes Handeln zustande kommt, also wie Kompetenz funktioniert. Dafür sind einige Punkte in den Modellen nicht ausreichend spezifiziert (siehe dazu auch Straub, Nothnagel und Weidemann 2010:22):
Erstens ist die Auswahl der einzelnen Komponenten in den
jeweiligen Modellen fragwürdig. Sollte z.B. eine Person in einer interkulturellen Situation erfolgreich und angemessen
handeln, ohne dabei auf ausgewählte Komponenten eines
bestimmten Modells zurückzugreifen, handelt sie dann nicht
kompetent? Boltens Fazit in Bezug auf Listenmodelle kann
auf alle Modelle, die mit einem summativen Kompetenzbegriff operieren, ausgeweitet werden: Die Zusammenstellung
der Komponenten erscheint beliebig und unvollständig (Bol-
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
ten 2007). Zweitens ist das Verhältnis der (ausgewählten)
Komponenten untereinander nicht hinreichend bestimmt.
(Werden alle Komponenten (immer) benötigt? Oder lassen
sich z.B. einzelne durch andere kompensieren?) Schließlich ist
aus kompetenztheoretischen Überlegungen heraus davon
auszugehen, dass das Vorhandensein von Wissen, Fähigkeiten und den richtigen Einstellungen allein noch nicht zu
kompetentem Handeln führt. Entscheidend ist das „Zusammenspiel“ (Bolten 2007:25) oder Zusammenwirken der Komponenten. Dieses Zusammenspiel ist ein zentrales Charakteristikum der Ansätze, die der zweiten Gruppe zugeordnet
werden können.
2.2
Kompetenz als organisierende Funktion
In Ansätzen der zweiten Gruppe von Kompetenz-Konstrukten
werden Wissensbestandteile, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen, Motive etc., eben all das, was als Komponenten
auch in den anderen Ansätzen eingebracht wurde, als Basis
für Kompetenz betrachtet. Sie stellen Ressourcen für kompetentes Handeln dar, aber sie machen noch keine Kompetenz
aus. „Diese Ressourcen werden durch einen organisierenden
psychischen Mechanismus oder Prozess zusammengefügt,
der die Realisierung zielgerichteter Aktivitäten, sei es durch
Handlung oder Reflexion, ermöglicht [...]“ (Wick 2009:25).
Erst wenn man von einem Zusammenwirken der Komponenten ausgeht, entfaltet das Kompetenzkonzept seine Wirkung,
weil Kompetenz dann mehr ist als eine Ansammlung von Bestandteilen. „Auf diese Weise stellt Kompetenz ein genuines,
unterscheidbares Konstrukt dar“ (Wick 2009:25).
Das ist ein Konzept von Kompetenz, das z.B. im Bereich der
beruflichen Kompetenzen Verbreitung gefunden hat.
Erpenbeck und von Rosenstiel verstehen Kompetenz beispielsweise als „Selbstorganisationsdispostionen“ (Erpenbeck
/ Rosenstiel 2003:XV). Das DeSeCo-Projekt (Defining and
Selecting Key Competencies) der OECD, das sich auf allgemeine Kompetenzen bezieht, die für eine erfolgreiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben notwendig sind, hebt insbesondere auf „Reflexion“ als „Kern der Schlüsselkompetenzen“ ab (OECD 2005:10). In Bezug auf interkulturelle Kompetenz hat Bolten (2007) einen solchen Kompetenzbegriff unter
der Bezeichnung „Prozessmodelle“ besprochen.
Um interkulturelle Kompetenz für Forschungs- und Bildungszwecke operationalisieren zu können, bedarf es einer klaren
Vorstellung des Konstrukts. Zu fragen ist also danach, wie die
organisierenden Prozesse, die Kompetenz ausmachen, konkretisiert werden können. Ein Rahmenmodell für ein solches
Konzept soll im Folgenden entwickelt werden.
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
2.3
Zwei-Ebenen-Modell (Tintenfischmodell)
Der Zusammenhang von Ressourcen und einer organisierenden Instanz lässt sich in Analogie zu psychologischen Modellen, die sich auf die Lösung komplexer Probleme beziehen,
modellieren (Wick 2011). Die Problemlösepsychologie bietet
sich als Bezugspunkt an, da man mit ihr auf theoretisch ausgearbeitete und empirisch fundierte Modelle zurückgreifen
kann, mit denen ein ähnliches, wenn auch spezifischeres und
weniger umfassendes, Ziel verfolgt wird wie in der Kompetenzforschung, nämlich die Erklärung von erfolgreichem
Handeln bzw. Denken in Bezug auf komplexe, in der Regel
kognitive, Aufgaben. Konkret wird insbesondere auf das Modell von Dörner (1979) zurückgegriffen, da Dörner den Zusammenhang von Ressourcen und organisierenden Prozessen
deutlich herausarbeitet (Wick 2011).
Dörner vertritt in seiner Psychologie des Problemlösens eine
„2-Ebenen-Hypothese“ (1979:8), mit der er erklärt, wie Individuen komplexe (kognitive) Probleme lösen. Bei der ersten
Ebene, der so genannten epistemischen Struktur, handelt es
sich um die Wissensstruktur in Bezug auf ein Themen- bzw.
Problemfeld. Die epistemische Struktur umfasst sowohl das
inhaltliche Wissen über einen speziellen Bereich als auch
Kenntnisse über die kognitiven Handlungsmöglichkeiten, die
so genannten Operatoren, in diesem Feld (Dörner 1979:26).
Bei der zweiten Ebene handelt es sich um die so genannte
heuristische Struktur. Die Funktion dieser heuristischen Struktur ist es, geeignete Operatoren, sprich Handlungskonzepte,
in den Beständen der epistemischen Struktur zu suchen, auszuwählen und, falls keine passenden zur Verfügung stehen,
zu entwickeln (Dörner 1979:8). Diese Ebene „organisiert und
kontrolliert“ (Dörner 1979:38) dabei die Problemlösungsprozesse. Ähnlich werden Vorgänge beim komplexen Problemlösen z.B. auch bei Anderson (2007:289ff.) beschrieben.
Gut verdeutlichen kann man das Grundprinzip des
Zusammenwirkens der beiden Strukturen, mit Hilfe einer Metapher, die Dörner als „Tintenfischhypothese“ (1979:37) bezeichnet: Als Bild für die Beziehung der epistemischen und
heuristischen Struktur dient dabei ein Tintenfisch, der sich an
einem Fischernetz entlang hangelt. Dabei lässt der Tintenfisch
einige Knotenpunkte des Netzes los, hält sich weiterhin an
anderen fest und nimmt mit den freien Armen neue Knotenpunkte auf. Durch den Tintenfisch werden Teile des Netzes
(neu) zusammengeführt. Das Fischernetz repräsentiert in dieser Analogie die epistemische Struktur, der Tintenfisch die
heuristische. Ein heuristischer Prozess greift, wie der Tintenfisch, auf einige Punkte der epistemischen Struktur (Knotenpunkte des Netzes) zu, verbindet diese, kombiniert sie - zum
Teil auch neu. Wie jede Analogie hat auch diese Schwächen.
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
Die relevanteste in diesem Zusammenhang ist, dass in dem
Bild nicht dargestellt werden kann, dass es auch zu den Funktionen der heuristischen Struktur gehört, die epistemische
Struktur zu erweitern, wenn kein geeignetes Wissen verfügbar ist. Der Tintenfisch müsste also über eine Möglichkeit verfügen, das Netz zu verfeinern und zu erweitern, also z.B. mit
Strickzeug ausgerüstet werden (Dörner 1979:37). Mit Hilfe
solcher Modellvorstellungen lässt sich eine Vielzahl von Vorgängen beim Lösen komplexer kognitiver Probleme erklären.
Analog zu diesem Modell kann eine Vorstellung der Funktionsweise von Kompetenz entwickelt werden (Wick 2011):
Die erste Ebene bilden - im Unterschied zur rein kognitiven
epistemischen Struktur in der Psychologie des Problemlösens
und im Einklang mit der Erkenntnis der Kompetenzforschung,
dass Kompetenz sich neben Wissensbestandteilen auch auf
Fähigkeiten, Einstellungen und Motive etc. bezieht (Hesse
2008) - kognitive, affektive und verhaltensbezogene Elemente. In diese Struktur aus kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Komponenten, den Ressourcen, greifen, analog zur heuristischen Struktur beim kognitiven Problemlösen,
Prozesse ein. Diese bilden die zweite Ebene des Modells.
Ausgerichtet auf die spezifischen Anforderungen von Handlungssituationen, organisieren, integrieren und kontrollieren
diese Prozesse die Nutzung der kognitiven, affektiven und
verhaltensbezogenen Ressourcen. In Anlehnung an die Psychologie des Problemlösens kann der Instanz auf der zweiten
Ebene außerdem eine weitere Funktion zugeschrieben werden. Sie ist neben der Organisation der Ressourcen in der
Handlungsgenese auch für die Weiterentwicklung der Ressourcen-Basis zuständig. Dies ist insbesondere in jenen Situationen und Fällen relevant, in denen das Individuum nicht
über ausreichend Ressourcen oder auf einem ausreichenden
Niveau verfügt, um adäquat handeln zu können.
Im Sinne des vorgestellten Modells kann Kompetenz folgendermaßen definiert werden: Kompetenz soll als Bezeichnung
dienen für die kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Ressourcen und die Prozesse, welche die Nutzung und
die Weiterentwicklung der Ressourcen in Bezug auf die adäquate Bewältigung von Anforderungen in und durch komplexe Situationen organisieren und kontrollieren (vgl. Wick
2011).
3.
Zwei-Ebenen-Modell interkultureller Kompetenz
Mit dieser Vorstellung von Kompetenz steht ein Rahmenmodell zur Verfügung, mit dem zum einen Kompetenz im Allgemeinen und interkulturelle Kompetenz im Speziellen beschrieben und erklärt werden kann. Zum anderen können
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
durch diesen veränderten Blick auf interkulturelles Handeln
viele Ansätze und Erkenntnisse, die bisher unverbunden oder
z.T. auch widersprüchlich neben einander zu stehen scheinen,
zusammen geführt werden - ohne dabei die spezifischen Eigenheiten der einzelnen Ansätze zu ignorieren.
Zugleich kann durch diesen Rückbezug auf bestehende Ansätze, Modelle und Theorien das hier entwickelte Modell
interkultureller Kompetenz weiter konkretisiert werden. Eine
weitere Konkretisierung ist geboten, da mit dem Rahmenmodell, wie es bis hierher entwickelt wurde, zwar ein theoretisches und begriffliches Instrumentarium vorliegt, mit dem die
Grundidee von Kompetenz als Prozess beschrieben werden
kann, die Darstellung der stattfindenden Prozesse aber bisher
recht abstrakt verbleibt.
3.1
Die Ebene der kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Ressourcen interkultureller Kompetenz
Um in einem zweiten Schritt Prozesse konkretisieren zu können, bedarf es zunächst einmal einer Betrachtung der Komponenten, die durch solche Prozesse organisiert werden.
Da das Verständnis von Kompetenz, wie es hier entwickelt
wird, nicht in Konkurrenz zu Listen- und Strukturmodellen
interkultureller Kompetenz steht, sondern diese vielmehr ergänzt, indem organisierende psychische Prozesse hinzugefügt
– gewissermaßen „aufgesetzt“ –werden, kann bei der
Modellierung der Ressourcen-Ebene auf die Erkenntnisse aus
bestehenden Modellen zurückgegriffen werden. Aus Sicht
dieses Zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz beschreiben die Listen- und Strukturmodelle (nur) die Ressourcenebene. Damit kommen prinzipiell alle Wissensbestandteile, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen, Motive usw., die
auch bisher als Bestandteile interkultureller Kompetenz betrachtet wurden, als potentielle Ressourcen in Frage (ein
Überblick über Komponenten aus den Bereichen Skills,
Knowledge und Motivation aus der englischsprachigen Literatur findet sich bei Spitzberg und Changnon 2009).
Darüber hinaus lassen sich über diese Konstruktionsweise von
Kompetenz viele Erkenntnisse einbinden, die auf den ersten
Blick ohne direkt erkennbare Bezüge nebeneinander zu stehen scheinen. Maas, Over und Mienert (2008) z.B. fassen individuelle interkulturelle Kompetenz als „Konstruktiver Umgang mit kultureller Vielfalt“, „Sensibilität für kulturelle Einflüsse“ und „Kulturelle Vielfalt respektieren“. Shaftel, Shaftel
und Ahluwalia (2007) hingegen heben u.a. auf „openmindedness“ und „emotional resilience“ ab. Solche Studien
liefern wichtige Erkenntnisse zu speziellen Fragen bezüglich
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
interkultureller Kompetenz. Es stellt sich aber aus einer kompetenztheoretischen Sicht die Frage, in welchem Zusammenhang die Ergebnisse zu einem Gesamt-Konstrukt interkultureller Kompetenz stehen. Wie in anderen empirischen Wissenschaftsgebieten auch erschweren die hohe Spezifität, sowie
unterschiedliche
theoretische
Bezüge
und
Operationalisierungen den Blick auf übergreifende Zusammenhänge und Strukturen. Aus Sicht eines zwei-EbenenModells, wie es hier entwickelt wird, können die untersuchten Fähigkeiten, Einstellungen etc. als (potentielle) Ressourcen
gelten, die zu gelingendem Handeln beitragen können und
so in ein umfassenderes Modell interkultureller Kompetenz
integriert werden.
Vor dem Hintergrund einer solchen Vorstellung von Kompetenz erscheinen die Erkenntnisse der bisherigen interkulturellen Kompetenzforschung in einem anderen Licht. In Modellen, die mit einem summativen Kompetenzbegriff operieren,
wird, ganz allgemein gefasst, davon ausgegangen, dass mehr
und besser ausgeprägte Komponenten zu höherer Kompetenz führen. Dieser Vorgang kann mit dem Modell der Kompetenz als organisierende Funktion differenzierter beschrieben werden: Mehr verfügbare Komponenten, z.B. mehr Wissen über eine spezielle Kultur, führen nicht zwangsläufig zu
einem höheren Kompetenzniveau, aber das Individuum kann
bei der Generierung adäquater Handlungen auf eine qualitativ und quantitativ weiter entwickelte Ressourcen-Basis zugreifen, wodurch die Wahrscheinlichkeit auf gelingendes
Handeln steigt; der Tintenfisch – um das Bild aufzugreifen –
hat mehr und stabilere Knotenpunkte, die er aufnehmen und
miteinander verbinden kann.
3.2
Die Prozess-Ebene: Organisierende Prozesse und
ihre Funktionen
Kompetenz im Sinne des Modells bedeutet allgemein zunächst einmal Organisation der kognitiven, affektiven und
verhaltensbezogenen Ressourcen im Prozess der Handlungsgenese. Anhand eines fiktiven Beispiels lassen sich die Prozesse in ihren Grundzügen veranschaulichen.
Stephanie macht nach Abschluss ihres Studiums ein Praktikum bei einer Firma in Japan. Sie hat eine Idee zur Lösung
eines Problems, das in dem Projekt aufgetreten ist, an dem
sie mitarbeiten darf. Wie könnte die Genese einer kompetenten Handlung in einer solchen Anforderungssituation aussehen? Stephanie ist sich ihrer niedrigen Stellung als „Junior“
(Kouhai)
innerhalb
der
Gruppe
bewusst
(SelbstWahrnehmung in Verbindung mit konkretem kulturspezifischen Wissen), sie weiß, dass das Kommunikationsverhalten von vielen Japanern als indirekt, kollektivistisch und
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
Harmonie-wahrend charakterisiert werden kann (kulturspezifische Wissensbestandteile). Sie weiß auch, dass ein
direkt vorgebrachter Veränderungsvorschlag erstens als Kritik
an der bisherigen Arbeit des Teams aufgefasst werden kann,
da viele Japaner stärker kontextorientiert kommunizieren, also auch zwischen den Zeilen „hören“ (kulturelles Wissen),
und zweitens zu Kommunikationsproblemen führen kann, da
mit der Ablehnung der Idee einer Person auch Kritik an der
Person bzw. ihrer Urteilsfähigkeit verbunden ist und somit der
Grundsatz der Wahrung der Harmonie verletzt werden kann
(kulturelles Wissen). Hinzu kommen affektive Ressourcen.
Stephanie besitzt genügend Offenheit, die von ihr wahrgenommenen kulturellen Unterschiede zu akzeptieren. Da sie
darüber hinaus auch über ausreichend Frustrationstoleranz
verfügt, damit leben zu können, „ihre eigene“ Idee nicht explizit als ihr „geistiges Eigentum“ gekennzeichnet einbringen
zu müssen (Einstellungen), eröffnet sich für sie die Möglichkeit, ihre Idee indirekt zu platzieren. Ihren Vorschlag formuliert sie also nicht als ihre eigene Idee, sondern behauptet, sie
habe gehört, dass eine andere Firma das so machen würde.
Ihre Idee wird vom Team aufgegriffen, weiterentwickelt und
umgesetzt. Zur Generierung der Handlung „indirekter Vorschlag“ griff die organisierende Instanz, die sich über den Tintenfisch verbildlichen lässt, auf ausreichend viele kognitive,
affektive und verhaltensbezogene Ressourcen zu und konnte
diese in Bezug auf die Anforderungssituation sinnvoll zusammenführen.
Kompetenz zeigt sich in einem solchen Fall darin, dass es dem
organisierenden Mechanismus gelingt, in Bezug auf die speziellen Anforderungen und Gegebenheiten einer konkreten
Situation Wissensbestände, Einstellungen und Fähigkeiten
auszuwählen, auf die Situation anzupassen und in Verbindung zueinander zu setzen. Weitergehend kann (interkulturelle) Kompetenz in Anlehnung an die Konzepte der allgemeinen Metakognition bei Flavell (1979) und der Fortschreibung als kulturelle Metakognition bei D.C. Thomas et al.
(2008) verstanden werden als eine Metafunktion zur Steuerung und Regulation der Handlungen i.w.S. sowie zur Überwachung und Kontrolle der dabei stattfindenden Abläufe und
Erreichung des Handlungszieles (siehe auch Weinert
2001:54ff.). Die Vorstellung von interkultureller Kompetenz
als Ressourcenbasis, bestehend aus kognitiven, affektiven und
verhaltensbezogenen Komponenten und einer steuernden
und kontrollierenden Organisationsinstanz, bietet Erklärungsmöglichkeiten für eine Reihe von Phänomenen, die, insbesondere mit Komponenten-Modellen, nicht oder nur unzureichend abgebildet und erklärt werden können, z.B. der
Transfer von Komponenten aus einem Kontext heraus auf
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andere (siehe z.B. Barmeyer / Laue 2010) oder die „Kompensation“ von fehlenden Komponenten (siehe z.B. D. C. Thomas et al. 2008).
Soeben wurde ausgeführt, dass kompetentes Handeln entsteht, wenn es dem Individuum gelingt, kognitive, affektive
und verhaltensbezogene Ressourcen zusammenzuführen.
Dieses Zusammenführen, das Zusammenspiel der Komponenten ist jedoch als ein komplexer und damit auch störanfälliger
Prozess zu verstehen – u.a. weil die vorhandenen Komponenten in Bezug auf die Anforderungen der jeweiligen Situation
aktualisiert werden müssen (vgl. Straub, Nothnagel und Weidemann 2010:22f.). Um ein erfolgreiches Zusammenspiel zu
ermöglichen, muss die organisierende Instanz also weitere
Leistungen erbringen. Auf einige dieser Funktionen wird im
Folgenden näher eingegangen.
3.2.1
Funktion Anwendung auf konkrete Situationen
Eine Funktion bezieht sich auf die Anwendung der Komponenten auf die konkrete Situation in ihrer Besonderheit und
Einmaligkeit. Weidemann beschreibt dieses Grundproblem
treffend, indem der darauf hinweist, dass sich interkulturelle
Kompetenz auf „die Fähigkeit zum Umgang mit Unbekanntem, über das sich per definitionem im Vorfeld kein kontextspezifisches Wissen aneignen lässt, sondern das [...] in situ
erschlossen werden kann und muss“ (Weidemann 2010:489),
bezieht. Gut veranschaulichen lässt sich der Vorgang anhand
der kognitiven Komponenten. Unabhängig davon, ob Wissen
über andere Kulturen in Form von mehr oder weniger
abstrakten Kulturbeschreibungen, wie in Kulturstandards (A.
Thomas 1996), Kulturdimensionen (Hofstede 2003), Dichten
Beschreibungen (Geertz 1973) etc. oder in Form von konkretem Erfahrungswissen vorliegt, die Herausforderung in einer
Anwendungssituation besteht darin, das Wissen auf die aktuelle Situation mit ihren Gegebenheiten und Anforderungen
zu beziehen. Kompetentes Handeln wird erst durch die Verbindung von Kenntnissen (hier: über andere Kulturen) und
der Fähigkeit, die Kenntnisse auf konkrete Situationen beziehen zu können, ermöglicht. Interkulturelle Kompetenz zeigt
sich also z.B. nicht bereits darin den japanischen Kulturstandard „Konsensorientierung“ (Petzold et al. 2005) zu kennen,
sondern setzt zumindest voraus, Konsensorientierung im tatsächlich praktizierten Handeln, also in ihren jeweiligen Varianten und Spielformen identifizieren zu können. Eine zentrale
Herausforderung für die interkulturell Handelnden ist die
Anwendung der Komponenten auf die konkrete Situation mit
ihren Spezifika.
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
Mit dem Modell der Kompetenz als Ressourcenbasis und einer organisierenden Instanz können solche Vorgänge differenziert erfasst und analysiert werden. Über die Beschaffenheit der Ressourcen hinaus ist dann zu fragen, inwieweit eine
Person auch über die notwendigen Fähigkeiten zur Steuerung, hier konkret zur Applikation der Komponenten in Bezug auf die konkrete Situation, verfügt.
3.2.2
Funktion „korrekte“ Anwendung
Vorausgehend wurde argumentiert, dass das situative Anwenden von Komponenten als eine Funktion der organisierenden Instanz betrachtet werden kann. Inkompetentes Handeln kann also auf eine mangelnde Komponentenausstattung
oder unzureichende Steuerung zurückzuführen sein. Ein Spezialfall der unzureichenden Steuerung, nämlich „fehlerhafte“
Steuerung, bedarf genauerer Betrachtung.
Man stelle sich die Praktikantin Stephanie mit all den beschriebenen Ressourcen beim Ausgehen mit gleichaltrigen
japanischen Bekannten vor. Ihr indirekt vorgebrachter Vorschlag in Kneipe xy weiter zu feiern, geht schlicht und einfach
unter. Der organisierende Mechanismus hat auf die gleichen
Ressourcen zugegriffen, wie beim Vorschlag im Projektteam
(Indirektheit, Kontextorientierung, Kollektivismus etc.). Erklärt
werden kann eine solche Situation über Verallgemeinerungsfehler in dem Sinn, dass es u.a. signifikante intergenerationelle Unterschiede in Japan z.B. in Bezug auf
Kollektivimus und Individualismus gibt, diese aber nicht berücksichtigt wurden. Junge Japaner sind weniger kollektivistisch orientiert als der gesamtgesellschaftliche Durchschnitt
und somit auch stärker individualistisch, als eine stereotypische Sichtweise nahelegt (Matsumoto 2002:37ff.). Das Problem ist nicht, dass keine Ressourcen vorhanden wären, sondern dass – bezogen auf die konkrete Situation und deren
spezifische Anforderungen – die „falschen“ Komponenten
aktiviert wurden, noch treffender, die Komponenten „falsch“
aktiviert wurden. Die Nutzung des vorhandenen Wissens etc.
war nicht auf die konkreten Anforderungen der Situation abgestimmt.
Dieser Fall verdeutlicht noch einmal aus einer anderen Perspektive, warum mit einem summativen Kompetenzverständnis, kompetentes oder inkompetentes Handeln nicht hinreichend erklärt werden kann. Legt man ein (beliebiges) Modell,
das mit einem summativen Kompetenzbegriff arbeitet, an,
dann erscheint eine Person, die über einen ausgeprägten
Fundus an kulturellem Wissen, Einstellungen, Fähigkeiten etc.
verfügt, als kompetent. Da inadäquate Handlungen zum Teil
nicht durch das Fehlen von Komponenten verursacht werden
(auch nicht durch das Fehlen einer steuernden / organisieren-
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den Funktion), sondern, wie im Beispiel, durch falsche Anwendung der Komponenten, empfiehlt es sich Vorgänge, die
sich auf die Anwendung der Komponenten beziehen, in das
Kompetenzkonstrukt zu integrieren.1
Zur theoretischen und empirischen Fundierung kann man an
dieser Stelle auf die Stereotypisierungsforschung zurückgreifen, da diese u.a. Prozesse der Kategorisierung von Individuen
und unzutreffender Generalisierungen thematisiert. Stereotypisierung umfasst nach Tajfel (1969) die drei Prozesses Kategorisierung, Generalisierung und Akzentuierung (Jonas /
Schmid Mast 2007). Im Prozess der Kategorisierung werden
Individuen einer Kategorie zugeordnet. Einzelne Personen
werden z.B. als Deutsche, als Japaner etc. wahrgenommen.
Im Prozess der Generalisierung werden den Personen einer
Kategorie gemeinsame Merkmale zugeschrieben. Schneider
(2005) erkennt darin das zentrale Merkmal von Stereotypen
und definiert demgemäß: „Stereotypes are qualities perceived
to be associated with particular groups or categories of
people“ (Schneider 2005:24). Der dritte Prozess bezieht sich
auf die Akzentuierung der wahrgenommenen Merkmale einer Gruppe (Jonas / Schmid Mast 2007:72). Stereotypen können in diesem Sinn als „unjustified generalizations“ (Schneider 2005:42) verstanden werden. Das inkompetente Verhalten der Praktikantin im Beispiel lässt sich mit Hilfe der Akzentuierung und den daraus resultierenden ungerechtfertigten
Verallgemeinerungen erklären. Existierende Unterschiede
wurden unzulässig verallgemeinert und auf Kollektive und
Individuen transferiert, auf welche die angenommenen
Merkmale nur eingeschränkt oder nicht zutreffen.
Im Anschluss an die Psychologie der Stereotypisierung lässt
sich ein Teil der Prozesse, die Kompetenz ausmachen, deutlicher fassen. Dabei können die Stereotypisierung und das
kompetente Organisieren der Ressourcen als zwei Seiten des
gleichen Vorgangs verstanden werden. Während Stereotypisierung den einen Fall, nämlich zu undifferenzierte Kategorisierung, unangemessene Generalisierung etc., behandelt,
kann mit der Umkehrung der Vorgänge die Organisationsfunktion der Kompetenz näher beschrieben werden. Kompetenz lässt sich demgemäß u.a. ausmachen in der metaFähigkeit, die kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Ressourcen angemessen, im Sinne von nichtstereotypisierend, den situativen Gegebenheiten und Anforderungen gemäß, anzuwenden. Anders formuliert heißt dies:
Kompetent ist nicht unbedingt, wer kulturelle Eigenheiten
einer gegebenen Kultur kennt und anderskulturelle kommunikative Handlungen, wie Begrüßungsformen, beherrscht,
sondern diejenige Person, die darüber hinaus über die (Meta)Fähigkeit verfügt, die Anwendung der Komponenten adä-
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quat zu steuern, um z.B. entscheiden zu können, wann, auf
wen, wie diese Komponenten angemessen angewendet werden können.
3.2.3
Interkulturelle Kompetenz unter den Bedingungen des dualen Kultur-Diskurses
Mit der vorausgegangen beschriebenen Funktion liegt ein
Konzept vor, mit dem sich auch das Verhältnis der beiden
Konstrukte „Interkulturelle Kompetenz“ und „Kultur“ neu
bestimmen lässt. Dazu muss aber zunächst einmal der Kulturbegriff genauer betrachtet werden.
Mit einem Modell interkultureller Kompetenz sind auch - explizit oder implizit - Aussagen über das zu Grunde liegende
Kompetenzverständnis verbunden. Was unter Kultur zu verstehen sei, wird in den einzelnen Ansätzen unterschiedlich
beantwortet, die Diskussion über den (angemessenen) Kulturbegriff dabei zuweilen vehement geführt (Rathje 2006).
Löst man sich von den einzelnen Ansätzen mit ihren Spezifika
und betrachtet dafür die grundlegenden Verständnisse von
Kultur, dann lassen sich in den Sozialwissenschaften im Allgemeinen wie auch im Feld der interkulturellen Kommunikation und Kompetenz zwei Grundverständnisse von Kultur
ausmachen (Baumann 1999, Moosmüller 2004, Otten / Geppert 2009).
Im ersten Konzept bezieht sich Kultur auf eine irgendwie geartete Gleichheit des Denkens, Fühlens, Wahrnehmens oder
Verhaltens von Mitgliedern bestimmter Gruppen (Hansen
2003). „Kultur ist eine tradierte Struktur, sie ist den Menschen gegeben und prägt ihr Wahrnehmen, Denken und
Handeln [...]“ (Moosmüller 2004:61). Anschaulich charakterisiert und problematisiert zugleich Baumann diese Sichtweise:
„Culture [...] appears as a mold that shapes lives or, to put it
somewhat polemically, as a giant photocopy machine that
keeps turning out identical copies“ (Baumann 1999:25). Entsprechend dieses Verständnisses von Kulturen können solche
Ansätze als „essentialistisch“ bezeichnet werden (Baumann
1999:24, Moosmüller 2004:60). Essentialistische Vorstellungen von Kultur sind im Feld der interkulturellen Kommunikation (Moosmüller 2004) wie auch im Alltag (Baumann 1999)
weit verbreitet. Beispielsweise zeigt Moosmüller (2004) auf,
dass die Kulturbegriffe, wie sie von Hall oder Hofstede verwendet werden, einer solchen Kategorie zugerechnet werden
können.
Dem gegenüber stehen Kulturverständnisse, die u.a. in kritischer Abgrenzung zu einem essentialistischen Verständnis
entstanden sind. Moosmüller führt aus,
37
© Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
„[...] ,dass sich die Auffassungen von Kultur bzw. vom Verhältnis zwischen
Individuum und Kultur in neuer Zeit grundlegend gewandelt haben. Im
Unterschied zu klassischen [...] Ideen, wonach das Individuum als eine Art
Automat präformierte Regeln umsetzt, wird es heute als Gestalter seiner
sozialen Umwelt gesehen [...]. Mit 'Kultur' werden keine uranfänglich gegebenen, abgrenzbaren, geschlossenen, homogenen Entitäten mehr gemeint, sondern konstruierte, fluide, unscharfe und in sich widersprüchliche
Phänomene [...]." (Moosmüller 2004:47)
Grundlegend für solche nicht-essentialistischen Kulturbegriffe
ist die Erkenntnis, dass „Kultur“ für die jeweiligen Gruppen
und für die Einzelnen nicht per se gegeben ist, sondern konstruiert wird und durch die handelnden Akteure erst hervorgebracht wird.
„Culture in this second understanding, which may be called the processual, is not so much a photocopy machine as a concert, or indeed a historically improvised jam session. It only exists in the act of being performed,
and it can never stand still or repeat itself without changing its meaning.“
(Baumann 1999:26)
Weiter in den Fokus der Betrachtung rücken in diesem Zusammenhang z.B. Phänomene wie die Erschaffung von Kulturen (siehe z.B. „doing culture“ bei Hörning / Reuter 2004),
der Wandel von Kulturen und die Hybridität von kulturellen
Identitäten (siehe z.B. Sökefeld 2007).
Welche Berechtigung und welchen Nutzen die jeweiligen
Konzepte von Kultur besitzen, soll hier nicht weiter thematisiert werden. Stattdessen wird betrachtet, welche Vorstellungen von Kultur in der (Alltags-)Praxis interkultureller Situationen handlungswirksam werden. Damit ändert sich die Perspektive auf den Kulturbegriff; es wird nicht mehr gefragt,
welcher Kulturbegriff der richtige, angemessene oder ertragreichere sein mag, sondern auf welches Verständnis von Kultur Menschen beim Handeln in mehrkulturellen Kontexten
zurückgreifen. Dieser Frage geht Baumann (1999) auf Grundlage (s)einer qualitativ-ethnografischen Studie in einem hochgradig multikulturellen Londoner Stadtteil nach (Baumann
1996). Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, dass ein essentialistisches Kulturverständnis zwar aus Sicht der Wissenschaft als überholt eingestuft werden kann und dem prozessualen Verständnis der Vorzug zu geben ist, man sich aber
trotzdem nicht vom diesem Kulturbegriff verabschieden kann,
solange essentialistische Vorstellungen von Kultur Teil der
Wirklichkeitskonstruktion von Personen sind, die in kulturellen
Überschneidungssituationen
agieren
(Baumann
1999:90f.). Baumann betrachtet die essentialistische und die
prozessuale Auffassung von Kultur als zwei Formen des Diskurses über Kultur (Baumann 1999:93) und untersucht, wie
diese in einem multikulturellen Umfeld praktiziert werden. Er
kommt dabei zu folgendem Schluss:
© Interculture Journal 2011 | 14
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
„Most people practice a double discursive competence when it comes to
their discourses about culture [...]. In some situations, they can speak of, or
treat, their own culture or somebody else‘s as if it were the tied and tagged
baggage of a national, ethnic, or religious group. They can thus essentialize
their discourse of culture to the point of creating totally static stereotypes
[...]. In other situations, however, they can speak of, and treat, their own
culture or somebody else‘s as if it were plastic and pliable, something that
is to be shaped rather than has been shaped, something you make rather
than have.“ (Baumann 1999:93f.)
In der sozialen Wirklichkeit zeigt sich also, dass Personen flexibel zwischen den beiden Diskursformen wechseln (können),
eigene wie andere Kulturen also in manchen Situationen
essentialisieren und reifizieren, in anderen wiederum kulturelle Unterschiede relativieren (Baumann 1999:132).
Bei der Betrachtung von Kultur rückt damit die Frage nach
den Kulturbegriffen und ihrer Gültigkeit in den Hintergrund
und wird ersetzt durch die Frage nach den Gründen für einen
Wechsel von einer Diskursform in die andere (Baumann
1999:132, Risager 2009). Weiterführend wäre diesbezüglich,
zu klären, in welchem Zusammenhang unterschiedliche
Machtkonstellationen und insbesondere die darin anzutreffenden Machtasymmetrien, auf die z.B. Auernheimer (2008)
in Bezug auf interkulturelle Kompetenz hinweist, mit der
Wahl der Kultur-Diskursformen und einem möglichen Wechsel von einer Diskursform in die andere stehen.
Auf Grundlage eines Verständnisses von Kultur als dualer Diskurs, wie oben dargestellt, soll hier das Konstrukt interkulturelle Kompetenz weiter entwickelt werden (vgl. Risager
2009)2. Analog zur Diskussion des Kulturbegriffs geht es bei
der Entwicklung eines Modells interkultureller Kompetenz vor
dem Hintergrund eines dualen Kulturverständnisses nicht
mehr um die Frage, welcher Kulturbegriff der angemessenere
oder nützlichere ist, sondern um die Frage, wie sowohl essentialistische als auch konstruktivistisch-prozessuale Vorstellungen von Kultur berücksichtigt werden können. Wenn nämlich
Personen im Alltag kultureller Begegnungen auf zwei prinzipiell unterschiedliche Weisen mit Kultur umgehen und wenn
sie darüber hinaus flexibel und situativ zwischen den beiden
Diskursformen wechseln, dann ergibt sich daraus die Anforderung an interkulturell kompetentes Handeln, erstens zu
erkennen, welche Diskursform (und in welcher Rigidität) in
einer konkreten Situation praktiziert wird, zweites adäquat
auf die jeweilige Diskursformen reagieren zu können und
drittens zu erkennen, wann es zu einem Wechsel der Diskursformen kommt.3
Mit Hilfe des Modells der interkulturellen Kompetenz als
organisierende Funktion lässt sich interkulturelle Kompetenz
unter den Bedingungen, die der duale Kultur-Diskurs stellt,
39
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
beschreiben. Die Struktur und Prozesse interkultureller Kompetenz in Bezug auf die Kulturkonzepte können als ein spezieller Aspekt des allgemeinen Modells verstanden werden und
analog zu diesem entwickelt werden. Verfügt eine Person nur
über kognitive, affektive und verhaltensbezogene Ressourcen,
die sich auf eine der beiden Kultur-Diskurs-Formen bezieht,
verringert sich die Wahrscheinlichkeit auf adäquates Handeln
in Situationen, die durch die jeweils andere Diskursform bestimmt werden. Es erscheint aus dieser Sicht als angebracht in
ein Modell interkultureller Kompetenz kognitive, affektive
und verhaltensbezogene Komponenten für beide Kontexte
bzw. Diskurse einzubeziehen. Zum Beispiel kann Wissen über
„andere“ Kulturen auch in Form von Kulturstandards (A.
Thomas 1996) oder Kulturdimensionen (Hall / Hall 1983) hilfreich sein, um Situationen zu navigieren, die durch einen essentialistischen Kulturdiskurs geprägt werden. In Situationen
hingegen, in denen ein prozessuales Verständnis anzutreffen
ist, können z.B. Fähigkeiten zur Bildung von Dritt-Kulturen
(Matoba 2011) ihre besondere Wirkung entfalten. Allein das
Vorhandensein der entsprechenden Ressourcen für beide
Formen des Kulturdiskurses ist auch hier noch kein Garant für
interkulturell kompetentes Handeln. Als entscheidend kann
angesehen werden, ob es einem Individuum gelingt, den Einsatz der Komponenten entsprechend, also situationsangemessen, zu steuern, wobei die dabei stattfindenden Prozesse
entsprechend den allgemeinen Vorgängen modelliert werden
können. Unter Übergeneralisierung kann hier der Vorgang
verstanden werden, Komponenten, die sich auf ein essentialistisches Kulturverständnis beziehen, auch auf und in Situationen anzuwenden, in denen die Beteiligten einen prozessualen Kultur-Diskurs praktizieren und umgekehrt. Interkulturell
kompetent zu handeln bedeutet in diesem Sinn also auch,
sich nicht an Differenzen zu orientieren und auszurichten, wo
Kultur prozessual gedacht und entsprechend gehandelt wird.
Zusammengefasst, interkulturelle Kompetenz bedeutet im
Hinblick auf dualen Kultur-Diskurs, wie er im Alltag kultureller
Überschneidung anzutreffen ist, die Befähigung zum Handeln
in Situationen, die von essentialistischen Kulturvorstellungen
strukturiert wird, als auch in jenen Situationen, in denen ein
prozessualer Diskurs stattfindet. Kompetentes Handeln kann
vor dem Hintergrund eines solchen Kultur-Konzepts erklärt
werden über kognitive, affektive und verhaltensbezogene
Ressourcen für beide Diskurs-Formen sowie eine Instanz, die
den angemessenen Einsatz der Ressourcen, in Bezug auf den
jeweiligen Handlungskontext und hier insbesondere das anzutreffende Kulturkonzept steuert.
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
3.2.4
Funktion Steuerung von Lernprozessen
Im Zusammenhang mit der Anwendung von Komponenten
auf konkrete Situationen wurde bereits darauf hingewiesen,
dass Handeln in kulturellen Überschneidungssituationen auch
bedeutet, auf Unbekanntes reagieren zu können (Weidemann 2010). Das handelnde Individuum wird immer wieder
damit konfrontiert werden, dass die vorhandenen Ressourcen, z.B. das kulturelle Wissen, nicht genügen, um unmittelbar erfolgreich agieren zu können. Die Fähigkeit sich Wissen,
Fähigkeiten usw. anzueignen, sprich die Fähigkeit zu lernen
i.w.S., wird damit zu einem wichtigen Bestandteil interkultureller Kompetenz (Byram 1997, Weidemann 2010). Ob ein
Individuum kompetent handeln kann, wird dadurch mitbestimmt, ob und wie schnell es sich Wissen, Können etc. aneignen kann.
Legt man das Zwei-Ebenen-Modell interkultureller Kompetenz, wie es hier entwickelt wird, an, dann kann der Vorgang
wie folgt beschrieben werden. Fehlendes Wissen, unzureichende Fähigkeiten und Einstellungen können als „Lücken“
in der Ressourcenbasis verstanden werden. Greift man das
Bild des Tintenfisches auf, dann sind dies „Lücken“ oder
„Schwachstellen“ im Netz. Diese Lücken durch Lernprozesse
zu schließen, kann als eine weitere zentrale Funktion der organisierenden Instanz angesehen werden.
4.
Fazit
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, dass es
nicht gelingt (interkulturelle) Kompetenz allein über ihre
Komponenten abzubilden, sondern dass es einer Erweiterung
um organisierende Prozesse bedarf. Wie interkulturelle Kompetenz modelliert werden kann, damit mit diesem Konstrukt
kompetentes wie inkompetentes Handeln umfassender und
differenzierter erklärt werden kann, wurde vorausgehend
dargestellt.
Mit einem Einbezug solcher organisierender Prozesse, unabhängig davon, ob man sich der Ausgestaltung der Funktionen
im Einzelnen anschließt oder nicht, bietet sich die Chance,
interkulturelle Forschung und Praxis konzeptionell weiterzuentwickeln. Für die Gestaltung von Bildungs- und Trainingsveranstaltungen z.B. bedeuten die Überlegungen, dass es sich
empfiehlt, zusätzlich zur häufig bereits praktizierten Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten / Fertigkeiten und Einstellungen
das Augenmerk verstärkt auf Steuerungs-, Kontroll- und
Lernprozesse zu legen. Denn erst das Vermögen, die einzelnen Komponenten (korrekt) anwenden, zusammenführen
und bei Bedarf selbst-lernend erweitern zu können, ermög-
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
licht es in interkulturellen Überschneidungssituationen adäquat, angemessen, erfolgreich – kompetent eben – zu handeln.
Die Aufgabe besteht dementsprechend darin, neben den einzelnen Komponenten, auch die organisierenden Prozesse
theoretisch zu beschreiben, empirisch zu erfassen und praktisch umzusetzen – dieser Artikel versteht sich als ein Beitrag
dazu.
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1
Es könnte dagegen eingewendet werden, dass auch weiter
ausdifferenziertes Wissen, wie die Kenntnis der intergenerationellen Unterschiede, in der Situation geholfen hätte
und somit ohne eine steuernde Instanz (in)kompetentes Verhalten allein aufgrund der Komponenten erklärt werden
kann. Dieser Einwand wird aber spätestens obsolet, wenn
man individuelle Abweichungen mit in die Betrachtung einbezieht.
2
Risager (2009) hat auf den Nutzen des Baumannschen Kulturkonzepts für die interkulturelle Kompetenz hingewiesen;
ohne allerdings dieses Kulturverständnis in ein eigenes Kompetenzmodell zu integrieren.
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Dauner: Die organisierende Funktion von Kompetenz – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller Kompetenz
3
Ob das auch die Fähigkeit beinhaltet, einen Wechsel der
Diskursform, von einer essentialisitischen zu einer prozessualen zu initiieren, sei zunächst einmal dahingestellt.
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Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters
Intercultural Competence
for Unequal Business
Encounters
[Interkulturelle Kompetenz
für Asymmetrische
Geschäftsbeziehungen]
Hanna Pułaczewska
Prof., Academy of International
Studies in Łódź, Poland;
M.A., Dr. phil. and professorial
qualifications in General and
Comparative Linguistics with Focus on English, University of Regensburg
Abstract [English]
The article treats the issue of teaching intercultural competence in courses organised by business enterprises for their
employees. It is proposed that more scholarly attention
should be devoted to the commodity character of intercultural training that enforces its adaptation to the market’s
demands. The idealised academic view of such training as
happening under conditions unaffected by power relations
needs to be replaced with a more realistic picture of power
imbalance, fuelling the concept of cultural superiority on the
part of the economically stronger party. Methods are suggested for reducing such an ethnocentric bias. Besides, the
article indicates the ways in which the training might be used
to subtly and tactfully raise the awareness of problems resulting from asymmetrical adaptation of the economically weaker
party to the linguistic requirements of the stronger partner.
Keywords: business, coaching, inequality, power, language
Abstract [Deutsch]
Der Aufsatz thematisiert die Problematik von Schulungen
interkultureller Kompetenz in der freien Wirtschaft. Solche
Schulungen finden oft im Kontext eines wirtschaftlichen
Machgefälles zwischen dem Investor und der Tochtergesellschaft statt, was in akademischen Erwägungen außer Acht
gelassen wird. Ein kultureller Relativismus ist von den Teilnehmern nicht zu erwarten. Stattdessen wird die Machtasymmetrie von der stärkeren Partei als die Konsequenz der
kulturellen Unterschiede interpretiert, d.h. als ein sichtbarer
Beweis für den höheren Nutzwert der eigenen Kultur. Asymmetrische sprachliche Anpassung von der Tochtergesellschaft
an den Investor wird ebenfalls unreflektiert akzeptiert. Der
Aufsatz deutet an, wie ethnozentrische Interpretation von
kulturellen Unterschieden gemildert und eine sprachbezogene Reflexion herbeigeführt werden kann. Dabei muss stets
beachtet werden, dass dies potentiell in Opposition zu den
pragmatischen Interessen des Dozenten steht und sein professionelles Image gefährden kann.
Stichworte: Wirtschaft, Coaching, Machtgefälle, Sprache,
Dominanz
1.
Introduction
Wilson and Wilson (2001) noted that while much of intercultural communication research and training rests on the presumption that the key to intercultural communication and
understanding is the knowledge of the relevant culture, an
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Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters
essential piece is missing from this perspective: the consideration of power relations. Indeed, it seems that the idealised
view of intercultural training as happening under conditions
unaffected by power relations should be replaced with a
more realistic picture of power imbalance that fuels the concept of cultural superiority on the part of the economically
stronger party. In what follows, methods are presented that
are claimed to be useful in reducing such an ethnocentric
bias. At the same time, it is proposed that more attention
should be paid to the commodity character of intercultural
training that enforces its adaptation to the market’s demands, informed first of all by the customers’ economicallyoriented objectives. Thus, an IC instructor is sometimes
caught in a vulnerable position, between conflicting incentives resulting from his/her position as an insider of the
“weaker” society in the intercultural encounter on the one
hand, and his/her economic dependence on the fulfilment of
the customer’s expectations on the other.
In what follows proposals are made for taking the inequality
issue into account when teaching intercultural competence
for business encounters, in courses that are offered as a
component of professional training in business and commerce operating across national borders. This has two essential aspects which will be discussed in their logical order: the
cultural superiority view (which is non-linguistic), and the linguistic issue of language proficiency and language choice.
The outsourcing of production to countries offering lower
cost of labour and lower taxes leads to commercial and business ventures in which three main economic assets - capital,
technology, and knowledge - flow from highly developed
countries to weaker partners and daughter companies, creating the conditions of unequal encounters. In such encounters,
the power is with the investing party, who dictate the rules of
the game. Frequently enough, a training of intercultural
competence is offered to the employees, sometimes only in
the investor’s country/mother company. In that case, the objective is to prepare the members of the stronger partner to
successfully and efficiently communicate with the less advanced. The training is expected to inform the members of a
business unit of the cultural specificity of the Other, and an
unfamiliar set of communicative principles based on a hierarchy of societal values that differs in many respects from the
one that has been internalised and is taken for granted.
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Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters
2.
Hierarchical interpretations of cultural distance
As a rule, a course in intercultural competence for the employees of a business enterprise is meant to give them an orientation in dealing with members of a particular foreign culture. The trainer’s task is to present the range of cultural differences and provide specific knowledge about a particular
culture of the partner country, rather than share universal
deliberations and insights. The course participants seldom
bring in strong educational background in human sciences.
The evaluation of the professionalism of the coach (which
decides his/her chance of being re-hired) and the value of the
training depends largely on the degree to which the trainees
feel that the course has prepared them precisely for surprisefree communication with people from a particular partner
country. The time allocated to such trainings is very limited
and rarely exceeds three days. These factors explain why the
practical handbooks of intercultural competence and training
curricula worked out by trainers typically focus on contrasts
between particular two cultures and do not offer much space
to general explanations, which are predominant in more general and more scholarly courses found in higher education. In
academic courses, parameters of social and cultural differences identified by social psychologists and anthropologists
are dealt with extensively, and the differences between particular two cultures are analysed against the background of
this theoretical knowledge, which is viewed as the more essential aspect of learning. In non-academic business courses,
with their focus on two particular cultures and practical, operational objectives, general explanations pertaining to parameters of difference such as individualism and collectivism,
high and low social distance, monochronony and polychrony,
low and high context are offered only as pendants to the
specific knowledge about a specific partner (cf. also practical
handbooks such as e.g. Schroll-Machl 2001, 2003, SchrollMachl / Wiskoski 2003, Schmid 2002).
This has two immediate disadvantages. The first of them is
the limitation of the cognitive gain, which means that even if
the training may prepare the participants for current communicative tasks, it equips them only poorly for crossing different borders, that is, for further experience-guided learning on
their own in different constellations. Secondly, it holds an
imminent danger of misattribution whenever such trainings
49
© Interculture Journal 2011 | 14
Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters
take place in the context of inequality in economic and technological spheres. The more powerful party frequently tend
to interpret cultural difference as a source and, at the same
time, an effect of the difference in achievement – and, thus,
an indicator of the lower value of the partner’s cultural makeup.
This results in the impression on the part of the members of
the stronger partner that the future shape of the intercultural
encounter should be guided by the partner’s gradual shift
towards their own set of principles and values. Such a change
is conceived as the measure of progress prerequisite to sharing in the economic success and general social advancement.
To put it briefly, the degree of cultural difference from “me,
now” is viewed by the more powerful as a measure of inferiority. This belief encompasses several simple ideas: that cultural differences between two societies measure the level of
civilisation they achieved; that “they” are different from us
because they are not “so far” yet; and that “they” will become like “us” when they have learned enough (from “us”),
which is due to happen as an effect of the long-time interaction – which “we” are going to control.
Paradoxically, the intercultural training itself, in particular in
view of the fact that it is being offered more frequently to (a
greater number of) employees in the daughter company,
turns into one of the means of remaining in control.
A distance between two countries on a given “parameter”
(cf. Hofstede 1980, 1991) of culture is unlikely to be misconceived as a measure of the utilitarian value of each of the respective attitudes when the task focus is on ordering and systematising a heterogeneous set of countries that are similar in
one respect and different in another, and when this set includes both prosperous and economically weak countries.
The two countries on which the training focuses should be
presented as just two among many (cf. Pułaczewska 2010).
As suggested at the beginning, the misconception “they will
become like us” relies on the underlying assumption that
there exists a rather universal path to modernity; and that all
countries need to follow it on their way to technological (and
social) advancement – becoming, for example, increasingly
more monochronic, more specific, less contextual, and less
indirect than the Czechs and closer to the Germans as time
goes by and economy grows. In an attempt of uncoupling
cultural similarity (or distance) from achievement (or its lack),
© Interculture Journal 2011 | 14
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Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters
Japan comes in handy as a country very different from both
Western Europe and North America (e.g. Japan is low on directness and high on context-dependence) in matters of culture but high in the hierarchy of economic power and technological progress.
It is recommendable that the dissociation of cultural similarity
and similarity in economic achievement is introduced covertly,
without visibly pre-supposing negative attitudes to the interaction patterns of the weaker partner on the part of the
course participants. Also, an overt insistence on cultural relativism on the trainer’s part should be avoided. It can be
evaluated as pushy and biased in particular if the trainer is
perceived as a member of the weaker partner’s culture.
3.
Linguistic competence and language choice
One of the central issues in communication under conditions
of unequal enounter is the language used. Paradoxically
enough, language is typically being downplayed or ignored
by comparative social psychologists in studies of intercultural
communication and its failures. In such studies on international industrial and business communication, the linguistic
forms used in communication are viewed as a merely peripheral, surface manifestation of different norms and values; it is
the latter that are believed to cause communicative tensions
and disturbances. The fact that both parties differ in their linguistic competence, sometimes to the extent that only one
party in the encounter uses a foreign language (typically, the
daughter company, i.e. the economically weaker partner),
while the other party consists of native and near-native
speakers, is disregarded. The lack of linguistic competence is
an issue for language pedagogy, which deals with the linguistic component of intercultural communication by its very nature – both as a subject of theoretical reflection and in the
applied sense. Culturally conditioned thinking habits on the
one hand, and linguistic proficiency on the other, are kept
cleanly apart; linguistic competence is something to be dealt
with in a language course, not in courses on intercultural
competence. In the latter, when role-plays are conducted in
linguistically homogeneous groups simulating contacts with
foreign business partners, the participants’ mother tongue is
typically used even if the actual business contacts take place
in a foreign language.
While this clean division of labour between a language course
and a course on culture has some practical merits, intercultural training should deal with language insofar as the prob-
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Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters
lem of language deficiency touches upon social issues with
which language courses are not even remotely concerned:
the difference in power and its social and communicative
consequences.
The way in which a training of intercultural competence can
interact with the issue of language use is through raising the
awareness of the effects of linguistic discrepancy upon the
social aspects of the encounter. These effects can be roughly
differentiated into two interrelated factors, both rooted – to
put it briefly – in the less proficient speakers being less able to
make visible their professionalism, social skills and personality.
The first factor is the influence of foreign language skills in
the inferior party’s group upon the relationship within this
group, including intergroup power relations. An example of
how in a business setting some group members
can gain prominence alone by way of having superior foreign
language skills is given in San Antonio (1987). Also Kim and
Paulk (1994) analyse the role of language proficiency in informal group structuring and Knapp (2002) analyses the
“fading out of the non-native speaker” in communication
with native and more proficient near-native speakers in an
organisational setting.
The second, more essential issue is the contribution of the
linguistic component into the inequality of the encounter
whenever the investing party/mother company speak their
own language and the receiving party do not. Nekula (2002)
and Nekula et al. (2005) in German-Czech plants in the
Czech Republic showed that using the employer’s language
(German) affected badly the attitudes of Czech employees to
the employer and were a cause of resentments, while the socalled symmetrical adaptation with both parties using lingua
franca English produced the opposite effect. While the international dominance of English has been subject to harsh criticism as tantamount to linguicide (cf. e.g. Tsuda 1998), these
studies show that availability of English as a lingua franca also
can contribute to re-constituting unequal relationships in a
way more satisfactory to the weaker party.
The functions of intercultural training do not include influencing strategic decision-making on issues such as the choice of
language for international intra-company communication,
and consultation on this issue is not asked for in such
courses. In fact, an overt attempt to transgress the usual
frame and offer ideological indoctrination instead of staying
focused on the expected and paid-for contents (i.e., cultural
differences) might even provoke a remedial action on the part
of the senior stuff present in the course, an event that poses
a severe threat to the instructor’s professional “face”. However, the instructor who wishes to address the relation be© Interculture Journal 2011 | 14
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Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters
tween language choice and inequality, as well as suggest alternative solutions, can opt for a covert way of inducing reflection in the course participants. This can be done e.g.
through job-related role-plays conducted in a foreign language. Another possibility is to use role-plays in which the
issue of language choice is introduced as a controversial
agenda for a discussion in a simulated work meeting, with a
different task in focus – such as practicing some culturedependent negotiation strategies. Such reflection is not likely
to occur spontaneously because, for the people involved,
asymmetrical adaptation looks just common sense, given the
asymmetry in the relationship.
4.
Final remarks
While overtly stressing the power distance between two parties to a business encounter would be both “politically incorrect” and tactless, i.e. face-threatening to both sides alike,
there is little use in the coaches pretending to themselves that
communication for which they are supposed to prepare their
short-time trainees is going to take place in a power vacuum.
It would be equally mistaken to presuppose an openness to
value relativism (which few people really embrace) on the
part of the course participants. However, before methods are
developed to address the inequality issue on a pragmatic
level, i.e. in teaching intercultural competence, the current
deficit in theoretical reflection needs to get reduced. Intercultural (business) encounters and unequal ones coincide with
each other frequently, and it should not be ignored in theoretical inputs to the pedagogy of intercultural communication.
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© Interculture Journal 2011 | 14
Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters
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© Interculture Journal 2011 | 14
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
From Given CrossCultural Difference to a
New Interculture: A SinoGerman Example
[Von bestehenden Kultur-
unterschieden zu einer
neuen Interkultur: Ein
Chinesisch-Deutsches
Fallbeispiel]
Jasmin Mahadevan
Professor of International and
Cross-Cultural Management,
School of Engineering, Pforzheim
University, Germany
Dr. phil., Cultural Anthropology,
Ludwig-Maximilians-University,
Munich, Germany
Stefan Weißert
B.Eng. in International Sales and
Purchasing in Engineering, University of Applied Sciences, Kiel,
Germany
Franziska Müller
Research Assistant, Pforzheim
University, Germany
M.A. in International Information
Management, Hildesheim University, Germany
Abstract [English]
This paper shows for a specific Sino-German case how a new
interculture emerges in cross-cultural settings. It is based on
participant observation in a Sino-German company. Culture is
conceptualized as intersubjective sensemaking. Emic and etic
perspectives on culture are differentiated.
The study asked to what extent given cross-cultural difference
based on large-scale cultural constructs determine behavior
and to what extend employees in a Sino-German service
company create a new inter-culture when interacting with
each other. In our Sino-German case, employees bridged cultural difference via a new concept of ‘practicality’.
The main implication is: Cross-cultural dimensions merely describe initial cross-cultural difference, but not the nature and
the outcome of Intercultural Creation. These findings encourage interculturalists to rethink their cultural practice.
Hence, we implement a paradigmatic shift towards an intercultural understanding of emic cultural meanings instead of
focusing on cross-cultural difference based on predefined
cross-cultural dimensions.
Keywords: emic, culture, cross-culture, cross-cultural dimensions, Interculture, social identity, GLOBE
Abstract [Deutsch]
Der vorliegende Beitrag zeigt die Entstehung einer neuen
Inter-Kultur für eine konkrete deutsch-chinesische Unternehmenskooperation auf. Die Daten wurden mittels teilnehmender Beobachtung erhoben. Kultur wird in diesem Kontext
als intersubjektive Bedeutungsherstellung verstanden. Es wird
zwischen emischen und etischen Perspektiven auf Kultur
unterschieden.
Die Kernfrage bestand darin herauszufinden, inwieweit
bestehende kulturelle Unterschiede, die auf sozio- und
nationalkulturellen Dimensionen basieren, kontextualisiertes
Verhalten determinieren und inwieweit MitarbeiterInnen
eines chinesisch-deutschen Dienstleistungsunternehmens in
der Interaktion miteinander eine neue Inter-Kultur erschaffen.
In dem hier diskutierten Fall geschieht dies durch den
kollektiven Gebrauch eines Umdeutung von „Praktikabilität“
(practicality).
Der Hauptbeitrag dieser Artikels ist folgende Erkenntnis:
Kulturdimensionen beschreiben lediglich anfängliche kulturelle Unterschiede, sagen jedoch nichts aus über den von uns
identifizierten Prozess kultureller Neuschöpfung, den wir als
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
Intercultural Creation benennen. Diese Erkenntnis
Interkulturalisten Denkanstöße für die Praxis liefern.
soll
Mit unserem Beitrag verlassen wir den Fokus auf kulturvergleichende, durch Kulturdimensionen vorgegebene Unterschiede (im Englischen als cross-cultural benannt). Wir
implementieren einen paradigmatischen Wandel hin zu
einem inter-kulturellen Verständnis emischer Prozesse des
kulturellen Sinnmachens.
Stichworte: Emisch, Kultur, Interkulturell, Kulturdimensionen,
Interkultur, Soziale Identität, GLOBE
1.
Introduction
Current cultural research is conducted based on various paradigms. We will classify them into two major perspectives. We
will call them the given cross-cultural difference or Given Culture perspective and the Intercultural Creation perspective.
We intend to show how they differ with regard to the relation between culture and individual, the concept of culture,
their research paradigm and methods, and their presentation
of culture.
In contrast to mainstream comparative cross-cultural research, we conceptualize culture as a process of intersubjective sensemaking (based on Geertz 1973, e.g. Van Maanen
1998). This means: (1) Culture is a shared process of sensemaking; (2) Individuals are not the victims of given national
culture but the creators of cultural meanings; (3) borders between cultures are not static but fluid. Our argument is: As
creators of culture, individuals might overcome initial crosscultural difference through the creation of new interculture.
We call this a state of Intercultural Creation and research
upon it qualitatively.
Our research setting is a Sino-German service company, the
employees of which interact across national cultural borders.
We show that Chinese and German employees create a new
interculture when interacting with each other that goes
beyond initial cross-cultural difference. The contribution of
our study is to suggest a shift towards the management of
emergent intercultural meanings instead of focusing on management of given cross-cultural difference. Only then will intercultural practice help to bridge the national cultural divide.
Our paper is structured as follows: First, we define our research problem and question. Second, we review existing literature and show the significance of our study. Third, we introduce research setting and methods, and our means of data collection. Next, we present our findings which will be discussed afterwards. Finally, we draw conclusions.
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
2.
Theoretical background
A large bulk of cultural research compares national or societal
cultures. It is therefore called cross-cultural. Comparative
cross-cultural theory and practice of such kind is based on the
assumption that aggregated national/societal cultures differ
from each. This means: “Who I am” and how I interpret the
world is to a large extent pre-shaped and limited by external
cultural influences. In cross-cultural management literature,
this perspective has been called the contingency hypothesis
(overview in Thomas 2008). As McSweeney (2010: 933-937)
has pointed out, comparative cross-cultural studies implicitly
assume the contingency hypothesis to be correct; they are
based on the paradigm that cross-cultural difference is an
external given and that individuals are contingent upon this
cultural imprint. We name this perspective the Given Culture
perspective.
The most prominent cross-cultural studies based on the Given
Culture perspective are those by Hall (1976) and Hall and Hall
(1990), Hofstede (1980, 2003, Trompenaars and HampdenTurner (1997), and House et al. (2004). An extensive literature review of comparative cross-cultural studies can be
found in Dorfman and House (2004:51-73). This review shall
not be repeated here. The reason for this is the fact that the
specific content of these comparative cross-cultural studies
does not matter for our purpose. What matters, is their perspective on culture and the cross-cultural border. This perspective is shared. The following dimensions are well established
with regard to Sino-German cultural difference.
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
dimension
definition / source
GER
PRC
institutional
collectivism
Degree to which organizational and societal institutional practices encourage and
lower
reward collective distribution of resources
and collective action (House et al. 2004)
higher
In-group
collectivism
Degree to which individuals express pride,
loyalty, and cohesiveness in their organiza- lower
tions or families (House et al. 2004)
higher
Humane
orientation
Degree to which a collective encourages
and rewards individuals for being fair,
altruistic, generous, caring, and kind to
others (House et al. 2004)
lower
higher
Assertiveness
Degree to which individuals are assertive,
confrontational, and aggressive in their
relationship with others (House et al.
2004)
higher
lower
Degree to which communication is direct
high context and verbal vs. indirect and implicit; high
vs.
context also implies differentiation below context tween in-group and out-group (Hall and
Hall1990)
low
high
context context
specific
vs. diffuse
relationship
Personal and public sphere overlap vs.
private sphere is reserved for close friends
(Hall and Hall 1990; Trompenaars /
Hampden-Turner)
specific diffuse
neutral
vs. affective
Low vs. high degree to which emotionality
affective
is shown (Trompenaars / Hampdon-Turner neutral (if in1997)
group)
Exh. 1: Relevant cultural dimensions for Sino-German cooperation
Source: own figure, based on Hall and Hall (1990: 6-12), Trompenaars / Hampden-Turner (1997: 70, 83), House / Javidan (2004:1114), Javidan / House / Dorfman (2004:30), Brodbeck / Frese
(2007:162), Fu / Wu / Yang / Ye (2007:887)
These dimensions refer to communication (assertiveness, high
vs. low-context); the nature of relationship (specific vs. diffuse, neutral vs. affective); and the relationship dimension in
work practice (collectivism, humane orientation). Following
the Given Culture perspective, cross-cultural difference with
regard to these dimensions is to be expected in a SinoGerman setting.
On the other hand, individuals constantly ask themselves
“Who am I?”, thereby creating concepts of the self. Some
answers to the question “Who am I?” will include concepts
of the self that are derived from group membership of various kinds (see overview in Stelzl / Seligman 2009). This means
“Who I am” as a social being is constructed through sensemaking processes in interaction with others. We call this
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
perspective the Cultural Creation perspective. In contrast to
the Given Culture perspective, the Cultural Creation perspective researches upon the intra-cultural, i.e. the shared meanings that individuals create and negotiate through social interaction (e.g. Stelzl / Seligman 2009). We assume: If such a
creation of new meanings takes place between and amongst
individuals from different national or societal cultural backgrounds, it can be conceptualized as inter-cultural creation. It
results in a new inter-culture.
The cultural scope of the Given Culture perspective and the
Cultural Creation perspective differs. The Given Culture perspective mostly focuses on the nation or the society. The Cultural Creation perspective mostly focuses on small-scale cultural settings, e.g. organizations which are called cultural
fields (overview in Martin 2003).
Given Culture and Cultural Creation lead to different concepts of culture. Following the Given Culture perspective, culture and cultural borders exist “as such” and can be defined
objectively. The cultural border is given; hence, it is crosscultural. Yet, following the Cultural Creation perspective, culture is a process of collective sense-making (based on Berger /
Luckmann 1966). This means: Culture and cultural borders
cannot be defined “as such”; they do not exist objectively.
Rather, one has to differentiate between two different sensemaking perspectives, namely the inside, “emic”, perspective
and the outside, “etic”, perspective (overview in Martin
2003). Only the emic perspective will deliver the cultural
meanings that groups of people give to themselves and to
the world. The minimum of emic meaning that is needed in
order to signify a state of Cultural Creation is a shared understanding of “who we are” as opposed to “who we are not”
(based on Geertz 1973, Ricoeur 1992). In this way, individuals
enact ‘same-ness’ and ‘other-ness’ in order to position themselves in relation to each other (based on Ricoeur 1992). The
result is perceived difference between perceived groups of
self and other (Ricoeur 1992). The cultural border created is
fluid and can be bridged; hence, it is inter-cultural. In summary, the Cultural Creation perspective focuses on the hermeneutical process of creating and constructing categories of
collective self and other (Hatch / Yanov 2003). Institutions,
structure and cultural artifacts are seen as secondary to this
hermeneutical process (Hatch / Yanov 2003). Therefore, our
study does not focus upon these structural elements of culture.
Based on these different concepts of culture, cultural research
methods differ as well: If culture exists objectively, then it can
be aggregated and measured, and researched upon and interpreted independently from the researcher. Therefore, the
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
Given Culture perspective favors quantitative methods that
compare large-scale cultures. Yet, if culture is an intersubjective process that is based on perspective, then it can
only be approximated through deep interpretation (based on
Geertz 1973) of emic sensemaking. Therefore, the Cultural
Creation perspective requires deductive qualitative research of
small-scale cultural fields (for details see Martin 2003 and
McSweeney 2010). During research, the researcher herself/himself becomes part of emic sense-making and is therefore an integral part of data collection and interpretation (e.g.
Czarniawska 2008).
Throughout our article, we will use the word “culture” as
consistent with the Cultural Creation paradigm. We define it
as a process of making and remaking collective sense under
changing boundary conditions, the goal of which is to provide a sense of collective belonging (own definition based on
Geertz 1973). Following the thought that the border of the
collective self is not pre-defined, we will use the term “culture” and “social / collective identity” interchangeably. We
will call the organizational setting a “cultural field” and refer
to members of this setting as “cultural actors” or simply
“actors”. We name their ability to create culture “cultural
agency” (for agency see Martin 2003).
The previous lines have briefly sketched the difference between Given Culture and Cultural Creation. It is summarized
in the following table:
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
Given Culture
Cultural Creation
theoretical
paradigm
objectivist reality
reality is constructed socially
main
assumption
individuals are victims
of their cultural imprint
individuals are agents and
creators of culture
scope of
culture
large-scale
(nation or society)
small-scale: social or collective
identity in a specific cultural field
layers of
culture
single culture
multiple cultures
perspective
not considered
emic vs. etic cultural meanings
cultural
difference
exists “as such”
is created
cultural border given: cross-cultural
blurred or fluid: inter-cultural
research
method
quantitative / comparative
qualitative / deductive
cultural data
exists “as such”
created inter-subjectively through
researcher-field relationship
intended
results
aggregated relative
difference between
nations or societies
deep interpretation of emic
sense-making in single fields
Exh. 2: Conceptual differences between Given Culture and Cultural Creation
As exhibit 2 shows, each cultural perspective influences how
culture is conceptualized, researched upon and interpreted.
When trying to integrate both perspectives, the main problem lies in conceptualizing to what extent individuals are free
creators of culture and to what extent external national cultural difference limits their sense-making possibilities.
We propose that this problem can be best researched upon
at a given and perceived cultural border. We do so because
we assume that it will be at the cultural border where the
cross-cultural and the cultural in-between (which we call inter-cultural) meet, and where the construction and negotiation of collective self and other takes place. We hypothesize
the following: If cross-cultural difference remains and is perceived as such, then cultural actors are indeed limited by the
given cross-cultural border. If the cultural border is bridged
through the creation of new emic concepts of the collective
self, then intercultural actors indeed shape new cultural
meanings. We call this process Intercultural Creation. With
the word “intercultural” we intend to stress the potential
emergence of new integrative meanings beyond initial crosscultural difference. The result will be a new interculture.
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
So far, the term ”intercultural´” has mainly been used as an
adjective in English language studies on culture. It is almost
exclusively used to describe bi-cultural individuals’ specific
cultural imprint or competencies; sometimes, it also refers to
a perceived need to go beyond comparative (cross-) cultural
training that acknowledges the emergence of hybrid, so
called “third”, cultures (see Szkudlarek 2009). We use “interculture” as a noun and in its etymological origin as an ”inbetween” culture as conceptualized from a Cultural Creation
perspective. Thereby, we give it a new meaning which is
linked to the idea of “third” cultures.
The major methodological issue when researching upon Cultural Creation is the extent to which emic cultural meaning is
shared by cultural actors (overview in Hatch / Yanov 2003).
For Cultural Creation it is both, homogenous / unifying and
heterogenous / dispersing, resulting in shared and contested
cultural meanings. Some cultural meanings will be more homogenous than others.
For the state of Intercultural Creation as defined previously,
we assume the same, namely that some aspects of a new interculture are homogeneous and unifying, others are heterogeneous and dispersing. Following the anthropological paradigm that culture gives a group of people perceived collective
identity as opposed to another group of people, we furthermore assume that the minimum of unification that is needed
for a shared culture / collective identity is a shared understanding “who we are” and “who we are not” in a specific
context. We next assume that this meaning needs to be exchanged intersubjectively through symbolic language or symbolic interaction (Jones 1996). Otherwise, these categorizations of collective self and other could not be meaningful
categories for making collective sense out of social reality
(Jones 1996). Therefore, we hypothesize that a similar symbolism must exist for the case of Intercultural Creation.
Hence, we intend to look for cultural symbols that signify
those “who used to be part of the collective other but are
now part of the collective self” and those “who used to be
part of the collective other and still are”. When looking for
these symbols, we focus on the shared, homogenous and
unifying part of cultural meaning. Therefore, we do not mean
to say that there is no cultural variance within the field: We
simply do not focus on this variance in this paper.
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62
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
3.
3.1
Field and field methods
Details to the field
We studied culture in a field in which assumed given etic national cultural difference and emic Cultural Creation at the
border between collective self and other met. Our field was a
Sino-German service company that provides consulting and
support to German small and medium-sized enterprises
(SMEs) from technical industries which intend to enter the
Chinese market or have already done so. For this purpose,
Chinese employees at a site in the PRC and German employees at the German headquarters constantly work together across national cultural borders.
These conditions made the research setting ideal for our purposes due to three reasons: Firstly, the service industry requires frequent external interactions with external clients,
partners, and suppliers across organizational and national cultural borders. This demands for collective identity work by
those acting at and across these borders (Swann / Russell /
Bosson 2009), involving national cultural dimensions. Secondly, the organization itself spans different national and societal
cultures, having sites in both the P.R. China and in Germany.
Therefore, we can investigate into potential emic intercultures that bridge assumed etic national/societal cultural
differences.
China Service Ltd. was founded in 1996 with 31 employees
during the time of research. It provides consulting and support to German small and medium-sized enterprises (SMEs)
from technical industries which intended to enter the Chinese
market. The company also manages and administers customer and supplier relationships for clients who have already entered the market. Furthermore, it conducts market research
and quality control, and searches for potential Chinese partners on behalf of its corporate clients. For customer service,
German employees at the German headquarters and Chinese
employees in an office in the People’s Republic of China
(PRC) cooperate and interact across national borders. Chinese
employees in the PRC are assigned to German corporate
clients, sometimes exclusively, and act on behalf of the client
while still being employed by China Service Ltd. Yet, with
Chinese partners, suppliers, and customers, and with governmental institutions, they present themselves as representatives of the clients.
During the time of research in 2009, 15 of such employees
worked at the Chinese office, all of them being ethnic Chi-
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
nese. They represented 46 German SMEs. Employees at both
sites were between 30 and 46 years old; managers being
slightly older. About one quarter of staff was female; the percentage was lower among management at both sites.
Taking care of German clients on the Chinese market demanded frequent and regular communications between Chinese and German employees. Most of the time, management
did not interfere into project-based communications. The
main channels used were e-mail and telephone. Even though
most Chinese employees had visited German headquarters at
least once, none of them had worked in Germany for longer
than one month at a time. All of them spoke German and/or
English fluently through previous university education. Language abilities were a major criterion for recruitment.
One of the authors entered this field in the role of an intern
who was to assist staff in purchasing and sales of engineering
goods, in quality control and in negotiations. As the researcher has an academic background in international industrial engineering with a focus on sales and purchasing, this
role was welcomed by the field. The interactions observed
and the conversations held depended on the researcher role:
As in every holistic participant observation that intends to deduct emic meanings, the researcher did not steer interaction
but took in those interactions that happened to him (Bate
1997, Martin 2003, Van Maanen 2006). In this way, the researcher is guided through the field by cultural actors themselves. Basically, the researcher reflects upon what happens
to her/him, while acting in a certain role in the field.
The researcher is a native German who is fluent in the English
language, yet does not speak Mandarin Chinese. It was the
researcher’s first visit to China and his first work-experience
outside Germany. This condition made him experience significant cultural difference in the beginning which he later categorized as a higher humane orientation and collectivism, a
higher degree of relationship, and less assertiveness when
compared to the German cultural norm (based on House /
Javidan 2004). Furthermore, he experienced relationships to
be more diffuse and affective, and context-orientation to be
higher (see exhibit 2). This experience made him aware of his
own cultural imprint (Bennett 1986) and encouraged Chinese
employees to ‘teach’ cultural practice to him. This proved to
be a major means of access for uncovering what was considered to be ‘normal’ work-practice and behavior in this specific field.
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
3.2
Data collection and interpretation
Data was gathered through a four-month period of full-time
participant observation that was conducted by one of the authors at China Service Ltd. between February and June 2009.
The initial two weeks were spent at the German headquarters; three and a half months were spent at the China operations, including visits to partners, suppliers and customers.
While in the field, the researcher put observations, accounts
of conversations, his daily-routines and reflections upon himself and the field into a field-diary. Entries were made either
directly after a social interaction or every evening at the latest. Every week, the researcher re-read, re-interpreted and recategorized his entries, thereby densifying his interpretation.
Next, interpretations were correlated and triangulated with
internal field data and external comparative cultural constructs and further literature.
Throughout the research process, the researcher exchanged
his interpretations with actors in the field, either verbally or
through social interaction. This process is called “mirroring”
(Marcus 1998) and intends to make sure that research interpretations are inter-subjectively meaningful from an emic
perspective. Though this process, cultural patterns were identified. Exhibit 3 provides an overview of the data collection
methods employed:
data collection technique
participant observation
German headquarters Chinese operations
2 weeks
3 ½ months
No
No
informal interviews
5
37
meeting attendance
4
15
informal interaction in the field
Yes / high
Yes / high
social activity beyond the field
Yes / low
Yes / high
documents, websites, reports
Yes
Yes
2 weeks
3 ½ months
formal interviews
total duration of research
Exh. 3: Data collection and interpretation techniques
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
3.3
Interpretative process
As has been stated, the Cultural Creation assumes that actors
construct culture and identity through discourse and embodied action, thereby creating intersubjective emic meanings. This process can only be deduced qualitatively (Bate
1997, Van Maanen 2006).
As we assumed the potential creation of a new inter-culture
to be a highly contextualized process that might be embodied, emotional, tacit or otherwise non-verbal and prereflexive, we chose participant observation as our main tool
of research. We employed it over four months, both at the
German and at the PRC site of China Service Ltd. (for multisited participant observation see Hine 2007).
Participant observation makes the researcher the main tool of
research (Van Maanen 2006). As common in qualitative research, we approached the field holistically and deducted research questions from the field.
In an interactive process of sensemaking with the field, the
researcher observes, experiences, learns, enacts, and voices
emic meanings herself/himself, thereby uncovering categories
of what is considered ‘normal’ and ‘not normal’ in the field
(Van Maanen 2006). For doing so, participant observation
provides two options: Either the researcher learns and applies
accepted behavior and discourses to the field, or she/he consciously violates accepted behavior and discourses, thereby
locating the boundary of the cultural norm (Marcus 1998,
Van Maanen 2006). Through this process, cultural norms and
“patterns” (Geertz 1973) become visible.
In the case of virtual cross-site interaction which takes place
virtually, the researcher is limited by the fact that such communication cannot be observed directly (Hine 2007). In this
case, the researcher has to largely rely on the verbal sense
that cultural actors make of their doings through symbolic
language.
Critical voices have argued that participant observation results
in an “invention” of the field by the researcher (Bate 1997)
mainly due to two arguments. Firstly, it has been argued that
cultural meaning in the field itself is subjective. However, cultural actors are never free in constructing their own meaning
of the world (based on Berger / Luckmann 1966, overview in
Hatch / Yanov 2003). Rather, their scope of interpretation is
limited by context, social norms, power relations, and many
more influencing factors (Hatch / Yanov 2003). These boundary conditions will result in inter-subjective meaning which
can be learned as cultural patterns, norms and rules by the
participant observer (based on Geertz 1973). Secondly, it has
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
been argued that the researcher is subjective herself/himself.
And indeed, participant observation can never deliver findings
beyond the researcher’s own limitations. The task for the researcher is to make her/his findings inter-subjective through
conscious interaction with and reflection upon the field (Marcus 1998, Van Maanen 2006).
Hence, we argue that participant observation has to meet
processual criteria of excellence to be sure of the meaning it
produces and to possess rigor. We define them as oscillation
and densification (Mahadevan 2011b). With oscillation, we
mean the researcher’s constant self-reflexive and systematic
re-positioning between insider and outsider perspective, between participation and observation, and between inner and
outer view. With densification, we mean the systematic circular process of (1) data collection, (2) data interpretation, (3)
identification of cultural patterns, (4) application or conscious
violation of cultural patterns by the researcher, (5) interpretation of field-researcher interaction, which is used for new data generation and leads back to (1).
Through oscillation and densification, internal validity in the
sense of intersubjectivity and processual rigor will be guaranteed. The participative researcher can also employ oscillation
and densification when observing virtual interaction, namely
by telling the same stories and employing the same narrative
patterns in the same contexts or by consciously doing otherwise, thereby violating cultural norms.
In retrospect, the research question with regard to this paper
was to find out whether employees in a Sino-German service
company, named China Service Ltd., create a new interculture when interacting with each other.
4.
Elements of a new interculture: the integrative concept of practicality
Holistic participant observation deduces cultural patterns
from the field through oscillation and densification. In this
way, data is generated and interpreted in a circular process. It
was not our purpose to analyze the field diary and lived researcher-field interaction on the level of linguistic discourse.
Rather, the aim was to identify cultural patterns as
represented through communication that signify unifying
elements of a potential new inter-culture that bridges assumed given national cultural difference. For doing so, we
looked for key dichotomies in the field diary that might signify constructs of collective self and collective other. We did so
during research; the researcher mirrored our interpretations
back to the field.
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
Early in this process, we discovered a frequent use of the
words “practical person” vs. “impractical person” in the English language and “praktischer Mensch” vs. “unpraktischer
Mensch” in the German language when Chinese employees
spoke about their German counterparts. This dichotomy
turned out to be the characterization of German counterparts
by Chinese employees that was verbalized towards the researcher the most frequently. We therefore conceptualized it
as a verbal expression that signifies broader cultural meaning
beyond its immediate wording. As we have stated, any culture / collective identity needs to have a shared understanding of “who we are” as opposed to “who we are not”, i.e. a
minimum of unified cultural meaning. Therefore, we assume
that the categories of collective self and collective other in a
cultural field are rather homogenous and unified throughout
the field. Yet, we only make this claim for this cultural element. We do not assume that all cultural meanings in the
field are equally unified.
With regard to the key dichotomy of “practical vs. impractical
person”, we will present five examples that are typical in certain aspects; we classify them as quote types 1-5.
Quote 1: “I am a huge fan of Peter! Since he has been with the company,
everything has been working out just fine. He is a practical person.”
(Chinese employee, male, aged 34, describing a German employee)
Quote 2: “I have daily telephone conversations with Klaus, funny person.
He is always joking. We work together well. We always help each
other when working together. (…) Klaus owns a beautiful house.
Last time, I was at his home. He always buys computer games for
his children here in China. When I was at his home, we played
games together. He is a very practical person.”
(Chinese employee, male, 36, describing a ‘practical’ German colleague)
Quote 3: “The visit to company X was very nice. During my last visit, we
drank a lot of beer. I can show a picture to you! The boss will
come back to China as well; he is going to attend a trade fair in
May. (…) He is a very practical person.”
(Chinese employee, male 32, describing the visit to a client in
Germany)
Quote 4: “Next, you have to send [this template, the authors] back to Germany, and they will clean it up a little bit, and then I can continue
working on it (…). You know, [my German counterpart, the authors] is a very practical person.”
(Chinese employee, telling the researcher what to do with a certain template)
Quote 5: “I don’t know exactly what their [the German client’s, the authors] intentions are, but I filled in this list [of potential partners,
the authors] for them. I also don’t know them [the German client,
the authors]. He [the German client’s representative, the author]
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has never been to China. Why not just go to a trade fair together
and have it done? This would be practical. Still, I have to do something; he is the client, after all. (…) But this is very difficult, if the
client is such an impractical person.”
(Chinese employee commenting on a German client’s request to
acquire new partners via telephone)
Based on these quote types, we identified key characteristics
of how to identify whether someone is a ”practical” and
”impractical person” to work with. We classified these cultural meanings into major categories as defined by cultural
dimensions, namely work-practice, relationship and communication. They are summarized in exhibit 4 below:
category
Practical Person (quotes 1-4)
Impractical Person
(quote 5)
things work out well (quote 1)
working together well (quote 2)
relationship
dimension in
work practice
helping each other (quote 2)
cleaning up work (quote 4)
Making me feel that
“I don’t know what
they want”
working interdependently (quote 4)
going to trade fair together
(quotes 3 and 5)
Making me “a huge fan of...”
(quote 1)
Is always joking (quote 2)
nature of relationship
I have visited them (quotes 2 and3)
Making me feel that
“I don’t know
them”
Inviting me to his home (quote 2)
Coming to China (quote 5)
communication Daily phone conversations (quote 2) Lack thereof
Exh. 4: Cultural meanings of a ‘practical’ and ‘impractical’ person
The researcher mirrored them back to the field in informal
interaction and through norm-oriented or norm-violating behavior. Based on this process, we summarized practical work
practice as interdependent; a practical relationship as emotional, affective and close; and practical communication as
frequent interactions. We interpreted impractical work practice as cooperation lacking interdependency, relationship, affectivity, and interaction (based on exhibit 2).
These characteristics will be analyzed with regard to their significance for Intercultural Creation in the following section.
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5.
5.1
Interpretation and discussion of findings
The Given Culture interpretation
Following GLOBE, the Chinese cultural norm compared to
Germany is characterized by a much higher tendency towards
collectivism and humane orientation, and by much lower assertiveness. These assumptions are associated with highcontext orientation (exhibit 2).
Indeed, German employees are referred to with personal detail (quote 2). Having been welcomed into a colleague’s
home or having met a client in an informal setting is highly
valued (quotes 2 and 3). A lack of personal relationship is said
to impact work outcome (quote 5). This could signify higher
humane orientation (GLOBE) and a higher orientation towards affective and diffuse relationship (exhibit 2). The deduction of a more affective relationship is supported by
another employee’s statement who concedes to being “a
huge fan of” a German employee (quote 1).
In summary, quotes 1-3 link a ”practical person” to descriptions of good relationship and being in a type of personal
contact which also involves emotions. Quote 4, however,
links ”practicality” to interdependency and a helping each
other out. One could interpret all these aspects with the help
of specifically Chinese cultural standards. In contrast to comparative cross-cultural dimensions that describe relative difference between societal/national cultures, cultural standards
describe norms within societal/national cultures from the Given Culture perspective. For greater China, harmonious interpersonal relationships governed by guanxi (interpersonal relations), human-centred obligations and reciprocity have been
identified (Warner 2010). Quotes 1-4 might signify these
standards; quote 5 might signify the lack thereof.
In summary, the German cultural norm in relation to the Chinese cultural norm is characterized by a much lower tendency
towards collectivism and humane orientation and by much
higher assertiveness. These dimensions are associated with
low-context and task-oriented communication at work (based
on Hall and Hall 1990) and with specific and sober relationships (based on Trompenaars / Hampdon-Turner 1997). The
term ”practicality” fits these norms. Therefore, it could signify
specifically Chinese cultural dimensions and standards.
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
5.2
The Cultural Creation interpretation
From a Cultural Creation perspective, however, one has to
ask why the specific term “practical person” emerged in this
cross-cultural field to signify a person who belongs to the collective we from Chinese perspective. If the concept were to
denote specifically Chinese concepts, why not call it guanxi
(relationship) or renqing (human-centered obligations)?
When only the immediate (denotative) meaning is considered, “practicality” does seem to denote a neutral and sober relationship and a high task-orientation. If this be the
symbolic meaning of this expression, then a ”practical person” would be an indicator of German cultural norms.
Yet, as has been said, the broader (connotative) narrative explanations to ”practicality” as visible through the given
quotes also signify a combination of good personal relationship and interdependency (quote 1-4). Therefore, a ”practical
person” might represent the Chinese cultural norms of high
humane orientation, high in-group collectivism and low assertiveness (GLOBE), diffuse relationship (Hall 1976, Trompenaars / Hampden-Turner 1997), affectivity (Trompenaars /
Hampden-Turner 1997), and harmonious interpersonal relationships (Warner 2010).
This combination between immediate wording and broader
meaning makes the term “practicality” an ideal term to
bridge given national cultural difference. In summary, the
broader meaning of a ”practical person” and their behavior
reflects Chinese cultural norms, whereas the immediate
wording of ”practicality” reflects German cultural norms. Due
to this ambiguity, this expression ‘makes sense’ from both a
Chinese and German perspective. Therefore, it has the power
to transport inter-cultural meaning and can therefore symbolize a new interculture.
The German counterparts’ strategy to invite Chinese business
partners and colleagues into their own private sphere can be
interpreted as a first appropriation of the Chinese cultural
norm. The use of the term ”practicality” by Chinese employees could be interpreted in the same way. Following
Bennett (1986), this signifies intercultural learning through
adaptation and integration. Following our previous definition,
this signifies a state of Intercultural Creation.
”Practicality” could also be conceptualized as a cultural
“ante-narrative” (Boje 2008). According to Boje, antenarratives are not yet finite processes of verbal sense-making
that integrate previously unrelated cultural elements. The inherent ambiguity of ”practicality´” can be interpreted along
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these lines: It serves to integrate previously unrelated cultural
concepts.
In the future, the inherent contradiction between the broader
(connotative) and immediate (denotative) meaning of ”practicality” might either remain an asset or might lead to interpretative conflict. In any case, the key dichotomy of ”practical” vs. ”impractical person” indicates an emergent process of
Intercultural Creation and might preclude a shift in collective
identity. It does not yet signify a finite interculture.
5.3
Implications
For interculturalists, the Intercultural Creation perspective has
three consequences for their practice: (1) be aware that cultural meaning cannot be prescribed; (2) acknowledge that
intended etic sense-giving can be interpreted in many ways;
(3) constantly aim to uncover emic categories of collective self
and other. The first two require a shift in cultural paradigm.
The third aspect requires interpretative action. We suggest
the following approach for uncovering emic meanings in
small intercultural fields:
(1) First try to identify symbols that might signify Intercultural
Creation. In our study, a new dichotomy of collective self and
other beyond German versus Chinese was indicated by the
verbal expressions of ”practical person” and ”impractical person”.
(2) Investigate into the meanings that are given to these new
categories and classify them into (a) given difference based
on initial cross-cultural dimensions and cultural standards and
(b) into new emic meanings.
(3) Assess whether these new meanings have the power of
bridging given cross-cultural difference. If so, design and implement a strategy and action that strengthens the unifying
elements of Intercultural Creation, e.g. through reflexivity in
work-practice and joint team-development activities.
(4) Investigate into the emic sense that is made out of your
action. Revise strategy and action, if necessary.
5.4
Limitations
Two limiting issues have to be reflected upon in order to
judge quality and nature of access and of researcher-field relationship, namely language and power.
Firstly, the researcher did not speak Chinese. Therefore, he
was limited to German and English language conversations.
Due to his background, he was categorized as German by
actors in the field. Therefore, he was not the right person to
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
uncover emic intra-cultural elements of Chinese culture. Yet,
we were interested in how the given Sino-German border is
bridged through inter-cultural strategies. In our research setting, this had to be done in either German or English as no
German employee spoke Chinese. Towards a German researcher, Chinese employees would most likely use the same
bridging strategies they would use with any other German
employee. Therefore, for the purpose of our research, we
considered this researcher’s cultural identity more an asset
than a liability.
Secondly, the researcher was most likely categorized as representative of German headquarters by Chinese employees.
German headquarters is dominant towards them, as it prescribes corporate language and establishes contact to the
client. Combined with the fact that the researcher did not
speak Chinese, this made it very unlikely for him to gain
access to patterns of resistance towards German headquarters. Therefore, we could only focus on the unifying elements
of a potential inter-culture and not on potential dispersing
resistance towards German headquarters. The fact that we
did not include potential issues of power and resistance is
solely due to the stated limitations of our access and not due
to our neglect of unequal power relations in modern business. In fact, we advocate that more cultural research be
conducted from this perspective and have done so in other
cases (Mahadevan 2011a).
To summarize the limitations of our study: Due to the language barrier, we could not deliver insights on intra-cultural
emic meanings at the Chinese site. Due to specific power relations, we could not focus upon the dispersing elements and
the heterogeneity of emic cultures.
With regard to the research problem, these limitations mean:
We could find proof for the existence of unifying elements of
emic interculture, yet, we could not counterweigh it with uncovering dispersing elements under the condition of asymmetric power relations.
6.
Conclusion
Our study contributed to intercultural research and practice
by providing an example of how cultural actors in a crosscultural field create new emic meanings beyond given national cultural dimensions. We have called this state Intercultural Creation and have researched upon it qualitatively.
It was not our argument that the state of Intercultural Creation implies that given cross-cultural difference as defined by
cultural dimensions does not exist initially in a cross-cultural
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Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A SinoGerman Example
field. For the researcher as a new arrival to the field, crosscultural dimensions helped to conceptualize own experiences
of cross-cultural difference. Rather, it is our argument that
cross-cultural dimensions and large-scale cultural standards
are too simplified and deterministic in order to explain which
emic sense intercultural actors will make out of initial difference. Furthermore, cross-cultural dimensions cannot foresee
to which degree cultural actors have the cultural agency to
bridge them through Intercultural Creation.
We argued that such processes of Intercultural Creation can
be identified through symbolic meanings that integrate previous difference of collective self and collective other. In our
study, the symbol that integrated previously unrelated cultural meanings was the verbal construct of a “practical person”.
We have uncovered difference between the immediate wording and the broader meaning of ”practical person”: Whereas
the immediate wording seems to indicate German cultural
norms, the broader cultural narrative seems to signify Chinese
cultural norms. Through this ambiguity, given cultural difference is linked.
Due to the qualitative nature of our study, our generalizable
contribution is the perspective and not the actual findings. To
increase practitioners’ and researchers’ understanding of intercultures in various fields, further qualitative and explorative
longitudinal research has to be conducted in different organizational settings. Special attention should be given to emergent processes of interculture and not to finite and given
cross-cultures. As our study has shown, the latter are merely
the initial conditions of emic sensemaking but by no means
its outcome. Hence, we propose a paradigmatic shift towards
an integrative intercultural management of emic cultural
meanings instead of focusing on comparative cross-cultural
management based on predefined cross-cultural dimensions.
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Trompenaars, F. / Hampden-Turner, C. (1997): Riding the Waves of Culture.
Understanding Cultural Diversity in Global Business. London: Nicholas Brealey.
Van Maanen, J. (1998): Qualitative Studies of Organizations. Thousand
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Warner, M. (2010): In search of Confucian HRM. Theory and practice in
Greater China and beyond. International Journal of Human Resource Management 21(12), pp. 2053-2078.
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Jammal: Eros-Face
Eros-Face
[Eros-Face]
Elias Jammal
Professor für interkulturelle Studien an der Hochschule Heilbronn
seit 1998, Leiter des Orient Institut für Interkulturelle Studien
(OIS)
Abstract [Englisch]
This paper introduces face concepts in the Arab context for
which the notion Eros face has been given. Literature on face
did not consider the Eros face so far. Two types of Eros face
are discussed: The individual and the collective Eros face.
Keywords: Face, collective face, Arab, gender
Abstract [Deutsch]
In diesem Papier werden Face-Konzepte im arabischen Kontext vorgestellt, die mit der Bezeichnung Eros-Face belegt
werden. Dieses wurde bislang in der Face-Literatur nicht berücksichtigt. Es werden zwei Typen des Eros-Face diskutiert:
Das individuelle und das kollektivistische Eros-Face.
Stichworte: Face, kollektives Face, arabisch, Gender
1.
Einleitung
Konzepte von Face sind in den letzten Jahren intensiv in asiatischer Perspektive beleuchtet worden (für einen Überblick
siehe Ting-Toomey 2005 sowie Henze 2008). Abgesehen von
populären Ratgebern (vgl. z.B. Al-Sabt 1996) ist die arabische
Perspektive auf Face bislang kaum erläutert worden. Die Frage nach Face-Konzepten im Arabischen ist in der Forschungsliteratur nicht zu finden.
Vorliegender Beitrag widmet sich in einer ersten Annäherung
dieser Thematik. Detaillierte Analysen und eine empirische
Fundierung stehen noch aus.
Die Leitfragen des Beitrags lauten: Gibt es Face-Begriffe und
-konzepte im Arabischen? Wenn ja: Welche sind es und zu
welchen Ergebnissen führt der Vergleich dieser mit den bekannten Begriffen und Konzepten von Face, die vornehmlich
in Auseinandersetzung mit chinesisch geprägten Kulturräumen entwickelt wurden?
2.
Was ist Face?
Nach Goffman ist Face eine Maske, die je nach Audienz und
der sozialen Interaktionssituation variiert (Goffman 1955 und
1971). Das Image einer Person ist eine Anleihe von der Gesellschaft (Goffman 1971:15) und Goffman versteht Image
„[…] als de[n] positive[n] soziale[n] Wert […], den man für
sich durch die Verhaltensstrategie erwirbt, von der die anderen annehmen, man verfolge sie in einer bestimmten Interaktion“ (Goffman 1971:10).
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Jammal: Eros-Face
Die Politeness-Ansätze des Linguisten Lakoff (1973) sowie
von Brown und Levinson (1978) fokussieren die Bemühungen, Face in Anbetracht von „face threats“ aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen. Mills schreibt: „Politeness is the
expression of the speakers’ intention to mitigate face threats
carried by certain face threatening acts toward another”
(Mills 2003:6, vgl. auch Watts 2005).
In einer verbreiteten Definition bezeichnet Face „the negotiated public image, mutually granted each other by participants in a communicative act” (Henze 2011:81ff.). Entscheidend an dieser Erläuterung ist, dass Face in kommunikativen
Akten zum Tragen kommt. Ting-Toomey und Kurogi (1998)
unterstreichen diesen Aspekt und weisen sowohl auf die Beziehungs- und Netzwerkeaspekte hin, die für die kommunikativen Akte konstitutiv sind, als auch auf die Identitätsbildung:
Face ist
“[…] an individual’s claimed sense of favorable social self-image in a relational and network context. Facework is defined as clusters of communicative behaviors that are used to enact self-face and to uphold, challenge/threaten, or support the other person’s face. Face is a cluster of identity - and relational-based issues that simmers and surfaces before, during
and after the conflict process. Face is associated with respect, honor, status, reputation, credibility, competence, family/network connection, loyalty,
trust, relational indebtedness and obligation issues.” (Ting-Toomey / Kurogi
1998:190)
Im Folgenden belege ich dieses Verständnis, das von einem
konstruierten Image als variable Maske ausgeht, die in Beziehungen und Netzwerken verhandelt wird, mit dem Begriff
allgemeines Face und deute im Vergleich zu chinesischen
Face-Konzepten an, dass zwar ein Pendant dafür in arabischer Perspektive zu finden ist, genannt „waģh“. Jedoch wird
darüber hinaus angenommen, dass ein Gender-spezifisches
Face-Konzept im Arabischen existiert, für das ich zur Abgrenzung den Namen „Eros-Face“1 gewählt habe.
3.
Allgemeines Face: Mianzi und Lian
In seiner detaillierten Analyse chinesischer Perspektiven auf
Face geht Henze (2011) folgerichtig auf die Kommunikation
ein und erläutert die vier Modi bzw. Prinzipien situationsbezogener Kommunikation: Der Modus der impliziten
Kommunikation (hanxu), das Prinzip der „auf (Zu)Hören“
zentrierten Kommunikation (tinghua), das Prinzip der an Höflichkeit ausgerichteten Kommunikation (keqi), die auf die
Vermeidung von Disharmonie (oder anders ausgedrückt: die
Sicherung von Harmonie) im Kommunikationsakt abzielt, und
die prinzipielle Unterscheidung bzw. den Modus der insider
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Jammal: Eros-Face
versus outsider Kommunikation (zijiren versus wairen) (Henze
2011, Gao / Ting-Toomey 1998:37ff.).
Unterschieden wird im Chinesischen zwischen zwei FaceKonzepten: Mianzi und Lian (King 2010): Mianzi benötigt „a
social context whereas lian [is] an inherent aspect of a
person's existence and may not have a social context” (King
2010:37). King führt weiter aus, dass Lian „an all or nothing
element” ist, während mianzi „can wax and wane as events
unfold”. Mithin ist lian „more important and infinitely more
precious than mianzi“ (King 2010:37). Gao schlägt zur weiteren Differenzierung zwischen den beiden Konzepten vor,
Mianzi als „interactive face“ und Lian als „evaluative face“ zu
bezeichnen (King 2010:38). King erläutert diesen Vorschlag
wie folgt: „Gao defined evaluative face as a social evaluation
that includes both cognition and emotion but either existed
or did not exist and was not available for exchange for social
resources“. Interactive face hingegen „involves cognition and
behavior and could be changed into a social resource thus
inductively equating to mianzi“ (King 2010:38).
Sowohl die oben angegebenen Erläuterungen und Differenzierungen von Face als auch die vier Kommunikationsmodi
bzw. -prinzipien lassen sich in arabisch-islamisch geprägten
2
Kulturräumen finden - auch wenn die Modi zwischen den
unterschiedlichen Kollektiven stark variieren können (vgl.
Feghali 1997). So weicht z.B. die Kommunikation zwischen
Managern moderner Unternehmen von der zwischen den
Mitarbeitern und dem Firmeninhaber in traditionellen Kleinund Kleinstbetrieben merklich ab (Jammal 2007).
Lässt man dies außer Acht, so kann das arabische Pendant
zum Mianzi-Face in dem Konzept „waģh“ gesehen werden
(Wehr 1977, Rosen 1984). „Waģh“ bedeutet so viel wie allgemeines Gesicht und auch Fassade. Das Gesicht von jeman3
dem in Verruf zu bringen, heißt, „sein Gesicht schwärzen“ ,
das Gesicht eines anderen verbessern, heißt „Gesicht weißeln“. Es gilt ebenfalls für das arabische „waģh“, dass es in
kommunikativen Akten konstruiert, bewahrt, „geschwärzt“,
„geweißelt“ bzw. wiederhergestellt und im Extremfall ruiniert
werden kann. Zentral für die Aufrechterhaltung eines positiven Gesichts ist die Würde, arabisch „karãma“ (‫)ڪراهه‬.
Auch wenn es hier im Einzelnen nicht gezeigt werden kann,
ist davon auszugehen, dass dieses Face-Konzept im Arabischen zu finden ist (das öffentliche Bild ist konstruiert, es ist
eine variable Maske, die in Beziehungen und Netzwerken
verhandelt wird).
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Jammal: Eros-Face
4.
Das Eros-Face und seine zwei Begriffsvarianten
4
Im Arabischen gibt es ein weiteres Face-Konzept: Das ErosFace. Es wird mit drei Begriffen umrissen5: „ãr“ (‫)عا ر‬, „ird“
(‫ )عرض‬und „´aib“ (Wehr 1997). Letzterer wird an späterer
Stelle erläutert.
Der erste Begriff „ãr“ meint Schmach, Schande oder Unehre
und verweist auf die Notwendigkeit von Ehre und Würde.
„Ird“ hingegen ist guter Ruf. Der Begriff wird in zweifacher
Hinsicht verwendet. Erstens bezeichnet er die Ehre und Würde eines Menschen (Eros-Face eines Individuums). In dieser
Verwendung beruht der gute Ruf bei einem Mann in vielen
Fällen auf verbreiteten Männlichkeitsvorstellungen. Der Begriff des guten Rufs (Eros-Face) kann somit in dieser Begriffsverwendung nicht nur, sondern auch mit Intimität zu tun haben. Die diesem Begriff zugrundeliegenden sozialen Konstruktionen von Männlichkeit sind historisch wandelbar und
in unterschiedlichen Varianten nicht nur in arabisch-islamisch
geprägten Kollektiven zu finden (vgl. z.B. Bosse / King 2000,
Meuser 1998). Wichtig für die weitere Differenzierung des
Begriffs des guten Rufs im Arabischen ist, dass das Eros-Face
in dieser Verwendung individuell ist. Das heißt: Der Begriff
verweist nicht auf bestimmte Frauen und Kollektive6, sondern
lediglich auf ein anonymes Kollektiv.
Lässt man den Gender-Aspekt bzw. den Intimitätsaspekt außer Acht, so stellt „ird“ in der angegebenen Begriffsverwendung ein Pendant zum chinesischen Lian dar. „Individualistisch“ meint bei beiden Konzepten, dass der Bezug zu einem
anonymen und nicht zu einem bestimmten Kollektiv besteht,
das Werte wie Würde und Respekt definiert.
Der Begriff ist im Übrigen in dieser individualistischen Verwendung auch auf Frauen anwendbar. Ihm liegen historisch
gewachsene soziale Konstruktionen von Frauen zugrunde.
Die zweite Begriffsverwendung ist spezifisch kollektivistisch,
in hohem Maße Gender-„biased“ und sie bezieht sich ausschließlich auf Intimität. Der Begriff „Ird“ meint in dieser
Verwendung zum einen das öffentliche Image eines Kollektivs, dem Frauen angehören, und zum anderen das öffentliche Image einer Frau oder eines Mannes, jedoch auch nur in
Bezug zu den ihm zugeschriebenen Frauen. Der Begriff verweist also hier auf bestimmte Frauen und Kollektive. Im Zentrum stehen stets die Frau und ihre Jungfräulichkeit. Öffentlich
meint hier nicht nur die Beziehung zu Fremdgruppen, sondern auch zu den Mitgliedern des eigenen Kollektivs - gleichviel wie groß oder wie klein dieses ist (Rosen 1984).
In einer negativen Bestimmung geht es bei diesem kollektivistischen Eros-Face im Kern um die Abwehr von Eindringlingen
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Jammal: Eros-Face
in die Privatsphäre des Kollektivs, um die Verhinderung von
außerehelicher und gewaltsamer Geschlechtlichkeit zwischen
Mitgliedern anderer Kollektive und Frauen des eigenen Kollektivs und schließlich vor allem um die Unterbindung von
Wollust, soweit diese außerhalb des ehelichen Bereichs vorliegt.
Letztlich ist der gute Ruf („ird“) nur unter der Abwendung
von Schmach („ãr“) möglich. In positiver Bestimmung: Bewahrt werden soll ein Bild unbefleckter und stets keuscher
Privatsphäre eines Kollektivs oder einer Person.
Konstitutiv für das Eros-Face der Männer eines Kollektivs ist,
dass sie für die Bewahrung von Unbeflecktheit und Keuschheit ihres Kollektivs in Bezug auf die Frauen desselben Kollektivs verantwortlich sind. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt,
verliert das Eros-Gesicht. Wer es bewahrt, hat prima facie einen positiven öffentlichen Ruf („ird“). Dies ist entscheidend
für die Identitätsbildung eines Mannes. Wer seinen guten Ruf
(„ird“) verloren hat, ist bestenfalls bedauernswert und hat
eigentlich die Prüfung aller Prüfungen, eben die der Männlichkeit, nicht bestanden.
Die Frauen eines Kollektivs bilden im Eros-Face-Konzept den
verletzbarsten Kern sowohl des öffentlichen Bildes („ird“) als
auch des Schmachkonstrukts („ãr“). Die Schmachgefahr lauert und es herrscht daher - je nach Kollektiv - eine starke Reglementierung, die mit dem Wort „´aib“ (‫ )عيب‬belegt wird.
„´Aib“ meint so viel wie „zum Verderben bzw. zur Schande
führend“. Alles, was den guten Ruf („ird“) gefährdet, ist etwas, das zum Verderben führt („´aib“). Und so kann man sich
vorstellen, dass diejenige Instanz in einem Kollektiv die größte
Macht hat, welche darüber bestimmt, was „´aib“ und folglich
zu unterlassen ist.
Im Übrigen: Nicht alle „´aib“-Bestimmungen sind auf das
Eros-Face bezogen. Es gibt „´aib“-Bestimmungen innerhalb
der Erziehung für das, was „man nicht tut“. Bezogen auf das
Eros-Face sind die „´aib“-Bestimmungen häufig nicht nur moralisch, sondern auch volksreligiös beladen. Damit wird der
Eros-bezogene Ruf („ird“) sakral umhüllt.7
Interessant ist des Weiteren, dass es einen Begriff dafür gibt,
Verpöntes zu verdecken, um kein Unheil in dem Kollektiv anzurichten: Es heißt „sitr“ und das Wort kommt vom „sitar“,
das Vorhang oder Schleier bedeutet (Wehr 1977).
Ein „verschmutztes“ Eros-Face kann - wie es im arabischen
heißt - gewaschen werden. Der Preis einer solchen Waschung
ist in der Regel sehr hoch. Es erfolgt häufig durch Mord an
der betroffenen Frau und / oder an demjenigen, der die
Schande verursacht hat8.
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Jammal: Eros-Face
Beide Begriffe - Schmach („ãr“) und guter Ruf („ird“) - sind
im Bereich der nahöstlichen Tradition und des Volksislam anzusiedeln und weniger mit dem Koran zu begründen. Stammes- und Clandenken bzw. -strukturen sind es, die beide Begriffe begründen. Im Koran kommen zwar die Begriffe vor
(3,26-27; 49,13; 70,23-35), aber es geht dabei um die Ehre,
9
die Gott dem rechten Gläubigen gibt .
5.
Besonderheiten des Eros-Face
Es ist sicherlich erkennbar geworden, dass das Eros-Face
Gender-spezifisch ist. Dies wurde meines Wissens in der bisherigen Face-Literatur - zumindest im arabischen Kontext nicht thematisiert, obwohl die Sachverhalte, um die es dabei
geht, grundsätzlich bekannt sind. Auch existiert der Genderaspekt in der chinesisch-orientierten Faceliteratur nicht.
Mianzi und Lian kennen keine Genderaspekte.
Eine weitere Besonderheit des Konzepts Eros-Face ist, dass es
sowohl individuell als auch kollektivistisch sein kann. Letzteres
ist Gender-„biased“ zu Ungunsten der Frauen.
Das Phänomen des kollektiven Face im chinesischen Kontext
wurde in der Literatur schon mehrfach diskutiert (siehe z.B.
Muders 2008 mit der dort aufgeführten Literatur). Im arabischen Kontext gibt es das Eros-Gesicht einer Frau, eines
Mannes und auch das des Kollektivs, dem die Frau angehört
(arabisch „ird“). Auch besteht eine Wechselwirkung zwischen
dem Eros-Face eines Individuums auf der einen und dem
Eros-Face eines Kollektivs auf der anderen Seite. So obliegt es
dem Mann in einer Familie (dem Vater bzw. dem ältesten
Sohn), das Image des Kollektivs (also der Familie in diesem
Fall) zu schützen und dafür geeignete Strategien einzuschlagen. Das Face eines Mannes kann also sowohl individuell als
auch kollektivistisch sein. Beim Letzteren steht es in einem
Verweisungszusammenhang zu einem bestimmten Kollektiv.
Das kollektivistische Eros-Face lässt keinen großen Spielraum
für die Konstruktionen eines Selbstbildes zu. In dieser Hinsicht
ist es, wie das Lian-Konzept, evaluativ. Auch variiert es nicht,
so wie es beim „waģh“ oder beim chinesischen Pendant
Mianzi der Fall ist, je nach Audienz und Interaktionssituation.
Es ist eher vorgegeben und gegen Änderungen resistent. Was
zum Verderben führt („´aib“) und was nicht, steht nicht zur
Debatte. Es ist auch zu bedenken, dass die Werte, um die es
beim Eros-Face geht, keinen Spielraum für Schattierungen
zulassen: Es gibt eben kein Drittes zwischen Jungfräulichkeit
und nicht Jungfräulichkeit. „´Aib“ wird durch Reglementierungen in einem Kollektiv bestimmt, die im Bereich des ErosFace häufig auf impliziten bipolaren Wertvorstellungen beru-
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82
Jammal: Eros-Face
hen. Über die der Reglementierung zugrundeliegenden Werte
wird nicht verhandelt - schon gar nicht, wenn sie einen ausgesprochen sakralen Charakter haben.
Gleichwohl gilt auch beim Eros-Face wie auch beim „waģh“
(allgemeines Face), dass es in kommunikativen rituellen Handlungen vermittelt wird (Goffman 1955 und 1971). Es gibt
sehr viele Strategien der Pflege eines Bildes von Reinheit und
Keuschheit. Performative Sätze - Eheschließung als performativer Sprechakt (vgl. Austin 1962) oder andere Ausgleichs10
handlungen - dienen der Wiederherstellung des Eros-Face,
wie z.B. die Auslöschung der Ursache des „Übels“. Letzteres
ist im Übrigen nicht durch die Frauen, sondern ausschließlich
durch die Männer zu bewerkstelligen.
Was den Verlust des Eros-Gesichts anbelangt, so hat er gravierendere Auswirkungen als der Verlust des allgemeinen Gesichts „waģh“. Auch lässt sich der Verlust kaum durch „Politeness“ reparieren. Es sind meistens existenzielle Schritte, die
benötigt werden, um das Eros-Gesicht halbwegs zu kitten.
6.
Zusammenfassung
Es wurde holzschnittartig gezeigt, dass zwei begriffliche Konzepte im Arabischen für Face existieren: Das eine ist „waģh“
(allgemeines Face), was so viel bedeutet wie öffentliches
Image einer Person, das kommunikativ-rituell konstruiert und
verhandelbar ist. Das chinesische Pendant dazu ist Mianzi.
Daneben gibt es ein anderes Konzept, genannt Eros-Face, das
sowohl individuell als auch kollektivistisch sein kann. In der
individualistischen Variante kommt es dem chinesischen LianKonzept nahe. Hier stellt die anonyme Gesellschaft den Bezug dar und nicht ein bestimmtes Kollektiv. Beim kollektivistischen Eros-Face bildet die Familie oder der Clan etc. den Bezug und es kann sich zum einen um das Face eines bestimmten Kollektivs und zum anderen um das Face eines Individuums in Bezug zu dem spezifischen Kollektiv handeln.
Jedenfalls unterscheidet sich das Eros-Face vom allgemeinen
Face „waģh“ darin, dass es in seinen Konstruktionen rigider
und weniger verhandelbar ist. Die Rigidität nimmt bei einer
sakralen Umhüllung der Face-Werte durch Bezüge zum Volksislam zu. Damit geht eine stärkere Repression gegenüber
Frauen einher. Deshalb wurde oben betont, dass das kollektivistische Eros-Face-Konzept Gender-„biased“ ist.
Des Weiteren: Einem Verlust des Eros-Face kann wohl kaum
mit Höflichkeit begegnet werden und die Konsequenzen daraus sind weitaus gravierender als beim Verlust des allgemeinen Face „waģh“.
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Jammal: Eros-Face
7.
Offene Fragen
Die vorgestellte Unterscheidung zwischen Face-Konzepten im
Arabischen stellt eine erste Annäherung an das Thema dar.
Sie bedarf einer eingehenden Analyse unter Einbeziehung
einer empirischen Fundierung, um auch zu zeigen, welche
Varianten davon in unterschiedlichen arabischen Kollektiven
bestehen. In diesem Papier wurde noch eher allgemein von
arabischen Face-Konzepten gesprochen. Es liegt auf der
Hand, dass dies einer Differenzierung bedarf.
In diesem Papier wurde das Eros-Face als Konzept bezeichnet.
Eventuell wäre es analytisch und systematisch sinnvoller, das
Eros-Face als eine Unterkategorie des allgemeinen Face zu
verstehen.
Es stehen des Weiteren noch die Fragen aus, welche Kollektiv-allgemeinen und Kollektiv-spezifischen Maßnahmen zur
Pflege des Eros-Face und welche angesichts von „Eros-Face
Threats“ ergriffen werden. Auch wäre genauer zu klären, wie
die Zusammenhänge zwischen dem individuellen und dem
kollektiven Eros-Face sind.
Und schließlich: Es müsste noch genauer herausgearbeitet
werden, was Intimität im Einzelnen meint bzw. welche Lebensbereiche davon betroffen sind, und das unter Einbeziehung vor allem der ethnologisch orientierten Forschungsergebnisse zu Ehre und Face.
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Al Sabt, M. (1996): Arabian Business and Culture Guide. Honolulu: International Export Connections.
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Diner, D. (2005): Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen
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Gao, G. / Ting-Toomey, S. (1998). Communicating Effectively with the Chinese. Thousand Oaks: Sage.
Goffman, E. (1959): The presentation of self in everyday life. Garden City,
NY: Doubleday.
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Jammal: Eros-Face
Goffman, E. (1971): Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Henze, J. (2008): Die Rolle von Vertrauen in sozialen Beziehungen. Das
Beispiel chinesischsprachiger Kulturräume. In: Jammal, E. (Hrsg.): Vertrauen
im interkulturellen Kontext. Konzepte und empirische Forschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 193-211.
Henze, J. (2011): Intuition und/oder Wissen. Zur Bedeutung heuristischer
Modelle in der interkulturellen Kommunikationsforschung“. In: Bosse, E. /
Kreß, B. / Schlickau, S. (Hrsg.): Methodische Vielfalt in der Erforschung
interkultureller Kommunikation an deutschen Hochschulen. Frankfurt/Main
et al.: Peter Lang, S. 81-101.
King, P. C. (2010): An Examination of the Role of Lian (Face) in Mainland
Chinese Business Practices. Dissertation Submitted in Partial Fulfillment
of the Requirements for the Degree Doctor of Management in
Organizational
Leadership
at
Phoenix
University.
URL:
http://gradworks.umi.com/3437009.pdf [Zugriff am 17.04.2011].
Lakoff, G. P. (1973): The logic of Politeness; or minding your p's and
q's. Papers from the 9th Regional Meeting, Chicago Linguistics Society.
Chicago: Chicago Linguistics Society.
Meuser, M. (1998): Geschlecht und Männlichkeit. Soziologische Theorie
und kulturelle Deutungsmuster. Opladen: Leske + Budrich.
Muders, K. (2008): Höflichkeit – ein universales Konzept? Inwiefern behaupten die Theorien von Lakoff und Brown & Levinson eine universale
Gültigkeit ihrer Modelle und lassen sich diese Behauptungen vertreten?
München: Grin Verlag.
Mills, S. (2003): Gender and Politeness. Cambridge: Cambridge University
Press.
Rosen, L. (1984): Bargaining for Reality. The construction of social relations
in Muslim law and society. Oxford: Oxford University Press.
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Conflict. An Updated Face-Negotation Theory. International Journal of Intercultural Relations 22(2), S. 187-225.
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/ Ide, S. / Ehlich, K. (Hrsg.): Politeness in Language. Studies in its History,
Theory and Practice. Berlin, New York: Mouton de Gruyter, S. xi–xlvii.
Wehr, H. (1977): Arabisches Wörterbuch. Beirut: Librairie du Liban.
1
Für die Wahl dieses Begriffes siehe z.B. die MetamorphosenErzählung von Apuleius. Man kann sicherlich auch „Intimitäts-Face“ sagen.
85
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Jammal: Eros-Face
2
Darauf detailliert einzugehen, würde den Rahmen dieses
Beitrags sprengen.
3
Wie auch im Deutschen gibt es im Arabischen mehrere Begriffsverwendungen mit negativem Bezug zur schwarzen
Hautfarbe. Leider gelten diese im arabischen Sprachraum
längst noch nicht als inakzeptabel.
4
Viele wertvolle Hinweise zu den arabischen Begriffen und
Ehre-Konzepten verdanke ich meiner Halbschwester Frau
Yasmeen Hamdan.
5
Es gibt einen weiteren Begriff im Arabischen, der in diesem
Zusammenhang relevant ist: Ehre - arabisch „sharaf“. Darauf
einzugehen und diesen Begriff von den anderen drei Begriffen abzusetzen, kann hier nicht geleistet werden.
6
Interessanterweise gibt es im syrischen Dialekt (Alltagsarabisch in Syrien, Palästina, Jordanien und im Libanon) ein
Schimpfwort, das sich auf den individuellen guten Ruf bezieht. Es lautet in der Übersetzung: „Verflucht sei dein guter
Ruf“.
7
Vgl. Diner (2005): Bis auf die Idee der sakralen Umhüllung
sind den Analysen Diners des angeblichen Stillstands in der
arabischen Welt nicht zuzustimmen – schon gar nicht im Lichte der jüngsten Demokratisierungsrevolutionen in vielen arabischen Ländern.
8
Es erübrigt sich geradezu zu sagen, dass das Phänomen des
Eros-Face nichts spezifisch Arabisches ist und dass es sehr
wohl im „Abendland“ in rigiden Formen vorhanden war (was
aber nicht ausschließt, dass es in der jeweiligen Ausgestaltung kulturspezifisch sein kann). Man denke nur an Mozarts
Don Giovanni. Da muss der Komtur, der Vater von Donna
Anna in der Ausgleichshandlung des Kampfes mit Don Giovanni sterben. Anlass ist natürlich, dass das Eros-Face der
Donna Anna und der Familie durch die „Schandtat“ des
„Wüstlings“ ramponiert wurde. Und was die Gegenwart anbelangt: Ehrenmorde gibt es nicht nur in islamisch geprägten
Ländern, sondern auch in christlich geprägten Ländern, wie
z.B. in Brasilien, Italien und Ecuador (UN-Bericht 2000: Civil
and Political Rights).
9
Auch darauf kann hier leider nicht näher eingegangen werden.
10
„Die Handlungssequenz, die durch eine anerkannte Bedrohung des Images in Bewegung gesetzt wird und mit der Wiederherstellung des rituellen Gleichgewichts endet, werde ich
Ausgleichshandlung nennen“ (Goffman 1971:25).
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
Die Bedeutung von
Emotionen in der koreanischen Interaktion*
[Importance of Emotions in
Interpersonal Relationships
and Social Networks in
Korea]
Anja Scherpinski – Lee
Lektorin für deutsche Sprache
und Kultur an der Hankuk
University for Foreign Studies
in Seoul, Südkorea
Abstract [English]
Compared to Germany, Korea is a collectivist culture. Collectivism is considered to be a result of Confucianism which has
influenced the Korean culture for hundreds of years. Confucian ethical values still play an essential role in the manner
and ways Koreans establish and maintain interpersonal relationships and integrate themselves in social groups. Whereas
Germans consider involvement in relationships and networks
optional and reciprocally symmetrical, Confucian ethics view
relationships asymmetrical and obligatory. While interacting
with others high emphasis is placed on emotions that bind
people together and lead to a sentiment of “we-ness” felt by
partners of a relationship. Two unique indigenous phenomena – shimjung and jung – are regarded as key concepts one
has to grasp in order to understand how Koreans interact
with each other. The aim of this article is to explain these
concepts and to point out crucial characteristics in the Korean
ways of networking.
Keywords: Korea, Confucianism, indigenous psychology,
emotions, collectivism
Abstract [Deutsch]
Im Vergleich zu Deutschland lässt sich Korea als kollektivistische Kultur verstehen. Der Kollektivismus kann als Resultat
des Konfuzianismus betrachtet werden, der Korea jahrhundertelang geprägt hat. Konfuzianische ethische Wertvorstellungen spielen auch heute noch eine essentielle Rolle in der
Art und Weise, wie Koreaner interpersonale Beziehungen
pflegen und sich in sozialen Netzwerken verhalten. Während
in Deutschland das Engagement, das in interpersonale Beziehungen und sozialen Gruppen eingebracht wird, eher als optional und symmetrisch reziprok betrachtet wird, betonen
konfuzianisch geprägte Wertvorstellungen bedingungslose
gegenseitige Verpflichtung und den Aufbau und Erhalt eines
„Wir-Gefühls“. Dabei bildet der Umgang mit Emotionen, die
sich zwischen den Interaktionspartnern entwickeln, den Kern
der Beziehungspflege. Zwei indigen koreanische Gefühlsmodi
– Shimjung und Jung – werden als Schlüsselkonzepte für das
Verständnis koreanischer Interaktionsmechanismen verstanden und sollen im vorliegenden Beitrag genauer betrachtet
werden.
Stichwörter: Korea, Konfuzianismus, indigene Psychologie,
Emotionen, Kollektivismus
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
1.
Einleitung
Die Kultur, in der wir sozialisiert werden, beeinflusst unser
Denken und Verhalten. Wir bilden uns ein Weltbild vor dem
Hintergrund unserer Kultur und handeln und urteilen beeinflusst von kulturell geprägten Normalitätsannahmen und
Wertvorstellungen. Auch die Art und Weise, in der wir Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen und uns in interpersonalen Beziehungen, sozialen Gruppen und Netzwerken
bewegen, ist durch unsere Kultur geprägt (Matsumoto /
Juang 2008:200). Vergleicht man deutsche mit koreanischen
Vorstellungen von Zielen und Wirkungsweisen interpersonaler
Beziehungen, so treten gravierende Unterschiede zutage:
Koreaner messen dem adäquaten Umgang mit den Gefühlen,
die zwischen Menschen in einer Beziehung aufkommen, eine
weitaus wichtigere Bedeutung für das Funktionieren der Interaktion bei als Deutsche. Die Anstrengungen beider Interaktionspartner, Harmonie und affirmative Emotionen in ihrer
Dyade widerzuspiegeln, sowie die Fähigkeit, den Gefühlsstatus des Gegenübers folgerichtig zu interpretieren, entscheiden maßgeblich über Qualität und Fortbestehen der Beziehung. Diese starke Gewichtung der emotionalen Dimension
lässt sich durch die konfuzianische Prägung der koreanischen
Kultur erklären, aufgrund der Werte von Zwischenmenschlichkeit und Harmonie sowie die Entwicklung eines emotionalen „Wir-Gefühls“ in der Interaktion über die zweckgerichtete
Umsetzung persönlicher Absichten gestellt werden. Mit dem
Eintritt Koreas in den globalisierten Geschäftsalltag sind in
den USA und Europa zahlreiche Publikationen erschienen, die
Korea als kollektivistische Kultur in kulturkontrastiven Studien
verorten und so die „rätselhafte“ koreanische Kultur für
Westler erhellen wollen. Als Gegenbewegung zu solchen
„eurozentrischen“ Theorien hat die koreanische Sozialwissenschaft in den letzten zwei Jahrzehnten einen Schwerpunkt
auf die Untersuchung psychosoziologischer Wirkungsmechanismen in Netzwerkbeziehungen gelegt, um aus einer
„asiazentrischen“ Perspektive indigene Konzepte freizulegen,
die für das Verständnis der koreanischen Kultur eine bedeutende Rolle spielen.
Im folgenden Beitrag sollen zwei indigen koreanische Phänomene – Shimjung und Jung –, die als die affektivemotionale Basis der koreanischen Interaktionen betrachtet
werden, erläutert werden. Zum besseren Verständnis dieser
beiden Konzepte werden vorerst Merkmale der koreanischen
kollektivistischen Kultur aufgeführt und der Konfuzianismus
als Fundament des koreanischen Wertesystems beleuchtet
sowie sein Einfluss auf die Art und Weise, wie Koreaner sich
in Interaktionen verhalten, herausgearbeitet. Abschließend
sollen in der Fachliteratur bereits benannte Konzepte aus dem
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
koreanischen Kommunikationsusus auf ihren Zusammenhang
mit Shimjung und Jung nochmals betrachtet werden. Es handelt sich dabei um das Konzept des „Gesichtswahrens“ sowie
um die soziale Kompetenz Nunchi.
2.
Korea – eine kollektivistisch orientierte Kultur
Kulturen lassen sich aus kulturkontrastiver Perspektive u.a. in
Bezug auf ihre kollektivistische bzw. individualistische Orientierung unterscheiden. Triandis (1994) differenziert in Hinsicht
auf das Verhalten von Menschen in interpersonalen Beziehungen und Gruppen zwischen allozentrischer und
idiozentrischer Selbstwahrnehmung von Individualität und
Kollektivität. Demzufolge tendieren Menschen aus individualistisch orientierten Kulturen dazu, sich selbst idiozentrische
Attribute zuzuschreiben. Solche Attribute umfassen u.a., dass
das Individuum als Grundelement sozialer Gefüge und das
Selbst als eine eigenständige, autonome Einheit mit eigenen
Zielen wahrgenommen werden. Gruppenzugehörigkeiten
und Netzwerkbeziehungen werden eher als freiwillige, lockere Verbindungen betrachtet, in denen weiterhin persönliche
Absichten verfolgt und diese über kollektive Gruppenziele
gestellt werden. Bei Bedarf kann man sich ohne größere soziale Sanktionen wieder aus einer Beziehung zurückziehen oder
aus einem Netzwerk aussteigen (Triandis 1994:47f.).
Demgegenüber neigen Menschen aus kollektivistisch orientierten Kulturen zu allozentrischen Zuschreibungen. Sie betrachten Gruppen als Grundbausteine der Gesellschaft. Das
Individuum wird als interdependent wahrgenommen und
über seine Positionen und Eingebundenheit in Beziehungsnetze definiert. Konformität mit Gruppenzielen steht über der
Umsetzung persönlicher Ziele, die zugunsten von Harmoniewahrung innerhalb der Gruppe zurückgestellt werden. Die
Involviertheit in Beziehungsnetzwerke wird als essentielle
Voraussetzung für das soziale Überleben betrachtet (Triandis
1994:47f. und 2006:23f.). Netzwerke sind dabei nach Alter,
Geschlecht, beruflicher Position etc. stark hierarchisch strukturiert und interpersonale Beziehungen zwischen Menschen
in diesen Netzwerken horizontal ausgerichtet, d.h. man ist
sich der eigenen über- bzw. unterlegende Position in einer
Beziehung deutlich bewusst und verhält sich dementsprechend angemessen in der Interaktion, wobei es am wichtigsten ist, sich in das Netzwerk einzupassen, anstatt hervorzustehen (Triandis 1994:47f.). Menschen aus individualistischen
Kulturen hingegen fühlen sich in vertikalen interpersonalen
Beziehungen, z.B. mit Freunden, am wohlsten, wobei persönliche Freiheit und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung
89
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
geschätzt werden (Triandis 1995 zit. nach Gudykunst / Matsumoto 1996:25).
Triandis‘ Ausführungen zufolge lässt sich die deutsche Kultur
als individualistisch orientierte Kultur verstehen, während
Menschen der koreanischen Kultur zu allozentrischen Wertvorstellungen und Zuschreibungen tendieren. Sie handeln
und urteilen vor dem Hintergrund eines konfuzianisch geprägten Normen- und Wertesystems, das auch heute noch
nach tausendjähriger Bestehensgeschichte des Konfuzianismus in Korea wirksam ist. Um also zu einem Verständnis für
koreanische Verhaltensweisen in interpersonalen Beziehungen und Netzwerken zu gelangen, ist es notwendig, den Blick
auf die Werte zu lenken, die von der konfuzianischen Ethik
betont werden.
3.
Der Konfuzianismus – Fundament des koreanischen
Wertesystems
Südkorea wird oft als das konfuzianischste aller asiatischen
Länder bezeichnet. Obwohl die konfuzianische Ethik heute
kaum noch in ihrer Urform durch Institutionen vermittelt
wird1 und auch nicht explizit im Curriculum von Schuleinrichtungen und Universitäten oder in der Gesetzgebung verankert ist, haben sich grundlegende Prinzipien durch konstante
Tradierung und Reproduktion insbesondere im Bereich der
Familie bis heute erhalten. Der Kern der Familie spielt dabei
im Vergleich zu deutschen Verhältnissen eine übergeordnete
Rolle im Alltag der Koreaner. Koreanische Kinder haben eine
extrem starke, oft exklusive Bindung an ihre Mütter, mit denen sie die meiste Zeit verbringen und von denen sie bis zum
Eintritt ins Schulleben den Großteil an Bildung und Erziehung
erhalten. Das Wort der Eltern gilt in den meisten Lebenssituationen als maßgebend2. Koreaner begeben sich nach wie vor
zu den wichtigsten Feiertagen in ihre Heimat, um den Eltern,
Großeltern und Vorfahren durch traditionelle Zeremonien
und Rituale ihre Ehrerbietung zu zeigen3. Im Vergleich zu anderen konfuzianisch geprägten asiatischen Ländern scheinen
sich in Korea konfuzianische Werte und Verhaltensmuster
besonders tiefgreifend und hartnäckig durchgesetzt zu haben
(Koh 2004:107). Vom Kern der Familie aus erstrecken sich die
konfuzianischen Wertvorstellungen in alle Dimensionen der
koreanischen Lebenswelt. Im Folgenden soll die wesentliche
Wirkweise der konfuzianisch geprägten Ethik knapp erläutert
werden:
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
Gesellschaftliche
Netzwerke
Vertrauen Shin
Netzwerke aus Schul-/
Universitätsleben
Wissen/Kultiviertheit Chi
Angemessenheit/Schicklichkeit Ye
Familienbeziehungen
Rechtschaffenheit Eu
Interpersonale
Beziehungen in Dyaden
Humanität/
Zwischenmenschlichkeit In
Abb. 1: Konfuzianische Wertvorstellungen in Bezug auf interpersonale
Beziehungen im gesellschaftlichen Netzwerk (Kim / Park 2006:39,
Übersetzung d. A.)
Die konfuzianische Gesellschaftsethik betrachtet den Menschen immer in Bezug auf seine Beziehungen zu anderen
Menschen. Der geordnete Platz eines Individuums in der gesellschaftlichen Hierarchie sowie konkret definierte reziproke
Beziehungen zwischen Menschen machen den Hauptinhalt
aus. Solche Beziehungen sind in ihrer Urform die Beziehung
zwischen Herrscher und Untergebenen, zwischen Vater und
Sohn, zwischen Ehemann und Ehefrau, zwischen Jüngeren
und Älteren und die Beziehung zwischen Freunden. Dabei
sollen im Wesentlichen fünf ethische Verhaltensregeln diese
Beziehungen steuern:
1.) Humanität und Zwischenmenschlichkeit (In 인)
2.) Rechtschaffenheit (Eu 의)
3.) Angemessenheit und Schicklichkeit (Ye 예)
4.) Kultiviertheit und Wissen (Chi 지) und
5.) gegenseitiges Vertrauen (Shin 신).
Humanität bzw. Zwischenmenschlichkeit (In 인) bilden das
Kernprinzip der konfuzianischen Ethik. Aufgrund dieses Prinzips werden in Korea, stärker als in westlichen Ländern, Emotionen, die Menschen miteinander verbinden, in den Vordergrund gestellt. Kim / Park (2006:38) fassen die Lehrsätze, die
aus konfuzianischen Schriften überliefert wurden und in kon91
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
fuzianischen, asiatischen Kulturen wirksam sind, wie folgt
zusammen:
„The Chinese, Japanese, and Korean word for human being is 人人, which
can be translated literally as ‚human between‘. It is not what happens within an individual, but between individuals that makes us human. [...] The
human essence is basically relational and can be defined in terms of the
emotions people feel for one another.“
Diese Gefühle von Verbundenheit werden prototypisch zwischen Familienmitgliedern empfunden. Daher steht die Familie im Zentrum des konfuzianischen Gesellschaftssystems.
Eltern und Kinder stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander, das sich auf elterliche Fürsorge und Liebe auf der
einen Seite sowie Respekt, Gehorsam und Kindespietät auf
der anderen Seite gründet.
Gefühle wie Respekt und Fürsorge entstehen demzufolge
aufgrund einer Rolle, die man in einer Beziehung einnimmt.
Jeder Mensch wird nach traditionell konfuzianischen Vorstellungen mit einem definierten Status in eine Familie hineingeboren. Dieser Status wird durch das Prinzip der Rechtschaffenheit (Eu 의) bestimmt und bringt konkrete Rollenzuteilungen und Verpflichtungen gegenüber den anderen Familienmitgliedern mit sich, die entsprechend den ethischen Kodes
erfüllt werden müssen. So befinden sich z.B. Geschwister in
einer reziproken Beziehung, die sich auf Verantwortungsbewusstsein für jüngere Geschwister gründet und dafür Respekt
gegenüber den älteren Geschwistern einfordert. Ehemann
und Ehefrau wiederum stehen sich in einem Verhältnis aus
materieller Fürsorge und Gehorsam gegenüber. Die Prinzipien
der Zwischenmenschlichkeit und Rechtschaffenheit, die das
emotionale Fundament bilden, sind somit die zwei Seiten einer Medaille.
Das primäre Ziel der konfuzianischen Ethik besteht in der Bewahrung von Harmonie, die realisiert wird, indem jeder
Mensch seine ihm zugeschriebene Rolle im sozialen Netzwerk
einnimmt und im Umgang mit Mitmenschen die Erwartungen, die an seine Rolle gestellt werden, gemäß den konfuzianischen Vorstellungen von Angemessenheit und Schicklichkeit (Ye 예) erfüllt. Unter diesem Prinzip lässt sich die äußere
Form der konfuzianischen Gesellschaftsethik verstehen, zu
der die konkreten Verhaltenskodes wie z.B. angemessene Anredetitel, Begrüßungsformeln und grammatische Höflichkeitsstufen sowie Durchführung von Ritualen und Zeremonien,
Wissen über erwartete Pflichterfüllung etc. gehören. Indem
Harmonie bewahrt wird, wird gesellschaftliche Ordnung
gesichert.
Diese Verhaltenskodes im Sinne von Kultiviertheit und Wissen
(Chi 지) werden in erster Linie während der Sozialisation durch
familiäre Indoktrinierung erworben und wurden im alten Ko-
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
rea außerdem durch formelle Ausbildung in Schulen vermittelt. Da im modernen Korea die institutionelle Vermittlung
konfuzianischer Verhaltensregeln kaum noch eine Rolle spielt,
ist heute eine Form von „familiärem Konfuzianismus“ (Koh
2004:114) wirksam, der, wenn auch in einer verwaschenen
Form, immer noch als Grundsubstanz des koreanischen Wertesystems betrachtet wird und koreanische Menschen in ihrem Handeln und Denken beeinflusst (Miike 2009 und 2007,
Shim / Kim / Martin 2008, Choi / Han 2008, Choi / Kim 2006,
Kim / Park 2006, Kim 2003, Lim / Choi 1996, Koh 1996,
2004, Kim 1996, Cha 1994).
Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, ziehen sich die Verhaltensregeln vom Kern der Familie bis in die gesellschaftlichen, öffentlichen Sphären. Verhaltensweisen, die im Kreis
der Familie praktiziert werden, sollen demzufolge auf das Leben im Alltag vorbereiten und auch in Beziehungen zu nichtfamiliären Menschen wirksam werden. Interpersonale Beziehungen und soziale Netzwerke sollen nach konfuzianischen
Vorstellungen also als eine Imitation des Familienlebens fortgeführt werden und sich auf gegenseitiges Vertrauen
(Shin 신) auf Einhaltung der ethischen Prinzipien zwischen
Mitmenschen gründen (Choi / Han 2008:219, Shim / Kim /
Martin 2008:88, Koh 2004:215, Han / Choe 1994:223 u.a.).
Diese Fortführung der familiären Verhaltensweisen lassen sich
auch im modernen koreanischen Alltag beobachten. So
herrscht an Schulen und Universitäten das Senioritätsprinzip,
nach dem ältere Schüler und Studenten den Anfängern Hilfe
und Unterstützung bieten und dafür den Respekt und ein
gewisses Maß an Unterwürfigkeit einfordern. Ebenso gelten
diese Regeln am Arbeitsplatz, wo sich jüngere Kollegen den
älteren bedingungslos unterordnen müssen. Lehrer oder Vorgesetzte
nehmen die Rolle einer Vater- oder „Herrscher“figur ein und
stehen in der gesellschaftlichen Hierarchie weit oben. Koreanische Großunternehmen sind auch heute noch stark hierarchisch-paternalistisch strukturiert und fördern Firmen„familien“zugehörigkeit durch regelmäßige Veranstaltungen
wie gemeinsame Abendessen, Ausflüge, Firmentrainings etc.
(Kim 1996). Auch in der Sprache macht sich die Imitation des
Familienlebens bemerkbar. So werden ältere Freunde und
Freundinnen als „großer Bruder“ bzw. „große Schwester“
gerufen; ebenso können Verkäuferinnen oder Kellnerinnen
als „Schwester“ oder ältere Kundinnen als „Tante“ oder
„Mutter“, unbekannte ältere Männer als „Onkel“ oder Senioren als „Großmutter“ bzw. „Großvater“ gerufen werden. In
diesen Fällen wird das Konzept des Respektierens, das innerhalb der Familie Anwendung findet, auf den außer-familiären
Bereich übertragen mit den Ziel, ein harmonisches Verhältnis
93
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
zum Gegenüber zu schaffen (Choi / Han 2008:207, Koh
2004:114f.).
Soziale Netzwerke, in die Koreaner eingebunden sind, lassen
sich in allen gesellschaftlichen Alltagsbereichen wiederfinden. Wie bereits angesprochen, bildet die Familie die Urform
aller Netzwerke, wobei hier Zusammengehörigkeit über
Blutsverwandtschaft (Hyolyon 혈혈) definiert wird. Es folgen
chronologisch im Leben eines Koreaners die Netzwerke, die
durch Schul- bzw. Universitätsbesuch entstehen, die sogenannten Hakyon (학혈). Aus diesen Hakyon entstehen nicht
nur interpersonale Beziehungen zu Kommilitonen, sondern
Netzwerkdenken wird auch systematisch durch Alumnivereine gefördert und bleibt lebenslang intakt4. In der Arbeitswelt
etablieren sich Netzwerke, die sich auf Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Firmen“familie“ gründen. Ebenso lassen sich
Netzwerke im Privatbereich finden in Form von kommunalen
Vereinen und Nachbarschaftshilfegruppen (Kyae 계,
Donghohwae 동동동) oder Kirchengruppen (Chongkyoyon
종종동); und kaum ein erwachsener Koreaner ist nicht in einer
oder mehreren Gruppen aktives Mitglied. Zwischen Mitgliedern solcher Netzwerke besteht, wesentlich stärker als in
Deutschland, eine emotionale Verbundenheit, die sich aus der
Praktizierung konfuzianischer Prinzipien von Menschlichkeit,
Angemessenheit und Schicklichkeit entwickelt.
Natürlich wird der Konfuzianismus im Zeitalter von Globalisierung, Technologisierung des Alltags und Jobmobilität auch
von anderen Tendenzen überlagert und befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Aufweichung und forcierter
Wiederbelebung (Koh 2004:103). Shim, Kim und Martin
(2008) verwenden in ihren Ausführungen die Bezeichnung
“koreanischer Konfuzianismus-Kapitalismus”, in dem Wirkungsmechanismen aus Kollektivismus und Individualismus
koexistent ins Spiel kommen. Auf der einen Seite beweisen
zahlreiche Studien und Umfrageergebnisse eine wachsende
Generationskluft, da insbesondere junge Menschen sich gerade im Berufsleben zunehmend individualistisch verhalten
und die Umsetzung ihrer persönlichen Ziele der unbedingten
Ein- und Unterordnung in Netzwerkgefügen voranstellen
(Shim / Kim / Martin 2008:47ff., Koh 2004:105f. und 1996,
Han / Choe 1994:221 u.a.). Auf der anderen Seite werden
konfuzianische Werte über die Indoktrinierung im Familienbereich hinaus auch zur Bewahrung der nationalen Identität
durch Öffentlichkeitsarbeit und Medien reproduziert und tragen somit zur weiteren Tradierung bei. So startete beispielsweise ein College einen Zeichentrickwettbewerb für Kinder
und Jugendliche, der als Kampagne die Bedeutung von traditionellen Werten wie Kindespietät (Hyo 효) und Zwischenmenschlichkeit (Jung 정) wiederbeleben will5. Auch durch
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
zahlreiche koreanische Fernsehserien, die die Joseon-Ära zum
Schauplatz nehmen und sich um konfuzianische Lehren und
Verhaltenskodes drehen, werden konfuzianische Wertvorstel6
lungen am Leben erhalten .
Zusammenfassend scheinen sich koreanische Soziologen einig
zu sein, dass der Konfuzianismus so tief in der Lebenswelt
der Koreaner verankert ist, dass er auch heute noch als das
Fundament der koreanischen Gesellschaft betrachtet werden
kann, das Kollektivismus, Interdependenz und Netzwerkdenken betont oder sogar „glorifiziert“ (Kim 1994:25).
4.
Indigene Psychologie als Theorie zum Verständnis
koreanischer Handlungsmuster
Kulturkontrastive Studien, in denen Korea als kollektivistische
Kultur beschrieben wird, liegen in Fülle vor. Zu den wohl einflussreichsten gehören u.a. sicherlich Hofstedes Arbeiten. In
aktuellen koreanischen Publikationen, die psychosoziologische Phänomene der koreanischen Gesellschaft zum Schwerpunkt nehmen, wird betont, dass der Konfuzianismus als Erklärungsmuster für die kollektivistische Orientierung durchaus
Berechtigung findet und unbedingt Ausgangspunkt der Forschung sein muss. Jedoch kann er nicht Endpunkt der Forschung sein, denn durch ihn allein können individuelle Unterschiede im Verhalten von Menschen nicht erklärt werden
(Kim / Park 2006:41). Aus diesem Grund sowie als Reaktion
auf die westlich geprägte Psychologie der 1960er Jahre und
perspektivisch beschränkte kulturkontrastive Studien der
1980er Jahre, die Kulturunterschiede in den meisten Fällen
lediglich im Kontrast zu westlichen Ländern herausfilterten,
haben in den letzten zwei Jahrzehnten Ansätze der indigenen
Psychologie große Aufmerksamkeit in Korea wie auch in anderen nicht-westlichen Ländern gefunden. Azuma (1984:49)
formulierte die Problematik, die die indigene Psychologie
auflösen will, wie folgt: „When a psychologist looks at a nonWestern culture through Western glasses, he may fail to notice important aspects of the non-Western culture since the
schemata for recognizing them are not provided by his
science.“
Ansätze, die die indigene Psychologie zum Ausgangspunkt
nehmen, setzen sich zum Ziel, Wahrnehmungskonzepte und
Handlungsmuster, die interpersonalen Interaktionen zugrunde liegen, aus der Innenperspektive der Mitglieder einer
Gruppe zu untersuchen. Im Mittelpunkt stehen beispielsweise
Fragen, auf welche Wissensbestände und Fähigkeiten Menschen zur Gestaltung von Interaktionen zurückgreifen, unter
welchen Überzeugungen sie ihr eigenes Handeln steuern und
bewerten und welche psychologischen Einstellungen sie zu
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
sich selbst und ihrem Handeln vertreten. Psychologische Phänomene in spezifischen lebensweltlichen Kontexten des eigenkulturellen Alltags sollen aus innenkultureller Sicht untersucht und indigene, native Konzepte freigelegt werden, die
das Handeln und die (Selbst-)Wahrnehmung von Menschen
aufgrund ihrer Vernetzung in interpersonalen Dyaden und
Gruppen beeinflussen könnten (Kim / Yang / Hwang 2006:4,
Kim / Park 2006:34). Der Fokus liegt dabei in sozialen Interaktionen in Korea insbesondere auf den Emotionen, die Individuen miteinander verbinden (Kim / Park 2006). Der Wert einer Beziehung wird nicht per se anhand des Verhaltens bemessen, mit dem sich Interaktionspartner um ihre Beziehung
bemühen, sondern anhand der Qualität und Stärke der gefühlsmäßigen Verbundenheit und eines „Wir-Gefühls“, das
beide Parteien in ihrer Dyade reflektieren (Choi / Kim
2006:208, Choi / Han 2008:257).
In vielen westlichen Ländern werden Beziehungstiefe und
Zusammengehörigkeitsgefühl vornehmlich durch aktive
Kommunikation hergestellt. Gefühle von Vertrautheit und
Verbundenheit sind davon abhängig, in welchem Maße sich
die Interaktionsteilnehmer verbal an der Kommunikation beteiligen, sich dem Partner gegenüber öffnen und inwiefern sie
sich engagieren, die Kommunikation am Laufen zu halten.
Längere Schweigepausen werden meist als unangenehm
empfunden, da sie eine fehlgelaufene Kommunikation suggerieren. Im Konfuzianismus hingegen wird Schweigsamkeit
bzw. bedachte, wortkarge Redeweise als primäre moralische
7
Tugend im Umgang mit Anderen betrachtet . Die Grundsätze
von Humanität und Harmonie bedeuten dabei, dass Wünsche
und Absichten nicht explizit verbalisiert werden brauchen,
sondern auf Basis einer inneren, emotionale Verbundenheit
zum Gegenüber wahrgenommen und gedeutet werden können. Anstelle der verbalen Kommunikation soll zwischen zwei
Menschen in einer Beziehung idealerweise unausgesprochenes Einverständnis herrschen (Choi / Han 2008:318, Kim /
Park 2006:434, Choi / Kim 2006:366, Kim 2003:95f.).
Die zentralen Konzepte, die die zwischenmenschliche Psychologie in einer Dyade beschreiben, sind Shimjung und Jung. Sie
werden als einzigartig indigene Phänomene der koreanischen
Lebenswelt in verschiedenen Aufsätzen immer wieder hervorgehoben; und das Verständnis für diese genuin koreanischen Gefühlsmodi gilt als Schlüssel zum Verstehen der koreanischen Mentalität (Shim / Kim / Martin 2008:72ff., Choi /
Han 2008:205, Kim / Park 2006:44f., Choi / Kim 2006, Kim
2003:110, Lim / Choi 1996:125f., Yum 1988:380 u.a.). In
Korea hat sich vor allem Sang-Chin Choi der Untersuchung
dieser indigen Konzepte zugewandt und in den letzten Jahren eine Fülle an Publikationen hervorgebracht. Die folgenden
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
Ausführungen beziehen sich insbesondere, soweit nicht anders angegeben, auf die Arbeiten von Choi / Kim (2006) und
Choi / Han (2008).
4.1
Umgang mit Gefühlen in interpersonalen Beziehungen – Shimjung (심정)
Der Begriff Shimjung (심정) besteht aus zwei Teilen: Shim (심)
bedeutet so viel wie „Psyche“, „Gemüt“, „seelischer Zustand“; Jung (정) lässt sich mit „Zuneigung“ umschreiben.
Shimjung ist ein unmittelbares, spontanes, meist negativ besetztes Gefühl, das in einer bereits länger bestehenden Beziehung zwischen zwei Menschen aufkommen kann. Es wird
durch eine Verhaltensweise oder Handlung eines Interaktionspartners A hervorgerufen, die entgegengesetzt zur Erwartungshaltung des Gegenübers B steht, wodurch der bisherige Status Quo der Beziehung zwischen A und B infrage
gestellt wird. Deutsche Äqivalente, die Shimjung ansatzweise
beinhalten, sind Konzepte von Empathie, Sympathie, Mitleid,
Mitgefühl. Doch anders als diese Gefühle, die vorrangig auf
einem subjektiven, intrapsychischen Level stattfinden und gegen ein externes Objekt (z.B. den Partner) gerichtet sind, ist
mit Shimjung zusätzlich eine interpsychische Analyse verbunden: Auf der intrapsychischen Ebene werden sich entstandene Gefühle als Reaktion auf die Situation bewusst gemacht.
Auf der interpsychischen Ebene werden darüber hinaus die
gemeinsame Interaktionsgeschichte sowie vergangene Gesprächsepisoden als Interpretationsrahmen zur Analyse des
Verhaltens des Partners herangezogen. Aus dieser reflexiven
Retrospektive wird Rechtfertigung und Verständnis für das
Handeln des Gegenübers abgeleitet und somit der negative
Gefühlszustand aufgelöst. Findet sich keine Erklärung für das
Verhalten des Partners, wird die Aufmerksamkeit zurück auf
sich selbst gelenkt und in einer kritischen Selbstevaluation auf
einer kognitiven Metaebene nach Ursachen für die Fehleinschätzungen gefahndet. Dadurch kann es zu einer negativen
Selbsteinschätzung kommen, die bei Nichtauflösung die Qualität der Dyade verschlechtern könnte. Insbesondere die Phase
der negativen Selbstevaluation scheint den gravierenden Unterschied zu deutschen Verhaltensmustern auszumachen: Der
Fortbestand der „Wir-Einheit“ wird in einem so starken Maß
angestrebt, dass individuelle Absichten oder Ziele völlig zugunsten der Harmoniewahrung zurückgestellt werden, während man in Deutschland wohl eher den Abbruch einer Beziehung vorziehen würde.
Beide Partner müssen nun über entsprechende Empathiefähigkeit verfügen, um erstens den Störfaktor in ihrer Dyade
überhaupt zu erkennen und nonverbale Signale, die vom
Partner kommen, wahrzunehmen. Zweitens müssen sie über
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
die Fähigkeit zur Inferenzbildung und zum Interpretieren des
Verhaltens des Gegenübers sowie zur Bewusstmachung und
kritischen Hinterfragung der eigenen, als Reaktion entstandenen Gefühle verfügen. Drittens müssen sie das Feingefühl
besitzen, einen Shimjung-Diskurs zu initiieren, in dem der negative Gefühlsstatus gelöst, die Beziehung im Dialog extern
validiert und neu austariert werden kann. In solch einem Dialog werden Gefühle offengelegt, es wird sich „ausgesprochen“, wobei die gemeinsame Interaktionsgeschichte betont
und die Notwendigkeit des weiteren Zusammenhaltens aufgrund des gemeinsamen Schicksals, das beide verbindet, über
die empfundenen Differenzen gestellt wird. Choi / Kim bezeichnen diese Phase als „shimjung pour-out“ (2008:218).
Oberstes Ziel ist bei beiden Interaktionspartnern, sich gegenseitig durch das Gespräch über den Wert ihrer Beziehung zu
versichern, einander für beidseitiges Verständnis zu motivieren und ihre Dyade zugunsten von Harmonieerhalt unbedingt
aufrecht zu erhalten und möglichst zu vertiefen.
4.2
Jung (정) – Zwischenmenschlichkeit und Wir-Gefühl
Ein Shimjung-Diskurs findet dabei immer auf dem Hintergrund von Jung (정) statt. Anders als Shimjung ist Jung ein
post hoc empfundenes Gefühl, das den Status Quo, also die
qualitative, affektiv-emotionale Tiefe einer Beziehung umschreibt. Es ist im Gegensatz zu Shimjung statisch und entsteht aufgrund der gemeinsamen Interaktionsgeschichte,
gemeinsamer Erlebnisse sowie gemeinsamer Ziele und der
Empfindung eines gemeinsamen Schicksals, was beide Partner miteinander verbindet. Es ist Grund für das empfundene
„Wir-Gefühl“ in einer Dyade. Jung ist also der „Leim“, der
eine Beziehung zusammenhält. Kommt es zu einer ShimjungEpisode, so bildet Jung die Interpretationsbasis sowohl zur
Analyse nonverbaler Signale, die in der Interaktion gedeutet
werden müssen, als auch zur Aushandlung der Problemsituation. Je länger und enger die gemeinsame Interaktionsgeschichte der beiden Partner ist, desto mehr Jung bzw. „WirGefühl“ hat sich zwischen beiden entwickelt und desto detaillierter ist der Interpretationsrahmen, auf dem das Verhalten des Partners inferiert werden kann, und daraus folgend,
desto vertrauter, wortloser, sprich harmonischer „from one
mind and shimjung to another“ (Choi / Kim 2006:364) können sich beide in ihrer Beziehung bewegen.
Jung findet sich im aktiven Alltagswortschatz des Koreanischen wieder. So ist ein Mensch mit viel Jung warmherzig,
umgänglich und menschlich, während ein Mensch ohne Jung
als kaltherzig, egoistisch und beziehungsunfähig gilt. Jung ist
ein Konzept, das Reziprozität impliziert: Menschen geben
Jung an Menschen, die auch viel Jung zeigen. Aber Men-
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
schen teilen ihr Jung nicht mit Menschen ohne Jung (hierzu
Lim / Choi 1996:134).
Wie eingangs beschrieben, wertet der Konfuzianismus reziproke Beziehungen zu anderen Menschen als Fundament einer funktionierenden Gesellschaft. Das Fortbestehen einer
interpersonalen Beziehung ist also essentiell für Koreaner.
Selten werden Beziehungen aufgrund von Differenzen abgebrochen. Vielmehr bemühen sich Menschen unbewusst,
affektiv-emotional um ihre Netzwerke und sind bestrebt, diese um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Den Unterschied zu
westlichen Konzepten von „Gemeinschaftssinn“ oder „Hingabe“ beschreiben Lim / Choi (1996:132f.) wie folgt:
„ [...] jung comprises the forces of inertia of a relationship. Jung is what ties
two or more persons together, what keeps a relationship going. This aspect
of jung, that is, the force of inertia of a relationship, is very different from
the Western concept of commitment. Whereas commitment is conscious
and obligatory, jung is unconscious and voluntary.“
Choi / Han definieren einen westlichen „Faktenmodus“
(2008:114), demzufolge Menschen aus westlichen Kulturen
in ihren Beziehungen vorrangig am Austausch von Inhalten
und Meinungen sowie der Umsetzung gemeinsamer Ziele
interessiert sind und die Interaktion zwischen zwei Individuen
stattfindet, die sich trotz Beziehung als eigenständige Einheiten betrachten. Im koreanischen „Shimjung-modus“ (Choi /
Han 2008) hingegen werden das „Ich“ und individuelle Ziele
zugunsten eines harmonischen „Wir-Gefühls“ aufgelöst, und
beide Interaktionspartner verschmelzen zu einer Einheit
(2008:214). Dieses „Wir-Gefühl“, so führen sie aus „[...] is a
mentality that transcends an agreggate of individuals. For Koreans, forming a close relationships with others has special
meanings to their self – the me-self is extended to become
we-self“ (Choi / Han 2008:206).
Dabei wird das „Wir“, das in Beziehungen zu NichtFamilienangehörigen etabliert wird, eben als Ausdehnung
familiärer Bande betrachtet und empfunden (Choi / Han
2008:207).
Jung ist also eine solide, emotionale Verbundenheit zwischen
Menschen, die Beziehungen stabil und langfristig machen.
Damit verbunden ist eine Form „komplementärer,
assymmetrischer Reziprozität“ (Yum 1988:375), die im Sinne
konfuzianischer Prinzipien Humanität, Solidarität und Altruismus hervorheben, Kollektivismus betonen und als das gegenteilige Konzept von kalkuliertem Profit und individueller
Selbstverwirklichung gewertet werden. Gegenseitige Abhängigkeit und Schuld werden dabei, im Kontrast zu deutschem
Denken, nicht als etwas Negatives oder Unangenehmes betrachtet, sondern vielmehr als notwendiges Element menschlicher Beziehungen (Park / Kim 2006:424, Yum 1988:377f.).
99
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
Aus den engen interpersonalen Verflechtungen entstehen
exklusive Beziehungsnetzwerke, in denen sich Mitglieder aufgrund der emotionalen Bindung einander verpflichtet fühlen
und füreinander ein hohes Maß an Fürsorge und Loyalität
empfinden. Daraus entsteht eine Neigung zu partikulärem
Verhalten, das die Gruppe fast resistent gegenüber äußeren
Einflüssen macht. In den Untersuchungen von Trompenaars
und Hampden-Turner (1998) lassen sich Bestätigungen dieses
Partikularismus finden: Beide befragten ihre Teilnehmer in
interkulturellen Trainingsseminaren, wie sie das Verhalten eines Freundes beurteilen würden, der einen Gesetzesbruch
oder Vertragsverstoß begangen hat. Teilnehmer aus universalistischen Ländern, in denen Gesetze und Regeln als weniger flexibel verhandelbar und eher als absolute Gegebenheiten betrachtet werden, tendierten dazu, das Verhalten zu
sanktionieren und plädierten für Bestrafung. Koreanische
Teilnehmer neigten dazu, das Verhalten des Freundes zu entschuldigen, die Schwere des Vergehens zu relativieren, und
hätten im Falle einer Gerichtsverhandlung zugunsten des
Freundes Falschaussagen in Betracht gezogen (Trompenaars /
Hampden-Turner 1998:29ff.). Koreaner scheinen also das
Verhalten von Menschen, mit denen sie in einer Beziehung
stehen, in spezifischen Situationen weniger in Hinblick auf
abstrakte juristische Gesetzmäßigkeiten oder ethischmoralische Normen zu urteilen, sondern zu empathischen
Urteilen zu neigen, in die sie ihre gemeinsamen Beziehungsgeschichte und Beziehungstiefe in die Bewertung des Verhaltens einfließen lassen und so Loyalität über Objektivität stellen (Kim 1994:47f.).
4.3
Harmonie durch Gesichtwahren – Chemyon (체체)
Das Jung-Gefühl, das zwischen Mitgliedern einer Beziehung
bzw. einer Gruppe wirksam ist, macht das Beziehungsnetzwerk resistent gegenüber äußeren Einflüssen und führt zu
exklusivem Ingroup/Outgroup-Verhalten (Nisbett 2009). Mitglieder eines Netzwerks sind stark motiviert, Harmonie, Konformität und Konsens zu bewahren und Risiken zu vermeiden, die die Verbindung verletzten könnten. Solche Risiken in
der koreanischen Interaktion sind verbunden mit der „Wahrung des Gesichts“. Ebenso wie in vielen anderen asiatischen
Ländern spielt auch in Korea das soziale „Gesicht“ eine weitaus bedeutendere Rolle als in westlichen Kulturen. Allgemein
umfasst das „Gesicht“ drei Dimensionen: Es ist das persönliche Image des Selbst, das sich aus positiven sozialen Wertvorstellungen ableitet und in Interaktionen mit Anderen beansprucht wird (Goffman 1967 zit. nach Lim / Choi
1996:129ff.).
Lim und Choi (1996) vergleichen das Konzept von „Gesicht“
in westlichen, individualistischen Kulturen und das Konzept
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
von Chemyon (체체) der koreanischen, kollektivistischen Kultur. Dabei differenzieren sie Unterschiede in eben diesen drei
Dimensionen: In westlichen Kulturen wird das Gesicht zum
größten Teil als individuelles, psychologisches Image des
Selbst betrachtet, das ein Mensch aufgrund seiner bisherigen
Leistungen und Taten für sich selbst beansprucht. In der Interaktion mit Anderen bekräftigt er seinen „soziale Wert“. Er
hat bspw. aufgrund seines „Gesicht-Wertes“ die Freiheit, seine Ansichten durchzusetzen und Anderen zuzustimmen bzw.
zu widersprechen. Das Gesicht wird eher als Eigentum des
Individuums und als individuelle Errungenschaft angesehen,
was auf die Betonung des Selbstbildes des Menschen als autonomes, selbstverantwortliches Wesen zurückzuführen ist. In
Interaktionen geht es für Menschen aus individualistischen
Kulturen vor allem darum, das eigene Gesicht zu schützen
(Lim / Choi 1996:124ff.).
Im Gegensatz dazu wird das Konzept des Gesichts in der koreanischen Kultur eher als etwas betrachtet, dass einem aufgrund seiner Position und seines Status´ im hierarchischen
Gesellschaftsgefüge zugeschrieben wird. Es wird gewahrt,
indem man den Erwartungen, Normalitäts- und Wertvorstellungen der Gesellschaft durch sein Auftreten und Handeln
entspricht. Es ist also ein kollektives Konzept und weniger
individuell erstanden als in westlichen Kulturen. Um eine
harmonische Interaktion gestalten zu können, ist es wichtig,
das Chemyon des Interaktionspartners zu respektieren und
empathisch und sensibel vorzugehen, um es nicht zu verletzen. Besonders in Shimjung-Situationen ist es für den
Shimjung-empfindenen Partner wichtig, nicht sein Gesicht zu
verlieren, indem er durch kritische Selbstreflexion seine Rolle
in der Dyade prüft und einen offenen Gefühlsausbruch wie
Enttäuschung oder Wut vermeidet. Gleichzeitig ist es wichtig,
durch empathisches Vorgehen bei der Auflösung der Problemsituation das Chemyon des Gegenübers ebenso zu wahren und ihm darüber hinaus Gesicht „zu verleihen“. In diesem Aspekt unterscheiden sich asiatische Konzepte von „Gesicht“ von westlichen, was von Shim, Kim und Martin
(2008:36) wiefolgt zusammengefasst wird:
„In general, face giving seems to be more of an Eastern concern […]. To
Asians, face giving means allowing room for the other person to recover
his/her face – room to maneuver, to negotiate – so one can gain face in the
end. For Westerners, face seems to be a dichotomous concept: we either
lose face or save face. For Easterners, face is considered to be a mutual,
interdependent concept, and is a relational and group phenomenon.”
Koreaner verwenden im Vergleich zu Deutschen einen immensen Teil ihrer Freizeit darauf, ihre interpersonalen Beziehungen und Netzwerke zu pflegen, um so weitere Beziehungsgeschichte und Jung zu schaffen, die Verbindungen
vertiefen und hamonisieren. Im Arbeitsleben sind zwischen
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
Kollegen regelmäßige informelle Abendessen mit anschließendem Kneipenbesuch gang und gäbe. Ebenso gehören
Alumnitreffen dazu sowie aktive Mitgliedschaft in Vereinen.
Lim / Choi (1996:128) bezeichnen diese Anstrengungen als
„chemyon maintenance activities“. Trotz zunehmender individualistischer Tendenzen ist Kim (2003:112) der Ansicht,
dass sich solche Anstrengungen vor allem im Arbeitsleben in
den letzten Jahren aufgrund zunehmender Unsicherheit auf
dem Arbeitsmarkt sogar verstärkt haben und prognostiziert,
dass sie weiterhin eine essentielle Rolle im Alltag der Koreaner spielen werden. Darüber hinaus vermutet u.a. Koh
(2004:118f.), dass konfuzianische Werte bei der Beziehungspflege als Gegenbewegung zu Individualisierung und damit
verbundener wachsender menschlicher Isolierung eine Art
Renaissance erleben und dadurch auch zukünftig weiterleben
werden.
4.4
Nunchi (눈눈) – die soziale Kompetenz in Kommunikationssituationen
Die Betonung von Emotionen und nonverbaler Kommunikation machen Korea zu einer „high-context-culture“ (Hall
1989:105ff.), die sich durch ein hohes Maß an Implizitheit
und Indirektheit auszeichnet. Koreaner betrachten effektive
Kommunikation eher als partikulär statt universell: Durch die
Notwendigkeit, kommunikative Akte immer auch mit hierarchischer Positionierungen und Chemyon zu balancieren, wird
oft vermieden, Äußerungen direkt, explizit zu vermitteln,
sondern sie werden bevorzugt durch den situativen Kontext
kommuniziert. Die interpersonale Beziehung, in der Kommunikationspartner zueinander stehen, spielt also eine weitaus
wichtigere Rolle als der rein inhaltliche Austausch von Äußerungen (Lim / Choi 1996:130). Um non- und paraverbale Signale, die in kommunikativen Akten mittransportiert werden
und Wünsche oder Absichten implizieren oder ShimjungEruptionen anzeigen, interpretieren zu können, ist es für ein
angemessenes Verhalten unabdinglich, „zwischen den Zeilen
zu lesen“. Diese Fähigkeit wird im Koreanischen Nunchi (눈눈)
genannt, was auch mit Taktgefühl, Weitsichtigkeit oder
Empathievermögen umschrieben werden kann. Nunchi wird
als die Determinante für Erfolg oder Misserfolg in der Interaktion betrachtet (Kim 2003:99). Es hilft sowohl, die situative
Gefühlslage des Interaktionspartners einzuschätzen, als auch
implizite oder ambigue Äußerungen zu interpretieren, um das
eigene Handeln danach ausrichten zu können. Daher ist es
eine wichtige kommunikative Fähigkeit, um das Chemyon des
Gegenübers zu schützen und ggf. anzuheben, Jung aufzubauen und sich ganz allgemein angemessen in koreanischen
Kommunikationssituationen verhalten zu können. Je mehr
Wissen Interaktionspartner voreinander haben, desto größer
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
ist die Interpretationsbasis, auf der Nunchi wirksam werden
kann und desto reibungsloser und harmonischer funktioniert
die Kommunikation.
Folgende Beispiele sollen die Wirkungsweise von Nunchi verdeutlichen: Wäre ein Freund in Geldnot, so würde er dieses
Problem, um sein Chemyon zu wahren, nicht direkt ansprechen. Durch Nunchi jedoch könnte sein Freund diese Situation erfassen und ihm ohne direkte Aufforderung Geld leihen
bzw. ihn einladen. Ebenso wird Nunchi im Arbeitsleben unter
hierarchisch Untergebenen und Vorgesetzten aktiv, wenn es
um die Klärung von Problemen geht. Der richtige Zeitpunkt
bspw. für die Bitte um Urlaubstage wird durch Nunchi ausgelotet oder mögliche Erwartungen des Vorgesetzten über Arbeitspensum oder zu erledigende Aufgaben können mittels
Nunchi vorausgesehen werden. Beim Diskutieren spielt
Nunchi eine wichtige Rolle, die Position des Gegenübers richtig zu verstehen und nicht durch zu direktes Vorgehen die
Integrität seiner Person infrage zu stellen und ihm so das
Chemyon zu verletzen8.
Nunchi besteht also aus zwei Komponenten: Dekodierung
nonverbaler Signale sowie Ausführung der erwarteten Handlung bzw. Reaktion (Shim / Kim / Martin 2008:74). Generell
gilt in Korea die Fähigkeit, sich angemessen in interpersonalen Beziehungen zu bewegen und sie aufrecht zu erhalten,
nicht nur als individuelles Charaktermerkmal, sondern als soziale Kompetenz (Kim 2003:107, Lim / Choi 1996:132, Kim
1994:48). Einer Studie von Park und Kim (2006) zufolge betrachtet die Mehrheit der Koreaner Erfolg im Schul- und Arbeitsleben als ein Resultat aus Selbstregulation (Einsatzbereitschaft, Wille, Geduld, Ausdauer) und Unterstützung aus dem
sozialen Umfeld. Gleich an zweiter Stelle wurden Faktoren
wie die Fähigkeit, harmonische Beziehungen zu erhalten, als
Erfolgsgrund genannt, während die Rolle von Kenntnissen
und fachlichen Qualifikationen an letzter Stelle angegeben
wurden (2006:431ff.).
5.
Die asiazentrische Perspektive in der Kommunikation
Um sich in Kommunikationssituationen, insbesondere im
interkulturellen Kontext, angemessen verhalten zu können, ist
es unabdinglich, das kulturgeprägte Weltbild, vor dessen Hintergrund Kommunikation stattfindet und Menschen miteinander agieren, zu begreifen. Weltbilder sind verschieden.
Daher spielen bspw. in Korea in interpersonalen Beziehungen
und Kommunikationssituationen andere Prämissen eine Rolle
als in Deutschland. Miike (2007:273ff. und 2009:41ff.) fasst
diese Prämissen zusammen und formuliert sie gleichzeitig als
Proposition an westliche Kulturen, ihr eigenes Weltbild um
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
eine asiazentrische Perspektive zu erweitern. Demzufolge
wird Kommunikation aus asiazentrischer Sicht als ein Prozess
betrachtet,
1.) in dem Menschen sich ihrer Abhängigkeit und Verbundenheit mit anderen Menschen bewusst werden und ihren
Platz in sich erweiternden Netzwerken von Beziehungen immer wieder neu bestätigen bzw. neu definieren.
2.) in dem Menschen egoistische Absichten zugunsten von
Zwischenmenschlichkeit und Kooperationsfähigkeit mit Mitmenschen zurückstellen.
3.) in dem Gefühle der Interaktionspartner ebenso wie inhaltliche Absichten wahrgenommen und berücksichtigt werden.
4.) in dem Menschen ihre humanen, reziproken Verpflichtungen gegenüber Mitmenschen wahrnehmen und sie über
Kommunikationsabsichten wie Manipulation, Profit- oder sozialen Prestigezuwachs stellen.
5.) in dem das Hauptziel aus der Wahrung und Herstellung
von Harmonie besteht.
Kommunikationstheorien, die Mentalität und Weltbilder
nicht-westlicher Kulturen durch eine „westliche Brille“ betrachten, so kritisieren asiatischen Wissenschaftler, sind geprägt von eurozentrischen Weltbildern, die unter dem Wirkungskreis der Aufklärung stehen, die Rationalität, Individualität, Autonomität und Selbst-Bewusstsein zu den obersten
Prinzipien im philosophischen Denken erhob (Miike 2007,
2009, Kim / Park 2006, Hwang 2006, Choi / Han 2008, Choi
/ Kim 2006 u.a.). Im Gegensatz dazu werden in der koreanischen Kultur, die unter dem Wirkungskreis des Konfuzianismus steht, andere Werte hervorgehoben: Kommunikation
bedeutet, sich in Abhängigkeitsverhältnisse zu begeben und
Individualität zugunsten von Harmonie in interpersonalen Beziehungen aufzulösen. Das Ziel dieser Arbeit bestand darin,
für einige genuin koreanische Phänomene zu sensibilisieren
und die herausragende Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion zu verdeutlichen. Es ist zu erwarten,
dass in Zukunft die indigene Psychologie im asiatischen Raum
weiterhin eine wichtige Rolle dabei spielen wird, kulturgebundene Besonderheiten im Interaktions- und Kommunikationsverhalten freizulegen und somit hilfreiche Beiträge zur
interkulturellen Verständigung leisten zu können.
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
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*This work was supported by Hankuk University of Foreign
Studies Research Fund 2011.
1
Eine der ältesten Institutionen in Korea, die auch heute noch
die Lehren des Konfuzius´ vermittelt und sich aktiv für den
Erhalt und die Förderung konfuzianischer ethischer Werte
einsetzt, ist beispielsweise die Sung Kyun Kwan Universität,
die mit der Sung Kyun Kwan Confucian Association Seoul
zusammenarbeitet (hierzu insbesondere ein Interview mit
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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion
dem Präsident der Sung Kyun Kwan Confucian Association
von Lee Hyo-won (2010) „Confucianism is in synch with
modern
times“;
abrufbar
unter
www.koreatimes.co.kr/www/news/special/2010/05/178_667
46.html [29.1.2011]). Darüber hinaus gibt es Vereinigungen
konfuzianischer Gelehrter wie Yurim und Dam-soo-hoe in
Andong sowie Regionalverbände, die sich um Tempelpflege
und Wissenstransfer konfuzianischer Lehren kümmern.
2
Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen zu Umfrageergebnisse von Park / Kim (2006) und Han / Choe (1994) zum
elterlichen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten von Jugendlichen.
3
Koh zählt durchschnittlich 10 Riten pro Jahr, die von Koreanern im Sinne konfuzianischer Traditionen durchgeführt werden (1996:195).
4
Genauere Ausführungen zum Wirken von Alumnivereinigungen finden sich insbesondere in Shim / Kim / Martin
(2008) und Han / Choe (1994).
5
Siehe Shim Jae-yun (2010): „Kyungmin College focuses on
practical education based on filial piety.“ Korean Times vom
6.12.2010.
6
Siehe Kim Ji-soo (2010): „Filling the philosophical void.“ Korean Times vom 28.1.2011.
7
Auch die absolute Kontrolle über die eigene Gefühlswelt
wurde im alten Korea als konfuzianische Grundtugend betrachtet. Gefühlsausbrüche wurden als Hindernis bei der Erlangung des vollkommenen Wissens und der Wahrheitsfindung betrachtet. Selbstkultivierung bedeutete vor allem Beherrschung von Emotionen und Unterdrückung solcher irrationaler Störfaktoren (Koh 2004, Kim 2003, Kim 1996).
8
Das Trainingsprogramm von Brüch / Thomas (2007) bietet
einen lesenswerten, reichhaltigen Fundus an authentischen
critical incidents, die zwischen Deutschen und Koreanern im
Geschäftsleben entstanden sind und insbesondere das Wirken von Nunchi und Chemyon weiter verdeutlichen können.
107
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Rezensionen
109
Sterner, Barbara (2010): Public Relations in multinationalen
Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination
und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen
Finanzdienst-leistungsunternehmen
Rezensiert von: Alexandra Stang
113
Zapf, Elke Christine (2009): Interkulturelle
Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen.
Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum
Rezensiert von: Alexandra Stang
117
Knüttel, Katharina / Martin Seeliger (Hrsg.) (2011):
Intersektionalität und Kulturindustrie.
Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller
Repräsentationen.
Rezensiert von: Kathrin Best
Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“
von Barbara Sterner
„Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative
Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung
von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“
von Barbara Sterner
Rezension
Alexandra Stang
Überall dort, wo eine „pankollektive Klammer“ (Hansen
2009:129) in Form eines gemeinsamen Codes, zum Beispiel
einer Sprache oder gleichen Werten, fehlt, entstehen in der
internationalen Praxis häufig Reibungsverluste und Widersprüche im öffentlichen Auftritt. Öffentlichkeitsarbeit ist eine
von zahlreichen Elementen interkultureller Öffnung. Wer länderübergreifend Public Relations verantwortet, sollte sich aus
diesem Grunde über kulturspezifische Sachverhalte Gedanken
machen, denn Kommunikation ist immer auch eine Konstruktion von Wirklichkeit (Luhmann 1995).
Projektmitarbeiterin Publikationen
und Interkulturelle Bildung an der
TU Kaiserslautern
Durch die Globalisierungsprozesse hat die Relevanz internationaler Public Relations als eine Form der Organisationskommunikation in den letzten Jahren stark an Bedeutung
gewonnen. Glaubwürdige und nachhaltige Kommunikation
ist daher das Öl im Getriebe eines jeden international aufgestellten Unternehmens, da diese das kritische Urteil der Öffentlichkeit bedenken müssen. Die Art und Weise, wie jedoch
miteinander kommuniziert wird, ist stark vom jeweiligen kulturellen Hintergrund geprägt.
Interne wie externe Unternehmenskommunikation muss die
unterschiedlichen Themen, Interessen und Anliegen der einzelnen Bereiche kennen, aufgreifen, gegebenenfalls vermitteln und ausgleichen. Kommunikation schafft den Rahmen
für einen glaubwürdigen, werteorientierten und Vertrauen
schaffenden Dialog mit allen internen und externen Stakeholdern. So lassen sich Prozesse harmonisieren und eine weitgehend geteilte Unternehmenskultur entwickeln, die die jeweiligen kulturellen Stile mit berücksichtigt. In der Wissenschaft wurde bereits mehrfach auf den Einfluss von kommunikativen und kulturellen Spezifika hingewiesen (vgl. hierzu
Bolten et al. 1996, Bolten 1999). Anders herum gefragt: Wie
global oder lokal müssen heute PR Strategien in multinationalen Wirtschaftsorganisationen sein?
Die vorliegende Publikation „Public Relations in multinationalen Unternehmen“ von Barbara Sterner ordnet sich thematisch in die Schriftenreihe der Saarbrücker Studien zur Interkulturellen Kommunikation mit Schwerpunkt Frankreich und
Deutschland ein. Die durchgeführte Fallstudie greift den beschriebenen Sachverhalt auf. Sie widmet sich inhaltlich der
Öffentlichkeitsarbeit und ihrer kommunikativen Ausgestaltung am Beispiel eines multinationalen Finanzunternehmens
in Deutschland und seinen Tochtergesellschaften in Frankreich und den USA. Die Untersuchung gliedert sich dabei in
einen theoretischen Abschnitt zur Entwicklung und Bedeutung der Public Relations und einen empirischen Analyseteil.
Dazu führt die Autorin neben einer kommunikativen Stilana109
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Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“
von Barbara Sterner
lyse als Methodik der Kulturbeschreibung auch eine qualitative Befragung von Mitarbeitern in internationalen Pressestellen in der Versicherungswirtschaft durch. Die Ergebnisse geben einen interessanten Aufschluss darüber, wie ein multinational aufgestelltes Unternehmen heute seine Öffentlichkeitsarbeit koordiniert. Darauf aufbauend entwirft die Autorin ein
Modell zur Ausgestaltung von PR-Maßnahmen in internationalen Kontexten, das auf andere kulturelle Kontexte übertragbar ist.
Im ersten Abschnitt der Ausarbeitung beschäftigt sich Barbara
Sterner dazu ausführlich mit den vielfältigen Ansätzen der
aktuellen PR-Forschung und ihren Anwendungsfeldern in der
Wirtschaft. Dabei grenzt sie Public Relations von der klassischen Werbung ab. Danach schließt eine kritische Diskussion
von bekannten Kommunikations- und Kulturmodellen den
theoretischen Grundlagenteil der Arbeit ab. Dieser verweist
gleichsam auf den Zusammenhang von Unternehmenskommunikation und Unternehmenskultur.
Der zweite Teil beschäftigt sich ausführlich mit dem methodischen Vorgehen der Auswertung. Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung, Interviewund Dokumentenanalyse.
Den Kern der Arbeit bildet eine vergleichende Medienanalyse
von Geschäftsberichten und Webseiten bei ausgewählten
Tochterunternehmen in Frankreich und den USA und der
Konzernzentrale in Deutschland. Diese werden auf ihre
kommunikativen Unterschiede hin analysiert und mit den Ergebnissen der Interviewaussagen der PR-Mitarbeitern und der
teilnehmenden Beobachtung in Bezug gesetzt. Daraus leiten
sich abschließend die Einflussfaktoren auf die Ausgestaltung
und Koordination von PR-Maßnahmen im deutschfranzösisch-US-amerikanischen Kontext ab.
Die Publikation vermittelt Kenntnisse und Kompetenzen zur
optimalen und zielgerichteten Gestaltung von Kommunikationsprozessen im Rahmen der internationalen Öffentlichkeitsarbeit. Um den spezifischen Wahrnehmungs- und Kommunikationsgewohnheiten der unterschiedlichen Zielgruppen
gerecht werden zu können, plädiert die Autorin für eine differenzierte Herangehensweise, die die jeweiligen Stilmerkale
berücksichtigt.
Die Autorin wendet sich mit ihrer Dissertation insgesamt an
eine breite Leserschaft und möchte für die Herausforderungen in der grenzüberschreitenden Public Relations und einem
mehrsprachigen Umfeld sensibilisieren. Kommunikationswissenschaftler als auch Fach- und Führungskräfte, die in internationalen Unternehmen die Öffentlichkeitsarbeit auf opera-
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Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“
von Barbara Sterner
tiver oder strategischer Ebene verantworten, können gleichsam von der Lektüre des Buches profitieren.
Sterner, Barbara (2010): Public Relations in multinationalen
Unternehmen. Eine explorative Fallstudie zur Koordination
und Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag. 347 Seiten. Preis 36,00 EUR. ISBN 978-3-86110-484-1.
Literatur
Bolten, Jürgen / Dathe, Marion et al. (1996): Interkulturalität,
Interlingualität und Standardisierung bei der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen. Gezeigt an amerikanischen, britischen, deutschen, französischen und russischen Geschäftsberichten. In: Baumann, Klaus-Dieter /
Kalverkämper, Hartwig (Hrsg.): Fachliche Textsorten. Komponenten - Relationen – Strategien. Tübingen: Narr Verlag, S. 389 - 425.
Bolten, Jürgen (1999): Kommunikativer Stil, kulturelles Gedächtnis und
Kommunikationsmonopole. In: Geißner, Hellmut (Hrsg.): Wirtschaftskommunikation in Europa = Business Communication in Europe. Tostedt:
Attikon Verlag, S. 113 - 131.
Hansen, Klaus P. (2009): Kultur, Kollektiv, Nation. Passau: Stutz Verlag.
Luhmann, Niklas (1995): Die Soziologie und der Mensch. 6. Soziologische
Aufklärung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
111
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Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf
„Interkulturelle Wirtschaftskommunikation
im kaufmännischen
Schulwesen. Eine
Untersuchung im
deutsch-französischen
Grenzraum“ von
Elke Christine Zapf
Alexandra Stang
Projektmitarbeiterin Publikationen
und Interkulturelle Bildung an der
TU Kaiserslautern
Rezension
„Die Internationalisierungsprozesse gehen mit weltweiten
Veränderungen einher und stellen nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche vor neue Herausforderungen“, schreibt die Autorin Elke Christine Zapf (2009:15). Die zitierten gesellschaftlichen Veränderungen erfordern heute von Berufstätigen
interkulturelle Handlungskompetenz und Mehrsprachigkeit.
Sie zählen im 21. Jahrhundert von daher zu den unabdingbaren Schlüsselqualifikationen, um ein konstruktives Miteinander ermöglichen zu können.
Die deutsch-französischen Beziehungen bilden bereits seit
Unterzeichnung des Elysée-Vertrags einen festen Bestandteil
des wirtschaftlichen Lebens in beiden Nachbarländern. Reibungsverluste, die auf unzureichende interkulturelle Kommunikationsfähigkeit und mangelnde Sprachkenntnisse schließen lassen, gibt es jedoch bis heute genügend. Den skizzierten Herausforderungen wird sich jedoch besonders im Berufsschulwesen nur am Rande gestellt, denn Französischunterricht in Berufsschulkontexten ist bis heute kein verbindliches
Unterrichtsfach.
Barmeyer (2000:127) spricht von daher zurecht von „kultureller Kurzsichtigkeit“. Mit anderen Worten: Interkulturelle Wirtschaftskompetenz - besonders in Grenzregionen - bedeutet
weit mehr, als nur Englischkenntnisse in Form einer Lingua
franca zu erwerben!
Die vorliegende Publikation „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen“ von Elke Christine Zapf ordnet sich thematisch in die Schriftenreihe der
Saarbrücker Studien zur Interkulturellen Kommunikation mit
Schwerpunkt Frankreich und Deutschland ein. Die Dissertation widmet sich im Fortgang „der Schnittstelle von interkultureller Forschung, Fremdsprachendidaktik, Wirtschaft und
der Praxis im beruflichen Schulwesen“ (Zapf 2009:16). Dabei
stehen drei inhaltliche Schwerpunkte im Mittelpunkt des Interesses: a) die Bedeutung der interkulturellen deutschfranzösischen Wirtschaftskommunikation, b) die persönliche
Sichtweise von Französischlehrkräften bezogen auf das Thema interkulturelle Kommunikation und c) die Frage nach einer angemessenen Verankerung in Lehrmaterialien.
Das Buch beschäftigt sich mit der Rolle, den gemachten Erfahrungen und Herausforderungen des wirtschafts- und berufsbezogenen Französischunterrichts in den Grenzregionen.
Die dafür notwendige Bedarfserhebung und Analyse der Interviewaussagen bezieht sich auf den Zeitraum von April bis
September 2004. Die getätigten Interviewaussagen und Ergebnisse sind aus diesem Grunde auch als eine zeitliche Ist-
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Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf
Momentaufnahme zu verstehen. Auf diesen Aspekt weist die
Autorin selbst mehrfach im Methodenteil ihrer Arbeit explizit
hin. Dies ist von besonderer Relevanz, um die Aussagen der
Interviewpartner bezogen auf Herkunft, Alter, Bildungsstand
und Tätigkeitsbereiche heute angemessen deuten zu können.
Im ersten Abschnitt der Ausarbeitung stehen das historisch
gewachsene deutsch-französische Beziehungsgeflecht in der
Wirtschaft und im Bildungswesen nach 1945 im Mittelpunkt.
Im Anschluss folgen didaktische Überlegungen zur Förderung
einer berufsbezogenen interkulturellen Kompetenz und adäquate Vermittlungsmöglichkeiten. Diese schließen landeskundliches Wissen, eine sprachliche Analysefähigkeit, interkulturelles Prozesswissen und verhaltensbezogene Aspekte
mit ein.
Im zweiten Teil ihrer Dissertation betrachtet die Autorin den
aktuellen Französischbedarf und Kenntnisstand von kaufmännischen Mitarbeitern in Wirtschaftsorganisationen (Stand
2004). Die Analysen der Aussagen zeigen einen deutlichen
Handlungsbedarf in der Förderung der produktiven und
rezeptiven berufsbezogenen Sprachfertigkeiten der befragten
Personen auf. Problematisch weisen sich gleichsam die diffusen Vorstellungen der Befragten zum Begriff „Interkulturelle
Kompetenz“. Dies macht deutlich, dass es einen erheblichen
Klärungsbedarf gibt, um insbesondere künftige Mitarbeiter
für interkulturelle Herausforderungen und Chancen in der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu sensibilisieren.
Der dritte Abschnitt des Buches beschäftigt sich mit der persönlichen Sichtweise der befragten Lehrkräfte und ihrer Unterrichtskonzepte. Insgesamt zeichnet sich hier ein sehr heterogenes Bild und Unsicherheit darüber ab, wie eine berufsbezogene interkulturelle Wirtschaftskompetenz im Fremdsprachenunterricht am besten umgesetzt werden kann. Dies ist
darauf zurückzuführen, dass die in der Studie befragten Lehrkräften in ihrer eigenen Ausbildungssozialisation mit explizit
interkulturellen wirtschaftsbezogenen Fragestellungen aus
didaktischer Sicht selten konfrontiert wurden. So wundert es
auch nicht, dass ein Teil des älteren Lehrpersonals mit den
heute an sie gestellten Erwartungen schlichtweg überfordert
ist (vgl. Bolten 2001). Dies muss stärker in der Lehrerfortbildung berücksichtigt werden.
Sprachvermittlung beinhaltet immer auch eine Kulturmittlerfunktion bzw. eine Förderung des Bewusstseins der eigenen
als auch der fremdsprachigen Kultur. Aus diesem Grund beschäftigt sich die Arbeit abschließend mit der Analyse der
eingesetzten französischen Lehrwerke. Aus der Perspektive
der Lehrwerkanalyse zieht die Autorin insgesamt ein positives
Fazit. Diese hat ergeben, dass die meisten Lehrwerke heute
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Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf
Wert darauf legen, ihre Zielgruppe zum sprachlichen und kulturell angemessenen Handeln zu befähigen.
Mit ihrer Publikation wendet sich die Autorin primär an
Französischlehrkräfte, die sich mit den Herausforderungen
der interkulturellen Fremdsprachendidaktik im Unterricht an
beruflichen Schulen beschäftigen. Letztlich geht es darum,
interkulturelle Aspekte und Fremdsprachenerwerb proaktiv
und langfristig in berufs- und wirtschaftspädagogische Fragestellungen zu integrieren und damit verbundene Stärken und
Schwächen zu beleuchten. Die Autorin appelliert an ihre Leserschaft, „dass das Fremdsprachenlernen und der Erwerb
interkultureller Kompetenz zu einer originären Aufgabe der
beruflichen Bildung gehören“ (Zapf 2009: 449).
Eine konkrete Anleitung dafür, wie dies umgesetzt werden
könnte, bietet das Buch jedoch nicht. Es lädt vielmehr dazu
ein, über neue Wege eines interkulturellen Lehrens und Lernens im Rahmen eines integrierten ganzheitlichen didaktischen Konzeptes nachzudenken. Ziel aller Bemühungen des
Berufsschulwesens sollte es sein, künftige Fachkräfte darauf
vorzubereiten, erfolgreich ein Auslandspraktikum durchzuführen bzw. in deutsch-französischen Kontexten gemeinsam
effektiv und verständnisvoll miteinander arbeiten zu können.
Die Autorin fordert daher zu einer aktiven Auseinandersetzung mit diesem komplexen Thema auf. Dazu gehören freilich auch entsprechende Qualifzierungs- und Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte an beruflichen Schulen.
Zapf, Elke Christine (2009): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. Eine Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag. 471 Seiten. Preis 48,00 EUR. ISBN 9783-86110-471-1.
Literatur
Barmeyer, Christoph I. (2000): Mentalitätsunterschiede und Marktchancen
im Frankreichgeschäft. Zur Zur interkulturellen Kommunikation im Handwerk (mit Schwerpunkt Saarland-Lothringen). St. Ingbert: Röhrig Universitäts Verlag.
Bolten, Jürgen (2001): Thesen zum interkulturellen Lernen in der Schule. In:
Jürgen Bolten, Daniela Schröter (Hrsg.). Im Netzwerk interkulturellen Handelns (S. 106-113). Sternenfels: Wissenschaft und Praxis.
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Best: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller
Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel und Martin Seeliger
„Intersektionalität und
Kulturindustrie.
Zum Verhältnis sozialer
Kategorien und kultureller
Repräsentationen“
herausgegeben von
Katharina Knüttel und
Martin Seeliger
Kathrin Best
M.A. in Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Architektur, Universität Wien, Teilnehmerin des Promotionsprogramms „Performance
and Media Studies“ der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz
Rezension
Der Begriff der Intersektionalität gewinnt in den Kulturwissenschaften mit Beginn der 1990er Jahre zunehmend an Bedeutung. Er bezeichnet die Überlagerung beziehungsweise
Komplexion sozialer Diskriminierungen in einer Person
(Behrens 2011:56) und betont dabei insbesondere die Tatsache, dass diese sich nicht ausschließlich addieren, sondern
sich ebenso gegenseitig verstärken oder abschwächen können.
Mit dem Sammelband „Intersektionalität und Kulturindutrie“
wollen Katharina Knüttel und Martin Seeliger einen Beitrag
zur Intersektionalitätsdebatte innerhalb der modernen Kulturwissenschaften leisten. Ziel der Soziologen ist es, eine analytische Verbindung zwischen kulturellen Artefakten und der
Reproduktion von Differenzmerkmalen herzustellen, das
heißt, „dem Zusammenwirken unterschiedlicher sozialer Kategorien mit Blick auf konkrete Kulturphänomene auf die
Schliche zu kommen“ (Knüttel / Seeliger 2011:8). Adäquat zu
dieser Fragestellung betrachten Knüttel und Seeliger Kultur
als ein „dynamisches Set von Symbolen, Artefakten und sozialen Praktiken“ (Knüttel / Seeliger 2011:15), das von den
Akteuren permanent neu ausgehandelt wird.
Die Gliederung des Sammelbandes erscheint nachvollziehbar:
In einem einleitenden Beitrag diskutieren die Herausgeber
richtungsweisende
soziologische
Konzepte
und
legen so den eigenen fachlichen Zugang offen. An diese Einführung schließen zwei weitere Grundlagentexte an, von
denen der eine verstärkt den Begriff der Intersektionalität, der
andere den der Kulturindustrie behandelt: Nina Degele und
Gabriele Winkler schlagen in ihrem Beitrag „'Leistung muss
sich wieder lohnen'. Zur intersektionalen Analyse kultureller
Symbole“ ein Instrumentarium vor, mit dessen Hilfe
Intersektionalität im Kulturbereich konkret erfasst werden
kann; Roger Behrens liefert mit seinem Aufsatz „Unterhaltung als Unterdrückung. Kulturindustrie, Intersektionalität
und Herrschaft“ einen kritischen Blick auf die historische
Entwicklung des Kulturindustrie-Begriffs.
An diese einleitenden Texte schließen sich insgesamt acht
weitere Beiträge an, die jeweils ein konkretes Phänomen der
Populärkultur im Hinblick auf die Reproduktion sozialer Differenzkategorien genauer unter die Lupe nehmen. Dem interdisziplinären Anspruch der Herausgeber wird der Sammelband insofern gerecht, als die vertretenen Wissenschaftler in
unterschiedlichen Fächern wie beispielsweise der Soziologie,
den Kultur- oder den Sprachwissenschaften beheimatet sind.
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Best: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller
Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel und Martin Seeliger
Wenngleich die Publikation schon aufgrund des Themas eindeutig an ein Fachpublikum gerichtet ist, so ist zumindest die
Mehrzahl der Texte auch für interessierte Laien verständlich:
Von den einschlägigen Fachtermini abgesehen kommen die
Autoren überwiegend ohne unnötige Verkomplizierungen
aus. Störend bezüglich der Lesbarkeit ist allerdings das nachlässige Lektorat, dem nicht nur zahlreiche Rechtschreib- und
Tippfehler, sondern auch grammatikalische Schnitzer entgangen sind. Leider korrespondiert die sprachliche Einfachheit
zudem mit der Inhaltsebene, so dass die Texte insgesamt
kaum neue Erkenntnisse liefern, sondern stattdessen grundsätzlich Bekanntes wiederholen. Der Eindruck von Banalität
wird außerdem dadurch verstärkt, dass die Autoren zum großen Teil keine wissenschaftlichen Methoden anwenden, sondern ihre vermeintlichen Erkenntnisse als bloße Behauptungen in den Raum stellen. Dabei scheinen sie oftmals derart
auf eine bestimmte Perspektive fixiert zu sein, dass bar jeder
Grundlage Argumente gesucht und Tatsachen, die nicht ins
Bild passen, schlichtweg ignoriert werden.
Besonders deutlich wird dies anhand des Beitrags „Zeitgenössische Frauenzeitschriften als kulturindustrieller Schnittpunkt“
von Thomas Hecken und Isabelle Middeke. Die von den Autoren im Zuge ihrer Forschungsarbeit entworfenen InterviewFragen sollen die Zielgruppenpolitik von Frauenmagazinen
aufdecken, wirken dabei aber derart suggestiv, dass es kaum
verwundert, dass von den neun adressierten Redaktionen
nicht eine einzige an der Untersuchung teilnehmen wollte.
Dieser Umstand hält die Autoren allerdings nicht davon ab,
den entstandenen Freiraum mit Spekulationen zu füllen, die
sich lediglich auf die Webpräsenz einer einzigen Zeitschrift
stützen und in erster Linie – nicht wissenschaftlich, sondern in
beleidigtem Ton – den Frust der Forscher über die gescheiterte Untersuchung zum Ausdruck bringen: „In acht von neun
Fällen wurden nicht einmal elementare Höflichkeitsregeln
eingehalten; auf eine kurze Antwort bzw. Absage glaubte
man verzichten zu können“ (Hecken / Middeke 2011:109).
Die folgenden Seiten verwenden die Autoren dazu, wenig
originell die Abwertung von Frauenzeitschriften als Unterhaltungsstoff beziehungsweise minderwertige journalistische
Produkte zu beklagen. Dabei fällt auf, dass sie selbst die entsprechenden Vorurteile reproduzieren, indem sie die Leserinnen der Hefte gegenüber der als überwiegend männlich charakterisierten Leserschaft politischer Magazine deutlich abgrenzen und gleichsam abwerten:
„Ihre eigene minderwertige oder unwerte Position im kulturellen, politischen und journalistischen Bereich wird von den Frauenzeitschriften selbst
nicht auf vergleichbare Weise zur Sprache gebracht und versuchsweise
aufgehoben. In einer Hinsicht besteht dazu tatsächlich kein Bedarf: ihr Anklang bei großen zwar nicht mit ökonomischem und kulturellem Kapital
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Best: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller
Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel und Martin Seeliger
ausgestatteten, aber wenigstens am Kiosk zahlungskräftigen Käuferschichten legitimiert ihr Vorgehen immerhin im unternehmerischen Sinne hinreichend.“ (Hecken / Middeke 2011:116f.)
Von einer wissenschaftlichen Analyse intersektionaler Prozesse sind die Autoren damit meilenweit entfernt, zumal soziale
Differenz in ihrem Beitrag auf die Kategorie männlich / weiblich reduziert bleibt.
Ein verhältnismäßig erfreuliches Beispiel ist demgegenüber
der Beitrag „'King Kong und die weiße Frau'. Konstitution
eines zivilisierten Selbst“ von Joe Schaefer-Rolffs. Der Autor
zeigt anhand seines Filmbeispiels schlüssig auf, wie rassistische und sexistische Stereotype miteinander verwoben sind.
Damit konzentriert er sich zwar auch nur auf zwei Differenzkategorien, lässt jedoch zumindest die Tendenz zu einer
intersektionalen Betrachtungsweise erkennen.
Insgesamt muss den Herausgebern zugestanden werden,
dass die formulierte Fragestellung ein brisantes und weitgehend neues Forschungsfeld eröffnet. Richtungsweisend ist
zudem der interdisziplinäre Zugang, da gerade fächerübergreifendes Denken häufig zu neuen Erkenntnissen führt. Bezüglich der inhaltlichen Tiefe sowie des Innovationscharakters
der Beiträge lässt die Publikation – von einigen positiven Ausnahmen abgesehen – allerdings noch Wünsche offen. Das
eingangs formulierte Ziel, die Intersektionalitätsdebatte für
die Analyse kultureller Artefakte nutzbar zu machen, kann
der Sammelband schon deshalb nicht einlösen, weil
Intersektionalität in der Mehrzahl der Beiträge gar nicht erst
verhandelt wird.
Knüttel, Katharina / Martin Seeliger (Hrsg.) (2011):
Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer
Kategorien und kultureller Repräsentationen. Bielefeld:
Transcript Verlag. 285 Seiten, Preis: 29,80 Euro, ISBN: 97838376-1494-7.
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Best: „Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller
Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel und Martin Seeliger
Literatur
Behrens, Roger (2011): Unterhaltung als Unterdrückung. Kulturindustrie,
Intersektionalität und Herrschaft. In: Knüttel, K. / M. Seeliger (Hrsg.):
Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien
und kultureller Repräsentationen. Bielefeld: Transcript Verlag, S:53-82.
Thomas Hecken / Isabelle Middeke (2011): Zeitgenössische Frauenzeitschriften als kulturindustrieller Schnittpunkt. In: Knüttel, K. / M. Seeliger (Hrsg.):
Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien
und kultureller Repräsentationen. Bielefeld: Transcript Verlag, S.105-129.
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