bevor es zu spät ist - BBE Handelsberatung

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bevor es zu spät ist - BBE Handelsberatung
TOP-THEMA I Liquidation
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HANDELN
BEVOR ES ZU SPÄT IST
Wenn ein Unternehmen in Schieflage gerät, dann kann das viele Gründe haben: neben
schlechter Konjunktur und erstarkten Mitbewerbern mit erhöhtem Werbedruck können das
zusätzlich ein schlechter Standort, fehlende Vermarktungskonzepte, falsche Investitionen
oder familiäre Schwierigkeiten sein. Nach Angaben der BBE Handelsberatung München
liegt die Quote der Möbelhändler, die akut Probleme haben oder diese in den nächsten
Jahren bekommen werden, bei rund einem Drittel. Die „möbel kultur“ zeigt am Fall Schott
aus Hochdorf auf, welche Konsequenzen die Branche daraus ziehen sollte.
ie Hoffnung stirbt zuletzt.“
So lautete die Antwort auf
die Frage an Walter Schott,
wie schwierig es war, zu begreifen, dass es irgendwann so nicht
mehr weitergehen konnte. Diese
Erkenntnis ist wohl bei allen das
Schwierigste, wenn das eigene
Unternehmen in Schieflage gerät.
Denn Schott hatte schon Ende der
90er Jahre gespürt, dass es in dem
Familienunternehmen nicht mehr
wirklich rund lief. Doch sein an-
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gestellter Geschäftsführer und
auch seine Geschwister und die
Mutter waren zu jener Zeit anderer Meinung. Zuerst sollten sie
auch Recht behalten. Zusätzlich
zum konventionellen Einrichtungshaus mit integriertem Discount- und Mitnahmemarkt wurde
im Jahr 2000 ein Küchenfachmarkt eröffnet, der überdurchschnittlich gut anlief. „Damals haben wir täglich drei bis fünf Küchen eingebaut“, erinnert sich
Walter Schott. Doch das Hoch
war nicht von langer Dauer. Um
die jährlich zweistelligen Umsatzrückgänge aufzufangen, wurde
weiter investiert – und die Überschuldung vorangetrieben, vor allem mithilfe der Kreissparkasse
vor Ort. 2003 hieß das: noch einmal 400.000 Euro für die Modernisierung der Polster- und Wohnzimmerabteilung, außerdem wurde eine neue Lagerhalle gebaut.
Doch spätestens zu diesem Zeit-
punkt hätte Schott die Richtung
ändern, vielmehr umlenken müssen – sogar wörtlich, denn das bis
dato auf rund 20.000 qm Geschäftsfläche (inklusive Lager)
gewachsene Einrichtungshaus war
für diesen Standort deutlich zu
groß geworden – und nicht mehr
rentabel zu bewirtschaften.
Mitte der 50er Jahre von Walter
Schotts Vater Xaver als Polstermöbel-Vertrieb gegründet, entwickelte sich das kleine Familienunternehmen mit Sitz im baden-württembergischen Hochdorf Schlag
auf Schlag weiter, blieb immer als
Polster-Spezialist in der Region
bekannt und baute das Sortiment
stets weiter aus. Anfang der 90er
Jahre kamen dann die neuen Vertriebsformen Discount („Sopo“)
und Mitnahme („Manni“) dazu, 2000 der Küchenfachmarkt
(„Creativ Küchen“).
Die Gründe für den Niedergang waren sicherlich vielfältig –
und auch die negative Branchenkonjunktur in den Jahren 2001 bis
2004 trug dazu bei. Doch ganz
sicher hausgemacht war die Entscheidung, an dem gewachsenen,
schlecht erreichbaren und mit
20.000 qm überdimensionierten
Standort in dem nur gut 2.000
Einwohner zählenden Ort Hochdorf zu bleiben. Denn auch die
Konkurrenz – vor allem Rieger in
Ulm (Küchen-Arena), Inhofer in
Senden, Rundel in Ravensburg
und Wassermann in Memmingen
– rüstete weiter auf, und erhöhte
den Werbedruck, bei dem Schott
nicht mehr mithalten konnte. „Im
Endeffekt waren wir für die Großen zu klein – und für die Kleinen zu groß“, weiß heute Walter
Schott. Denn auch eine Gesundschrumpfung, das heißt die Verkleinerung und Konzentration auf
Küche und Polster waren zum
Schluss nicht mehr machbar.
„Am Ende ist der Standort definitiv noch wichtiger als das Konzept“, betont Sebastian Deppe
von der BBE Handelsberatung in
München.
Im Herbst 2005 wurde es dann
eng für das ehemalige AllianceMitglied. Doch so richtig wahrhaben wollte es das Unternehmen
immer noch nicht. Hilfestellungen, auch von Verbandsseite, wurden nicht angenommen. „Oft ist
es falsch verstandener Stolz, wenn
ein Händler, der in Zahlungsschwierigkeiten gerät, sich nicht
an seinen Einkaufsverband wendet. Dabei gehört es doch heute zu
den Leistungen eines Full-Service-Verbands, das Mitglied auch
in solchen Fällen zu unterstützen
– und wenn nötig auch branchenerfahrene Unternehmensberater
oder Spezialisten in puncto Räumungsverkauf zu vermitteln“, so
Alliance-Geschäftsführer Andreas
Varnholt.
Der Druck der beiden involvierten Banken – der Kreissparkasse Biberach und der BW-Bank
stieg. Sie forderten inzwischen
auch den Einsatz von Unternehmensberatern – möglichst von
solchen, die die Bank festlegt.
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Die Umsätze gehen kontinuierlich zurück. Unternehmen reagiert
zu langsam und gleicht die Kosten nicht an die aktuelle Umsatzentwicklung an.
Die Rechnungen können auf Dauer nicht fristgemäß bezahlt
werden.
Die Gewinne reichen nicht mehr aus, um die Privatentnahmen
abzudecken.
Die Abschreibewerte sind geringer als die zu leistenden Tilgungen.
Das Unternehmen kann nicht einmal Teile notwendiger Investitionen
tätigen. Eine 100%ige Fremdkapitalfinanzierung wird notwendig.
Quelle: BBE Handelsberatung München, 5/2008
Hier geriet das Unternehmen erstmals in die Situation, nicht mehr
selbst bestimmen zu können, wie
es weitergehen soll. „Ein Unternehmer darf nicht zum Spielball
der Banken werden“, warnt Sebastian Deppe. „Agieren statt reagieren muss deshalb die Maßgabe
sein.“ Heißt: Früh genug selbst
dafür sorgen, dass das Unternehmen einer neutralen betriebswirtschaftlichen Betrachtung unterzogen wird. „Wir machen leider viel
Umsatz
2003
985.549
Schlaf- und
Jugendzimmer
Günter Göbel, Kundenmanager der BFS Finance
Umsatz VK-Fläche FlächenFlächenBenchmark
Benchmark
2004
leistung ‘03 leistung ‘04 Vollsortimentshaus Wohnkaufhaus
3.226 qm
306
277
800-1.000
-
Wohnzimmer 1.903.308 1.675.835 5.940 qm
und Polster
320
282
800-1.000
1.200
Esszimmer
819.304
778.312
2.200 qm
372
354
600-700
1.300
Kleinmöbel
456.250
388.915
525 qm
869
741
700-900
1.800
1.625
1.371
1.800-2.300
2.500
880
646
700-1.000
1.550
Küchen
Boutique
(gesamt)
Angaben in Euro
893.624
1.949.874 1.645.127 1.200 qm
677.477
497.094
770 qm
zu oft die Erfahrung, dass Steuerberater, aber auch Hausbanken bei
einer prekären Situation sehr stark
beschwichtigen. Es ist ein offenes
Geheimnis, dass unter der Hand
Tipps gegeben werden, wie beispielsweise ein Überschuldungsstatus nicht ausgewiesen werden
muss. Oder es werden Warenbestände mit den Verkaufspreisen
inklusive Mehrwertsteuer mit in
die Bewertung genommen.“ Wolfgang Gröll, Sanierungs-Experte
GERADE IM MÖBELHANDEL IST ES NOTWENDIG,
ALS ZR-DIENSTLEISTER IMMER WIEDER VOR
ORT ZU SEIN, UM SICH SELBST EIN BILD VON
DER LAGE EINES UNTERNEHMENS ZU MACHEN.
FLÄCHENLEISTUNGEN BEI MÖBEL SCHOTT
Warengruppe
!
FÜNF WARNZEICHEN
Quelle: BBE Handelsberatung München, 12/2005
In ihrer betriebswirtschaftlichen
Bewertung stellte die BBE Handelsberatung Ende 2005 fest, dass Möbel
Schott in den Bereichen Küche, Kleinmöbel und Boutique relativ stark war –
wenn auch die Quadratmeter-Umsätze
weiter zurückgingen. Dabei sind die
Benchmarks der Vollsortimentshäuser
bzw. der Wohnkaufhäuser als Renditeschwelle zu sehen.
In den Segmenten Polstermöbel und
Esszimmer wurde Schott wiederum –
aufgrund seiner Geschichte – als
kompetent wahrgenommen. Was sich
allerdings nicht in den Umsätzen
widerspiegelte. Auch Wohnzimmer
liefen schlecht. Insgesamt stellte die
BBE Ende 2005 fest, dass sich der
Flächenüberhang über sämtliche
Warengruppen zog: „Aus Marktsicht
wird nur ca. die halbe Fläche benötigt,
um rentabel zu arbeiten.“
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TOP-THEMA I Liquidation
WAS IM SANIERUNGSFALL
ZU TUN IST:
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Zunächst ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass Sanierungsbemühungen nicht nur Unternehmen betreffen, die sich
in Schwierigkeiten befinden.
Regelmäßig – mindestens alle zwei bis drei Jahre – sollte der
Möbelhändler einen externen Spezialisten zu Rate ziehen. Denn
aufgrund der meist sehr engen und langjährigen Beziehungen
zu Steuerberatern, Bankberatern sowie Rechtsanwälten ist es
oftmals sehr schwierig, sich von diesen Personenkreisen eine
neutrale Beurteilung einzuholen.
Die Sanierung beginnt in der Regel mit der Neuausrichtung
der Unternehmensphilosophie. Eine ständige Anpassung an
die aktuelle Marktsituation ist in einem Rhythmus von zwei
bis fünf Jahren notwendig. Grundsätzlich ist es so, dass zu
Beginn einer Schieflage lediglich die Abschwächung des
Marktauftrittes sichtbar ist. Danach folgt meistens der
Rückgang des Betriebsergebnisses – und erst dann wird
die Sanierungsnotwendigkeit an der mangelnden Liquidität
tatsächlich spürbar.
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Wichtig ist, dass die Hauptgläubiger rechtzeitig in die Sanierungsbemühungen eingeweiht werden. Jede Beschönigung der
derzeit aktuellen wirtschaftlichen schwierigen Lage ist falsch.
Sofern Schließungen von Standorten notwendig werden, muss
stets daran gedacht werden, dass damit nicht unerhebliche
Kosten verbunden sind. Doch stimmt man sich rechtzeitig mit
den Gläubigern diesbezüglich ab, so kann oftmals – im Rahmen
von geringen Vergleichszahlungen – ein Gesamtschaden vom
Unternehmen ferngehalten werden.
Insbesondere im Einzelhandel muss berücksichtigt werden,
dass Sanierungsphasen zwischen einem und fünf Jahre dauern
können.
Je angespannter die Liquidität ist, desto mehr muss darauf geachtet werden, dass im Rahmen des aktuellen Warenbezuges
die Rechnungen auch bezahlt werden können. Das gleiche betrifft den Werbeauftritt und die Marketingmaßnahmen sowie die
Zahlungen an die Mitarbeiter.
Bei Kapitalgesellschaften (GmbH und AG) muss zudem darauf
geachtet werden, dass die zwingenden Insolvenzanmeldegründe – Überschuldung, drohende Zahlungsunfähigkeit oder
tatsächliche Zahlungsunfähigkeit – entweder beseitigt werden
können oder nicht bestehen.
Während der Sanierungsphase muss zwingend ein monatlicher
Soll-Ist-Vergleich durchgeführt werden. Dies sollte mit externer
Unterstützung passieren. Hier ist zu bedenken, dass gerade
bei Verschlechterung der Situation eine besonders enge Abstimmung zwischen den Gläubigern und dem Unternehmer
erfolgen muss.
Der Unternehmer muss sich für ein mögliches Scheitern stets
eine Alternativstrategie zurechtgelegt haben, die auch eine
Liquidation des Unternehmens ermöglicht. Denn bei gleichzeitiger Reaktion kann oftmals eine außergerichtliche
Liquidation erreicht werden, die dann oftmals zugunsten des
Unternehmers ausfällt.
Quelle: BBE Handelsberatung München, 5/2008
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OFT IST ES FALSCH VERSTANDENER STOLZ,
WENN EIN HÄNDLER, DER IN ZAHLUNGSSCHWIERIGKEITEN GERÄT, SICH NICHT AN
SEINEN EINKAUFSVERBAND WENDET.
Andreas Varnholt, Alliance-Geschäftsführer
bei der BBE Handelsberatung
warnt vor solchen Machenschaften. Denn wenn diese auffliegen,
dann muss der Unternehmer für
die Zahlen geradestehen. Auch
wenn die Gründe für ein solches
Verhalten auf der Hand liegen –
nämlich kurzfristig die Situation
zu retten. Jahrelange, persönliche
Geschäftsbeziehungen zwischen
Unternehmen, Bankern und Steuerberatern führen außerdem häufig dazu, dass eben nicht wirklich
zahlenorientiert entschieden wird
(siehe auch S. 36).
Wolfgang Gröll hat dann im
Endeffekt mit dafür gesorgt, dass
eine Insolvenz bei Möbel Schott
abgewendet werden konnte und
das Unternehmen mit viel taktischem Kalkül liquidiert wurde.
„Das Wichtigste für uns ist es in
solchen Fällen immer, mit allen
Gläubigern zur reden. Nur so
können Vereinbarungen getroffen
werden und Verzichtserklärungen
zustande kommen. Dass in solchen Fällen von vielen Seiten
Druck ausgeübt wird, gehört
dazu.“
Die BFS Finance mit Sitz in
Verl war der zentralregulierende
Dienstleister von Möbel Schott.
Auch hier war man froh, dass es
nicht zu einer Insolvenz gekommen war und die Inhaber gemeinsam mit Beratern und den Gläubigerbanken einen Weg gefunden
hatten, das Haus zu liquidieren.
Besonders auffällig im Fall Schott
war der überdurchschnittlich gute
Räumungsverkauf. Das lag erstens an der Aktualität der Ware,
die oftmals den Einkaufswert eingebracht hat und zweitens am großen Anteil an Polstermöbeln, die
sich erfahrungsgemäß bei einem
Räumungsverkauf gut verkaufen
lassen. Bei Schott führte diesen
Wilhelm Knips von der Firma
Euro-Möbel-Prozenter, Wipperfürth, durch.
Außergewöhnlich war sicherlich auch, dass die BFS Finance
ihre Forderungen komplett erhalten hat und nicht direkt im Anschluss den ZR-Vertrag gekündigt
hatte. „Zurückzuführen war das
nicht nur auf den guten Abverkauf,
sondern auch auf ein besonderes
Vertrauensverhältnis“, betont der
zuständige Kundenmanager Günter Göbel. „Gerade im Möbelhandel ist es notwendig, als ZRDienstleister immer wieder vor
Ort zu sein, um sich selbst ein Bild
von der Lage eines Unternehmens
zu machen und den Unternehmer
bei seinen weitreichenden Entscheidungen zu unterstützen.“
Ein großer Vorteil ist, dass bei
einer geplanten Geschäftsaufgabe
das Unternehmen und auch der
ZR-Dienstleister den Ablauf der
Liquidation mitbestimmen können. Die BFS Finance war zu jedem Zeitpunkt gut über sämtliche
Aktivitäten informiert.
Aktueller Stand im Frühjahr
2008: Für den Abschluss der Liquidation steht noch der Verkauf
der Immobilie aus, der sich als
recht schwierig gestaltet. Der Erlös wird, wenn es soweit ist, an die
Gläubigerbanken gehen, die dann
abschließend auf die restlichen
Forderungen verzichten und den
Fall Schott damit abschreiben
werden. Für die Familie Schott hat
sich damit eine vielzitierte Aussage zum Glück nicht bewahrheitet:
„Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber
die Hoffnung hat auch schon viele
Unternehmer zerstört... weil sie zu
lange gehofft haben.“
Evelyne Kerl
ES IST GANZ WICHTIG, RECHTZEITIG DEN
ABSPRUNG ZU SCHAFFEN. DAS ENDE WIRD
SONST NUR HINAUSGEZÖGERT. DAS MACHT
EINEN KAPUTT.
Walter Schott, Ex-Inhaber Möbel Schott